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88.005

Botschaft über die Volksinitiative «für ein naturnahes Bauern - gegen Tierfabriken (Kleinbauern-Initiative)»

vom 27. Januar 1988

Sehr geehrte Herren Präsidenten, sehr geehrte Damen und Herren, wir unterbreiten Ihnen unsere Botschaft über die Volksinitiative «für ein naturnahes Bauern - gegen Tierfabriken (Kleinbauern-Initiative)» und beantragen Ihnen, diese Volk und Ständen mit der Empfehlung auf Verwerfung und ohne Gegenvorschlag zur Abstimmung zu unterbreiten.

Wir versichern Sie, sehr geehrte Herren Präsidenten, sehr geehrte Damen und Herren, unserer vorzüglichen Hochachtung.

27. Januar 1988

1988-75

Im Namen des Schweizerischen Bundesrates Der Bundespräsident: Stich Der Bundeskanzler: Buser

627

U e b e r s i c h t Die Volksinitiative "für ein naturnahes Bauern - gegen Tierfabriken (Kleinbauern-Initiative)" verlangt, dass der "Schutzbereich" der Agrargesetzgebung auf "bäuerliche Betriebe" zu beschränken ist. Was unter einem bäuerlichen Betrieb zu verstehen ist, wird im Initiativtext im Detail umschrieben. Gemäss Inititiave sollen sodann die kleineren und sonstwie benachteiligten bäuerlichen Betriebe, d.h. jene mit höheren Produktionskosten, besonders begünstigt werden.

Für den Einfuhrschutz sieht das Volksbegehren eine klare Prioritätsordnung vor: Primäres Instrument ist das Leistungssystem, d.h. die Verpflichtung der Importeure zur Ueberriahme der Inlandproduktion aus bäuerlichen Betrieben; an zweiter Stelle stehen Einfuhrabgaben, und erst wenn Leistungssystem und Importabgaben nicht genügen oder ungeeignet sind, können auch Einfuhrverbote oder Einfuhrmonopole zur Anwendung kommen.

Obwohl wir verschiedene Anliegen der Initianten zumindest teilweise für gerechtfertigt halten, beantragen wir Ihnen die Ablehnung der Initiative, und zwar vor allem aus folgenden Gründen: - Die durch die Initiative vorgeschriebene Beschränkung des Agrarschutzes auf bäuerliche Betriebe und die hierzu nötige Abgrenzung der bäuerlichen von andern Betrieben wären mit beträchtlichen Schwierigkeiten verbunden und nur mit sehr hohem administrativem Aufwand zu bewältigen.

- Viele kleinflächige Betriebe, die in der Vergangenheit ihre Existenz durch innere Aufstockung gestärkt haben, müssten, weil sie die von der Initiative vorgeschriebenen Mindestwerte bezüglich der eigenen Futterbasis nicht erreichen, vom Agrarschutz ausgeschlossen werden. Nutzniesser wären anderseits Betriebe mit grösserer Fläche.

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Die Beschränkung des Schutzbereiches auf bäuerliche Betriebe und insbesondere die postulierte Begünstigung der kleinern Einheiten hätten zur Folge, dass die bäuerliche Landwirtschaft mehr und mehr vom Markt abgeschirmt und damit der Notwendigkeit enthoben würde, Struktur und Produktionsmethoden veränderten Verhältnissen anzupassen. Das Ergebnis wäre eine Verteuerung der landwirtschaftlichen Produktion, höhere Lebenshaltungskosten und letztlich eine Verminderung der Konkurrenzfähigkeit unserer Wirtschaft.

Die Initiative hätte sodann zur Folge, dass der Einfuhrschutz weitgehend neu geordnet werden müsste. Eine Ablösung der bestehenden Importkontingentierung durch das Leistungssystem sowie eine Verallgemeinerung der Einfuhrabgaben brächten zwar agrarpolitisch gewisse Vorteile. Diese beiden für die Initianten wichtigsten Instrumente wären aber nur bedingt oder überhaupt nicht geeignet, um das Ziel der Initiative, nämlich die Bevorzugung der bäuerlichen Betriebe, zu erreichen. Besonders zu betonen ist, dass bei einer Aenderung des Einfuhrschützes im Sinne der Initiative unsere völkerrechtlichen Grundlagen, insbesondere unser Agrarstatut im GATT, neu ausgehandelt werden müssten. Unsere Handelspartner dürften dabei weitreichende Kompensationsforderungen sowohl auf der Import- (Marktzugang) wie auch auf der Exportseite (Käse, Vieh, Nahrungsmittel usw.) des Agrarbereiches an uns stellen, die aufgrund der heutigen Produktionsstruktur in unserer Landwirtschaft nur sehr schwer zu erfüllen wären.

Im übrigen geriete die Initiative mit der verfassungsrechtlichen Zuständigkeitsordnung in Konflikt. Danach ist es Sache des Gesetzgebers, Verfassungskompetenzen und Rechtsetzungsaufträge auszuführen (Art. 85 Ziff. 2 BV). Demgegenüber würde die Initiative grundsätzlich direkt den Bundesrat zur Rechtsetzung ermächtigen.

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Gewisse berechtigte Anliegen der Initianten lassen sich gestützt auf Artikel 31bis BV - ohne Ergänzung der Verfassung - auf Gesetzes- bzw. Verordnungsstufe realisieren. Wir gedenken, ihnen im wesentlichen wie folgt Rechnung zu tragen: 1. Fortführung und soweit nötig Ausbau der bisherigen Massnahmen zugunsten von Klein- und Bergbetrieben; 2. Weiterführung bzw. Verbesserung der Massnahmen gegen die Konzentration in Tierhaltung und Bodenbesitz; 3. Erarbeitung von Lösungsvorschlägen und Bereitstellung der Rechtsgrundlage für einen Ausbau der Direktzahlungen; geprüft werden zwei Arten, nämlich - allgemeine produktionsunabhängige, mit bestimmten Auflagen verbundene Beiträge ( im Zusammenhang mit vermehrt marktwirtschaftlicher Preisgestaltung), - spezifische Beiträge für besondere, gisch erwünschte Leistungen;

namentlich

ökolo-

4. Vermehrte Berücksichtigung ökologischer Aspekte auch bei andern Massnahmen, insbesondere in den Bereichen der Hilfsstoffverwendung und des Umweltschutzes im weiteren Sinn; 5. Stärkere Berücksichtigung des Leistungsgedankens und allenfalls auch der Importabgaben bei der Einfuhrregelung unter Beachtung der traditionellen Importströme.

Konkrete, die Punkte 3 und 4 betreffende Vorschläge sollen sobald als möglich den Kantonen, Organisationen und Parteien zur Vernehmlassung unterbreitet werden. Wir beabsichtigen im übrigen, als Vorstufe zu allgemeinen Direktzahlungen, von der Möglichkeit zur Ausrichtung von Tierhalterbeiträgen nach den unlängst revidierten Artikeln 19a und c des Landwirtschaftsgesetzes Gebrauch zu machen; solche Beiträge sollen womöglich erstmals für 1988 ausgerichtet werden.

630

B o t s c h a f t

I

Formelles

II

Wortlaut

Am 28. Februar 1985 wurde die Volksinitiative "für ein naturnahes Bauern - gegen Tierfabriken" eingereicht. Die Initiative ist in die Form eines ausgearbeiteten Entwurfs gekleidet und lautet: Die Bundesverfassung wird wie folgt ergänzt: Art. 3iocties (neu) 1

Der Schutzbereich der Gesetzgebung zur Erhaltung eines gesunden Bauernstandes und einer leistungsfähigen Landwirtschaft gemäss Artikel 31bis Absatz 3 Buchstabe b ist auf bäuerliche Betriebe beschränkt.

2 Unter einem bäuerlichen Betrieb ist eine landwirtschaftliche Produktionsstätte zu verstehen, die a. von einem selbständigen Bauern oder Bäuerin und vorwiegend familieneigenen Arbeitskräften bewirtschaftet wird und b. für die Tierhaltung eine eigene, vorwiegend am Standort des Betriebes befindliche Futterbasis hat, die im Talgebiet mindestens zwei Drittel, im Berggebiet mindestens die Hälfte des gesamten Futterbedarfes aus eigener Produktion deckt und die Weiterexistenz auch bei Importstörungen gewährleistet. Die Standortgebundenheit wird durch die Bewirtschaftung von Alpen, Allmenden und Weiden nicht ausgeschlossen.

Der Bundesrat erlässt die nötigen Vollzugsbestimmungen auf dem Verordnungswege.

3

Sofern der Absatz inländischer landwirtschaftlicher Erzeugnisse der bäuerlichen Betriebe zu kostendeckenden Preisen durch die Einfuhr gefährdet wird, trifft der Bundesrat die folgenden ausschliesslich in Betracht fallenden Massnahmen:

631

a. Er verpflichtet die Importeure von landwirtschaftlichen Erzeugnissen, in einem zu bestimmenden Verhältnis zu den Importmengen gleichartige oder ähnliche Produkte zu kostendeckenden Preisen aus bäuerlichen Betrieben zu übernehmen (Leistungssystem) , wobei die Importbewilligung bei Abgabe der Uebernahmeerkl'arung zu erteilen ist.

b. Wo sich das Leistungssystem als ungeeignet oder zu wenig wirksam erweist, erhebt er auf der Einfuhr von landwirtschaftlichen Erzeugnissen Abgaben, aus deren Ertrag Beiträge zur Preis- und Absatzsicherung sowie nach Produktionskosten abgestufte Direktzahlungen an die bäuerlichen Betriebe zu leisten sind, die es diesen ermöglichen, ihre Erzeugnisse zu kostendeckenen Preisen abzusetzen.

c. Die in Buchstabe b umschriebenen Abgaben können auch zusätzlich zum Leistungssystem erhoben werden.

4 wenn sich die unter Absatz 3 Buchstaben a-c aufgeführten Massnahmen als ungeeignet oder nicht genügend wirksam erweisen, ist der Bund befugt, auf dem Wege der Gesetzgebung Einfuhrverbote zu erlasseh oder sich das ausschliessliche Recht zur Einfuhr vorzubehalten .

Die Initiative enthält eine Rückzugsklausel.

12

Zustandekommen

Die Bundeskanzlei stellte mit Verfügung vom 23. April 1985 fest, dass die Initiative mit 126'802 gültigen Unterschriften formell zustandegekommen ist (BB1 1985 I 1245).

13

Behandlungsfrist.

Nach Artikel 27 Absatz l des Geschäftsverkehrsgesetzes (SR 171.11) hat die Bundesversammlung bei einer Volksinitiative, die die Form eines ausgearbeiteten Entwurfs aufweist, innert vier Jahren nach deren Einreichung darüber zu beschliessen, ob sie der Initiative, so wie sie lautet, zustimmt oder nicht.

632

Der Bundesrat hat

der Bundesversammlung Bericht

und Antrag

spätestens ein Jahr vor Ablauf dieser Frist zu unterbreiten (Art. 29 Abs. l Geschäftsverkehrsgesetz), im vorliegenden Fall bis am 27. Februar 1988.

14

Gültigkeit

141

Einheit der Form

Nach Artikel 121 Absatz 4 der Bundesverfassung (BV) kann eine Initiative entweder in der Form der allgemeinen Anregung oder des ausgearbeiteten Entwurfs

eingereicht

werden.

Mischformen

sind unzulässig (Art. 75 Abs. 3 des Bundesgesetzes vom 17. Dezember 1976 über die politischen Rechte, BPR, SR 161.1). Die vorliegende Initiative

ist ausschliesslich in die Form

des

ausgearbeiteten Entwurfs gekleidet. Die Einheit der Form ist damit gewahrt.

142

Einheit der Materie

Eine Initiative darf nur eine Materie zum Gegenstand haben.

Die Einheit der Materie ist gewahrt, wenn zwischen' den einzelnen Teilen einer Initiative ein sachlicher

Zusammenhang be-

steht (Art. 121 Abs. 3 BV, Art. 75 Abs. 2 BPR).

Nach Absatz

l der

Initiative

soll

der

"Schutzbereich"

der

Agrargesetzgebung auf bäuerliche Betriebe beschränkt werden.

Innerhalb der bäuerlichen Betriebe sollen dabei, wie aus der Initiative indirekt herauszulesen ist, die kleinern, d.h. jene mit höhern

Produktionskosten, stärker

als grössere Betriebe

begünstigt werden. Absatz 2 umschreibt den Begriff des bäuerlichen Betriebes.: Die Absätze 3 und 4 regeln das zum Schutz der sind

Inlandproduktion

notwendige Einfuhrinstrumentarium;

darin gezielte Massnahmen

vorgesehen, mittels

auch

welcher

kostendeckende Preise auch für kleinere und mittlere Betriebe gesichert werden sollen.

633

Die Initiative zielt demnach auf eine bestimmte Ausgestaltung der Landwirtschaftspolitik. Sie bezieht sich insofern auf einen sachlich abgegrenzten Aufgabenbereich. Die Einheit der Materie ist damit gewahrt.

,

143

Durchführbarkeit der Initiative

Die mit der Initiative geforderte Beschränkung des Agrarschutzes auf bäuerliche Betriebe würde grosse rechtliche und tatsächliche Durchführungsprobleme mit sich bringen. Im übrigen gibt es jedoch keine bundesrechtliche Bestimmung, wonach eine undurchführbare Inititative für ungültig erklärt werden muss.

Undurchführbare Aufgaben können aber nicht in den Bereich staatlicher Aktivitäten fallen. Deshalb könnte darüber vernünftigerweise auch keine Volksabstimmung durchgeführt werden.

2

Entstellung und Ziele der Initiative

21

Zur Entstehung der Initiative

Die Kleinbauern-Initiative wurde im August 1983 von der Schweizerischen Vereinigung zum Schutz der kleinen und mittleren Bauern (VKMB) lanciert. Die im Jahre 1980 gegründete Vereinigung wollte damit ihren Forderungen nach einer Aenderung der Agrarpolitik zugunsten der kleinern Produzenten zum Durchbruch verhelfen. Der Vorstoss ist aber auch im Zusammenhang mit der sogenannten Futtermittelinitiative des Zentralverbandes Schweizerischer Milchproduzenten zu sehen. Im Sommer 1983 zeichnete sich mehr und mehr die Möglichkeit eines ;Rückzuges dieser Initiative ab (der Rückzug wurde tatsächlich Ende Oktober 1983 beschlossen). ,Das war für die VKMB Anlass, gewis-

634

sermassen als Ersatz eine eigene Initiative zu lancieren und darin die in der Futtermittelinitiative enthaltene Stossrichtung "gegen Tierfabriken" aufzunehmen.

22

Ziele der Initiative

Die Kleinbauern-Initiative Ziele:

verfolgt

im

wesentlichen

zwei

1. Die Schutz- und Förderungsmassnahmen der Agrarpolitik sollen auf bäuerliche Betriebe beschränkt werden, und innerhalb der bäuerlichen Landwirtschaft sollen die kleinern und sonstwie benachteiligten Betriebe, d.h. jene mit höhern Produktionskosten, besonders begünstigt werden; 2. Die Massnahmen gegen Konkurrenzimporte (Importschutz) sollen wirksamer und wettbewerbsfreundlicher gestaltet werden; insbesondere sollen Importkontingentierungen durch die Uebernahmepflicht der Importeure (Leistungssystem) oder durch Einfuhrabgaben abgelöst werden.

Absatz 2 der Initiative legt im Blick auf das erstgenannte Ziel in detaillierter Form fest, was unter einem bäuerlichen Betrieb zu verstehen ist. Weniger klar ist der Initiativtext mit Bezug auf die Massnahmen zugunsten der kleinern bzw. benachteiligten Betriebe. Zwar geht aus Absatz 3 hervor, dass die bäuerlichen Betriebe für ihre Produkte kostendeckende Preise sollen erzielen können. Wie dieses Postulat zu erfüllen ist, lässt die Initiative mindestens zum Teil offen. Eine Möglichkeit sind die in Absatz 3 Buchstabe b erwähnten, nach Produktionskosten abgestuften Direktzahlungen. Nicht genannt wird hingegen die Preisdifferenzierung, die von den Initianten als vorrangiges Mittel zur Zielerfüllung betrachtet wird.

635

Im Bereich des Importschutzes strebt die Initiative eine, Neuordnung an. In erster Linie soll der notwendige Schutz durch das Leistungssystem, verstanden als Uebernahmepflicht ,1), und in zweiter Linie durch Einfuhrabgaben bewerkstelligt werden. Wenn sich beides als ungeeignet oder zu wenig wirksam erweist, können auch Einfuhrverbote oder ein Importmonopol des Bundes eingeführt werden.

Festzuhalten bleibt, dass sich im Titel der Initiative mit den Worten "für ein naturnahes Bauern" als weiteres Ziel die umweltgerechte Produktion von gesunden Nahrungsmitteln findet.

Im vorgeschlagenen Verfassungstext kommt jedoch diese Zielsetzung lediglich indirekt durch das Kriterium der eigenen Futterbasis zum Ausdruck.

23

Die Initiative aus der Sicht der Initianten

Die Vereinigung zum Schutz der kleinen und mittleren Bauern hat ihre Vorstellungen über die Initiative im September 1985 als "Vollzugsbericht zur Kleinbauern-Initiative" veröffentlicht (als Sonderausgabe des VKMB-Monatsbulletin "Gnueg Heu dunel"). Die darin enthaltenen Erläuterungen stützen sich unter anderem auf zwei Gutachten (eines über ökonomische Auswirkungen und agrarmarktpolitische Gestaltungsmöglichkeiten der Initiative und ein weiteres über die rechtlichen Probleme), die die Vereinigung vorgängig hatte erstellen lassen.

Der Auftrag zur Ausarbeitung dieser Gutachten : war wohl nicht zuletzt unter dem Eindruck der Kritik erteilt worden, die von Beginn an vor allem in , landwirtschaftlichen Organisationen laut wurde. Das Schweizerische Bauernsekretariat anerkannte zwar die Zielrichtung, bezeichnete jedoch den in der Initiati-

1) Wir verwenden im folgenden den Begriff Leistungssystem im Sinne der Initiative praktisch als Synonym zur Uebernahmepflicht; genau genommen fallen darunter auch andere Importregelungen mit Leistungsbindung (vgl. Ziff. 424.1).

636

ve vorgesehenen Weg als falsch und gefährlich. Die Delegiertenversammlung des Schweizerischen Bauernverbandes lehnte im November 1983 die Initiative mit grossem Mehr ab.

Im erwähnten "Vollzugsbericht" wird der Wortlaut der Initiative wesentlich relativiert. Der vorgeschlagene Verfassungsartikel wird darin "als eigentliche Ausführungsvorschrift auf Verfassungsebene.." bezeichnet, "die den generellen Schutzauftrag von Art. 31b:"-s BV konkretisiert". Zur Frage der Definition und Abgrenzung der bäuerlichen Betriebe wird festgestellt, dass nach der Meinung der Initianten "auf eine einzelbetriebliche Festlegung von Grenzen zwischen bäuerlich und nichtbäuerlich weitgehend oder ganz verzichtet werden kann".

Die Definition des bäuerlichen Betriebes diene dazu, die agrarpolitischen Massnahmen künftig so "auszugestalten, dass der Agrarschutz vermehrt diesen Betrieben zugute kommt". Wesentlich sei (so der "Vollzugsbericht"), "dass die Massnahmen zugunsten der als bäuerlich definierten Betriebe ausgebaut werden. Die Beschränkung auf bäuerliche Betriebe drückt sich dabei in einer Bevorzugung dieser Betriebe und nicht in einem Ausschluss der nichtbäuerlichen Betriebe aus". Dementsprechend verstehen die Initianten die "Beschränkung des Schutzbereichs" nicht als einzelbetriebliche Abgrenzung des Geltungsbereichs agrarpolitischer Massnahmen, sondern vielmehr als Schutz- oder Zielrichtung für die Ausgestaltung der Agrarpolitik. Diese Haltung wurde von ihnen in einer Aussprache mit dem Bundesamt für Landwirtschaft im Oktober 1985 ausdrücklich bestätigt.

Die Absätze 3 und 4 der Initiative regeln das Importschutzinstrumentarium für jene Fälle, wo der Absatz der Inlandprodukte aus bäuerlichen Betrieben "durch die Einfuhr gefährdet wird".

Wo diese Gefährdung nicht besteht, bleibt gemäss "Vollzugsbericht" offen, welche Art von Massnahmen ergriffen werden können. Da bei Annahme der Initiative Artikel 31b:"-s BV in Kraft bleibe, "ergibt sich eine umfassende Bundeskompetenz im Agrarbereich wie heute auch weiterhin aus dieser Vorschrift".

637

Der "Vollzugsbericht" äussert sich im übrigen relativ ausführlich zur Preisdifferenzierung und zeigt damit, dass diese, zusammen mit Direktzahlungen, für die Initianten im Massnahmenbereich im Vordergrund steht.

3

Verfassungsrechtliche Beurteilung der Initiative

31

Formeller Inhalt der Initiative

Die Bundesverfassung sollte entsprechend ihrer Funktion als rechtliche Grundordnung des Staates nur das Grundsätzliche festhalten; sie sollte sich nicht in Details verlieren. Dieser Leitgedanke ist zwar immer wieder durchbrochen worden; doch darf und kann dies nicht bedeuten, er müsse aufgegeben werden.

Die Bundesverfassung sollte auch nicht mit Normen belastet werden, die lediglich bestehende Kompetenzen in einer bestimmten, detaillierten Weise auszunützen gebieten. Die Verfassungswürdigkeit der Kleinbauern-Initiative ist grundsätzlich zu verneinen, wenn sie lediglich den Zweck hat, den Bundesgesetzgeber in Einzelheiten anzuweisen, wie er eine bereits gegebene verfassungsrechtliche Zuständigkeit auszunützen habe.

Das ist nun aber offensichtlich der Fall. Die Initianten erklären selber, dass Artikel 31bis Absatz 3 Buchstabe b weiterhin in Kraft bleiben würde und dass die Inititative dazu als eigentliche Ausführungsvorschrift auf Verfassungsebene zu verstehen sei. Auch die Definition des bäuerlichen Betriebes gehört nicht in die Verfassung. Zu beachten ist allerdings, dass das Initiativrecht beim Bund nur auf Verfassungsstufe besteht und somit den Initianten zur Durchsetzung ihrer Begehren nur dieser Weg offen stand.

Die in der Initiative vorgesehene Zuständigkeitsordnung weicht zudem in grundsätzlicher Weise vom geltenden Verfassungsrecht ab. Danach ist es Sache des Gesetzgebers, Verfassungskompeten-

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zen und Rechtsetzungsaufträge auszuführen (Art. 85 Ziff. 2 BV) . Dieser hat darüber zu entscheiden, wie weit ,sinnvollerweise die Regelung auf Gesetzesstufe gehen soll und wie weit die Rechtsetzung dem Verordnungsgeber überantwortet werden kann (Art. 102 Ziff. 5 BV). Demgegenüber überträgt Absatz 3 der Initiative die Rechtsetzungsbefugnis hinsichtlich Leistungsystem und Importabgaben unmittelbar dem Bundesrat. Der Gesetzgeber käme lediglich bei den Massnahmen der letzten Priorität nach Absatz 4 (Einfuhrverbot, Importmonopol) zum Zuge.

Eine derart fundamentale Abweichung von der geltenden verfassungsrechtlichen Kompetenzordnung könnte höchstens.befürwortet werden, wenn dafür zwingende Gründe aus dem fraglichen Sachbereich angeführt werden könnten. Diese Voraussetzung ist im vorliegenden Falle nicht erfüllt.

Die vorgeschlagene Kompetenzordnung würde im übrigen dazu führen, dass mit Bezug auf die Weitergeltung des heutigen Landwirtschaftsrechtes eine erhebliche Rechtsunsicherheit entstünde. Könnte der Bundesrat in Ausnützung seiner Regelungszuständigkeiten Erlasse der Gesetzesstufe abändern? Könnten die geltenden Gesetze, sofern und soweit die für die bundesrätlichen Verordnungen vorgesehenen Instrumente ungeeignet wären oder sich als nicht hinreichend wirksam erwiesen, weiter angewendet werden oder müsste der Gesetzgeber neuerdings tätig werden?

Aus diesen Erwägungen folgt, dass die von der Initiative vorgesehene Kompetenzverteilung abgelehnt werden muss.

32

Zur Auslegung des Initiativtextes

In der Auseinandersetzung über die Initiative ist schon früh eine Meinungsdifferenz über die Auslegung des Volksbegehrens entstanden. Ist dafür in erster Linie auf den Text der Initiative abzustellen oder sind weniger der Text als vielmehr die

639

Absichten und Erläuterungen der Initianten massgeblich? Besondere Aktualität erlangte diese Frage durch die nachträgliche Relativierung des Initiativtextes im sogenannten Vollzugsbericht.

Für die Beurteilung einer Verfassungsinitiative ist vorab der Initiativtext massgebend. Wäre dieser nur kurz und allgemein gehalten, so müsste er auf den nachgeordneten Rechtsetzungsstufen konkretisiert werden. Es liegt auf der Hand, dass,dabei den Absichten und Verlautbarungen der Initianten eine wichtige Bedeutung zukäme. Die Kleinbauern-Initiative zeichnet sich nun aber gerade durch einen grossenteils sehr bestimmten Text aus, der wichtige Punkte mehr oder weniger abschliessend regelt.

Die Auslegung der Initiative stösst deshalb vom Text her auf recht enge Grenzen.

Die Hauptfrage stellt sich im Zusammenhang mit der Beschränkung des Schutzbereichs gemäss Absatz l der Initiative. Dass sich diese Beschränkung nicht nur auf eigentliche Schutzmassnahmen, sondern im weitern Sinne auch auf die Massnahmen zur Förderung der Landwirtschaft bezieht, dürfte unbestritten sein. Nicht einig gehen wir jedoch mit den Initianten in der Auffassung, dass die Beschränkung nicht einzelbetfieblich, sondern lediglich im Sinne einer Schutzrichtung zu verstehen sei. Nach deren Erläuterungen liegt der Zweck der fraglichen Bestimmung darin, dass der Agrarschutz "vermehrt" den bäuerlichen Betrieben zugute kommt. Das ist unseres Erachtens eine zu freie Interpretation der Initiative. Deren Absatz l ist vielmehr, namentlich im Zusammenhang mit der detaillierten Definition des bäuerlichen Betriebes im Absatz 2, so zu verstehen, dass landwirtschaftliche Schutz- und Förderungsmassnahmen nur bäuerlichen Betrieben zugute kommen dürfen. Das ergibt sich auch aus der Bestimmung über das Leistungssystem (Abs. 3 Bst.

a) : Die Uebernahmepflicht der Importeure bezieht sich danach auf die Produktion aus bäuerlichen Betrieben; Produkte aus nichtbäuerlichen Betrieben müssten also vom Leistungssystem ausgeschlossen bleiben. Das ist nur möglich bei einer entsprechenden Abgrenzung der Betriebe.

640

Die Vorschrift über die Beschränkung des Schutzbereichs setzt also eine einzelbetriebliche Festlegung von Grenzen zwischen bäuerlich und nichtbäuerlich voraus. Von diesem Schluss gehen unsere Ausführungen über die einzelnen Absätze der Initiative in den folgenden Abschnitten aus.

4

Materielle Beurteilung der Initiative

Die Initiative lässt sich nach ihrem Inhalt in zwei Hauptteile gliedern. Der erste Teil schreibt die Beschränkung des Agrarschutzes auf bäuerliche Betriebe vor (Abs. 1); dazu kommt in Absatz 2 die Definition des bäuerlichen Betriebes. Der zweite Teil betrifft im wesentlichen die Importregelung (Abs. 3 und 4). Dieser Unterteilung entsprechen die folgenden1 zwei Hauptabschnitte.

Absatz 3 der Initiative nennt im übrigen, allerdings mehr nebenbei, als Massnahme der EinkommensSicherung (nach Produktionskosten abgestufte) Direktzahlungen; indirekt kommt, damit zusammenhängend, unter Buchstabe a dieses Absatzes auch das Postulat der Preisdifferenzierung zum Ausdruck. Wir werden auf diese Punkte unter Ziffer 61 näher eintreten.

41

Beschränkung des Schutzbereichs auf bäuerliche Betriebe (Abs. l und 2)

411

Was heisst "Schutzbereich der Gesetzgebung"?

Nach Absatz l der Initiative ist der "Schutzbereich der Gesetzgebung zur Erhaltung eines gesunden Bauernstandes und einer leistungsfähigen Landwirtschaft gemäss Artikel Sl^is Absatz 3 Buchstabe b ... auf bäuerliche Betriebe beschränkt."

Nach diesem Wortlaut müssten somit alle auf Artikel Sl^is BV abgestützten Massnahmen zum Schutz der Landwirtschaft so ausgestaltet werden, dass davon nur bäuerliche Betriebe profi-

641

tieren. Solche Massnahmen wären zunächst jene, die die Inlandproduktion vor der Importkonkurrenz

schützen, also die Mass-

nahmen an der Grenze. Im weiteren Sinne zählen dazu auch die übrigen Massnahmen der Preis- und Einkommensicherung, d.h. im besondern

die Preisstützung durch staatliche Mittel und die

Ausrichtung von Direktzahlungen. Nach dem Sinn und Geist der Initiative müssten aber auch die Masssnahmen zur Förderung der Landwirtschaft (z.B. Investitionshilfe) auf bäuerliche Betriebe beschränkt werden.

Offen lässt das Volksbegehren, wie es sich mit den Schutz- und Förderungsmassnahmen verhält, die sich, wie jene des Getreidegesetzes

(SR 916.111.0) und

des

Alkoholgesetzes

(SR 680) ,

nicht oder nur zum Teil auf die erwähnte Verfassungsbestimmung stützen. Nach der Zielsetzung der Initiative müsste die Vorschrift der Beschränkung auf bäuerliche Betriebe auch hier beachtet werden.

Wie steht es nun aber mit jenen Massnahmen, die mit einem;Eingriff in das Betriebsgeschehen Wirtschaftssubjektes

oder mit einer Belastung des

verbunden sind?

Müssten nichtbäuerliche

Betriebe, weil sie von den Schutz- und

Förderungsmassnahmen

ausgeschlossen sind, anderseits von Einschränkungen und Auflagen, vor allem solchen zum Zweck der Produktionslenkung, befreit werden? Die Frage ist kaum schlechthin mit Ja oder Nein zu

beantworten.

Grundsätzlich

wäre

die

Unterstellung

der

nichtbäuerlichen Betriebe dann begründet, wenn zu erwarten wäre, dass sonst die Schutzwirkung

für die bäuerlichen Betriebe

in Frage gestellt wird. Das bedeutet z.B., dass bei der Milch die nichtbäuerlichen Betriebe der Kontingentierung und der Ablieferungspflicht unterstellt bleiben müssten.

eine

hinreichende

Differenzierung

zwischen

Nur dann wäre

nichtbäuerlicher

und bäuerlicher Produktion, d.h. eine entsprechende, von den Initianten geforderte Begünstigung der letztern möglich.

Aehnlich verhält es sich mit der Futtermittelbewirtschaftung.

Die eingeführten Futtermittel werden durch Preiszuschläge, die im Sommer 1987 zum Teil dem zwei- bis dreifachen des Import-

642

preises franko Grenze entsprachen, auf das Niveau der

soge-

nannten Schwellenpreise verteuert. Würde man die nichtbäuerlichen Betriebe von dieser Verteuerung ausnehmen, ihnen also die Futtermittel zu Importpreisen

überlassen, so hätte

dies zur

Folge, dass die bäuerlichen Produzenten durch die weit höhern Futtermittelpreise empfindlich benachteiligt würden.

Die Be-

günstigung der bäuerlichen Betriebe wäre unter diesen Umständen

insbesondere

in der

Schweine-

und Geflügelhaltung kaum

mehr praktikabel.

Aus diesen Ausführungen ergibt sich, dass Massnahmen wie die Milchkontingentierung und die Futtermittelbewirtschaftung

nach

dem Sinn der Initiative verbindlich für alle, auch für nichtbäuerliche Betriebe, weitergeführt werden müssten.

412

Definition und Abgrenzung der bäuerlichen Betriebe

Absatz 2 der Initiative definiert den bäuerlichen Betrieb als landwirtschaftliche Produktionsstatte, - die von einem selbständigen Bauern (oder Bäuerin) und - von vorwiegend

familieneigenen Arbeitskräften bewirtschaf-

tet wird und - deren

Futterproduktion

im

Talgebiet

1)

mindestens

zwei

Drittel und im Berggebiet mindestens die Hälfte des gesamten Futterbedarfs deckt.

Diese Definition erscheint auf den ersten Blick klar. Bei näherem

Zusehen

stellen

sich

jedoch

einige Fragen. Vor

allem

würde eine Klassierung der einzelnen Betriebe nach obiger Umschreibung in der Praxis auf sehr grosse Schwierigkeiten

stos-

sen.

-L ) Zum Talgebiet gehört gemäss die voralpine Hügelzone.

gültiger

Zonenordnung

auch

643

Gemäss Initiative muss ein bäuerlicher Betrieb von einem "selbständigen Bauern oder Bäuerin" bewirtschaftet werden.

Diese Voraussetzung erfüllen ohne Zweifel natürliche Personen^ die als Eigentümer oder Pächter den Betrieb selber bewirtschaften, d.h. darin auch arbeiten. Offen ist, ob auch dann von einem bäuerlichen Betrieb gesprochen werden könnte, wenn der .Eigentümer Betriebsleitung und Arbeitserledigung einem Verwalter überträgt.

Bewirtschaften heisst an sich einen Betrieb auf eigene Rechnung und Gefahr führen; selber im Betrieb Hand anzulegen, ist nicht Voraussetzung dazu. So betrachtet wäre der Verwalterbetrieb als bäuerlich anzuerkennen.

Die Initiative verwendet nun aber in diesem Zusammenhang die Begriffe Bauer und Bäuerin; das sind nach allgemeinem Sprachgebrauch Personen, die einen Bauernbetrieb führen und selber darin tätig sind. Von Belang ist ferner die Vorschrift bezüglich der familieneigenen Arbeitskräfte; damit sind eindeutig der im Betrieb tätige Bauer selber und seine mitarbeitenden Familienangehörigen gemeint. Daraus ergibt sich der Schluss, dass Betriebe, die im Auftragsverhältnis bewirtschaftet werden (z.B. Verwalterbetriebe), nicht zu den bäuerlichen Betrieben im Sinne der Initiative zählen.

Sehr beträchtlich wären wie erwähnt die praktischen Schwierigkeiten der Abgrenzung von bäuerlichen und nichtbäuerlichen Betrieben. Ob ein Betrieb von vorwiegend familieneigenen Arbeitskräften bewirtschaftet wird, steht im Uebergangsbereich keineswegs von vornherein fest. Um dies einwandfrei abzuklären, wäre eine Kontrolle der Arbeit im Betrieb und/oder eine detaillierte Berechnung des Arbeitsaufwandes aufgrund von Normzahlen nötig. Problematisch ist zudem die Abgrenzung zwischen Arbeit im Betrieb und im Haushalt (Bauerini), ebenso die Berücksichtigung der Kinderarbeit sowie der an Dritte übertragenen Arbeiten (Umgehungsmöglichkeit?). Besondere Probleme würde die Abgrenzung bei Betrieben bieten, in denen die Arbeit

644

(wie im Gemüsebau) jahreszeitlich sehr unregelmässig anfällt und für arbeitsreiche Zeiten (ausländische) Saisonarbeitskräfte angestellt werden.

Noch schwieriger ist die Feststellung der eigenen Futterbasis bzw. des Anteils am gesamten Futterbedarf. Die Grosse des Futterbedarfs könnte in jedem Fall nur behelfsweise (nach Bedarf s-/Verbrauchsnormen) ermittelt werden. Dasselbe gilt für die eigene Futterproduktion. Deren Schätzung wäre zu unsicher; deshalb müsste diese Frage indirekt über die Höhe: der Futterzukäufe beantwortet werden. Die zuverlässige Ermittlung dieser Zukaufe würde aber eine Kontrolle des ganzen Futtermittelhandels einschliesslich der Geschäfte unter Landwirten erfordern - praktisch ein Ding der Unmöglichkeit.

Grundsätzlich ist in diesem Zusammenhang zu bedenken, dass eine zuverlässige und einwandfreie Beantwortung der Frage, ob ein Betrieb bäuerlich im Sinn der Initiative sei oder nicht, umso wichtiger ist, je grösser die damit verbundenen Konsequenzen für die Betroffenen sind. Nichtbäuerliche Betriebe würden gemäss Initiative den Agrarschutz verlieren und somit in schwerwiegender Weise benachteiligt. Aus diesem Grunde könnte, wie im "Vollzugsbericht" vorgeschlagen, ein allzu vereinfachtes Vorgehen zur Abgrenzung nach dem Kriterium der eigenen Futterbasis nicht in Frage kommen.

413

Ausschluss von Betrieben aufgrund der Abgrenzungskriterien

413.1

Kriteriun "selbständige Bauern mit vorwiegend faailieneigenen Arbeitskräften"

Aufgrund der Bestimmung betreffend die Bewirtschaftung durch einen selbständigen Bauern würden nach den Ausführungen im letzten Abschnitt alle nicht vom Eigentümer selber oder von einem Pächter bewirtschafteten Betriebe als nichtbäuerlich

645

gelten und folglich vom Agrarschutz ausgeschlossen. Es betrifft dies konkret (nicht verpachtete) Betriebe - von

öffentlich-rechtlichen

Körperschaften

(z.B.

Kantone

und Gemeinden), - von juristischen Personen des Privatrechts, d.h. unter an' derem von Genossenschaften, Stiftungen, Gesellschaften, und schliesslich - Betriebe von Privatpersonen, wenn sie durch einen Verwalter bewirtschaftet werden.

Nach der Betriebszählung 1985 handelt es sich im ganzen um rund l'200 (Verwalter-)Betriebe (wovon 420 Betriebe von öffentlich-rechtlichen Körperschaften). Ihr Ausschluss vom Agrarschutz wäre vertretbar, wenn in der Folge ein solcher Betrieb durch Verpachtung oder durch Handwechsel in eine selbständige bäuerliche Existenz oder gar deren mehrere übergeführt wird. Anderseits können auch einer "Verwalterfamilie" bäuerliche Merkmale nicht einfach abgesprochen werden. Störend wäre der Ausschluss dort, wo es sich um Betriebe mit gemeinnützigen Zwecken handelt (z.B. Betriebe einer arbeitstherapeutischen Anstalt).

Unter die nichtbäuerlichen Betriebe würden sodann jene in der Regel grössern Wirtschaftseinheiten fallen, die zwar selbständig geführt, aber nicht mit vorwiegend familieneigenen Arbeitskräften, sondern zur Hauptsache mit Angestellten bewirtschaftet werden. Das sind schätzungsweise 2000-2500 Betriebe.

Die Initiative könnte zur Folge haben, dass solche Betriebe verkleinert oder, unter Verzicht auf einen Teil der familienfremden Arbeitskräfte, weniger arbeitsintensiv (dafür allenfalls mit höherem Kapitaleinsatz) bewirtschaftet werden; denkbar wäre auch eine Aufteilung in zwei oder mehr Wirtschaftseinheiten. Unter sozialen Gesichtspunkten müsste der Ausschluss vom Agrarschutz dort als fragwürdig empfunden werden, wo ein mit vorwiegend familienfremden Arbeitskräften bewirtschafteter Betrieb ein bis zwei verheirateten Arbeitnehmern also "bäuerlichen" Familien - einen sichern Arbeitsplatz und einen gesunden Lebensraum bietet.

646

413.2

Kriterium "eigene Futterbasis"

Besonders schwerwiegend erscheint dem Bundesrat die Konsequenz, die sich aus der Anforderung bezüglich der eigenen Futterbasis ergibt. Sie hätte zur Folge, dass nicht nur die sogenannten Tierfabriken (Viehhaltung in grossen Beständen ohne Land bzw. ohne eigene Futterbasis), sondern auch die meisten Schweinemastbetriebe von Käsereien, allenfalls auch andere Betriebe mit Verwertung von Nebenprodukten oder Abfällen als nichtbäuerlich "deklassiert" würden. Vor allem aber würden aufgrund des Kriteriums "eigene Futterbasis" viele kleinere Aufstockungsbetriebe vom Agrarschutz ausgeschlossen, während umgekehrt grossflächigere Betriebe begünstigt würden.

Wie sich die Bestimmung bezüglich Futterbasis auf flächenmässig kleinere und grössere Betriebe auswirkt, mag ein vereinfachtes Beispiel von zwei Betrieben im Talgebiet zeigen: Betrieb A hat 8 ha und 15 Ri-GVE (Grossvieheinheiten der Rindergattung) Betrieb B hat 16 ha und 30 Ri-GVE In beiden Fällen deckt die eigene Futterproduktion gerade den Futterbedarf der Rindviehhaltung. Beide Betriebe könnten somit im Ausmass von 50 Prozent dieser Eigenproduktion zusätzlich z.B. Mutterschweine halten (sie würden dann gerade an die Grenze von 2/3 Futterbasis stossen); das wären, je nach Art der Berechnung, für den kleinern Betrieb A 15-20 und für den grösseren Betrieb B 30-40 MutterSchweine.

Wieviele Betriebe von der Abgrenzung aufgrund der Futterbasis betroffen würden, ist schwer zu beantworten, weil die hierzu erforderlichen statistischen Daten gesamtschweizerisch nicht zur Verfügung stehen. Eine Antwort ist immerhin aufgrund einer Untersuchung der Forschungsanstalt für Betriebswirtschaft und Landtechnik, Tänikon, für die (rund 3'300) Buchhaltungs-Testbetriebe l ) möglich: Nach Berechnungen auf der Basis der Futterenergie (dem wissenschaftlich bestgeeigneten Massstab)

!) Vgl. dazu Abschnitt 141.1 des Sechsten Landwirtschaftsberichtes (BEI 1984 III 469)

647

würden, bezogen auf das Jahr 1985, im Talgebiet rund 20 Prozent und im Berggebiet knapp 4 Prozent der Testbetriebe als nichtbäuerlich ausscheiden. Besonders gross ist der entsprechende Anteil bei den sogenannten Veredlungsbetrieben (das sind Betriebe mit erheblicher Schweine-/Geflügelhaltung oder erheblicher Rindermast); im Talgebiet müssten mehr als drei Viertel und im Berggebiet 35-40 Prozent dieser Betriebe als nichtbäuerlich bezeichnet werden. Um diese Zahlen richtig interpretieren zu können, muss man wissen, dass sich unter den buchhalterisch erfassten Veredlungsbetrieben nicht nur keine "Tierfabriken" befinden, sondern auch nur ausnahmsweise Betriebe, deren Tierbestand :die Hälfte der gesetzlichen Höchstbestände übertrifft. Von sämtlichen Testbetrieben mit Schweinemast z.B. hielt 1985 lediglich ungefähr ein Prozent mehr als 300 Schweine (der gesetzliche Höchstbestand beträgt l'000 Mastschweine).

Der Ausschluss von Betrieben der Veredlungswirtschaft vom Agrarschutz würde bewirken, dass ein Teil der Betroffenen den Viehbestand vermindern oder gar den Betrieb aufgeben müsste.

Andere würden versuchen, durch Vergrösserung der Betriebsfläche die eigene Futterbasis zu erweitern. Dieser Weg stünde allerdings angesichts des geringen Bodenangebotes nur wenigen offen. Besonders schwierig wäre die Situation für viele kleine und mittlere Betriebe, die aus Gründen der Existenzsicherung nicht nur auf eine intensive Nutzung ihrer beschränkten Fläche, sondern auch auf den Zukauf von Futter angewiesen sind.

Für solche Familienbetriebe ist der Futterzukauf ein willkommener Ersatz für Land, das nicht oder nur schwer erhältlich ist. Es handelt sich dabei um Tausende von Betrieben, die ihre Produktion in der Vergangenheit durch Ausbau der Veredlungswirtschaft erweitert haben und zum Teil nur deshalb als selbständige Existenzen zu überleben vermochten. Sehr viele von ihnen würden aufgrund der Initiative als nichtbäuerlich bezeichnet und folglich den Agrarschütz verlieren.

i

648

Zusammenfassend ist festzuhalten: Die Bestimmung bezüglich der eigenen Futterbasis wäre zwar geeignet, die Tierhaltung in grössern Beständen mit wenig Land und weitgehend zugekauftem Futter zugunsten der Produktion in bäuerlichen Betrieben zurückzubinden. Sie steht jedoch mit ihren Auswirkungen insofern im Widerspruch mit der Zielsetzung der Initiative, als sie grösseren Betrieben mit genügend Fläche zusätzliche Produktionsmöglichkeiten eröffnet und diese so gegenüber andern begünstigt. Sie benachteiligt vor allem auch die innere Aufstockung, die vorab Betrieben mit wenig Fläche erlaubt, ihre Arbeitskapazität besser zu nutzen und ihr Einkommen zu verbessern. Hierin liegt in materieller Hinsicht für den Bundesrat ein wichtiger Grund für die Ablehnung der Initiative. Diese schiesst hier über das Ziel hinaus.

414

Ist die Beschränkung realisierbar?

Die Schutz- und Förderungsmassnahmen sollen nur bäuerlichen Betrieben zugute kommen. Lässt sich dieses Postulat der Initianten überhaupt realisieren? Die Antwort ist, wie nachfolgend dargelegt wird, je nach Massnahmenbereich verschieden.

414.1

Massnatvnen zur Grundlagenverbesserung

Gezielte, auf den Einzelfall abgestimmte Vorkehren (z.B. Investionshilfe für Gebäudesanierungen) können relativ problemlos auf bäuerliche Betriebe beschränkt werden; in der Praxis ist das schon heute der Fall. Bei allgemeinen Förderungsmassnahmen wie Forschung, Bildung, Unterstützung von Gemeinschaftswerken wäre dies bereits nicht mehr ohne weiteres möglich und zum Teil auch nicht sinnvoll.

Wesentlich schwieriger liegen die Dinge im Bereich der

649

414.2

Preis- und Absatzsicherung

Vom Importschutz profitieren alle, bäuerliche und nichtbäuerliche Betriebe. Das gilt im besondern auch für die Importabgaben;

sie bewirken eine allgemeine Erhöhung des

Preisniveaus, und das kommt ungewollt

auch

inländischen

nichtbäuerlichen

Betrieben zugute.

Von internen Massnahmen zur Preisstützung und Absatzförderung ziehen mindestens zum Teil nichtbäuerliche Betriebe ebenfalls Nutzen. Vermeiden lässt sich die undifferenzierte Wirkung solcher Massnahmen am ehesten dann, wenn die Produktion kontingentiert, d.h. der Absatz zum garantierten Preis auf eine bestimmte, auf die einzelnen Betriebe aufgeteilte Produktionsmenge beschränkt ist.

Der Spezialfall Wie

verhält

es

Leistungssystem sich

nun aber

mit

dem Leistungssystem

1),

der gemäss Initiative primären Importschutzmassnahme?

Die Uebernahmepflicht der Importeure bezieht sich nach Absatz 3 Buchstabe a nur auf die Produktion aus bäuerlichen Betrieben. Nichtbäuerliche dem nicht geschützten

Produzenten müssten den Absatz auf

(grauen) Markt suchen. Die Wirksamkeit

dieser Differenzierung bzw. der Grad der Benachteiligung für die nichtbäuerlichen Betriebe wäre abhängig vom Umfang der Importe (d.h. dem Selbstversorgungsgrad) einerseits und dem Unterschied zwischen Importpreis und kostendeckendem

Produzen-

tenpreis anderseits. Je nach den Umständen präsentiert

sich

denn auch die Situation sehr verschieden:

!) Zum Begriff siehe Ziffer 424.1; dort eine Beurteilung des Leistungssystems.

650

findet

sich

auch

1l) Hohe Selbstversorgung aus weitgehend bäuerlicher Produktion Deckt oder übersteigt das Inlandangebot den Bedarf und stammt dieses Angebot weitgehend aus bäuerlicher Produktion (z.B.

Milch), dann sind Importe weder nötig noch möglich; folglich ist in solchen Fällen auch das Leistungssystem nicht praktikabel. Nur beschränkt wirksam wäre es, unter sonst gleichen Voraussetzungen, bei Erzeugnissen mit geringem Importbedarf.

(2) Hoher Anteil der Importe Anders liegen die Dinge, wenn zur Bedarfsdeckung grössere Importe notwendig sind (z.B. Zucker, Rotwein, Schaffleisch). Das Leistungssystem ist hier im Prinzip eine taugliche Importschutzmassnahme. Ob es wirksam, d.h. geeignet ist, um die nichtbäuerliche Produktion in erwünschtem Masse zurückzubinden, hängt davon ab, ob und wie stark der Importpreis vom kostendeckenden Preis für bäuerliche Betriebe abweicht. Sind diese Preise gleich hoch, dann erzielt auch der nichtbäuerliche Produzent auf dem grauen Markt den gleichen Preis. Im andern Fall bildet sich für diesen Markt ein Mischpreis aus.

Import und bäuerlicher Produktion. Je mehr nun der Importpreis unter dem Preis für die bäuerliche Produktion liegt, umso mehr weicht auch der Mischpreis vom "geschützten" Preis ab und umso grösser fällt folglich der Nachteil für die nichtbäuerlichen Betriebe aus.

(3) Hohe Selbstversorgung bei relativ hohem Angebot aus nichtbäuerlicher Produktion Weniger eindeutig ist die Sachlage dort, wo die Inlandproduktion den Bedarf ungefähr deckt, jedoch zu einem beträchtlichen Teil aus nichtbäuerlichen Betrieben stammt (z.B. Schweine). Um die nichtbäuerlichen Betriebe mit Hilfe des Leistungssystems, wie dies die Initiative verlangt, vom Agrarschutz auszuschliessen, müssten trotz hohem Selbstversorgungsgrad zusätz-

651

liehe Importe zugelassen werden. Für die Importeure, di:e Inlandware aus bäuerlichen Betrieben übernehmen, ergäbe sich je nach der Höhe der Importpreise sowie dem Verhältnis von Import zu Inlandware ein Mischpreis, der mehr oder weniger deutlich unter dem garantierten Produzentenpreis für bäuerliche Betriebe liegt. Wie sich unter diesen Umständen die Situation darstellt, mag folgendes Beispiel mit zum Teil theoretischen Annahmen aus dem Bereich der Schweinefleischproduktion zeigen (die Preise verstehen sich je kg Lebendgewicht): Produzentenpreis für bäuerliche Betriebe Importpreis Leistungsschlüssel Inland : Import Folglich Mischpreis: [J3 x 4.80} + 3.60^] : 4 =

Fr. 4.80 Fr. 3.60 3:1 Fr. 4.50

Die nichtbäuerlichen Produzenten vermöchten bei dieser Sachlage höchstens den Preis von Fr. 4.50 zu erzielen. Würden sie trotzdem weiter produzieren und ihre Ware unter dem Mischpreis zu verkaufen suchen, so würde dies dazu führen, dass sich die Abnehmer, unter Verzicht auf Importe, mit Vorteil bei den nichtbäuerlichen Anbietern eindecken. Dadurch würde aber der ·Absatz der bäuerlichen Produktion beeinträchtigt. Um dies zu verhindern, müsste der Anreiz zur Beteiligung am Leistungssystem vergrössert werden, d.h. es müsste der Leistungsschlüssel zugunsten eines grössern Importanteils so weit geändert werden, bis der Absatz der bäuerlichen Produktion zu kostendekkenden Preisen gesichert ist. Das Gesamtangebot würde mit jeder neuen Anpassung des Leistungsschlüssels, d.h. durch Zulassung von immer mehr Importen, noch grösser und der Preisdruck auf die nichtbäuerlichen Betriebe zusätzlich verstärkt mit der Folge, dass letztere schrittweise aus dem Markt verdrängt würden.

Ein solches Vorgehen wäre gemäss Initiative folgerichtig, praktisch würde es jedoch von vielen nicht verstanden und könnte deshalb nur schwer durchgesetzt werden. Das Leistungssystem wäre somit unter den erwähnten Voraussetzungen politisch betrachtet ein fragwürdiges Instrument der Zielerfül-

652

lung. Im übrigen würde es, abgesehen von dieser Problematik, mit der wahrscheinlichen Ausweitung der bäuerlichen Produktion zunehmend unwirksamer und schliesslich, wenn diese bis zur vollen Bedarfsdeckung ausgedehnt wird, wie im Fall (1), überhaupt aus den Angeln gehoben.

414.3

Direktzahlungen

Eine klare Beschränkung der Schutzwirkung wäre unter den allgemein gültigen Vorkehren lediglich bei der dritten Gruppe von Mässnahmen, d.h. bei Direktzahlungen möglich. Da diese Zahlungen den Begünstigten direkt zufliessen, wäre der Ausschluss der nichtbäuerlichen Betriebe relativ einfach. Das gilt allerdings nur, wenn die Abgrenzung zwischen bäuerlich und nichtbäuerlich einwandfrei gelöst ist.

414.4

Schlussfolgerung

Aus diesen Darlegungen ergibt sich, dass die Forderung der Initiative, nämlich die Beschränkung des Agrarschutzes auf bäuerliche Betriebe, praktisch nur bei einem Teil der Schutzund Förderungsmassnahmen vollständig erfüllt werden könnte.

Die für die Initianten wichtigsten Instrumente des Importschutzes (Leistungssystem und Importabgaben) wären nur bedingt oder überhaupt nicht geeignet, um das Ziel der Initiative, nämlich die Bevorzugung der bäuerlichen bzw. die Diskriminierung der nichtbäuerlichen Betriebe zu erreichen. Mit dem Leistungssystem wäre dies lediglich in Produktbereichen mit hohen und vergleichsweise billigen Importen möglich. Bei Produkten mit hohem Selbstversorgungsgrad (wie Milch und Fleisch) wäre die erwünschte Differenzierung nur erzielbar, wenn der Preis für die bäuerlichen Betriebe spürbar tiefer als kostendeckend festgesetzt würde; das wiederum würde für diese Betriebe zusätzliche Direktzahlungen erfordern. Wie aber der Mehraufwand für solche Zahlungen zu finanzieren wäre, dieses Problem wird auch von der Initiative nicht gelöst.

24 Bundesblatt. 140.Jahrgang. Bd.I

653

415

Allgemeine Auswirkungen der Schutzbeschränkung

415.1

Oekologische Auswirkungen

Mit der im Titel erwähnten Forderung "für ein naturnahes Bauern" verfolgt die Initiative auch das Ziel einer umweltschonenden Produktion von gesunden Nahrungsmitteln. Eine gewisse Wirkung ist in dieser Hinsicht von der Bestimmung bezüglich der eigenen Futterbasis zu erwarten. Aufgrund dieser Vorschrift würden nicht nur die bodenunabhängigen Betriebe verdrängt, sondern es würde generell eine Entwicklung in die Wege geleitet, die zu einer gleichmässigeren Verteilung der tierischen Produktion auf die landwirtschaftliche Nutzfläche führt.

Das bedeutet, dass der Viehbesatz in vielen kleinern Betrieben vermindert und anderseits die Viehhaltung in Betrieben mit genügend Fläche ausgebaut würde. Weniger Vieh je Flächeneinheit heisst aber auch weniger Probleme mit der Verwertung von Mist und Gülle und damit weniger Belastungen für Boden und Gewässer.

Aus der Sicht des Tierschutzes mag die erwähnte Bestimmung allein deshalb als positiv erscheinen, weil sie sich gegen "Tierfabriken" richtet. Nun ist es aber keineswegs so, dass in Betrieben mit grössern Beständen überall gegen das Gebot der tiergerechten Haltung verstossen würde. Zudem gibt es in unserm Land kaum "Tierfabriken", und seit 1980 ist die Entwicklung zu grösseren Tierbeständen durch die Massnahmen von. Artikel 19 ff. des Landwirtschaftsgesetzes (SR 910.1) klar blokkiert.

Neben der Viehdichte und der Haltungsart gibt es noch andere, ökologisch bedeutsame Aspekte, so die Frage der Gülleverteilung, die Verwendung von Mineraldüngern, die Art der Düngung und des Pflanzenschutzes. Auf sie hätte die Initiative keinen Einfluss.

654

Eine unerwünschte Auswirkung könnte die Initiative aufgrund des Kriteriums "vorwiegend familieneigene Arbeitskräfte" auslösen. Wenn nämlich grössere Betriebe einen Teil ihrer Angestellten entlassen und dafür die Mechanisierung verstärken, müsste dies aus ökologischer Sicht eher als Rückschritt qualifiziert werden.

Von den Initianten wird nun allerdings im Zusammenhang mit der ökologischen Beurteilung der Initiative die Auffassung vertreten, dass eine "naturverbundene, bäuerliche Landwirtschaft" besser als nichtbäuerliche Betriebe Gewähr für die Produktion von gesunden Nahrungsmitteln und für eine umweltschonende Bodenbewirtschaftung biete, dass also auch die vorerwähnten Gesichtspunkte in bäuerlichen Betrieben besser beachtet würden.

Das ist aber, von den Auswirkungen des Kriteriums "eigene Futterbasis" abgesehen, durchaus nicht sicher. Vor allem steht keineswegs von vorneherein fest, dass kleinere Betriebe, die gemäss der Zielsetzung der Initiative besonders begünstigt werden sollten, aus ökologischer Sicht tatsächlich besser sind als grössere, von bäuerlichen Familien bewirtschaftete Einheiten. Bezüglich Hofdüngerverwertung und tiergerechter Haltung dürfte in vielen kleinern Betrieben mit unzweckmässigen und hygienisch unbefriedigenden Verhältnissen sogar das Gegenteil zutreffen.

Die Initiative würde somit aufgrund der Bestimmung bezüglich der Futterbasis gewisse Fortschritte in Sachen Umweltbelastung bringen. Es wäre jedoch unzulässig zu behaupten, sie würde allgemein zu einer aus ökologischer Sicht bessern Landwirtschaft führen.

415.2

Auswirkungen auf den Produktionsunfang

Die Einschränkung des Schutzbereichs nach Massgabe der eigenen Futterbasis hätte wie erwähnt zur Folge, dass nicht nur weitgehend bodenunabhängige Betriebe, sondern auch Aufstockungsbe-

655

triebe ihren Viehbestand vermindern oder gar den Betrieb aufgeben müssten. Der Produktionsumfang würde dadurch bei Erzeugnissen, die fast ausschliesslich aus bäuerlichen Betrieben stammen (z.B. Milch), kaum beeinflusst. In Bereichen mit verhältnismässig hohem Anteil der nichtbäuerlichen Produktion (z.B. in der Schweinehaltung) wäre mit Auswirkungen auf das Angebot zu rechnen: Einerseits würde, wenn die Initiative konsequent angewendet wird, das Angebot aus den erwähnten Gründen abnehmen; auf der andern Seite würden aber Betriebe mit ausreichend Fläche, die nicht bereits viehintensiv wirtschaften, versuchen, die Möglichkeit des Futtermittelzukaufs bis zu den von der Initiative gesetzten Grenzen auszuschöpfen und so ihre Viehhaltung auszudehnen. Ob die durch die Verminderung der nichtbäuerlichen Produktion entstehende Versorgungslücke durch zusätzliche Importe oder durch ein grösseres Angebot aus bäuerlichen Betrieben aufgefüllt würde, kann nicht eindeutig beantwortet werden. Kurzfristig wäre wohl eher mit einer Ausdehnung der Importe zu rechnen. Längerfristig erscheint es hingegen wahrscheinlich, dass die bäuerlichen Betriebe ihren Marktanteil vergrössern. Wie rasch dies eintreten würde, hinge wesentlich von den Massnahmen zugunsten der bäuerlichen Produzenten, insbesondere von der Preispolitik und der Futtermittelbewirtschaftung ab.

Von Bedeutung ist in diesem Zusammenhang auch, dass die Initiative auf eine stärkere Berücksichtigung der kleinern Betriebe durch die Agrarpolitik abzielt. Eine entsprechende Politik hätte längerfristig eine Abschwächung des Strukturwandels und damit der Abwanderung aus der Landwirtschaft zur Folge. Es würde somit mehr Produktionspotential als sonst in der Landwirtschaft verbleiben, das, nicht zuletzt zufolge der Preisgarantie, für die landwirtschaftliche Produktion eingesetzt und so zu einer Produktionsausdehnung beitragen würde.

Die damit verbundene Verteuerung (vgl. Ziff. 415.3) könnte, wenn sie auf die Verbraucher überwälzt wird, bei einzelnen Produkten überdies zur Folge haben, dass die Nachfrage1 sinkt und deshalb der Absatz beeinträchtigt wird.

656

Die Initiative wäre aus all diesen Gründen nicht geeignet, die Ueberschussprobleme zu lösen; sie könnte diese im Gegenteil noch verschärfen. Es brauchte deshalb auch bei einer Annahme der Initiative besondere Vorkehren zur Produktionslenkung, und vor allem müssten die heutigen Massnahmen nach den Artikeln 19 ff. des Landwirtschaftsgesetzes, namentlich die Bewilligungspflicht für Stallbauten, beibehalten werden.

415.3

Verteuerung der Produktion

Die Beschränkung des Schutzbereichs auf bäuerliche Betriebe und insbesondere die postulierte Begünstigung der kleinern Produzenten fördern die Tendenz, vermehrt in kleinern Einheiten und damit teurer zu produzieren. Die bäuerliche Landwirtschaft würde mehr und mehr vom Markt abgeschirmt und so der Notwendigkeit enthoben, Struktur und Produktionsmethoden veränderten Verhältnissen anzupassen. Möglichkeiten zu Produktivitätsfortschritten und damit zu Kostensenkungen blieben deshalb ungenutzt. Die Abgrenzung der bäuerlichen Betriebe aufgrund der Futterbasis würde zudem die Nachfrage nach Boden erhöhen und das Missverhältnis zwischen Angebot und Nachfrage noch verschärfen. Für die Produktion resultiert auch daraus eine Verteuerung.

Aus diesen Gründen wäre mit einer zunehmenden Ueberhöhung nicht nur der Kosten, sondern angesichts der in der Initiative verankerten Forderung nach Kostendeckung auch der Preise für unsere Agrarprodukte gegenüber dem Ausland zu rechnen. Die höhern Produktepreise müssten entweder durch die Konsumenten via höhere Nahrungsmittelpreise oder durch zusätzliche staatliche Mittel, d.h. durch den Steuerzahler, finanziert werden.

Die Schweiz würde als Folge dieser Entwicklung noch stärker als bisher eine Preisinsel mit all ihren Konsequenzen: höhere Lebenshaltungskosten, höheres Lohnniveau und schliesslich verminderte Wettbewerbsfähigkeit unserer Wirtschaft insgesamt und damit Gefährdung von Arbeitsplätzen.

657

415.4

Schwierige Durchführung und mehr Administration

Wir haben unter Ziffer 412 bereits festgehalten, dass die Abgrenzung aufgrund des Kriteriums "vorwiegend familieneigene Arbeitskräfte", ebenso die Feststellung der eigenen Futterbasis in der Praxis mit beträchtlichen Schwierigkeiten verbunden wäre. Die Beantwortung der damit verbundenen Fragen .würde recht schwierige methodische Probleme stellen. Da die Abgrenzung für jeden Einzelfall vorgenommen werden müsste, wäre damit unweigerlich auch mehr Administration verbunden-. Die erstmalige Klassierung in bäuerlich und nichtbäuerlich sowie die in der Folgezeit notwendige Berücksichtigung von Mutationen würden einen beträchtlichen administrativen Aufwand erfordern.

Dieser Mehraufwand müsste in erster Linie von den Kantonen geleistet werden, die sich schon heute über die zunehmende Belastung durch Vollzugsaufgaben im Agrarbereich beklagen.

Schwer abzuschätzen sind die Durchführungsprobleme, die sich mit der Beschränkung der Massnahmen auf bäuerliche Betriebe ergeben. Um missbräuchliche Praktiken und unerwünschte Auswirkungen zu verhüten, wären auf jeden Fall zusätzliche Kontrollmassnahmen notwendig.

416

Zusammenfassung

Die von der Initiative vorgesehene Beschränkung des Schutzbereichs der Agrargesetzgebung ist an sich verständlich. In der Zielrichtung deckt sich die Initiative zumindest teilweise mit den im Sechsten Landwirtschaftsbericht dargelegten Richtlinien für die künftige Agrarpolitik (vgl. hinten Ziff. 61 und 62).

Sie erscheint jedoch vor allem in instrumenteller Hinsicht fragwürdig. Höchst problematisch ist auch der Versuch, den bäuerlichen Betrieb in der Verfassung selber zu definieren.

Die für die Umschreibung des bäuerlichen Betriebes gewählten Kriterien sind zwar nicht unvernünftig. Auch wären gewisse Auswirkungen der Abgrenzung zwischen bäuerlich und nichtbäuer-

658

lieh agrarpolitisch durchaus zu begrüssen: so dieiBenachteiligung der bodenunabhängigen Produktion in grössern Tierbeständen sowie die geringere Umweltbelastung als Folge einer bessern Verteilung der tierischen Produktion.

Die Vorschriften der Initiative, insbesondere die starre Abgrenzung der bäuerlichen Betriebe nach dem Anteil der eigenen Futterbasis, sind aber anderseits mit unerwünschten Konsequenzen, die selbst dem Ziel der Initiative widersprechen, verbunden. Es sind dies vor allem - die Diskriminierung vieler kleinerer Aufstockungsbetriebe und anderseits die Begünstigung der flächenmässig grössern Betriebe, - der Verlust von landwirtschaftlichen Arbeitsplätzen in einem Teil der grösseren Betriebe sowie - die Schwierigkeiten bei der Abgrenzung der hohe administrative Aufwand.

der

Betriebe und

Dazu kommt als Folge der beabsichtigten Begünstigung der kleinern Produzenten - eine Verteuerung der landwirtschaftlichen Produktion, - eine Mehrbelastung d e s Bundes und/oder

,i

- höhere Lebenshaltungskosten und damit letztlich eine Verminderung der Konkurrenzfähigkeit der schweizerischen Wirtschaft.

Die Initiative böte schliesslich auch - keine Gewähr für eine Lösung der Ueberschussprobleme.

Die aufgezeigten, zum Teil schwerwiegenden Konsequenzen lassen uns keine andere Wahl, als die Initiative abzulehnen.

Die Initianten machen nun allerdings geltend, die Absätze 1 und 2 seien nicht wörtlich, sondern vielmehr als Auftrag zu verstehen, die Agrarpolitik so auszugestalten, dass deren Nutzen vermehrt den bäuerlichen Betrieben zugute kommt. Auf eine

659

einzelbetriebliche Festlegung von Grenzen zwischen bäuerlich und nichtbäuerlich Könne deshalb weitgehend oder ganz verzichtet werden. Für uns kann indessen nicht die Auslegung durch die Initianten massgebend sein. Vielmehr sind die allgemeinen Grundsätze der Auslegung anzuwenden; dabei kommt im vorliegenden Zusammenhang dem Wortlaut zentrale Bedeutung zu. Dieser aber steht der Auslegung durch die Initianten im "Vollzugsrecht" klar entgegen.

42

Neuregelung des Importschutzes (Abs. 3 und 4)

421

Konzept der Init.iat.ive und Unterschied zu heute

Die Absätze 3 und 4 der Initiative befassen sich mit dem Einfuhrschutz; zu den ausfuhrseitigen Massnahmen der Agrarhandelspolitik äussert sich die Initiative nicht. Gemäss Absatz 3 verpflichtet der Bundesrat die Importeure von landwirtschaftlichen Produkten zur Uebernahme von Inlandware aus bäuerlichen Betrieben (Leistungssystem), sofern der Absatz einheimischer Agrarerzeugnisse zu kostendeckenden Preisen gefährdet wird (Bst. a). Wo sich das Leistungssystem als ungenügend oder zu wenig wirksam erweist, erhebt der Bundesrat auf der Einfuhr von landwirtschaftlichen Erzeugnissen Abgaben ("aus deren Ertrag Beiträge zur Preis- und Absatzsicherung sowie nach Produktionskosten abgestufte Direktzahlungen an die bäuerlichen Betriebe zu leisten sind", Bst. b) . Dabei können die Abgaben auch zusätzlich zum Leistungssystem erhoben werden (Bst. c) .

Und schliesslich kann der Bund nötigenfalls auf dem Wege der Gesetzgebung Einfuhrverbote erlassen oder sich das ausschliessliche Recht zum Import vorbehalten (Abs. 4).

Damit sieht die Initiative bezüglich der Einfuhrschutzmassnahmen eine klare Prioritätsordnung vor: - Primäres

Importschutzinstrument

stem l ) ;

!) Zum Begriff siehe Ziffer

660

424.1

ist

das

Leistungssy-

- In zweiter Priorität folgen die Einfuhrabgaben, und zwar mit Zweckbindung des Ertrages; - An letzter vorgesehen.

Stelle sind

Einfuhrverbote

und Importmonopole

Aus dieser knappen Darstellung des Initiativkonzepts wird bereits ersichtlich, dass die heutige Einfuhrordnung in verschiedener Hinsicht umgestaltet würde, so dass von einem eigentlichen Systemwechsel gesprochen werden müsste. Während sich das heutige Einfuhrinstrumentarium unter anderem durch eine Vielzahl von Grenzschutzmassnahmen auszeichnet, die massgeschneidert, historisch gewachsen und international gut abgesichert, aber auch komplex sind, hätte die Initiative eine Umstellung der Agrarimportordnung zur Folge. Wir verzichten auf eine ausführliche Darstellung der gegenwärtigen Einfuhrregelung und verweisen auf die entsprechenden Ausführungen im Sechsten Landwirtschaftsbericht (BEI 1984 III 469), insbesondere den Abschnitt 236.2.

Die Hauptunterschiede zwischen der Initiative und der heutigen Agrarimportordnung lassen sich stichwortartig wie folgt zusammenfassen: Initiative

Heutiger Zustand

Importschutz nur für bäuerliche Betriebe angestrebt

Derartige Einschränkungen nur in Einzelfällen (Beispiel Eier)

Abschliessende Aufzählung der Importschutzmassnahmen

Verschiedene massgeschneiderte Massnahmen zur Regelung der Einfuhr

Klare Prioritätsordnung beim Grenzschutzinstrumentarium

Einsatz der Grenzschutzmasssnahmen nach situationsbezogenen Prioritäten

Grundsätzlicher Wegfall der "bisherigen" Einfuhrkontingentierung D

Einfuhrkontingentierung ist wichtiges Importlenkungsinstrument

1

) Siehe Ergänzung am Schluss dieser Gegenüberstellung

661

Initiative

Heutiger Zustand

Einfuhrschutz für gleichartige und ähnliche Produkte

Einfuhrschutz grundsätzlich nur für gleichartige Produkte

Generalisierung der Importabgaben (mit Zweckbindung des Ertrages)

Nur beschränkte Anwendbarkeit von Importabgaben

Rechtsetzungsbefugnis für den Bundesrat bei Leistungssystem und Importabgaben

Dreistufigkeit der Rechtssetzung wird bei allen Einfuhrmassnahmen beachtet

Unter

"bisheriger"

Einfuhrkontingentierung

verstehen

wir

hier Importregelungen mit Bemessung der Individualkontingente nach früheren Importen. Nicht unter diesen Begriff fallen jene Regelungen, bei denen die Einfuhrkontingente nach Massgabe einer Inlandleistung verteilt werden; das ist z. B. bereits heute zum grössten Teil beim Schlachtvieh der Fall.

422

Handelspolitische Konsequenzen

Die schweizerische

Agrarhandelspolitik

ist nicht nur an das

Landesrecht, sondern auch an staatsvertragliches Recht multilateraler und bilateraler Art gebunden. Einerseits haben wir uns gewisse Rechte völkerrechtlich gesichert, anderseits mussten wir als Gegenleistung auch Verpflichtungen eingehen. Dies ist eine Folge unserer zunehmend engeren wirtschaftlichen Verflechtung mit dem Ausland, sie kommt vor allem in unserer aktiven GATT-Mitgliedschaft, aber auch in den verschiedenen Vereinbarungen zum Ausdruck, die wir im Rahmen des europäischen Freihandelssystems

(Freihandelsabkommen und Agrarvereinbarun-

gen mit der EG und EFTA-Konvention) sowie mit einzelnen Ländern getroffen haben. Unsere gegenwärtige komplexe Agrarhandelsordnung ist somit in unser internationales Handelssystem eingebettet.

Von besonderer Bedeutung ist dabei unser agrarpolitisches Statut im GATT, das wir anlässlich unseres provisorischen

(1958)

und sodann definitiven GATT-Beitritts (1966) aushandeln konnten. Die Sicherstellung unserer Agrarinteressen war bereits

662

damals von so grosser Bedeutung, dass erst eine zufriedenstellende Lösung für unsere Landwirtschaft, wie sie in unserem Beitrittsprotokoll von 1966 festgehalten ist, der Schweiz den Weg ins GATT ebnete. Aus der Botschaft vom 10. Mai 1966 über den Beitritt der Schweiz zum Allgemeinen Zoll- und Handelsabkommen (GATT) (BB1 1966 I 713) geht hervor, dass allein das für unsere Handelspartner günstige Verhältnis zwischen Import und Export von landwirtschaftlichen Produkten das verhandlungspolitische Umfeld für ein solches Statut schaffte. Trotzdem wurde dies von agrarexportierenden Ländern wie Australien und Neuseeland nie vorbehaltslos anerkannt. Seither hat sich der Einfuhranteil bei gewissen Landwirtschaftsprodukten (z.B.

Getreide, Zucker) zuungunsten unserer Handelspartner verringert. Dies wurde denn auch in den letzten der gemäss unserem Beitrittsprotokoll alle drei Jahre stattfindenden Ueberprüfungen unserer Agrareinfuhrpolitik im GATT von den betroffenen Handelspartnern zunehmend gerügt.

Unser Statut im GATT erlaubt es uns, unsere Agrarimportpolitik im bisherigen Rahmen beizubehalten. Dieser mit unseren Handelspartnern multilateral vereinbarte, abgegoltene und zeitlich unbefristete Dispens besteht aus zwei Teilen: Auf der einen Seite hat sich die Schweiz in Ziffer 4 ihres Beitrittsprotokolls zum GATT (AS 1966 964) vorbehalten, in Abweichung von den allgemeinen GATT-Regeln mengenmässige Importbeschränkungen, welche auf bestimmten Landwirtschaf tser lassen1 -) abgestützt sind, beizubehalten bzw. neu einzuführen. Bei der Handhabung ihrer Einfuhrrestriktionen muss sich die Schweiz jedoch an gewisse Spielregeln halten. Der zweite Teil besteht aus der sogenannten Allgemeinen Bemerkung, die am Ende unserer im GATT hinterlegten Konzessionsliste enthalten ist (AS 1959 1883).

Danach darf unser Land auch bei konsolidierten Positionen, d.h. bei Waren mit gebundenen Zollansätzen, solche Abgaben er-

D Zweiter Titel des Landwirtschaftsgesetzes (SR 910.1) , Alkoholgesetz (SR 680), Getreidegesetz (SR 916.111.0).

663

heben, die aufgrund der genau spezifizierten Gesetzgebung1) damals bereits bestanden oder gestützt darauf möglich sind.

Dieses agrarpolitische Statut im GATT gilt somit nur, solange und soweit unsere Grenzschutzmassnahmen auf die bei unserem GATT-Beitritt geltenden Gesetzesbestimmungen abgestützt werden können. Importschutzmassnahmen aufgrund neuer Rechtsgrundlagen, wie sie in der Initiative verlangt werden, wären somit durch unser Beitrittsprotokoll und die Allgemeine Bemerkung nicht abgedeckt. Eine Aushandlung eines neuen, sich auf Artikel 31°cties BV abstützenden Statutes für unseren Agrarhandel im GATT wäre deshalb unumgänglich. Ein solches könnte wohl nur durch anderweitige Konzessionen im Agrarbereich erkauft werden.

Obwohl die Initiative die vorgesehenen Instrumente abschliessend nennt, sind sie in ihrer Anwendung sowohl bezüglich des Produkteumfanges als auch bezüglich der Einsetzbarkeit offen.

Die Initiative enthält damit ein "nach oben offenes" Schutzverstärkungselement, mit einer laufenden systemverändernden Anpassung des Einfuhrschutzes an die Bedürfnisse der bäuerlichen Betriebe. Wegen der damit verbundenen, weitgehend fehlenden Quantifizierungsmöglichkeit einerseits und dem stets nur als provisorisch erscheinenden Regelungszustand andererseits wäre ein derartiges Einfuhrregime unter Wahrung unseres GATTrechtlichen Besitzstandes verhandlungsmässig nicht umsetzbar.

Schliesslich sei hier auf die achte Verhandlungsrunde im Rahmen des GATT hingewiesen, welche seit dem 20. September 1986 (Uruguay-Runde) im Gange ist. Im Landwirtschaftsbereich ver-

1

' Bundesgesetz betreffend die Bekämpfung von Tierseuchen vom 13. Juni 1917, heutiges Tierseuchengesetz (SR 916.40), Alkoholgesetz, Landwirtschaftsgesetz, Schlachtviehordnung (SR 916.341), Bundesgesetz über die wirtschaftliche Kriegsvorsorge vom 30. September 1955, heutiges Landesversorgungsgesetz (SR 531), Bundesbeschluss über die Durchführung einer beschränkten Preiskontrolle vom 28. September 1956, heutiges Bundesgesetz über geschützte Warenpreise und die Preisausgleichskasse für Eier und Eiprodukte (SR 942.30).

664

folgt sie u.a. das Ziel, die für den internationalen Agrarhandel seit 1947 geltenden Regeln des Allgemeinen Abkommens neu zu definieren; diese haben sich klar als ungenügend erwiesen.

Die Erklärung von Punta del Este stellt die Grundlagen für diese Verhandlungen bereit. Sie strebt nach einer stärkeren Disziplin, einer erhöhten Stabilität und besseren Vorhersehbarkeit der Entwicklungen im Weltagrarhandel. Die Verhandlungen, an denen sich die Schweiz aktiv beteiligt, sollen dazu die notwendigen Rahmenbedingungen schaffen, namentlich für den Abbau von Handelsverzerrungen, wie sie insbesondere durch das Ueberangebot von landwirtschaftlichen Produkten und die damit verbundenen subventionierten Agrarexporte entstanden sind. Die Vertragspartner des GATT suchen dieses Ziel durch , eine Beseitigung dieser Missstände, durch die Verbesserung des Wettbewerbs im internationalen Agrarhandel, durch die Neuorientierung der für die Subventionen geltenden Regelungen sowie durch die Aufhebung von Handelshemmnissen im sanitarischen und phytosanitarischen Bereich zu erreichen.

Die Erklärung von Punta del Este enthält ebenfalls i eine Stillhalteverpflichtung, laut der sich die Verhandlungsparteien verpflichten, während der Zeitdauer der Verhandlung keine weiteren GATT-widrigen Schutzmassnahmen an der Grenze zu treffen und GATT-konforme Schutzvorkehrungen nur bei absolut zwingender Notwendigkeit zu ergreifen. Aus der Sicht der ' Schweiz ist in diesen Verhandlungen der Spezifität des Landwirtschaftssektors (d.h. der Beachtung übergeordneter Ziele wie Ernährungssicherung, Erhaltung bäuerlicher Familienbetriebe sowie Pflege von Landschaft und Umwelt) Rechnung zu tragen. Dabei gilt es, Marktzugangs- und Schutzbedürfnisse angemessen gegeneinander abzugrenzen und aufeinander abzustimmen, damit die Auswirkungen der künftigen Agrarhandelsordnung für alle Beteiligten im In- und Ausland voraussehbarer werden. Zumindest die Substanz unseres gegenwärtigen Agrarstatuts im GATT muss auch von neuen Regeln unter Berücksichtigung allenfalls umgestalteter Rechte und Verpflichtungen abgedeckt bleiben.

665

Die Einführung eines generellen Leistungssystems würde es weitgehend verunmöglichen, im Aussenverhältnis Gesamteinfuhrkontingente festzulegen, da die Einfuhrmenge im einzelnen vom wechselnden Gefährdungsgrad des Absatzes der entsprechenden Produkte aus bäuerlichen Betrieben zu kostendeckenden Preisen abhängig wäre und deren Voraussehbarkeit nicht mehr" gewährleistet wäre. Die in den vertraglichen Länderkontingenten (insbesondere mit der EG und deren Mitgliedstaaten) enthaltenen Verpflichtungen könnten somit nicht mehr eingehalten werden. Die Vertragspartner würden es aber nicht hinnehmen, dass vertraglich eingeräumte Kontingente nurmehr beschränkt oder überhaupt nicht mehr ausnützbar würden, weil man die bisherigen schweizerischen Abnehmer zwänge, gleichzeitig Inlandware zu übernehmen, oder weil gar genügend Inlandware aus bäuerlicher Produktion vorhanden wäre. Derartige Erschwerungen oder gar die Verunmöglichung der Kontingentsausnützung würden den Konzessionsinhalt selbst schmälern. Eine Neuaushandlung der betroffenen Agrarhandelsvereinbarungen wäre unumgänglich, wobei Konzessionsschmälerungen kompensiert werden müssten. Da die Möglichkeiten von Kompensationen im Agrarbereich ohnehin schon sehr gering geworden sind, wäre es äusserst fraglich, ob auch hier unser Besitzstand, beispielsweise auch an Exportmöglichkeiten von Agrarprodukten, gewahrt werden könnte. Im Jahre 1986 betrugen die Exporte von Landwirtschaftserzeugnissen einschliesslich der verarbeiteten Produkte immerhin 2,2 Milliarden Franken. Im übrigen hat der Bundesrat nicht die Absicht, nach dem erfolgreichen Abschluss der Verhandlungen im Zusammenhang mit dem Beitritt Spaniens und Portugals zur EG in naher Zukunft neue bilaterale Agrarverhandlungen mit der EG aufzunehmen.

,: Aufgrund des Initiativtextes soll der Bundesrat verpflichtet werden, dort, wo sich das Leistungssystem als ungeeignet oder zu wenig wirksam erweist, allenfalls zusätzlich zum Leistungssystem zweckgebundene Einfuhrabgaben zu erheben. Die bestehenden Zollbindungen im GATT und in zahlreichen bilateralen Verträgen müssten deshalb konsequenterweise gelöst werden. Auch

666

dies wäre nur über den Verhandlungsweg und unter Beibringung von entsprechenden Kompensationen möglich. Das mit der Initiative geforderte Abschöpfungssystem, das in seiner Tragweite nicht festgelegt ist, sondern an die nach oben offenen Bedürfnisse der bäuerlichen Betriebe gebunden wäre, liesse sich aber wegen der fehlenden Voraussehbarkeit des Systems verhandlungsmässig wiederum nicht umsetzen. Auch wäre es insbesondere im Widerspruch zu Artikel 15 unseres Freihandelsabkommens mit der EG, der zwischen den Vertragsparteien eine harmonische Entwicklung des Handels mit landwirtschaftlichen Erzeugnissen vorsieht.

Dieses Abschöpfungssystem hätte auch Auswirkungen auf die im sogenannten Schoggigesetz1) geregelte Ein- und Ausfuhr von landwirtschaftlichen Verarbeitungserzeugnissen. Insbesondere würden die bei der Einfuhr zu erhebenden beweglichen Teilbeträge mit den zu erwartenden steigenden Inlandpreisen (vgl.

Ziff. 415.3) erheblich zunehmen. Eine solche Entwicklung würde jedoch nicht mehr mit den Voraussetzungen übereinstimmen, unter denen wir mit der EG und mit den EFTA-Ländern die bestehenden Preisausgleichsmassnahmen vereinbart haben, die Gegenstand des Protokolls Nr. 2 zum Freihandelsabkommen Schweiz EG und des Artikel 21 der Stockholmer Konvention sind. Es müsste deshalb mit einer Neuaushandlung des gesamten, mit den Ländern des europäischen Freihandelssystems bestehenden Handelsregimes für die landwirtschaftlichen Verarbeitungserzeugnisse gerechnet werden, und zwar auf einer Basis, die für unsere Handelspartner in der EG und in der EFTA kaum akzeptabel wäre.

423

Weitere generelle Konsequenzen

Neben dem Wegfall der völkerrechtlichen Absicherung unserer Agrarhandelspolitik hätte die Initiative eine Reihe weiterer genereller Auswirkungen zur Folge. So wird auch bei den Im--

!' Bundesgesetz über die Ein- und Ausfuhr von Erzeugnissen aus Landwirtschaftsprodukten vom 13. Dezember 1974 (SR 632.111.72).

667

portschutzmassnahmen eine Beschränkung des Schutzbereichs auf bäuerliche Betriebe verlangt. Dieses Initiativziel ist jedoch nur bedingt realisierbar (vgl. Ziff. 414 und 424). Die wichtigsten weiteren Konsequenzen werden nachfolgend kurz dargestellt; auf spezifischere Auswirkungen wird später eingegangen (Ziff. 424 und 425}.

Grundsätzlicher Wegfall der "bisherigen" Einfuhrkontingentierung Die Einfuhrkontingentierung ist eines der wichtigsten Schutzinstrumente der heutigen schweizerischen Âgrarhandelspolitik und wird bei einer ganzen Reihe zum Teil bedeutender Produkte angewendet: bei Futtermitteln, den meisten Schlachtvieh- und Fleischarten, bei Fasswein und Weisswein in Flaschen, Früchten und Gemüse in der zweiten Phase usw. Da der Initiativtext die Massnahmen im Importbereich abschliessend aufzählt und dabei die Kontingentierung nicht mehr vorsieht, könnten die "bisherigen" Einfuhrkontingentierungen (gemäss Definition unter Ziff. 421) nicht mehr weitergeführt werden.

Eine indirekte mengenmässige Beschränkung der Einfuhren ergäbe sich indessen als Folge des verlangten Leistungssystems, bei dem die Importmengen vom Umfang der übernommenen Inlandprodukte abhängen. Offen bleibt dagegen die Frage, ob im Rahmen der in Absatz 4 der Initiative vorgesehenen Importmonopole Kontingentsordnungen, wie sie heute bestehen, weiterhin möglich wären.

Auswirkungen auf Importquote und -Struktur Eine Annahme der Initiative hätte zweifellos Veränderungen in der Produktionsstruktur und des Selbstversorgungsgrades zur Folge. Wahrscheinlich wären damit auch Verschiebungen der Importstruktur nach Produkten und Provenienzen verbunden. Ueber die diesbezüglichen Auswirkungen können nur Vermutungen angestellt werden; vieles hängt von der Eignung und Wirksamkeit der einzelnen Einfuhrinstrumente, aber auch von der Reaktion der Marktteilnehmer ab.

668

Ob insgesamt mehr oder weniger importiert würde,, lässt sich daher nicht von vornherein feststellen. Es ist jedoch anzunehmen, dass der Import von Erzeugnissen dort, wo der Anteil der bäuerlichen Produktion ohne weiteres ausgedehnt werden kann, zurückgehen dürfte. Im umgekehrten Fall dagegen - kleiner, kaum ausdehnbarer Anteil der bäuerlichen Produktion - könnten die Einfuhren zumindest anfänglich zunehmen (siehe dazu Ziff.

415.2). Die von der Initiative vorgesehene Ausweitung des Importschutzes auf ähnliche Produkte könnte anderseits eher einen Rückgang der Importe bewirken. Auch dies hätte wiederum handelspolitische Konsequenzen, indem Exportländer, die bei dieser Umstrukturierung in der Schweiz Marktanteile verlören, entsprechende Kompensationen .fordern würden. Umgekehrt könnten wir von den Exportländern mit Marktanteilgewinnen keinen Ausgleich verlangen.

Veränderung der Import- und Grosshandelsstruktur Dem schweizerischen Import- und Grosshandel kommt eine grosse volkswirtschaftliche Bedeutung zu. Nach brancheninternen Schätzungen existieren in unserem Lande etwa 4'500 Firmen mit durchschnittlich 30 Beschäftigten, wovon sich etwa ein Drittel ausschliesslich oder teilweise mit dem Landwirtschaftshandel beschäftigen dürfte. Verschiedene dieser Betriebe sind reine Importfirmen, andere betätigen sich auch am Inlandmarkt.

Eine Annahme der Initiative dürfte die Struktur des Importund Grosshandels verändern. Dort, wo das Leistungssystem zur Anwendung käme, würden die Importeure grundsätzlich gezwungen, entweder Inlandware aus der bäuerlichen Produktion zu übernehmen oder aus dem Geschäft auszusteigen. Probleme entstünden vor allem für den spezialisierten Handel. Insgesamt wäre eine Konzentration des Agrarhandels auf eine kleine Zahl von Firmen zu erwarten, die willens und in der Lage sind, sich am Leistungssystem zu beteiligen. Der Umfang des Strukturwandels würde schliesslich auch durch die Uebernahmebedingungen für die Inlandware hinsichtlich Preis und Menge bestimmt.

669

424

Beurteilung nach Instrumenten (Instrumentenanalyse)

In diesem Abschnitt sollen der heutige Stellenwert, die Tragweite des Initiativtextes sowie Eignung und Wirksamkeit der vier von der Initiative vorgesehenen Instrumente des Einfuhrschutzes im allgemeinen dargelegt werden. Eine Untersuchung der einzelnen Einfuhrordnungen nach Produkten (Sektorenanalyse) folgt unter Ziffer 425.

i

424.l

Leistungssystem

Begriff und heutiger Stellenwert Wir haben weiter vorne bereits klargestellt, dass wir hier den Begriff Leistungssystem ;im Sinne der Initiative als Einfuhrregelung mit Uebernahmeverpflichtung (ohne direkte Beschränkung der Einfuhrmenge) verwenden. Der Begriff wird indessen heute auch in einem weitern Sinn verstanden und ebenfalls für Regelungen gebraucht, bei denen dem Leistungsgedanken auf andere Weise Rechnung getragen wird. So betrachtet zählen zum Leistungssystem z.B. auch Importregelungen, bei denen eine Inlandleistung Voraussetzung für die Bemessung und Zuteilung eines Einfuhrkontingentes bildet. Wir verwenden deshalb nachfolgend für das Leistungssystem gemäss Initiative auch den Begriff Leistungssystem im engeren Sinn (i.e.S.).

Solche Leistungssysteme spielen bereits in der gegenwärtigen Einfuhrordnung eine beträchtliche Rolle; sie werden namentlich bei folgenden Erzeugnissen angewandt: Brotgetreide (Uebernahmepflicht der Müller), Schaleneier, Schaf- und Ziegenfleisch, Vollmilchpulver, Säurekasein, rote Traubensäfte, Schlachtgeflügel (auf privatrechtlicher Basis). Ein Leistungssystem im weiteren Sinne kommt auch bei anderen Produkten zur Anwendung, so beim Rind- und Schweinefleisch. Je nach Marktlage kann es überdies bei weiteren Erzeugnissen angeordnet werden,, beispielsweise im Rahmen des Dreiphasensystems für Obst und Gemüse während der zweiten (Kontingents-)Phase.

670

Inhalt und Auswirkungen des Initiativtextes Zur Absatzsicherung für die bäuerliche Inlandproduktion sieht die Initiative das Leistungssystem wie bereits erwähnt als primäres Einfuhrinstrument vor. Gemäss Absatz 3 Buchstabe a ist die Importbewilligung bei Abgabe der Uebernahmeerklärung zu erteilen. Wesentlich ist auch hier, dass die Erfüllung der Inlandleistung effektiv durchgesetzt werden könnte. Die Ausführungsbestimmungen müssten zu diesem Zweck Sanktionsmöglichkeiten vorsehen.

Gemäss Initiativtext erstreckt sich das Leistungssystem nicht nur auf gleichartige, sondern auch auf ähnliche Produkte. Die heutigen Möglichkeiten sind diesbezüglich wesentlich restriktiver. Artikel 23 Absatz l des Landwirtschaftsgesetzes beschränkt Importmassnahmen auf gleichartige Erzeugnisse. Auf ähnliche Erzeugnisse kann der Einfuhrschütz nur vorübergehend und unter erschwerten Bedingungen ausgedehnt werden (Art. 23 Abs. 2 Landwirtschaftsgesetz}; von dieser Bestimmung ist bisher jedoch noch nie Gebrauch gemacht worden.

Mit der Ausweitung des Leistungssystems i.e.S. werden im Vergleich zur "bisherigen" Einfuhrkontingentierung vermehrt jene Importeure honoriert, die inländische Agrarprodukte aus bäuerlichen Betrieben übernehmen. Damit ist dieses Einfuhrinstrument zielkonformer als die "bisherige" Kontingentierung, weil die Importe nicht aufgrund früherer Einfuhren, sondern nach Massgabe einer direkten Leistung zugunsten des Inlandmarktes freigegeben werden.

Eignung und Wirksamkeit Gemäss Initiative kann ein anderes Importregelungsinstrument nur dann angewandt werden, wenn sich das Leistungssystem als "ungeeignet oder zu wenig wirksam" erweist. Es sind also Eignung und Wirksamkeit des Leistungssystems bei jeder Marktordnung zu prüfen (vgl. Ziff. 425). Zunächst ist jedoch auf be-

671

stimmte generelle Voraussetzungen hinzuweisen, die erfüllt sein müssen, damit das Leistungssystem in der Praxis überhaupt funktionieren kann.

Eine erste - und wohl die augenfälligste - Voraussetzung ist eine genügend hohe Importquote. Wir haben uns dazu unter Ziffer 414 ausführlich geäussert. Bei nur geringen Einfuhrmöglichkeiten stellt sich im übrigen auch die Frage, ob den Importeuren die Uebernahme von grossen Mengen einheimischer Erzeugnisse überhaupt zugemutet werden könnte.

Die beim Leistungssystem vorgesehene Bemessung der Einfuhranteile nach Massgabe der Uebernahme von Inlandware aus bäuerlicher Produktion ist sodann schwieriger abzugrenzen und zu administrieren als die "bisherige" Importkontingentierung, bei der die Einfuhrbewilligungen aufgrund der traditionellen Importe freigegeben werden. So dürfte es kein leichtes Unterfangen sein, in jedem Fall klar festzulegen, was konkret als Uebernahmeleistung im Sinne der Initiative verstanden werden kann. Bei Märkten mit kurzfristig starken und häufigen Produktionsschwankungen und ausgeprägter Witterungsabhängigkeit wie beispielsweise bei Obst und Gemüse treten die administrativen Probleme überdies noch deutlicher in Erscheinung, da das Uebernahmeverhältnis (Leistungsschlüssel) ständig geändert werden müsste.

Ferner ist ein Leistungssystem umso leichter durchführbar, je kleiner die Anzahl und je besser der Organisationsgrad der Marktteilnehmer ist. Marktordnungen mit einer zentralen Erfassung der Produktion und einer Kanalisierung des Absatzes (Beispiel Zucker) sind für ein Leistungssystem i.e.S. besser geeignet als solche mit dezentralisierten Strukturen und einer Vielzahl von Anbietern und Nachfragern (Beispiel Schweinefleisch) .

Schliesslich ist die Anwendbarkeit des Leistungssystems auch vom Homogenitätsgrad des Produktesortiments abhängig: Je homogener ein Erzeugnis, desto leichter ist das Leistungssystem

672

durchführbar und auch zumutbar. So bietet es beispielsweise für den Eierimporteur keine grösseren Schwierigkeiten, Inlandeier zu übernehmen, während es etwas anderes ist, den spezialisierten Importeur von roten Bordeaux-Weinen zur Uebernahme von kuranten inländischen Rotweinen zu verpflichten. Die klare Definition und Abgrenzung der Inlandleistung hinsichtlich Art und Qualität der Produkte könnte sich somit in gewissen Fällen als sehr schwierig erweisen.

424.2

Importabgaben

Heutiger Stellenwert Importabgaben spielen bereits in der heutigen Einfuhrordnung eine gewisse Rolle. Eine Rechtsgrundlage für die Erhebung von generellen Grenzabgaben fehlt indessen, und im Gegensatz etwa zur EG mit ihrem Abschöpfungssystem auf einer Vielzahl von Agrarerzeugnissen sind die Importabgaben in der Schweiz in der Regel je nach Produktegruppe unterschiedlich geregelt.

Im einzelnen werden folgende wirtschaftlich kungsabgaben an der Grenze erhoben:

begründete Len-

- Preiszuschläge (verschiedene Rechtserlasse) auf Gesamtmenge mit periodischer Anpassung: Futtermittel, Speiseöle und -fette, wichtigste Käsesorten, diverse andere Milchprodukte; T Zollzuschlage (gemäss Art.23 Landwirtschaftsgesetz, SR 910. l) auf importierten Uebermengen: Rotwein in Flaschen, wichtigste Tiefkühlgemüsearten, Käsesammeiposition 0404.24; - Bewegliche Teilbeträge (gestützt auf das "Schoggigesetz", SR 632.111.72); Ausgleich der Preisunterschiede zwischen inund ausländischen Rohstoffen bei den meisten landwirtschaftlichen Verarbeitungsprodukten, quartalsweise Anpassung der Ansätze;

673

- Andere Grenzabgaben (diverse Rechtserlasse): Butter, Zucker, Eier und Eiprodukte, Schlachtvieh und Fleisch, Rebbauerzeugnisse sowie Schlachtgeflügel (privatrechtliche Regelung).

Inhalt und Auswirkungen des Initiativtextes Gemäss Initiative sind die Importabgaben in zweiter Priorität vorgesehen, wobei diese auch zusätzlich zum Leistungssystem erhoben werden können. Zur näheren Ausgestaltung der Abgaben äussern sich indessen weder der Initiativtext noch der "Vollzugsbericht". Es kann jedoch gesagt werden, dass die vorgeschlagenen Einfuhrabgaben in dreifacher Hinsicht weiter gehen als heute: - Sie könnten nicht nur auf einzelnen Erzeugnissen, sondern generell auf allen Produktekategorien erhoben werden; - Die Abgabenerhebung wäre auch auf ähnlichen Erzeugnissen möglich, was heute nur vorübergehend und unter erschwerten Bedingungen zulässig ist; - Es könnte die gesamte Einfuhrmenge belastet werden und nicht nur eine Uebermenge, wie dies bei den gegenwärtigen Zollzuschlagsregelungen der Fall ist.

Dem von der Initiative vorgesehenen Ausbau des Instruments der Importabgaben können in agrarpolitischer Hinsicht in einigen Sektoren Vorteile nicht abgesprochen werden. Zunächst würden Einfuhrabgaben die Abwehrmöglichkeiten gegen tiefpreisige, oftmals mit Exportbeihilfen verbilligte Ueberschussausfuhren nach der Schweiz verbessern und damit künstliche Wettbewerbsverzerrungen zu Lasten unserer Landwirtschaft verhindern. Ferner wären primär preislich wirkende Einfuhrmassnahmen gegenüber mengenmässigen Importbeschränkungen grundsätzlich zu bevorzugen; wir haben denn auch im Sechsten Landwirtschaftsbericht (Abschnitt 336.12) hervorgehoben, dass die Akzente in Zukunft nach Möglichkeit etwas von den mengenmässigen zu den preislichen Importschutzmassnahmen verschoben werden sollen.

674

Schliesslich könnten die heutigen administrativ relativ aufwendigen Zollzuschlagsregelungen auf Uebermengen; durch eine massvolle Belastung der gesamten Einfuhrmengen ersetzt werden.

Eignung und Wirksamkeit Es ist davon auszugehen, dass Importabgaben allgemein eine Erhöhung des inländischen Preisniveaus und tendenziell einen Rückgang der Einfuhrmengen bewirken. Damit profitieren neben den gemäss Initiative schützenswerten Betrieben ungewollt auch solche nichtbäuerlicher Art. Die beabsichtigte Differenzierung ist aber teilweise insofern dennoch möglich, als aus den Erträgnissen der Importabgaben unter anderem nach Produktionskosten abgestufte Direktzahlungen an die bäuerlichen Betriebe geleistet werden sollen. Somit ist die Wirksamkeit zwar nicht bei der Abgabenerhebung, wohl aber bei der Verwendung der Einnahmen gegeben. Eine Generalisierung der Importabgaben würde uns vor agrarhandelspolitische Probleme stellen, da solche Abgaben landesrechtlich auf neue Grundlagen abgestützt werden müssten, die durch unser Agrarstatut im GATT nicht mehr abgedeckt wären (vgl. Ziff. 422).

424.3

Einfuhrverbote, Importmonopole

Importmonopole und Einfuhrverbote sind die schärfsten Instrumente des Einfuhrschutzes und kommen nach Massgäbe des Verhältnismässigkeitsprinzips nur dann zur Anwendung, wenn sich liberalere Massnahmen als unwirksam und ungeeignet erweisen.

Heute werden vor allem die folgenden vier Produkte von diesen "strengen" Einfuhrmassnahmen erfasst: - Frischmilch: Mit Ausnahme eines Kontingentes aus den Freizonen um Genf unterliegt die Frischmilch einem Einfuhrverbot;

675

- Kurante Weissweine; Gestützt auf Artikel 16 Absatz 2 des Weinstatuts (SR 916.342) ist der Import von kuranten Weissweinen grundsätzlich verboten; - Butter: Die Einfuhr ist nur der BUTYRA gestattet

(staat-

liches Importmonopol); - Gebrannte Wasser; Importmonopol der AlkoholVerwaltung, das primär nicht wirtschafts-, sondern gesundheits- und fiskalpolitisch motiviert ist.

Gemäss Initiative sollen die beiden schärfsten Einfuhrinstrumente erst in letzter Priorität eingesetzt werden, falls sich die übrigen Massnahmen als ungeeignet oder nicht genügend wirksam erweisen. Damit liegt Absatz 4 der Initiative durchaus auf der Linie der heutigen Praxis, wonach gemäss dem Prinzip der Verhältnismässigkeit zur Erreichung eines bestimmten Ziels jene Lösung anzustreben ist, die die Wirtschaftsfreiheit am wenigsten einschränkt.. Ob gegenüber heute vermehrt von diesen "strengen" Einfuhrmassnahmen Gebrauch gemacht werden müsste, lässt sich von vorneherein nur schwer beantworten. Da Leistungssystem und Importabgaben jedoch nicht in jedem Fall geeignet wären, die Ziele der Initiative zu erreichen, müsste vermutlich eher häufiger auf diese schärferen Instrumente zurückgegriffen werden.

425

Beurteilung nach Sektoren (Sektorenanalyse)

Im folgenden soll nun sektorenweise geprüft werden, ob die vorgeschlagene Prioritätsordnung bei den einzelnen Produkten überhaupt möglich und wünschbar wäre. Es kann sich dabei in diesem Rahmen nicht um eine wissenschaftliche Analyse handeln; die Beurteilung erfolgt vielmehr nach Zweckmässigkeitskriterien und aufgrund der bisherigen praktischen Erfahrung mit den verschiedenen Importregelungen.

676

425.1

Milch und Milchprodukte

Frischmilch Heute besteht ein Einfuhrverbot mit Ausnahme der Freizonen um Genf. Eine Aenderung bzw. Abschwächung dieser Importregelung kann namentlich angesichts der Milchkontingentierung weniger denn je in Frage kommen. Eine Annahme der: Initiative hätte keine Aenderung der Einfuhrordnung bei Frischmilch zur Folge.

Käse Die Käseimporte unterliegen keinerlei mengenmässigen Beschränkungen, die wichtigsten Sorten werden jedoch mit Preis- und Zollzuschlägen belastet. Da die heutige Einfuhrregelung gut funktioniert, sehen wir keinen Anlass, sie durch ein Leistungssystem zu ersetzen, dies umso mehr, als unerwünschte Strukturänderungen beim Importhandel zu erwarten wären. Eine Ausdehnung der Importabgaben auf alle Käsesorten schliesslich würde auf handelspolitische Schwierigkeiten stossen (vgl.

Ziff. 422).

Butter Die heutige Importregelung mit staatlichem Einfuhrmonopol und variablen Grenzabgaben hat sich bewährt. Angesichts des stark variierenden Verhältnisses zwischen Inlandproduktiön und Auslandbezügen - eine Folge des Käse-Butter-Plans, wonach die Milch aus Kostengründen in letzter Priorität zu Butter verarbeitet und der Bedarf preisgünstig eingeführt werden soll wäre das Leistungssystem ein ungeeignetes Importregulierungsinstrument. Eine Aenderung der geltenden Einfuhrordnung drängt sich daher nicht auf, zumal die von der Initiative in zweiter Priorität vorgesehenen Importabgaben bereits heute verwirklicht sind.

677

425.2

Fleisch und Eier

Rindvieh und Schweine Die Einfuhren von Schlachtrindern, Kälbern sowie Schweinen und deren Fleisch unterliegen der Einfuhrkontingentierung sowie einer Importbelastung von höchstens 5 Prozent des jeweiligen Wertes gleichartiger inländischer Erzeugnisse (Einzahlungen in den Rückstellungsfonds gemäss Schlachtviehordnung)..

Der Selbstversorgungsgrad bewegt sich bei diesen Fleischkategorien zwischen 90 und 100 Prozent, wobei die Produktion bei Rindfleisch fast ausschliesslich und beim Schweinefleisch zum grösseren Teil aus bäuerlichen Betrieben stammt.

Beim Rindfleisch bestehen die Einfuhren (von rund 10 % des Verbrauchs) vor allem aus Speziaistücken. Die Importeure müssten somit bei Anwendung des Leistungssystems i .e.S., gemessen an ihren Einfuhren, das 8-10fache an Inlandware übernehmen.

Das aber hätte sehr grosse Strukturveränderungen in der Vermarktung zur Folge. Beim Schweinefleisch wurden in den letzten Jahren, wenn überhaupt, nur sehr geringe Importe getätigt. Bei diesem Sachverhalt ist ein Leistungssystem problematisch bzw.

unwirksam. Zudem wäre hier eine Differenzierung zwischen bäuerlich und nichtbäuerlich recht schwierig. In beiden Fällen, d.h. bei Rind- und bei Schweinefleisch, wäre eine Importregelung gemäss Initiative nur mit einem unverhältnismässig grossen administrativen Aufwand möglich.

Wir sind daher der Meinung, dass ein genereller Kurswechsel weder möglich noch notwendig ist. Zu einem ähnlichen Schluss kommt übrigens auch die Kartellkommission aufgrund ihrer kürzlichen Ueberprüfung des schweizerischen Fleischmarktes !).

!) Kartellkommission, Die Importkontingentierung beim Schlachtvieh und Fleisch, Heft 2/3, 1986.

678

Dagegen ist es durchaus möglich, bei grundsätzlicher Beibehaltung der Importkontingentierung die individuellen Einfuhranteile weitgehend nach Leistungskriterien zu verteilen; mit den verschiedenen, in den letzten 15 Jahren durchgeführten Revisionen der Schlachtviehordnung ist dies zum grossen Teil bereits erfolgt: Die meisten Einfuhrkontingente werden heute nach leistungsbezogenen Kriterien wie Schlachtungen und Umsatz von Inlandware verteilt.

Ein Abschöpfungssystem im Sinne der Initiative wäre für den Fleischsektor an und für sich denkbar. Allerdings müssten die Importabgaben, um eine genügende Schutzwirkung vor der ausländischen Konkurrenz zu gewährleisten, so hoch angesetzt werden, dass negative konsumenten- und handelspolitische Rückwirkungen unvermeidbar wären.

Aus all diesen Gründen erachten wir eine Aenderung der Einfuhrordnung im Sinne der Initiative im Bereich Rindvieh und Schweine weder als sinnvoll noch als notwendig.

Eier und Geflügel Hier sind die Forderungen der Initiative soweit erfüllt, als das Leistungssystem i.e.S. kombiniert mit einer Importabgabe zur Anwendung gelangt, und zwar bei Eiern auf öffentlich- und bei Geflügel auf privatrechtlicher Basis. Die Einfuhrregelung für Eier entspricht insofern den Vorstellungen der Initianten, als die Preis- und Absatzgarantie seit 1980 nur noch für sogenannt aufstockungsbedürftige Landwirtschaftsbetriebe gemäss Artikel 4 der Eier-Ordnung (SR 916.371) gilt. Dies trifft indessen lediglich für ungefähr einen Viertel der gesamten Inlandproduktion zu, wobei die bestehende Regelung einen Sonderschutz für kleinere Familienbetriebe gewährt.

679

425.3

Pflanzliche Produkte

Brotgetreide Beim Brotgetreide sind die Müller verpflichtet, Inlandgetreide in einem bestimmten Verhältnis zu ihren Vermahlungen zu übernehmen. Dieser Schlüssel beträgt gegenwärtig 85 Prozent. Damit unterliegt die Getreideordnung bereits heute einer Art Leistungssystem, wobei nicht die Importeure, sondern die Verarbeiter (Müller) die Inlandware übernehmen müssen. Da die Brotgetreideimporte schon heute preislich erheblich belastet werden (Zoll und Pflichtlagergebühren), hätte eine Annahme der Initiative nur insofern eine grössere Aenderung der Einfuhrordnung zur Folge, als nicht mehr die Verarbeiter, sondern die Importeure zur Uebernahme des inländischen Brotgetreides verpflichtet würden.

Futtergetreide Zur Bewirtschaftung der Importfuttermittel stehen zwei Mittel zur Verfügung: die mengenmässige Beschränkung und die Belastung mit Preiszuschlägen. Namentlich die Kontingentierung wird als Folge ihrer systembedingten wettbewerbspolitischen Mängel immer wieder kritisiert, so dass sich die Frage stellt, ob der notwendige Einfuhrschutz nicht besser durch ein Leistungs- oder ein Abschöpfungssystem oder eine Kombination beider Instrumente gewährleistet werden könnte. Die Bedingung der angemessenen Importquote wäre mit gegen 50 Prozent zwar erfüllt, die heutige bewährte Arbeitsteilung zwischen spezialisiertem Importhandel und Unternehmen, die sich zum Teil ausschliesslich mit der Vermarktung von inländischem Futtergetreide beschäftigen, würde jedoch in Frage gestellt. Eine weitere Schwierigkeit ergäbe sich daraus, dass ein Teil des inländischen Futtergetreides in den Produzentenbetrieben selber verwertet wird und damit gar nicht in den Handel gelangt. Auch diese Produktion müsste indessen bei der Festsetzung des Leistungsschlüssels mitberücksichtigt werden.

680

Ein Uebergang zu einem Leistungssystem im Sinne der Initiative wäre daher mit einigen Schwierigkeiten verbunden; wir sehen darin keine nennenswerten Vorteile gegenüber der heutigen gut eingespielten Einfuhrordnung. Im übrigen unterstützte auch die Kartellkommission in ihrem im Jahre 1980 veröffentlichten Bericht die Beibehaltung der Globalkontingentierung, plädierte indessen für eine Dynamisierung der Einzelkontingentierung durch ein kombiniertes Ausschreibungs-/Versteigerungsverfahren. Mit dem neuen Bundesbeschluss über die Schweizerische Genossenschaft für Getreide und Futtermittel vom 5. Oktober 1984 (SR 916.112.218) haben Sie sich für die Weiterführung der heutigen Ordnung, aber auch für eine flexiblere Handhabung der Kontingentierung ausgesprochen. Wir werden uns auf dieser Basis weiterhin für eine möglichst wettbewerbsfreundliche Ausgestaltung der Einfuhrkontingentierung für Futtermittel einset-

Kartoffeln Die Verwertung der Kartoffelernte sowie die Einfuhrregelung werden im wesentlichen durch die Alkoholgesetzgebung bestimmt.

Der Import kann zeitlich und mengenmässig beschränkt und von der Uebernahme von Inlandware abhängig gemacht werden. Der Selbstversorgungsgrad mit Kartoffeln liegt in normalen Erntejahren bei 100 Prozent oder gar darüber, wobei die Produktion fast ausschliesslich aus bäuerlichen Betrieben stammt. Importe werden nur zur Behebung saisonaler Versorgungslücken freigegeben; die entsprechenden Anrechte werden dabei grundsätzlich jenen Importfirmen zugeteilt, die sich regelmässig an der Verwertung der inländischen Kartoffelernte beteiligen. Damit sind die Grundanliegen der Initianten weitgehend erfüllt.

Zucker Der Zuckerimport unterliegt keinen mengenmässigen Beschränkungen. Zur Mitfinanzierung der Verwertungsverluste (Negativ-Differenzen) der inländischen Zuckerwirtschaft wird jedoch eine jährlich, vom Bundesrat festgelegte Abgabe auf dem Importzucker

681

erhoben, die auch den Inlandzucker erfasst (Mehrerlös Inlandzucker) . Die heutige Einfuhrregelung bietet der Inlandproduktion bei geordneten Verhältnissen auf dem Weltzuckermarkt einen genügenden Schutz; bei extrem niedrigen Weltmarktpreisen ist dies jedoch nicht der Fall, weil die Importabgabe gesetzlich nach oben beschränkt ist. Im Hinblick auf die im Jahre 1989 fällige Erneuerung des Zuckerbeschlusses werden daher auch alternative Marktordnungsmodelle zu untersuchen sein.

Obst und

Gemüse

,· ·

Das Dreiphasensystem bei Obst und Gemüse hat. ! sich im grossen und ganzen bewährt. Schwierigkeiten ergeben sich von Zeit zu Zeit bei dessen konkreter Anwendung. Dies liegt jedoch in der Natur der Sache (Verderblichkeit der Produkte, Vielzahl von Einzelerzeugnissen usw.). Dem Leistungsgedanken wird bereits heute insofern Rechnung getragen, als die Importkontingente im Rahmen der zweiten Phase vielfach nicht nach bisherigen Einfuhren, sondern nach Massgabe der erbrachten Inlandleistung verteilt werden. Ein Leistungssystem i.e.S. wäre jedoch angesichts der rasch ändernden Verhältnisse und der Komplexität des Marktes nicht für alle Einzelerzeugnisse praktikabel (vgl.

Ziff. 424.1).

Bei den nicht vom Dreiphasensystem erfassten Produkten, die zeitweise sehr tiefpreisig, zum Teil mit Exportbeihilfen verbilligt, nach der Schweiz exportiert werden, könnten Importabgaben im Sinne der Initiative tatsächlich einen besseren Schutz der Inlandproduktion vor der ausländischen Konkurrenz bieten. Für deren Einführung müssten jedoch neue gesetzliche Grundlagen geschaffen werden, und es wäre auch hier mit schwierigen handelspolitischen Auseinandersetzungen zu rech-

Wein Die Einfuhrkontingentierung beim Fasswein, aber auch die Zollzuschlagsregelung beim roten Flaschenwein, geben immer wieder zu Diskussionen Anlass. Die bisherigen Erfahrungen, aber auch

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die Untersuchungen der Kartellkommission (vgl. ihren Ende 1984 veröffentlichten Bericht über die Wettbewerbsverhältnisse auf dem Markt der Westschweizer Weine) zeigen deutlich, dass zur Absatzsicherung der inländischen Produktion die Beibehaltung der Importkontingentierung unerlässlich ist. Ein Leistungssystem i.e.S. vermöchte den notwendigen Importschutz nur bedingt sicherzustellen, da die Gesamteinfuhrmenge nicht mehr zum voraus genau festgelegt werden könnte. Zudem wäre mit zusätzlichen administrativen und handelspolitischen Schwierigkeiten (Infragestellung der vertraglichen bilateralen Fass.weinkontingente) zu rechnen. Auch preisliche Massnahmen allein würden für die Absatzsicherung der Inlandproduktion nicht ausreichen, da die Importabgaben aus konsumenten- und handelspolitischen Gründen kaum auf der notwendigen Höhe festgesetzt werden könnten.

426

Zusammenfassung und Schlussfolgerung

Der zweite Teil der Initiative verlangt eine Neuordnung des Einfuhrschutzes; die Importmassnahmen sind abschliessend aufgezählt und nach folgender Prioritätsordnung anzuwenden: Leistungssystem (im Sinne der Uebernahmepflicht) - Importabgaben - Einfuhrmonopol und Importverbot. Dabei würde die "bisherige" Kontingentierung (nach Massgabe früherer Einfuhren) grundsätzlich wegfallen bzw. müsste in ein Leistungssystem übergeführt werden. Eine wesentliche Neuerung würde die Beschränkung des Einfuhrschutzes auf die Produktion aus bäuerlichen Betrieben darstellen. Diese Forderung könnte allerdings lediglich beim Leistungssystem und auch hier nur dann erfüllt werden, wenn grössere Importe zu günstigen Preisen möglich sind.

Eine Annahme der Initiative hätte auch im aussenhandelspolitischen Bereich schwerwiegende Konsequenzen. Unsere diesbezüglichen Grundlagen, namentlich unser Agrarstatut im GATT und das Handelsregime für landwirtschaftliche Verarbeitungserzeugnisse im Rahmen unseres Freihandelsabkommens mit der EG und der Stockholmer Konvention, müssten neu ausgehandelt werden. Der

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Ausgang derartiger Verhandlungen ist nicht vorhersehbar. Angesichts der Schwierigkeit, im Agrarbereich Kompensationsleistungen für die Rücknahme bestehender Konzessionen zu finden, ist es :fraglich, ob dabei in den verschiedenen Bereichen unser Besitzstand gewahrt werden könnte. Wir würden uns dem Vorwurf aussetzen, unseren Grenzschutz im Landwirtschaftsbereich noch verstärken zu wollen. Die notwendigen Vertragskündigungen durch die Schweiz könnten sich nicht zuletzt auf unsere Agrarexporte (Käse und andere Verarbeitungsprodukte) und allenfalls auch auf weitere Bereiche unserer stark exportabhängigen Volkswirtschaft negativ auswirken.

Die geforderte Neuordnung des Einfuhrschutzes würde letztlich auf eine Aenderung der Agrarpolitik und dadurch auf eine Gefährdung des agrarpolitischen Konsenses hinauslaufen. Dieser bildet aber den Kern der seit 1951 erarbeiteten Agrargesetzgebung, die bisher gewährleistet hat, dass die Verteuerung bei Nahrungsmitteln, trotz hoher Kosten der Inlandproduktion, dank einer angemessenen Importregelung in Grenzen gehalten werden konnte. Die Initiative hätte nun aber unweigerlich zusätzliche Preissteigerungen zur Folge. Zu bedenken ist auch, dass sich, wenn das Preisgefälle zum Ausland noch grösser würde, mehr als eine Million Bewohner grenznaher Gebiete sich ohne wesentliche Umtriebe im nahen Ausland eindecken könnten. Damit würden aber Ungerechtigkeiten geschaffen, die zu Missbräuchen und zu neuen Begehren um Abkapselung führten.

Im übrigen hat unsere Analyse gezeigt, dass die Eignung und Wirksamkeit der beiden primären Einfuhrinstrumente Leistungssystem und Importabgaben nur zum Teil gegeben sind. Eine totale Neuausrichtung unserer Einfuhrregelungen im Sinne der Initiative wäre auch deshalb problematisch. Dagegen könnte bei einigen Produkten der Leistungsgedanke noch etwas stärker als bisher berücksichtigt werden. Ebenso wären Importabgaben im Sinne der Initiative in gewissen Sektoren an sich geeignet, gegen extrem tiefpreisige ausländische Agrarerzeugnisse einen besseren Einfuhrschutz zu bieten. Diesbezüglich notwendige Anpassungen könnten durch Revisionen auf Gesetzes- und Verordnungsstufe vorgenommen werden; eine Verfassungsänderung braucht es dazu nicht.

684

Schliesslich hat unsere Analyse aufgezeigt, dass die von der Initiative verlangte Beschränkung des Einfuhrschutzes bzw. der Absatzgarantie auf bäuerliche Betriebe administrativ kaum durchführbar und in der Sache nicht immer gerechtfertigt ist, Hier sind sinnvolle Lösungen soweit nötig im konkreten Einzelfall zu prüfen.

Wir haben zusammenfassend im Sechsten Landwirtschaftsbericht (Abschnitt 336.1) dargelegt, dass sich unser historisch gewachsenes, massgeschneidertes und völkerrechtlich abgesichertes Schutzinstrumentarium an der Grenze im grossen und ganzen bewährt hat und dass sich deshalb kein grundlegender Kurswechsel aufdrängt. Diese Feststellung ist nach wie vor gültig.

Alle diese Ueberlegungen veranlassen uns, auch aus aussenhandelspolitischer Sicht die Initiative abzulehnen.

5

Die Initiative im Vergleich zur Agrarpolitik des Bundes

Im Sechsten Landwirtschaftsbericht haben wir die Massnahmen sowie die Ziele und Richtlinien für die künftige Agrarpolitik ausführlich dargelegt. Inwiefern dabei Berührungspunkte mit der Kleinbauern-Initiative bestehen, soll nachfolgend aufgezeigt werden. In einem weitern Abschnitt äussern wir uns auch zur Frage nach den Konsequenzen, die bei einer verstärkten Ausrichtung der Agrarpolitik auf die Ziele der Initiative zu erwarten wären.

51

Teilweise Uebereinstimmung in der Zielrichtung

Als eines der Oberziele der Agrarpolitik wird im Sechsten Landwirtschaftsbericht die "Erhaltung der bäuerlichen Struktur und der dezentralisierten Besiedlung" genannt. Damit wird die Bedeutung einer möglichst breiten Streuung des Grundeigentums sowie einer Vielzahl von selbständigen Existenzen hervorgehoben.

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Diese Zielvorstellung wird grundsätzlich auch von den Initianten geteilt. Dasselbe dürfte mit Bezug auf das Ziel "Schutz und Pflege von Landschaft und Umwelt" zutreffen.

Eine weitgehende Uebereinstimmung in der Zielrichtung ist beim Leitbild des bäuerlichen Familienbetriebes festzustellen.

Wichtige, im Landwirtschaftsbericht (Abschnitt 321.22) für die Umschreibung dieses Leitbildes verwendete Elemente finden sich auch in der Kleinbauern-Initiative, so - die Selbständigkeit des Bewirtschafters, - das Vorherrschen von familieneigenen Arbeitskräften, - der Boden als primäre Produktionsgrundlage.

Im Gegensatz zur Initiative verzichtet indessen die Definition im Landwirtschaftsbericht auf eine schematische und, wie oben dargelegt (vgl. Ziff. 413), problematische Abgrenzung bezüglich der betriebseigenen Futterbasis. Sie berücksichtigt überdies zusätzlich das Kriterium der rationellen Bewirtschaftung und trägt damit dem Ziel der Leistungsfähigkeit gemäss Artikel 3].bis der Bundesverfassung Rechnung.

Zu beachten ist der grundsätzliche Unterschied im Stellenwert, der den gegenübergestellten Definitionen zukommt. Die Umschreibung gemäss Initiative hat den Charakter einer Vorschrift, nach der jene Betriebe, die durch die Agrargesetzgebung geschützt werden sollen, von den andern abzugrenzen sind.

Die im Landwirtschaftsbericht aufgeführte Definition ist demgegenüber lediglich als Leitbild zu verstehen, nach dem die agrarpolitischen Massnahmen ausgerichtet werden sollen. Dieser Unterschied ist für die praktische Ausgestaltung der Agrarpolitik von wesentlicher Bedeutung.

52

Hassnahmen in Richtung Initiative

Zahlreiche Massnahmen der heutigen Agrarpolitik gehen tendenziell in Richtung der von den Initianten verfolgten Ziele. Eine ausführliche'Darstellung findet sich darüber im Sechsten

686

Landwirtschaftsbericht (speziell Abschnitt 243). Wir können uns deshalb im folgenden auf ein skizzenhaftes Auflisten beschränken.

521

Futtermittelbewirtschaftung

Unsere Futtermittelbewirtschaftung zielt darauf ab, die Futtermitteleinfuhren durch Kontingentierung und Belastung mit Preiszuschlägen zu vermindern und zu verteuern und damit die einheimische Futterproduktion und die Verwertung betriebseigener Futtermittel zu fördern. Sie schwächt auf diese Weise die Konkurrenzstellung der bodenunabhängigen Tierhaltung zugunsten der Produktion auf betriebseigener Futterbasis. (Vgl. im übrigen Sechster Landwirtschaftsbericht, Abschnitte 234.2 und 332.43).

522

Strukturlenkung in der tierischen Produktion

Die seit 1980 gültigen Massnahmen nach den Artikeln 19 ff. des Landwirtschaftsgesetzes (Höchsttierbestände, Bewilligungspflicht für Stallbauten) verfolgen das Ziel, der Konzentration in der Fleisch- und Eierproduktion entgegenzuwirken sowie kleineren und mittleren Betrieben eine innere Aufstockung zu ermöglichen (vgl. Sechster Landwirtschaftsbericht, Abschnitte 233.4 und 331.23, sowie Ziff. 62 dieser Botschaft). Sie tragen damit zur Festigung des bäuerlichen Familienbetriebes bei. Mit dem Konzept der inneren Aufstockung werden kleinflächige Betriebe gefördert, die bei Annahme der Initiative diskriminiert würden.

Auch die seit 1977 bestehende Beschränkung der Milchpreisgarantie (Milchkontingentierung) bremst tendenzmässig den Konzentrationsprozess.

687

523

Besondere Massnahmen zugunsten der Berg-- und Kleinbetriebe

Bei einer Reihe von Massnahmen wird den Schwierigkeiten der kleinern Betriebe und namentlich der Bergbauern besonders Rechnung getragen. Verschiedene sind von vorneherein auf benachteiligte Gruppen oder Gebiete ausgerichtet. Folgende Uebersicht gibt darüber in knapper Form Aufschluss.

523.1

Investitionshilfe

- Im Meliorationswesen werden, insbesondere bei Einzelprojekten,, die kleineren und mittleren Betriebe und vor allem jene des Berggebietes durch die Art der Beitragsregelung begünstigt. Verschiedene Meliorationsarten werden nur im Berggebiet unterstützt.

- Investitionskredite (-in : der Regel zinslos) kommen aufgrund der gültigen Vorschriften ebenfalls in erster Linie schwächeren Betrieben zugute.

- Bei der Wohnbausanierung im Berggebiet beschränkt sich die Unterstützung auf Personen, deren Einkommen/Vermögen bestimmte Grenzen nicht übersteigt; sie kommt vor allem Bauernfamilien zugute.

523.2

Preis- und Absatzsicherung

- Die MiIch-Freimenge (8'000 kg je Betrieb in der Talzone bzw.

20'000 kg in der Hügel- und Bergzone sind vom Rückbehalt befreit) bewirkt eine gewisse Erlösdifferenzierung zugunsten der kleineren Produzenten bzw. der Bergbauern. Diese Differenzierung wird inskünftig verstärkt: Nach unserem Entwurf zum neuen Milchwirtschaftsbeschluss würde die Freimenge, bei einem von 2 auf 4 Rappen erhöhten Rückbehalt, 15'000 kg je Betrieb in der Talzone, 30'000 kg in der voralpinen Hügelzo-

ne und 40'000 kg im Berggebiet betragen; vorgesehen ist überdies eine zusätzliche Abgabe von bis zu 5 bzw. 10 Rappen auf Ablieferungen von über 80'000 bzw. 200'000 kg.

Bei der Milchkontingentierung hatten verschiedene für die Kontingentsfestsetzung und die Gesuchserledigung massgebliche Bestimmungen ebenfalls eine Begünstigung der kleinern.

Produzenten sowie der Betriebe in benachteiligten Gebieten zur Folge.

Beim Viehabsatz kommen die verschiedenen Massnahmen (Export, Ausmerzaktionen, Entlastungskäufe) vorab dem bergbäuerlichen Viehzüchter zugute.

523.3

Direktzahlungen und Sozialmassnahmen

- Die Flächenbeiträge im Ackerbau werden einerseits nach der Anbaufläche je Betrieb gestaffelt (Anbau-Grundprämien für Futtergetreide) und anderseits speziell, und zwar differenziert nach Erschwerniszonen, für den Anbau unter erschwerten Bedingungen ausgerichtet (bei Brot-, Futtergetreide, Kartoffeln) .

- Die Kuhbeiträge an Nichtmilchablieferer sind nach der Kuhzahl je Betrieb abgestuft; in den Bergzonen II-IV kommen zum Teil erhöhte Beiträge zur Auszahlung.

- Die Kostenbeiträge an Viehhalter im Berggebiet und in der' voralpinen Hügelzone werden für höchstens 15 Grossvieheinheiten (GVE) je Betrieb und abgestuft nach Erschwerniszonen ausgerichtet. Der Beitrag wird gekürzt oder entfällt bei Ueberschreiten bestimmter Einkommens- und Vermögensgrenzen.

- Die Betriebsbeiträge zur Verbesserung der Tierzucht sind ebenfalls auf 15 GVE pro Betrieb beschränkt und nach Zonen abgestuft; sie gelangen nur im Berggebiet zur Auszahlung.

689

- Von den Bewirtschaftungsbeiträgen (Flächen- und Sömmerungsbeiträge) profitiert die Landwirtschaft unter erschwerten Bedingungen. Flächenbeiträge werden dabei für höchstens 20 ha je Betrieb ausgezahlt. Es gelten gleiche Einkommens- und Vermögensgrenzen wie bei den Kostenbeiträgen.

- Familienzulagen werden nur an "Kleinbauern" unterhalb einer bestimmten Einkommensgrenze und an landwirtschaftliche Arbeitnehmer ausgerichtet. Die Ansätze für Kinderzulagen sind im Berggebiet pro Monat 20 Franken höher als im Talgebiet.

- Die Betriebshilfe dient der Behebung schwerer finanzieller Bedrängnis; sie kommt Landwirten in unverschuldeter Notlage zugute.

Diese Uebersicht macht deutlich, dass die Agrarpolitik - gemäss der Zielrichtung der Initianten - den schwierigen Verhältnissen innerhalb der Landwirtschaft zum Teil seit langem in mannigfacher Weise Rechnung trägt. Nicht zu vergessen sind in diesem Zusammenhang die Massnahmen der Sozialpolitik (insbesondere AHV) , der regionalen Wirtschaftsförderung sowie der Steuer- und Finanzpolitik, die alle eine Einkommensumverteilung zugunsten der schwächern Bevölkerungskreise bewirken.

53

Grenzen einer Politik zugunsten der Kleinbetriebe

Ein Ziel der Initiative besteht in der stärkern Begünstigung der schwächern Betriebe in der Agrarpolitik. Eine solche Politik hat auch ihre Grenzen. Um diese zu erkennen, muss man sich ihre kurz- und längerfristigen Auswirkungen vor Augen führen.

Die kleineren Betriebe stärker zu begünstigen bedeutet!vorerst aus volkswirtschaftlicher Sicht, dass mit staatlichen Massnahmen eine Einkommensumverteilung vorgenommen wird. Zu wessen Lasten soll diese Umverteilung gehen? In Frage kommen zunächst die Konsumenten (die für Nahrungsmittel höhere Preise bezahlen) und der Staat bzw. die Steuerzahler (Finanzierung von Di-

690

rektzahlungen). Denkbar wäre auch eine Umverteilung innerhalb der Landwirtschaft, d.h. die grbssern Betriebe würden schlechter als bisher gestellt. Wie weit die Begünstigung der Kleinbetriebe gehen kann, hängt somit davon ab, in welchem Masse die Betroffenen bereit sind, die Konsequenzen zu tragen, bzw.

wie weit es möglich ist, bestimmte Regelungen politisch durchzusetzen.

Längerfristig sind neben dem erwähnten Umverteilungseffekt vor allem die Auswirkungen einer Kleinbauernpolitik auf die Struktur der Landwirtschaft zu beachten. Sie äussern sich im wesentlichen darin, dass weniger Kleinbetriebe aufgegeben, kleinere und mittlere nicht vergrössert und sogar grössere Einheiten in kleinere aufgeteilt werden. Eine solche Strukturerhaltung kommt einem teilweisen Verzicht auf eine weitere Effizienzsteigerung gleich und hat eine teurere Agrarproduktion zur Folge.

Dass sich dadurch die Einkommensverteilung innerhalb der Landwirtschaft auf die Dauer wesentlich verbessert, ist nicht von vorneherein anzunehmen. Denn längerfristig würde die stärkere Begünstigung der Kleinbauern mindestens zum Teil bewirken, dass deren Anstrengungen zur Kostensenkung nachlassen und dass in dieser Betriebsgruppe vorhandenes Rationalisierungspotential ungenutzt bleibt, während in den übrigen Betrieben die Rationalisierungsbestrebungen unter Anwendung des technischen und organisatorischen Fortschritts unvermindert weitergehen.

Eine nachhaltige Verminderung der Einkommensunterschiede innerhalb der Landwirtschaft wäre nur dann zu erwarten, wenn jeder technische und biologische Fortschritt, der vorab in mittleren und grösseren Betrieben zu Buche schlägt, unterbunden oder die staatlichen Massnahmen zugunsten der Kleinen dauernd verstärkt würden. Beides aber ist in der Praxis nur begrenzt möglich und volkswirtschaftlich problematisch.

Die aus der Strukturerhaltung resultierende Produktionsverteuerung hätte im weitern in dem Masse, als die höhern Kosten auf die Konsumenten abgewälzt werden, eine zunehmende Preis-

691

Überhöhung gegenüber Importprodukten zur Folge. Demzufolge wäre eine immer grössere Abschirmung an der Grenze notwendig, was in verschiedener Hinsicht neue Probleme und Schwierigkeiten brächte: Die Abschirmung würde technisch und administrativ immer schwieriger (nicht zuletzt auch im Grenzverkehr),, die nichtbäuerliche Bevölkerung würde vermehrt unzufrieden, und es wären Schwierigkeiten mit unsern Handelspartnern zu erwarten (Gefahr von Gegenmassnahmen, vgl. Ziff. 422). Dass gerade dieser letzte Punkt für unser exportorientiertes Land von besonderer Bedeutung ist, kann nicht genug unterstrichen werden.

Auch für unsere Nahrungsmittelindustrie ergäben sich wegen der teureren Rohstoffe zusätzliche Schwierigkeiten.

Schlussfolgerung Eine Politik zugunsten der Kleinbetriebe stösst, auch wenn sie aus gesellschafts-, regional- und sozialpolitischer Sicht bis zu einem gewissen Grade erwünscht ist, auf deutliche Grenzen.

Ihre Finanzierung und ihre Durchsetzung ist letztlich abhängig von der, Bereitschaft der Gesellschaft, die Konsequenzen zu tragen. Längerfristig wäre wegen des Struktureffekts eine Verteuerung der landwirtschaftlichen Produktion zu erwarten, und in der Folge wäre mit Schwierigkeiten zu rechnen, die unsere Stellung als Exportland tangierten. Eine einseitige Kleinbauernpolitik würde zu viel aufs Spiel setzen und ist deshalb abzulehnen.

: Das in Artikel Sl^is der Bundesverfassung verankerte Ziel einer leistungsfähigen Landwirtschaft lässt es unseres Erachtens nicht zu, eine Agrarpolitik in die Wege zu leiten, die einseitig auf Strukturerhaltung ausgerichtet ist. Besondere Massnahmen zugunsten der Schwächeren sind hingegen dort gerechtfertigt, wo sonst, - das gilt vor allem für Gebiete mit erschwerten Produktionsbedingungen - andere Ziele wie die Erhaltung der Kulturlandschaft und die dezentrale Besiedlung in Frage gestellt würden. .Das Schwergewicht soll dabei auf den gezielten Vorkehren liegen, d.h. auf Massnahmen zur Verbesserung der Arbeits- und Lebensbedingungen im weitesten Sinne.

692

6

Unsere Vorstellungen über die Realisierung bestimmter Anliegen

Auch wenn wir die Initiative ablehnen, halten wir verschiedene Anliegen der Initianten für begründet. Es ist unsere Absicht, ihnen weiterhin, zum Teil auch mehr als bisher, Rechnung zu tragen. Die verfassungsmässigen und weitgehend auch die gesetzlichen Grundlagen sind dazu vorhanden. In vielen Fällen geht es eher um die Frage des Ausmasses, in dem die Akzente verschoben werden sollen und können. In einigen wichtigen Bereichen sind solche Akzentverschiebungen bereits angebahnt.

Wir erläutern nachstehend in knapper Form unsere Vorstellungen zu bestimmten Anliegen der Initianten.

61

Direktzahlungen und Preisdifferenzierung

611

Die Forderungen der Initiative

Nach Absatz 3 Buchstabe b der Initiative sind aus dem Ertrag allfälliger Importabgaben "Beiträge zur Preis- und Absatzsicherung sowie nach Produktionskosten abgestufte Direktzahlungen an die bäuerlichen Betriebe zu leisten..., die es diesen ermöglichen, ihre Erzeugnisse zu kostendeckenden Preisen abzusetzen" . Unter Buchstabe a ist im Zusammenhang mit dem Leistungssystem ebenfalls von der Uebernahme "zu kostendeckenden Preisen aus bäuerlichen Betrieben" die Rede. Die Forderung nach Kostendeckung wird damit nicht nur generell, d.h. bezogen auf den Durchschnitt rationell geführter Betriebe (Art. 29 Landwirtschaftsgesetz), sondern in differenzierter Weise erhoben. Die Initianten sehen hierin eines ihrer Hauptanliegen: Durch nach der Höhe der Produktionskosten abgestufte Direktzahlungen oder durch eine nach demselben Kriterium ausgestaltete Preisdifferenzierung sollen die kleinern und sonstwie benachteiligten Betriebe besonders begünstigt und damit deren Einkommen verbessert werden.

693

612

Grundsätzliche Erwägungen

In der Landwirtschaft bestehen wie anderswo beträchtliche Einkommensunterschiede. Diese sind nicht nur von der Betriebsgrösse oder von der Produktionsmenge je Betriebszweig abhängig. Vielmehr bestimmen zahlreiche verschiedene Faktoren den Betriebserfolg und damit : die Höhe des Einkommens.

Einen entscheidenden Einfluss üben der Betriebsleiter selber und seine Familie aus. Tüchtigkeit, Initiative, Anpassungsfähigkeit und Bereitschaft zur Zusammenarbeit sind auch bei kleinern Betrieben eine wichtige Voraussetzung für die Verbesserung einer relativ ungünstigen Situation. Angesichts dessen wäre es nicht sinnvoll, die Einkommensunterschiede mit staatlichen Massnahmen nivellieren zu wollen. Grundsätzlich ist vielmehr davon auszugehen, dass der Bauer selber in eigener Verantwortung alle Möglichkeiten, auch jene der ausserbetrieblichen Tätigkeit, ausschöpft, um ein ausreichendes Einkommen zu erzielen. Dasselbe gilt für die landwirtschaftlichen Organisationen. Indem sie alle zumutbaren Selbsthilfemassnahmen treffen, können auch sie zu einer Verbesserung der Lage der Landwirtschaft und insbesondere der einkommensschwächeren Betriebe beitragen.

i Anderseits können aber die Einkommensunterschiede, die auf unterschiedliche natürliche und zum Teil auch strukturelle, somit vom Betriebsleiter weitgehend unabhängige Voraussetzungen zurückzuführen sind, ein beträchliches Ausmass annehmen; dies kommt insbesondere beim Vergleich zwischen Tal- und Berggebiet zum Ausdruck. Auch ist nicht zu übersehen, dass die Einkommen im Landwirtschaftssektor wesentlich stärker als in anderen Bereichen durch staatliche Massnahmen und Mittel, also auf Kosten der Steuerzahler und Konsumenten, beeinflusst werden. Aus diesen und andern Gründen hat die Agrarpolitik darauf zu achten, dass die Einkommensunterschiede innerhalb der Landwirtschaft nicht noch vergrössert, sondern eher verkleinert werden (vgl. Sechster Landwirtschaftsbericht, Abschnitt 333.2).

694

.Diesem Anliegen wird zum Teil seit langem Rechnung getragen, so - durch gezielte Massnahmen im Bereich der Grundlagenverbesserung (z.B. durch Förderung der inneren Aufstockung und der regionalen Entwicklung), - durch Massnahmen gegen eine unerwünschte Konzentration (Höchsttierbestände, Boden- und Pachtrecht), ferner - durch spezifische Massnahmen zum Ausgleich von natürlichen Nachteilen, insbesondere in Form von Direktzahlungen für Betriebe im Berggebiet, und schliesslich auch - durch eine gewisse Differenzierung von produktbezogenen Massnahmen (z.B. Erlösdifferenzierung bei der Milch).

Im einzelnen orientiert darüber Ziffer 52.

Mit Bezug auf den zuletzt erwähnten Ansatz stellt sich die grundsätzliche Frage, ob und wie weit der Staat überhaupt ausgleichend Einfluss nehmen soll auf Einkommensunterschiede, die auf strukturelle Nachteile, zum Beispiel eine geringe Betriebsgrösse, zurückzuführen sind. Wir haben immer wieder betont (vgl. Sechster Landwirtschaftsbericht Abschnitt 313.1), dass wir eine bäuerlich strukturierte Landwirtschaft mit einer Vielfalt von Familienbetrieben erhalten wollen, was voraussetzt, dass auch kleinere und mittlere Betriebe eine Chance haben, ein angemessenes Einkommen zu erzielen. Das heisst allerdings nicht, dass sämtliche, auch ungünstig strukturierte Betriebe bestehen bleiben sollen. Die Landwirtschaft kann sich den wirtschaftlichen Realitäten, eo auch der Entwicklung in den übrigen Wirtschaftsbereichen, nicht völlig entziehen; sie läuft sonst Gefahr, dass ein notwendiger Anpassungsprozess hinausgeschoben wird, der später umso schmerzlicher vollzogen werden muss (vgl. auch Ziff. 53).

Ein Strukturwandel im Sinne des "Laisser-faire" würde aber unserer agrarpolitischen Zielsetzung klar widersprechen. Wir werden deshalb auch in Zukunft die spezifischen Massnahmen zugunsten der schwächeren Produzenten und damit auch der kleineren Betriebe weiterführen und womöglich verstärken. Wir sehen dazu grundsätzlich zwei Wege, nämlich:

695

a. eine Preisdifferenzierung nach der abgelieferten Menge (d.h. zugunsten der "Kleinbetriebe") bzw. einen Ausbau der produktbezogenen Massnahmendifferenzierung (z.B. Abstufung der Anbauprämien, unterschiedlicher Milchrückbehalt) oder b. einen Ausbau

von

produktionsunabhängigen

Direktzahlungen

(z.B. Flächenbeiträge}.

Im folgenden soll näher auf diese Möglichkeiten eingegangen werden.

613

Preisdifferenzierung

Die Initianten sehen in der Preisdifferenzierung eine wichtige Massnahme zu einer vermehrt auf die Kleinbauern ausgerichteten Agrarpolitik. Wir haben uns im Sechsten Landwirtschaftsbericht (Abschnitt 333.4) zu diesem Problemkomplex geäussert, und wir sind angesichts der grundsätzlichen Aspekte und vor allem der administrativen Schwierigkeiten nach wie vor der Auffassung, dass von einer generellen Preisdifferenzierung nach regionalen Gesichtspunkten oder nach der abgelieferten Menge abzusehen ist.

Bei zentral vermarkteten Produkten (Milch, Raps, Zuckerrüben, Brotgetreide) wäre zwar eine Differenzierung nach der abgelieferten Menge, allerdings mit zusätzlicher Administration, durchführbar. Bei anderen Produkten wie Fleisch, Obst und Gemüse müssten hingegen die Marktordnungen neu organisiert und die Märkte einer totalen staatlichen Kontrolle unterworfen werden. Der damit verbundene administrative Aufwand wäre derart gross und der Handlungsspielraum der Marktteilnehmer .würde derart eingeengt, dass der Aufwand und die Nachteile in keinem vernünftigen Verhältnis zum erzielbaren Erfolg stünden.

Eine Preisdifferenzierung allein bei zentral vermarkteten Produkten würde aber die spezialisierten Betriebe (z.B. Milchproduktionsbetriebe im Graswirtschaftsgebiet) im Vergleich zu Be-

696

trieben gleicher Grosse, die über Ausweichmöglichkeiten verfügen, benachteiligen, somit zu neuen Ungerechtigkeiten führen.

Deshalb könnte bei diesen Produkten nur eine begrenzte Differenzierung ins Auge gefasst werden, wie dies zum Beispiel bei der Milch gemäss Entwurf zum Milchwirtschaftsbeschluss 1987 in Form einer zusätzlichen Abgabe vorgesehen ist. Eine ähnliche Differenzierung ist im übrigen bei Futtergetreide mit den nach Fläche gestaffelten Anbauprämien bereits Praxis.

Diesen Weg weiter zu beschreiten würde bedeuten, dass derartige Differenzierungen früher oder später auch bei Zuckerrüben, Brotgetreide und anderen Produkten eingeführt werden müssten.

Beim Fleisch wäre zu diesem Zweck die Einführung von nach der Tierzahl bzw. nach der Produktionsmenge abgestuften Tierhalterbeiträgen (nach Art. 19c des Landwirtschaftsgesetzes) in Betracht zu ziehen. Bei andern Produkten (z.B. Gemüse, Obst und Wein) wäre eine entsprechende Abstufung, sowenig wie eine eigentliche Preisdifferenzierung, praktisch nicht durchführbar .

Die gegen die Preisdifferenzierung aufgeführten Einwände gelten somit, jedenfalls im Grundsatz, ebenfalls für eine produktspezifische Massnahmendifferenzierung. Weitere Nachteile dieses Weges wären die mit dem punktuellen Vorgehen verbundenen Schwierigkeiten in der Koordination der Massnahmen, die mangelnde Ueberschaubarkeit, der mit der Ausweitung auf weitere Produkte steigende administrative Aufwand, die Gefahr von Umgehungsmöglichkeiten und die nötigen Kontrollen. Zu beachten ist schliesslich auch, dass bei differenzierten Preisen, gleich welcher Art, die Angebotssteuerung bedeutend schwieriger wird. Das Ueberschussproblem kann jedenfalls durch höhere Preise bzw. Erlöse für Kleinbetriebe und niedrigere für Grossbetriebe nicht gelöst werden.

Aus diesen Gründen sehen wir den Weg eher in einem Ausbau der Direktzahlungen.

697

614

Ausbau der Direktzahlungen

Die Frage einer möglichen Ausweitung der Direktzahlungen haben wir im Sechsten Landwirtschaftsbericht (Abschnitt 32,2), ausführlich behandelt. Dort haben wir die Schlussfolgerung gezogen, dass - im Zusammenhang mit der Realisierung unserer Vorstellung, dem marktwirtschaftlichen und produktionslenkenden Element in der Preisgestaltung mehr Gewicht zu verleihen,- eine Verstärkung und allenfalls Ausdehnung der Direktzahlungen notwendig werden könnte. Der ganze Fragenkomplex wird entsprechend einem Postulat, das vom Nationalrat anlässlich der Behandlung des Sechsten Landwirtschaftsberichtes überwiesen worden ist, durch eine Expertenkommission zum Studium des Problems Direktzahlungen an die Landwirtschaft bearbeitet.

614.1

Ziele und mögliche Ausgestaltung neuer Direktzahlungen

Nach unseren Vorstellungen sollen durch einen Ausbau von Direktzahlungen im wesentlichen folgende Ziele verfolgt werden: 1. in einkommenspolitischer Hinsicht - eine Entlastung der Preispolitik Einkommenssicherung und

von der Funktion der

- eine stärkere Berücksichtigung einkommensschwacher triebe (anstelle einer Preisdifferenzierung);

Be-

2. in ökologischer Hinsicht - eine vermehrte Berücksichtigung von Anliegen welt- und Naturschutzes in der Landwirtschaft;

des Um-

3. aus der Sicht der Produktionslenkung - eine bessere Anpassung der Produktion an die Aufnahmefähigkeit des Marktes den Preis);

698

(Produktionslenkung

vermehrt über

4. in strukturpolitischer Hinsicht - die Erhaltung einer vielfältigen bäuerlich strukturierten Landwirtschaft und Beitrag zur regionalpolitisch erwünschten Besiedlung von Randgebieten.

Selbstverständlich können diese Ziele nicht durch Direktzahlungen allein, sondern nur durch ein optimales Zusammenwirken aller Massnahmen erreicht werden. In diesem Sinne werden entsprechend obiger Zielsetzung von der erwähnten Expertenkommission zwei Arten von neuen Direktzahlungen geprüft, nämlich: a. ein System von allgemeinen produktionsunabhängigen, jedoch mit bestimmten Auflagen verbundenen Beiträgen, abgestuft nach der wirtschaftlichen Leistungsfähigkeit des Empfängers; b. ein System von spezifischen Beiträgen für besondere, namentlich ökologisch erwünschte Leistungen (z.B. für die umweltgerechte Pflege von artenreichen wiesen und Weiden, die Erhaltung und Errichtung von Hecken, für Trockenstandorte, Erholungsflächen usw.).

Allgemeine Direktzahlungen hätten primär einkommens-, Struktur- und sozialpolitische Funktionen; sie wären als Alternative zu vermehrter produktionsbezogener Massnahmendifferenzierung zu verstehen. Von Bedeutung ist dieser Ansatz vor allem dann, wenn vom Markt her keine Preiserhöhungen mehr möglich, Einkommensverbesserungen aber begründet und nötig sind, um die agrarpolitischen Oberziele, insbesondere Versorgungssicherheit, Landschaftspflege und Erhaltung einer bäuerlich strukturierten Landwirtschaft, zu erreichen. Derartige Direktzahlungen würden somit auch dazu dienen, die von den Landwirten erbrachten gemeinwirtschaftlichen Leistungen abzugelten. Dies rechtfertigt es, sie an gewisse Auflagen bzw. Bedingungen zu knüpfen. Voraussetzung wären z.B. eine sachgerechte, auf die Erhaltung der Bodenfruchtbarkeit und einer gesunden Umwelt ausgerichtete Bewirtschaftung und selbstverständlich die Einhaltung der bestehenden Vorschriften mit dem Ziel einer um-

699

weit- und tiergerechten Produktion (vgl. Ziff. 63, Punkt 4).

Wer diese Voraussetzungen nicht erfüllt, soll nicht in den Genuss der Beiträge kommen. Zu prüfen ist im übrigen auch, ob und wie bei den bisherigen Direktzahlungen Auflagen geändert bzw. neu eingeführt werden sollen, und ob bestehende Direktzahlungen allenfalls aufgehoben bzw. in neue Beitragsmassnahmen übergeführt oder eingebaut werden können.

Spezifische Direktzahlungen hätten in erster Linie zum Ziel, Flächen aus der intensiven Agrarproduktion herauszunehmen und nach ökologischen Bedürfnissen auszugestalten und zu pflegen.

Entsprechend müssten die Auflagen formuliert werden. Die Einführung solcher Beiträge müsste wohl schrittweise erfolgen; der betroffene Flächenumfang wäre deshalb am Anfang nur gering.

Wie weit solcherart ausgestaltete Direktzahlungen in Verbindung mit den übrigen Massnahmen die Intensität der Bewirtschaftung vermindern und damit das Wachstum der landwirtschaftlichen Produktion bremsen würden, ist zum Teil mindestens umstritten.

Bei allgemeinen produktionsunabhängigen Beiträgen hängt die Wirkung längerfristig davon ab, wie diese ausgestaltet und wie daneben die übrigen agrarpolitischen Massnahmen, insbesondere die Preispolitik, weitergeführt werden. Wenn die verschiedenen Instrumente konsequent angewendet und zielbewusst aufeinander abgestimmt werden, dann dürfte sich mit der Zeit eine gewisse dämpfende Wirkung einstellen. Nach der Leistungsfähigkeit abgestufte Direktzahlungen - dasselbe gilt auch für die Preisdifferenzierung nach Massgabe des Produktionsumfangs - könnten allerdings zur Folge haben, dass tendenziell mehr Arbeitskräfte in der Landwirtschaft verbleiben, als wenn die Preispolitik ohne jeglichen Einkommensausgleich für die betroffenen Bauern nach marktwirtschaftlichen Gesichtspunkten geführt wird, ümso wichtiger ist deshalb, dass durch entsprechende Auflagen und durch flankierende Massnahmen (Futtermittelbewirtschaftung; gesetzliche Vorschriften usw., vgl. Ziff. 63) eine Verminde-

700

rung der Bewirtschaftungsintensität angestrebt wird. Nur so lässt sich, zusammen mit einer auf die Produktionslenkung ausgerichteten Preispolitik, ein weiteres Anwachsen des landwirtschaftlichen Angebotes als Folge von allgemeinen produktionsunabhängigen Beiträgen vermeiden.

Spezifische Direktzahlungen würden dadurch, dass intensiv genutzte Flächen gezielt einer extensiveren Nutzung zugeführt werden, ausser dem ökologischen Effekt ebenfalls eine Bremswirkung auf die Angebotsentwicklung ausüben. Diese wäre allerdings, entsprechend dem Umfang der betroffenen Flächen, in den ersten Jahren jedenfalls nur bescheiden. Eine Verminderung des Gesamtangebotes wäre jedoch nur dann zu erwarten,' wenn es gelingt, eine gegenüber bisher intensivere Bewirtschaftung der übrigen Flächen zu verhindern.

614.2

Notwendige weitere Abklärungen

Bevor konkrete Vorschläge für einen Ausbau von Direktzahlungen im erwähnten Sinne unterbreitet werden können, sind noch verschiedene Abklärungen notwendig. Einer sorgfältigen Prüfung durch die Experten bedürfen vor allem folgende Fragen: - Abgrenzung des Empfängerkreises; Sollen auch Nêbenerwerbs1 und Hobbybetriebe Direktzahlungen erhalten? Sollen Einkommens- und Vermögensgrenzen eingeführt werden? Soll bei den Direktzahlungen, wie dies die Kleinbauern-Initiative vorsieht, eine Abgrenzung vorgenommen werden zwischen bäuerlichen und nichtbäuerlichen Betrieben? Welche Kriterien sollen dafür massgebend sein?

- Auflagen, Kontrolle, Durchsetzung; Die bei beiden Arten von Direktzahlungen vorgesehenen Auflagen müssen klar formuliert werden, damit sie aufgrund entsprechender Kontrollen und Sanktionen auch durchgesetzt werden können.

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fld.I

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- Problem der Durchführung; Diesem Aspekt ist zusammen mit den Kantonen besondere Beachtung zu schenken, damit nicht nur eine korrekte Abwicklung gewährleistet, sondern auch der mit solchen Direktzahlungen zwangsläufig verbundene administrative Mehraufwand in Grenzen gehalten werden kann.

- Vermeidung von unerwünschten Nebenwirkungen; Direktzahlungen dürfen nicht dazu führen, dass überholte Strukturen erhalten bleiben. Richtungweisend muss sein, dass durch solche Beitragsmassnahmen der mittelgrosse und leistungsfähige Familienbetrieb nicht benachteiligt wird. Bei aller Differenzierung darf nicht der Eindruck erwachsen, dass die eigentliche Leistung nur unzureichend entschädigt wird und dass sich deshalb Tüchtigkeit nicht mehr auszahlt. Zu vermeiden ist auch, dass zusätzlicher Aufwand getätigt wird für Tatbestände, die schon heute erfüllt sind.

Einer Klärung bedarf auch die Frage der Finanzierung. Wir gehen davon aus, dass mindestens ein Teil der für den Ausbau von Direktzahlungen benötigten Mittel dadurch freigesetzt werden kann, dass die Preise vermehrt nach dem Markt statt nach Gesichtspunkten der Einkommenssicherung festgesetzt werden und dass zufolgedessen weniger Kosten für die Verbilligung von Produkten im In- und Ausland anfallen. Insbesondere beim Schlachtvieh besteht die Gefahr, dass bei einer Festsetzung der Preise nach einkommenspolitischen Gesichtspunkten ohne gleichzeitige Massnahmen zur Produktionsbeschränkung (Kontingentierung) Ueberschüsse mit entsprechend hohen Verwertungskosten entstehen.

Neben der Möglichkeit, allgemeine Bundesmittel zur Finanzierung von Direktzahlungen einzusetzen, sind schliesslich auch neue Einnahmequellen zu prüfen, z.B. Einnahmen aus Abgaben auf gewissen Produktionsmitteln (vgl. Ziff. 63, Punkt 5). : Ein Ausbau der Direktzahlungen

im hier dargelegten Sinne er-

fordert eine besondere gesetzliche Grundlage. Ob diese durch Ergänzung eines bestehenden oder in Form eines neuen Gesetzes geschaffen werden soll, bedarf noch der Prüfung. Bei der Vari-

702

ante Ergänzung eines bestehenden Gesetzes kommen entweder das Landwirtschaftsgesetz oder das Bundesgesetz über die Bewirtschaftungsbeiträge in Frage.

614.3

Tierhalterbeiträge

Aufgrund unserer Beschlüsse vom 1. Juli 1987 über die bäuerlichen Begehren hat das Eidgenössische Volkswirtschaftsdepartement die bereits erwähnte Expertenkommission zum Studium des Problems Direktzahlungen an die Landwirtschaft eingesetzt. Die Kommission hat auftragsgemäss als erstes einen Entwurf zu einer Verordnung über Beiträge an Tierhalter nach den Artikeln 19a und c des Landwirtschaftsgesetzes ausgearbeitet. Dieser Entwurf ist im Vernehmlassungsverfahren überwiegend positiv aufgenommen worden. Wir werden die Verordnung, nach der Ueberarbeitung aufgrund der Stellungnahmen, sobald wie möglich beschliessen, damit die Beiträge erstmals 1988 ausgezahlt werden können. Im Voranschlag ist dafür ein Betrag von 90 Millionen Franken eingesetzt.

Es handelt sich bei den Tierhalterbeiträgen im Prinzip nicht um allgemeine produktionsunabhängige Direktzahlungen im zuvor umschriebenen Sinne. Von ihrem Werdegang her stehen die vorgesehenen Beiträge im Zusammenhang mit der Lenkung der Fleischund Eierproduktion sowie der Futtermittelbewirtschaftung; sie kommen jedoch, so wie sie ausgestaltet werden sollen, allgemeinen Direktzahlungen nahe.

Der Grundsatzbeschluss zur Einführung von Tierhalterbeiträgen wurde unter anderem deshalb gefasst, weil zusätzliche Einkommensverbesserungen zugunsten der Landwirtschaft sich als notwendig erwiesen, die Rechtsgrundlage für generelle Direktzahlungen aber fehlte. Diese vorzubereiten und die nötigen Vorarbeiten für eine umfassende und womöglich dauerhafte Beitragsregelung zu leisten, ist die Hauptaufgabe der Expertenkommission. Entsprechende Vorschläge sollen, sobald sie vorliegen, den Kantonen, Organisationen und Parteien zur Vernehmlassung unterbreitet werden.

703

62

Betriebseigene Futterbasis - gegen "Tierfabriken*

Verschiedene Massnahmen der Agrarpolitik sind darauf ausgerichtet, die Produktion auf betriebseigener Futterbasis zu fördern. Wir sind der Auffassung, dass das bestehende Instrumentarium ausreicht, um dieses Ziel zu verwirklichen. Bei der Anwendung dieser Instrumente geht es vor allem um eine Frage des Masses. Mehr staatliche Interventionen in diesem Bereich, sei es in Form einer Zuteilung von Futtermitteln bis zum einzelnen Betrieb, sei es als einzelbetriebliche Abgrenzung der Schutz- und Förderungswürdigkeit aufgrund des Futterzukaufs, lehnen wir ab.

Auch bezüglich der Forderung nach Begrenzung bzw. Abbau von grossen Tierbeständen erachten wir die heutigen Bestimmungen gemäss den Artikeln 19 a-f des Landwirtschaftsgesetzes als ausreichend. Betriebe, die die geltenden Bestandesobergrenzen (vgl. Sechster Landwirtschaftsbericht, Abschnitt 233.42) überschreiten, müssen bis Ende 1991 ihre Tierbestände reduzieren oder müssen, wenn sie es nicht tun, ab 1992 eine Abgabe entrichten. Eine Verminderung der Zahl dieser bodenunabhängigen Betriebe und ein beträchtlicher Abbau der grossen Bestände konnte im übrigen durch die Stillegungsbeiträge in den Jahren 1980-1984 erreicht werden. Neue Massentierhaltungen können keine mehr entstehen, da eine Bewilligungspflicht besteht, die heute als Baustopp gehandhabt wird. Es galt auch in diesem Bereich, unter Berücksichtigung aller Aspekte ein vernünftiges Mass zu finden.

i Die gleiche Zielrichtung verfolgen im übrigen auch die im Entwurf zur Revision des Gewässerschutzgesetzes vorgeschlagenen Bestimmungen über die Verwertung von Abgängen aus der Nutztierhaltung (Art. 14 des Entwurfs). Das Kulturland darf danach inskünftig pro Hektare mit den Abgängen (Mist und Gülle) von höchstens drei Düngergrossvieheinheiten belastet werden.

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"Naturnahes Bauern"

In letzter Zeit wurden besondere Anstrengungen unternommen, um Massnahmen in Richtung einer besseren Berücksichtigung der ökologischen Aspekte in der Agrarproduktion einzuleiten bzw.

zu verstärken. Dabei sind die Erfordernisse der Umwelt mit jenen der Wirtschaftlichkeit so gut als möglich in Einklang zu bringen.

Die Schwerpunkte unserer Politik liegen in diesem Zusammenhang in folgenden Bereichen: 1. Forschungswesen Eine erste grundlegende Aufgabe obliegt der Forschung auf allen Stufen. Unsere Forschungsanstalten tragen den neuen Erfordernissen seit Jahren Rechnung. Für ihre Tätigkeit stehen heute vor allem qualitative Fragestellungen im Vordergrund: Fragen der optimalen Düngung, der Erhaltung der Bodenfruchtbarkeit, der "integrierten Produktion" usw. Auch alternative Landbaumethoden, wie der "biologische Landbau", werden bearbeitet. Der Bund unterstützt daneben auch die Forschungs- und Beratungstätigkeit des,Forschungsinstituts für biologischen Landbau in Oberwil EL.

2. Bildung, Beratung und Eigenverantwortung Durch Bildung und Beratung werden die Erkenntnisse der Forschung an die Praxis vermittelt, werden vor allem auch das Problembewusstsein und die Motivation der Landwirte zu umweltgerechtem Verhalten gefördert. Das Fach Oekologie ist an den Landwirtschaftsschulen mehr und mehr selbstverständlicher Teil des Lehrplans.

3. Meliorationswesen Auch im Meliorationswesen werden die Belange des Umweltschutzes mehr als früher berücksichtigt. Sachdienliche Grundlagen - so eine Wegleitung "Natur- und Heimatschutz

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bei Meliorationen" (1983) - wurden schon vor einiger Zeit erarbeitet, und es bestehen auch entsprechende Handlungsanweisungen. Beitragsgesuche für Gebäudesanierungen werden einer strengen Beurteilung bezüglich der Futterbasis unterzogen; einer Ausdehnung des Viehbestandes wird nur dort zugestimmt, wo sich eine Aufstockung als wirklich nötig erweist.

Besondere Beachtung verdient sodann, insbesondere bei der ackerbaulichen Nutzung von mehr oder weniger geneigten Grundstücken, ebenfalls das Problem der Bodenerosion. Dieser Aspekt sowie weitere, die Erhaltung der Bodenfruchtbarkeit betreffende Probleme sind zurzeit Gegenstand intensiver Arbeiten im Rahmen der Nationalen Forschungsprogramme.

4. Gesetzliche Vorschriften Auf verschiedenen Gebieten bestehen umfangreiche Vorschriften auf Gesetzes- und Verordnungsstufe, die eine umweltgerechte sowie natur- und tiergerechte Produktion gewährleisten. Es sind dies insbesondere - Vorschriften über die Verwendung von chen Hilfsstoffen, - der Bodenschutzartikel des die Klärschlammverordnung,

landwirtschaftli-

Umweltschutzgesestzes

und

- Bestimmungen über den Tierschutz, - Bestimmungen über den Gewässerschütz, - Vorschriften des Natur- und Heimatschutzes sowie - Vorschriften der Lebensmittelgesetzgebung Nahrungsmittel, Rückstandsproblem).

(Qualität der

Verschiedene Bundes- und kantonale Stellen sind mit deren Anwendung und Kontrolle betraut.

Wir messen werden sie allerdings nellen und

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diesen Vorschriften wenn nötig anpassen in grösserem Ausmass finanziellen Mitteln

besondere Bedeutung zu und und verschärfen. Dies ist nur mit zusätzlichen persomöglich.

5. Agrarpolitische Anreize Wichtig ist schliesslich eine laufende Ueberprüfung der agrarpolitischen Massnahmen im engeren Sinne auf ihre ökologischen Auswirkungen. Gewisse Massnahmen sind so zu ändern, dass vermehrte Anreize zu umweit- und naturgerechter Produktion entstehen. Besondere Beachtung verdienen diesbezüglich: - die unter Ziffer 614 skizzierten produktionsunabhängigen, mit bestimmten Auflagen verknüpften Direktzahlungen; - die Frage, wie auch sonst der Einsatz von gewissen landwirtschaftlichen Hilfsstoffen vermindert werden kann; zu prüfen ist hier unter anderem die Möglichkeit einer direkten Verteuerung (Lenkungsabgabe) von Handelsdüngern und chemischen Mitteln; - die Förderung möglichst natürlicher mit geschlossenen Kreisläufen.

Produktionsmethoden

Wir werden auch in Zukunft die (unter Punkt 1 - 5 ) skizzierten Anstrengungen konsequent weiterführen. Unsere Bemühungen gehen, was die Breite des Ansatzes anbelangt, in dieser Hinsicht deutlich weiter als das, was in der Initiative enthalten ist.

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Einfuhrschütz : Leistungssystem und Importabgaben

Unser Agrarhandelsinstrumentarium ist das Ergebnis eines kontinuierlichen Prozesses der Problemlösung und konnte in schwierigen internationalen Verhandlungen völkerrechtlich abgesichert werden. Es hat sich im grossen und ganzen bewährt.

Ein grundlegender Kurswechsel drängt sich daher nicht auf.

Dies schliesst indessen nicht aus, dass auch in Zukunft neuen Situationen und insbesondere veränderten Rahmenbedingungen auf den Weltagrarmärkten durch Anpassungen und Akzentverschiebun-

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gen in unseren Einfuhrregelungen Rechnung getragen wird. Dies hat jedoch immer unter Wahrung der gesamtwirtschaftlichen und aussenhandelspolitischen Interessen zu erfolgen. In diesem Sinne werden wir von Fall zu Fall prüfen, inwieweit im Rahmen der geltenden Agrargesetzgebung sowie unserer Aussenhandelsverpflichtungen Anliegen der Initianten erfüllt werden können.

Unsere Instrumenten- und Sektorenanalyse hat gezeigt, dass das Leisturigssystem i.e.S., d.h. die Uebernahmepflicht ohne direkte Beschränkung der Einfuhrmenge, nicht überall anwendbar ist,' da bestimmte notwendige Voraussetzungen nicht erfüllt wären.

Auch bestünde bei vermehrter Anwendung des postulierten Systems die Gefahr, dass bestehende handelsvertraglich zugesicherte Kontingente faktisch ausgehöhlt würden. Deshalb könnte das Leistungsystem i.e.S. nur für vereinzelte Produkte in Betracht gezogen werden. Bei gewissen Erzeugnissen ist es allerdings auch im Rahmen der geltenden Kontingentsordnung möglich, den Leistungsgedanken dadurch stärker zur Geltung zu bringen, indem zum Beispiel die Eirizelkontingente vermehrt nach Massgabe der getätigten Inlandkäufe verteilt werden oder ein Teil der Kontingente versteigert wird. Schritte in dieser Richtung sind bereits unternommen worden; sie sollen in Zukunft nach Möglichkeit noch verstärkt werden. Dabei muss jedoch die Ausnützung der handelsvertraglichen Kontingente sichergestellt bleiben.

Auch der von der Initiative vorgeschlagene Ausbau der Importabgaben erscheint uns, unter Beachtung unserer agrarhandelspolitischen Verpflichtungen, in einzelnen Fällen prüfenswert; dadurch könnten die Abwehrmöglichkeiten gegen extrem tiefpreisige Einfuhren verbessert werden. Allerdings dürften solche Importabgaben nicht zu einer generellen Erhöhung des Selbstversorgungs- und damit des Protektionsgrades führen. Eine solche Entwicklung wäre nicht nur aus aussenhandels-, sondern auch aus konsumentenpolitischen (Mischrechnung) und letztlich gesamtwirtschaftlichen Gründen (Exportinteressen} unerwünscht.

708

Es ginge in der Hauptsache vielmehr darum, in Zukunft die Akzente nach Möglichkeit etwas von den mengenmässigen zu den preislichen Importschutzmassnahmen zu verschieben (vgl. Sechster Landwirtschaftsbericht, Abschnitt 336.12). Entsprechende Anpassungen setzen, je nach Ausgestaltung der Importabgaben, eine Aenderung der gesetzlichen Grundlagen voraus.

Der Spielraum für solche Aenderungen ist jedoch vor allem aus völkerrechtlicher Sicht gering. Unsere Einfuhrregelungen sind weitgehend das Ergebnis bilateraler und multilateraler Vereinbarungen. Aus diesen ergeben sich für uns nicht nur gewisse Rechte (u.a. aufgrund des Agrarstatuts im GATT), sondern auch die Verpflichtung, von unsern Schutzmassnahmen an der Grenze nur massvoll Gebrauch zu machen. Angesichts ihrer engen weltwirtschaftlichen Verflechtung muss die Schweiz auch in der Agrarpolitik die Grundsätze ihrer liberalen Aussenhandelspolitik im Auge behalten. Eine zusätzliche Herausforderung wird uns voraussichtlich die neue GATT-Runde bringen, da gem'ass der Ministererklärung von Punta del Este (Uruguay) auch der Agrarhandel vermehrt in das liberale GATT-Handelssystem integriert werden soll.

Dies festgestellt, würde ein Ausfall unseres GATT-Agrarstatuts und unserer Freihandelsregelung für landwirtschaftliche Verarbeitungserzeugnisse in Westeuropa nicht nur das schweizerische Agrarhandelsregime, sondern auch unsere GATT-Mitgliedschaft und das Freihandelsabkommen sowie die EFTA-Mitgliedschaft als solche in Frage stellen. Die vertraglichen Agrarhandelsbeziehungen der Schweiz bilden zusammen mit den vertraglichen Handelsbeziehungen im industriellen Bereich ein geschlossenes Ganzes.

7

Schlussfolgerung: Ablehnung der Initiative

Verschiedene Anliegen der Initianten entsprechen zumindest teilweise unseren eigenen Vorstellungen. Die Initiative schiesst aber in einigen Punkten über das Ziel hinaus; auch

27 Bundesblatt. MO.Jahrgang. Bd.l

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würde ihre Umsetzung in die Praxis auf fast unüberwindliche Schwierigkeiten stossen. Soweit die Anliegen berechtigt sind, kann ihnen auf Gesetzes- bzw. Verordnungsstufe Rechnung getragen werden. Wir sind bereit, begründete und notwendige Aenderungen in die Wege zu leiten. Eine Ergänzung der Verfassung ist dazu nicht nötig. Wir beantragen deshalb, die Initiative ohne Gegenvorschlag abzulehnen.

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Bundesbeschluss über die Volksinitiative «für ein naturnahes Bauern - gegen Tierfabriken (Kleinbauern-Initiative)»

Entwurf

vom

Die Bundesversammlung der Schweizerischen

Eidgenossenschaft,

nach Prüfung der am 28. Februar 1985 eingereichten Volksinitiative «für ein naturnahes Bauern - gegen Tierfabriken (Kleinbauern-Initiative)»l\ nach Einsicht in eine Botschaft des Bundesrates vom 27. Januar 19882), beschliesst:

Art. l 1

Die Volksinitiative «für ein naturnahes Bauern - gegen Tierfabriken (Kleinbauern-Initiative)» vom 28. Februar 1985 wird gültig erklärt und der Abstimmung von Volk und Ständen unterbreitet.

2

Die Volksinitiative lautet: Die Bundesverfassung wird wie folgt ergänzt: Art. 31°°^ (neu) 1 Der Schutzbereich der Gesetzgebung zur Erhaltung eines gesunden Bauernstandes und einer leistungsfähigen Landwirtschaft gemäss Artikel 31bls Absatz 3 Buchstabe b ist auf bäuerliche Betriebe beschränkt.

- Unter einem bäuerlichen Betrieb ist eine landwirtschaftliche Produktionsstätte zu verstehen, die a. von einem selbständigen Bauern oder Bäuerin und vorwiegend familieneigenen Arbeitskräften bewirtschaftet wird und b. für die Tierhaltung eine eigene, vorwiegend am Standort des Betriebes befindliche Futterbasis hat, die im Talgebiet mindestens zwei Drittel, im Berggebiet mindestens die Hälfte des gesamten Futterbedarfes aus eigener Produktion deckt und die Weiterexistenz auch bei Importstörungen gewährleistet. Die Standortgebundenheit wird durch die Bewirtschaftung von Alpen, Allmenden und Weiden nicht ausgeschlossen.

Der Buudesrat erlässt die nötigen Vollzugsbestimmungen auf dem Verordnungswege.

3 Sofern der Absatz inländischer landwirtschaftlicher Erzeugnisse der bäuerlichen Betriebe zu kostendeckenden Preisen durch die Einfuhr gefährdet wird, trifft der Bundesrat die folgenden ausschliesslich in Betracht fallenden Massnahmen: a. er verpflichtet die Importeure von landwirtschaftlichen Erzeugnissen, in einem zu bestimmenden Verhältnis zu den Importmengen gleichartige oder ähnliche Produkte zu kostendeckenden Preisen aus bäuerlichen

'> BEI 1985 I 1245 > BEI 1988 I 627

2

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Kleinbauern-Initiative

Betrieben zu übernehmen (Leistungssystem), wobei die Importbewilligung bei Abgabe der Übernahmeerklärung zu erteilen ist; b. wo sich das Leistungssystem als ungeeignet oder zu wenig wirksam erweist, erhebt er auf der Einfuhr von landwirtschaftlichen Erzeugnissen Abgaben, aus deren Ertrag Beiträge zur Preis- und Absatzsicherung sowie nach Produktionskosten abgestufte Direktzahlungen an die bäuerlichen Betriebe zu leisten sind, die es diesen ermöglichen, ihre Erzeugnisse zu kostendeckenden Preisen abzusetzen; c. die in Buchstabe b umschriebenen Abgaben können auch zusätzlich zum Leistungssystem erhoben werden.

4 Wenn sich die unter Absatz 3 Buchstaben a-c aufgeführten Massnahmen als ungeeignet oder nicht genügend wirksam erweisen, ist der Bund;befugt, auf dem Wege der Gesetzgebung Einfuhrverbote zu erlassen oder sich das ausscbliessliche Recht zur Einfuhr vorzubehalten.

Art. 2 Die Bundesversammlung empfiehlt Volk und Ständen, die Initiative zu verwerfen.

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712

Schweizerisches Bundesarchiv, Digitale Amtsdruckschriften Archives fédérales suisses, Publications officielles numérisées Archivio federale svizzero, Pubblicazioni ufficiali digitali

Botschaft über die Volksinitiative «für ein naturnahes Bauern - gegen Tierfabriken (Kleinbauern-Initiative)» vom 27. Januar 1988

In

Bundesblatt

Dans

Feuille fédérale

In

Foglio federale

Jahr

1988

Année Anno Band

1

Volume Volume Heft

08

Cahier Numero Geschäftsnummer

88.005

Numéro d'affaire Numero dell'oggetto Datum

01.03.1988

Date Data Seite

627-712

Page Pagina Ref. No

10 050 632

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Le document a été digitalisé par les. Archives Fédérales Suisses.

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