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zu 301 Bericht des

Bundesrates an die Bundesversammlung betreffend Zurückkommen auf die Beschlüsse der beiden Räte zu de» Art. 10 und 10« des Entwurfes über die Nutzbarmachung der Wasserkräfte vom 19. April 1912.

(Vom 25. Juli 1916.)

Herren Nationalräte!

Herren Ständeräte !

Die beiden Kommissionen für die Vorberatung des Wasserrechtsentwurfes haben während der letzten Junisession gemässArt. 5, Absatz 2, des Geschäftsverkehrsgesetzes beschlossen, diein Art. 10 und 10« gefassten Beschlüsse in Wiedererwägungzu ziehen und uns beauftragt, ihnen darüber Bericht und Antrag vorzulegen. Es handelt sich um die Frage, ob der Bund,, wenn er gemäss den Art. 10 und l O a Wasserkräfte in Anspruchnimmt, den Kanton und die Gemeinden dafür schadlos zu halten, habe, dass das von ihm geschaffene Werk steuerfrei sein wird.

Sowohl Nationalrat wie Ständerat haben diese Frage verneint; es besteht also darüber formell keine Differenz mehr. Alleinder Beschluss ist in beiden Räten nur zustande gekommen gegen eine starke Minderheit, und die Gründe der unterlegenen Ansicht, die zum Teil vom Standpunkt der Billigkeit einer gewissen Berechtigung nicht entbehren, werden in .einzelnen Landesteilenlebhaften Widerhall finden, so dass zu befürchten ist, dass die Annahme des Gesetzes im Raie oder im Volke gefährdet würde, wenn jenen Erwägungen nicht Rechnung getragen wird. Nachnochmaliger Prüfung der Frage haben wir nun gefunden, dass man die fiskalischen Interessen der Kantone und der Gemeinden berücksichtigen kann, ohne den Grundsatz der Steuerfreiheit desBundes preiszugeben, und, um das Zustandekommen des .Gesetzes nicht in Frage gestellt zu sehen, glauben wir, mit einem neuen Vorschlag zu einem, für alle annehmbaren Ausgleich Hand, bieten zu sollen.

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Blickt man auf die Verhandlungen über diesen Gegenstand zurück, so sieht man, dass in der ersten Beratung im Ständerat, im Oktober 1913, diese Frage gar nicht aufgeworfen worden ist ; angefochten wurde das Recht des Bundes, Wasserkräfte der Kantone anders als auf dem Wege der Konzessionsnachsuchung oder der Expropriation zu erwerben, und anderseits wünschte man die nähere Bestimmung des Begriffes der Schadloshaltung; der Rat lehnte aber diese beiden Abänderungsanträge ab (St. B. Bd. XXIII, :S. 223, 280 ff.)- Erst im Nationalrat wurde die Frage aufgeworfen, die nachher zur Hauptdifferenz des ganzen Gesetzesentwurfes wurde, ob nämlich der Bund den Kantonen und Gemeinden, in -deren Gebiet er Wasserkräfte in Anspruch nimmt, auch für den Ausfall an Steuern einzustehen habe, der für sie dadurch entsteht, dass statt einer steuerpflichtigen Privatperson der steuerfreie Bund das Werk ausführt. Herr Nationalrat Evéquoz beantragte im September 1915 (St. B. XXV, S. 184, 232), es solle in diesem Fall die Steuerfreiheit für den Bund nicht gelten, ·sondern der Bund solle die staatlichen Abgaben wie jeder andere Nutzungsberechtigte zahlen ; ähnlich lautete ein Antrag von Herrn Nationalrat Blumer (St. B. ibid.). Der Rat beschloss jedoch, gemäss dem Antrag der Kommissionsmehrheit, das verfügungsberechtigte Gemeinwesen sei nur für den Ausfall an Konzessions.gebühren und Wasserzins schadlos zu halten ; wenn aber ein Kanton gemäss Art. 40, Abs. 3, oder 12» des Entwurfes, neben ·dem Wasserzins eine besondere Steuer- erhebe, so solle er für den Wegfall dieser Steuer auch entschädigt werden. Der Antrag Evéquoz wurde mit 76 gegen 50 Stimmen abgelehnt. Er wurde im Ständerat durch Herrn Ständerat Legier wieder aufgenommen und dort zunächst mit 17 gegen 16 Stimmen gutgeheissen ; nach-dem aber Zurückkommen beschlossen worden war, wurde er endgültig mit 20 gegen 17 Stimmen verworfen (St. B. XXV, 3. 80, 84--86, 92 ff.). In der letzten Session des Nationalrates endlich stellten die Herren Evéquoz, Blumer, Bonhóte, Ming, Steuble und Tarchini den Antrag, in Art. 10, Abs. 3 (und ähnlich in Art. 10 a, Abs. 3) den Bund zu verpflichten, das verfügungsberechtigte. Gemeinwesen nicht nur für den Ausfall der Konzessionsgebühr und des Wasserzinses, sondern auch für den Ausfall der Steuern schadlos zu halten ; der Vorschlag, den Bund wie
andere Benutzungsberechtigte steuerpflichtig zu erklären, ·wurde also fallen gelassen, aber das verfügungsberechtigte Gemeinwesen sollte durch die Steuerfreiheit des Bundes nicht zu Schaden kommen. Der Antrag wurde mit nur vier Stimmen Mehrheit (62 gegen 58) abgelehnt (St. B. XXV, S. 68 ff., 75).

413 Von den Vertretern der Minderheit wurde mit grossem Nachdruck betont, dass die Wasserkräfte nach bisherigem Recht und .auch nach Art. 24 bis der Verfassung ein Gut der Kantone seien, und dass, wenn der Bund sich dieser Wasserkräfte zu seinen Zwecken bemächtige, die Kantone für allen Schaden, der daraus ·entstehe, zu entschädigen seien; es sei namentlich eine Unbilligkeit, wenn die Gemeinden, auf deren Gebiet eidgenössische Wasserwerke gebaut werden, der Möglichkeit beraubt würden, das Werk zu besteuern, während andere Gemeinden, deren Wasserkräfte Privatunternehmern konzediert worden seien, diesen Vorteil ungeschmälert geniessen würden. Obschon der ganzen Bestimmung nicht mehr so grosse praktische Bedeutung zukommt, nachdem ·die Bundesbahnen bedeutende Wasserkräfte für die Elektrifizierung der Bahnen erworben haben, scheinen doch die Vertreter ·der kantonalen und kommunalen Interessen auf die Art und Weise, wie diese Frage gelöst werden soll, grosses Gewicht zu legen; wir möchten deshalb nicht unterlassen, im Interesse des .Zustandekommens des Gesetzes den Wünschen der Minderheit so viel als möglich entgegenzukommen. Den Grundsatz der Steuerfreiheit des Bundes und speziell der Bundesbahnen möchten wir nicht antasten. Erstens empfiehlt es sich nicht, in einem Spezialgesetz von einer Regel abzugehen, die bisher ausnahmslos anerkannt worden ist; sodann ist der gegenwärtige Augenblick am wenigsten geeignet, die finanzielle Stellung des Bundes und speziell ·der Bundesbahnen noch mehr zu schwächen ; und endlich möchten wir es unter allen Umständen vermeiden, dass die Bundesbahnen indirekt von der finanziellen Lage der Kantone und der kantonalen Steuerpolitik ' abhängig gemacht würden, dadurch, dass sie ·schlechthin steuerpflichtig erklärt würden ; wir halten es im Gegenteil für einen grossen Vorzug und für eine vornehmliche Aufgabe des Staatsbetriebes, dass die Bundesbahnen gegenüber der allgemeinen wirtschaftlichen Lage des Landes durch möglichste Stetigkeit ihrer Tarife ausgleichend wirken, was ihnen erschwert würde, wenn sie alle Schwankungen der kantonalen «nd kommunalen Steuerpolitik mitmachen müssten.

Wir können es auch nicht zugeben, dass man gewissermassen von einer Verletzung wohlerworbener Rechte der Kantone durch den Bund spreche ; nicht nur ist der Grundsatz der Steuerfreiheit des Bundes
bisher nie angefochten worden und im positiven Recht unanfechtbar begründet, so gut wie die Wasserhoheit der Kantone, sondern man wird auch der Sache nicht gerecht, wenn man beim Ausgleich der Finanzen des Bundes und der Kantone Bundesblatt. 68. Jahrg. Bd. III.

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von wohlerworbenen Rechten spricht: staatliche Aufgaben und Einkünfte müssen schliesslich auf Bund und Kantone so verteilt werden, wie es das Wohl des Ganzen erfordert, so, wie beide am besten dabei bestehen können ; das ist der einzige Massstab, der für die Beurteilung dieses staatsrechtlichen Verhältnisses zutrifft. Dagegen ist zuzugeben, dass die Anwendung des Grundsatzes der Steuerfreiheit des Bundes hier wie anderwärts in einzelnen Fällen zu Härten und Unbilligkeiten führen kann.

Gemeinden, in denen der Bund ausgedehntes Eigentum erwirbt, büssen dadurch einen vielleicht erheblichen Teil ihres Steuerkapitals ein, und so kann es sich auch bei der Inanspruchnahme und beim Ausbau von Wasserkräften durch den Bund treffen, dass eine Gemeinde dadurch um ein wertvolles Steuerobjekt kommt; für die Kantone wird der Ausfall an Steuern viel weniger fühlbar sein. Aus diesen Gründen möchten wir Ihnen, in der Hoffuung, zwischen den beiden Ansichten eine Verständigung herbeizuführen, vorschlagen, dem Kanton zu seinen Händen und zuhanden seiner Gemeinden als teilweisen Ausgleich für den Ausfall aller kantonalen, kommunalen und ändern Steuern eine bestimmte Entschädigung zuzusprechen, und zwar Fr. l pro ausgebaute Pferdekraft. Wir. schlagen einen festen, unveränderlichen Betrag vor, zunächst weil es absolut notwendig erscheint, dass dio Bundesbahnen mit einem bestimmten Aufwande rechnen können ; sodann weil die Berechnung der Entschädigung nach dem effektiven Steuerausfall ausserordentlich schwierig wäre; denn einesteils wäre es nicht billig und auch für den Bund nicht ungefährlich, wenn man dabei auf die gerade im Moment der Inanspruchnahme oder Ausführung des Werkes bestehenden oder nicht bestehenden kantonalen und kommunalen Steuern abzustellen hätte, und anderseits müssten doch auch die anderweitigen Vorund Nachteile des Unternehmens für die beteiligten Gemeinden mitberücksichtigt werden, z. B. die vermehrten Schul- und Armenlasten bei einer privaten Unternehmung oder umgekehrt die geringe Arbeitsgelegenheit, die eine blosse Kraftanlage der Bundesbahnen bietet; alles Momente, die sich schwer in Zahlen ausdrücken lassen.

Wir beantragen nun, als Art. 10 & folgende Bestimmung aufzunehmen : ,,Der Bund hat den Kantonen, auf deren Gebiet er Wasserkräfte in Anspruch nimmt, als Ausgleich des Ausfalles an kantonalen,
kommunalen und anderen Steuern eine Entschädigung von einem Franken für die ausgebaute Bruttopferdekraft im Jahre zu bezahlen; werden mit verhältriismässig grossen Aus-

415 lagen zur Ausgleichung der Wassermengen geeignete Wasserbecken geschaffen, so soll, sofern die Umstände es rechtfertigen, eine entsprechendgeringere Zahl von Wasserkräften in Anschlag gebracht werden.

Befinden sich die benutzten Wasserstrecken auf dem Gebiete mehrerer Kantone, so bemisst sich der Anteil jedes Kantons nach dem Verhältnis, in dem er zur Gewinnung der Wasserkraft beiträgt.

Sache des Kantons ist es, die ihm zukommende Entschädigung ganz oder teilweise den durch den Steuerausfall betroffenen Gemeinden, Bezirken oder anderen Körperschaften zuzuwenden.

Streitigkeiten über die Anwendung dieser Grundsätze beurteilt das Bundesgericht als Staatsgerichtshof.1' Die Marginalien hätten zu lauten: zu Art. 10. 6. Inanspruchnahme für Bundeszwecke.

a. Ini allgemeinen.

a. Unbenutzte Gewässerstrecken, zu Art. 10«. ß. Benutzte Gewässerstrecken, zu Art. 10&. b. Steuerausgleich.

Zur vorgeschlagenen Fassung sei noch bemerkt, dass die Entschädigung fällig werden soll mit der Fertigstellung des Werkes, und dass sie jährlich zu zahlen sein wird, sofern nicht mit dem Kanton eine einmalige Abfindung vereinbart wird ; die Verteilung unter mehrere Kantone soll nach Absatz 2 nach dem gleichen Massstab erfolgen, nach welchem sich das Eigentum an einem heimgefallenen interkantonalen Werke unter die Kantone verteilt (Art. 59).

Was die Höhe der Entschädigung anbelangt, so würde Fr. l pro ausgebaute Pferdekraft bei einem Aufwand von Fr. 1000 pro Pferdekraft einer Vermögenssteuer von l %o gleichkommen ; bei einem Aufwand von Fr. 1500 pro Pferdekraft, einer Vermögenssteuer von 0,67 °/oo und bei einem Aufwand von bloss Fr. 800 pro Pferdekraft einer Vermögenssteuer von 1,25 %°- Wenn das Werk bei einem Aufwand von Fr. 1000 pro Pferdekraft einen Gewinn von 5 °/o abwirft, so würde die vorgesehene Entschädigung einer Erwerbssteuer von 2 °/o gleichkommen. Es ist also ein bedeutendes Opfer, das der Bund damit bringt. Die Generaldirektion der Bundesbahnen hat sich damit nicht ohne grosse Bedenken einverstanden erklärt, um das Zustandekommen des Gesetzes zu erleichtern.

Wir betonen, dass damit Kanton, Gemeinde und andere steuerberechtigte Körperschaften für alle Steuern irgendwelcher

416 Art, gegenwärtige und zukünftige, abgefunden sein sollen, in der Meinung, dass jede Besteuerung der benutzten Wasserkräfte, desWasserwerkes und der damit zusammenhängenden Betriebsanlagen des Bundes, ausgeschlossen sein solle. Die in unserm Vorschlage statuierte Ausgleichspflicht des Bundes gilt selbstverständlich nur für die künftig auf Grund der Art. 10 oder 10 a zu erwerbenden Wasserkräfte, nicht für die schon jetzt erworbenen oder für die später auf anderer Grundlage zu erwerbenden.

Wenn wir zu einer so weitgehenden Konzession an die Vertreter der Minderheitsanträge gelangen, so geschieht es, um nichts zu unterlassen, was das Zustandekommen dieses wichtigen,, dringend notwendigen Gesetzes erleichtern könnte und in Anbetracht der besondern hier vorliegenden Umstände, nicht aber, weil wir mit den Minderheitsanträgen grundsätzlich einverstanden wären. Wir wiederholen vielmehr, dass mit unserm Antrag der Grundsatz der Steuerfreiheit des Bundes durchaus nicht preisgegeben, noch ein Präjudiz für spätere Fälle geschaffen sein solle.

In diesem Sinne empfehlen wir Ihnen die Annahme unseres Antrages.

Genehmigen Sie die Versicherung unserer vollkommenere Hochachtung.

B e r n , den 25. Juli

1916.

Im Namen des Schweiz. Bundesrates,.

Der Bundespräsident:

Decoppet.

Der Kanzler der Eidgenossenschaft i Schatzmann.

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Bericht des Bundesrates an die Bundesversammlung betreffend Zurückkommen auf die Beschlüsse der beiden Räte zu den Art. 10 und 10a des Entwurfes über die Nutzbarmachung der Wasserkräfte vom 19. April 1912. (Vom 25. Juli 1916.)

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02.08.1916

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