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Bericht t der

nationalräthlichen Commission in der Rekursache des Herrn alt.Rath Maurus Jnglin, von Rothenthurm, Kantons Schwyz betreffend Beschaffungsverletzung in Strafsachen.

(Vom 18. Dezember 1867).

Jn der Rekurssache des Herrn Maurns Jnglin, von Rothenthurm, Kantons Schwyz , beantragt Jhnen die Kommission Zustimmung zum ständerathlicheu Beschluß, d. h. Abweisung des Rekurses.

von

Das Tatsächliche des Rekursfalles, soweit es sur den Entscheid ist, lässl. sich in wenigen Zügen zusammenfassen.

Herr Maurus Jnglin wurde durch Urtheil des Kriminalgerichtes.

von Schwyz vom 6. Oktober 1851 verschiedener Vergehungen wegen, insbesondere wegen Widersetzlichkeit gegen Behorden und Beamte und wegen Veruntreuung von ossentlicheu und Brivatgeldern in seiner Eigenschaft als Präsident der gemeinde Rotheuthurm zu einer Geldstrafe von Fr. 500 a.

zu z e h u ja h r i g e r Ehreneinstellung und zur Bezahlung der verurteilt.

Verschiedene Ersuch.., auf dem Wege der Revision eine Aenderung dieses Straferkenntnisses zu erlangen , sehlugen fehl. Bessern Erfolg hatte eiue au den Kantonsrath von Schwyz gerichtete Besehwerde, indem diese Behorde durch Beschluss vom 4. A u g u s t 1865 das Strafnrtheil aus dem Grunde kassirte , weil einer der bei der Urtheilsfällung

mitwirkenden Richter das versassnngsmässige 25. Altersjahr .nicht zurück

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gelegt hatte, dabei aber gleichzeitig den Fall zu neuer Beurtheilnng an das Kriminalgericht verwies. .

Als jedoch die uene Beurtheilung der Strassache vorgenommen werden sollte, zeigte es sich, dass die Untersuchungsakten verschwunden waren., alle Rachsorschnngen blieben einstweilen erfolglos.

Jnzwischeu belangte Hr. Jnglin die Regierung des Kantons Schw^ mittelst einer Zivilklage auf Rückerstattung der bezahlten Ge.ldbusse nebst Brozesskosten im Betrage von Fr. 1276. 43 sammt aufgelaufenen Zinsen. Die Regierung verlangte Siftirung des Eivilpro^esses bis zur Erledigung der neuen Strasuntersuchung. Allein sowohl das Bezirksgericht als die obere Jnstanz der Justizkommission fanden ^wischen den beiden .

neben einander lausenden Brozessen keine solche Konn^ität , dass dadurch die Einstellung des Eivilverfahrens als gerechtfertigt hätte erscheinen konnen.

So gingen denn beide Brozesse parallel, jeder seinen eigenen Weg.

Der Eipilprozess gelangte am 27. Oktober 1866 vor den. Bezirksgerichte zum Entscheid ^und wurde

auch in der Hauptsache zu Gunsten

des Klägers und heutigen Rekurrenten beurtheilt , wogegen freilich die Regierung von Schn.^ an das Kantonsgericht appellate , vor dem die Sache noch heute hangend ist.

Die Kriminalnntersuehung hinwider mnsste tro^ wiederholter ReChargen suspendirt bleiben, da die Akten noch immer vermisst wurden.

Jm Rovember 1866 endlich wurden die U^tersuchungsakten wieder aufgefunden und die neue Beurtheilung des Sraffalles sollte nun vor sich gehen. Da erhob aber Herr Jnglin die. Einrede, dass die Strasverso.^ung überhaupt zu unterbleiben habe, oder dann eveutnell jeden^ falls nur auf die kriminellen , nicht auch auf die hloss korrektiouellen funkte auszudehnen sei. Das Krimiualgerieht ging auf diese lettere Eveutualität ein, ^iess die korrektionellen funkte fallen, nahu.. aber in .^ezug anf die eigentlich kriminellen Klagepunkte das Strafverfahren wieder auf. ..^o entschied das Krimiualgericht am 12. D e z e m b e r

1866.

Gege.. Diesen Entscheid reknrrirte Herr Jnglin an die Justizkommission vou Sehw^z, welehe aber dureh Besehluss vom 30. Januar 1867 ihr Eintreten ablehnte, weil die Besehwerde erst ani 21. Dezember 1866, also nach Ablauf der gese^lichen Frist von aeht Tagen, eingereicht worden s.^i.

Run Beschwerde des Herrn Jnglin an den h. Bundesrath , in welcher der Rekurrent nicht weniger als drei .verschiedene ..^ersassungsVerlegungen gegen die Behorden des Kantons Schwnz sormnlirt.

1. Der Beschluss des Kantonsrathes vom 4. Anguft 1865, soweit er eine neue Beurtheilung des Strasfalles

dekretire ,

stehe im

t 33 Widerspruch mit den ^ 12 und 50 der schwierigen KantonsVerfassung ; ^2. Rekurrent sei in Sachen dem verfassungsmäßigen Richter entzogen worden , ^. Endlich, das Krimiualgericht wie die Justizkommisston hätten sich ihm gegenüber in mehrfacher Hinsieht einer Justizverweigerung schul-

dig gemacht.

Der Bundesrath , nachdem er darüber die Vernehmlassungen des .^..iminalgeriehtes sowohl , als der Justizkommisfion und der Regierung ^on Schw^z eingeholt, entschied den Rekurs ablehnend und diesem Entscheide ist auch der Ständerath dureh seine Schlussnahme vom 6. Dezember abhin beigetreten.

Jhre Kommission kann nach Brüsung der Akten zu keinem andern ..Ergebnisse gelangen.

.ll.

Was zunächst die behauptete Verfassungsverle^ung betrifft, die in

dem zweiten Dispositiv des kantonsräthlichen Beschlusses vom 4. August 1865 liegen soll, wodurch die Strasuntersuehung zu neuer Beurtheilung an das Kriminalgericht verwiesen worden, so liegt da unseres Erachtens auch nicht der Schein einer Verfassungsverle^nng vor.

Wohl statuirt der Art. 12 der sehw.^erischeu Kantonsversassung die Trennung der verschiedenen Staatsgewalten und verbietet der gese.^ge^ Senden Behorde, richterliehe Verrichtungen auszuüben oder sich anzueigneu, während der Art. 50 dem Kantonsrath das Recht der Gesezeserläuteruug zuspricht, jedoch nie in Anwendung aus einen einzelnen vor den G...richteu sehwebenden Rechtsfall.

Aber wie in dem sraglieheu Besehlusse des Kantonsraths eine Verle^ung dieser Versassuugsbestiu^uungeu euthalteu sein soll, will Jhrer .kommission nicht einleuchten. Von einem Verstoss gegen deu Grnndsal^ der ...^ewaltentrennun.^, resp. von einer Aneignung richterlicher Funkt.onen durch den Kantonsrath kann hier vo^ab nicht die Rede sein, da diese Behorde einfach die neue Beurtheilun^ des ^traffalles dem KriminalBerichte vorbehielt, eine Weisung, die sieh auch ohne ausdrücklichen Vorbehalt ganz von selbst verstanden hätte, nachdem einmal das erste Kriminalurtheil aus einem reiu formellen Grunde kassirt war. .^äge in dem Besehlusse des Kantousrathes überhaupt eine Verlegung des^ Grundsattes der ..^ewaltentrennung, so konnte diese eher in dem ersten Dispositiv gefunden werden , durch welches das ergangene ^trasnrtheil anfgehoben wird, wie denn allerdings andere Verfassungen, ^. B. diejeuige von Bern , ausdrücklich bestimmen , ,,es dürfe kein riehterliches Urtheil

134 ....on der gesetzgebenden Behorde nichtig erklärt werden.^ Allein gegen dieses erste Dispositiv des kantonsräthliehen Beschlusses hat der Rekurrent aus begreiflichen gründen nichts einzuwenden und wir befinden uns also auch nicht in der Lage, darüber einen Entscheid zu fassen.

Ebenso grundlos ist aber auch die angebliche Verlegung des Art. 50 der Verfassung, da von einer Gese^eserlauternng, wodurch ein einzelner vor den ..Berichten sehwebender Rechtsfall indirekt vor das ^orum der Gese^buug g..zog..n worden wäre , von ferne nicht gesprochen werden kann. Eine Erlänternng ^se^licher ..Forschriften des Strasrechtes liegt überhaupt nicht vor, und Zuweisung einer Strafsache an die zuständig gen Gerichte ist noch lange nicht Erledigung der Strafsache selbst.

.

^ .

Der Vorwurs einer verfassungswidrigen Jnstizverweigerung gründet sieh auf zwei Behauptnngeu : einmal habe man das Gesuch des Anwaltes des Herrn Jnglin um Altenvervollftändignng in der ^trassache unbeachtet gelassen, und sodann sei auch der R..knrs desselben gegen den Entscheid der Jnfti^ommission vom 12. Dezember 1866 wider alles Recht als ^verspätet erklärt worden : dort habe sich das Kriminalgerieht, hier die Justizkommlfston einer Rechtsverw^.igernng schuldig gemacht.

Allein auch diese beiden. Beschwerden stellen sich bei näherer Prüfung der Akten als durchaus unbegründet herans. Das Aktenvervotlstän^ dignngsg^snch war niemals, wie der ^ 23l der schwierigen Strafpro^ssoronung es verlangt, schriftlich gestellt worden, sondern nur mündlieh, so dass also schon aus formellen Gründen das .^riminalgericht nicht gehalten war, davon Rotiz zu nehmen und es durch einen schriftlichen B.^seheid zu ...rwiedern. Unb was die Verspätung ^es R^nrses gegen den Entscheid der Jnftizkommission vom 12. Dezeu^ber 1866 anlangt, so braucht man nur die diessfällige gese^liche Vorschrift mit den. wirklichen ^achverhalt ^u vergleichen, uni sich von den. Dasein einer Fristversäumniss vollständig zu überzeugen. Rach ^ 3l0 der ^traspro^essordnung nämlieh ist sede Beschwerde verwirkt, wenn sie uieht binnen aeht^ Tag..n uaeh Eroffnung des Erkenntnisses oder Bescheides, wogegen sie gerichtet ist, b.^i den. Präsidenten des ^antonsgerichts eingereicht wird.

Jn unserm Falle darrte der angefochtene Entscheid vom 12. Dezember und der letzte Tag der achttägigen Frist war also der 20.. Dezember.

Run ist aber durch amtliche .^ontroleu und sonstige beglaubigte Depositionen unbestreitbar bewiesen, dass die Beschwerde in Wirklichkeit erst am 21. D e z e m b e r bei kompetenter Stelle eingereicht wurde, so dass die Fristversäumung offen ans der .^and liegt. Die Zurückweisung einer verspäteten Beschwerde aber ist keine verfassungswidrige Jnstizverwei^ gernng.

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Richt besser steht es endlich^ mit der dritten angebliehen Verfassung^ verlet^ung. mit der Behauptung nämlich, Herr Jnglin sei in dieser Sache seinem verfassungsmässigen Richter entzogen worden. Wenn wir die Beschwerde richtig verstehen, so wird dieser Klagepunkt lediglich damit motivirt. dass das K^iminalgericht, ehe es zu seinem Entscheide vom 12. De-

^ember 1866 überging , zuvor das Aktenverpollständign..gsgesuch hätte erledigen sollen. Allein sür's Erste w..trde scho.. oben bemerkt, warum das Kriminalgericht nicht gehalten war, auf dieses Besuch einen sor-

melleu Entscheid zu geben: es war nicht in schriftli.her Eingabe a^st.^t

^worden.

Aber

gese.^t auch,

das Kriminalgericht wäre verpflichtet ge-

wesen , dieses Gesuch auch als ein bloss mündlich gestelltes zu berück-

sichtigen, so konnte doch die Richtberücksi.htigung desselben niemals den Vorwnrf rechtfertigen, dass Herr J^.glin dadurch seinem natürlichen Richter entzogen worden sei, denn im einen wie im andern ^.all.. war das

Kriminalgericht die ..^rfassungsmässig zuständige Gerichtsbel^orde. Die

Berücksichtigung oder Richtberück^ichtignng eines Aktenvervollständignngsgesucht kann zwar unter Umständen aus die Aktenlage, nicht aber ans die Versassungsmässigkeit des Gerichtsstandes von Einsinss sein.

Wohl werden ansser diesen sog. Versassnngsverlel^nngen vom Rekurrenten noch andere Unreg^.lmässig^iten in der geführten Strafpro^edur gerügt. Allein wo nicht bundesrechtlich garantirle Rormen und Fundamentalgrundsä^. in ^rag.^ stehen, haben die eidgenossisch...n B^horden keine Veranlassung , sich in die Geriehtsoflege und das Jnst^ versahren eines Kantons einzumischen.

Jhre Kommission beantragt Jhnen demgemäss in Uebereinftimmnng mit dem ständeräthliehen B^schlusse A b w e i s u n g des R e k u r s e s .

B e r n , den 18. Dezember 1867. .

Der Berichterstatter: ......euen.^e.^er.

^it^ieder der .^t.nmssh.n.

Herren .

J. Leuen^rger. in Bern.

.

A.

.

.

.

.

.

i .

.

^iag^,

.

^ .

. u .

.

. n b.

.rg .

.^r. Schneider, in Aarau.

Beschluß naeh Antrag.

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Bundesratbsbeschluss in

Sachen des Rekursen des Herrn Henri bei. Avenches

in Bellerive

Waadt, betreffend Gerichtsstand.

(Vom 7. September 1866.)

^

D e r s c h w e i z e r i s c h e Bundesrath hat

in Sachen des Hrn. Henri B i g u e t in Bellerive bei Avenehes, Waadt, betreffend Gerichtsstand, nach angehortem Berichte des Justiz und Polzeidepartements und nach Einsicht der Akten, woraus sich ergeben.

..

1. Am 3t. März 1865 unterzeichnete Jean Baptiste Macherel, damals Easetier in Avenehes, Kts. Waadt, eine Schuldverschreibung zu Gunsten des Rekurrenten, Herrn Vignet, iu. Betrage von 549, für welchen Betrag er am 8. Juni 1865 ebenfalls in Avenches rechtlich betrieben wurde. Als jedoch am 4. August gl. Jahres die Bfändung daselbst vorgenommen werden sollte, ergab es sieh, dass Jean B.

in den Kanton Freiburg gezogen und dass Alles, was er besessen, gepsän..

det und gerichtiieh versteigert worden sei.

2. Hr. Biguet erhob nun gegen Hrn. Jean Baptiste Macherel, wohnhast in Ruffy , neue Betreibung im Kanton Freiburg und wählte zu diesem Zweke sein Domizil aus dem Bureau des Friedensrichters zu

Dompierre. Der erste Akt datirt vom 14. August 1865 und besteht

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Bericht der nationalräthlichen Kommission in der Rekurssache des Herrn alt-Rath Maurus Inglin, von Rothenthurm, Kantons Schwyz betreffend Verfassungsverletzung in Strafsachen. (Vom 18. Dezember 1867).

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Jahr

1868

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1

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06

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Numéro d'affaire Numero dell'oggetto Datum

08.02.1868

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131-136

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10 005 686

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