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Mehrheit der Kommission des Ständeraths, betreffend die Lehrfunktionen der religiösen Kongregationen im bernischen Jura.

(Vom 22. Juli 1868.)

^ Tit. l Die Mehrheit Jhrer kommission, welche mit Brüsung des Rekursen beauftragt wurde,. welchen 18 jurassische Deputile gegen das Dekret des Grossen Rathes des Kautons Bern vom 5. März 1868 einlegten, womit den Mitgliedern religiöser Kongregationen der Brimarunterricht untersagt wurde, hat die Ehre, Jhnen hiermit ihren sachbezüglichen Bericht abzustatteu.

Der Ständerath hat sich daraus zu beschränken, zu prüfen, ob das rekurxirte Dekret die von der Bundesverfassung und von der bernischen Kantonsversassung garautirten Rechte antaste , . sowie ob dasselbe sich gegen internationale Verträge verstosse.

Von diesem zweifachen Gesichtspunkte aus konnte die Mehrheit Jhrer Kommisston nicht finden, dass das fragliche Dekret aufzuheben sei.

Was die verfassungsmäßigen Rechte betrifft, so hat die Mehrheit Jhrer Kommission die im betreffenden bundesräthlichen Beschlusse eut-

wikelten Motive adoptirt.

Die Artikel 81 und 82 der bernischen Verfassung, auf welche ge-

ftüzt die Rekurrenten die Aufhebung des Dekrets des bernischen Grossen Raths verlangen, enthalten keine Bestimmung, welche die souveräne Be-

233 sngniss des Kautons Bern beschränken würde, in dieser Sache gesezgeberische Verfügungen zu treffen. Der Art. 81 garantit die Lehrsreiheit, unter dem ausdrükliehen Vorbehalte legislativer Bestimmungen. Der Art. 82 untersagt allen auslandischen religiösen Korporationen . oder Orden, sowie ihren Asfiliirten, sich auf dem Gebiete der Republik niederzulassen, und erklärt im Weitern, dass kein Jndipiduum, das einer diesex Korporationen angehört, dem Unterrichte in diesem Kanton obliegen dars, ohne Bewilligung des Grossen Rathes.

Es ist klar, dass diese beiden Artikel dem Grossen Rathe von Bern

das Recht belassen, mittelst Gesezen Alles zu regeln, was den össentlichen Unterricht beschlägt, sowie das Recht, über die Schulen und den Unterricht im Allgemeinen seine Kontrolle und Oberaussicht zu üben.

Die Rekurrenten stüzen ans den Art. 82 das Argument: wenn.

bloss den f r e m d e n Orden und ihren Asfiliirten verboten sei, sich auf dem Gebiete der Republik niederzulassen, und dem Grossen Rathe das Recht vorbehalten bleibe, in Spezialsälleu die Mitglieder solcher Korpoxationen zur Unterrichtertheilung zu ermächtigen, so könne man nicht mehr, durch eine allgemeine Versügung, den e i n h e i m i s c h e n Religionsorden die Niederlassung aus dem Gebiete der Republik untersagen, noch die einen oder andern vom Unterrichte^ ausschlössen.

Dieses Argument schien der Mehrheit Jhrer Kommission nicht hin-

länglieh begründet. Bei einer solchen Auslegung würde der Art. 82 ein wahres Vorrecht schaffen zu Gunsten der religiösen Orden, sowohl der einheimischen als der fremden. Damit würde gesagt, dass entgegen jeder Schlussnahme des Grossen Raths die Mitglieder solcher Korporatioueu das Recht haben, aus dem Kantonsgebiet steh mit össeutlichem und Brivat^Unterrieht zu besassen, --- was. durchaus uuzulässig ist.

Dies kouute der Sinn des Art. 82 nicht sein, und ist es nicht.

Vielmehr besagt derselbe einsaeh, dass die fremden Religionsorden sich nicht im Kanton Bern niederlassen könnten ---. selbst mit Bewilligung

des Grossen Rathes. Kraft dieses Artikels befinden sich die fremden

Orden gegenüber dem Kanton Bern in der nämlichen Stellung, wie der Jesuitenordeu gegenüber der gesammten Schweiz, gemäss Art. 58 der Bundesversassung. Ausserhalb dieser Beschränkung aber stehen dem Grossen Rathe des Kantons Bern alle seine sonstigen Rechte zu, u. A.

auch das Recht, .nach eigenem Ermessen Alles zu regeln, was den Unterxicht in diesem Kanton betritt.

Und zwar würde dieses Recht selbst dann bestehen, wenn die Berner Verfassung kein dasselbe sanktionirendes Dispositiv enthielte ^ allein das Recht ist überdies dem Grossen Rathe durch Art. 81 der bernischen Ver-^ fassung förmlich zugesprochen.

234 Die Mehrheit Jhrer Kommission konnte nicht finden, das Dekret des Gr.^eu Rathes von Bern verlebe irgendwie das ....iederla^ungsreeht oder die Kultusfreiheit -^ Rechte, welche düreh die Art. 41 und 44 der ^Bundesverfassung garantit sind ^; denn ...urch dieses Dekret wird den Bers^n, welche religion Orden angehoren. keineswegs das Recht ent^en, sich beliebig wo niederzulassen, und es lä^t dasselbe auch Allen

di^ Freiheit in der Ausübung il^res Kultes. mit Vorbehalt der zu...

Ausrechthaltung der offentlichen Ordnung erforderlichen Maßnahmen.

Was die Verträge betrifft, so hat sich die Vereinigungsakte darauf un^d ihres Kultus im Sinne der Beibehaltung dessen, was diesfalls zur^ ....esehränkr, den Bürgern des Jura die freie Ausübung ihrer Religion

Zeit d...s Anschlusses bestand, ^ü gewährleisten. Das Dekret des Grossen Rathes von Bern sezt der Ausübung dieses Kultus kein Hinderniss entgegen, und die Mehrheit Jhrer Kommission halt dafür, es sei auch von diesem Gesichtspunkte der Vertragseinhaltnng aus, das Dekret vom 5.

März 1^868 unanfechtbar. Sie gibt st^.h daher die Ehre, Jhnen den

Antrag^ ^u stellen, der diesmaligen Schlussnahme des Nationalraths .bei^itreten, also über den vorliegenden Rekurs zur Tagesordnung zu schreiten.

B e r n , den 22. Juli 186^.

Ramens der Mehrheit der.ständeräthliehen Kommission, Der Berichterstatter: ^ .

.^. .^e ^to^alli.

^) Angenommen vom Ständerath am 22. ^uIi 18^8.

Schweizerisches Bundesarchiv, Digitale Amtsdruckschriften Archives fédérales suisses, Publications officielles numérisées Archivio federale svizzero, Pubblicazioni ufficiali digitali

Bericht der Mehrheit der Kommission des Ständeraths, betreffend die Lehrfunktionen der religiösen Kongregationen im bernischen Jura. (Vom 22. Juli 1868.)

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Jahr

1868

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3

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40

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Numéro d'affaire Numero dell'oggetto Datum

05.09.1868

Date Data Seite

232-234

Page Pagina Ref. No

10 005 897

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