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Bundesblatt Bern, 4.Juli 1977

129.Jahrgang

Band. II

Nr. 27

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Bericht über das Verhältnis der Schweiz zu den Vereinten Nationen und ihren SpezialOrganisationen für die Jahre 1972-1976 Vom 29. Juni 1977

Frau Nationalratspräsidentin, Herr Ständeratspräsident, sehr geehrte Damen und Herren, Wir unterbreiten Ihnen unseren Bericht über das Verhältnis der Schweiz zu den Vereinten Nationen und ihren SpezialOrganisationen für die Jahre 1972-1976 und beantragen Ihnen, von diesem Bericht und seinen Schlussfolgerungen Kenntnis zu nehmen und sie zu genehmigen.

Wir versichern Sie, Frau Präsidentin, Herr Präsident, sehr geehrte Damen und Herren, unserer vorzüglichen Hochachtung.

Bern, 29. Juni 1977 Im Namen des Schweizerischen Bundesrates Der Bundespräsident: Purgier

Der Bundeskanzler: Huber 1977-361 Bundesblatt. 129.Jahrg. Bd.II

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Bericht

I.

Einleitung

1.

Mandat und Überblick

In der parlamentarischen Beratung unseres Berichts vom 16. Juni 1969 über das Verhältnis der Schweiz zu den Vereinten Nationen hatten Sie den Wunsch geäussert, laufend über die Beziehungen unseres Landes zu der Weltorganisation unterrichtet zu werden. Sie stimmten unserem Antrag zu, Sie in gesonderten Berichten über die Tätigkeit der Vereinten Nationen und ihrer SpezialOrganisationen sowie unsere Zusammenarbeit mit ihnen zu informieren. In einem ersten periodischen Bericht vom 17. November 1971 sind wir Ihrem Wunsche nachgekommen.

Damals gaben wir Ihnen von unserer Absicht Kenntnis, eine beratende Kommission ad hoc zu ernennen, um allen interessierten Kreisen und Strömungen der öffentlichen Meinung die Möglichkeit zu geben, sich in aller Freiheit über die Form zu äussern, die in Zukunft unsere Beziehungen zur UNO erhalten sollten.

Wir schlössen den Bericht von 1971 mit der Bemerkung, die Schlussfolgerungen der Kommission würden uns bei der Lösung, die wir zu treffen hätten, sehr behilflich sein.

Mit Beschluss vom 28. August 1973 setzten wir diese Kommission ein. Sie hat uns im Frühjahr 1976 ihren Bericht mit zwei von Minderheiten verfassten Zusatzdokumenten überreicht. Am 7. April 1976 haben wir davon Kenntnis genommen und in Aussicht gestellt, dass wir uns die Arbeiten der Kommission für unseren eigenen Bericht an Sie zunutze machen würden. Der Kommissionsbericht wurde auf unsere Veranlassung hin publiziert und an einer Pressekonferenz des Büros der Kommission der Öffentlichkeit vorgestellt.

Im vorliegenden Bericht werden wir uns im wesentlichen an die Systematik unseres Berichts von 1971 halten. Zuerst werden wir die allgemeine Entwicklung der UNO seit 1971 schildern, dann eine Übersicht über die wichtigsten Tätigkeiten der Weltorganisation und ihrer SpezialOrganisationen vermitteln. Ein separates Kapitel wird den Beziehungen der Schweiz zu den Vereinten Nationen gewidmet sein, wobei wir die Mitwirkung der Schweiz im Rahmen des Systems der Vereinten Nationen, ihre Stellung als Nichtmitglied der UNO sowie die Möglichkeiten und Bedingungen einer Mitgliedschaft untersuchen werden. Bei diesen Ausführungen werden wir die Arbeiten der beratenden Kommission als nützliche Quelle berücksichtigen. In einem letzten Kapitel werden wir sodann die Tätigkeit der Kommission im einzelnen beleuchten und zu deren Schlussfolgerungen Stellung nehmen. Beschliessen werden -wir den Bericht mit unseren eigenen Schlussfolgerungen.

815 2.

Die UNO heute

Bevor wir in Einzelheiten gehen, scheint es uns angezeigt, Ihnen in Umrissen ein Bild dessen zu zeichnen, was die UNO heute nach über dreissig Jahren ihres Bestehens darstellt. Die Weltorganisation hat sich in ihren Strukturen als sehr dynamisch erwiesen. Seit ihrer Gründung, namentlich aber in den letzten Jahren hat sie eine bedeutende Wandlung durchgemacht. Dabei ist die Charta abgesehen von wenigen kleinen Änderungen, welche mit der Zunahme der Mitgliederzahl der UNO auch die Zahl Sitze in den Räten erhöhten, seit 1945 dieselbe geblieben.

Auch die SpezialOrganisationen haben ihre Verfassungsgrundlage kaum geändert.

a. In der bisherigen Entwicklung der UNO sind hauptsächlich drei grosse Phasen erkennbar.

Ursprünglich als Allianz der Siegermächte des Zweiten Weltkrieges gegründet, wurde die Weltorganisation bald zum Schauplatz der west-östlichen Auseinandersetzung. In der Generalversammlung verfügten die westlichen Staaten unter Führung der Vereinigten Staaten von Amerika über einen massgebenden Einfluss. Die Sowjetunion machte häufig von ihrem Vetorecht im Sicherheitsrat Gebrauch, um gewisse Entscheide zu blockieren.

Ende der Fünfzigerjahre begann ein neuer Abschnitt, als die ehemaligen Kolonien in die Unabhängigkeit entlassen wurden und der UNO in diesem Entkolonisierungsprozess eine gewichtige Rolle zukam. Durch den Beitritt der zahlreichen neuen Staaten veränderten sich die Mehrheitsverhältnisse immer mehr zugunsten der Dritten Welt. Die ihr zugehörigen Entwicklungsländer nutzen ihre numerische Stärke, um ihre eigenen politischen und wirtschaftlichen Probleme vor die UNO zu bringen. Die Industriestaaten erkennen in zunehmendem Masse, dass die Lösung der Entwicklungsprobleme die dringendste Aufgabe unserer Zeit darstellt. So hat sich der Schwerpunkt der Tätigkeit der Vereinten Nationen auf das Verhältnis der entwickelten Welt des Nordens zu den Entwicklungsländern des Südens verlagert.

In den vergangenen Jahren standen in diesem Bereich vor allem Forderungen der Entwicklungsländer an die Industriestaaten zur Diskussion. Während die Entwicklungsländer ursprünglich kaum ein Druckmittel zur Durchsetzung dieser Forderungen besassen, verstärkte sich ihre Verhandlungsposition im Zuge der Mittelost-Krise von 1973, als die erdölproduzierenden Staaten unter ihnen das Erdöl als politische Waffe
einzusetzen begannen und ihre Dollareinnahmen rasch vermehrten. Diese Entwicklung führte zu einer Verschärfung der weltwirtschaftlichen Probleme. Inflation, Arbeitslosigkeit, Erdölkrise und Rohstoffverknappung leiteten jedoch auch eine gewisse Wende zum Dialog ein. Beide Seiten wurden sich bewusst, dass sie in einem gegenseitigen Abhängigkeitsverhältnis stehen und dass sich ihre Lage nur verbessern kann, wenn alle Partner die Interdependenz der entwickelten und der in Entwicklung begriffenen Welt erkennen und gemeinsam nach allseits befriedigenden Lösungen suchen.

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b. Drei Faktoren waren für die UNO in den dreissig Jahren ihres Bestehens vor allem bestimmend, nämlich die Entwicklung zur Universalität, die Wandlungen im System der Friedenssicherung und die Verlagerung der Schwerpunkte ihrer Tätigkeit.

Die UNO zählte 1945 bei ihrer Gründung 51 Mitglieder. Ende 1976 waren es 147. Für die neuen Staaten bedeutet der Beitritt eine Bestätigung ihrer eben erst erlangten Souveränität und oftmals den Eintritt in das internationale Leben überhaupt. Die UNO hat sich in ihrer Beurteilung, ob ein Staat die Voraussetzungen des Artikels 4 der Charta für die Mitgliedschaft erfüllt, im allgemeinen grosszügig gezeigt. Mit den Jahren wich der Allianzgedanke der sich allmählich verwirklichenden Idee, dass die UNO weltumfassend sein sollte, weil sie nur in Zusammenarbeit mit allen Staaten dieser Welt ihren Zielen näher kommen könne. Wichtige Schritte in dieser Richtung waren 1971 die Einladung an die Volksrepublik China, den Sitz Chinas in der Organisation einzunehmen und 1973 die Aufnahme der beiden deutschen Staaten. Der Wille zur Universalität ist sogar so weit gediehen, dass immer mehr auch Kleinststaaten als vollberechtigte Mitglieder in die Organisation aufgenommen werden. Bis vor einigen Jahren waren Bemühungen im Gange gewesen, für diese Staaten ein Sonderstatut, etwa in der Form einer Assoziierung zu begründen, weil man davon ausging, dass sie weder die finanziellen noch die technischen und personellen Mittel besessen, um ihren Verpflichtungen in der UNO vollumfänglich nachzukommen. Der Universalitätsgedanke hat auch darin seinen Ausdruck gefunden, dass verschiedene Gruppierungen, die der Staatlichkeit entbehren, insbesondere regionale Organisationen und Befreiungsbewegungen, als Beobachter mit bestimmten Teilnahmerechten bei der UNO zugelassen wurden.

Wichtigstes Ziel der UNO ist es, den Weltfrieden und die internationale Sicherheit zu wahren. Die von der Charta dazu vorgesehenen Mittel, um dieses Ziel zu erreichen, sind die friedliche Beilegung von Streitigkeiten sowie kollektive Zwangsmassnahmen militärischer und nichtmilitärischer Natur, die vom Sicherheitsrat mit ausdrücklicher oder stillschweigender Zustimmung seiner fünf ständigen Mitglieder beschlossen werden. Das Kapitel über die friedliche Beilegung von Streitigkeiten ist bisher zum grossen Teil toter Buchstabe geblieben. Auch das System der kollektiven Zwangsmassnahmen ist seit der Gründung der Vereinten Nationen in der Praxis kaum je zur Anwendung gelangt. In den meisten Konfliktsfällen, die der Sicherheitsrat bisher zu behandeln hatte, waren
seine ständigen Mitglieder direkt oder indirekt Partei und verhinderten mit ihrem Vetorecht einen ihnen nicht genehmen Beschluss. Militärische Sanktionen sind bis heute nie ergriffen worden.

Nichtmilitärische Zwangsmassnahmen hat der Sicherheitsrat ein einziges Mal, im Falle Rhodesiens, angeordnet.

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Um ihrer Aufgabe der Friedenssicherung dennoch gerecht zu werden, haben die Vereinten Nationen mit den friedenserhaltenden Aktionen neue Methoden der Friedenswahrung entwickelt, die nicht ausdrücklich in der Charta verankert sind. Ihr Ziel ist die Begrenzung, Entschärfung und Beruhigung von Konflikten. Neben Beobachtern, Untersuchungskommissionen und Vermittlern bedient sich die Organisation zur Durchführung dieser Aktionen auch militärischer Friedenstruppen, sogenannter «Blauhelme», die hauptsächlich Polizeifunktionen zu erfüllen haben. Im Gegensatz zu den für militärische Zwangsmassnahmen vorgesehenen Truppen werden diese Friedenstruppen nur mit Zustimmung der am Konflikt beteiligten Parteien entsandt und aufrechterhalten und nur auf freiwilliger Basis aus Kontingenten von Mitgliedstaaten rekrutiert. Die Organisation hat sich demgemäss vom ursprünglichen Konzept der gewaltsamen Massregelung darauf umgestellt, vermittelnd die Vorbedingungen für eine friedliche Konfliktlösung zu schaffen. Dass sie gewillt ist, ihre Anstrengungen in dieser Richtung zu intensivieren, zeigen ihre langjährigen Bemühungen, allgemeine Regeln für friedenserhaltende Aktionen zu schaffen. Diese Aktionen fügen sich besser in die heutige UNO ein, wo erkannt wird, dass die Konfrontation im Bewusstsein der allgemeinen Interdependenz überwunden werden muss.

Der Aufgabenkreis der Vereinten Nationen hat sich in den letzten Jahren stets erweitert. Sämtliche die internationale Zusammenarbeit berührenden Probleme von einer gewissen Tragweite haben Eingang in ihren Arbeitsbereich gefunden. So haben sich die Schwerpunkte ihrer Aktivität verlagert.

Neben den rein politischen Fragen stehen immer mehr die Probleme der Weltwirtschaft und sämtliche mit der Entwicklung der Dritten Welt zusammenhängenden Fragen wie etwa Ernährung, Erziehung, Gesundheit und Umweltprobleme im Vordergrund. Die UNO selbst sowie ihre Organe und SpezialOrganisationen arbeiten angesichts der Vielfalt und der Dringlichkeit dieser Aufgaben immer enger zusammen. Dies führt zwangsläufig zu einer zunehmenden Technisierung der Hauptorganisation, aber auch zu einer gewissen Politisierung der SpezialOrganisationen und im Endeffekt zu einer Verwischung der herkömmlichen Unterscheidung zwischen technischer und politischer UNO.

c. Alle diese zum Teil bedeutsamen Umwälzungen
haben sich innerhalb der von der Charta geschaffenen Institutionen vollzogen, wobei sich allerdings das Gewicht der einzelnen Organe gewandelt hat. Die Generalversammlung als einziges Hauptorgan, in dem alle Mitgliedstaaten vertreten sind, beansprucht immer mehr eine Führungsrolle, die ihr von der Charta nicht mit dieser Eindeutigkeit zugedacht war. Der Sicherheitsrat übt durch das Vetorecht seiner fünf ständigen Mitglieder weiterhin eine Bremsfunktion gegenüber allzu einseitigen Empfehlungen der Generalversammlung aus. Gewisse Staatengruppen versuchen jedoch seit einiger Zeit, das Veto der ständigen Mitglieder des Rates zu bestimmten Fragen im Rahmen der Generalver-

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Sammlung zu umgehen. Dieselben Staaten bemühen sich auch um eine Revision der Charta, um die fünf Grossmächte in ihrer Vorrangstellung einzuschränken. Der Wirtschafts- und Sozialrat (ECOSOC) seinerseits hat die ihm zugedachte Bedeutung auf wirtschaftlichem Gebiet bisher nicht erlangt.

Die später gegründeten UNCTAD und UNIDO, die 6. und die 7. ausserordentliche Generalversammlung, deren Tagesordnungen ausschliesslich wirtschaftlichen Problemen gewidmet waren, haben ihm seine wichtigsten Kompetenzen entzogen. Heute bleibt ihm vor allem die Aufgabe, die Koordinierung innerhalb des Systems der Vereinten Nationen zu gewährleisten.

d. Während die Vereinten Nationen für viele Länder der Dritten Welt das wichtigste Instrument ihrer Aussenpolitik darstellen, vernimmt man von seilen der westlichen Staaten vermehrte Kritik an der Organisation. Sie habe, so heisst es vor allem, ihre wichtigste Funktion der Friedenssicherung bisher nicht erfüllen können, sie sei von der Mehrheit der Dritten Welt beherrscht.

Sicher ist, dass viele Konflikte im Rahmen der UNO nicht oder nur teilweise gelöst werden konnten. Wie viele blutige Auseinandersetzungen sie verhindert hat, ist allerdings nicht abzuschätzen. Die Lösung der Konflikte, welche die Menschheit heute mit Sorge erfüllen, kann wohl nur mit viel Willen und Geduld erdauert werden, wobei die klassische bilaterale und die multilaterale Diplomatie einander gegenseitig zu unterstützen haben. Es stimmt auch, dass die Entwicklungsländer heute in der UNO die Mehrheit innehaben.

Diese Mehrheit ist aber durchaus nicht in jedem Fall «automatisch». Mit ihrer zunehmenden Emanzipation differenzieren die Entwicklungsländer ihre Stellungnahmen, vor allem dort, wo es um politische Fragen geht, von denen sie nicht unmittelbar berührt werden. Bei den sie direkt betreffenden Problemen, namentlich bei solchen wirtschaftlicher Natur, finden sie sich in der Regel wieder solidarisch zusammen, oft allerdings erst nach zähem internem Ringen. Schliesslich sollte man den Einfluss der Resolutionen der Generalversammlung nicht unterschätzen, auch wenn ihnen formell keine verbindliche ^Kraft zukommt. Sie enthalten die von der Generalversammlung erarbeiteten Konzeptionen der internationalen Zusammenarbeit, die sich auf die Haltung der gesamten Völkergemeinschaft zu den grossen Problemen unserer Zeit auswirken und wegweisend für die umfassende Tätigkeit des Systems der Vereinten Nationen sind.

3.

Die Schweiz und die UNO

Die Schweiz hat in den letzten Jahren auf dem Gebiet der Aussenpolitik vermehrte Anstrengungen unternommen. So hat sie ihre Beziehungen zu ihren Nachbarstaaten und zu Europa ausgebaut. Sie hat mit den Europäischen Gemeinschaften einen Freihandelsvertrag geschlossen und sich an der Konferenz über Sicherheit und Zusammenarbeit in Europa (KSZE) aktiv beteiligt. Auch mit den Staaten der Dritten Welt hat sie den Dialog vertieft, indem sie ihre Mitarbeit in den Organen und SpezialOrganisationen der Vereinten Nationen nach Möglichkeit

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noch zu intensivieren suchte und indem sie als einer der acht Vertreter der Industriestaaten an der Konferenz über internationale wirtschaftliche Zusammenarbeit (KIWZ) in Paris teilgenommen hat. Ferner war sie im August 1976 erstmals als Gast an einer Konferenz der blockfreien Staaten zugegen, welche diesmal auf der Ebene der Staats- und Regierungschefs in Colombo (Sri Lanka) stattfand.

Der humanitären Mission unseres Landes kamen wir nach, als wir 1974 die Diplomatische Konferenz über die Neubestätigung und Weiterentwicklung des humanitären Rechts in Zeiten bewaffneter Konflikte (CDDH) nach Genf einberiefen.

Vorab die Entwicklungsländer, für welche - wir haben es erwähnt - die UNO das Zentrum ihres aussenpolitischen Handelns bildet, in zunehmendem Masse aber auch die Industrienationen verstehen es schlecht, warum wir nur aktiv sind, wenn unsere Interessen direkt berührt werden oder wenn wir eine unserer traditionellen humanitären Aufgaben zu erfüllen haben. Sie sind immer weniger geneigt, unseren «Sonderfall» zu akzeptieren und werten unsere Abwesenheit von der Hauptorganisation vielmehr als mangelnde Anteilnahme an den heutigen Problemen der Völkergemeinschaft.

Es kann für die Schweiz selbstverständlich nicht darum gehen, sich von aussen in die UNO drängen zu lassen. Wir müssen uns aber der Probleme bewusst werden, mit denen wir durch unser Abseitsstehen in zunehmendem Masse konfrontiert werden. Die UNO, an der wir unser Urteil messen, muss jene von heute und morgen und nicht jene von gestern sein. Eine Organisation, die fast sämtliche Staaten der Welt umfasst, kann nur ein Spiegel der komplexen und oft spannungsgeladenen Wirklichkeit unserer Welt sein. Sie ist aber als Forum weltpolitischer Auseinandersetzungen unentbehrlich geworden. Wir dürfen von ihr nicht allzu viel erwarten, sondern müssen nüchtern einsehen, dass ihre Möglichkeiten begrenzt sind. Mit dem nötigen Realismus werden wir uns bemühen, im folgenden Bericht die Entwicklung der UNO und unser Verhältnis zu ihr aufzuzeigen.

II.

Allgemeine Entwicklung der UNO seit 1971

1.

Universalität der Mitgliedschaft

a.

Entwicklung zur Universalität seit 1971

Die in unseren Berichten von 19691J und 19712> hervorgehobene Entwicklung der UNO zur Universalität ist heute praktisch vollendet. Von 1971 bis 1976 sind " Bericht des Bundesrates an die Bundesversammlung über das Verhältnis der Schweiz zu den Vereinten Nationen vom 16. Juni 1969 (in der Folge zit. als «unser Bericht von 1969»), BB1 1969 l 1449 ff., 1557 ff.

2 > Bericht des Bundesrates an die Bundesversammlung über das Verhältnis der Schweiz zu den Vereinten Nationen und ihren SpezialOrganisationen für die Jahre 1969-1971 vom 17. November 1971 (in der Folge zit. als «unser Bericht von 1971»), BEI 1972 I l ff, 7 f., 47.

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16 Staaten neu in die Weltorganisation aufgenommen worden, nämlich die Vereinigten Arabischen Emirate, die Deutsche Demokratische Republik, die Bundesrepublik Deutschland, das Commonwealth der Bahamas, die Volksrepublik Bangladesch, Grenada, die Republik Guinea-Bissau, die Volksrepublik Moçambique, die Republik Kap Verde, die Demokratische Republik Sao Tome und Principe, Papua-Neuguinea, die Republik der Komoren, die Republik Surinam, die Republik der Seychellen, die Volksrepublik Angola und Westsamoa". Damit hat sich die Zahl der Mitlgieder der UNO bis Ende 1976 auf 147 erhöht.

Zwei wichtige Etappen in dieser Entwicklung bilden der Einzug der Volksrepublik China und die Aufnahme der beiden deutschen Staaten in die Vereinten Nationen. Die 26. Generalversammlung von 1971 hatte eine Resolution verabschiedet, in welcher erklärt wurde, die Volksrepublik China sei allein berechtigt, den Sitz Chinas in der UNO einzunehmen2*. Nach Abschluss des Berliner Viermächte-Abkommens vom 4. September 1971 und des Grund Vertrages zwischen der Bundesrepublik Deutschland und der Deutschen Demokratischen Republik vom 21. Dezember 1972 wurden die beiden deutschen Staaten an der 28. Generalversammlung von 1973 in die UNO aufgenommen3'.

Ihr Beitritt brachte die Organisation nicht allein zahlenmässig der Universalität näher, sondern er bestätigte auch die endgültige Überwindung der Konzeption der UNO als Siegerallianz des Zweiten Weltkrieges, indem jetzt der damalige Hauptgegner zur vollwertigen Mitarbeit in der UNO aufgerufen ist41.

Die Aufnahme von neuen Mitgliedern erfolgt auf Empfehlung des Sicherheitsrates, wobei die ständigen Mitglieder ein Vetorecht haben. Im allgemeinen hat der Sicherheitsrat der Generalversammlung die Aufnahme empfohlen. In zwei Fällen hat ein ständiges Ratsmitglied beim ersten Gesuch sein Veto eingelegt. So wandte sich die Volksrepublik China 1972 gegen einen Beitritt Bangladeschs zur Weltorganisation. Als sich jedoch in der Folge die Beziehungen zwischen dem jungen Staat und Indien und Pakistan zusehends verbesserten, so dass im Vertrag von Simla vom 9. April 1974 die wichtigsten Fragen geregelt werden konnten, widersetzte sie sich nicht länger. Bangladesch wurde an der 29. Generalversammlung von 1974 in die UNO aufgenommen S) . 1975 scheiterte der Beitritt Angolas vorerst am Veto der
Vereinigten Staaten, die damit namentlich gegen die Präsenz kubanischer Truppen auf angolanischem Gebiet opponierten. Ein Jahr später, " Die Aufzählung erfolgt chronologisch nach dem Beitritt der Staaten.

2' Resolution 2758 (XXVI) vom 25. Oktober 1971. Dazu unser Bericht von 1971, BB1 1972 I 7 f. Im gleichen Sinne wurde die Vertretung Chinas auch in den Spezialorganisationen mit Ausnahme der Bretton-Woods-Institutionen geregelt.

3) Resolution 3050 (XXVIII) vom 18. September 1973. Die Vertretung der Interessen Westberlins in der UNO durch die Bundesrepublik Deutschland ist im ViermächteAbkommen geregelt worden.

4 > Damit wurde auch die «Feindstaatenklausel» in den Artikeln 53 und 107 der UNOCharta endgültig obsolet.

5) Resolution 3203 (XXIX) vom 17. September 1974.

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nach einer gewissen Normalisierung der Verhältnisse, hielten sie ihre Ablehnung nicht weiter aufrecht, so dass Angola an der 31. Generalversammlung von 1976 Mitglied der UNO werden konnte 1 *.

Damit bleiben lediglich die Probleme einer allfälligen Mitgliedschaft Vietnams und der beiden Korea übrig2'.

Die vermehrte Aufnahme von Ländern mit sehr kleinem Staatsgebiet und geringer Bevölkerungszahl hat gezeigt, dass die Vereinigten Staaten ihre traditionelle Zurückhaltung gegenüber einer Vollmitgliedschaft von Kleinststaaten aufgegeben haben. Inwieweit dies Auswirkungen auf die europäischen Kleinststaaten haben wird, die ihre Zusammenarbeit mit den Vereinten Nationen - namentlich auch nach ihrer Mitwirkung als gleichberechtigte Mitglieder an der Europäischen Konferenz über Sicherheit und Zusammenarbeit - neu überdenken könnten, bleibt abzuwarten.

b.

Universalität und Entkolonisierung

Die beträchtliche Zunahme der Mitgliederzahl der Vereinten Nationen in den vergangenen Jahren ist vor allem eine Folge des Entkolonisierungsprozesses, der von der UNO entscheidend gefördert worden und jetzt nahezu abgeschlossen ist 3 '.

Nach dem Regimewechsel in Portugal im April 1974 nahm die neue Regierung mit den Freiheitsbewegungen in den portugiesischen Kolonien Verhandlungen auf und entliess nacheinander Guinea-Bissau, Kap Verde, Moçambique, Sao Tome und Principe sowie Angola in die Unabhängigkeit. Ausser Angola wurden alle diese neuen Staaten praktisch automatisch in die UNO aufgenommen 4 '.

Auch die ehemalige französische Kolonie der Komoren, die frühere niederländische Kolonie Surinam, die frühere britische Kolonie der Seychellen, und das ehemals von Australien verwaltete Treuhandschaftsgebiet der UNO, Papua-Neuguinea, erlangten nach ihrer Unabhängigkeit unverzüglich die Mitgliedschaft bei den Vereinten Nationen.

Heute bleibt der für die Entkolonisierung zuständige Ausschuss der UNO hauptsächlich mit den Problemen von Rhodesien, Namibia, Osttimor und der Westsahara befasst. Namentlich in der Rhodesienfrage werden innerhalb und ausserhalb der UNO grosse Anstrengungen unternommen, um zu einer Lösung zu gelangen.

" Resolution 31/44 vom I.Dezember 1976.

2> Die Vereinigten Staaten haben ihre Opposition gegen die Aufnahme Vietnams aufge· geben, so dass der Mitgliedschaft dieses Landes in der UNO nichts mehr im Wege steht.

3) Vgl. dazu auch die Einführung zum Bericht des Generalsekretärs der Vereinten Nationen über die Arbeit der Organisation vom 31. August 1976 (U. N. Doc. A/31/1/ Add. 1).

4> Zu Angola unsere Ausführungen unter Kapitel II, Ziffer l Buchstabe a.

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c.

Einschränkungen der Universalität

Das Bestreben, die UNO weltumfassend zu gestalten und bei der Aufnahme neuer Mitglieder praktisch einzig das Kriterium der Staatlichkeit zu berücksichtigen, wobei die Politik der Kandidaten in der Regel nicht zur Diskussion steht, bildet einen gewissen Gegensatz zur Tendenz, einzelne Mitglieder aus politischen Gründen zu suspendieren oder auszuschliessen. Die Charta umschreibt die Voraussetzungen für eine Suspensierung oder einen Ausschluss genau. Artikel 5 sieht den zeitweiligen Entzug der Rechte und Vorrechte eines Mitgliedstaates vor, wenn der Sicherheitsrat Vorbeugungs- oder Zwangsmassnahmen gegen ihn getroffen hat. Gemäss Artikel 6 kann ein Mitglied aus der UNO ausgeschlossen werden, wenn es die Grundsätze der Charta beharrlich verletzt. In beiden Fällen ist eine Empfehlung des Sicherheitsrates notwendig, die dem Vetorecht seiner ständigen Mitglieder unterliegt.

Die Frage der Suspendierung oder des Ausschlusses hat die Vereinten Nationen im Zusammenhang mit Südafrika und - am Rande - mit Israel beschäftigt.

Schon seit einigen Jahren sind in der UNO Bemühungen im Gange, Massnahmen gegen Südafrika durchzusetzen. 1970 war erstmals versucht worden, bei der Prüfung der Vollmachten die Ablehnung der Akkreditierung Südafrikas zu erreichen.

Ohne einen entsprechenden Kommissionsantrag hatte die Generalversammlung in einem Zusatz beschlossen, alle Vollmachten mit Ausnahme jener der südafrikanischen Delegation anzuerkennen. Aufgrund eines Gutachtens des Rechtsberaters des Generalsekretärs1' stellte der damalige Präsident der Generalversammlung, der Norweger Edvard Hambro, fest, der Zusatz bedeute seines Erachtens nicht, dass die südafrikanische Delegation keinen Sitz in der Versammlung mehr habe.

Dieses «Hambro Ruling» wurde von seinen Nachfolgern jeweils bestätigt.

An der 29. Generalversammlung von 1974, die unter der Präsidentschaft des algerischen Aussenministers stand, änderte sich diese Politik. Die Vollmachtenprüfungskommission stellte diesmal selbst den Antrag, alle Vollmachten ausser jener der südafrikanischen Delegation anzuerkennen. Die Generalversammlung stimmte erwartungsgemäss zu 2) . Ihr Präsident gab diesem Beschluss jedoch eine andere Interpretation als seine Vorgänger, indem er, gestützt auf die Geschäftsordnung, erklärte, die Generalversammlung schliesse die südafrikanische Delegation
von der Teilnahme an der laufenden Session aus. Gleichzeitig ersuchte die Generalversammlung auch den Sicherheitsrat, die Beziehungen zwischen Südafrika und der UNO im Lichte von Artikel 6 der Charta zu prüfen 3 '. Am 30. Oktober 1974 wurde im Sicherheitsrat ein Resolutionsentwurf, welcher der Generalversammlung den Ausschluss Südafrikas empfahl, mit dem Veto der Ver-D U.M. Doc. A/8160 (XXV).

Resolution 3206 (XXIX) vom 30. September 1974.

« Resolution 3207 (XXIX) vom 30. September 1974.

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einigten Staaten, Frankreichs und Grossbritanniens abgelehnt". Daraufhin beschloss die Generalversammlung, den Entscheid ihres Präsidenten aufrechtzuerhalten 2 >. In der Folge hat Südafrika auch weder an den Arbeiten der 30. noch der 31. Generalversammlung mitgewirkt, ohne jedoch seine Mitgliedschaft verloren zu haben.

Es ist offensichtlich, dass die Generalversammlung mit ihrem Vorgehen gegen Südafrika die Artikel 5 und 6 der Charta umgangen hat. Mit Recht ist immer wieder darauf hingewiesen worden, dass, gleichgültig welche Haltung man gegenüber der Politik Südafrikas einnehme, die Ausschaltung des in der Charta vorgesehenen Ausschlussverfahrens und die Hinderung eines Mitgliedes an der Ausübung seiner Rechte mittels der Geschäftsordnung der Generalversammlung rechtlich unzulässig sei.

1974 und 1975 wurde von einer Gruppe von Staaten eine Initiative erwogen, welche Israel ähnlich wie Südafrika von der Mitwirkung in der Generalversammlung ausschliessen sollte. In der Folge ist jedoch kein solcher Vorstoss unternommen worden.

2.

Universalität der Aufgaben

a.

Ausdehnung des Tätigkeitsbereichs der UNO

Parallel zur Zunahme der Mitgliederzahl hat sich auch im Sinne der Maxime der UNO, ein Mittelpunkt zu sein, in dem die Bemühungen der Nationen zur Verwirklichung der gemeinsamen Ziele aufeinander abgestimmt werden 3 >, das Tätigkeitsfeld der Vereinten Nationen beträchtlich erweitert. Vor allem seit der Krise von 1973 hat sich die Tendenz verstärkt, die grossen Probleme der Staatengemeinschaft multilateral im Rahmen der Weltorganisation einer Lösung entgegenzuführen. Das wachsende Bewusstsein der Interdependenz der einzelnen Staaten, der Verflechtung der verschiedenen politischen, wirtschaftlichen und technischen Probleme unserer Zeit sowie das Bedürfnis vieler Länder, alle sie betreffenden Fragen vor das Forum der Vereinten Nationen zu bringen, wo ihre Stimme Gewicht hat, haben diese Entwicklung gefördert. Heute erstrecken sich die Bestrebungen der UNO in zunehmendem Masse auf wirtschaftliche und technische Fragen, auf Probleme der Menschenrechte, des Umweltschutzes, der humanitären Hilfe und gewinnen immer mehr einen globalen Charakter. Besonders eindrücklich zeigt sich diese Evolution - zum Teil als direkte Folge des Entkolonisierungsprozesses - im wirtschaftlichen und sozialen Bereich.

" Schreiben des Präsidenten des Sicherheitsrates an den Präsidenten der Generalversammlung vom 31. Oktober 1974 (U. N. Doc. A/9847).

Beschluss der Generalversammlung zu Tagesordnungspunkts vom 12. November 1974.

3) Artikel l Ziffer 4 der Charta.

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824 Die UNO befasst sich nicht erschöpfend mit allen diesen Fragen. Ihre Beschlüsse sind auch - mit Ausnahme jener des Sicherheitsrates - nicht im rechtlichen Sinne verpflichtend. Aber sie trifft Grundsatzentscheidungen, die nachher für das ganze System der Vereinten Nationen richtungsweisend werden und beschafft, oftmals in Zusammenarbeit mit den Mitgliedstaaten, die erforderlichen statistischen und dokumentarischen Unterlagen. So ist ihr ein massgebender Einfluss auf die Auswahl der zu behandelnden Probleme und die Art und Weise, wie diese in den andern Gremien der Vereinten Nationen an die Hand genommen werden, gesichert.

b.

Formen der Einflussnahme der UNO-

Die Einflussnahme der UNO auf den Entscheidungsprozess in der Staatengemeinschaft vollzieht sich auf verschiedenen Ebenen. Die wichtigste Instanz ist die Generalversammlung. Von ihr gehen die meisten Initiativen aus, bestimmte Probleme aufzugreifen ; sie erarbeitet neue Konzeptionen auf zahlreichen Gebieten ; sie entscheidet darüber, welche andern Gremien des Systems der Vereinten Nationen mit der Detailbehandlung dieser Fragen befasst werden sollen. Die gegenwärtig vordringlichsten Probleme der internationalen Wirtschaftsbeziehungen, die sich auf alle andern Bereiche der weltweiten Zusammenarbeit auswirken, hat sie selbst in zwei Sondersessionen erörtert. An der 6. und der 7. ausserordentlichen Generalversammlung vom April/Mai 1974 und vom September 1975 hat sie auf Betreiben der Staaten der Dritten Welt nach Möglichkeiten gesucht, das bestehende Wirtschaftssystem durch ein solches zu ersetzen, das die wachsenden Unterschiede zwischen Arm und Reich ausgleicht. So verabschiedete die Generalversammlung trotz zahlreicher Vorbehalte von seilen der Industriestaaten eine Erklärung und ein Aktionsprogramm für eine neue Weltwirtschaftsordnung sowie eine Charta der wirtschaftlichen Rechte und Pflichten der Staaten. Dies führte zu einer gewissen Verschlechterung des Klimas zwischen Industriestaaten und Entwicklungsländern. Indessen herrschte an der 7. ausserordentlichen Generalversammlung erneut ein ausgeprägter Wille zur Zusammenarbeit, womit der Weg für einen umfassenden wirtschaftlichen Dialog zwischen diesen Ländergruppen offen

Zur Behandlung ausgewählter grosser Themen unserer Zeit werden ferner regelmässig spezielle Konferenzen der Vereinten Nationen einberufen, an denen bisher alle Staaten, auch Nichtmitglieder der UNO, teilnehmen konnten. So fanden 1972 eine Umweltskonferenz in Stockholm, 1974 eine Bevölkerungskonferenz in Bukarest und eine Welternährungskonferenz in Rom, 1975 eine Konferenz zum Internationalen Jahr der Frau in Mexico City und 1976 eine Konferenz über menschliches Siedlungswesen (HABITAT) in Vancouver statt'). Die Abhaltung solcher Konferenzen wird von der Generalversammlung beschlossen. Ihr muss auch über den Verlauf und das Ergebnis berichtet werden, und sie bestimmt über die Weiterführung der Arbeiten im Rahmen der Vereinten Nationen.

» Zu diesen Konferenzen unsere Ausführungen unter den entsprechenden Sachgebieten.

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Konferenzen werden auch regelmässig der Kodifizierung des Völkerrechts gewidmet. So hat 1973 die diplomatische Seerechtskonferenz begonnen, die bis heute noch nicht abgeschlossen ist. Ferner verabschiedete die 1975 nach Wien einberufene diplomatische Konferenz eine Konvention über die Beziehungen zwischen den Staaten und den internationalen Organisationen. Meistens bilden solche Konferenzen lediglich die Schlussphase bei der Ausarbeitung von internationalen Übereinkommen. Die Vorarbeiten werden in diesem Falle von der Völkerrechtskommission der Vereinten Nationen und von der Generalversammlung, namentlich deren 6. Kommission, geleistet".

Schliesslich wirkt die UNO direkt oder indirekt auf Konferenzen ein, die ausserhalb ihres Systems abgehalten werden. Die Universalität der UNO bedingt, dass in ihrem Rahmen alle Staaten und Staatengruppen ihre Interessen vertreten. Finden sie sich ausserhalb der Vereinten Nationen in andern Gremien wieder, verteidigen sie dort ähnliche Positionen und lassen die in der Weltorganisation gefassten Beschlüsse nicht ausser acht. Besonders deutlich zeigte sich dieses Phänomen an der Pariser Konferenz über Internationale Wirtschaftszusammenarbeit (KIWZ). Die dort den acht Vertretern der Industriestaaten gegenüberstehenden neunzehn Entwicklungsländer handelten aufgrund eines Mandats der Gesamtheit der Entwicklungsländer und verfochten Verhandlungspositionen, die auf der Erklärung und dem Aktionsprogramm für eine neue Weltwirtschaftsordnung, der Charta der wirtschaftlichen Rechte und Pflichten der Staaten sowie den Beschlüssen und Empfehlungen der 7. ausserordentlichen Generalversammlung basierten.

Zwischen der KIWZ und der UNO bestanden daher in beiden Richtungen enge Beziehungen. Wohl kommt der Tatsache, dass die Generalversammlung die KIWZ zur Berichterstattung über die erzielten Fortschritte eingeladen hat, rein formelle Bedeutung zu. Die Verbindung trat aber klar zutage, sobald die einzelnen Themen - abgesehen von den Energiefragen, die in der UNO nicht behandelt werden - zur Sprache kamen: Rohstoffe, Entwicklung, Finanzfragen, die auch im Rahmen der Vereinten Nationen zwischen den gleichen Ländergruppen diskutiert werden.

Die im September 1973 mit der «Erklärung von Tokio» eröffneten multilateralen Handelsverhandlungen im Rahmen des GATT stehen ebenfalls in einem
sachlichen Zusammenhang mit der in der UNO angestrebten Neuordnung der Weltwirtschaftsbeziehungen. Ferner bilden die Beschlüsse der UNO an den Konferenzen der blockfreien Staaten den Rahmen. So haben diese Staaten an ihrer 5. Gipfelkonferenz im August 1976 in Colombo beispielsweise ihren Willen bestätigt, gewisse Punkte der «Neuen Weltwirtschaftsordnung» untereinander in Kraft zu setzen, wenn sich ihre Verwirklichung in Zusammenarbeit mit den Industriestaaten als unmöglich herausstellen sollte. An solchen Konferenzen werden auch Positionen erarbeitet, die dann innerhalb der UNO eine gemeinsame Stellungnahme zu gewissen Problemen erlauben.

" Unsere Ausführungen unter Kapitel III Ziffer! Buchstabe a.

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3.

Friedenserhaltende Aktionen der UNO

Wie wir schon früher ausgeführt haben", hat der Sicherheitsrat bis heute keine militärischen Zwangsmassnahmen im Sinne der Bestimmungen des Kapitels VII der Charta der Vereinten Nationen beschlossen. Der Generalsekretär der UNO hat in der Einleitung zu seinem Bericht an die 30. Generalversammlung erneut bestätigt, dass auch in Zukunft kaum solche Massnahmen zu erwarten seien2'.

An ihrer Stelle hat die UNO schon seit Jahren in der Praxis mit dem Einsatz von Beobachtern, Untersuchungskommissionen, Vermittlern und Friedenstruppen ein neues System der Friedenssicherung entwickelt, wobei als friedenserhaltende Aktionen im engeren Sinne nur die Entsendung von bewaffneten Blauhelmen zu verstehen sind. Bisher sind solche Truppen im Mittleren Osten, im Kongo und in Zypern eingesetzt worden 3 '. Sie haben nicht den Auftrag, mit Waffengewalt gegen einen als Angreifer verurteilten Staat vorzugehen, sondern kontrollieren Demarkationslinien, trennen in Feindseligkeiten verwickelte Streitkräfte, greifen bei Zwischenfällen ein, übernehmen Verwaltungs- und Hilfeleistungen an die Bevölkerung und sorgen unter Umständen für die Wiederherstellung und Aufrechterhaltung von Ruhe und Ordnung im Innern eines Staates4'. Friedenserhaltende Aktionen sind in dieser Form nicht in der Charta verankert. Bis jetzt ist jede Operation auf einer Ad-hoc-Basis organisiert worden, wobei sich allerdings gewisse gemeinsame Kriterien herausgebildet haben. So unterscheiden sich die friedenserhaltenden Aktionen von den militärischen Sanktionen des Kapitels VII der Charta vor allem dadurch, dass sie weder zwingend noch obligatorisch sind. Sie können nur auf Einladung oder zumindest mit Zustimmung des Gastlandes und der übrigen Konfliktsparteien durchgeführt werden und auferlegen den Mitgliedstaaten keine Verpflichtung, Truppen zur Verfügung zu stellen.

Die Rechtmässigkeit der friedenserhaltenden Aktionen ist unter den Mitgliedern der UNO nicht unbestritten. Dabei stehen zwei Fragen im Vordergrund. Einmal herrscht Uneinigkeit darüber, ob der Sicherheitsrat die ausschliessliche Befugnis habe, eine solche Aktion zu beschliessen oder ob auch der Generalversammlung eine subsidiäre Kompetenz zukomme51. Zum zweiten ist umstritten, ob diese Operationen aus dem ordentlichen Budget der Vereinten Nationen oder auf an-

» Unser Bericht von 1969, BEI 1969 I 1465.'

Officiai Records of thè General Assembly, Thirtieth Session, Supplement No. l A (U. N. Doc. A/10001/Add. 1).

3 > Für die einzelnen Friedenstruppen der UNO vgl. unsere Ausführungen unter Kapitel III Ziffer l Buchstabe a.

4 > Wildhaber Luzius, Beteiligung an friedenserhaltenden Aktionen, in Handbuch der schweizerischen Aussenpolitik, Schriftenreihe der Schweizerischen Gesellschaft für Aussenpolitik, Nr. 2 (1975), S. 583 ff. und die dort zitierte Literatur.

5) Der Internationale Gerichtshof war in seinem Gutachten über «Certaines Dépenses des Nations Unies (art. 17, par. 2, de la Charte)» vom 20. Juli 1962, Recueil 1962, S. 151, der Ansicht, dass die Generalversammlung durch Empfehlung die Aufstellung von Friedenstruppen beschliessen könne.

21

827

dere Weise finanziert werden müssen». Bekanntlich hatte 1960 die Frage der Finanzierung der UNO-Truppen im Kongo eine der grössten Finanzkrisen der Organisation ausgelöst.

Auf dem Höhepunkt dieser Krise schuf die Generalversammlung 1965 den Spezialausschuss für friedenserhaltende Aktionen («Ausschuss der 33») und erteilte ihm den Auftrag, eine umfassende Studie über alle Aspekte der friedenserhaltenden Aktionen zu erstellen2). Der Ausschuss trat seither mehrmals zur Beratung der institutionellen und finanziellen Probleme dieser Aktionen zusammen und berichtete der Generalversammlung regelmässig über seine Arbeit. In seinem 8. Bericht, der am 31. Oktober 1974 von der Generalversammlung genehmigt wurde3', unterbreitete er einen Entwurf von Direktiven für die friedenserhaltenden Aktionen.

Grundidee dieser Richtlinien ist die Verstärkung der Kompetenz des Sicherheitsrates auf dem Gebiet der Friedenserhaltung. Ihm steht die Oberaufsicht über Errichtung, Führung und Kontrolle der Operationen zu. Er ist folglich verantwortlich für deren Schaffung, Dauer und Finanzierung sowie für das Mandat und die Abkommen mit dem Gastland und den Staaten, welche Truppenkontingente zur Verfügung stellen. Der Generalsekretär, der bei den ersten friedenserhaltenden Aktionen über sehr weitgehende Kompetenzen und einen grossen Ermessensspielraum verfügte, übt seine Befugnisse nur noch im Rahmen der Resolutionen des Sicherheitsrates aus. Er ist - unter Aufsicht des Rates - Oberkommandierender und trägt die Verantwortung für die Durchführung des vom Rat erteilten Mandats. Das bedeutet, dass er jede Frage, welche die Natur des Mandats oder den Ablauf der Operation beeinflussen könnte, dem Sicherheitsrat unterbreiten muss.

Neben verschiedenen anderen Bedingungen verlangt der Entwurf schliesslich eine Truppenstruktur, in der die nationalen Kontingente möglichst weit integriert sind, sowie bei der Zusammensetzung der Truppen die Beachtung des allgemein angenommenen Prinzips der angemessenen geographischen Verteilung. In seinen Grundzügen entspricht der Entwurf dem modernen Konzept der Vereinten Nationen für friedenserhaltende Aktionen, sind doch die beiden im Nachgang zum Oktober-Krieg von 1973 im Mittleren Osten geschaffenen Friedenstruppen UNEF II und UNDOF auf dieser Basis aufgestellt worden 4 '. Der «Ausschuss der 33»
befasst sich weiterhin mit der Überarbeitung dieses Entwurfs. In gewissen Punkten bestehen nach wie vor grundsätzliche Meinungsverschiedenheiten zwii) In seinem erwähnten Gutachten bezeichnete der Internationale Gerichtshof die Kosten dieser Operationen als Kosten der Vereinten Nationen und daher als Teil des von allen Mitgliedern der UNO getragenen Budgets gemäss Artikel 17 Absatz 2 der Charta.

2 ' Resolution 2206 (XIX) vom 18. Februar 1965. Für die Arbeiten dieses Ausschusses siehe insbesondere Ballaloud, L'ONU et les opérations de maintien de la paix, Paris 1971, S. 169 ff.

3' U. N. Doc. A/9827.

<»> U. N. Doc. S/11052/Rev. l vom 27. Oktober 1973 für die UNEF II und S/11563 vom 27. November 1974 für die UNDOF.

828

sehen den Grossmächten, ohne dass gegenwärtig der nötige politische Wille zu einem Kompromiss vorhanden zu sein scheint.

4.

Strukturelle Fragen der UNO

Die Wandlung der UNO hat sich bis heute innerhalb der Strukturen der Charta vollzogen. Verschiedene Mitgliedstaaten haben sich jedoch in den vergangenen Jahren die Frage gestellt, inwiefern diese Strukturen den neuen Realitäten angepasst werden sollten. So wurden parallel zueinander Initiativen zu einer möglichen Revision der Charta und zur Restrukturierung des wirtschaftlichen und sozialen Bereichs des Systems der Vereinten Nationen ergriffen.

a.

Revision der Charta

Die Charta kann gemäss ihrer Artikel 108 und 109 geändert werden. Bis heute sind nur zwei Änderungen zustande gekommen. Sie wurden aufgrund von Artikel 108 durchgeführt und betrafen die Erhöhung der Sitzzahlen im Sicherheitsrat von 11 auf 15 und im Wirtschafts- und Sozialrat (ECOSOC) zuerst von 18 auf 27 und später auf 54 Sitze1).

Gestützt auf Artikel 109 der Charta verabschiedete die 10. Generalversammlung von 1955 eine Resolution, die unter anderem vorsah, dass zu einem geeigneten Zeitpunkt eine allgemeine Konferenz zur Revision der Charta abgehalten werden sollte. Die Arbeiten eines eigens dafür geschaffenen Ausschusses verliefen aber allmählich im Sande, so dass 1967 keine Aufforderung zu ihrer Weiterführung mehr erfolgte. Auf Initiative Kolumbiens wurde die Frage 1969 wieder aufgenommen. An der 25. Generalversammlung von 1970 wurden die Mitgliedstaaten der UNO ersucht, dem Generalsekretär bis 1972 Revisionsvorschläge zu unterbreiten.

Später wurde die Frist bis 1974 verlängert.

Die 29. Generalversammlung von 1974 beschloss, für die Behandlung dieses Problemkreises einen Spezialausschuss zu schaffen2'. Die Aufgabe dieses «Spezialausschusses für die Charta der Vereinten Nationen und die Stärkung der Rolle der Organisation» besteht namentlich darin, die von den Mitgliedstaaten eingegangenen Revisionsvorschläge zu sichten und jene Themen für eine vorrangige Prüfung auszusondern, bei denen am ehesten allgemeine Übereinstimmung erzielt werden kann 3 '. Der Ausschuss tagte erstmals im August 1975 und wieder im Frühjahr 1976 in New York und hat einen ersten Bericht erstellt41.

D Die zweite Erhöhung der Sitzzahlen des ECOSOC wurde mit Resolution 2847 (XXVI) vom 20. Dezember 1971 beschlossen.

» Resolution 3349 (XXIX) vom 17. Dezember 1974.

3) Resolution 3499 (XXX) vom 15. Dezember 1975. Die Vorschläge der Mitgliedstaaten wurden in einer analytischen Studie des Generalsekretärs, U. N. Doc. A/AC.182/L.2 vom 2. März 1976, zusammengefasst.

4) Supplement No. 33 (U. N. Doc. A/31/33).

829

Einig sind sich danach die meisten Staaten, dass die UNO eines der wichtigsten Instrumente der Völkergemeinschaft zur Lösung internationaler Probleme darstellt. Obwohl sie in der Vergangenheit auf den Gebieten der Friedenserhaltung, der Entkolonisierung, der Kodifizierung des Völkerrechts anerkennenswerte Verdienste errungen habe, habe sie doch entscheidende Probleme unserer Zeit nicht lösen können. Ob dies aber eine Revision der Charta rechtfertige, darüber gehen die Meinungen der Mitglieder auseinander. Die 'Gründer der Organisation, vor allem die ständigen Mitglieder des Sicherheitsrates, widersetzen sich einer strukturellen Änderung der Vereinten Nationen. Ihrer Ansicht nach müssten sich die Bemühungen um eine Verstärkung der Rolle der UNO auf die strikte Einhaltung der Charta und der ihr innewohnenden Prinzipien erstrecken. Dagegen sind es vor allem die jüngeren Mitglieder der UNO, die im Sinne einer «Demokratisierung» unter Hinweis auf die politischen Veränderungen seit 1945 gewisse Revisionen anstreben.

Die institutionellen Änderungsvorschläge betreffen hauptsächlich den Sicherheitsund den Treuhandschaftsrat, die materiellen das System der Friedenserhaltung, die friedliche Regelung von Streitfällen, Wirtschafts- und Sozialfragen sowie Probleme der Universalität.

Im Vordergrund des Interesses stehen die allfällige Revision der Bestimmungen über den Sicherheitsrat, namentlich Fragen seiner Zusammensetzung und des Vetorechts der ständigen Ratsmitglieder. Einige Staaten schlagen eine beschränkte Erhöhung der Mitgliederzahl des Rats und eine gewichtigere Beteiligung der Entwicklungsländer, insbesondere der blockfreien Staaten, vor. Das in Artikel 23 der Charta verankerte Prinzip der ständigen Mitgliedschaft wird vielfach als gegen die souveräne Gleichheit der Staaten verstossend erachtet. Entweder soll es gänzlich abgeschafft oder die Zahl der ständigen Mitglieder so erhöht werden, dass die fünf wichtigsten Regionen der Welt angemessen vertreten sind.

Entsprechend wird von verschiedenen Staaten verlangt, das Vetorecht der ständigen Mitglieder aufzuheben oder es zumindest nur unter der Bedingung beizubehalten, dass der Kreis der ständigen Mitglieder erweitert wird.

Als weiteres Hauptorgan der UNO steht der Treuhandschaftsrat zur Diskussion.

Nachdem der Entkolonisierungsprozess bis auf wenige
Einzelfälle abgeschlossen ist und fast alle früheren Treuhandschaftsgebiete ihre Unabhängigkeit erlangt haben, ist dieser Rat praktisch arbeitslos geworden. Er könnte entweder aufgehoben oder umstrukturiert und mit neuen Aufgaben wie Fragen der Menschenrechte, insbesondere der Rassendiskriminierung, betraut werden.

Auf dem Gebiet der Friedenserhaltung wird vor allem darauf gedrängt, die UNO sollte sich energischer für die Beendigung des Wettrüstens einsetzen und den Grundsatz der Abrüstung in der Charta verankern. Ferner wird vereinzelt die alte Anregung wieder aufgenommen, die friedenserhaltenden Aktionen mit einer klaren Kompetenzausscheidung zwischen dem Sicherheitsrat und der Generalversammlung in die Charta aufzunehmen.

830

Allgemein herrscht allerdings die Meinung vor, die heutige Ad-hoc-Form der Aktionen sei den Realitäten angemessen.

Eine Anzahl von Staaten haben sich erneut zum Prinzip der friedlichen Regelung von Streitigkeiten bekannt. Die Instrumente der friedlichen Streiterledigung sollten nach Ansicht gewisser Staaten nicht nur der Schlichtung politischer Konflikte dienen, sondern auch bei Streitigkeiten im Zusammenhang mit der wirtschaftlichen Entwicklung und dem technischen Fortschritt eingesetzt werden. Eine institutionelle Verbesserung auf diesem Gebiet könnte entweder die Schaffung einer Vermittlungs- und Schiedskommission oder den Ausbau der Funktionen des Internationalen Gerichtshofs bringen.

Im wirtschaftlichen und sozialen Bereich hat die Rolle der Vereinten Nationen in den letzten Jahren an Bedeutung gewonnen. Für viele Staaten bietet die Charta keine genügende Grundlage für diese Entwicklung. Sie fordern daher, dass die Grundsätze der neuen Weltwirtschaftsordnung und die wichtigsten Elemente der Charta der wirtschaftlichen Rechte und Pflichten der Staaten der Charta der UNO einverleibt werden. Andere Staaten halten diesem Vorschlag allerdings entgegen, die Idee der kollektiven wirtschaftlichen Sicherheit finde sich bereits heute in der Charta. Die Ergebnisse der 6. und der 7. ausserordentlichen Generalversammlung basierten auf ihr und könnten in ihrem Rahmen weitergeführt werden.

Die Mehrzahl der Staaten setzt sich für eine Stärkung der Rolle des ECOSOC ein, dem seit der Gründung anderer wirtschaftlicher Organe wichtige Funktionen praktisch entzogen worden sind. Seine Aufgaben sollten vermehrt auf die Koordinierung innerhalb des Systems der Vereinten Nationen ausgerichtet sein.

Ferner liegt ein Vorschlag vor, das ganze Gebiet der Menschenrechte einem neuen Hauptorgan, dem Menschenrechtsrat, zu übertragen. Entweder könnte die heutige Menschenrechtskommission entsprechend aufgewertet oder - wie erwähnt der Treuhandschaftsrat mit diesen Funktionen betraut werden.

Die Universalität der Organisation wird als wichtiges Prinzip hervorgehoben. Bei der Aufnahme eines neuen Mitgliedes sollte nach Meinung zahlreicher Staaten einzig auf dessen Staatlichkeit abgestellt und auf das Kriterium des «friedliebenden» Staates verzichtet werden. Auch sollte unter Ausschluss des Vetorechts eine Zweidrittelmehrheit
des Sicherheitsrates und der Generalversammlung für den Aufnahmebeschluss genügen.

Einige Bestimmungen der Charta sind überholt und könnten aufgehoben werden.

Dazu gehören die «Feindstaatenklausel» der Artikel 53 und 107 sowie die Artikel 106 und 109 Absatz 3.

Die Diskussion im Ausschuss drehte sich bisher vor allem um die Frage, ob die anerkanntermassen notwendigen Reformen der Organisation innerhalb der

831

Charta vollzogen werden könnten oder ob sich eine Revision aufdränge. Die Bedenken sind nicht unberechtigt, dass eine Revision die Fronten verhärten könnte.

Da die gewichtigsten Änderungsvorschläge die Rechte der Grossmächte beschneiden möchten und jede Revision von deren Zustimmung als ständige Mitglieder abhängt, scheint es fraglich, ob eine Revision der gesamten Charta in absehbarer Zeit an die Hand genommen wird.

b.

Restrukturierung der wirtschaftlichen und sozialen Bereiche des Systems der Vereinten Nationen

Im Laufe der Jahre haben die Institutionen der Vereinten Nationen im Wirtschafts- und Sozialbereich einen immer komplexeren Mechanismus der Zusammenarbeit entwickelt. Eine Expertengruppe der UNO hat dessen Mängel untersucht und eine Reihe von weitreichenden Verbesserungsvorschlägen gemacht.

Aufgrund dieser Untersuchung beschloss die 7. ausserordentliche Generalversammlung') im September 1975, eine Ad-hoc-Kommission für die Restrukturierung des wirtschaftlichen und des sozialen Bereichs des Systems der Vereinten Nationen einzusetzen. Die Kommission erhielt den Auftrag, der Generalversammlung geeignete Vorschläge für die Verbesserung des Systems zu unterbreiten, um so eine wirksame Behandlung der Probleme der Entwicklung und der internationalen wirtschaftlichen Zusammenarbeit, insbesondere im Hinblick auf eine neue Weltwirtschaftsordnung, zu erreichen.

Die Ad-hoc-Kommission, an deren Arbeiten sich die Schweiz als Vollmitglied beteiligen kann, hat seit ihrer Schaffung vier Sessionen abgehalten. Der schweizerische Beobachter hat den Standpunkt unseres Landes wiederholt dargelegt und unser grosses Interesse an den Rationalisierungsanstrengungen zum Ausdruck gebracht. Ziel dieser Anstrengungen ist die Stärkung der Rolle der Hauptorgane der UNO, was für einen Nichtmitgliedstaat nicht unproblematisch ist. Einige der Kommission unterbreitete Vorschläge sehen eine Ausdehnung der Zuständigkeit der Generalversammlung und des ECOSOC vor; ferner sollen diesen Organen Entscheidungsbefugnisse übertragen werden, welche die Verteidigung unserer Interessen möglicherweise erschweren. Dies gilt auch für den Vorschlag, verschiedene Fonds - an welche die Schweiz freiwillige Beiträge zahlt - zu einem einzigen Fonds zusammenzufassen, in dessen Aufsichtsorgan unser Land nicht unbedingt vertreten wäre.

Der Umfang der Aufgaben der Kommission, die Vielschichtigkeit der zu behandelnden Probleme und die Schwierigkeit, die Implikationen der eingereichten Reformvorschläge abzuschätzen, sind der Grund dafür, dass die Arbeiten noch eine gewisse Zeit in Anspruch nehmen werden. Die Schweiz wird weiterhin aktiv daran teilnehmen.

» Resolution 3362 (S-VII) vom 16. September 1975.

832

5: a.

Rolle der Hauptorgane der UNO Generalversammlung i. Die durch den Entkolonisierungsprozess bedingte rasche Zunahme der Mitgliederzahl der Vereinten Nationen hat in der Generalversammlung die bereits in unsern früheren Berichten') angedeutete Verschiebung der Mehrheit von den westlichen Staaten auf die Länder der Dritten Welt fortgesetzt. Bekanntlich verfügt in der Generalversammlung jeder Mitgliedstaat, unabhängig von seiner Bedeutung, über eine Stimme2'. Die Entwicklungsländer nutzen ihre numerische Stärke, um, teilweise unterstützt von den sozialistischen Staaten, ihre Forderungen geltend zu machen. Im politischen Bereich zeigt sich diese neue Mehrheit vor allem in Zusammenhang mit dem südlichen Afrika und dem Mittleren Osten. Auch bei wirtschaftlichen und Entwicklungsfragen behauptet sie sich regelmässig. Allerdings ist diese Mehrheit nicht bei allen Abstimmungen gleich durchschlagend. Immer häufiger kann auch bei Entwicklungsländern in manchen Fällen eine differenzierte Stellungnahme beobachtet werden3'. Bei gewissen Problemen namentlich politischer Art können unter Umständen ernsthafte Meinungsverschiedenheiten unter ihnen bestehen. Dies ist besonders deutlich an der 30. Generalversammlung von 1975 bei den Diskussionen über Korea und über die Westsahara zum Ausdruck gekommen4'.

Die Nutzung vorhandener Mehrheitsverhältnisse ist an sich durchaus legitim. In der UNO hat die Mehrheit der Entwicklungsländer mit ihren Initiativen den Entkolonisierungsprozess beschleunigt und der Welt eine Reihe vordringlicher Probleme dieser Länder erst richtig bewusstgemacht. Sicher ist auch manchmal die durch das zahlenmässige Übergewicht verliehene Macht missbraucht worden, was regelmässig zu Konfrontationen mit andern Gruppierungen der Vereinten Nationen, namentlich den westlichen Staaten, geführt hat.

In letzter Zeit scheint sich aber eine Abkehr von dieser Konfrontation anzubahnen5'. Es hat sich erwiesen, dass die tatsächliche Mehrheit zwar für das Resultat einer Abstimmung entscheidend ist, dass aber für die Verwirklichung der Postulate auch andere Elemente wesentlich sind.

» Unsere Berichte von 1969, BB1 1969 I'1559fr, und von 1971, BB1 1972 I 3.

Artikel 2 Ziffer l in Verbindung mit Artikel 18 der Charta.

So fand beispielsweise die Resolution, welche den Zionismus dem Rassismus angleicht, bei weitem nicht die «automatische» Unterstützung der gesamten Dritten Welt. Dazu unsere Ausführungen unter Kapitel III Ziffer l Buchstabe c.

4) Vgl. dazu unsere Ausführungen unter Kapitel III Ziffer l Buchstaben b und / 51 In diesem Sinne auch die Einführung zum Bericht des Generalsekretärs über die Arbeit der Organisation vom 31. August 1976 (U. N. Doc. A/31/l/Add. 1).

2 ' 3>

833

So ist die Wirkung nicht zu unterschätzen, die eine geschlossene Ablehnung einer Resolution durch alle oder zumindest den überwiegenden Teil der westlichen Staaten ausübt. Die Resolutionen der Generalversammlung haben nach wie vor rechtlich nur empfehlenden Charakter. Damit sie in die Tat umgesetzt werden können, bedarf es nicht nur einer numerischen, sondern auch einer politisch entscheidenden Mehrheit, welche die Forderungen realisieren kann und will. Die Einsicht in diese Tatsache hat dazu geführt, dass in vermehrtem Masse statt einer Abstimmung ein Konsensus angestrebt wird. Konsensus bedingt aber Verhandlungen, das heisst Dialog zwischen den Gruppen < >.

ii. In der Berichtszeit hat die Generalversammlung eine neue Art von Teilnehmern zugelassen. Verschiedenen regionalen Organisationen wie den Europäischen Gemeinschaften, dem COMECON, der Arabischen Liga und der Organisation für Afrikanische Einheit (OAU) sowie den von der OAU und der Arabischen Liga anerkannten Befreiungsbewegungen hat sie den Beobachterstatus mit beschränkten Mitwirkungsrechten, jedoch ohne Stimmrecht verliehen2'. Besondere Beachtung fand die Zulassung der Organisation für die Befreiung Palästinas (PLO) als Beobachter an der 29. Generalversammlung von 1974.

Überhaupt hat sich in der Generalversammlung eine Tendenz herausgebildet, die von einem Problem direkt Betroffenen - ob es nun Mitglieder oder Nichtmitglieder der Organisation sind - anzuhören. So konnten sich an der 30. Generalversammlung von 1975 die damals noch bestehenden beiden Vietnam im Plenum zum Problem ihrer Mitgliedschaft äussern.

iii. Insgesamt hat die Generalversammlung im System der Vereinten Nationen immer mehr eine Führungsrolle übernommen. Dies gilt sowohl den andern Hauptorganen als auch den übrigen Organen und den SpezialOrganisationen gegenüber. Sie ist das einzige Hauptorgan, in welchem sämtliche Mitglieder der Organisation vertreten sind. Die Mehrheit dieser Mitglieder hat daher ein Interesse daran, ihre Rolle zu stärken. Dies äussert sich unter anderem auch in der vermehrten Abhaltung von ausserordentlichen Generalversammlungen zu besonders dringlichen Problemen. Ausserdem wird nach Methoden gesucht, den Beschlüssen der Generalversammlung mehr Nachachtung zu verschaffen. So wird die Durchsetzung bestimmter Resolutionen eigens D Diesem an sich
nützlichen Verfahren des Konsensus sind allerdings auch gewisse Grenzen gesetzt. Die Übereinstimmung der Parteien wird oft auf Kosten'der Klarheit und Präzision des Textes erreicht. Ausserdem erhalten die interpretierenden Erklärungen von Mitgliedern, die einzelne Vorbehalte anzubringen haben, manchmal ein solches Gewicht, dass das Hauptdokument beträchtlich an Bedeutung einbüsst. Vgl. dazu Monnier Jean, Observations sur quelques tendances récentes en matière de formation de la volonté sur le plan multilatéral, in Annuaire suisse de droit international, Bd. XXXI (1975), S. 31 ff.

2 > Vgl. dazu im einzelnen unsere Ausführungen unter Kapitel IV Ziffer 2 Buchstabe b.

834

dafür geschaffenen Spezialausschüssen anvertraut. So werden eine wachsende Zahl von Deklarationen zu gewissen Themen verabschiedet, von denen man sich grössere Auswirkungen verspricht.

b.

Sicherheitsrat

Der Sicherheitsrat musste sich wiederum mit zahlreichen Fällen befassen, die den Frieden und die Sicherheit gefährdeten. Die bedeutsamsten waren jene im Zusammenhang mit dem Konflikt im Mittleren Osten, der Zypernkrise, der indischpakistanischen Auseinandersetzung bei der Gründung des unabhängigen Staates Bangladesch sowie im Zusammenhang mit den Problemen in Rhodesien, Namibia, der Westsahara und Osttimor.

Die Charta hat dem Sicherheitsrat in Fragen des Friedens und der Sicherheit eine führende Rolle zugewiesen. Er kann in seinem Kompetenzbereich im Unterschied zur Generalversammlung Beschlüsse fassen, zu deren Durchführung die Mitglieder der UNO sich in der Charta verpflichtet haben. Es hat sich aber immer wieder gezeigt, dass die politischen Realitäten seinem Handeln Grenzen auferlegen.

Immerhin übt der Sicherheitsrat bei den zuletzt beschlossenen friedenserhaltenden Aktionen im Mittleren Osten, der 1973 erstellten UNEFII und der 1974 errichteten UNDOFD, in weitergehendem Masse als bei früheren derartigen Aktionen wieder als zentrales Organ Entscheidungs- und Kontrollbefugnisse aus, wie dies seiner eigentlichen Aufgabe der Friedenssicherung entspricht.

Die Durchsetzung seiner übrigen Beschlüsse ist hingegen zu keinem Zeitpunkt in befriedigender Weise gelungen, weil sie nicht erzwingbar ist. So bleibt die Diskrepanz zwischen den einmütig oder nahezu einmütig gefassten Beschlüssen und ihrer praktischen Wirkung weiterhin erhalten.

Die neue Mehrheit bekämpft die Autorität des Sicherheitsrats in seiner heutigen Struktur, nach der die fünf Grossmächte je einen ständigen Sitz einnehmen und bei materiellen Beschlüssen ihr Veto einlegen können, und möchte auf Kosten des Rats vielmehr die Kompetenzen der Generalversammlung erweitern. Ausser den erwähnten, zurzeit eher aussichtslosen Revisionsbestrebungen2' versucht sie, den Sicherheitsrat bei bestimmten Fragen auf dem Verfahrenswege zu umgehen, wie dies im Falle Südafrikas mit Erfolg praktiziert worden ist3'.

Um so mehr beharren die westlichen Staaten auf der Vorrangstellung des Sicherheitsrats. Für sie ist er zu einem unentbehrlichen Regulativ für allzu extreme Beschlüsse der Generalversammlung geworden. Da sie auch im Sicherheitsrat mit '> Vgl. dazu unsere Ausführungen unter Kapitel II Ziffer 3 und Kapitel III Ziffer l Buchstabe a.

Dazu unsere Ausführungen unter Kapitel II Ziffer 4 Buchstabe a.

Dazu unsere Ausführungen unter Kapitel II Ziffer l Buchstabe a.

21 3)

835

der neuen Mehrheit konfrontiert sind, blockieren sie gewisse Entscheide des Rats öfter als früher mit ihrem Veto. So hat Frankreich seit Bestehen der UNO siebenmal sein Veto geltend gemacht, dreimal davon in der Berichtszeit. Auch Grossbritannien hat in derselben Zeitspanne acht von insgesamt 13 Vetos ausgesprochen.

Bei den Vereinigten Staaten von Amerika ist diese Tendenz noch offensichtlicher.

13 von insgesamt 14 Vetos haben sie zwischen 1972 und 1976 eingelegt. Dagegen fielen nur fünf von insgesamt 110 sowjetischen Vetos in die Berichtszeit.

c.

Wirtschafts- und Sozialrat (ECOSOC)

Dem ECOSOC kommt gemäss der Charta die Leitung und Koordinierung der Tätigkeit der UNO und ihrer SpezialOrganisationen auf wirtschaftlichem und sozialem Gebiet zu. Während der über dreissig Jahre seines Bestehens hat er diese Rolle kaum je voll ausschöpfen können. Von Anfang an waren seine Aufgaben nicht klar abgegrenzt gegenüber der 2. Kommission der Generalversammlung, die sich ebenfalls mit wirtschaftlichen Fragen befasst und deren Bedeutung mit der Aufwertung der Generalversammlung in den letzten Jahren gewachsen ist. Der Wirkungskreis des ECOSOC wurde aber auch eingeschränkt durch die Schaffung anderer Organe der Vereinten Nationen, die sich bestimmten Aspekten der internationalen Wirtschaftsprobleme widmen wie die UNCTAD oder die UNIDO.

Die zukunftsweisenden Initiativen auf wirtschaftlichem Gebiet gehen heute von der Generalversammlung und den spezialisierten Nebenorganen, nicht aber vom ECOSOC aus. Dieser hat auch kaum einen Einfluss auf ihre Verwirklichung und Weiterentwicklung, sondern beschränkt seine Tätigkeit immer mehr auf routinemässige Verwaltung. Sein konstruktiver Beitrag im Rahmen der Vereinten Nationen leitet sich aus der Aktivität seiner etwa dreissig Nebenorgane her, die sich ihrerseits mit einer ganzen Reihe von dringenden Spezialproblemen aus seinem Aufgabenkreis befassen und dort zum Teil zukunftsweisende Arbeit leisten.

Angesichts der Dringlichkeit und Komplexität der weltweiten Wirtschaftsprobleme haben die Mitglieder der UNO erkannt, dass die weite Streuung der Kompetenzen auf diesem Gebiet die Arbeit der UNO eher hemmt als fördert. Sie unternehmen daher zurzeit den Versuch, den wirtschaftlichen und sozialen Bereich der Vereinten Nationen neu zu strukturieren1'. Eine solche Reform muss unweigerlich auf eine Konzentration der internationalen Anstrengungen durch Straffung der Institutionen und Verbesserung der Koordinierung innerhalb des gesamten Systems abzielen. Im Rahmen eines solchen Konzepts bietet es sich an, die Rolle des ECOSOC zu stärken. Man denkt daran, seine Koordinationsfunktion wirksam auszubauen. Er müsste sich aber vor allem in die grossen heute anstehenden Probleme vertiefen und der Behandlung aktueller wirtschaftlicher und sozialer Grundsatzfragen den Vorrang einräumen.

" Dazu unsere Ausführungen unter Kapitel II Ziffer 4 Buchstabe i.

836

Einen ersten Schritt in der Verwirklichung von Reformbestrebungen hat der ECOSOC 1975 mit der Neufassung seiner Geschäftsordnung vollzogen, die eine Verbesserung und Rationalisierung der Arbeitsmethoden des Rates einführte. Gemäss dieser Neufassung haben auch Nichtmitgliedstaaten der UNO das Recht, in der Debatte das Wort zu ergreifen. Dies bedeutet für die Schweiz eine Verbesserung ihrer Stellung innerhalb dieses Organs.

d.

Treuhandschaftsrat

Nachdem Papua-Guinea die Unabhängigkeit erlangt hat, bleiben von den ehemals elf internationalen Treuhandschaftsgebieten nur noch die unter amerikanischer Verwaltung stehenden Pazifischen Inseln übrig'). Bedenkt man, dass die eigentlichen Entkolonisierungsprobleme in einem dafür zuständigen Spezialausschuss behandelt werden, so ist die Rolle des Treuhandschaftsrates heute sehr begrenzt. Die Frage wird in nicht allzu ferner Zukunft entschieden werden müssen, ob der Rat aufgelöst oder mit zusätzlichen Aufgaben betraut werden soll2'.

e.

Internationaler Gerichtshof (ICJ)

Seit unserem letzten Bericht wurde der Internationale Gerichtshof wiederum in verschiedenen Angelegenheiten um einen Entscheid oder ein Rechtsgutachten ersucht, wobei vor allem vier Fälle von einer gewissen politischen Tragweite sind.

Im Fischereistreit zwischen Grossbritannien und der Bundesrepublik Deutschland einerseits und Island anderseits stellte der Gerichtshof in seinem Entscheid vom 25. Juli 1974 fest, dass die isländische Regelung betreffend die Fischereigrenzen, welche die ausschliesslichen Fischereirechte einseitig auf fünfzig Seemeilen ausdehnte, einer völkerrechtlichen Grundlage entbehre und dass sie daher weder Grossbritannien noch der Bundesrepublik Deutschland entgegengehalten werden könne. Am 20. Dezember 1974 erklärte der Gerichtshof zwei von Australien und Neuseeland eingereichte Klagen für gegenstandslos, die darauf abzielten, die nuklearen Versuche Frankreichs im Südpazifik zu stoppen. Als Begründung wurde angeführt, Frankreich habe sich öffentlich verpflichtet, nach der Versuchsreihe von 1974 keine Nuklearexperimente in der Atmosphäre mehr durchzuführen. Am 16. Oktober 1975 erstattete der Gerichtshof ein Rechtsgutachten in der Angelegenheit der spanischen Sahara. Darin vertrat er die Auffassung, dass die spanische Sahara zum Zeitpunkt der Kolonisierung durch Spanien kein herrenloses Gebiet (terra nullius) gewesen sei. Rechtliche Bindungen an das Königreich " Mikronesien wurde 1947 durch ein Übereinkommen zwischen den Vereinigten Staaten und dem Sicherheitsrat als «strategische Zone» der Aufsicht des Sicherheitsrates unterstellt. Dieser hat aber 1947 die Überwachungskompetenz an den Treuhandschaftsrat delegiert, der ihm jährlich Bericht erstattet.

2 > Dazu unsere Ausführungen unter Kapitel II Ziffer 4 Buchstabe a.

837

Marokko hätten bestanden, die allerdings nicht als territoriale Hoheitsgewalt charakterisiert werden könnten. Schliesslich reichte Griechenland am 10. August 1976 beim Gerichtshof in der Streitfrage um die Erforschung und Nutzung des Festlandsockels im Ägäischen Meer Klage gegen die Türkei ein.

Weder Island noch Frankreich oder die Türkei haben an den sie betreffenden Verfahren vor dem Internationalen Gerichtshof teilgenommen.

Ausserdem kam der Gerichtshof in seinem Entscheid vom 18. August 1972 zum Schluss, dass der Rat der ICAO befugt sei, einen Rechtsstreit zwischen Indien und Pakistan zu entscheiden. Am 12. Juli 1973 schliesslich erstattete er ein Rechtsgutachten in der Angelegenheit des Gesuchs um Revision des Urteils Nr. 158 des Verwaltungsgerichts der Vereinten Nationen1).

Die geringe Anzahl von Fällen, die dem Gerichtshof unterbreitet worden sind, unterstreichen deutlich die Abkehr der Völkergemeinschaft von der rechtlichen Regelung zwischenstaatlicher Streitigkeiten, deren Gründe wir in unserem letzten Bericht dargelegt hatten 2 >. Mit der Revision der Verfahrensordnung des Gerichtshofs von 1972 sollte der Zugang zu diesem erleichtert werden, indem das Verfahren vereinfacht, die Möglichkeiten von ungerechtfertigten Kosten und Verzögerungen verringert und ein grösserer Einfluss der Ad-hoc-Kammern vorgesehen wurden. Diese Revision war zwar für die Arbeit des Gerichtshofs nützlich, konnte aber die Zurückhaltung der meisten Staaten gegenüber seiner Gerichtsbarkeit nicht abbauen.

Die an der 25. Generalversammlung von 1970 in Angriff genommene Überprüfung der Rolle des Gerichtshofs führte 1974 zur Verabschiedung einer Resolution durch die 29. Generalversammlung3). Diese Resolution erinnert daran, dass die Anrufung des Gerichtshofs keinen unfreundlichen Akt gegen einen Staat bedeute.

Sie ersucht die Staaten, Möglichkeiten einer häufigeren Inanspruchnahme des Gerichtshofs abzuklären, und empfiehlt den Organen und SpezialOrganisationen der Vereinten Nationen, die Zweckmässigkeit einer vermehrten Gutachtertätigkeit des Gerichtshofs für sie zu erwägen. Der Text der Resolution ist so wenig zwingend, dass er mit Konsensus angenommen werden konnte. Jene Staaten, welche eine gerichtliche Beilegung internationaler Streitigkeiten ablehnen, sahen in dieser Empfehlung den Abschluss der Untersuchung der
Rolle des Gerichtshofs durch die Generalversammlung, während die dem Gerichtshof günstig gesinnten Staaten im Gegenteil der Meinung waren, die Generalversammlung könne jederzeit auf diese Frage zurückkommen.

'> Es handelte sich in diesem Fall um einen Rechtsstreit zwischen dem UNDP und einem Beamten.

2 > Unser Bericht von 1971, BB1 1972 I 4 ff.

3) Resolution 3232 (XXIX) vom 12. November 1974.

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Die Schweiz als Vertragspartei des Statuts des Internationalen Gerichtshofs seit 1948 hatte ein Interesse daran, an der Diskussion über die Rolle des Gerichtshofs in der Generalversammlung teilzunehmen. Aufgrund einer Resolution D konnte sie dem Generalsekretär ihre entsprechenden Ansichten und Vorschläge zur Kenntnis bringen. Von dieser Möglichkeit machte sie denn auch Gebrauch. Hingegen stiess sie auf Schwierigkeiten, als sie versuchte, das Recht zur Teilnahme an der Debatte in der 6. Kommission der Generalversammlung zu erhalten. Wir vertraten die Ansicht, dass alle Vertragsparteien des Statuts mit den gleichen Rechten wie die Mitglieder der UNO an den Arbeiten zu diesem Tagesordnungspunkt beteiligt sein sollten. Unsere Stellungnahme stiess namentlich bei der Sowjetunion auf entschiedene Ablehnung. Schliesslich erhielten wir ein Rederecht, aber weder ein Stimmrecht noch das Recht, Änderungsanträge anzubringen oder zu unterstützen.

f.

Sekretariat

Stellung und Aufgabe des Generalsekretärs und des von ihm geleiteten Sekretariats sind in der Charta der Vereinten Nationen festgelegt. Es hat sich jedoch seit 1945 gezeigt, dass jeder Generalsekretär eine persönliche, jeweils verschiedene Vorstellung von seiner Rolle und den Grenzen seiner Aktionsmöglichkeiten hatte; die internationale Lage war allerdings auch für jeden von ihnen anders.

Der amtierende Generalsekretär Kurt Waldheim, der 1976 durch die 31. Generalversammlung wiedergewählt wurde, hat von allen Generalsekretären vielleicht die klassischste Auffassung von seiner Rolle. Er betrachtet das Sekretariat und die Vereinten Nationen als ein zusätzliches konstruktives Element der Weltpolitik und als Stätte, wo sich die bilaterale Diplomatie und die multilaterale Diplomatie ergänzen, verstärken und Kompromisse und Lösungen für die ihnen gestellten Probleme finden können. Im politischen Bereich ergreift der Generalsekretär Initiativen, wie sie ihm nach der Charta zustehen, nur mit äusserster Vorsicht, und zwar aus zwei Gründen. Erstens eignet sich das internationale politische Klima nicht dazu, und zweitens muss man nach Auffassung von Kurt Waldheim in der Diplomatie diskret vorgehen, um sein Ziel zu erreichen. Denn von Aufsehen und Publizität begleitete Initiativen bewirken häufig das Gegenteil von dem, was beabsichtigt wurde, und setzen den Initianten den Angriffen der grossen und auch der weniger grossen Mächte aus. In den letzten Jahren wurde die Nützlichkeit der Rolle des Generalsekretärs mehrfach unter Beweis gestellt. So wurden ihm Vermittlungsmissionen im Mittleren Osten, in Zypern, in Osttimor und in der Westsahara anvertraut, um nur einige der wichtigsten zu nennen. In gewissen Fällen hat der Generalsekretär einen persönlichen Vertreter bestimmt, in andern hat er selbst die Mission übernommen oder sie einem Sekretariatsmitglied übertragen; D Die Resolution 2723 (XXV) vom 15. Dezember 1970 lud alle Mitglieder der Vereinten Nationen und Vertragsparteien des Statuts des Gerichtshofs ein, dem Generalsekretär ihre Bemerkungen und Vorschläge zukommen zu lassen.

839

dies war namentlich im Mittelost-Konflikt der Fall, denn die Verlängerung der Präsenz von UNO-Truppen in diesem Gebiet erfordert einen beträchtlichen Arbeitseinsatz des Sekretariats. Der Generalsekretär der UNO wird immer häufiger mit solchen Vermittlungs- oder Untersuchungsmissionen beauftragt, so dass diese weniger als früher Persönlichkeiten oder Staaten ausserhalb der Vereinten Nationen anvertraut werden.

6.

Gruppierungen innerhalb der UNO

In den letzten Jahren hat sich in der Generalversammlung und im ECOSOC eine neue Verfahrenstechnik eingebürgert. Entscheide, ob sie nun aufgrund von Abstimmungen oder - wie es heute immer mehr üblich ist - mit Konsensus getroffen werden, werden in zunehmendem Masse in Konsultationen erarbeitet. Dies bedingt, dass sich die Mitglieder der einzelnen Gruppierungen untereinander über ihre Position einig werden ; es bedingt aber auch, vor allem wenn ein Konsensus erstrebt wird, gründliche Konsultationen zwischen den verschiedenen Gruppen.

Folgerichtig hat diese neue Arbeitsmethode dazu geführt, dass sich die regionalen, politischen und Interessengruppen deutlicher formierten und bewusster in den Meinungsbildungsprozess eingeschaltet werden. Ursprünglich bestanden in der UNO lediglich die fünf Regionalgruppen - Westeuropa und andere Staaten, Osteuropa, afrikanische Staaten, asiatische Staaten und lateinamerikanische Staaten -, die sich hauptsächlich mit Wahl- und Verfahrensfragen beschäftigten.

Heute werden die Gruppen aber nicht nur nach regionalen Grundsätzen gebildet.

Bei verschiedenen Gruppierungen ist die Interessenlage ausschlaggebend. Die Gruppen werden häufig auch politisch eingesetzt. Nachdem die Positionen innerhalb einer Gruppe definiert worden sind, finden oft Konsultationen zwischen den Gruppenvorsitzenden statt. Manchmal werden schliesslich sogar die Verhandlungen in Kommissionen und Ausschüssen von Gruppenvertretern geführt.

Im folgenden vermitteln wir einen Überblick über die wichtigsten Gruppen, die sich zum Teil innerhalb der Regionalgruppen, zum Teil über sie hinaus in umfassenderer Weise gebildet haben sowie über die Grundzüge ihrer Politik im Gefüge der UNO.

a.

Entwicklungsländer

Die Gruppe der Entwicklungsländer hat heute in der UNO nicht nur wegen ihrer zahlenmässigen Stärke Gewicht, sondern auch wegen ihres von neuen Ideen getragenen Beitrags an die internationale Zusammenarbeit. Die meisten grossen Auseinandersetzungen der letzten Jahre - Entkolonisierung, südliches Afrika, Kampf gegen die durch die unterschiedliche wirtschaftliche und soziale Entwicklung geschaffenen Ungleichheiten - fanden auf Initiative der Länder der Dritten

840

Welt statt. Sie haben sich eine neuartige Konzeption der internationalen Beziehungen zum Ziel gesetzt, die heute die multilaterale Zusammenarbeit innerhalb und ausserhalb der UNO massgebend beeinflusst.

Unter diesen Ländern bestehen verschiedene Gruppierungen, von denen vor allem die Gruppen der Blockfreien und der «77» eine bedeutsame Rolle spielen.

i. Die blockfreien Staaten: In den fünfziger und sechziger Jahren haben zahlreiche Länder die aussenpolitische Maxime angenommen, sich an keinen militärischen Allianzen zu beteiligen und frei über ihre politische Haltung zu entscheiden, ohne an eine der grossen Mächtegruppen gebunden zu sein".

Diese Bewegung ging vor allem von Indien und Jugoslawien aus. Mit der Entkolonisierung haben sich ihr immer mehr Staaten namentlich der Dritten Welt angeschlossen. Heute umfasst sie 86 Mitglieder sowie eine Anzahl von Beobachtern und Gästen. Im Verlauf der Jahre hat sie sich gewisse organisatorische Strukturen verliehen. Abwechsluhgsweise übt einer der blockfreien Staaten die Präsidentschaft aus. Periodisch finden Konferenzen auf Staatschefs- oder Ministerebene statt. In der Generalversammlung bildet die Bewegung der Blockfreien heute eine entscheidende politische Kraft. In ihrem Kreis werden die Probleme der Dritten Welt definiert und Verhandlungspositionen festgelegt. Von ihr gehen oft bedeutsame Initiativen und Resolutionsentwürfe aus. Eine besondere Rolle spielten die Blockfreien während der 29. Generalversammlung von 1974, die vom algerischen Aussenminister präsidiert wurde, während Algerien gleichzeitig die Präsidentschaft bei der Bewegung der Blockfreien innehatte.

ii. Die Gruppe der «77»: Der Gruppe der «77», in der sich heute 113 Staaten zusammenfinden, gehören mit wenigen Ausnahmen die gleichen Länder an, die auch in der Bewegung der Blockfreien vertreten sind. Darüber hinaus sind ihr einzelne zusätzliche Entwicklungsländer angeschlossen. Ursprünglich verfolgte diese Gruppe hauptsächlich wirtschaftliche Ziele. Sie spielte von jeher eine bedeutsame Rolle in der UNCTAD, hat heute aber auch im Verhandlungskonzept der Generalversammlung ihren festen Platz. In Anbetracht dessen, dass die Mitglieder dieser Gruppe einen sehr unterschiedlichen wirtschaftlichen Entwicklungsgrad erreicht haben, gestalten sich die internen Verhandlungen oft zäh und langwierig. In
manchen Fällen wurde, um die Einheit der Gruppe nach aussen zu wahren, auf die Haltung der harten Linie eingeschwenkt. Die Gruppe der «77» manifestiert sich vor allem in der 2. Kommission der Generalversammlung, die sich mit den wirtschaftlichen Fragen befasst, sowie bei der Vorbereitung und während der Tagung der ausserordentlichen Generalversammlungen, die wirtschaftlichen Problemen gewidmet sind. Neuerdings tritt sie auch in verschiedenen Spezialorganisationen in Erscheinung. Im Sinne der führenden Kräfte der Bewegung der » Dazu unser Bericht von 1969, BB1 1969 I 1470f.

841 Blockfreien sollten die ihr angehörenden Staaten bei den «77» die Rolle eines Katalysators übernehmen, um die Effizienz und die Solidarität der Entwicklungsländer zu fördern.

b.

Die westlichen Industriestaaten

Gegenüber den Forderungen der Dritten Welt, die eine volle Partnerschaft anstrebt, beobachtet man unter den westlichen Staaten gespaltene Reaktionen.

Diese Forderungen rufen zum Teil einer heftigen Kritik; zum Teil bewirken sie eine kooperative und vermittelnde Haltung. Im ganzen hat sich der Westen in den letzten Jahren aus mannigfachen Gründen eher passiv verhalten und sich darauf beschränkt, auf die Vorstösse der andern zu reagieren. Zudem erweist sich die Koordination dieser Gruppe oft als schwierig. Damit hat sich die Position der westlichen Staaten in der Organisation eher geschwächt. Diese Tendenz kann sich jedoch rasch ändern, vor allem weil die neue amerikanische Administration gewillt scheint, die Vereinten Nationen eine aktivere Rolle spielen zu lassen.

Unter den westlichen Staaten bemühen sich vor allem die Länder der Europäischen Gemeinschaften und die Nordischen Staaten um eine Koordinierung ihrer Standpunkte.

i. Die Staaten der Europäischen Gemeinschaften: Die Zusammenarbeit der Neun in der UNO hat sich in der Berichtszeit sichtlich profiliert. Während der letzten Generalversammlungen gelangten sie in der grossen Mehrzahl der Fälle zu einer gemeinsamen Haltung. Dies ist das Resultat intensiver Konsultationen. Die Neun haben auch an der 7. ausserordentlichen Generalversammlung eine vorrangige Rolle gespielt. Dort haben sie zum erstenmal mit einer Stimme gesprochen, oft durch Vertreter der EG-Kommission und zu Fragen, die über den Bereich der Europäischen Gemeinschaft hinausgingen.

ii. Die Nordischen Staaten: Die Verbindung der Nordischen Staaten drückt sich namentlich in einer koordinierten Haltung bei Wahlen und in einer pragmatischen Zusammenarbeit der Delegationen in allen Gremien der Vereinten Nationen aus.

c.

Sozialistische Staaten

Die Gruppe der sozialistischen Staaten Osteuropas wies in den ersten Jahren des Bestehens der UNO eine grosse Homogenität auf. Auch heute folgen die meisten dieser Länder in der Organisation der Politik der Sowjetunion und unterstützen deren Initiativen.

842 d.

Die Volksrepublik China

Die Volksrepublik China, die mit ihrem Einzug in die Vereinten Nationen im Herbst 1971 nach Jahren der Isolierung ihre multilaterale Mitarbeit relativ spät aufgenommen hat und gleich als ständiges Mitglied des Sicherheitsrats eine wichtige Rolle zu übernehmen hatte, hat sich keiner der erwähnten Gruppierungen angeschlossen.

An wichtigen Abstimmungen nimmt sie oft nicht teil, um auf diese Weise ihre Missbilligung gewisser Beschlüsse zu offenbaren. Insbesondere im Sicherheitsrat befolgt sie diese Taktik beispielsweise bei Abstimmungen über friedenserhaltende Aktionen oder über verschiedene Fragen des Konflikts im Mittleren Osten.

e.

Beziehungen zwischen den verschiedenen Gruppen

In einer so umfassenden Organisation wie der UNO üben diese Gruppierungen eine nützliche Funktion aus, indem sie eine erste Koordinierung der Initiativen und Meinungen ermöglichen. Wenn sich nach dieser ersten Verhandlungsstufe bei der Begegnung mit andern Gruppen keine Kompromissbereitschaft abzeichnet, können sie aber auch zu einer Verschärfung der Konfrontation beitragen, weil sie bereits abgesprochene Mehrheiten hinter sich haben. Die UNO hat indessen Arbeitsinstrumente und -methoden geschaffen, die den Dialog und Verhandlungen fördern. Dazu gehören die verschiedenen Arbeitsgruppen, Kontaktgruppen, offiziöse Gruppen und nicht zuletzt die manchmal entscheidenden informellen Korridorgespräche.

7.

Politische und technische UNO

a.

Das Verhältnis zwischen politischer und technischer UNO

In unseren beiden früheren Berichten haben wir zwischen politischer und technischer UNO unterschieden^. Politisch sei die Weltorganisation selbst, während sich ihre SpezialOrganisationen und gewisse Organe wie die UNCTAD und die UNIDO technischen Fragen widmeten. Die Schweiz sei der politischen UNO ferngeblieben, habe aber durch aktive Mitarbeit in der technischen UNO ihre Solidarität mit der Völkergemeinschaft bewiesen. Allerdings deuteten wir bereits in unserem Bericht von 1971 an, die Aufgabe der UNO in den technischen Bereichen sei mit ihrem eigentlichen politischen Auftrag verknüpft. Wir verwiesen darauf, dass die Zahl wirtschaftlicher und sozialer Fragen, die in den Organen der UNO und insbesondere in der Generalversammlung behandelt werden, zunehme.

Damit hänge die Zukunft der technischen UNO in hohem Masse vom Erfolg der » Unser Bericht von 1969, BEI 1969 I 1563f., von 1971, BB1 1972 I 49f.

843

politischen UNO ab und umgekehrt. Die beratende UNO-Kommission ging in ihrer Analyse einen Schritt weiter" mit der Feststellung, dass eine Trennung zwischen politischer und technischer UNO nicht mehr sinnvoll sei. Unsere eigenen Beobachtungen stimmen mit denjenigen der Kommission überein. Sämtliche Tätigkeiten der Vereinten Nationen bilden heute eine Einheit. Die Generalversammlung hat sich in den letzten Jahren mehr und mehr zum Zentrum des Systems entwickelt, wo die grundsätzlichen Entscheidungen getroffen und die Gesamtheit der Aktivitäten koordiniert werden. Ganz deutlich haben die Resolutionen über die neue Weltwirtschaftsordnung diese Zusammenhänge offenbart.

Diese Entwicklung lässt die lange gerechtfertigte Unterscheidung zwischen politischer und technischer UNO als überholt erscheinen. Wenn heute ein Staat seine Stellung in der Völkergemeinschaft voll behaupten will, kann er nicht nur in einem Bereich mitwirken und sich dem andern verschliessen. Bei der Bestimmung der künftigen Beziehungen der Schweiz zu den Vereinten Nationen muss diese Überlegung gebührend berücksichtigt werden.

b.

Die «Politisierung» der internationalen Organisationen und Konferenzen

Seit einiger Zeit wird viel von der «Politisierung» der internationalen Organisationen, insbesondere der Organe und SpezialOrganisationen sowie der Konferenzen der Vereinten Nationen, gesprochen. Wir wollen daher auch zu diesem Phänomen Stellung nehmen.

Bereits in unserer Antwort auf die Interpellation Hofer vom 13. Dezember 19742) über die internationale Lage erklärten wir, alle internationalen Organisationen seien in gewisser Weise politisch, da sie sich aus unabhängigen und souveränen Staaten zusammensetzten, die ihre allgemeine Orientierung bestimmten. Wohl sind den einzelnen SpezialOrganisationen durch ihre Verfassungen klar umrissene Aufgaben auf wirtschaftlichem, sozialem, kulturellem oder technischem Gebiet übertragen worden. Aber diese Aufgaben können nur aufgrund von politischen Optionen der Mitgliedstaaten in Angriff genommen werden und müssen sich in den grösseren Rahmen des gesamten internationalen Lebens einfügen.

Die SpezialOrganisationen haben sich ferner aufgrund ihrer Verfassungen und Réglemente zu einzelnen politischen Fragen zu äussern. So haben sie über die Aufnahme von Staaten als Mitglieder oder Beobachter zu entscheiden und die allfällige Mitwirkungsform von Gebilden zu bestimmen, deren völkerrechtlicher Status umstritten ist. Gewisse Probleme, mit denen sich SpezialOrganisationen ') Bericht der beratenden Kommission für die Beziehungen der Schweiz zur UNO vom 20. August 1975 (in der Folge zit. als «Bericht der beratenden UNO-Kommission»), S. 64 ff.

?) Unsere Antwort erfolgte am 16. Juni 1975, vgl. Sten.Bull, des Nationalrates 1975, Nr. 12237, S. 842 ff.

844

von ihrer sachlichen Kompetenz her befassen, können politische Implikationen in sich bergen. Dazu gehören etwa die archäologischen Ausgrabungen in Jerusalem oder die Erziehung in den von Israel besetzten Gebieten in der UNESCO, die gewerkschaftlichen Praktiken in gewissen Ländern in der ILO, die sanitäre Situation in den von Israel besetzten Gebieten in der WHO, die Errichtung von Sendern in den von Israel besetzten Gebieten im ITU. Die meisten politischen Diskussionen der letzten Jahre in den SpezialOrganisationen fanden im Zusammenhang mit dem Mittleren Osten und dem südlichen Afrika statt.

Schliesslich sehen die Übereinkommen zwischen den SpezialOrganisationen und der UNO eine enge Zusammenarbeit in der Durchsetzung der Grundsätze und Verpflichtungen der Charta der Vereinten Nationen vor. Dies gilt vor allem für die mit der Entkolonisierung und der Apartheid im Zusammenhang stehenden Probleme. Die SpezialOrganisationen müssen daher des öftern auf Verlangen der UNO politische Fragen diskutieren.

Dieselben Probleme tauchen auch regelmässig an den von den Vereinten Nationen veranstalteten Konferenzen zu einem bestimmten Sachthema auf.

Aus all diesen Gründen kamen wir in unserer Antwort auf die erwähnte Interpellation Hofer zum Schluss, dass den internationalen Organisationen, vorab den SpezialOrganisationen der Vereinten Nationen, die Kompetenz nicht abgesprochen werden könne, politische Probleme zu behandeln. Wir bedauerten dagegen, dass die politischen Debatten im Vergleich zu den spezifischen Aufgaben der Organisation oft ein allzu grosses Gewicht erhielten und dass ein Problem nicht selten hauptsächlich unter seinem politischen Aspekt behandelt werde, was die bereits vorhandenen Spaltungen nur noch vertiefe. Die Schweiz bemühe sich darum, die missbräuchliche Politisierung der Debatten zu vermeiden oder zumindest ihre Auswüchse zu begrenzen. Dennoch könne sie aber in den Organisationen, deren Mitglied sie ist, den entscheidenden Fragen nicht ausweichen, denen sich die Völkergemeinschaft gegenübergestellt sehe. Das Ansehen der Schweiz würde beeinträchtigt, wenn ihre Vertreter sich im Namen unserer traditionellen politischen Werte weigerten, an den grossen Debatten unserer Zeit teilzunehmen".

Diese Ausführungen zeigen, dass die Schweiz auch als Nichtmitglied der politischen Organisation oft
in die Lage kommt, als Mitglied der SpezialOrganisationen über politische Fragen zu diskutieren und abzustimmen. Ihre Haltung in der UNO hätte wohl innen- und aussenpolitisch ein grösseres Gewicht, würde sich aber in ihrer Natur nicht von derjenigen in den andern Organisationen unterscheiden.

» Unsere Antwort auf die Interpellation Hofer, a. a. O., S. 845.

845

c.

Politische Impulse auf weltwirtschaftlichem und entwicklungspolitischem Gebiet

Ein Bereich, in dem die Vermischung von technischer und politischer UNO besonders deutlich zum Ausdruck kommt, ist jener der internationalen Wirtschaftsund Entwicklungspolitik. Wie wir erwähnt haben, stehen heute die wirtschaftlichen und die Entwicklungsprobleme im Zentrum der Tätigkeit der Vereinten Nationen. Diese Evolution wird hauptsächlich durch politische Impulse vorangetrieben, die von der Generalversammlung ausgehen und im gesamten System der Vereinten Nationen ihren Niederschlag finden.

Akzentuiert hat sich dieser Prozess nach der Krise von 1973. Mit der Verabschiedung der Erklärung und des Aktionsprogrammes zur Errichtung einer neuen Weltwirtschaftsordnung sowie einer Charta über die wirtschaftlichen Rechte und Pflichten der Staaten im Jahre 1974 hat die UNO durch ihre Generalversammlung ein entscheidendes politisches Signal für die künftige internationale Zusammenarbeit gegeben1'. Vor allem diese Beschlüsse sind es, die seither den Diskussionen und Verhandlungen zwischen Industriestaaten und Entwicklungsländern über Wirtschafts- und Entwicklungsprobleme, aber auch in vielen andern Bereichen der internationalen Zusammenarbeit zugrunde liegen. Namentlich die Generalkonferenz der UNIDO vom März 1975 in Lima und die 4. Session der UNCTAD vom Mai 1976 in Nairobi, aber auch der seit Dezember 1975 ausserhalb der UNO in Paris geführte Nord-Süd-Dialog sind im Rahmen dieser Neukonzeptionen zu sehen.

Die von der UNO erarbeiteten Dokumente heben mit aller Deutlichkeit den Ernst der heutigen Entwicklungssituation hervor. Immer noch lebt die überwiegende Mehrheit der Menschen unter schwierigsten Existenzbedingungen. Diese Tatsache stellt nicht nur wirtschaftliche und soziale, sondern auch politische Probleme. Die Risiken, welche die gegenwärtige Unausgewogenheit der weltwirtschaftlichen Lage für die gesamte Menschheit in sich birgt, sind sichtbar geworden. Ihre Bedeutung als Krisenfaktoren und folglich als Elemente der Friedensbedrohung wird allgemein erkannt.

Die Entwicklungsländer haben ungeachtet der zum Teil beträchtlichen Unterschiede in ihren Wirtschaftssystemen und im erreichten Entwicklungsgrad der übrigen Welt bewusstgemacht, dass sie, sofern sie sich als Einheit zusammenfinden, über ein beachtliches politisches Gewicht zur Durchsetzung ihrer wirtschaftlichen Forderungen verfügen. Sie
haben ihren Willen zur wirtschaftlichen Emanzipation in präzisen Aktionsvorschlägen formuliert, deren Verwirklichung eine neue Kräfteverteilung und damit auch eine neue politische Gewichtung zur Folge hätte.

" Zu diesen Beschlüssen im einzelnen unsere Ausführungen unter Kapitel III Ziffer 3.

Bundesblatt. 129. Jahrg. Bd. 11

846 8.

Die UNO als Forum für politische Kontakte

Die UNO,- insbesondere die alljährlich stattfindenden Generalversammlungen, bieten ein einzigartiges Forum für Kontakte auf hoher Ebene. Die Universalität der Organisation hat zur Folge, dass namentlich während der Generaldebatte Staatschefs, Aussenminister, Staatssekretäre aus aller Welt nach New York reisen. Vor allem mittlere und kleine Staaten nutzen diese Möglichkeit der persönlichen Begegnung hochgestellter Politiker und Beamter intensiv, um abseits der offiziellen Vorgänge gewisse hängige bilaterale Angelegenheiten zu besprechen oder gar zu regeln sowie Fragen von allgemeinem Interesse zu erörtern.

Für die Schweiz böte sich hier ebenfalls eine nützliche Gelegenheit, ihre Haltung zu gewissen Problemen im Rahmen dieser informellen Kontakte darzulegen.

Diese Begegnungen würden die bilateralen Staatsbesuche sinnvoll ergänzen und uns enger mit den Tatsachen und Problemen des internationalen Lebens verbinden.

Diese Kontaktmöglichkeiten sind uns allerdings auch als Nichtmitglied nicht völlig verschlossen. Verschiedentlich haben schweizerische hohe Beamte die Generalversammlung besucht und politische Gespräche geführt. An der 3 I.General Versammlung von 1976 haben sich sowohl der Generalsekretär als auch der Direktor für internationale Organisationen des Politischen Departements in New York aufgehalten. Es ist jedoch nicht zu übersehen, dass die Kontakte für ein Land, das nicht voll in der UNO mitarbeitet, schwieriger zu gestalten sind, weil im Hinblick auf die in der Organisation anstehenden Probleme keine direkte Partnerschaft besteht.

III.

Übersicht über die wichtigsten Tätigkeiten der UNO und ihrer SpezialOrganisationen

1.

Politische Fragen

Die UNO hat sich weiterhin mit den grossen politischen Fragen unserer Zeit wie der Friedenserhaltung, der Entkolonisierung, der Abrüstung beschäftigt. Wiederum wurde sie mit fast allen internationalen Konflikten befasst.

a.

Friedenserhaltende Aktionen')

,

Die Friedenstruppen der UNO im Mittleren Osten und in Zypern haben erneut bestätigt, dass die Vereinten Nationen mit diesem Instrument einen unentbehrD Für die allgemeine Problematik der friedenserhaltenden Aktionen vgl. unsere Ausführungen unter Kapitel II Ziffer 3.

847

liehen Beitrag an die Erhaltung des Weltfriedens leisten. Allerdings sind ihrer Wirkung auch Grenzen gesetzt. So können sie nicht eine Friedensregelung ersetzen, sondern lediglich die dazu erforderlichen Voraussetzungen einer einigermassen stabilen Lage im Konfliktgebiet schaffen. Kurzfristig können sie nur eingesetzt werden, wenn zumindest einige Mitgliedstaaten über nationale Bereitschaftstruppen verfügen. Heute ist dies namentlich bei Kanada, den Nordischen Staaten und Österreich der Fall, die alle in den sechziger Jahren die erforderliche Gesetzesgrundlage für solche Truppen erlassen haben. In der Berichtszeit haben die friedenserhaltenden Aktionen eine deutliche Aufwertung erfahren. Nach dem Oktoberkrieg von 1973 beschloss der Sicherheitsrat, sowohl nach dem Suez- als auch nach dem Golangebiet je eine Friedenstruppe zu entsenden. Daneben wurde die Aktion der Blauhelme in Zypern weitergeführt. Die Mandate aller zurzeit im Einsatz befindlichen Friedenstruppen sind zeitlich begrenzt und müssen periodisch erneuert werden. Die UNO übt auf diese Weise einen gewissen Druck auf die Konfliktsparteien aus, damit diese auf eine Regelung des Konflikts auf dem Verhandlungsweg hinwirken. Die relativ hohe Zahl von Blauhelmen, die zurzeit im Einsatz stehen, bedeuten für die UNO selbst und für die Mitgliedstaaten, die Truppen zur Verfügung stellen, eine beträchtliche finanzielle und personelle Belastung.

i.

·

Die Friedenstruppe der Vereinten Nationen im Mittleren Osten (UNEFII)U

Im Anschluss an den letzten Krieg im Mittleren Osten beschloss der Sicherheitsrat am 25. Oktober 19732>, zur Überwachung der Waffenruhe und des Truppenrückzuges unverzüglich unter seiner Aufsicht eine Friedenstruppe für das Suezgebiet (UNEF II) zu schaffen, die aus Kontingenten von Mitgliedstaaten ausser den ständigen Mitgliedern des Sicherheitsrates bestehen sollte. Dank der in Zypern stationierten UNO-Truppe UNFICYP und der seit 1949 zur Überwachung des Waffenstillstandes in Palästina eingesetzten Beobachtungs-Organisation UNTSO war ein rasches Handeln möglich. Der Generalsekretär3) bestimmte den finnischen Stabschef der UNTSO zum interimistischen Befehlshaber und verlegte provisorisch finnische, österreichische und schwedische Einheiten der UNFICYP nach Ägypten. Die Truppe sollte insgesamt eine Stärke von 7000 Mann erreichen4' und nach dem Prinzip der angemessenen geographischen Verteilung zusammengesetzt werden. In der Tat wirkten in der Folge neben den traditionell an solchen Aktionen beteiligten westeuropäischen Neutralen auch osteuropäische, afrikanische, asiatische und lateinamerikanische Kontingente mit.

" United Nations Emergency Force II.

2) Resolution 340 (1973) des Sicherheitsrats.

3) Bericht des Generalsekretärs über die Durchführung der Resolution 340 (1973) des Sicherheitsrats vom 27. Oktober 1973, U. N. Doc. S/11052/Rev. 1.

4 > Ende 1976 bestand die Truppe aus 4174 Mann.

848

Die Finanzierung der UNEFII erfolgt im Rahmen des ordentlichen Budgets der Organisation, aber aufgrund eines speziellen Verteilungsschlüssels. Das Mandat ist normalerweise auf sechs Monate befristet und kann nur vom Sicherheitsrat und mit Zustimmung der beteiligten Parteien verlängert werden. Als im Januar 1974 Israel und Ägypten ein Truppenentflechtungsabkommen schlössen, wurden darin der UNEF II gewisse zusätzliche Überwachungsaufgaben zugewiesen.

ii.

Die Friedenstruppe der Vereinten Nationen im Golangebiet (UNDOF) '>

Nach dem Abkommen über die Entflechtung der syrischen und israelischen Truppen beschloss der Sicherheitsrat am 31. Mai 1974, eine kleinere Friedenstruppe ebenfalls zur Überwachung der Waffenruhe und des Truppenrückzuges in das Golangebiet zu entsenden 2). Die UNDOF zählt rund 1200 Mann und setzt sich gegenwärtig hauptsächlich aus österreichischen und iranischen Kontingenten sowie logistischen Beständen aus Kanada und Polen zusammen. Im übrigen ist sie dem Modell der UNEF II nachgebildet.

iü.

Die Friedenstruppe der Vereinten Nationen in Zypern

(UNFICYP)^

Diese 1964 aufgrund eines Beschlusses des Sicherheitsrats geschaffene Friedenstruppe hat die Aufgabe, den Wiederausbruch des Bürgerkrieges zu verhindern, die öffentliche Ordnung und das Recht zu stärken und wieder normale Verhältnisse herzustellen. Auch das Mandat der UNFICYP wird regelmässig vom Sicherheitsrat überprüft und verlängert. Als einzige Friedenstruppe wird die UNFICYP von Anfang an allein mit freiwilligen Beiträgen finanziert. Diese Beiträge haben bis jetzt nie eine kostendeckende Höhe erreicht.

iv.

Der Beitrag der Schweiz an die friedenserhaltenden Aktionen

Die Schweiz hat in der Berichtszeit wiederum einen Beitrag an die friedenserhaltenden Aktionen der Vereinten Nationen geleistet. So beteiligten wir uns aufgrund verschiedener Aufrufe des Generalsekretärs der UNO mit jährlich 850 000 Franken an der Finanzierung der UNO-Truppe in Zypern (UNFICYP).

Im Mittleren Osten waren bis 1973 auf Kosten des Bundes zwei Flugzeuge mit schweizerischer Besatzung, eine DC-3 für Materialtransporte und ein Mystère 20 Falcon Jet zur Beförderung von Personen, für die UNO Waffenstillstands-Beobachtungsorganisation in Palästina (UNTSO) im Einsatz. Die vom Bund über'> United Nations Disengagement Observer Force.

a Resolution 350 (1974) des Sicherheitsrates.

3l United Nations Peace-keeping Force in Cyprus.

849

nommenen Auslagen beliefen sich auf jährlich rund 3 Millionen Franken. 1973 kamen wir mit dem Sekretariat der UNO überein, die beiden bisherigen Maschinen durch ein einziges Mehrzweckflugzeug vom Typ Fokker Friendship zu ersetzen. Dadurch konnten die Kosten für den Bund auf 1,5 Millionen Franken jährlich herabgesetzt werden. Wir erwarben das Flugzeug zu Eigentum und übergaben es der UNTSO kurz nach dem Waffenstillstand im Oktoberkrieg1*. Seither werden mit dem Flugzeug Einsätze sowohl für die UNTSO als auch für die UNEF II geflogen:

b.

Korea

Die Koreafrage beschäftigt die Vereinten Nationen seit bald dreissig Jahren.

Immer noch ist dort das vom Sicherheitsrat eingesetzte «Einheitliche Kommando» der UNO unter amerikanischem Oberbefehl stationiert, das damals zum Zweck der Hilfe an Südkorea zur Zurückweisung des bewaffneten Angriffs und zur Wiederherstellung von Friede und Sicherheit errichtet worden war.

Im Verlauf der 28. Generalversammlung von 1973 wurden die beiden Korea mit Konsensus aufgefordert2', den Dialog für eine Wiedervereinigung aufzunehmen, nachdem sie selbst am 4. Juli 1972 in einem gemeinsamen Communiqué ihre Bereitschaft dazu verkündet hatten. Ein Jahr später verabschiedete die Generalversammlung eine unter anderem von den Vereinigten Staaten eingebrachte Resolution, in welcher der Sicherheitsrat aufgefordert wurde, die Auflösung des UNOKommandos unter gleichzeitiger anderweitiger Sicherung des Waffenstillstandsabkommens von 1953 in Betracht zu ziehen. Ein hauptsächlich von der Sowjetunion und China unterzeichneter Gegenentwurf wurde knapp abgelehnt. Auch die 30. Generalversammlung von 1975 hatte sich mit je einem südkoreanisch und nordkoreanisch inspirierten Resolutionsentwurf zu befassen. Diesmal wurden aber beide Texte angenommen3'. Beide Resolutionen verlangen die Auflösung des Kommandos der Vereinten Nationen und die Fortsetzung der Bemühungen um eine Wiedervereinigung. Aber während die erste die Hoffnung ausspricht, dass alle direkt betroffenen Parteien so bald als möglich Verhandlungen über neue Vereinbarungen aufnähmen, die das Waffenstillstandsabkommen ersetzen und die Auflösung des Kommandos ermöglichen könnten, fordert die zweite, dass das Kommando aufgelöst und alle ausländischen Truppen aus Südkorea abgezogen würden und dass die eigentlichen Parteien des Waffenstillstandsabkommens 4) dieses durch einen Friedensvertrag ersetzen sollten. Mit zwei so entgegengesetzt lautenden Resolutionen ist die UNO in dieser Frage erst recht blockiert.

Die Annahme beider Texte bestätigt, dass die Solidarität gewisser Staatengruppen und das Aushandeln der Stimmabgabe vor Abstimmungen in der UNO manch1) 2) 3) <"

U. N. Doc. S/11536 vom 12. Oktober 1974.

Konsens vom 28. November 1973, U. N. Doc. A/9030, Ziffer41.

Resolutionen 3390 A und B (XXX) vom 18. November 1975.

Mit den «real parties» sind die Vereinigten Staaten und Nordkorea gemeint.

850

mal eine grössere Rolle spielen als die Materie selbst, um die es geht. Doch wären in dieser Angelegenheit wohl auch sonst kaum Fortschritte erzielt worden, da sich in der Debatte zeigte, dass die Differenzen zwischen Nord- und Südkorea weiterhin fundamentaler Natur sind und vorderhand weder der Norden noch der Süden zu einem Kompromiss bereit zu sein scheint. 1976 wurde diese Frage von der Tagesordnung der 3I.Generalversammlung zurückgezogen'.

In bezug auf die Neutrale Überwachungskommission in Panmunjom sind keine Änderungsbestrebungen bekannt. Die Schweiz wirkt nach wie vor in der Kommission mit. Die Tätigkeit unserer Delegation hat sich in den letzten Jahren nicht wesentlich geändert. Umfang und Aufgaben sind dieselben geblieben, nachdem die Delegation schon 1967 auf den funktionsfähigen Minimalbestand von sieben Mitgliedern gesenkt worden ist.

Der schweizerischen Mannschaft wird sowohl von den Kommissionspartnern als auch von den früheren Kriegsparteien ein spezielles Vertrauen entgegengebracht.

Wir sind gewillt, der Überwachungskommission in Erfüllung der übernommenen Verpflichtungen weiterhin anzugehören und damit in bescheidenem, jedoch nützlichem Masse zur Aufrechterhaltung der Waffenruhe in dieser kritischen Zone beizutragen.

c.

Mittlerer Osten

Die Vereinten Nationen befassen sich im Zusammenhang mit dem Mittleren Osten mit einer ganzen Reihe von Problemen.

Während der Feindseligkeiten im Herbst 1973 spielte der Sicherheitsrat eine bedeutsame Rolle bei der Ermittlung einer Formel für die Beendigung der Kampfhandlungen. Anschliessend beschloss er die Schaffung der beiden Friedenstruppen zur Überwachung der Waffenruhe im Suez- und im Golangebiet1'. Diese UNO-Truppen wurden neben ihrem vom Sicherheitsrat aufgetragenen Mandat auch im israelisch-ägyptischen beziehungsweise im israelisch-syrischen Truppenentflechtungsabkommen als Kontrollorgane eingesetzt.

Die UNO widmete sich weiterhin eingehend dem Palästinaproblem.

An der 30. Generalversammlung von 1975 wurde ein «Ausschuss für die Ausübung der unveräusserlichen Rechte des palästinensischen Volkes» ernannt mit dem Auftrag, dem Sicherheitsrat einen Bericht zu unterbreiten, der die Wiedereinsetzung des palästinensischen Volkes in seine Rechte erlauben würde 2). Ausser Malta und der Türkei haben es die westlichen Staaten bisher abgelehnt, in diesem Ausschuss mitzuwirken.

i) Dazu unsere Ausführungen unter Kapitel III Ziffer l Buchstaben.

2> Resolution 3376 (XXX) vom 10. November 1975.

851

. Regelmässig wurden ausserdem das Statut der Stadt Jerusalem, die Lage in den von Israel besetzten arabischen Gebieten und die Hilfe an die palästinensischen Flüchtlinge diskutiert. Im Zentrum der Diskussion stehen die beiden untrennbar miteinander verbundenen Fragen der Zustimmung Israels zur Gründung eines palästinensischen Staates und der Anerkennung Israels als jüdischer Staat, der seinen Platz im Mittleren Osten hat, durch die Palästinenser.

Im Hinblick auf mögliche Verhandlungen wird in allen Organen der Vereinten Nationen, die sich mit dem Problem des Mittleren Ostens auseinandersetzen, wachsender Druck auf Israel ausgeübt. Höhepunkte dieser Entwicklung bildeten die Zulassung der PLO als Beobachter» bei den Vereinten Nationen an der 29. Generalversammlung von 1974 sowie die Verabschiedung einer Resolution, in welcher der Zionismus als eine Form des Rassismus angeprangert und verurteilt wird, an der 30. Generalversammlung von 19752). Diese Resolution ist in der UNO selbst auf eine harte Opposition gestossen. Die überwältigende Mehrheit der westlichen Staaten und eine ganze Anzahl von lateinamerikanischen und afrikanischen Staaten haben sich mit aller Schärfe gegen die These einer Gleichstellung des Zionismus mit Rassismus gewandt und in der Abstimmung gegen die Resolution gestimmt oder sich zumindest der Stimme enthalten.

In der Verurteilung des Zionismus sehen zahlreiche Länder und unter ihnen auch Israel eine Tendenz, diesem die Existenzberechtigung zu versagen. Politische Debatten über diese Resolution fanden auch in den Organen und Spezialorganisationen statt. So wurde sie insbesondere im Schlussdokument einer im Rahmen der UNESCO einberufenen Expertenkonferenz zur Ausarbeitung eines Deklarationsentwurfs über Massenmedien vom Dezember 1975 erwähnt und stand an der Weltkonferenz für menschliche Siedlungen von 1976 zur Diskussion.

An der 31. Generalversammlung von 1976 herrschte Israel gegenüber ein weniger aggressives Klima. Im Vordergrund stand die Frage der erneuten Einberufung der Genfer Konferenz, der die Suche nach einer Lösung für die gesamte Problematik im Mittleren Osten übertragen würde.

d.

Zypern

Der Staatsstreich vom 15. Juli 1974 und die danach ausgebrochenen Feindseligkeiten haben die Verhältnisse, aufgrund deren sich die UNO seit über zehn Jahren mit dem Zypern-Problem beschäftigte, radikal verändert. Vor diesen Ereignissen gingen die Anstrengungen dahin, die Verhandlungen zwischen den beiden Volksgruppen wieder in Gang zu bringen. Die UNO-Friedenstruppe (UNFICYP) war abgebaut worden, doch bestanden die Parteien auf deren weiterer Präsenz, " Resolution 3237 (XXIX) vom 22. November 1974.

2) Resolution 3379 (XXX) vom 10. November 1975.

852

weil sie darin ein Mittel sahen, einen Konflikt zwischen den beiden Volksgruppen zu verhindern; nach Ansicht der Parteien war dies eine wichtige Voraussetzung für Fortschritte in Richtung auf eine politische Lösung1'.

Durch die Gewalttätigkeiten geriet die UNO-Truppe in eine kritische Situation, da ihr Auftrag sich angesichts der neuen Lage nicht mehr durchführen liess. Im Juli 1974 verabschiedete der Sicherheitsrat eine Resolution2', die zum Waffenstillstand aufforderte und die Grundlagen für Verhandlungen zur Regelung des Problems festlegte. Der Sonderbeauftragte des Generalsekretärs für Zypern und der Kommandierende der Friedenstruppe setzten unter schwierigen Voraussetzungen alles daran, um die Kämpfe einzuschränken und der Zivilbevölkerung zu helfen.

Parallel zu den Bemühungen um eine politische Lösung hat der Sicherheitsrat Ende 1974 sowie 1975 und 1976 das Mandat der ÜNO-Friedenstruppe verlängert und damit deren unerlässliche Rolle für die Aufrechterhaltung von Ruhe und Ordnung und die Erfüllung verschiedener humanitärer Aufgaben anerkannt.

Als sich im März 1975 die Verhandlungen zwischen den beiden Volksgruppen in einer Sackgasse befanden, ersuchte der Sicherheitsrat den Generalsekretär erneut um seine guten Dienste ; die Verhandlungen sollten unter dessen Leitung fortgesetzt werden. In Wien fanden mehrere Gesprächsrunden mit den Führern der beiden Volksgruppen statt, doch wurden im Hinblick auf eine Einigung nur beschränkte Fortschritte erzielt.

Die 30. und die 31. Generalversammlung verabschiedeten mit sehr grosser Mehrheit Resolutionen31, in denen bedauert wurde, dass die Zypern-Beschlüsse des Sicherheitsrats noch nicht durchgeführt worden seien, und in denen der Generalsekretär ersucht wurde, weiterhin seine guten Dienste zur Verfügung zu stellen, damit die Verhandlungen zwischen den beiden Volksgruppen fortgesetzt würden.

e.

Südliches Afrika

Seit dem Rückzug Portugals aus seinen überseeischen Besitzungen steht das südliche Afrika ganz im Vordergrund des internationalen Interesses. Die jüngsten Entwicklungen haben zu einer Verschärfung der Spannungen in diesem Gebiet geführt.

» Unser Land hat, wie wir unter Kapitel III Ziffer l Buchstabe a ausgeführt haben, seine finanzielle Beteiligung an der friedenserhaltenden Aktion der UNO in Zypern fortgesetzt.

2) Resolution 353 (1974).

3) Resolutionen 3395 (XXX) vom 20. November 1975 und 31/12 vom 16. November 1976.

853 i.

Südafrika

Die Rassenpolitik der südafrikanischen Regierung wird regelmässig von der Generalversammlung, dem Sicherheitsrat und andern Organisationen und Institutionen der UNO untersucht. Die Generalversammlung hat eine ganze Reihe von Resolutionen angenommen, in denen diese Politik in allen ihren Formen verurteilt wurde. Diese Entschliessungen stützten sich im allgemeinen auf die Arbeiten .des Spezialausschusses gegen die Apartheid. Sie spiegeln die Einwände der Weltöffentlichkeit gegen die Rassenpolitik Südafrikas wider und bringen die Besorgnis zum Ausdruck, welche die Weltöffentlichkeit angesichts der Weigerung der südafrikanischen Regierung empfindet, den wiederholten Appellen der Vereinten Nationen Rechnung zu tragen und ihre Politik mit der Charta in Übereinstimmung zu bringen. Mehrfach wurden die SpezialOrganisationen aufgefordert, im Rahmen ihrer Tätigkeit die UNO bei dieser" Kampagne zu unterstützen.

Ferner hat der Sicherheitsrat im März 1976 die militärische Intervention Südafrikas in Angola scharf verurteilt". Er sah sich ausserdem durch die schweren Rassenunruhen, die vor allem 1976 in Soweto stattfanden, dazu veranlasst, ein obligatorisches Waffenembargo für Südafrika in Betracht zu ziehen. Wegen des Vetos der Vereinigten Staaten, Grossbritanniens und Frankreichs war der Sicherheitsrat jedoch nicht in der Lage, eine entsprechende Resolution zu verabschieden.

Die Generalversammlung genehmigte 1976 einstimmig eine Resolution2', in der die Schaffung von Bantustanen entschieden verurteilt und die «Unabhängigkeits »-Erklärung der Transkei zurückgewiesen wird 3).

ii.

Namibia

Im Februar 1972 forderte der Sicherheitsrat4) den Generalsekretär auf, mit allen betroffenen Parteien Verbindung aufzunehmen, um die Voraussetzungen zu schaffen, damit das namibische Volk sein Recht auf Selbstbestimmung und Unabhängigkeit ausüben könne. Aufgrund des Berichts des Generalsekretärs ersuchte der Sicherheitsrat Kurt Waldheim, seine Kontakte mit Hilfe eines Vertreters fortzusetzen. Der Generalsekretär ernannte daraufhin den früheren schweizerischen Botschafter Alfred Escher zu seinem persönlichen Beauftragten für Namibia.

Im Januar 1976 verurteilte der Sicherheitsrat5) die Verstärkung des südafrikanischen Militärpotentials in Namibia und die Benutzung des Gebiets als Angriffsi) Resolution 387 (1976).

2' Resolution 31/6A vom 26. Oktober 1976.

5) Siehe auch das Postulat Schatz vom 30. November 1976 und unsere entsprechende Antwort, in Amtliches Bulletin der Bundesversammlung, Nationalrat, Frühjahrssession 1977, S. 108 ff.

") Resolution 309 (1972).

5> Resolution 385 (1976).

854

basis gegen die Nachbarstaaten. Die Resolution hielt ausserdem fest, dass die zukünftigen Wahlen durch die UNO zu kontrollieren seien und dass die Verfassungskonferenz von Windhoek für die Vereinten Nationen keinerlei Legitimität besitze.

Am 18. August 1976 veröffentlichte der Ausschuss der Verfassungskonferenz eine Erklärung, in welcher der 31. Dezember 1978 als Datum für die Unabhängigkeit Namibias genannt wird. Die Reaktion des Rates der Vereinten Nationen für Namibia war sehr negativ, vor allem weil die SWAPO1' von der Teilnahme ausgeschlossen war und ein Hinweis auf Wahlen fehlte.

Im Dezember 1976 verabschiedete die Generalversammlung eine Resolution2', in der sie den afrikanischen Bevölkerungsgruppen von Namibia ihre Unterstützung im Kampf für die Selbstbestimmung, die Unabhängigkeit und die Freiheit in einem geeinten Land zusagt.

Die Generalversammlung anerkannte im übrigen die SWAPO als einzige authentische Vertretung der Bevölkerungsgruppen von Namibia 2> und räumte ihr einen Beobachterstatus ein, indem sie die SWAPO einlud, sich in dieser Eigenschaft bei den Arbeiten der Organe der UNO sowie bei den Konferenzen der Vereinten Nationen und ihrer Nebenorgane vertreten zu lassen3'.

Namibia ist also doppelt vertreten, denn der 1967 geschaffene Rat der Vereinten Nationen für Namibia4' ist das von den Vereinten Nationen eingesetzte Organ zur Verwaltung des Territoriums bis zur Unabhängigkeit. Obwohl dieser Rat keine effektive Macht ausübt, hat er ein Dekret5' über die Erforschung von Natur- und Bodenschätzen in Namibia, deren Ausbeutung, Verkauf und Export, veröffentlicht. Das Dekret bestimmt insbesondere, dass jede Ausbeutung und jeder Export von Natur- und Bodenschätzen vom Rat genehmigt werden muss.

Ausserdem hat die Generalversammlung dem Rat die Befugnis eingeräumt, dieses Gebiet bei allen internationalen oder nichtgouvernementalen Organisationen, Organen und Konferenzen zu vertreten. Ferner ersuchte sie die Spezialorganisationen und die andern Organisationen und Konferenzen des Systems der Vereinten Nationen vorzusehen, Namibia den Status eines Vollmitglieds einzuräumen 6'.

Die Rechtsabteilung der UNO beschäftigt sich zurzeit mit der Frage, wer von der SWAPO oder dem Namibia-Rat dieses Gebiet vertritt.

» 2> 3> « 5) 6 >

Südwestafrikanische Volksorganisation.

Resolution 31/146 vom 20. Dezember 1976.

Resolution 31/152 vom 20. Dezember 1976.

Resolution 2248 (S-V) vom 19. Mai. 1967.

Dekret Nr. l vom 27. September 1974.

Resolution 31/149 vom 20. Dezember 1976.

855

i.

Rhodesien

Auf politischer Ebene hat sich die Rhodesien-Frage ;> seit der Unabhängigkeit von Angola und Moçambique rasch entwickelt. Im Anschluss an die Rundreise des amerikanischen Staatssekretärs H. Kissinger schien eine friedliche Regelung des Konflikts nicht ausgeschlossen, zumal Jan Smith dem Grundsatz der «majority rule» zugestimmt hatte.

Aufgrund dieser Entwicklung konnte Grossbritannien im Oktober 1976 eine Konferenz einberufen, die in Genf stattfand und an der Delegierte aller vom Rhodesien-Problem betroffenen Parteien und Bewegungen teilnahmen. Zum erstenmal sassen damit Vertreter des Regimes von Salisbury und der Befreiungsbewegungen2' an einem Tisch. Im Dezember 1976 hat die Konferenz ihre Arbeiten unterbrochen.

Die Sackgasse, in welche diese Konferenz geführt hat, hat die afrikanischen Mitgliedstaaten der Vereinten Nationen sowie Grossbritannien und die USA veranlasst, für eine striktere Durchführung der vom Sicherheitsrat gegen Rhodesien verhängten Sanktionen zu sorgen, um damit den Druck auf das Smith-Regime zu verstärken. Die neue amerikanische Administration hat sich deshalb mit Erfolg dafür eingesetzt, dass der Kongress das «Byrd Amendment» aufhob, das den USA entgegen den Sanktionen erlaubte, Chrom aus Rhodesien einzuführen3*.

Wie in früheren Jahren enthält der Jahresbericht des Sanktionsausschusses die mutmasslichen Fälle von Sanktionsverletzungen, von denen er im allgemeinen aufgrund von Anzeigen und vertraulichen Informationen Kenntnis erhält. Von den rund 300 dem Ausschuss bekannt gewordenen Fällen betreffen etwa 30 die ·Schweiz; es handelt sich dabei um Importe aus und Exporte nach Rhodesien, um Finanzoperationen oder um Dreiecksgeschäfte. Diese letzte Kategorie, die zwei Drittel aller Fälle ausmacht, wird vom Ausschuss als besonders schwerwiegend erachtet. Es handelt sich um Geschäfte zwischen Rhodesien und Drittländern, die Mitglieder der Vereinten Nationen und als solche an die Sanktionen gebunden sind. Die Ware berührt unser Gebiet nicht, doch wird die Transaktion von einer Firma mit Sitz in der Schweiz finanziert oder organisiert, die häufig nur ihren Namen gibt. Die einflussreichsten Länder im Sanktionsausschuss, namentlich Grossbritannien, haben uns mehrfach darauf aufmerksam gemacht, dass das Ansehen und der gute Ruf unseres Landes durch solche Geschäfte, die offensichtlich
weder finanziell noch kommerziell interessant sind, Schaden nehmen könnte. Der Ausschuss wirft uns hauptsächlich vor, dass wir im Verlauf der letzten zehn Jahre D Unser Bericht von 1971, BEI 1972 I 10.

2) ANOC: Afrikanischer Nationalrat.

ZAPU: Afrikanische Volksunion von Simbabwe.

ZANU: Afrikanische Nationalunion von Simbabwe.'

ZIPA: Volksarmee von Simbabwe.

3l Das «Byrd Amendment» wurde am 18. März 1977 aufgehoben.

856 keine gesetzliche Grundlage geschaffen hätten, die unsern Behörden erlaubten, die notwendigen rechtlichen Verfahren zur Überprüfung der vom Sanktionsausschuss gelieferten Informationen einzuleiten.

In diesem Zusammenhang ist daran zu erinnern, dass der Sanktionsausschuss 1968 geschaffen wurde, um die Durchführung der vom Sicherheitsrat gegen Rhodesien verhängten Sanktionen zu überwachen. Sein Auftrag besteht namentlich darin: a. die Berichte des Generalsekretärs über die Durchführung von Resolutionen betreffend Rhodesien zu überprüfen; b. den Regierungen Informationen zukommen zu lassen, damit diese gewisse Untersuchungen fortsetzen können, welche der Ausschuss als notwendig erachtet, um Tatsachen im Zusammenhang mit der Verletzung von Sanktionen zu klären. Der Ausschuss kann keine Strafmassnahmen beschliessen, sondern den Mitgliedstaaten der UNO nur nahelegen, die Unternehmen rechtlich zu verfolgen, die gegen die Sanktionen verstossen haben, wie dies eine ganze Reihe von Ländern tut; c. Empfehlungen auszuarbeiten, wie die Mitglied Staaten Beschlüsse des Sicherheitsrats wirkungsvoller durchführen können.

Der Ausschuss ist wie der Sicherheitsrat zusammengesetzt. Seine Sitzungen sind jedoch nicht öffentlich.

Sobald der Ausschuss über Informationen verfügt, wonach Sanktionen möglicherweise verletzt worden sind, ersucht er den Generalsekretär, diese Informationen der betreffenden Regierung zu übermitteln und ihr zu beantragen, eine Untersuchung einzuleiten und unter Umständen geeignete Massnahmen zu ergreifen. Trifft die Antwort der Regierung nicht innerhalb einer bestimmten Frist ein, so wird das betreffende Land auf die Liste der Staaten gesetzt, deren Antworten ausstehen. Diese Liste wird offiziell veröffentlicht und ständig nachgeführt.

Erachtet der Ausschuss die Antwort einer Regierung als unbefriedigend, so fordert er zusätzliche Auskünfte, insbesondere Ursprungszeugnisse an; Ursprungszeugnisse aus der Republik Südafrika werden nicht als Beweis für den nichtrhodesischen Ursprung einer Ware anerkannt.

f.

Westsahara

Seit zehn Jahren befasst sich die Generalversammlung der UNO aufgrund von Kapitel XI der Charta mit dem Problem der Wes'tsahara, einem nichtautonomen Gebiet, das bis 1975 unter spanischer Verwaltung stand. Die bis 1974 von der Generalversammlung gefassten Resolutionen zielten darauf ab, die Verwaltungsmacht zu veranlassen, in Konsultationen mit Marokko und Mauretanien sowie allen andern interessierten Parteien den Bestrebungen der autochthonen Bevölke-

857

rung nachzukommen und die Modalitäten für ein Referendum unter Aufsicht der UNO festzulegen. Damit sollte der Bevölkerung dieses Gebiets ermöglicht werden, ihr Selbstbestimmungsrecht auszuüben. Im Dezember 1974 verabschiedete die Generalversammlung auf Antrag von Marokko, welches die Sahara als integralen Bestandteil seines Territoriums betrachtet, eine Resolution1), mit welcher sie den Internationalen Gerichtshof um ein Rechtsgutachten ersuchte, den Entkolonisierungsausschuss aufforderte, eine Besuchsmission in dieses Gebiet zu entsenden, und Spanien darum bat, das vorgesehene Referendum vorläufig aufzuschieben.

Die Westsahara-Frage erhielt in den letzten Monaten des Jahres 1975 neue Dimensionen und drohte in einen bewaffneten Konflikt zwischen den drei betroffenen Nachbarstaaten, zwischen Marokko und Mauretanien einerseits und Algerien anderseits, auszuarten. Ausgelöst wurde diese Entwicklung durch den Beschluss Spaniens, sich aus dem Gebiet zurückzuziehen, sowie'dadurch, dass die betroffenen Staaten die Schlussfolgerungen der Besuchsmission und des Gutachtens des Gerichtshofs verschieden interpretierten. Nach dem Beschluss Marokkos, einen «Grünen Marsch» in Richtung Westsahara zu organisieren, nahm der Sicherheitsrat verschiedene Resolutionen an, in denen Spanien, Algerien, Marokko und Mauretanien aufgefordert wurden, jede einseitige oder sonstige Aktion zu vermeiden, welche die Spannung verschärfen könnte.

Spanien, Marokko und Mauretanien einigten sich kurz darauf auf eine Grundsatzerklärung, wonach Spanien die Macht an eine provisorische marokkanischmauretanische Verwaltung in Zusammenarbeit mit der Djemaa (Notabeinversammlung) übergeben sollte. Doch Algerien sprach der Erklärung die Gültigkeit ab, da diese seiner Ansicht nach gegen die Resolutionen des Sicherheitsrats verstosse. Algerien vertrat die Ansicht, dass die spanische Regierung weiterhin der UNO und der Völkergemeinschaft gegenüber verantwortlich sei und dass die Generalversammlung geeignete Beschlüsse zu fassen habe, um die Ausübung des Selbstbestimmungsrechts durch das Volk der Westsahara zu garantieren.

Die Verlegenheit der Völkergemeinschaft zeigt sich darin, dass die Generalversammlung 1975 auf Antrag von Marokko und von Algerien zwei Resolutionen zu dieser Frage 2) verabschiedete, die einige sich widersprechende Punkte enthalten.
Mehrere Vermittlungsaktionen zwischen den Betroffenen fanden statt. In bezug auf die Frage, ob die Schweiz ihre guten Dienste in einem solchen Fall zur Verfügung stellen könne, hat der Bundesrat in seiner Antwort auf die Interpellation Carobbio3) unterstrichen, dass dies nur auf Verlangen aller betroffenen Parteien in Betracht komme.

D Resolution 3292 (XXIX) vom 13. Dezember 1974.

2> Resolutionen 3458 A und 13 (XXX) vom 10. Dezember 1975.

3) Amtliches Bulletin der Bundesversammlung, Nationalrat, Frühjahrssession 1977, Carobbio, S. 47 ff.

858 g.

Verschiedenes

i.

Bangladesch

Der Ausbruch der Feindseligkeiten zwischen Pakistan und Indien wegen Ostpakistan (dem heutigen Bangladesch) im November 1971 hat einmal mehr deutlich gemacht, in welchen Schwierigkeiten sich der Sicherheitsrat bei schweren internationalen Konflikten befindet, wenn er durch die Ausübung des Vetorechts blockiert ist.

In der ersten Phase der Auseinandersetzung zeigte es sich, dass allein die Generalversammlung in der Lage war, eine - nicht zwingende - Resolution zu einem Konflikt zu fassen, der die Völkergemeinschaft und die Grossmächte weitgehend spaltete. Die Resolution " der Generalversammlung richtete einen Appell an den Sicherheitsrat, der' sich schliesslich drei Wochen später auf einen Text 2) einigen konnte. Darin wurden die Grundsätze und Faktoren festgehalten, die für eine Stabilisierung der Lage als notwendig erachtet wurden und Verhandlungen zwischen Pakistan und Indien möglich machen sollten.

Die Vereinten Nationen spielten auch eine wichtige Rolle dadurch, dass sie ihre guten Dienste zur Lösung bestimmter humanitärer Probleme, insbesondere der Flüchtlingsfrage anboten.

Es sei in diesem Zusammenhang daran erinnert, dass sowohl Indien als auch Pakistan die Schweiz ersuchten, ihre Interessen bei der anderen Konfliktspartei zu vertreten.

ii.

Timor

Wie im Fall von Angola ging auch in Osttimor der Entkolonisierungsprozess nicht friedlich vonstatten. Nach der einseitigen Unabhängigkeitserklärung vom 28. November 1975 durch die FRETILIN und der anschliessenden bewaffneten Intervention Indonesiens fasste die Generalversammlung im selben Jahr eine gegenüber Indonesien ziemlich harte Resolution3', wodurch die Angelegenheit vor den Sicherheitsrat kam. Dieser bestätigte - ohne Indonesien zu verurteilen - das Recht des Volks von Osttimor auf Selbstbestimmung und Unabhängigkeit und bedauerte gleichzeitig die indonesische Intervention und das Versagen Portugals41. Der Generalsekretär wurde ersucht, einen Vertreter zur Beurteilung der Lage an Ort und Stelle zu entsenden. Fast unüberwindbare Hindernisse führten dazu, dass diese Mission nur sehr beschränkte Ergebnisse zeitigte. Eine zweite » ' 3) 4) 2

Resolution 2793 (XXVI) vom 7. Dezember 1971.

Resolution 307 (1971).

Resolution 3485 (XXX) vom 12. Dezember 1975.

Resolution 384 (1975).

859

Resolution des Sicherheitsrats '> fordert wie die erste, dass Indonesien alle seine Truppen zurückziehe und der Generalsekretär seine Konsultationen fortsetze.

Während der Verhandlungen konnten die Vertreter der drei in Timor bestehenden Bewegungen vor dem Sicherheitsrat ihre Auffassungen darlegen.

In der Timor-Frage-sind die Entwicklungsländer unter sich gespalten; die einen wünschen Indonesien zu verurteilen, während die anderen für die Interventionsgründe Verständnis zeigen, ohne sie jedoch zu billigen.

iii.

Chile

Seit dem Sturz der Regierung Allende im Jahre 1973 befasste sich die Generalversammlung jedes Jahr mit der Achtung der Menschenrechte in Chile. Die Resolutionen, die zu diesem Thema gefasst wurden, verurteilten in mehr oder weniger scharfer Form die Politik des neuen Regimes, das sich im Umgang mit seinen politischen Gegnern oft schwere Verstösse gegen die Allgemeine Erklärung der Menschenrechte und die Menschenrechtspakte, die von Chile ratifiziert worden sind, zuschulden kommen liess. Eine spezielle Arbeitsgruppe, die von der Menschenrechtskommission der Vereinten Nationen ernannt wurde, hat diese Verstösse-aufgrund von Befragungen von Flüchtlingen - eine Einreise nach Chile wurde ihr nicht gestattet - denn auch eindeutig festgestellt.

Die Tätigkeit der UNO auf diesem Gebiet, aber auch jene einiger Spezialorganisationen, insbesondere der UNESCO und der ILO, mögen dazu beigetragen haben, dass sich die Verhältnisse in Chile besserten. Die Freilassung einer grossen Zahl politischer Häftlinge Ende 1976 hat ihrerseits mitgeholfen, die Stimmung gegen Chile etwas zu verbessern. So war es der Generalkonferenz der UNESCO von 1976 möglich, einen Text zur Annahme zu bringen, dem die Mehrheit der westlichen Staaten, darunter auch die Schweiz, zustimmen konnten.

h.

Abrüstung

Statt von «Abrüstung» sollte eher von «Rüstungskontrolle» gesprochen werden; denn dieser Oberbegriff erfasst sowohl die Massnahmen, welche eine Begrenzung der Rüstung zur Folge haben, wie auch die eigentliche Abrüstung, welche bestehende Waffen eliminiert oder Waffenarsenale abbaut. Von einigen kleinen Ausnahmen abgesehen, haben die internationalen Anstrengungen der letzten Jahre nicht über die Rüstungsbegrenzung hinausgeführt. Mit dieser Feststellung soll der Wert der fraglichen Ergebnisse nicht geschmälert werden, sind doch auch sie Schritte auf dem langen und beschwerlichen Weg zur Bannung der Gefahr einer Vernichtung der Menschheit mit ihren eigenen Waffen.

i) Resolution 38.9 (1976).

860

Abrüstungsverhandlungen können bilateral (z. B. SALT, UdSSR/USA), regional (z. B. kernwaffenfreie Zonen) oder auf universeller Ebene durchgeführt werden.

Forum für die universellen wie auch gewissermassen Dach- und Koordinationsinstanz für die regionalen und bilateralen Abrüstungsbemühungen ist die UNO, die damit in diesem Bereich eine äusserst wichtige Rolle spielt.

In der UNO selbst befassen sich zur Hauptsache die Generalversammlung und deren I.Kommission mit den Abrüstungsfragen, wobei in der Regel letztere die Geschäfte vorbehandelt und entsprechende Resolutionsentwürfe an die Generalversammlung weiterleitet. Die daraufhin von der Generalversammlung verabschiedeten Resolutionen enthalten entweder bereinigte Vertragstexte, die in der Folge zur Unterzeichnung oder Ratifikation durch alle Staaten aufgelegt werden, oder sie stellen Richtlinien und Aufträge an andere UNO-Instanzen oder Empfehlungen an einzelne oder alle Staaten dar. Die Richtlinien und Aufträge der UNO-Generalversammlung im Abrüstungsbereich sind vor allem für die in Genf tagende Konferenz des Abrüstungsausschusses (CCD - Conférence du Comité du Désarmement) bestimmt, welche das eigentliche Verhandlungs- und Arbeitsgremium für die Abrüstung im universellen Rahmen ist. Am Ende jedes Verhandlungsjahres erstattet der Genfer Abrüstungsausschuss zuhanden der UNO-Generalversammlung einen Bericht, der dann wieder die Grundlage für die Debatten in der l. Kommission und der Generalversammlung darstellt.

Nach dem 1968 zur Unterzeichnung aufgelegten und 1970 in Kraft getretenen Vertrag über die Nichtverbreitung von Kernwaffen sind im Rahmen der soeben dargelegten Verhandlungsinstanzen folgende weitere Verträge ausgearbeitet worden: der Vertrag über das Verbot der Anbringung von Kernwaffen und andern Massenvernichtungswaffen auf dem Meeresboden und im Meeresgrund vom l I.Februar 197l 1 '; das Übereinkommen vom 10. April 19722) über das Verbot der Entwicklung, Herstellung und Lagerung bakteriologischer (biologischer) Waffen und von Toxinwaffen sowie über die Vernichtung solcher Waffen; das Übereinkommen über das Verbot der Verwendung von Techniken für die Umweltsveränderung für militärische und andere feindliche Zwecke3). Dieser Vertrag ist 1977 zur Unterzeichnung und Ratifikation aufgelegt worden.

Im Juni 1975, fünf Jahre nach dessen
Inkrafttreten, ist in Genf die Konferenz der Vertragsparteien zur Überprüfung des Atomsperrvertrags durchgeführt worden.

Gegenwärtig ist eine entsprechende Konferenz hinsichtlich des Vertrags über das Verbot der Anbringung von Kernwaffen und andern Massenvernichtungsmitteln auf dem Meeresboden in Vorbereitung, der ebenfalls fünf Jahre nach seinem Inkrafttreten, also 1977, einer Überprüfung unterzogen werden muss.

» In Kraft seit dem 18. Mai 1972.

a In Kraft seit dem 26. März 1975.

3> Resolution 31/72 vom 10. Dezember 1976.

861 Im übrigen haben sich die weltweiten Abrüstungsbemühungen insbesondere auf folgende Gebiete erstreckt: das vollständige Verbot der Kernwaffenversuche; das Verbot der Entwicklung, Herstellung und Lagerung chemischer Waffen ; das Verbot der Entwicklung und Herstellung neuer Massenvernichtungswaffen; die Reduktion der Militärbudgets; die allgemeine und vollständige Abrüstung; die Weltabrüstungskonferenz. Schliesslich hat sich der Genfer Abrüstungsausschuss während der letzten Zeit auch ständig darum bemüht, seine eigenen Arbeitsmethoden zu verbessern, was nicht zuletzt den verhältnismässig raschen Abschluss der Verhandlungen über den «Umweltkrieg» ermöglicht hat.

Nachfolgend sollen einige dieser Unterfangen näher beleuchtet werden:

i.

Kernwaffenversuche

Das bisherige Teststoppabkommen von 1963 klammert einerseits die Untergrundexplosionen aus, anderseits gehören ihm die beiden Kernwaffenmächte Frankreich und China nicht an. Jede Generalversammlung der letzten Jahre hat daher zumindest in einer Resolution die Kernwaffenversuche verurteilt und die Notwendigkeit unterstrichen, alle derartigen Experimente einzustellen und einen Vertrag über ein umfassendes Verbot abzuschliessen. Eine 1975 verabschiedete Resolution 1 ' hat die Kernwaffehmächte und 25-30 durch den Präsidenten der Generalversammlung zu bestimmende weitere Staaten eingeladen, bis spätestens am 31. März 1976 Verhandlungen über einen entsprechenden Vertrag aufzunehmen.

Sie blieb jedoch bis jetzt wirkungslos, weil die notwendige Verhandlungsgruppe nicht bestellt werden konnte 2 '. Auch ist noch kein baldiger Abschluss der Bemühungen ersichtlich.

ii.

Chemische

Waffen

Das sogenannte Genfer Protokoll über das Verbot der kriegsmässigen Verwendung von giftigen und ähnlichen Gasen und von bakteriologischen Mitteln vom 17. Juni 1925 ist durch das bereits erwähnte Übereinkommen von 1972 über das Verbot der Entwicklung, Herstellung und Lagerung von B-Waffen ergänzt worden. Ursprünglich wollte man in den neuen Vertrag auch gleichzeitig die chemischen Waffen einbeziehen, was sich dann aber insbesondere wegen der Kontrollprobleme als unmöglich erwiesen hatte. Daher sind im Rahmen der UNO die Bemühungen um einen parallelen Vertrag für C-Waffen fortgesetzt worden. Jedes Jahr hat die UNO-Generalversammlung auch dazu eine Resolution verabschiedet, die letzte am 10. Dezember 19763'. Im Genfer Abrüstungsausschuss sind be» Resolution 3478 (XXX) vom l I.Dezember 1975.

2> Resolution 31/89 vom 14. Dezember 1976.

3' Resolution 31/65 vom 10. Dezember 1976.

862 reits verschiedene Vertragsentwürfe eingebracht worden. Bis heute hat man sich noch nicht einigen können, doch scheinen die Aussichten für einen baldigen Erfolg nicht schlecht zu stehen.

iii.

Verbot der Entwicklung und Herstellung neuer Massenvernichtungswaffen oder entsprechender Systeme

Die Idee zum Verbot der Entwicklung und Herstellung neuer Massenvernichtungswaffen oder entsprechender Systeme ist in einer Resolution der 30. UNOGénéral Versammlung D zum Ausdruck gebracht und in der Folge im Genfer Abrüstungsausschuss weiter diskutiert worden. In Anbetracht der mit diesem Vorhaben verbundenen Schwierigkeiten - man denke nur an die Überwachung - erscheint sein Ausgang vorläufig als zweifelhaft.

iv.

Allgemeine und vollständige Abrüstung; atomwaffenfreie

Zonen

Das Endziel aller Abrüstungsbemühungen ist die allgemeine und vollständige Abrüstung, ein Traktandum, das ebenfalls seit langem die UNO-Instanzen beschäftigt und es ihnen ermöglicht, sich zu Fragen zu äussern, die an sich in andern Gremien behandelt werden. So finden sich z. B. unter diesem Titel regelmässig Empfehlungen an die beiden Supermächte, in ihren bilateralen Abrüstungsgesprächen demnächst zu weiteren Erfolgen zu gelangen. Die UNO beschäftigt sich auch regelmässig mit der Frage der kernwaffenfreien Zonen, sei es, dass Resolutionen über konkrete Gebiete gefasst werden, z. B. Afrika, Mittlerer Osten, sei.es, dass die Angelegenheit in ihrer generellen Tragweite untersucht wird 2) .

v.

Weltabrüstungskonferenz und ausserordentliche Generalversammlung über Abrüstung

Seit einigen Jahren wird in der UNO auf Bestreben der Sowjetunion über die Opportunität einer Weltabrüstungskonferenz diskutiert, zu welcher'auch Nichtmitgliedstaaten der Organisation eingeladen wären. Bis heute ist kein entsprechender Beschluss gefasst worden. Hingegen hat die 31. Generalversammlung von 1976 einen Spezialausschuss zur Vorbereitung einer solchen Konferenz eingesetzt«.

Die gleiche Generalversammlung hat auf Vorschlag der blockfreien Staaten beschlossen, im Mai/Juni 1978 eine ausserordentliche Generalversammlung abzu1) Resolution 3479 (XXX) vom l I.Dezember 1975.

2) u. N. Doc. A/10027/Add. 1.

J) Resolution 31/190 vom 21. Dezember 1976.

863

halten, die den Fragen der Abrüstung gewidmet sein wird ". Sie könnte eine weitere Vorbereitungsstufe für die Weltabrüstungskonferenz bilden oder aber diese ersetzen.

vi.

Schweizerische Haltung gegenüber den internationalen Abrüstungsbemühungen

Die Schweiz teilt die Auffassung, wonach es für die Erhaltung der internationalen Gesellschaft unbedingt notwendig ist, so bald als möglich zu einer Beendigung des nuklearen Wettrüstens, zu einer nuklearen Abrüstung wie auch zu geeigneten Massnahmen im Bereich der sogenannten konventionellen Waffen zu gelangen.

Sie unterstützt denn auch die in diese Richtung gehenden internationalen Bemühungen und beteiligt sich an den entsprechenden Massnahmen, soweit ihr Statut der dauernden Neutralität dies gestattet und sofern die fraglichen Massnahmen gewisse grundsätzliche Bedingungen erfüllen. So ist die Schweiz Partei des Teststoppabkommens von 1963, des Atomsperrvertrages von 1968, des Vertrages über das Verbot der Anbringung von Massenvernichtungswaffen auf dem Meeresgrund von 1971 und des Übereinkommens über das Verbot der biologischen und Toxinwaffen von 1972. Des weitern hat sie auch den Weltraumvertrag von 1967 ratifiziert, der ebenfalls wesentliche Rüstungsbegrenzungsmassnahmen beinhaltet.

i.

Weltvertrag über Gewaltverzicht in den internationalen Beziehungen

An der 31. Generalversammlung von 1976 schlug die Sowjetunion - wie dies am 25. Parteitag der KPdSU angekündigt worden war - einen Weltvertrag über Gewaltverzicht in den internationalen Beziehungen vor 2 '. Die Umschreibung des Gewaltverzichts im Vertragsentwurf entspricht praktisch der Formulierung von Artikel 2 Ziffer 4 der UNO-Charta mit einigen konkreten Ergänzungen. Der Entwurf anerkennt ausdrücklich den Vorrang der Bestimmungen der Charta und früher geschlossener Abkommen, womit aus sowjetischer Sicht vor allem drei politisch wichtige Ausnahmen vom Prinzip des Gewaltverzichts gewährleistet sind, nämlich das Recht der Staaten auf individuelle und kollektive Selbstverteidigung, das Recht auf den Kampf für die Beseitigung der Folgen eines Angriffs und das Recht auf Befreiung von kolonialer und rassistischer Herrschaft unter Anwendung aller zur Verfügung stehenden Mittel. Die Prüfung des sowjetischen Vorschlags wird an der 32. Generalversammlung von 1977 aufder Grundlage der Bemerkungen der Mitgliedstaaten wieder aufgenommen werden.

i> Resolution 31/l 89 B vom 21. Dezember 1976.

2) U. N. Doc. A/31/243, Anhang II.

864

2.

a.

Rechtsfragen Kodifizierung des Völkerrechts

Seit unserem -letzten Bericht wurden die Arbeiten der Völkerrechtskommission (ILC) mit der Einberufung einer einzigen Konferenz fortgesetzt. Es handelt sich um die Konferenz über die Beziehungen zwischen den Staaten und den internationalen Organisationen i>. Es sei jedoch daran erinnert, dass die Generalversammlung für zwei wichtige Bereiche - das Weltraumrecht und das Seerecht ·Ad-hoc-Organe mit der Ausarbeitung von Übereinkommensentwürfen betraut hat; diese sind nicht wie die ILC aus unabhängigen Experten, sondern aus Regierungsvertretern zusammengesetzt. Die Fortschritte in diesen Bereichen werden weiter unten erläutert2*.

Ein Entwurf des Übereinkommens über die Verhütung und Verfolgung von Straftaten gegen völkerrechtlich geschützte Personen einschliesslich Diplomaten wurde 1973 der 6. Kommission der Generalversammlung unterbreitet, welche sich mit Rechtsfragen befasst3>. Unserem Land wurde auf sein Ersuchen hin wie schon bei andern Gelegenheiten gestattet, an den Debatten der 6. Kommission teilzunehmen, doch umfasste der uns diesmal zugebilligte Status nur das Rederecht. Wir konnten im Gegensatz zu früher weder formelle Anträge stellen noch Abänderungsvorschläge unterbreiten. Nachdem die Schweiz sich bereits an der Prüfung der Rolle des Internationalen Gerichtshofes (ICJ) 4 > nur beschränkt beteiligen konnte, wird mit diesen neuerlichen Einschränkungen deutlich, auf welche Schwierigkeiten unser Land stösst, wenn uns direkt interessierende Fragen in der O.Kommission behandelt werden5'.

Das Übereinkommen über die Verhütung und Verfolgung von Straftaten gegen völkerrechtlich geschützte Personen einschliesslich Diplomaten wurde von der Generalversammlung am 14. Dezember 1973 6) angenommen. Es verpflichtet die Vertragsstaaten zur Auslieferung und Aburteilung von Urhebern bestimmter Straftaten, die gegen Personen gerichtet sind, die nach Völkerrecht einen besonderen Schutz geniessen. Die Schweiz hat dieses Übereinkommen nicht unterzeich» Kapitel III Ziffer 2 Buchstabe c.

2> Kapitel III Ziffer 2 Buchstaben e und /.

3) Bereits früher einmal beschloss die Generalversammlung, der 6. Kommission und nicht einer Konferenz von Bevollmächtigten die Ausarbeitung eines Übereinkommens zu übertragen. Dadurch hatte die Schweiz nicht die Möglichkeit, sich an der Endphase der Kodifikationsarbeiten der UNO zu
beteiligen: Es handelte sich damals um die Entwürfe von Artikeln über die Sondermissionen, die 1968 und 1969 in der 6. Kommission behandelt wurden. Auf ihr Ersuchen hin wurde die Schweiz mit beratender Stimme bei den Verhandlungen zugelassen, die am 8. Dezember 1969 mit der Annahme des Übereinkommens über Sondermissionen endeten.

4 > Kapitel II Ziffer 5 Buchstabe e.

» Unser Bericht von 1971, BEI 1972 I 14 ff.

6> Resolution 3166 (XXVII) vom 14. Dezember 1973.

865

net, weil gewisse Bestimmungen zweideutig abgefasst sind und dadurch die Wirksamkeit der Konvention beschränkt ist. Sollten die tatsächlichen Erfahrungen jedoch erweisen, dass diese Bestimmungen die Durchführung des - übrigens noch nicht in Kraft getretenen - Übereinkommens nicht beeinträchtigen, so könnte die Schweiz die Möglichkeit des Beitritts prüfen.

Die ILC hat sich im Verlauf der letzten Jahre mit einer Reihe von wichtigen und umstrittenen Themen des Völkerrechts beschäftigt: Staatensukzession, völkerrechtliche Haftung, Meistbegünstigungsklausel, Verträge zwischen Staaten und internationalen Organisationen oder zwischen internationalen Organisationen, Nutzung der Wasserwege zu anderen Zwecken als zur Schiffahrt. Die Arbeiten der ILC über die Staatensukzession bei Verträgen sind so weit fortgeschritten, dass im Jahre 1977 einer internationalen Konferenz ein Entwurf von Artikeln unterbreitet werden kann.

Erwähnt sei in diesem Zusammenhang, dass das Wiener Übereinkommen vom 23. Mai 1969 über das Vertragsrecht, das die Schweiz nicht unterzeichnet hat, immer noch nicht in Kraft getreten ist.

Die Bundesrepublik Deutschland schlug 1976 anlässlich der 31. Generalversammlung vor, ein Übereinkommen über die Geiselnahme auszuarbeiten. Auch wenn der Entwurf von den Autoren in den Zusammenhang mit der Völkerrechtskodifizierung gestellt wurde, kommt ihm doch vor allem politische Bedeutung zu. Die Generalversammlung stimmte der Initiative, zu und beschloss mit Konsensus", die Ausarbeitung dieses Übereinkommens einem aus 35 Mitgliedern bestehenden Spezialausschuss zu übertragen.

Obwohl sich die Kodifizierung des Völkerrechts immer mehr bei der UNO konzentriert, sind doch auch die Arbeiten zu erwähnen, die im Rahmen der von der Schweiz einberufenen Diplomatischen Konferenz zur Ergänzung und Verbesserung des humanitären Völkerrechts geleistet werden2).

b.

Übereinkommen über Sondermissionen

Wie wir bereits in unserem zweiten Bericht erwähnten3), hat die Schweiz das Übereinkommen über Sondermissionen unterzeichnet, das von der 6. Kommission ausgearbeitet und von der Generalversammlung der UNO am 8. Dezember 1969 angenommen worden ist. Im Hinblick auf die Genehmigung der Konvention wurde Ihnen eine Botschaft4) unterbreitet. Eine ganze Reihe von Gründen sprechen für die Ratifizierung dieses Vertragsinstruments durch die Schweiz.

D 2) 3) t)

Resolution 31/103 vom 15. Dezember 1976.

Kapitel III Ziffer 2 Buchstabe d.

Unser Bericht von 1971, BEI 1972 I 15 f.

BB1 1976 III 301.

866

Als Empfangsstaat für zahlreiche Sondermissionen spielt unser Land eine wichtige Rolle im Bereich der Ad-hoc-Diplomatie, die Gegenstand des Übereinkommens ist. Zwar wurde die Konvention bisher nur von wenigen Staaten ratifiziert, doch könnte eine positive Stellungnahme der Schweiz dazu führen, dass andere Staaten diesem Vertragsinstrument ebenfalls beitreten, das zum erstenmal das Gewohnheitsrecht und die staatliche Praxis in diesem Bereich erfasst und systematisiert.

Sowohl die Qualifikation einer Mission als Sondermission als auch die Entsendung und die Aufgaben der Sondermission bedürfen der Zustimmung des Empfangsstaates. Da dieser selbst die Grenzen seiner Empfangspolitik bestimmt, kann er nicht gezwungen werden, solche Missionen zu empfangen. Ferner sei hervorgehoben, dass das Übereinkommen der schweizerischen Praxis in bezug auf den Empfang und den Status der Sondermissionen entspricht. Die Schweiz hatte daher schon mehrfach Gelegenheit, das Übereinkommen faktisch anzuwenden (SALT-Verhandlungen, Konferenz über Sicherheit und Zusammenarbeit in Europa, Diplomatische Konferenz über die Neubestätigung und Weiterentwicklung des humanitären Rechts, Schiedsgericht in der Beagle-Channel-Angelegenheit, Schiedsgericht zur Bestimmung des Festlandsockels zwischen Frankreich und Grossbritannien usw.).

c.

Übereinkommen über die Beziehungen zwischen den Staaten und den internationalen Organisationen

Die Konferenz der Vereinten Nationen über die Beziehungen zwischen den Staaten und den internationalen Organisationen fand vom 4. Februar bis 14. März 1975 in Wien statt. Aufgabe der Konferenz war die Ausarbeitung eines Übereinkommens, das den Status der ständigen Missionen bei internationalen Organisationen und der Delegationen bei Organen und Konferenzen einschliesslich der Beobachtermissionen und -delegationen regeln soll. Bekanntlich ist das auf die bilateralen Beziehungen anwendbare «klassische» diplomatische Recht im Wiener Übereinkommen von 1961 und das konsularische Recht im Wiener Übereinkommen von 1963 kodifiziert worden. Eine andere Konvention » betrifft die Sondermissionen, d. h. die Missionen, die für einen begrenzten Zeitraum von einem Staat in einen anderen zur Behandlung einer bestimmten Angelegenheit entsandt werden. Die Konferenz von 1975 stellte folglich die vierte Arbeitsetappe in der Kodifizierung des diplomatischen Rechts im weiteren Sinn dar->.

Den Teil des Übereinkommens, der den ständigen Missionen und den ständigen Beobachtermissionen gewidmet ist, dürfte die Schweiz als Gaststaat annehmen » Kapitel III Ziffer 2 Buchstabe *.

> In der Schlussabstimmung wurde das Übereinkommen mit 57 Stimmen gegen l bei 15 Enthaltungen angenommen. Zu den letzteren gehörten fast alle Sitzstaaten (USA, Kanada, Grossbritannien, Frankreich, Österreich, die Schweiz).

2

867

können ; er ist zufriedenstellend, berücksichtigt man, dass unser Land eine wichtige ständige Beobachtermission bei der UNO in New York unterhält. Jedoch geben die Bestimmungen über die Sicherheitsmassnahmen, welche das Gastland ergreifen kann, Anlass zu Vorbehalten, vor allem weil eine Klausel fehlt, nach der ein Mitglied einer ständigen Mission zur «persona non grata» erklärt werden kann.

In bezug auf den Teil der Konvention, der von den Delegationen bei Organen und Konferenzen handelt, bestehen erhebliche Vorbehalte, denn aufgrund dieser Bestimmungen wird der volle Diplomatenstatus Personengruppen gewährt, die sich im Gastland häufig nur wegen weniger wichtiger und kurzer Tagungen von Organen mit technischen Aufgaben aufhalten. Dasselbe gilt für die Artikel über die Beobachterdelegationen bei Organen und Konferenzen. Diesen Bestimmungen fehlt der Wirklichkeitssinn; sie erschweren die Annahme der gesamten Konvention. Aus diesen Gründen hat die Schweiz wie die meisten wichtigen Gastländer das Übereinkommen nicht unterzeichnet.

d.

Humanitäres Völkerrecht

Die Generalversammlung hat ihr Interesse für die Arbeiten der Diplomatischen Konferenz, über die Neubestätigung und Weiterentwicklung des humanitären Rechts in Zeiten bewaffneter Konflikte (CDDH) bekundet, welche auf Einladung des Bundesrates von 1974 bis 1977 in Genf stattgefunden hat, um die Genfer Konventionen vom 12. August 1949 zu ergänzen.

Am Ende der vier zum Teil schwierigen Verhandlungsjahre hat die CDDH mit Konsensus zwei Zusatzprotokolle zu den Genfer Konventionen verabschiedet ; das erste betrifft die internationalen, das zweite die nicht internationalen bewaffneten Konflikte.

Das erste Protokoll weitet den Begriff des bewaffneten internationalen Konflikts aus «auf bewaffnete Konflikte, in denen die Völker in Ausübung ihres Rechts auf Selbstbestimmung gegen Kolonialherrschaft, gegen fremde Besetzung und gegen rassistische Regimes kämpfen, wie dies in der UNO-Charta sowie in der Erklärung über die Prinzipien des Völkerrechts über'die freundschaftlichen Beziehungen und Zusammenarbeit zwischen den Staaten verankert ist».

Das zweite Protokoll vervollständigt den allen vier Genfer Konventionen gemeinsamen Artikel 3, geht jedoch weniger weit als der vom IKRK ausgearbeitete Entwurf. Die CDDH hat alle Bestimmungen herausgenommen, die eine Einmischung in die inneren Angelegenheiten eines Staates hätten bedeuten können oder die den Staat und die aufständische Gegenpartei einander gleichgestellt hätten.

Die Schlussakte der Konferenz vom 10. Juni 1977 ist nicht nur von den teilnehmenden Staaten unterzeichnet worden, sondern auch - und dies stellt eine Neuerung im

868

Völkerrecht dar - von den Befreiungsbewegungen, die an der CDDH ohne Stimmrecht mitgewirkt hatten.

Die CDDH hat auf den Gebieten des Schutzes der Zivilbevölkerung, der Gewährleistung der Grundrechte, der Kriegführung, des Zivilschutzes, der Hilfsmassnahmen usw., eine beachtliche Leistung erbracht, und sie hat das Problem des Verbots oder der Beschränkung des Einsatzes jener Waffen, die unnötige Leiden verursachen, geprüft.

Obwohl die CDDH nicht eine Konferenz der Vereinten Nationen war, wurden ihre Arbeiten stark von den politischen oder ideologischen Tendenzen der Organisation geprägt; die Schlusskompromisse zeugen davon.

Der Generalsekretär hat der Generalversammlung jedes Jahr detaillierte Berichte über die Arbeiten der CDDH unterbreitet. Diese waren Gegenstand von Resolutionen. Die Schweiz wurde ermächtigt, in der 6. Kommission zu dieser Frage, die sie ganz besonders interessiert, das Wort zu ergreifen. Seit der Gründung des IKRK und in ihrer Funktion als Depositarstaat der Genfer Konventionen hat die Schweiz bei der Ausarbeitung des humanitären Völkerrechts in der Tat stets eine sehr aktive Rolle gespielt.

Schliesslich ist darauf hinzuweisen, dass die CDDH an ihrer vierten und letzten Session mit Konsensus eine Resolution angenommen hat, in der sie beschloss, den Bericht über die Waffen, welche unnötige Leiden verursachen, an die Regierungen der an der CDDH vertretenen Staaten sowie an den Generalsekretär der Vereinten Nationen zu überweisen und empfahl, «dass bis spätestens 1979 eine Regierungskonferenz einberufen werde mit dem Auftrag, Übereinkommen über das Verbot oder die Beschränkung der Anwendung bestimmter konventioneller Waffen, einschliesslich jener, die als aussergewöhnlich schädlich oder unterschiedslos in ihrer Wirkung gelten können, auszuhandeln».

Die Arbeiten der CDDH auf diesem besonderen Gebiet haben viele Kontroversen hervorgerufen und werden aller Voraussicht nach im Rahmen der Generalversammlung weitergeführt werden.

e.

Internationales Weltraumrecht

In den vergangenen fünf Jahren wurden zwei Übereinkommen über Fragen des internationalen Weltraumrechts zur Unterschrift aufgelegt. Am 26. November 1973 haben Sie das Übereinkommen über die völkerrechtliche Haftung für Schäden durch Weltraumgegenstände genehmigt, das für unser Land am 22. Januar 1974 in Kraft trat1'. Das Übereinkommen über die Registrierung von in den Weltraum gestarteten Gegenständen wurde von der Schweiz am 14. April 1975 unterzeichnet und wird Ihnen demnächst zur Genehmigung vorgelegt.

» AS 1974 784

Dass die Schaffung des Weltraumrechts in relativ langsamem Tempo vorangeht, ist durch die sehr grosse rechtliche und politische Vielschichtigkeit der Themen bedingt. So verhandelt der Ausschuss der Vereinten Nationen für die friedliche Nutzung des Weltraums seit mehr als sechs Jahren über eine Vereinbarung betreffend die Direktausstrahlung von Radio- und Fernsehprogrammen über Satelliten, und nichts spricht dafür, dass die Verhandlungspartner schnell zu einem Ende kommen werden; zwar sind sich alle darüber einig, dass diese Sendeart enorme Möglichkeiten in sich birgt, doch dürften die politischen Folgen beträchtlich sein.

Weitere Vorschläge werden zurzeit geprüft; sie betreffen einerseits die Fernerkundung von Bodenschätzen auf der Erde durch Satelliten und die Nutzung der dazu von den Weltraummächten gelieferten Informationen sowie anderseits die Erforschung des Mondes und die Ausbeutung seiner Bodenschätze.

Auch in bezug auf die Weltraumfragen befürwortet die Schweiz die Schaffung von soliden internationalen Rechtsgrundlagen ; sie hat daher alles Interesse daran, diese Verhandlungen zu verfolgen; sie kann jedoch weder als Mitglied noch als Beobachter daran teilnehmen, denn das Verhandlungsgremium, der Ausschuss der Vereinten Nationen für die friedliche Nutzung des Weltraumes, besteht nur aus 37 Staaten (bis 1974 waren es 28), und der Beobachterstatus ist ausschliesslich den übrigen Mitgliedern der UNO vorbehalten.

f.

Internationales Seerecht

Der Ausschuss für den Meeresboden wurde 1968 geschaffen; er sollte ab 1970 als vorbereitendes Organ für eine internationale Seerechtskonferenz wirken. 1973 wurde er von der Generalversammlung der UNO aufgelöst. Die Dritte Seerechtskonferenz tagte zum erstenmal im Dezember 1973 in New York und widmete sich dabei Organisationsfragen; die Beratungen über die materiellen Fragen wurden 1974 in Caracas begonnen und 1975 in Genf sowie 1976 während zweier Sessionen in New York fortgesetzt.

Dass die Konferenz bis heute nicht in der Lage war, die Seerechtskonvention zu verabschieden, mit deren Ausarbeitung die Generalversammlung sie beauftragt hat, ist vor allem darauf zurückzuführen, dass die Aufgabe ungewöhnlich umfangreich und die zu lösenden Probleme sehr vielschichtig sind. Es geht nämlich nicht nur darum, das gesamte geltende Seerecht zu revidieren, das im wesentlichen in den vier Übereinkommen enthalten ist, die 1958 im Anschluss an die Erste Seerechtskonferenz der UNO in Genf abgeschlossen worden war, sondern es sollte auch eine internationale Regelung für das ausserhalb der Grenzen nationaler Rechtsprechung liegende Gebiet des Meeresbodens geschaffen werden; diese neue Rechtsordnung für einen Raum, der bisher als Teil der hohen See galt, sieht vor allem die Schaffung einer internationalen Organisation vor, deren Aufgabe es ist, die Bodenschätze dieses Gebietes zu verwalten und deren Ausbeutung zu kontrollieren. Das künftige Übereinkommen wird ferner Regelungen über den Schutz des Meeres gegen Verschmutzung und über die Meeresforschung enthal-

870

ten. Im Verlauf der beiden 1976 in New York abgehaltenen Sessionen wurden Fortschritte im Hinblick auf eine allgemeine Vereinbarung erzielt. Wahrscheinlich wird die Konferenz 1977 ihre Arbeiten mit der Annahme eines Seerechtsübereinkommens beenden.

Die Schweiz nimmt an dieser Konferenz teil. Sie vertritt dabei die sehr unterschiedlichen Interessen eines Industriestaates, der nicht über ein Küstengebiet, aber über eine Handelsflotte unter eigener Flagge verfügt.

g.

Definition des Angriffs

Nach siebenjährigen Bemühungen ist es dem 1967 für die Ausarbeitung einer Definition des Angriffs geschaffenen Spezialausschuss gelungen, im Jahre 1974 mit Konsensus eine solche Definition zu verabschieden". Der Text ist das Ergebnis eines mühsamen und heiklen Kompromisses ; er wurde von der Generalversammlung ohne Abstimmung angenommen und definiert den Angriff in acht Artikeln.

Hervorgehoben sei, dass die genehmigte Definition dem Sicherheitsrat als Richtlinie dienen kann, ihn aber nicht in den ihm aus der Charta erwachsenden Rechten einschränkt, das Vorliegen einer Bedrohung oder eines Bruchs des Friedens oder einer Angriffshandlung festzustellen.

3.

Wirtschaftsfragen

a.

Entwicklungsfragen

Die UNO ist heute - wir haben es weiter oben dargestellt2' - das zentrale Forum, wo die wegleitenden Grundsätze der internationalen Wirtschaftsbeziehungen formuliert werden. In der Berichtszeit hat die Generalversammlung zwei Sondersessionen spezifischen Themen der internationalen Wirtschaftszusammenarbeit, insbesondere der Kooperation mit den Entwicklungsländern, gewidmet.

Die 1970 im Rahmen der internationalen Strategie für das zweite Entwicklungsjahrzehnt gesetzten Ziele sind zum grössten Teil nicht erreicht worden. Die weltweite Verschlechterung der wirtschaftlichen Konjunkturlage, die Erhöhung der Erdöl- und gewisser Rohstoffpreise sowie Preiserhöhungen für Industrieprodukte in den westlichen Staaten haben die meisten Entwicklungsländer hart getroffen und vor allem ihre Investitionskapazität merklich eingeschränkt. Im allgemeinen hat sich der Abstand zwischen reichen und armen Ländern noch vergrössert.

Im Zuge dieser Krise erarbeiteten die Entwicklungsländer die Konzeption einer neuen internationalen Wirtschaftsordnung, deren Grundsätze an der 6. ausseror» Resolution 3314 (XXIX) vom 14. Dezember 1974.

Namentlich unsere Ausführungen unter Kapitel II Ziffer 2 Buchstabe b.

2)

871

dentlichen Generalversammlung der Vereinten Nationen von 1974 mit einer Erklärung und einem Aktionsprogramm für eine neue Weltwirtschaftsordnung11 verabschiedet und von der 29. Generalversammlung desselben Jahres durch eine Charta der wirtschaftlichen Rechte und Pflichten der Staaten21 ergänzt worden sind. Der Wille der Entwicklungsländer, eine solche Neuordnung durchzusetzen, manifestiert sich seither in allen Organen, SpezialOrganisationen und Konferenzen der Vereinten Nationen sowie in internationalen Organisationen und Konferenzen ausserhalb der UNO. Obwohl die wichtigsten Industriestaaten von Anfang an massgebliche Vorbehalte angebracht hatten, haben die Forderungen der Dritten Welt ihnen und den westlichen Staaten insgesamt doch auch bewusstgemacht, dass die mangelnde Ausgeglichenheit der heutigen Weltwirtschaft auf längere Sicht politische Risiken in sich birgt und dass sie den Problemen der Entwicklungsländer mehr Beachtung schenken müssen. So gelang es an der 7. ausserordentlichen Generalversammlung von 1975, ein günstiges Klima zu schaffen, das dazu beitrug, den Dialog zwischen den Industriestaaten und den Entwicklungsländern über gewisse Punkte einer Neuen Weltwirtschaftsordnung einzuleiten.

i.

. Neue

Weltwirtschaftsordnung

Die Neue Weltwirtschaftsordnung ist ein Vorschlag der Gesamtheit der in der Gruppe der «77» vertretenen Entwicklungsländer. Sie beruht auf dem Willen dieser Länder, die Strukturen des internationalen Wirtschaftssystems so zu ordnen, dass sie daraus grössere Vorteile ziehen können.

Die Neue Weltwirtschaftsordnung geht von zwei Feststellungen aus, zu denen die Länder der Dritten Welt gelangt sind: i. die heutige, auf dem Prinzip der Marktwirtschaft basierende Ordnung, die durch das Spiel von Angebot und Nachfrage sowie dadurch gekennzeichnet ist, dass die Initiative dem privaten Sektor überlassen wird, hat verhindert, dass sich die Entwicklungsländer einen gerechten Anteil am Welthandel sichern konnten; ii. die praktischen Ergebnisse der Entwicklungsstrategie, deren Konzeption auf das Ende der sechziger Jahre zurückgeht, haben sich im Vergleich zu den wirklichen Bedürfnissen als ungenügend erwiesen.

Die Errichtung der Neuen Weltwirtschaftsordnung bedingt eine Neustrukturierung der heutigen internationalen Wirtschaftsbeziehungen. Damit ist die geltende Wirtschaftsordnung in Frage gestellt. Als Staat, dessen Wirtschaft marktwirtschaftlich strukturiert ist und der in dieser Beziehung zur Gruppe der westlichen Industriestaaten gehört, wird die Schweiz von den entsprechenden Debatten in der UNO und vor allem in der Generalversammlung in hohem Masse betroffen.

Da die Schweiz in den wichtigsten Organen der UNO nicht vertreten ist, von denen die grundlegenden Impulse ausgehen und in denen die entscheidenden Optioi) Resolutionen 3201 (S-VI) und 3202 (S-VI) vom 1. Mai 1974.

-> Resolution 3281 (XXIX) vom 12. Dezember 1974.

872

nen getroffen werden, riskiert sie - und dies durch ihren eigenen Willen -, sich von der geistigen Auseinandersetzung abzusondern, die zur eigentlichen Konzeption der Massnahmen internationaler wirtschaftlicher Zusammenarbeit führt.

Ist es nötig, die Bedeutung der internationalen Beziehungen im Bereich der Wirtschaft für ein Land wie die Schweiz zu unterstreichen, dessen Wirtschaft nach aussen gerichtet ist? Unser wirtschaftlicher und sozialer Wohlstand ist weitgehend von der Entwicklung unserer ausländischen Partner abhängig, namentlich von jener der Länder der Dritten Welt, durch deren wirtschaftliche Entwicklung Bedürfnisse entstehen, die bedeutende Absatzmärkte eröffnen.

ii.

UNCTAD

In der Berichtszeit hat die UNCTAD, deren Mitglied die Schweiz bekanntlich ist, ausser den jährlichen Ratssitzungen und einigen Sondersessjionen zur Behandlung spezifischer Themen Vollversammlungen auf Ministerebene abgehalten.

Die UNCTAD III bemühte sich 1972 in Santiago de Chile, den Entwicklungsländern eine grössere Beteiligung an den Entscheidungen über die Reform des Weltwährungssystems und an den multilateralen Handelsverhandlungen im Rahmen des GATT zu sichern. Sie unterstrich die Notwendigkeit, die Anstrengungen im Bereich der Entwicklungshilfe auf die am wenigsten fortgeschrittenen, also die ärmsten Entwicklungsländer zu konzentrieren.

Die UNCTAD IV befasste sich 1976 in Nairobi vorrangig mit Rohstoff-Fragen.

Sie verabschiedete ein Programm, wonach eine Reihe von Verhandlungen über 18 Rohstoffe, die für die Entwicklungsländer von besonderem Interesse sind, aufgenommen und eventuell ein gemeinsamer Fonds zur Finanzierung von Ausgleichslagern errichtet werden sollen. Das Ziel ist, eine gewisse Stabilisierung der Märkte zu erreichen, damit Produzenten und Käufer keinen übermässigen Fluktuationen von Preisen und Wechselkursen ausgesetzt sind.

Im Bereich der Verschuldung kam man an der UNCTAD IV überein, weiterhin nach Mitteln zur Zusammenarbeit zu suchen, um den gelegentlich allzu drückenden Schuldendienst der in Schwierigkeit geratenen Entwicklungsländer zu vermindern.

Auf dem Gebiet der technischen und wirtschaftlichen Zusammenarbeit bemüht sich die UNCTAD um die Ausarbeitung eines Verhaltenskodex zur Erleichterung des Technologietransfers.

iii.

UNIDO

Die UNIDO, an deren Arbeiten sich die Schweiz als Mitglied des Rates von Anfang an beteiligt hat, ist weiterhin das Hauptinstrument der internationalen Zu-

873

sammenarbeit im Bereich der industriellen Entwicklung. 1976 feierte die Organisation den zehnten Jahrestag ihrer Gründung.

Die Zweite Generalkonferenz der UNIDO fand vom 12.-26. März 1975 in Lima statt. Die Mehrheit der Teilnehmerstaaten einschliesslich der Schweiz stimmten bei dieser Gelegenheit einer Erklärung und einem Aktionsplan zu, in denen die Grundsätze und Ziele der Industrialisierung der Entwicklungsländer sowie die Art und Weise der Zusammenarbeit mit den Industriestaaten festgelegt sind.

Auf Empfehlung der Konferenz von Lima beschloss die Generalversammlung, das Verfahren zur Umwandlung der UNIDO, welche heute ein Organ der Generalversammlung ist, in eine SpezialOrganisation einzuleiten. Sie erteilte dem intergouvernementalen Plenarausschuss vom 1. Januar 1976 an für ein Jahr den Auftrag, eine entsprechende Gründungsakte auszuarbeiten. Das Mandat wurde verlängert, damit der intergouvernementale Ausschuss während der ersten Hälfte 1977 seine Vorbereitungsarbeiten abschliessen könne. Das Ergebnis muss von einer Konferenz der Bevollmächtigten genehmigt werden, die in der zweiten Hälfte 1977 einberufen werden soll. Die Schweiz beteiligt sich aktiv an diesen Arbeiten.

Aus der ordentlichen Tätigkeit der UNIDO im Rat für industrielle Entwicklung sind zwei neue Spezialgebiete zu erwähnen: die Definition der Modalitäten für die Tätigkeit des Fonds für industrielle Entwicklung, dessen Errichtung durch die Konferenz von Lima empfohlen worden war, sowie die versuchsweise Aufnahme von sektoriellen Industrieberatungen, um die Schaffung neuer industrieller Produktionskapazitäten in den Entwicklungsländern zu erleichtern. Die erste Serie von Beratungen über Düngemittel einerseits und über Eisen und Stahl anderseits werden 1977 in Wien stattfinden.

Im Jahre 1974 hat die Schweiz der UNIDO zum drittenmal einen freiwilligen Beitrag zur Verfügung gestellt, damit Kurse und Seminare organisiert sowie Projekte in den Entwicklungsländern selbst finanziert werden konnten.

iv.

UNDP

Die Schweiz hat sich aktiv an der Reorganisation des Entwicklungsprogramms der Vereinten Nationen (UNDP) beteiligt, das im System der Vereinten Nationen zum zentralen Finanzierungsorgan für die multilaterale technische Zusammenarbeit geworden ist. Mit einem Programm von jährlich fast 500 Millionen Dollar, von dem mehr als 140 Länder oder Gebiete betroffen sind, ist das UNDP heute die wichtigste internationale Institution für die Finanzierung von Projekten und Programmen der technischen Zusammenarbeit und der Vorausinvestitionen, welche von den SpezialOrganisationen des Systems der Vereinten Nationen durchgeführt werden. Der schweizerische Beitrag betrug 1972 16,4 Millionen Franken, stieg auf 18,38 Millionen Franken im Jahre 1975 und erreichte 1976 die Höhe von 20,6 Millionen Franken.

874

Als Mitglied des Verwaltungsrats hat die Schweiz die Anstrengungen zur Rationalisierung der Arbeitsmethoden des UNDP unterstützt, insbesondere in bezug auf die Verteilung der Mittel unter den Empfängerstaaten und auf die Methoden der Auswahl und Vorbereitung von Entwicklungsprojekten. Das UNDP hat für jedes Land ein Programmierungssystem geschaffen, für das jeder Staat, der Hilfe des UNDP erhält, mit Unterstützung des Administrators und der Vertreter der SpezialOrganisationen der Vereinten Nationen einen Fünfjahresplan erstellt, der Angaben'darüber enthält, welche Hilfe der Staat vom UNDP aufgrund seiner Bedürfnisse und Prioritäten zu fordern gedenkt. Parallel dazu wurde die Stellung des residierenden Vertreters des UNDP gestärkt, was eine bessere Koordinierung der verschiedenen Organisationen des Systems der Vereinten Nationen in jedem Entwicklungsland sowie der eingesetzten Mittel erlaubt hat. 1975 führte der Verwaltungsrat des UNDP ein neues Verteilungssystem für die Fonds ein, das die Bevölkerungszahl und vor allem den Entwicklungsstand jedes Landes berücksichtigt und die Anstrengungen des UNDP noch mehr auf die am meisten benachteiligten Länder konzentriert.

Ende 1975 erlebte das UNDP eine Liquiditätskrise, die es zu einer einstweiligen Einschränkung seiner Operationellen Tätigkeiten zwang. Seither hat es sein Planungssystem verbessert, aber die SpezialOrganisationen haben diese vorübergehenden Schwierigkeiten zur Entwicklung ihrer eigenen technischen Hilfsprogramme und zur Verstärkung ihrer Autonomie gegenüber dem UNDP benützt.

Die Schweiz hat ferner ihre Tätigkeit auf dem Gebiet der assoziierten Hilfe fortgesetzt und eine bestimmte Anzahl von Entwicklungsprojekten, die von verschiedenen SpezialOrganisationen durchgeführt werden, entweder ganz oder teilweise finanziert. 1976 hat sie ausserdem einige Projekte übernommen, welche das UNDP andernfalls mangels ausreichender Finanzmittel hätte aussetzen müssen.

Die Schweiz hat auch ihr Programm für assoziierte Experten und AdministratorStagiaires fortgesetzt, wodurch eine Reihe von jungen Schweizer Hochschulabsolventen an der Durchführung von Entwicklungsprojekten oder an der Organisations- und Koordinationsarbeit der residierenden Vertreter des UNDP teilnehmen konnten.

v.

Öffentliche

Entwicklungshilfe

Es ist allgemein anerkannt, dass die Entwicklungsländer in erster Linie selbst für ihre wirtschaftliche und soziale Entwicklung sorgen müssen und die Verantwortung dafür tragen. Sie erwarten jedoch, dass die ganze Völkergemeinschaft und namentlich die Industriestaaten sie bei ihren Entwicklungsbestrebungen tatkräftig unterstützen. Eine der wichtigsten Formen der Unterstützung ist der Transfer von Geldmitteln zu Vorzugsbedingungen; die Industrieländer haben selbst erkannt, dass sie in diesem Bereich zusätzliche Anstrengungen unternehmen müssen. Die Beschlüsse, welche die Generalversammlung der UNO - vor allem anlässlich der

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6. und 7. Sondersession - oder die UNCTAD, der 'ECOSOC, die Generalkonferenz der UNIDO oder die Welternährungskonferenz in den letzten Jahren .gefasst haben, haben alle die Bedeutung der öffentlichen Hilfe hervorgehoben und auf die Notwendigkeit hingewiesen, dass die reichen Länder mindestens 0,7 Prozent ihres Bruttosozialprodukts dafür aufwenden. Die Schweiz hat diese Zielsetzung offiziell nicht anerkannt. Der Bundesrat hat jedoch in seinem Bericht vom 28. Januar 1976 über die Richtlinien der Regierungspolitik für die Legislaturperiode 1975-1979 seinen Willen zum Ausdruck gebracht, die öffentliche Entwicklungshilfe der Schweiz nach und nach so zu steigern, dass sie sich zunächst einmal den Durchschnittsbeiträgen der andern OECD-Länder annähert.

Die Schweiz wandte 1975 nur 0,18 Prozent ihres Bruttosozialprodukts für die öffentliche Entwicklungshilfe auf. Damit steht sie zusammen mit Italien, Finnland und Österreich am Schluss der Liste der Industrieländer. Sie befindet sich dadurch in einer schwierigen Lage und ist einem zunehmenden moralischen und politischen Druck ausgesetzt, nicht nur im System der Vereinten Nationen, sondern auch in andern wichtigen internationalen Organisationen oder Konferenzen wie der OECD und der KIWZ.

b.

Internationaler Währungsfonds (IMF)

i. Nach der Einstellung der Goldkonvertibilität durch die USA und dem praktischen Zusammenbruch des Systems von Bretton Woods trat die internationale Währungsordnung in eine Phase der Neustrukturierung, die im Frühjahr 1973 durch den Übergang zum Floating eine erste entscheidende Ausprägung erhielt. Die rasch steigende Inflation, die von Land zu Land verschiedenen Inflationsraten und die Vervielfachung der Erdölpreise verstärkten die bestehenden Ungleichgewichte. Hohen Zahlungsbilanzüberschüssen der Erdölstaaten standen ebenso bedeutende Fehlbeträge der Industrie- und der nicht erdölproduzierenden Entwicklungsländer gegenüber.

Diese währungspolitische Situation, die Vergrösserung der Ungleichgewichte in den Zahlungsbilanzen sowie die starke Veränderung der Aussenwerte der wichtigsten Währungen bildeten den Hintergrund der im IMF unternommenen Bemühungen für eine Rückkehr zu einer stabileren Ordnung. Die Struktur des Fonds selbst hat in dieser Periode grundlegende Veränderungen erfahren.

Bereits am 26. Juli 1972 hat der Gouverneursrat des IMF ein Komitee (sog.

Zwanziger-Ausschuss) eingesetzt, dem die Aufgabe übertragen wurde, die Grundlinien für ein neues Währungssystem auszuarbeiten. Dem Wunsch der Schweiz, an den Arbeiten als Beobachter teilzunehmen, wurde nicht stattgegeben.

876

Die bekannten weltwirtschaftlichen Ereignisse (Erhöhung der Erdölpreise im Dezember 1973, weltweite Inflation und erhebliche Zahlungsbilanzungleichgewichte) machten bald die Unmöglichkeit des Unterfangens klar, im damaligen Moment eine umfassende und definitive Währungsreform durchzuführen, um so mehr, als der Zwanziger-Ausschuss nach einer Reform mit festen, wenn auch anpassungsfähigen Wechselkursen trachtete. So legte der Ausschuss im Sommer 1974 einen - in der Öffentlichkeit vielleicht zu wenig beachteten - Bericht vor, der einerseits die langfristigen Ziele, nach denen sich die Reformbestrebungen richten sollten, und anderseits die realistischerweise kurzfristig anzupackenden Probleme zum Inhalt hatte.

Die in diesem Bericht enthaltenen Hauptziele, über die ein allgemeiner Konsensus gefunden wurde, umfassten: - das Streben nach stabilen, aber anpassungsfähigen Wechselkursen, - die Definition von Rechten und Pflichten für Überschuss- und Defizitländer, - eine grössere Bedeutung der Sonderziehungsrechte (SZR) und eine entsprechende Verminderung der Rolle des Goldes und des Dollars als Reservemittel, - die vermehrte Berücksichtigung der besonderen Lage der Entwicklungsländer sowie - eine intensivere internationale Überwachung auf wichtigen währungspolitischen Gebieten (Wechselkurspolitik, Anpassungsprozess, internationale Liquidität) und damit eine verstärkte Rolle des IMF.

Zur stufenweisen Verwirklichung dieser Ziele wurden eine Reihe von Sofortmassnahmen vorgeschlagen, wie die Neudefinierung der Sonderziehungsrechte aufgrund eines Währungskorbes und damit Abkehr vom Gold; vorläufige Sanktionierung des Floating unter Einhaltung gewisser Richtlinien; Verpflichtung zur Verhinderung einer Eskalation von Beschränkungen auf dem Gebiet des Handels- und Kapitalverkehrs ; sowie Schaffung eines interimistischen Ministerkomitees als Vorläufer zu einer wirksamen zentralen Überwachungsinstanz.

Weitere Massnahmen, die insbesondere auch den Entwicklungsländern zugute kommen sollten, sahen die Schaffung eines speziellen Entwicklungskomitees des IMF und der Weltbank, die Einführung eines befristeten Mechanismus für Erleichterungen bei der Finanzierung von durch Erdölimporte verursachten Defiziten und die Ausdehnung der Laufzeit gewisser Kredite vor.

Kaum zwei Jahre nach den erwähnten Vorschlägen des Zwanzigerkomitees war es soweit, dass zahlreiche dieser Ideen über den inzwischen ins Leben

877

gerufenen Interimsausschuss - der Schweiz ist es diesmal gelungen, sich durch einen Beobachter vertreten zu lassen - tatsächlich verwirklicht worden waren. So konnte anfangs 1976 die Statutenrevision - die zweite in der Geschichte des IMF, nachdem Ende der sechziger Jahre in einer ersten Revision die Sonderziehungsrechte geschaffen worden waren - abgeschlossen und den Mitgliedstaaten zur Ratifizierung unterbreitet werden. Damit wird der Fonds über kurzem eine neue Gestalt annehmen und neue Kompetenzen erhalten, insbesondere auf dem Gebiet der Überwachung der Wirtschaftsund Währungspolitik der Mitgliedstaaten.

Drei Aspekte charakterisieren die neue Situation: - Das Wechselkursregime gemäss dem neuen Artikel IV sanktioniert das gegenwärtige System der schwankenden Wechselkurse, aber die Möglichkeit einer Rückkehr zu festen Kursen wird ebenfalls vorgesehen. Der Fonds erhält die Kompetenz, das Funktionieren des internationalen Währungssystems und die Durchführung der auf eine grössere Stabilität auszurichtenden Wirtschafts- und Wechselkurspolitik der einzelnen Mitgliedsländer zu überwachen.

- Durch die Aufhebung des offiziellen Goldpreises und die Bestimmungen für einen stufenweisen Abbau der Goldbestände des IMF wird die allmähliche Eliminierung der Rolle des gelben Metalls als Reserveinstrument und Rechnungseinheit angestrebt.

- Um die Finanzierung der Zahlungsbilanzdefizite der Industrie-, vor allem aber auch der Entwicklungsländer zu erleichtern, werden innerhalb des IMF u.a. folgende Massnahmen getroffen: Erhöhung der Quoten um 32,5 Prozent auf 39 Milliarden Sonderziehungsrechte (als Übergangsmassnahme bis zum Inkrafttreten der Statuten wurden die einzelnen Kredittranchen um je 45 Prozent erhöht); Ausbau der kompensatorischen Finanzierung zum Ausgleich von Rückgängen bei Ausfuhrerlösen, namentlich bei Rohstoffverkäufen ; Gutschrift des aus der Differenz zwischen dem Markt- und dem ehemaligen offiziellen Preis resultierenden Mehrerlöses aus Verkäufen eines Teiles des IMF-Goldbestandes auf einen Treuhandfonds zur Erteilung von weichen Krediten an die ärmeren Entwicklungsländer; Schaffung einer temporären Erdölfazilität, um kurzfristig die Finanzierung der Erdöldefizite zu erleichtern.

ii. Die Schweiz hat sich an verschiedenen unter den Auspizien des IMF ins Leben gerufenen Mechanismen beteiligt.
- Die Schweizerische Nationalbank hat an die Erdölfazilität mit einem Darlehen (mit Bundesgarantie) von 150 Millionen SZR '> und mit einem kurzfristigen, aber erneuerbaren Kredit von 100 Millionen SZR beigetragen.

'> Ein SZR entspricht ungefähr 1,16 Dollar.

Bundesblatt. 129. Jahrg. Bd.H

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- Der Bund hat 10 Millionen Franken à fonds perdu an den Zinssubventionierungsfonds geleistet, der den durch die Erdölkrise am meisten betroffenen Staaten den Zugang zur Erdölfazilität durch Verbilligung der Kredite erleichtern soll11.

- Gestützt auf den Bundesbeschluss über die Mitwirkung der Schweiz an internationalen Währungsmassnahmen vom 20. März 1975 erneuerte der Bundesrat das mit dem IMF abgeschlossene Abkommen, wonach sich die Schweiz bis zu einem Höchstbetrag von 865 Millionen Franken an Währungshilfen im Rahmen der Allgemeinen Kreditvereinbarungen beteiligen kann.

So hat sich in unseren Beziehungen zum IMF nach und nach ein Modus vivendi herausgebildet, der unter anderem dadurch gekennzeichnet ist, dass die Schweiz - wie oben erwähnt - im Interimsausschuss einen Beobachterstatus erhalten hat und an verschiedenen Finanzaktionen des Währungsfonds mitwirkt.

iii. Wie aus den vorstehenden Ausführungen hervorgeht, hat sich im Verlauf der letzten Jahre die Währungssituation durch die bekannten weltwirtschaftlichen Ereignisse grundlegend gewandelt. Der IMF selbst hat sich - um sich der veränderten Lage anzupassen - durch die in Gang gesetzten Reformen in manchen entscheidenden Punkten umgebildet. Nicht nur widerspiegelt der Fonds die weit fortgeschrittene Universalität in der internationalen Zusammenarbeit, sondern er wird auch mehr und mehr zu jener Instanz, die auf weltweiter Ebene die Mitgliedsländer zur Führung einer gesunden und ; ausgewogenen Wirtschafts- und Währungspolitik anhält.

Es versteht sich, dass sich die Bundesbehörden veranlasst sehen, das Problem des schweizerischen Verhältnisses zum IMF auch weiterhin im Auge zu behalten. Für diese Beurteilung haben sie von der engen internationalen wirtschaftlichen Verflechtung der Schweiz und ihrer Rolle als Finanzzentrum auszugehen und Elemente in Betracht zu ziehen, die zum Teil monetärer Natur sind, wie die Internationalisierung des Schweizerfrankens, die Autonomie der Währungspolitik, die Einflussmöglichkeiten auf die Verwaltung und die Gestaltung der internationalen Währungsordnung, zum Teil aber auch aussenwirtschaftlichen und aussenpolitischen Charakter haben.

So wirkt der IMF als Bollwerk gegen die zunehmende Tendenz zum Erlass von Zahlungs- und Handelsbeschränkungen. Auch wächst das Bedürfnis des Kleinstaates, sich für seine
Anliegen Gehör zu verschaffen. Schliesslich schwindet allmählich, bei fortgesetztem Abseitsstehen, das Verständnis für den «Sonderfall Schweiz», und es besteht die Notwendigkeit, der Verwirklichung einer unserer aussenpolitischen Maximen, der Solidarität, näherzukommen.

" Bundesbeschluss vom 2. Dezember 1975 über eine Beteiligung an den Zinsverbilligungsfonds der Weltbank und dem Internationalen Währungsfonds für einen Gesamtbetrag von 25 Mülionen Franken, BB1 1975 II 2308.

879

c.

Weltbankgruppe

i. Die Weltbankgruppe ist heute die weitaus bedeutendste Quelle für Projektfinanzierungen in Entwicklungsländern. Die Ausleihungen der Weltbankgruppe haben sich von 2,6 Milliarden Dollar im Fiskaljahr 1970-1971 auf 6,9 Milliarden im Fiskaljahr 1975-1976 erhöht. Die Gruppe ist vor allem in den vergangenen Jahren auch zu einem zentralen Forum für die Erarbeitung von Konzepten der internationalen Entwicklungszusammenarbeit geworden.

So hat sie wesentlich dazu beigetragen, dass die soziale Komponente der Hilfsanstrengungen ein immer grösseres Gewicht einnimmt (Berücksichtigung der ärmsten Bevölkerungsschichten, Urbanisierungsprobleme, Förderung der Nahrungsmittelversorgung und der Ausbildung usw.). Die schweizerische Entwicklungszusammenarbeit " wurde von diesen Strömungen beeinflusst.

ii. Der Internationale Währungsfonds und die Weltbank haben 1974 gemeinsam eine wichtige neue Institution, den Entwicklungsausschuss, geschaffen, der auf Ministerebene die Aufgabe hat, Mittel und Wege zur Förderung des Ressourcentransfers in die Entwicklungsländer zu finden. Die Schweiz ist an dessen Sitzungen durch einen Beobachter vertreten.

iii. Nicht zuletzt auf Anstoss des Entwicklungsausschusses ist 1975 der sogenannte «Dritte Schalter» der Weltbank geöffnet worden, d. h. ein Mechanismus, der Entwicklungsländern mit einem Pro-Kopf-Einkommen von weniger als 375 Dollar Darlehen erteilt, die zwischen den «harten» Bedingungen der Weltbank und den «weichen» der IDA liegen. Ende 1976 war die Bank in der Lage, derartige Darlehen für 600 Millionen Dollar zu gewähren.

Der Entwicklungsausschuss richtet seine Aufmerksamkeit auch auf die die Schweiz interessierenden Fragen eines erleichterten Zugangs der Entwicklungsländer zu den Kapitalmärkten der Industrieländer.

Um den Bedürfnissen der Entwicklungsländer gerecht zu werden, scheint gegenwärtig eine Erhöhung des Kapitals der Weltbank um 8,3 Milliarden Dollar auf 41 Milliarden Dollar, und zwar auf selektiver Basis, als gesichert.

Diese Massnahme drängt sich auf, um angesichts der herrschenden Inflation wenigstens die reale Ausleihenstätigkeit nicht absinken zu lassen. Diskussionen über eine spätere allgemeine Kapitalerhöhung sind ebenfalls vorgesehen.

Anderseits haben die Industrieländer durchgesetzt, dass vorläufig die Ausleihungen auf dem Niveau von 5,8 Milliarden
Dollar jährlich eingefroren und die Bedingungen härter werden.

» Bundesgesetz vom 19. März 1976 über die internationale Entwicklungszusammenarbeit und humanitäre Hilfe (BB1 1976 I 1057 ff.).

880

Die Internationale Entwicklungsorganisation (IDA), eine Tochtergesellschaft der Weltbank, die bekanntlich Darlehen zu äusserst günstigen Bedingungen an die ärmsten Entwicklungsländer gewährt, hat in der Berichtsperiode zwei Wiederaufstockungen durchgeführt. So brachte die dritte Wiederauffüllung (1971-1973) rund 2,4 Milliarden Dollar, während die vierte Runde (19741976) knapp 4,5 Milliarden Dollar umfasste. Diese Wiederaufstockungen ermöglichten der IDA eine starke Ausweitung ihrer Programme, nämlich von 584 Milliarden Dollar im Fiskaljahr 1970-1971 auf 1,6 Milliarden Dollar im Fiskaljahr 1975-1976. Die Diskussionen über eine fünfte Wiederaufstockung (1977-1979) sind beendet. Die vereinbarten Leistungen belaufen sich auf 7,638 Milliarden Dollar, wovon 7,2 Milliarden durch die traditionellen Geberländer und der Rest durch die erdölproduzierenden Staaten erbracht werden. Durch den Umfang der ihr zur Verfügung stehenden Mittel kommt der IDA noch mehr als in der Vergangenheit eine zentrale Rolle bei der Hilfeleistung an die ärmsten Länder zu.

Die zweite Tochtergesellschaft, die Internationale Finanzkorporation (IFC), die sich mit der Förderung privater Investitionen befasst, hat zwischen 1956 und 1976 1,5 Milliarden US-Dollar in 61 Entwicklungsländern investiert, wovon über 900 Milliarden US-Dollar in den letzten fünf Jahren. Gegenwärtig wird eine substantielle Erhöhung des Kapitals von 107 auf 480 Millionen Dollar an die Hand genommen.

iv. Anlässlich der Jahresversammlung 1976 der Bretton-Woods-Institutionen ist der Wille deutlich geworden, nach der massiven Finanzierung von Zahlungsbilanzdefiziten vieler Erdöleinfuhrstaaten verstärkte Anstrengungen zu strukturellen, währungs- und entwicklungspolitischen Anpassungen zu unternehmen. Für die Entwicklungsländer bedeutet dies in erster Linie, dass der Mitteltransfer intensiviert und dass ihnen insbesondere vermehrt weiche Kredite zu Investitionen gewährt werden. Wenn sich somit in Zukunft einerseits der IWF in verstärktem Masse seinen Aufgaben der Überwachung der Wirtschafts- und Währungspolitik der Mitgliedstaaten widmen wird, wird sich anderseits die Weltbankgruppe noch mehr als bisher in der Entwicklungszusammenarbeit profilieren. Dies findet u. a. in den erwähnten Kapitalerhöhungen beziehungsweise -aufstockungen einen sichtbaren Ausdruck.

v. Die
Beziehungen der Schweiz zur Weltbankgruppe müssen in diesem Licht gesehen werden. Schon bisher sind die Kontakte zur Bank recht vielfältig.

So finden gemeinsame Diskussionen über Entwicklungsprogramme und konkrete Projekte statt, und in verschiedenen Gruppen bestehen Koordinationsmechanismen für die Hilfe an bestimmte Länder. Im weiteren ist der schweizerische Kapitalmarkt eine bedeutende Kapitalquelle der Bank: seit 1971/1972 hat die Weltbank öffentliche und private Kapitalien in der Höhe von insgesamt 2,275 Milliarden Franken in unserem Land aufgenommen; Mitte 1976 waren gegen 3 Milliarden Franken ausstehend. Aufgrund dieser Situation hat die schweizerische Industrie das Recht, sich an Ausschreibun-

881 gen zu beteiligen, die aufgrund von Weltbankdarlehen durchgeführt werden.

In diesem Zusammenhang ist erwähnenswert, dass die Schweizerische Nationalbank seit 1975 die Anleihen der internationalen Entwicklungsorganisationen nicht mehr den zweimonatlich festgesetzten Plafonds für ausländische Anleihensaufnahmen unterstellt. Schliesslich ist auf den von den eidgenössischen Räten gutgeheissenen A-fonds-perdu-Beitrag von 15 Millionen Franken an den Zinsverbilligungsfonds des «Dritten Schalters» hinzuweisen.

An die dritte Wiederauffüllung der IDA hat die Schweiz mit einem langfristigen Darlehen von 130 Millionen Franken beigetragen. Während das Parlament auch ein Darlehen von 200 Millionen Franken für die vierte Wiederaufstockung bewilligte, ist dieser Kredit in der Abstimmung vom 13. Juni 1976 vom Volk abgelehnt worden. Der Bundesrat hat sich zu den Auswirkungen dieser Abstimmung an anderer Stelle geäussert1'.

Die künftigen Beziehungen zur Weltbankgruppe und insbesondere die Frage eines allfälligen Beitritts können nicht unabhängig vom schweizerischen Verhältnis zum IMF betrachtet werden, fla nur Mitglieder des letzteren der Weltbank angehören können. Wäre dies nicht der Fall, hätte die Schweiz die Mitgliedschaft wahrscheinlich schon früher beantragt. Da die Bank weitgehend jene Zielsetzungen verfolgt, die auch dem schweizerischen Gesetz über Entwicklungszusammenarbeit zugrunde liegen, sprechen auch heute entwicklungspolitische Gründe weiterhin für einen Beitritt. Ohne Zweifel würde damit in der schweizerischen Öffentlichkeit das Verständnis für die Entwicklungsprobleme vertieft, wird doch die Weltbank immer mehr zum zentralen Forum, wo in allen Entwicklungsfragen neue Ideen ausgetauscht und im Rahmen der politischen Möglichkeiten verwirklicht werden.

Selbstverständlich muss bei der Beurteilung eines allfälligen Beitritts - so wünschbar er an und für sich wäre - in erster Linie auch die angespannte Finanzlage des Bundes in Betracht gezogen werden.

d.

Europäische Wirtschaftskommission der UNO (ECE/UNO)

Am 28. März 1947 gründete der Wirtschafts- und Sozialrat (ECOSOC) die Europäische Wirtschaftskommission der Vereinten Nationen (ECE/UNO). Sie erhielt den Auftrag, Massnahmen zur Förderung gemeinsamer Aktionen zum wirtschaftlichen Wiederaufbau Europas zu treffen, für eine Intensivierung der europäischen Wirtschaftstätigkeit zu sorgen und die Wirtschaftsbeziehungen zwischen den europäischen Ländern zu verstärken. Ausser diesen Hauptaufgaben sollte die ECE den Regierungen wirtschaftliche, technologische und statistische Analysen und Informationen zur Verfügung stellen.

D Antwort vom 27. September 1976 auf die Motion Schwarzenbach und die Interpellationen Hofer, Blum und Auer.

882

Mitglieder der Kommission sind nach den Bestimmungen des Mandats der ECE die europäischen Mitgliedstaaten der UNO und die USA. Als beratende Mitglieder können europäische Staaten in die Kommission aufgenommen werden, die Nichtmiglied der UNO sind. Gestützt auf diese Bestimmung beteiligte sich die Schweiz seit 1948 an den Arbeiten der ECE. Während über zwanzig Jahren erwies sich der Konsultativstatus für die Schweiz als zufriedenstellend, zumal die ECE sich nicht immer ganz aus den Konfrontationen des Kalten Krieges herausgehalten hatte; unser Land konnte weitgehend von den Möglichkeiten Gebrauch machen, die uns vor allem in den uns interessierenden Tätigkeitsbereichen wie dem Handel, der Elektrizitätswirtschaft und dem Verkehr offenstanden.

1972 wurde die Schweiz Vollmitglied der ECE, nachdem die Bundesversammlung dem entsprechenden Antrag des Bundesrats zugestimmt und sich damit einer Schlussfolgerung des Berichts vom 16. Juni 1969 über das Verhältnis der Schweiz zu den Vereinten Nationen angeschlossen hatte.

Nach der Aufnahme der DDR im Jahre 1973 und dem anschliessenden Beitritt Kanadas vereint die ECE jetzt alle Länder des europäischen Kontinents sowie die beiden grossen nordamerikanischen Staaten.

Die Aufgaben der Kommission sind seit dem Mandat von 1947 formell nicht geändert worden; doch haben die Regierungen der Mitgliedstaaten die Prioritätenliste und das Arbeitsprogramm der Kommission periodisch auf den letzten Stand gebracht, um die neuen Probleme der sechziger und siebziger Jahre bewältigen zu können. So beschloss die ECE zu Beginn des letzten Jahrzehnts, ihre Arbeit vor allem auf vier Sektoren zu konzentrieren, in denen die Voraussetzungen für eine intergouvernementale Zusammenarbeit auf regionaler Ebene am günstigsten erschienen: Förderung des internationalen Handels, wissenschaftliche und technische Zusammenarbeit, Verbesserung des Umweltschutzes, langfristige Planung und Projektion zur Unterstützung der wirtschaftspolitischen Entscheidungen.

Im Bereich der Handelsförderung geht es der ECE vor allem darum, die Handelshindernisse abzubauen und den Informationsaustausch über Handelspolitik und Handelsprogramme sowie über die Gesetzgebung und die Verordnungen auf dem Gebiet des Aussenhandels intensiver zu gestalten ; ferner soll die industrielle Zusammenarbeit gefordert und sollen
die Handelsverfahren harmonisiert und vereinfacht werden. Das Arbeitsprogramm der Kommission im Bereich der technischen und wissenschaftlichen Zusammenarbeit umfasst vor allem die Erforschung langfristiger Tendenzen und Perspektiven, den regelmässigen Austausch von Informationen und Erfahrungen sowie die Anwendung von Wissenschaft und Technik in bestimmten Bereichen wie Landwirtschaft, rationelle Nutzung von Naturund Bodenschätzen und den Abfällen sowie auf die Fragen der Umweltverschmutzung. Was schliesslich die Wirtschaftsprogramme betrifft, so beschäftigt sich die ECE vor allem damit, eine allgemeine wirtschaftliche Vorausschau bis zum Jahre 1990 für die Region zu erarbeiten.

883

Die Schlussakte der Konferenz über Sicherheit und Zusammenarbeit in Europa (KSZE) hat der ECE eine besondere Rolle bei der multilateralen Verwirklichung der Bestimmungen über die Entwicklung der wirtschaftlichen Zusammenarbeit übertragen. Die Kommission hat damit ihrem Prioritätsprogramm noch die Schaffung einer integrierten Infrastruktur namentlich im Bereich Verkehr, die rationelle Nutzung der Energie, eine umfassendere wirtschaftsstatistische Information der Mitgliedstaaten, die Berücksichtigung der spezifischen Interessen der Entwicklungsländer beigefügt.

Transnationale Unternehmungen

Seit einigen Jahren wächst das Interesse der Vereinten Nationen an den transnationalen Unternehmungen (auch multinationale Unternehmungen oder Gesellschaften genannt). Zu Beginn der siebziger Jahre veranlassten die Machenschaften einiger Unternehmen in gewissen Staaten die Entwicklungsländer zur Forderung, die Tätigkeit dieser Gesellschaften müssten untersucht und durch den Erlass entsprechender Vorschriften geregelt werden. Auf Ersuchen des Wirtschaftsund Sozialrats beauftragte der Generalsekretär der UNO 1973 eine Gruppe von Persönlichkeiten, einen Bericht über den gesamten Problemkreis vorzubereiten».

Der Bericht gelangte namentlich zum Schluss, dass im Rahmen des ECOSOC eine Kommission für transnationale Gesellschaften geschaffen werden sollte. Sie wurde 1974 ins Leben gerufen. Von Anfang an hat die Schweiz ihr Interesse an den Arbeiten dieser Kommission zum Ausdruck gebracht, die vor allem einen Verhaltenskodex für die Tätigkeit der transnationalen Unternehmungen ausarbeiten soll. Aber unsere Bemühungen, als Vollmitglied in die Kommission aufgenommen zu werden, sind zuerst gescheitert. Wenn man bedenkt, wie wichtig die Verhandlungen über die Ausarbeitung eines Verhaltenskodexes im Rahmen der Vereinten Nationen sind, die in eine entscheidende Phase eintreten, so befand sich die Schweiz somit auch hier in einer schwierigen Lage2'. 1977 wurde sie jedoch schliesslich in die Kommission gewählt.

Vergleicht man den Umfang der direkten Auslandinvestitionen mit dem Sozialprodukt, so stellt man fest, dass die Schweiz zu den bedeutendsten internationalen Investoren gehört. Sie ist somit Ursprungsland zahlreicher transnationaler Gesellschaften. Da unsere Wirtschaft sehr offen ist, befinden sich in der Schweiz auch viele Zweigniederlassungen ausländischer Unternehmen. Aus diesen Gründen sollte sich die Schweiz aktiv an den Bemühungen beteiligen, die Zusammenarbeit im Bereich der internationalen Investitionen und der transnationalen Gesellschaften zu intensivieren. Im Gegensatz zum Handels- und zum Zahlungsver" Alt Bundesrat Schaffner wirkte in dieser Gruppe mit.

> Dagegen konnte die Schweiz in der OECD eine aktive Rolle bei der Ausarbeitung der «Erklärung über internationale Investitionen und multinationale Unternehmungen» spielen. Die Erklärung wurde 1976 angenommen (BB1 1976 II 1512).

2

884

kehr hat auf diesem Gebiet bisher international keine Zusammenarbeit stattgefunden, die der Bedeutung der Erscheinung entsprechen würde.

4.

Sozialfragen

a.

Menschenrechte

Am 10. Dezember 1973 feierte die Generalversammlung der Vereinten Nationen den 25. Jahrestag der Allgemeinen Menschenrechtserklärung, die seinerzeit als «von allen Völkern und Nationen gemeinsam angestrebtes Ideal» verkündet worden war. Zwei Jahre später, am 3. Januar 1976, trat der Internationale Pakt über die wirtschaftlichen, sozialen und kulturellen Rechte, der seit dem 16. Dezember 1966 zur Unterzeichnung auflag, in Kraft, nachdem er von 35 Staaten ratifiziert worden war. Er gewährleistet insbesondere das Recht auf Arbeit für jedermann, auf eine angemessene EnÜöhnung, auf soziale Sicherheit und einen ausreichenden Lebensstandard sowie das Recht auf Gesundheit und Ausbildung. Die Vertragsstaaten verpflichten sich, über die von ihnen getroffenen Massnahmen und über die erzielten Fortschritte Berichte abzuliefern; auf diese Weise soll die Achtung der durch den Pakt anerkannten Rechte gesichert werden. Diese Berichte werden an den Wirtschafts- und Sozialrat der Vereinten Nationen zur Prüfung weitergeleitet.

Die Generalversammlung verabschiedete am 16. Dezember 1966 auch den Internationalen Pakt über die bürgerlichen und politischen Rechte, der am 23. März 1976 in Kraft trat. Dieser zweite Pakt garantiert die traditionellen Rechte und Freiheiten, die vor allem in der Europäischen Menschenrechtskonvention aufgezählt sind. Er proklamiert ferner - wie im übrigen bereits der erste Pakt - das Recht der Völker auf Selbstbestimmung und enthält ausserdem Vorschriften, die über die in dieser Konvention verankerten Pflichten hinausgehen. Er untersagt beispielsweise jegliche Kriegspropaganda und schützt die Rechte der Minderheiten. Der Pakt sieht die Schaffung eines aus 18 Mitgliedern bestehenden Ausschusses für Menschenrechte vor, der die Berichte der Vertragsstaaten prüfen soll.

Diese Berichte müssen Angaben darüber enthalten, welche Massnahmen die Staaten getroffen haben, um die im Pakt anerkannten Rechte zu verwirklichen. Der Ausschuss ist schliesslich befugt, der Meldung eines Vertragsstaates nachzugehen, ein anderer Mitgliedsstaat habe seine Verpflichtungen aus dem Pakt nicht erfüllt.

Der Ausschuss übt in diesem Fall die Funktion eines Untersuchungsorgans aus und kann mit vorheriger Zustimmung der betroffenen Staaten einen Ad-hocSchlichtungsausschuss einsetzen. Dieses System hat fakultativen Charakter
und gilt nur für die Staaten, die eine entsprechende Erklärung abgegeben haben. Dem Pakt ist ein fakultatives Protokoll beigefügt, das ebenfalls am 23. März 1976 in Kraft trat. Aufgrund dieses Protokolls kann der Ausschuss die Behauptungen von Einzelpersonen untersuchen, ein ihnen durch den Pakt garantiertes Recht sei durch einen Vertragsstaat des Protokolls verletzt worden.

885

In den letzten Jahren hat die Schweiz mehrfach ihren Willen zum Ausdruck gebracht, bei der Verbesserung des internationalen Schutzes der Menschenrechte mitzuwirken. Am 28. November 1974 hat sie die Europäische Menschenrechtskonvention ratifiziert und am 6. Mai 1976 die Europäische Sozialcharta unterzeichnet. Ausserdem hat sich unser Land, als es am 1. August 1975 in Helsinki die Schlussakte der Konferenz über Sicherheit und Zusammenarbeit in Europa unterschrieb, feierlich verpflichtet, die universelle und wirksame Achtung der Menschenrechte und Grundfreiheiten zu fördern. Wenn die Schweiz ihrer humanitären Tradition treu bleiben will, so kann sie bei der Kodifizierung der Menschenrechte durch die UNO nicht abseits stehen, die mit dem Inkrafttreten der Pakte beendet wurde. In ihrem Bericht vom 20. August 1975 hat die beratende Kommission für die Beziehungen der Schweiz zur UNO erklärt, es wäre ihrer Ansicht nach wünschenswert, dass sich unser Land, anders als bei der Europäischen Menschenrechtskonvention, schon früh zu einem Vertragswerk bekenne, das zum Schutz der Würde und des Wohlergehens des Menschen geschaffen worden sei '>.

Unter Berücksichtigung der Gebote der internationalen Solidarität und im Bestreben, vor allem unseren Mitbürgern im Ausland einen möglichst weitgehenden Schutz ihrer individuellen Freiheitsrechte zu sichern, werden wir Ihnen Anträge zur Unterzeichnung und Ratifizierung der Internationalen Pakte über die Mensehenrechte unterbreiten.

In unserem letzten Bericht über das Verhältnis der Schweiz zur UNO und ihren SpezialOrganisationen hatten wir angekündigt, dass wir prüfen würden, ob die Schweiz dem internationalen Übereinkommen über die Beseitigung aller Formen von Rassendiskriminierung beitreten könne. Das Übereinkommen ist seit dem 4. Januar 1969 in Kraft und verpflichtet zur Zeit mehr als 90 Staaten, unter denen sich auch die meisten Mitgliedstaaten des Europarats befinden. Dieser Vertrag ist ein wichtiges Instrument im Kampf der Vereinten Nationen gegen die Rassendiskriminierung. Die bisherigen Untersuchungen haben gezeigt, dass die Probleme, die unser Beitritt für das schweizerische Recht stellen würde, nicht unüberwindbar sind. Nachdem allerdings die Generalversammlung in einer Resolution den Zionismus dem Rassismus gleichgestellt hat, dürfte ein Beitritt der Schweiz
zu diesem Übereinkommen unter den gegenwärtigen Umständen schwieriger sein 2 '.

In ihrer Resolution vom 13. Dezember 19763) hat die Generalversammlung das Inkrafttreten der Internationalen Pakte über die Menschenrechte mit tiefer Befriedigung begrüsst. Die Pakte bedeuteten «einen wichtigen Schritt in den internationalen Bemühungen, die weltweite Achtung und Einhaltung der Menschenrechte und der Grundfreiheiten zu fördern». Die Fortschritte in der Kodifizierung der Menschenrechte auf weltweiter Ebene dürfen jedoch nicht zu Illusionen über den tatsächlichen Schutz der individuellen Freiheitsrechte verleiten. Da ein » Bericht der beratenden Kommission, S. 72 f.

Resolution 3379 (XXX) vom 18. November 1975.

3) Resolution 31/86 vom 13. Dezember 1976.

21

886

wirksames Kontrollverfahren fehlt und die Bestimmungen der Übereinkommen oft unklar und ungenau sind, ist die tatsächliche Anwendung der internationalen Normen ernstlich behindert. Das Inkrafttreten der beiden Pakte darf dennoch positiv gewertet werden, vor allem soweit diese den allgemeinen Verpflichtungen, welche die Mitgliedstaaten aufgrund der Charta der UNO übernommen haben, einen konkreten Inhalt geben. Die Auswirkungen der Pakte sollten nicht unterschätzt werden. Es wird für die Staaten immer schwieriger, unter Berufung auf Artikel 2 Absatz 7 der Charta zu behaupten, der Schutz der Menschenrechte falle ausschliesslich in ihre innerstaatliche Zuständigkeit.

In den Vereinten Nationen finden die Diskussionen über die Menschenrechte hauptsächlich in der 3. Kommission der Generalversammlung und in der Menschenrechtskommission, einem Nebenorgan des Wirtschafts- und Sozialrats, statt.

Diese Debatten haben häufig einen sehr politischen Charakter, was in den Kriterien zum Ausdruck kommt, die gewählt werden, um dieses oder jenes Land wegen Missachtung der Menschenrechte zu verurteilen. In den letzten Jahren hat sich die Menschenrechtskommission vor allem mit der Lage der Menschenrechte im südlichen Afrika, in Chile und in den besetzten Gebieten des Mittleren Ostens befasst.

Den Versuchen einiger westlicher Staaten, insbesondere der Vereinigten Staaten und Grossbritanniens, die Debatten an der letzten Session der Menschenrechtskommission (Februar/März 1977) auch auf andere Länder Lateinamerikas, Afrikas und auf gewisse osteuropäische Staaten auszudehnen, war kein Erfolg beschieden. Die Mehrheit der Kommissionsmitglieder vertritt in diesem Zusammenhang gleich wie die Mehrheit der Mitglieder der UNO selbst eine selektive Moral, an der die westlichen Staaten nach wie vor Anstoss nehmen, gegen welche sie aber wegen der bestehenden Mehrheitsverhältnisse nur schwer ankämpfen können. Dennoch bleibt die Tatsache bestehen, dass trotz der Weigerung, auf die Materie einzutreten, zum erstenmal die mit der Achtung der Menschenrechte in Osteuropa und Zentralafrika verbundenen Probleme zur Sprache gebracht worden sind.

Die westlichen Staaten begegnen ähnlichen Problemen, wenn es gilt, die Menschenrechte erga omnes in der 3. Kommission der Generalversammlung zu fördern. 1975 wurden auf Initiative der Vereinigten
Staaten und 1976 auf Initiative Schwedens Resolutionsentwürfe eingebracht, die an alle Mitglieder der Völkergemeinschaft appellierten, eine Amnestie der politischen Gefangenen in Betracht zu .

ziehen. In beiden Fällen hat es die Kommission abgelehnt, die Materie zu behandeln.

Trotz der oben erwähnten wichtigen völkerrechtlichen Verträge fällt es den Vereinten Nationen oder besser gesagt der Mehrheit ihrer Mitgliedstaaten schwer, sich der westlichen Konzeption der Menschenrechte und Grundfreiheiten anzuschliessen. Für die sozialistischen Staaten handelt es sich um eine Divergenz ideo-

887

logischer Prägung. Die Länder der Dritten Welt dagegen sind der Auffassung, dass die Achtung der Menschenrechte im Sinne der westlichen Welt in ihrem gegenwärtigen Entwicklungsstadium keinen Vorrang besitze und je nachdem sogar ihren wirtschaftlichen Aufschwung, ihre politische Unabhängigkeit beeinträchtigen und die oft nicht sehr gefestigte Staatsstruktur gefährden könnte.

b.

Arbeitsrecht

Die Generalkonferenz der Internationalen Arbeitsorganisation (ILO) hat zwischen 1972 und 1976 ihre traditionellen Jahrestagungen abgehalten. Im Oktober 1976 hat sie überdies eine Sondersession den mit dem Schutz der Seeleute zusammenhängenden Problemen gewidmet (Seeschiffahrts-Session).

Die Konferenz hat in erster Linie ihr gesetzgeberisches Werk fortgesetzt und acht Übereinkommen und ebenso viele Empfehlungen über folgende Gebiete verabschiedet: Umschlagmethoden in Häfen, Mindestalter für die Zulassung zur Beschäftigung, Berufsgefahren durch krebserzeugende Stoffe, bezahlter Bildungsurlaub, Verbände ländlicher Arbeitskräfte, Berufsberatung und -bildung, Wanderarbeitnehmer, Schaffung von dreigliedrigen Beratungen zur Förderung der Durchführung internationaler Arbeitsnormen. An der Seeschiffahrts-Session erarbeitete sie ferner sechs Vertragsinstrumente zur Regelung des bezahlten Jahresurlaubs der Seeleute, des Schutzes junger Seeleute, der Kontinuität der Beschäftigung von Seeleuten sowie der Mindestnormen auf Handelsschiffen.

Von 1972 bis 1977 haben wir, nachdem wir Ihre Zustimmung erhalten hatten, folgende Übereinkommen ratifiziert: Übereinkommen (Nr. 100),über die Gleichheit des Entgelts männlicher und weiblicher Arbeitskräfte für gleichwertige Arbeit, 1951 ; Übereinkommen (Nr. 87) über die Vereinigungsfreiheit und den Schutz des Vereinigungsrechtes, 1948 - eines der grundlegenden Vertragsinstrumente der ILO -; Übereinkommen (Nr. 136) über den Schutz vor den durch Benzol verursachten Vergiftungsgefahren, 1971; Übereinkommen (Nr. 139) über die Verhütung und Bekämpfung der durch krebserzeugende Stoffe und Einwirkungen verursachten Berufsgefahren, 1974; Übereinkommen (Nr. 141) über die Verbände ländlicher Arbeitskräfte und ihre Rolle in der wirtschaftlichen und sozialen Ent- ' wicklung, 1975 ; Übereinkommen (Nr. 142) über die Berufsberatung und die Berufsbildung im Rahmen der Erschliessung des Arbeitskräftepotentials, 1975. Das Übereinkommen (Nr. 100) ist für unser Land am 25. Oktober 1973 in Kraft getreten, das Übereinkommen (Nr. 87) am 25. März 1976, wogegen die Übereinkommen Nr. 139, 141 und 142 am 28. Oktober 1977 beziehungsweise am 23. Mai 1978 in Kraft treten werden.

Ferner haben wir Ihnen mit unserer Botschaft vom 17. November 1976 - zusammen mit der Europäischen Ordnung der Sozialen Sicherheit des Europarates das Übereinkommen (Nr. 102) über die Mindestnormen der Sozialen Sicherheit,

1952, und das Übereinkommen (Nr. 128) über Leistungen bei Invalidität und Alter und an Hinterbliebene zur Genehmigung unterbreitet.

Ihrer bedeutenden Rolle im sozialen Bereich entsprechend, wollte die ILO auch einen Beitrag zum Internationalen Jahr der Frau leisten. Die Arbeitskonferenz erörterte daher 1975 Fragen der Gleichheit der Chancen und der Entlöhnung von Arbeitnehmerinnen. Diese Diskussion führte zur Verabschiedung von zwei Resolutionen und einer Erklärung, welche wir bereits in unserem Bericht vom l. September 1976 kommentiert haben.

Neben der gesetzgeberischen Tätigkeit hat die ILO ihre Anstrengungen weiterhin auf die technische Zusammenarbeit und das Weltbeschäftigungsprogramm ausgerichtet, wie wir dies in unserem Bericht vom 17. November 1971 erläutert haben».

Auf Initiative des Verwaltungsrats der ILO fand 1976 parallel zur Internationalen Arbeitskonferenz eine Dreigliedrige Weltkonferenz über die Beschäftigung, die Einkommensverteilung, den sozialen Fortschritt und die internationale Arbeitsteilung statt. Die Dreigliedrige Konferenz erörterte unter dem Gesichtspunkt der Beschäftigung zahlreiche Themen, die auch im Rahmen der UNCTAD und anlässlich von ausserordentlichen Generalversammlungen der UNO behandelt worden waren. Das Schwergewicht lag namentlich auf den Fragen, wie die lebensnotwendigen Bedürfnisse der Bevölkerung in den Entwicklungsländern zu befriedigen sind. Neben der Verbesserung von Nahrung, Kleidung, Wohnung, gewissen Haushaltgeräten und -einrichtungen bedarf es zur Deckung der wesentlichen Bedürfnisse auch elementarer Dienstleistungen für die Gemeinschaft als solche. Jede auf Vollbeschäftigung zielende nationale Entwicklungsstrategie muss diese unerlässlichen Bedürfnisse berücksichtigen. Die wichtigsten Massnahmen, welche die Entwicklungsländer zur Erreichung dieses Ziels treffen sollten, sind in einer Grundsatzerklärung und in einem Aktionsprogramm zusammengestellt, welche übereinstimmend von der Konferenz zuhanden des Verwaltungsrats der ILO angenommen wurden.

Auf die Liquiditätsschwierigkeiten, mit denen die ILO zu kämpfen hatte, ist eine viel schwerere Krise gefolgt, die weit über die Finanzprobleme hinausgeht. Die USA haben nämlich das Internationale Arbeitsamt am 6. November 1975 von ihrer Absicht unterrichtet, sich aus der ILO zurückzuziehen. Ihre Vorwürfe
gegen die Organisation sind verschiedener Art. Vor allem sehen die USA eine Aufweichung des Systems der Dreigliedrigkeit darin, dass die Arbeitgeber- und Arbeitnehmervertreter gewisser Länder unter dem beherrschenden Einfluss ihrer Regierung stehen und nicht so unabhängig handeln können, wie es die Verfassung der ILO vorsieht. Ausserdem werfen die USA der Internationalen Arbeitskonferenz Parteilichkeit bei der Kontrolle der Durchführung der grundlegenden Überein. D Unser Bericht von 1971, BEI 1972 I 26 f.

889 kommen über die Vereinigungsfreiheit und über die Zwangsarbeit vor; die Konferenz klage gewisse Länder wegen Verletzung von Menschenrechten an, während sie andern Ländern offenbar Immunität gewähre. Ferner machen die USA der Konferenz den Vorwurf, dass sie eine immer ausgeprägtere Tendenz zeige, unter Missachtung der bestehenden Verfahren und Einrichtungen Resolutionen zu verabschieden, mit denen gewisse Mitgliedstaaten verurteilt werden, «die zufällig die augenblickliche politische Zielscheibe sind». Schliesslich bedauern die USA die wachsende Politisierung der ILO. Es sei jedoch darauf hingewiesen, dass die Regierung der Vereinigten Staaten trotz aller Vorwürfe in ihrem Brief ausdrücklich festhielt, dass sie die ILO nicht zu verlassen wünsche, sondern vielmehr hoffe, dass ihre Kritik zur Kenntnis genommen werde und man sich in Zukunft darum bemühe, Bedingungen zu schaffen, die ihr ein Zurückkommen auf ihren Rückzugsbeschluss erlaubten. Es ist noch zu früh, um abzuschätzen, ob die Vereinigten Staaten eine Änderung ihrer Haltung in Betracht ziehen können. Sollten sie ihren Rückzug endgültig bestätigen, so würde dieser zwei Jahre nach Empfang der Vorankündigung, also am 6. November 1977, wirksam werden. Man muss wohl kaum betonen, dass diese Demission äusserst schwerwiegend wäre. Sie würde einen harten Schlag für die Universalität der ILO bedeuten, und die Organisation würde das Mitglied verlieren, das die höchsten finanziellen Beiträge geleistet hat.

c.

Umweltschutz

i.

Allgemeines

Die Umweltprobleme gehören heute zu den Hauptanliegen der Staaten und stellen eine der grundlegenden Aufgaben der internationalen Organisationen dar. Die Erforschung der natürlichen und der menschlichen Umwelt hat sich in den meisten SpezialOrganisationen (UNESCO, FAO, WHO, WMO, IMCO usw.) und Organen der Vereinten Nationen (UNDP, UNCTAD, ECOSOC usw.) in den letzten Jahren beträchtlich entwickelt. Das Entwicklungsprogramm der Vereinten Nationen (UNDP) spielt in diesem Bereich eine zentrale Koordinationsrolle.

Auf europäischer Ebene, die uns vor allem angeht, hat die ECE/UNO neben den nicht mit der UNO verbundenen Organisationen wie der OECD, dem Europarat und den Europäischen Gemeinschaften ein umfassendes Umweltschutzprogramm erstellt, an dem wir mitarbeiten. Es ist zu wünschen, dass im Anschluss an die Konferenz über Sicherheit und Zusammenarbeit in Europa die Zusammenarbeit in der ECE/UNO verstärkt wird. Das gegenwärtige System von in den Mitgliedstaaten organisierten Seminaren erschwert die Koordinierung der von dieser Regionalkommission unternommenen Arbeiten auf dem Gebiet des Umweltschutzes eher etwas.

890

ii.

Konferenz von Stockholm und UNEP

Die Umweltkonferenz der Vereinten Nationen tagte vom 5.-16. Juni 1972 in Stockholm; auf ihrem Arbeitsprogramm standen die folgenden sechs Themen: - Planung und Gestaltung der menschlichen Siedlungen unter dem Gesichtspunkt, die Qualität der Umwelt zu sichern; - Umweltgerechte Bewirtschaftung der Natur- und Bodenschätze; - Bestimmung und Bekämpfung der umweltverschmutzenden Stoffe von internationaler Bedeutung; - Erzieherische, soziale und kulturelle Aspekte der Umweltprobleme sowie Informationsfragen ; - Entwicklung und Umwelt; - Internationale Auswirkungen der Aktionsvorschläge auf Organisationsebene.

Als Nichtmitglied der UNO konnte die Schweiz an den Vorbereitungen der Konferenz nur sporadisch oder indirekt teilnehmen. Darüber hinaus wurde ihr erst Ende 1971 zugesichert, dass sie zusammen mit andern Mitgliedstaaten von Spezialorganisationen der Vereinten Nationen oder des Internationalen Gerichtshofs wie der Bundesrepublik Deutschland, dem Heiligen Stuhl und Liechtenstein zu dieser internationalen Tagung eingeladen werde. In Stockholm wurde deutlich, dass die Länder der Dritten Welt «Umwelt» insofern viel umfassender verstehen als die Industrieländer, als sie vor allem die sozialen Bedingungen miteinschliessen.

Die Konferenz ist zu wichtigen Ergebnissen gelangt: 1. Die Erklärung über die Umwelt, bestehend aus einer Präambel und 26 Grundsätzen, bildet eine Grundlage, auf die sich die Regierungen bei der Ausarbeitung von bilateralen oder multilateralen Abkommen stützen können.

2. Die 109 angenommenen Empfehlungen sind Bestandteil eines Aktionsplans, in dem die Aufgaben der Regierungen und der internationalen Organisationen umschrieben werden; in erster Linie geht es um die Erkennung und Bewältigung der grossen Umweltprobleme.

3. Eine Reihe neuer internationaler Organe wurde geschaffen, und zwar: - ein Verwaltungsrat des Umweltprogramms der Vereinten Nationen (UNEP); er ist das Zentralorgan der internationalen Zusammenarbeit in Umweltfragen und soll vor allem als Koordinator und Katalysator wirken; - ein Sekretariat unter der Leitung eines Exekutivdirektors;

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- ein Fonds, der sich aus freiwilligen Beiträgen der Regierungen oder andern Quellen zusammensetzt und vom Exekutivdirektor nach den Richtlinien des Verwaltungsrats verwaltet wird; - ein im Rahmen des Koordinationskomitees (CAC) der UNO geschaffener Koordinationsausschuss unter dem Vorsitz des Exekutivdirektors.

Mit Beschluss vom 15. Dezember 1972 hat die Generalversammlung der Vereinten Nationen Nairobi als Sitz des Sekretariats des UNEP bestimmt. Verbindungsbüros befinden sich in New York und Genf.

Während seiner ersten Session (Juni 1973 in Genf) hat der Verwaltungsrat des UNEP sieben vorrangige Tätigkeitsbereiche1' und eine Reihe von funktionsbezogenen Aufgaben festgelegt.

An seiner zweiten Session (März 1974 in Nairobi) hat sich der Verwaltungsrat im Zusammenhang mit den funktionellen Aufgaben besonders mit dem «Weltweiten System zur ständigen Überwachung der Umwelt (GEMS)» sowie dem «Internationalen Referenzsystem (SIR)» befasst, welche zusammen den « Überwachungsplan» 2 ) bilden.

Die dritte Session des Verwaltungsrats (April/Mai 1975 in Nairobi) war vor allem der Prüfung der drei Tätigkeitsebenen gewidmet, d. h. der Erforschung und der Bestandsaufnahme der Umwelt (Ebene I), dem Gesamtprogramm (Ebene II) und dem Fonds-Programm (Ebene III); ein weiterer wichtiger Verhandlungspunkt war das Internationale Register der potentiell giftigen chemischen Substanzen (RIFCPT).

Während der vierten Session (März/April 1976 in Nairobi) hatte der Verwaltungsrat Gelegenheit, einerseits institutionelle und finanzielle Probleme und anderseits Fragen der Natur- und Bodenschätze, der Ozeane, des Vordringens der Wüsten sowie des Wohnungswesens zu behandeln.

Erwähnt sei, dass die Schweiz für die Jahre 1975-1977 Vollmitglied des Verwaltungsrats ist und für den Zeitraum 1975-1979 jährlich einen Beitrag von einer Million Franken zur Finanzierung des Fonds entrichtet.

Der Geist von Stockholm, der durch gegenseitiges Wohlwollen und politisch massvolles Verhalten gekennzeichnet war, wirkt in den Arbeiten dieser jungen, dynamischen Institution fort, in der die Länder der Dritten Welt einen wichtigen » Menschliche Siedlungen, Wohnungswesen, Gesundheit und Wohlfahrt des Menschens; Land, Gewässer und Wüsten; Erziehung, Ausbildung, Betreuung und Information; Handel, Wirtschaft, Technik und Transfer von Techniken; Ozeane, Erhaltung der Natur, der ursprünglichen Tier- und Pflanzenwelt, der genetischen Ressourcen; Energie.

2> Operationeller Aktionsplan des UNEP.

892 Platz einnehmen. Bis heute konnte ein befriedigender Ausgleich zwischen den vordringlichen Problemen der Entwicklungsländer und denjenigen der Industriestaaten erreicht werden.

iii.

Konferenz von Vancouver

(HABITAT)

Der Anstoss zur Konferenz der Vereinten Nationen über das Siedlungswesen (HABITAT), welche vom 31. Mai bis 11. Juni 1976 in Vancouver stattfand, geht auf die Umweltkonferenz der Vereinten Nationen (Juni 1972 in Stockholm) zurück. Die Planung und Gestaltung der menschlichen Siedlungen zur Wahrung der Umweltsqualität war nämlich das erste in Stockholm behandelte Thema. Seit seiner Gründung hat das UNEP dem Siedlungswesen seine besondere Aufmerksamkeit geschenkt und es zu einem vorrangigen Tätigkeitsbereich gemacht. Das UNEP war ausserdem aktiv an der Vorbereitung der Konferenz von Vancouver beteiligt, namentlich durch die Finanzierung der Elemente «Ausstellung» und «audiovisuelle Vorführungen.» Die Konferenz, an der es zu einigen Zusammenstössen politischer Art kam, hat mehrere wichtige Dokumente verabschiedet: - eine Grundsatzerklärung mit dem Titel «Erklärung von Vancouver über die menschlichen Siedlungen 1976»; darin sind Möglichkeiten, Lösungen, allgemeine Prinzipien sowie ein Aktionsrahmen aufgeführt 1 '; - eine Resolution über die Programme für die internationale Zusammenarbeit; sie sieht insbesondere die Schaffung eines weltumfassenden intergouvernementalen Organs für die menschlichen Siedlungen und eines kleinen Sekretariats vor. Ausserdem unterstreicht sie die Bedeutung der Zusammenarbeit in Fragen des Siedlungswesens auf regionaler Ebene und empfiehlt, dass alle Mitgliedstaaten im Rahmen der regionalen Wirtschaftskommissionen der UNO regionale Regierungsausschüsse für die menschlichen Siedlungen bilden. Die praktischen Entscheidungen über die institutionellen Konsequenzen der Beschlüsse der Konferenz wurden jedoch der UNO-Generalversammlung überlassen, die bisher noch nicht definitiv Stellung genommen hat; - eine Resolution, in welcher der Generalversammlung der UNO die Schaffung eines audiovisuellen Informationszentrums über die menschlichen Siedlungen empfohlen wurde, in dem die reiche Dokumentation verwendet werden könnte, welche die Staaten der Konferenz von Vancouver zur Verfügung gestellt hatten; - eine Serie von 64 Empfehlungen über die Massnahmen, die auf nationaler Ebene zu treffen sind; der Inhalt der Empfehlungen bildet einen breitgefacher" Eine Reihe von Staaten, darunter die Schweiz, enthielten sich bei der Schlussabstimmung über diese Erklärung der Stimme, weil darin auf die Resolution der Generalversammlung der UNO die den Zionismus dem Rassismus gleichstellt, Bezug genommen wird. Kapitel III Ziffer l Buchstabe c.

893 ten Katalog, der die zahlreichen Aspekte des Siedlungswesens umfasst (Politik, Strategie, Planung, Errichtung und Gestaltung der menschlichen Siedlungen; Gebäude, Infrastruktur, Einrichtungen und Dienstleistungen; Boden; Mitspracherecht der Bevölkerung).

Unser Land hat in Vancouver zwar kein audiovisuelles Demonstrationsobjekt vorgeführt, doch hat es aktiv an der Konferenz teilgenommen, die eine der grossen internationalen Versammlungen der Vereinten Nationen für bestimmte sektorielle Fragen war. Die anderen Veranstaltungen dieser Art sind die Gewässerkonferenz von 1977 in Mar del Piata und die Konferenz über das Vordringen der Wüsten von 1977 in Nairobi.

d.

Humanitäre und Ernährungshilfe

Die im Gefolge der veränderten Weltwirtschaftslage mit ihren bekannten Auswirkungen von Inflation, Rohstoff- und Nahrungsmittelverknappung sich stellenden ernsten Schwierigkeiten für zahlreiche meist zu den ärmsten gehörenden Entwicklungsländern beeinflussten massgeblich unsere humanitäre Hilfspolitik in den vergangenen Jahren. Anlass zu einer gewissen Neuorientierung war das von den Vereinten Nationen verabschiedete Soforthilfeprogramm für die von der Weltwirtschaftskrise am härtesten betroffenen Länder, zu dem UNO-Generalsekretär Waldheim in seinem Appell vom Mai 1974 an 44 Staaten, darunter auch die Schweiz, aufrief. Unsere Leistungen auf diesen Aufruf beliefen sich 1974 auf insgesamt 15 Millionen Franken. In der Folgezeit berücksichtigten wir sowohl bei unserer bilateralen wie multilateralen Hilfeleistung vorrangig die Bedürfnisse dieser Staaten und insbesondere jene ihrer am meisten gefährdeten Bevölkerungsgruppen.

i.

Hochkommissariat der Vereinten Nationen für Flüchtlinge (UNHCR)

Mit einer wachsenden Zahl von Hilfsgesuchen in seinen verschiedenen Tätigkeitsbereichen hatte sich das Hochkommissariat der Vereinten Nationen für die Flüchtlinge (UNHCR) in den letzten Jahren zu beschäftigen. Nachdem in jüngster Zeit eine spürbare Erhöhung der Flüchtlingsraten in verschiedenen Regionen der Welt, insbesondere in Afrika und Asien, festzustellen war, schätzte man die dem UNHCR 1975 unterstellte Gesamtzahl auf rund 2,6 Millionen, wovon rund die Hälfte auf materielle Unterstützung angewiesen war. Neben den beiden zentralen Funktionen, dem völkerrechtlichen Schutz sowie der Fürsorge für die Flüchtlinge, wurde das Hochkommissariat seit 1971 verschiedentlich durch den UNO-Generalsekretär im Rahmen der Leistung von Guten Diensten mit der Durchführung spezieller Hilfsaktivitäten beauftragt, die über den traditionellen Aufgabenbereich hinausgingen und seiner Arbeit eine neue Dimension erschlossen. Nennen wir hier etwa die Tätigkeit in Zypern (1974/1975), wo der Hochkommissar zum

894 Koordinator der humanitären Hilfe der Vereinten Nationen zugunsten der etwa eine Viertelmillion zählenden Vertriebenen auf der Insel bestimmt wurde; die nach der Entlassung in die Unabhängigkeit von Guinea-Bissau und Moçambique durchgeführten grossangelegten Repatriierungs- und Unterstützungsaktionen für die Wiederansiedlung der heimkehrenden Flüchtlinge; die verschiedenen Projekte der Flüchtlingsbetreuüng oder der Wiederansiedlung für Vertriebene in Indochina, wo als Folge der bekannten Ereignisse mehr als ein Drittel der Bevölkerungen von Laos und Vietnam zu Vertriebenen wurde.

Sowohl die Aktivitäten im Rahmen des ordentlichen Hilfsprogrammes als auch jene im Rahmen der Sonderaufgaben, die in jüngster Zeit an Umfang und Bedeutung weiter zunahmen, werden durch freiwillige Beiträge finanziert, wobei es erfreulich ist, feststellen zu können, dass die Zahl der beitragsleistenden Regierungen in den vergangenen Jahren anstieg (1965: 50; 1976: 82). Darin zeigt sich wachsendes Interesse und Anerkennung der internationalen Gemeinschaft für die bedeutsame Arbeit des Hochkommissariates, dessen Hilfstätigkeit angesichts der fortbestehenden Flüchtlingsnot und des bewährten Einsatzes bei der Bewältigung von Problemen im Zusammenhang mit der Vertreibung oder Entwurzelung weiter Bevölkerungskreise unentbehrlich ist.

Seit der Gründung vor 25 Jahren unterstützt unser Land das Flüchtlingshochkommissariat und nimmt an der Gestaltung seiner Tätigkeit als Mitglied des 31 Staaten umfassenden Exekutivkomitees aktiven Anteil. Den in den letzten Jahren angehobenen ordentlichen Jahresbeitrag (1976: l,6Mio. Fr.; 1971: l Mio.)

ergänzten jeweils namhafte Sonderzuwendungen für die besonderen Hilfsaufrufe zur Finanzierung der Spezialprogramme. Fortgeführt wurde von den Bundesbehörden auch die Politik der Flüchtlingsaufnahme sowie die jährliche Aufnahme einer Anzahl körperlich und sozial behinderter Flüchtlinge.

ii.

Hilfswerk der Vereinten Nationen för die Palästinaflüchtlinge im Mittleren Osten (UNRWA)

Da eine Lösung des Flüchtlingsproblems weiter aussteht, verlängerte die UNOGeneralversammlung das Mandat des Hilfswerkes der Vereinten Nationen für die Palästinaflüchtlinge im Mittleren Osten (UNRWA) um weitere drei Jahre (bis 30. Juni 1978). Von den rund 1,6 Millionen Flüchtlingen, die Mitte 1975 registriert waren, leben rund 38,3 Prozent in den von Israel besetzten Gebieten, 38,3 Prozent in Ostjordanien, 12,1 Prozent im Libanon und 11,3 Prozent in Syrien.

Die Tätigkeit der UNRWA besteht nach wie vor in der Abgabe von Nahrungsmittelrationen, in der ärztlichen Versorgung, die präventiver Gesundheitsfürsorge Vorrang zuweist, sowie in Zusammenarbeit mit der UNESCO in einem Unterrichtsprogramm auf Grundschulstufe und einem technischen und pädagogischen

895 Ausbildungsprojekt. Seit 1953 haben über 23 000 Absolventen diese beiden Fachlehrgänge erfolgreich abgeschlossen und arbeiten heute teils in ihren Aufenthaltsländern, teils in andern arabischen Staaten, insbesondere den Golfstaaten.

Die kontinuierliche Fortführung der Programmarbeit wurde wiederholt durch die prekäre Finanzlage ernsthaft in Frage gestellt. 1975 gelang es noch, dank wesentlich erhöhter Beiträge einiger arabischer Staaten, die Arbeit regulär abzuwickeln.

Die Jahresrechnung für 1976 sah bei einem Budget von 130 Millionen Dollar ursprünglich einen Fehlbetrag von 55 Millionen Dollar vor. Dank erneuter, namhafter Zuwendungen konnte dieses Defizit bis Jahresende auf 10 Millionen Dollar reduziert werden, so dass von einer anfangs befürchteten Einschränkung der Hilfstätigkeit abgesehen werden konnte. Eine solche Reduzierung der Leistungen hätte nicht nur für die direkt Betroffenen schwere Not bedeutet, sondern auch für die Aufnahmeländer Auswirkungen haben können. Die vielfältigen Schwierigkeiten haben sich noch durch den Bürgerkrieg im Libanon, von dem auch Lager und Einrichtungen der UNRWA betroffen wurden, verschärft. Ende 1975 musste der Zentralsitz temporär von Beiruth nach Amman verlegt werden, während der Generalkommissar mit einigen Stabsdiensten nach Wien umzog.

Unser Land unterstützt schon seit längerer Zeit das Hilfswerk durch regelmässige Beiträge und beantwortet die an die internationale Gemeinschaft gerichteten Hilfsappelle, durch Sonderbeiträge die Fortführung der rein humanitären Hilfstätigkeit sicherzustellen. Für 1976 beliefen sich die Zuwendungen in bar und als Nahrungsmittelspende (Mehl, Milchpulver) auf 6,575 Millionen Franken im Vergleich zu 4 Millionen im Jahre 1971.

iii.

Kinderhüfswerk der Vereinten Nationen (UNICEF)

Im Rückblick auf die letzten Jahre der Tätigkeit des Kinderhilfswerkes der Vereinten Nationen (UNICEF) wird deutlich, dass anstelle einer bloss sektoriellen immer mehr eine umfassende Hilfeleistung getreten ist, die die wesentlichen Programmkomponenten Gesundheit, Trinkwasserversorgung, Ernährung, Ausbildung enthält. Priorität kam dabei den ärmsten Ländern zu, deren Lage sich durch die veränderte Weltwirtschaftslage drastisch verschlechterte. Mit der Erklärung des Kindernotstandes im Mai 1974 sollte die Weltöffentlichkeit auf die akute Verschärfung eines seit Jahren bestehenden «chronischen Notstandes» aufmerksam gemacht werden. In Ergänzung der ordentlichen Programmaktivität wurden für die am härtesten betroffenen Länder eine Anzahl Sonderhilfsprogramme ausgearbeitet. Angesichts der Herausforderung, dass in der Mitte des Zweiten Entwicklungsjahrzehnts der Vereinten Nationen die Situation der ärmsten Länder sich weiter verschlechterte, und im Wissen darum, dass die Möglichkeiten durchaus bestehen, die weithin ungedeckten grundlegenden Bedürfnisse der Kinder vorab in ländlichen Gegenden und städtischen Elendsvierteln zu befriedigen, forderte UNICEF die Schaffung eines Systems sich gegenseitig ergänzender öffentlicher

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Grunddienste im Bereich Gesundheit, Ernährung, Erziehung und weiterer Sozialdienste. Der Erfolg dieser «Barfussdoktor-Strategie» hängt wesentlich von der Mitwirkung und Mitverantwortung der motivierten lokalen Dorfgemeinschaft ab.

UNICEF wird in den kommenden Jahren seine Tätigkeit auf die Realisierung dieses Vorhabens ausrichten.

Das Weltkinderhilfswerk ist eine dynamische, effizient arbeitende Organisation, deren erfolgreiche Programmtätigkeit im Felde auf die bestehenden Bedürfnisse ausgerichtet ist, wie uns dies die jährlich durchgeführten Umfragen bei unseren Botschaften bestätigen. Wenn auch der prozentuale Anteil der Nothilfe an der Gesamttätigkeit weiter zurückgeht, so leistet UNICEF dennoch auch hier vorzügliche Arbeit. Dies bewog uns, in jüngster Zeit unsere Nothilfeaktionen vermehrt über diese Organisation durchzuführen.

Die Schweiz ist seit der Gründung des UNICEF Mitglied des Verwaltungsrates und stellte dreimal den Ratsvorsitzenden.

Die Programmtätigkeit des Weltkinderhilfswerkes in 109 Ländern, die sich 1975 auf 105 Millionen Dollar belief, wird durch freiwillige Beiträge finanziert. Unser Land hat in den vergangenen Jahren seine Leistungen an den Fonds stetig erhöht.

1976 betrug der Jahresbeitrag 5,5 Millionen Franken (1971: 4 Mio.); dazu kamen zusätzliche Beiträge in bar und als Naturalspenden für Sonderhilfsprogramme und besondere Projekte in der Höhe von insgesamt rund 2,0 Millionen Franken.

Die bisher sehr erfolgreiche Zusammenarbeit mit dem Fonds soll in Zukunft noch weiter verstärkt werden.

iv.

Büro des Koordinators der Vereinten Nationen för Katastrophenhilfe (UNDRO)

Zu einer bedeutsamea Ausweitung der humanitären Hilfstätigkeit der UNO kam es auf dem Gebiet der Katastrophenhilfe. Unter dem Eindruck einer Reihe schwerer Naturkatastrophen Ende der sechziger Jahre und dem in der Folge sich deutlich abzeichnenden Unvermögen, die unkoordinierte internationale Hilfe wirksam und gezielt einzusetzen, reifte bei zahlreichen Regierungen der Entschluss, die offenbar gewordene Kontakt- und Koordinationslücke durch eine Dienststelle innerhalb des Systems der Vereinten Nationen zu schliessen, um einen möglichst wirksamen und abgestimmten Einsatz der internationalen Hilfsgüter zu gewährleisten. Gleichzeitig war man überzeugt, dass auf dem Gebiet der Katastrophenverhütung und der Vorplanung für den Katastrophenfall wichtige Arbeit zu leisten sei.

Das Mandat des Büros des Koordinators der Vereinten Nationen für Katastrophenhilfe (UNDRO), das eine separate Einheit innerhalb des Sekretariats der UNO darstellt, umfasst gemäss der Resolution der 26. Generalversammlung von

897

1971" zwei Tätigkeitsbereiche, einmal die Mobilisierung, Orientierung und Koordinierung der Hilfe für die Katastrophenländer durch einen Informationsaustausch, zum zweiten die Herabsetzung des Ausmasses der Auswirkungen von Katastrophen durch Verhütungsmassnahmen, Ausschaltung möglicher Bedrohungen durch Vorplanung sowie Förderung von Bereitschaftsmassnahmen in katastrophengefährdeten Gebieten.

Mit Sitz in Genf, das wegen seiner zentralen Lage, der Nähe zu vielen Geberländern sowie der dort niedergelassenen humanitären Hilfsorganisationen gewählt wurde, nahm die UNDRO im März 1973 ihre Tätigkeit auf. Mit ihrer Gründung sollten die vielfältigen Aktivitäten staatlicher und nichtstaatlicher Hilfsorganisationen nicht ersetzt werden. Es entstanden auch keine Doppelspurigkeiten. Die primäre Aufgabe der UNDRO besteht darin, Geberländern bei Katastrophenfällen jeweils die neusten, an Ort und Stelle beschafften Informationen über das Ausmass der Verwüstungen zukommen zu lassen und sie möglichst genau über die primären Bedürfnisse zu orientieren. Diese Lageberichte werden auch an allfällige Spenderländer sowie an staatliche und nichtstaatliche Hilfswerke geleitet, die ihrerseits das Büro über die eigene Hilfstätigkeit auf dem laufenden halten.

Diese gegenseitige Information erleichtert es, die jeweilige Bedarfssituation im Katastrophengebiet genauer zu erfassen.

Das Büro ist gegenwärtig damit beschäftigt, eine internationale Strategie für die Katastrophenverhütung auszuarbeiten, gedacht als Konzeptionsrahmen für alle nationalen und internationalen Aktivitäten in dieser Richtung.

Für unser Land ist vor allem die Tätigkeit der UNDRO als Informations- und Koordinationsstelle von besonderer Bedeutung. Nach Abschluss der ersten Phase des Auf- und Ausbaus erweist es sich heute immer deutlicher, dass die UNDRO, die mittlerweile in 72 Katastrophenfällen interveniert und 16 Ländern bei Projekten der Katastrophenverhütung geholfen hat, zu einer wichtigen und unentbehrlichen Informationsquelle geworden ist für die mit Katastrophen- und humanitärer Hilfe beauftragten Dienststellen des Politischen Departements. Zusammen mit den von der Liga der Rotkreuzgesellschaften übermittelten Situationsberichten lässt sich bereits sehr früh ein realistisches Bild von angerichteten Verwüstungen und dringend benötigten Hilfsgütern
gewinnen. Aufgrund der bisherigen guten Erfahrungen der Zusammenarbeit, etwa anlässlich der Erdbebenkatastrophen in der Türkei und in Guatemala, ist anzunehmen, dass die gegenseitige Kooperation enger gestaltet und weiter ausgebaut werden soll. Durch die Vermittlung der UNDRO haben wir in mehreren Katastrophenfällen Nothilfe im Gesamtwert von rund 280000 Franken geleistet. Ausserdem hat ihr der Bund in Anerkennung ihrer Erfahrung und Sachkenntnis freiwillige Beiträge in der Höhe von 50 000 Franken für 1976 und 100000 Franken für 1977 zur Verfügung gestellt.

') Resolution 2816 (XXVI) vom H.Dezember 1971.

898

v.

Welternährungsprogramm (WFP)

Das von der UNO und der FAO gemeinsam eingesetzte Welternährungsprogramm (WFP) hat seine 1963 aufgenommene Tätigkeit im Laufe der Jahre ständig erweitert und verstärkt. Seine Aktionen bezwecken neben der Förderung von Projekten der wirtschaftlichen und sozialen Entwicklung - wobei besondere Aufmerksamkeit der Lage der am meisten gefährdeten Bevölkerungsgruppen in den ärmsten Ländern zukommt - auch die Hilfeleistung bei akuten Ernährungsengpässen und Notsituationen.

Um eine wirksamere Koordination der multilateralen, bilateralen und nichtgouvernementalen Nahrungshilfe sicherzustellen sowie auch ein besseres Zusammenwirken bei Nothilfeaktionen zu erreichen, empfahl die Welternährungskonferenz von 1974, das Zwischenstaatliche Komitee (CIG), welches als Kontrollorgan die Tätigkeit des WFP überprüft, in ein Komitee der Politik und Programme der Nahrungsmittelhilfe umzuformen. Gleichzeitig wurde vorgeschlagen, seine Mitgliederzahl von 24 auf 30 anzuheben, um so eine bessere geographische Vertretung zu erreichen. Dieses neue Komitee mit erweitertem Aufgabenbereich führte im Frühjahr 1976 seine erste Session in Rom durch, an der auch unser Land teilnahm, das 1974 erstmals für eine dreijährige Dauer ins CIG gewählt wurde. Ab 1977 folgt die Schweiz erneut als Beobachter den Beratungen.

Die Effizienz des Welternährungsprogrammes und seine Zusammenarbeit mit den andern Organen und SpezialOrganisationen der Vereinten Nationen konnte in letzter Zeit entscheidend verbessert werden. Das gestiegene Vertrauen in seine Tätigkeit beweist etwa die Tatsache, dass das Gesamtvolumen der Beitragsleistungen für die Periode 1975-1976, die auf 440 Millionen Dollar festgesetzt wurde, beträchtlich überschritten wurde. Von der Gründung bis Ende 1975 konnten insgesamt über 730 Projekte in 98 Ländern im Gesamtwert von über 2,2 Milliarden Dollar sowie 210 Nothilfeaktionen in 82 Ländern in der Höhe von 200 Millionen Dollar realisiert werden. Das WFP stellt heute ohne Zweifel ein wichtiges Entwicklungs- und Nothilfeinstrument im System der Vereinten Nationen dar, das die Unterstützung durch unser Land verdient.

Die ordentlichen Zuwendungen der Schweiz an die Aktivitäten des Programmes beliefen sich 1976 auf 4 Millionen Franken (1971: 1,6 Mio.), wovon ein Drittel in bar und zwei Drittel in Form von einheimischen Nahrungsmitteln
geleistet wurden. Zusätzlich stellt unser Land dem WFP auch einen Teil der ihm in Erfüllung seiner im Internationalen Übereinkommen über Nahrungsmittelhilfe auferlegten Getreidelieferungen (oder ihres Gegenwertes in Dollars) zur Verfügung.

vi.

Büro der FAO för besondere Hilfseinsätze

(OSRO)

Als das ganze Ausmass der Not und Verwüstung durch die Dürre im Sahel offenkundig zu werden begann, ernannte die UNO die FAO zur Koordinationsstelle

899

für alle Hilfsmassnahmen zugunsten dieser Region. In diesem Zusammenhang kam es zur Schaffung des Büros der Hilfseinsätze im Sähet (OSRO)1'. Auf rund 500 Millionen Dollar beliefen sich die vielfältigen Einsätze, an denen das OSRO in enger Zusammenarbeit mit dem WFP während der Jahre 1973-1975 direkt beteiligt war.

Nach Abschluss der Aktion Sahel lag es nahe, dass die FAO dieses erfahrene und sachkundige Nothilfeinstrument weiterhin für Katastrophenhilfe auf der ganzen Welt bereithalten wollte. Am 1. Oktober 1975 wurde es in FAO Büro für besondere Hilfseinsätze (OSRO)2> umbenannt, das in enger Zusammenarbeit mit dem UNDRO arbeiten sollte. Die Tätigkeit des OSRO umfasst insbesondere Nothilfe und kurzfristigen Beistand, in der Regel beschränkt auf die Lieferung von landwirtschaftlichen Produkten und technischer Hilfe, namentlich bei Naturkatastrophen. Bei länger andauernden Notlagen kann die Hilfe auch, um spätere Wiederherstellung und Entwicklung zu erleichtern, Projekte des Wiederaufbaus umfassen. Bei der Durchführung ihrer Projekte, finanziert durch freiwillige Beiträge, arbeitet das OSRO eng mit dem WFP und dem Internationalen Düngerprogramm zusammen.

Im Februar 1976 erreichte die Schweiz ein dringender Aufruf des Generaldirektors der FAO. Darin wurde auf die kritische Ernährungslage im Niger und in Mauretanien aufmerksam gemacht, wo nach einer neuerlichen Dürre die jungen Pflanzenschösslinge von Insekten und Ratten vernichtet wurden. Für ihre Hilfsaktionen stellte unser Land dem OSRO 645 000 Franken zum Ankauf von Getreide zur Verfügung.

e.

Öffentliches Gesundheitswesen

Die 29. Weltgesundheitsversammlung im Mai 1976 hat den Generaldirektor der WHO ersucht, bis 1980 mindestens 60 Prozent des ordentlichen Budgets für technische Zusammenarbeit aufzuwenden. Schon in den vergangenen Jahren hat sich die WHO dank einer zukunftsweisenden Konzeption ihres Direktors in zunehmendem Masse den Problemen der Entwicklungsländer gewidmet. In Zusammenarbeit mit andern Institutionen bemüht sie sich namentlich um den Aufbau sogenannter primärer Gesundheitsdienste nach einer neuen Methode, die auch die Mitwirkung der staatlichen Gesundheitsdienste und der Bevölkerung mit einbezieht. Aufgrund eines Beschlusses der Weltgesundheitsversammlung werden die WHO und das UNICEF 1978 gemeinsam eine internationale Konferenz über die primären Gesundheitsdienste, die auch die Dienste für Mutter und Kind und für den Schutz der Familie einschliessen, veranstalten.

'> Office for Sahelian Relief Opérations.

> FAO Office for Special Relief Opérations.

2

900

Zur Bekämpfung schwerer Infektions- und parasitärer Krankheiten, die hauptsächlich tropische Entwicklungsländer heimsuchen, ist ein umfassendes Forschungsprogramm in Angriff genommen worden, das unter Nutzung und Erweiterung des in den Entwicklungsländern vorhandenen Forschungspotentials wirksame und nicht kostspielige Technologien zur Bekämpfung von Tropenkrankheiten entwickeln soll. Die Schweiz hat für die Vorbereitungsphase des Spezialprogramms zur Bekämpfung der Tropenkrankheiten den Betrag von 250 000 Franken zur Verfügung gestellt. Der Beitrag für 1977 wird 750000 Franken betragen.

Die Auffassung, dass es sich bei diesen Fragen um eine interdisziplinäre Aufgabe handelt, hat sich auch auf dem Gebiet der Versorgung mit sauberem Wasser durchgesetzt, wo sich Vertreter der WHO, des UNICEF, des UNDP, des UNEP, der Weltbank und anderer Organisationen zusammenfinden, um die Probleme im Rahmen sämtlicher Entwicklungsprogramme in Angriff zu nehmen.

An den Jahresversammlungen der WHO wurden verschiedene Fragen behandelt, die auch für die Schweiz von besonderem Interesse sind, so der Tabakmissbrauch, die kardiovaskulären Krankheiten, Impfprogramme, die Überwachung und Ursachenerforschung der Geburtsgebrechen, die biomedizinische Forschung, die rheumatischen Krankheiten, Geschlechtskrankheiten und die Verhinderung von Verkehrsunfällen.

Im weiteren hat die WHO ein internationales Überwachungs- und Meldesystem für unerwünschte oder schädliche Nebenwirkungen von Heilmitteln geschaffen und in den letzten Jahren ständig verbessert. Neu wurden auch die Arbeiten für die internationale Normierung von Stoffen aufgenommen, die der Krankheitsdiagnostik dienen. Für Pestizide empfiehlt eine 1975 von der Weltgesundheitsversammlung beschlossene Resolution eine Einteilung in Gefahrenklassen, die weitgehend der Einteilung gemäss eidgenössischem Giftgesetz entspricht.

Der vielleicht spektakulärste Erfolg der WHO war in den letzten Jahren, dass es ihr mit ihrem Programm gelungen ist, die Pocken fast vollständig auszurotten.

Die WHO rechnet damit, dass in allernächster Zeit auch die letzten Herde vernichtet sein werden. Die Schweiz hat sich mit regelmässigen Spenden von PockenImpfstoff im Gesamtbetrage von rund 1,5 Millionen Franken 1 * an diesem Programm beteiligt.

Weniger Erfolg war hingegen dem Programm zur Bekämpfung
der Malaria beschieden. Diese weit verbreitete Krankheit ist in den letzten Jahren sogar in Europa und in der Schweiz aufgetreten (85 eingeschleppte Fälle im Jahre 1975).

Zu ihrer Ausrottung bedarf es daher noch grosser Anstrengungen auf internationaler Ebene.

'> Dieser Betrag reicht für 25 Millionen Dosen Impfstoff aus.

901

Zu politischen Debatten gab in der WHO hauptsächlich das Problem der sanitären Verhältnisse in den von Israel besetzten arabischen Gebieten Anlass. Die 26. Weltgesundheitsversammlung hatte 1973 verlangt, dass ein spezieller Expertenausschuss die sanitäre Situation im Mittleren Osten prüfen sollte. Der Ausschuss, dem je ein Experte aus Indonesien, Rumänien und Senegal angehört, besuchte in der Folge Ägypten, Jordanien, den Libanon und Syrien. Dagegen erteilte ihm Israel vorerst keine Einreisebewilligung zum Besuch der besetzten Gebiete. Im Frühjahr 1976 lud es die Experten dann einzeln ein. Diese kamen der Einladung nach und arbeiteten anschliessend einen gemeinsamen Bericht aus. Die Mehrheit der Delegationen weigerte sich jedoch an der darauf folgenden 29. Weltgesundheitsversammlung, diesen Bericht überhaupt zu behandeln, und verurteilten Israel wie schon 1975 unter Androhung von Artikel 7 der Verfassung der WHO, der es in seinen aus der Mitgliedschaft erwachsenden Rechten suspendieren würde. Gleichzeitig wurde das Mandat des Ausschusses erweitert.

In den letzten vier Jahren war die Schweiz Mitglied der aus dreissig Staaten zusammengesetzten internationalen Betäubungsmittelkommission. Trotz erneuter Kandidatur wurde sie 1975 nicht mehr gewählt.

Das 1971 in Wien von einer Konferenz der Vereinten Nationen ausgearbeitete Übereinkommen über die Kontrolle von Psychotropenstoffen (Halluzinogene wie LSD, Stimulantien, Schlaf- und Beruhigungsmittel) ist bis heute von 38 Staaten ratifiziert worden; es fehlen noch zwei Ratifikationen, bis dieses Übereinkommen in Kraft treten kann. Von den Industrienationen hat lediglich Frankreich diese Konvention ratifiziert. Durch die letzte Abänderung des Bundesgesetzes über die Betäubungsmittel werden in unserem Lande zwei Kategorien von Substanzen nach den Bestimmungen dieses Übereinkommens kontrolliert, nämlich die Halluzinogene und die Stimulanzien.

1972 hat eine vom ECOSOC einberufene Konferenz ein Protokoll zur Änderung des Einheitsübereinkommens von 1961 über die Betäubungsmittel ausgearbeitet und angenommen. Durch dieses Vertragswerk soll unter anderem das internationale Betäubungsmittel-Kontrollorgan vermehrte Befugnisse zur besseren Überwachung des Anbaus und der Herstellung von Betäubungsmitteln erhalten. Das Protokoll ist 1975 in Kraft getreten, nachdem es
von 40 Staaten ratifiziert worden war. In der letzten Abänderung unseres Betäubungsmittelgesetzes wurden die für uns massgebenden Bestimmungen dieses Protokolls berücksichtigt, so dass einer Ratifizierung unsererseits nichts mehr im Wege steht.

Bis jetzt haben 57 Länder etwas mehr als 20 Millionen Dollar in den Spezialfonds für den Kampf gegen den Missbrauch von Suchtstoffen einbezahlt; damit konnten etwa 80 Projekte auf der ganzen Welt, die wichtigsten im Fernen Osten, ausgeführt werden. Die gegenwärtige Finanzlage des Bundes hat es der Schweiz vorläufig verunmöglicht, einen entsprechenden Beitrag an diesen Fonds zu leisten.

902 f.

Bildungs- und Forschungsinstitute der Vereinten Nationen

Mit Bundesbeschluss vom 18. Dezember 1969 war ein Rahmenkredit für die Periode 1970-1974 zur Unterstützung verschiedener Bildungs- und Forschungsinstitute der Vereinten Nationen im wirtschaftlichen und sozialen Bereich eröffnet worden1'. Ein neuer Bundesbeschluss vom S.Dezember 1974 ermöglicht es der Schweiz, diesen Instituten auch während der Periode 1975-1979 Beiträge von insgesamt l,3 Millionen Franken zukommen zu lassen.

Nach wie vor gingen unsere Zahlungen an das Institut für Ausbildung und Forschung (UNITAR), das Forschungsinstitut für Sozialentwicklung (UNRISD) und das Forschungsinstitut für soziale Verteidigung (UNSDRI). Diese drei Institute spielen eine beträchtliche Rolle bei der Erarbeitung neuer Konzeptionen für die Entwicklungszusammenarbeit und bei der Ausbildung der Kader der UNO und ihrer SpezialOrganisationen. Ausserdem leisteten wir 1972, 1974 und 1976 freiwillige Beiträge an das Unterrichts- und Bildungsprogramm der Vereinten Nationen für das südliche Afrika.

Das UNITAR ist ein vom Generalsekretär im Rahmen der Vereinten Nationen geschaffenes autonomes Organ. Sein Mandat besteht vorab darin, die Weltorganisation bei der Verfolgung ihrer wichtigsten Ziele mit der Durchführung von Ausbildungsprogrammen und Studien über die Kompetenzen und Aufgaben der UNO zu unterstützen. Im Oktober 1976 hat ein Schweizer die Direktion des Europabüros des UNITAR in Genf übernommen.

Das UNRISD untersucht hauptsächlich die Durchführung der sozialen Zielsetzungen im Rahmen der Entwicklungspolitik, die technischen Verfahren im Hinblick auf die Integration der wirtschaftlichen und sozialen Planung sowie die Entwicklungsstrategien, die nötig sind, um die Zielsetzungen des wirtschaftlichen Wachstums mit jenen der Verteilung, Mitbestimmung und des Wohlstandes zu vereinbaren. Es erstellt zu diesem Zweck vor allem vergleichende Studien über die Erfahrungen einer Anzahl von Ländern.

Das UNSDRI bemüht sich um enge Kontakte zu den nationalen Forschungsinstituten für soziale Verteidigung. Ein bedeutender Teil des Spezialfonds der Vereinten Nationen für die soziale Verteidigung, eines Organs, dessen Mittel der Finanzierung der Tätigkeit der Organisation auf den Gebieten der Verbrechensverhütung und der Behandlung der Verbrecher dienen, steht diesem Institut zur Verfügung.

1967 hat die Generalversammlung die
drei für Namibia, die portugiesisch verwalteten Gebiete und Südafrika geschaffenen Schulprogramme unter Einbeziehung von Personen aus Süd-Rhodesien zu einem einzigen integrierten Unterrichts- und » Unser Bericht von 1971, BB1 1972 [ 33 f.

903

Bildungsprogramm der Vereinten Nationen für das südliche Afrika zusammengefasst1*, das mit freiwilligen Beiträgen finanziert wird. Hauptaufgabe des Programms, das mit Hilfe des UNDP durchgeführt wird, ist die Verleihung von Stipendien für eine Ausbildung an afrikanischen Schulen und Universitäten.

g.

Bevölkerungsfragen

Unter dem Leitspruch «One world for all» - unsere Welt ein unteilbares Ganzes - erklärten die Vereinten Nationen die Bevölkerungsfrage zu einem Anliegen der ganzen Erde und bestimmten das Jahr 1974 zum Weltbevölkerungsjahr. Das Bevölkerungsproblem - die Frage des zu findenden Gleichgewichtes zwischen rapidem Bevölkerungswachstum und der Gesamtheit der gegebenen Umweltbedingungen, welche die Lebensqualität bestimmen - ist eines der vordringlichsten Probleme der Generationen der zweiten Hälfte des 20. Jahrhunderts, die in ihrer Gesamtheit von seinen politischen, wirtschaftlichen und sozialen Auswirkungen betroffen werden.

Höhepunkt des Weltbevölkerungsjahres der Vereinten Nationen, dessen zentrales Anliegen die Information und Sensibilisierung der weltweiten Öffentlichkeit für diese Fragestellung war, bildete die vom 19.-30. August 1974 nach Bukarest einberufene Weltkonferenz, an der unser Land teilnahm. Nach einlässlichen Debatten, welche die Meinungsunterschiede in der politischen Beurteilung der Bevölkerungsfrage durch die rund 140 anwesenden Staaten klar zutage treten Hessen, verabschiedete die Tagung mit Konsensus einen Weltaktionsplan, mit dessen Hilfe eine internationale Koordination der Bemühungen für eine ausgeglichene Entwicklung erreicht werden soll. Die Konferenz war nicht Endergebnis vielfältiger Bemühungen, sondern vielmehr verpflichtender Ausgangspunkt gemeinsam fortzusetzender Anstrengungen für die Verbesserung der Lebensqualität der Menschheit unter voller Berücksichtigung der persönlichen Freiheitsrechte.

Die Zukunft wird weisen müssen, inwieweit die Konferenz Anstoss gab zu einer grundsätzlichen Überprüfung der eigenen Positionen und zu verantwortlichem Handeln in dieser komplexen Schicksalsfrage unserer Zeit.

Die Schweiz beteiligt sich auf multilateralem Gebiet an Projekten der Familienplanung, indem sie dem Fonds der Vereinten Nationen für Bevölkerungsaktivitäten (UNFPA) regelmässig freiwillige Beiträge zur Verfügung stellt. Der Fonds führt in vollem Einverständnis und in Zusammenarbeit mit den Empfängerstaaten entweder selber Projekte auf dem Gebiet der Volkszählung oder Familienplanung durch, oder beauftragt SpezialOrganisationen der Vereinten Nationen mit der Durchführung der Projekte.

» Resolution 2349 (XXII) vom 19. Dezember 1967.

904 h.

Internationales Jahr der Frau

Mit der Erklärung des Jahres 1975 zum Internationalen Jahr der Frau setzten die Vereinten Nationen ihre in jüngster Zeit immer eindringlicheren Bemühungen fort, weltweit die Öffentlichkeit für aktuelle Gegenwartsfragen und ihre Interdependenz zu sensibilisieren. Die beiden Weltkonferenzen des Jahres 1974 hatten eindeutig klar gemacht, dass vitale Probleme wie Bevölkerungsexplosion und Ernährungskrise nicht zu meistern sind, solange die «schweigende Hälfte» der Menschheit nicht richtig motiviert und mobilisiert werden kann. Das Internationale Jahr der Frau, das einen Prozess in Richtung auf die umfassende Gleichberechtigung der Frau in Gang setzen wollte, hatte damit also Wohl und Förderung der gesamten Gesellschaft zum Anliegen.

Höhepunkt der Bestrebungen, die Diskriminierung der Frau auf die Welttagesordnung zu setzen, bildete die von der UNO vom 19. Juni bis 2. Juli 1975 nach Mexico-City einberufene Weltkonferenz. Zusammen mit 132 weiteren Staaten nahm die Schweiz an den Beratungen teil. Aufgabe der Konferenz sollte es sein entsprechend der Jahresthematik «Gleichberechtigung, Entwicklung, Friede» -, ein internationales Aktionsprogramm mit kurz- und langfristigen Massnahmen für die rechtliche und tatsächliche Gleichstellung von Mann und Frau, die volle Eingliederung der Frau in die globalen Entwicklungsbemühungen und ihre möglichst grosse Beteiligung an der Stärkung der internationalen Friedensarbeit zu verabschieden.

Die Konferenz nahm einen stark politisierten Verlauf. Es wurde jedoch auch viel gute und sachbezogene Arbeit geleistet, die eine Fülle von Anregungen für die Besserstellung der Frau brachte. Schliesslich ist es nicht ohne Bedeutung, dass die nahezu vollständig versammelte Staatenwelt nachdrücklich die Dringlichkeit der Beseitigung aller Formen der Diskriminierung aufgrund des 'Geschlechtes forderte. Ein eigentlicher Erfolg der Konferenz liegt unserer Meinung nach in der meistens einhelligen Verabschiedung der Resolutionen zu spezifischen Frauenfragen, insbesondere aber in der Annahme des ausgewogenen Weltaktionsplanes, der erstmals für die Staatengemeinschaft allgemeine Richtlinien für die in den kommenden zehn Jahren anzugehenden Aufgaben für Besserstellung und Gleichberechtigung der Frau setzt.

Erfolg oder Misserfolg dieser Weltkonferenz, die erstmals auf Regierungsebene Stellung
und Rolle der Frau in der Gesellschaft prüfte, wird sich daran erweisen, was nun die einzelnen Staaten im angebrochenen «Jahrzehnt der Frau» (19761985) in Ausführung der von der Konferenz verabschiedeten Anregungen realisieren werden.

Im Anschluss an das «Internationale Jahr der Frau» hat der Bundesrat am 28. Januar 1976 beschlossen, eine Eidgenössische Kommission für Frauenfragen einzusetzen. Diese ständige ausserparlamentarische Verwaltungskommission

905

wirkt als beratendes Organ des Bundesrats und der eidgenössischen Departemente. Administrativ ist sie dem Departement des Innern unterstellt. Ihre Aufgaben sind folgendermassen umschrieben: - Abgabe von Vernehmlassungen zu Vorlagen des Bundes, welche die Stellung der Frau in der Schweiz berühren; - Erledigung von Arbeiten gernäss besonderem Auftrag des Bundesrates oder der Departemente des Bundes; - Ausarbeitung eigener Empfehlungen oder Anträge zuhanden des Bundesrates oder der Departemente des Bundes für Massnahmen im Hinblick auf die Stellung der Frau in der Schweiz; - Beobachtung der Entwicklung hinsichtlich der Stellung der Frau in der Schweiz; Verfolgung der getroffenen Massnahmen und periodische Berichterstattung hierüber an das Eidgenössische Departement des Innern.

5.

Übrige von den SpezialOrganisationen bearbeitete Fragen

a.

Kulturelle Fragen und Fragen der Wissenschaft

i.

Organisation der Vereinten Nationen för Erziehung, Wissenschaft und Kultur (UNESCO)

Die UNESCO erweist sich für die weltumfassende Behandlung erzieherischer, wissenschaftlicher und kultureller Fragen nach wie vor als unentbehrlich. Nicht nur bildet sie das Forum für den Austausch der in den verschiedenen Weltregionen so unterschiedlichen Ansichten zu gesellschaftspolitischen Fragen. Bei zahlreichen kulturellen und wissenschaftlichen Problemen, deren Lösung im bloss nationalen oder regionalen Rahmen sinnlos oder gar unmöglich wäre, setzt sich die Organisation dafür ein, weltweite Regelungen zu erarbeiten. Auf manchen Gebieten beschreitet sie mit Studien und Versuchen Neuland und stellt die Resultate alsdann ihren Mitgliedstaaten zur Verfügung. Ihre Arbeiten kommen namentlich den Entwicklungsländern zugute, für welche die Organisation oft eine lebenswichtige Kontaktstelle und Inspirationsquelle darstellt und denen sie von der Zentrale und den zahlreichen Regionalbüros aus in der Planung und Durchführung mancher Projekte beisteht. Die UNESCO tritt auch als ausführende Agentur für die vom UNDP, der Weltbank und anderen Organisationen finanzierten Projekte auf.

Die wichtige Rolle der UNESCO als Promotor neuer Ideen und Kontaktstelle hat sich bei einigen ihrer grossen Konferenzen besonders deutlich erwiesen, an denen in verschiedenen Bereichen neue Wege aufgezeigt und sanktioniert worden sind. Als auch für unser Land bedeutungsvolle Treffen sind zu erwähnen: die Zwischenstaatliche Konferenz über Kulturpolitik in Europa (Helsinki) und die

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Dritte Weltkonferenz über Erwachsenenbildung (Tokio), beide im Jahre 1972; die Konferenz über Hochschulbildung in Europa (Bukarest) von 1973 und die alle zwei Jahre stattfindenden Konferenzen des der UNESCO angeschlossenen Internationalen Erziehungsamtes (BIE) in Genf mit erziehungspolitischen Themen.

Die schon seit jeher wichtige rechtssetzende Tätigkeit der Organisation hat in den vergangenen fünf Jahren noch zugenommen: vier Übereinkommen und eine lange Reihe von Empfehlungen sind ausgearbeitet und verabschiedet worden.

Von den Übereinkommen seien erwähnt diejenigen betreffend den Schutz des Kultur- und Naturguts und die Erhaltung der Feuchtgebiete aus den Jahren 1971 und 1972, welche von der Schweiz inzwischen ratifiziert worden sind; ferner das Übereinkommen über die Verbreitung der durch Satelliten übertragenen programmtragenden Signalé vom Jahr 1974. Die wichtigsten Empfehlungen gelten der Friedenserziehung, dem technischen und Berufsunterricht (1974), dem Schutz historischer Gebäudegruppen, dem internationalen Austausch von Kulturgütern, der Förderung der Erwachsenenbildung, dem Übersetzerschutz und den Radiound Fernsehstatistiken (1976).

Von grossem Interesse für unser Land sind die naturwissenschaftlichen Programme der UNESCO. An erster Stelle sei das langfristige interdisziplinäre Programm «Mensch und Biosphäre» (MAß) erwähnt, mit dem weltweit die Verpflichtung zur ökologischen Grundlagenforschung gefördert werden soll. Ein auf Anregung der UNESCO gegründetes schweizerisches MAB-Komitee befasst sich eingehend mit einem der UNESCO-Projekte, nämlich der Auswirkung menschlicher Tätigkeiten auf die Ökosysteme der Gebirge. Das «Internationale Hydrologische Dezennium» ist 1975 vom neuen «Internationalen Hydrologischen Programm» abgelöst worden; hier wie auch für die weiteren UNESCO-Programme auf den Gebieten der geologischen Korrelation und Ozeanographie haben in der Schweiz besondere Komitees oder die zuständigen Kommissionen der Schweizerischen Naturforschenden Gesellschaft die Mitarbeit mit der Organisation übernommen.

Internationales Echo haben seit der Rettung von Abu Simbel (Ägypten) und Angkor (Kambodscha) die Aktionen der UNESCO zugunsten bedrohter Baudenkmäler von Weltrang gefunden. An zwei von ihnen, die in diese Berichtsperiode fallen, nämlich an jene zur Rettung der Tempel von
Philae (Ägypten) und zur Renovation des Tempels von Borobudur (Indonesien), hat auch die Schweiz namhafte Beiträge geleistet. · Mit ihrem weiten, gesellschaftsbezogenen Tätigkeitsfeld, auf dem sich Werte, Prioritäten und Methoden leicht wandeln können, läuft eine Organisation wie die UNESCO rasch Gefahr, sich in einer Fülle heterogener Tätigkeiten zu verlieren.

Um so bemerkenswerter sind die Bemühungen der UNESCO, ihre Unternehmungen zu straffen und aufs Wesentliche zu konzentrieren. Nach längeren Vorbereitungsarbeiten ist es ihr gelungen, für die Jahre 1977-1982 ein mittelfristiges Pro-

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gramm vorzulegen, in dem die ihr obliegenden grossen Weltprobleme in zehn Zielvorstellungen erfasst werden, auf die alle Einzelprojekte ausgerichtet sind.

Als Informations- und Verbindungsstelle zwischen unserm Land und der UNESCO dient die Nationale Schweizerische UNESCO-Kommission, die 1974 auf ihr 25jähriges Bestehen zurückblicken konnte. Mit ihrem für die Massenmedien bestimmten Mitteilungsbulletin «UNESCO-Presse» und der illustrierten Revue «UNESCO-Kurier» macht sie die Tätigkeit der Organisation in der schweizerischen Öffentlichkeit bekannt. In Seminaren und Konferenzen greift sie aktuelle Ideen von internationaler Tragweite auf und stellt sie breiten Kreisen unseres Landes vor. Besonders hervorgehoben zu werden verdient die Institution der «Assoziierten Schulen», welche internationalen Themen wie der Entwicklungszusammenarbeit ihre besondere Aufmerksamkeit schenken. Sie waren auch an dem zusammen mit der Internationalen Schule in Genf schon mehrfach organisierten «Forum der Jungen» beteiligt, einer simulierten Generalversammlung der Vereinten Nationen, an der Schulklassen aus der ganzen Schweiz teilnahmen.

In unserem Land haben jedoch weniger diese zahlreichen Unternehmungen der Organisation und ihre Beiträge zur Lösung grosser Weltprobleme Beachtung gefunden, sondern vielmehr jene Entschliessungen, Erklärungen und Empfehlungen ihrer Generalkonferenz oder der von ihr einberufenen Expertenkonferenzen, welche einen ausgeprägt politischen Gehalt haben und mit denen die- Organisation nach der Ansicht mancher Kreise von ihrem Weg abgekommen ist. Besonderer Kritik riefen bei uns der Beschluss der Generalkonferenz von 1974, Israel nicht in die europäische Regionalgruppe aufzunehmen, sowie die Verabschiedung eines stark dirigistisch orientierten Erklärungsentwurfs über die Massenmedien durch eine Expertenkonferenz Ende 1975. Wenn auch gewisse politisch einseitig motivierte Stellungnahmen nicht in Abrede gestellt werden können und bedauert werden müssen, so ist doch nicht zu verkennen, dass der Vorwurf der «Politisierung» gegenüber der UNESCO oft in recht undifferenzierter Weise erhoben wird. Eine zwischenstaatliche Organisation, die sich mit Fragen der menschlichen Gesellschaft zu befassen hat, ist zwangsläufig politisch, und die Diskussionen über Methode und Zielsetzung der Erziehung und der
Sozialwissenschaften, über Sinn und Zweck von Kultur und Kommunikation müssen jeweils mitten in das Spannungsfeld weltanschaulicher und politischer, Gegensätze führen. So darf es nicht verwundern, wenn Themen wie die Friedenserziehung, die Frage der Diskriminierung im Erziehungswesen, das Problem des Zugangs aller Volksschichten zur Kultur, die Aufgabe der Massenmedien usw., die alle zweifellos ins Ressort der UNESCO gehören, zu harten Kontroversen Anlass bieten. Bei der UNESCO zeigt sich deutlicher als bei andern SpezialOrganisationen, dass die Unterteilung des Systems der Vereinten Nationen in einen politischen und einen technischen ·Bereich nicht mehr aufrechtzuerhalten ist. Denn auch umgekehrt sind viele der grossen weltpolitischen Fragen, wie die Neue Weltwirtschaftsordnung, der Mittelostkonflikt, die Menschenrechte etwa unter dem Aspekt der Erziehung, der Wissenschaft, der Philosophie oder der Soziologie, längst in die Traktandenliste der UNESCO eingegangen.

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Im übrigen darf festgehalten werden, dass an der 19. Generalkonferenz 1976 in Nairobi nicht nur eine weitere Eskalation vermieden werden konnte, sondern, namentlich seitens der afrikanischen Staaten, ein ausgeprägter Geist der Mässigung und der Besinnung bewiesen wurde. Die Auffassung schien Oberhand zu gewinnen, dass weltweite Gegensätze nicht mit harten Konfrontationen, sondern nur in geduldigen langwierigen Verhandlungen gelöst werden können. In diesem Sinne soll ein neuer Erklärungsentwurf über die Massenmedien erarbeitet und der nächsten Generalkonferenz wieder vorgelegt werden. Die UNESCO kam auch auf ihren 1974 gefassten Beschluss zurück und sanktionierte die Aufnahme Israels in die europäische Regionalgruppe.

Die Universität der Vereinten Nationen ist im November 1972 durch einen Entscheid der Generalversammlung der UNO ins Leben gerufen worden. Ihr Verwaltungszentrum hat zwei Jahre später in Tokio seine Tätigkeit aufgenommen. Die Universität wird keinen eigentlichen Lehrbetrieb durchführen, sondern an dezentralisierten Instituten Forschung vor allem auf den Gebieten der Welternährung, der Rohstoffbewirtschaftung und des Völkerrechts betreiben.

ii.

Internationale Fernmeldeunion (ITU)

Die wichtigste Konferenz der ITU, die Bevollmächtigten-Konferenz, trat 1973 in Malaga-Torremolinos (Spanien) zusammen. Sie überarbeitete das Übereinkommen von Montreux (1965) und bestimmte die Mitgliedstaaten des Verwaltungsrats, welche mit der Leitung der ITU bis zur nächsten Bevollmächtigten-Konferenz beauftragt sind. Die Schweiz wurde als Mitglied des Verwaltungsrats wiedergewählt und präsidiert dessen Finanzausschuss.

Im Jahre 1971 organisierte die ITU in Genf die erste Weltausstellung für Fernmeldewesen. Der Erfolg dieses Unternehmens veranlasste die BevollmächtigtenKonferenz, die ITU zur Weiterverfolgung dieses Weges zu ermutigen. So fand denn 1975 in Genf mit der TELECOM 75 eine zweite solche Ausstellung statt.

Gleichzeitig organisierte die ITU im Ausstellungsgebäude ein technisches Symposium, an dem Gelehrte und Forscher aus der ganzen Welt teilnahmen, die in ihren Vorträgen die jüngsten Neuerungen im Bereich der Fernmeldetechnik vorstellten. Die nächste TELECOM ist für 1979 vorgesehen.

iii.

Meteorologische Weltorganisation (WMO)

Der Meteorologische Weltkongress, das oberste Organ der Organisation, tritt alle vier Jahre am Sitz in Genf zusammen, um das Tätigkeitsprogramm und das Budget bis zum nächsten Kongress festzulegen.

Seit dem sechsten Kongress im April 1971 lag das Schwergewicht der Tätigkeit der WMO auf dem Aufbau und der Realisierung der Weltwetterwacht, eines die

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ganze Welt umfassenden Beobachtungs-, Mess- und Übermittlungssystems. In der gleichen Zeitperiode wurden Untersuchungen über das Verhalten tropischer Zyklonen sowie als ein Teil des weltweiten Programmes zur Erforschung der Atmosphäre (GARP), das GARP-Experiment im Räume Afrika-Atlantik (GATE)» durchgeführt.

Seit 1974 beteiligt sich die WMO am Umweltprogramm der Vereinten Nationen.

Nach dem Beschluss, die Operationelle Hydrologie in den Kompetenzbereich der WMO einzubeziehen, nahmen die Wasserwirtschaftsämter vermehrt an den Sitzungen teil. Sie befassten sich auch mit dem Beitrag der Meteorologie im Kampf gegen den Hunger und mit Problemen der Energieversorgung.

22 europäische Mitgliedstaaten der WMO, darunter die Schweiz, unterzeichneten im November 1974 das internationale Abkommen über die Finanzierung von Wetterschiffen im Nordatlantik. Die Schweiz ratifizierte das Abkommen am 10. März 1976.

Der siebente Kongress fand vom 28. April bis 23. Mai 1975 in Genf statt. Er legte das Programm für die Finanzperiode 1976-1979 fest. Darunter fallen insbesondere die Weiterführung der Weltwetterwacht und des GARP, dessen Hauptexperiment 1978/79 stattfinden soll. Im Anschluss an die Konferenzen von Stockholm und Rom wird sich die WMO in Zukunft auch vermehrt mit Fragen der Umweltverschmutzung und der Ernährung befassen. In Zusammenarbeit mit der FAO sollen im Rahmen der Agrarmeteorologie Probleme der Nahrungsmittelproduktion bearbeitet werden.

Weitere Programme betreffen Untersuchungen tropischer Zyklone und Monsune (Experiment MONEX), künstliche Wetteränderung, Erschliessung von Wasservorräten in Zusammenarbeit mit der WHO sowie das Projekt «Mensch und Biosphäre» (MAB) in Zusammenarbeit mit der UNESCO. Ausserdem -wird die WMO Programme im Rahmen des freiwilligen Hilfsprogramms (P A V) und in Zusammenarbeit mit dem UNDP durchführen.

Neben dem ordentlichen Jahresbeitrag leisten wir regelmässig Zahlungen an den Spezialfonds des PAV und für das Weltstrahlungszentrum Davos.

Am I.November 1975 übernahm der bisherige Direktor der Schweizerischen Meteorologischen Zentralanstalt das Amt des stellvertretenden Generalsekretärs der WMO.

» GARP Atlantic Tropical Experiment von 1974.

Bundesblatt. 129.Jahrg. Bd.II

39

910 b.

Agrarfragen

Die Organisation der Vereinten Nationen für Ernährung und Landwirtschaft (FAO) hielt wie üblich alle zwei Jahre ihre regulären Konferenzen ab. Aufgrund verschiedener Initiativen und Empfehlungen, so auch der 17. Konferenz der FAO von 1973, fand ausserdem 1974 in Rom die Welternährungskonferenz der Vereinten Nationen statt.

i.

Die Welternährungskonferenz von 1974

Die Welternährungskonferenz war die herausragende Manifestation auf einem der wichtigsten Gebiete der internationalen Zusammenarbeit. Erstmals vertraten zahlreiche Entwicklungsländer den Standpunkt, dass sie für die Nahrungsmittelversorgung selber verantwortlich seien und dass ihre Regierungen dem Ausbau der Landwirtschaft Priorität einräumen sollten. Die Konferenz bestätigte eine an der 17. Konferenz der FAO vom Generaldirektor vorgelegte Entschliessung hinsichtlich eines Übereinkommens über die Sicherheit der Welternährung. Das Übereinkommen sieht hauptsächlich die Errichtung eines koordinierten Systems von nationalen Sicherheitsvorräten und ein weltumfassendes Informations- und Alarmsystem im Bereich von Landwirtschaft und Ernährung vor. Die Konferenz nahm als minimale Zielsetzung für die jährliche Ernährungshilfe zehn Millionen Tonnen Getreide an, lehnte aber die Forderung der Entwicklungsländer ab, internationale Getreide- und Notvorräte anzulegen.

Ausserdem fasste die Welternährungskonferenz eine Reihe von institutionellen Beschlüssen. So wurde der Grundsatzentscheid getroffen, einen Internationalen Fonds für landwirtschaftliche Entwicklung (IFAD) zu äufnen sowie einen Welternährungsrat (WFC) mit der Aufgabe der Überwachung und Koordinierung der Tätigkeit der Vereinten Nationen auf dem Gebiet der Ernährung zu gründen. Die Konferenz beschloss ferner, den intergouvernementalen Ausschuss WFP/FAO zu verstärken, und schlug die Schaffung eines Ausschusses für Sicherheit der Welternährung im Rahmen der FAO sowie einer Konsultativgruppe für Landwirtschaftsproduktion und Investition (GCPAI) vor, die gleichzeitig der FAO, dem UNDP und der Weltbank angegliedert wäre.

ii.

Die regulären Konferenzen der FAO

Die 1969 festgelegten fünf Prioritätsgebiete der FAO'> wurden an der 16. Konferenz von 1971 ergänzt durch die landwirtschaftliche Entwicklungsplanung. Gleich-

" Die fünf ursprünglichen Prioritäten waren: Intensivkultur der Hochertragssorten (vor allem Getreide), Verbesserung der Versorgung mit Protein, Ausschaltung der Nahrungsmittelverluste, Ausbildung der Bauern und Beitragsleistung der Landwirtschaft an die Devisenbeschaffung. Unser Bericht von 1971, BB1 1972 I 37 f.

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zeitig wurde der Direktor aufgefordert, die verfügbaren Mittel besser auf diese Prioritäten zu konzentrieren. In diesem Zusammenhang unterstrich die Schweiz durch den Vorsteher des Volkswirtschaftsdepartements die Notwendigkeit und Dringlichkeit, Landwirtschaftsmärkte zu organisieren, die auf eine Stabilisierung der Preise für landwirtschaftliche Basisprodukte und eine Verbesserung der Austauschverhältnisse dieser Produkte abzielen.

Die 17. Konferenz von 1973 stand vor allem unter dem Einfluss der Dürre und Hungersnot im Sahelgebiet. Die FAO war von der UNO zur Koordinationsstelle für alle Hilfsmassnahmen zugunsten dieser Region bestimmt worden1*.

Der 18. Konferenz von 1975 oblag insbesondere die Prüfung, wieweit die Beschlüsse der Welternährungskonferenz in der Zwischenzeit konkretisiert worden waren. Die Errichtung des IFAD war eingeleitet. Ferner war der WFC bestellt und das Übereinkommen über die Sicherheit der Welternährung von 60 Staaten, darunter auch der Schweiz, unterzeichnet worden, die zusammen 95 Prozent der Getreideausfuhren und 50 Prozent der Einfuhren decken. China und die Sowjetunion haben bisher von einer Unterzeichnung Abstand genommen. Die Ernährungshilfe betrug rund 9,3 Millionen Tonnen Getreide und erreichte damit das gesetzte Minimalziel von 10 Millionen nicht ganz.

An dieser Konferenz wurde der Programmentwurffür 1976/77 eingehend erörtert und zum Teil auch heftig kritisiert. Das Budget von 167 Millionen Dollar brachte eine reale Erhöhung um 25 Prozent ; es wurde zwar angenommen, aber der Direktor wurde aufgefordert, es im Lichte der Diskussionen an der Konferenz abzuändern und dem Rat neue Vorschläge einzureichen.

Die Schweiz war von 1971 bis 1974 Mitglied des Rates der FAO.

c.

Verkehrsfragen

i.

Internationale Zivilluftfahrtorganisation

(ICAO)

Während in der vorangehenden Berichtsperiode die Arbeiten der Organisation auf dem Gebiete der Verbrechensbekämpfung eindeutig im Vordergrund standen, konzentrierte sich das Interesse in den vergangenen Jahren eher auf die Vorkehrungen zur Lärmbekämpfung sowie auf die Weiterentwicklung des Haftpflichtrechtes. Beiden Bereichen ist gemeinsam, dass sie internationale Regelungen erfordern.

Ergänzend zu den Normen und Empfehlungen der Organisation auf dem Gebiet der Lufttüchtigkeit der Luftfahrzeuge sind unter Mitwirkung der Schweiz und 11

Dazu unsere Ausführungen zum Büro der FAO für besondere Hilfseinsätze (OSRO) unter Kapitel III Buchstabe d vi.

912

teilweise in Anlehnung an schweizerische Vorschriften Normen und Empfehlungen über die Lärmentwicklung bestimmter Luftfahrzeugkategorien entwickelt worden. Diese Arbeiten werden im Sinne der Verschärfung der Bestimmungen weitergeführt.

Die Grundlagen der Haftung des Lufttransportführers gegenüber Reisenden und Absendern von Fracht sind in dem auf das Jahr 1929 zurückgehenden Warschauer Abkommen enthalten. Dieses Übereinkommen ist im Laufe der Jahre durch verschiedene Protokolle ergänzt worden. Der Rechtsausschuss der Organisation ist mit der Anpassung und Überarbeitung der bestehenden Rechtsgrundlagen befasst. Ziel der Bestrebungen ist es, einen möglichst grossen Staatenkreis innerhalb eines möglichst einheitlichen Haftungssystem zu behalten. Es ist ungewiss, ob und wann diese Bestrebungen erfolgreich abgeschlossen werden können.

An der letzten Generalversammlung, die im Herbst 1974 in Montreal durchgeführt wurde, hat die ICAO unter anderem beschlossen, das Aktionsprogramm für den Umweltschutz zu unterstützen. Auf dem Gebiete der Flugunfallverhütung und der Flugunfalluntersuchungen ist die weltweite Zusammenarbeit vermehrt zu fördern. Die ICAO hat ihre Arbeiten auf rechtlichem Gebiet, insbesondere die Revision bestehender und die Ausarbeitung neuer Übereinkommen, fortgesetzt und eine Reihe von Beschlüssen technischer Art gefasst. Auf wirtschaftlichem Gebiet hat sie sich vor allem mit den Fragen des Linienverkehrs und des Nichtlinienverkehrs befasst.

ii.

Intergouvernementale Organisation der Seeschiffahrt

(IMCO)

Die IMCO blieb weiterhin die vorwiegend auf technische Probleme ausgerichtete internationale Organisation der Seeschiffahrt. Mit den seewirtschaftlichen Fragen befasst sich heute vor allem die UNCTAD. Ihr Verhaltenskodex für die Linienseeschiffahrt (der im Kern eine Ladungsaufteilung anstrebt) wurde 1974 angenommen und bildet einen Bestandteil der Bestrebungen zur Errichtung einer Neuen Weltwirtschaftsordnung. Die Konvention der IMCO von 1948 enthält ebenfalls die wirtschaftspolitische Zielsetzung, diskriminierende Massnahmen und unnötige Restriktionen beseitigen zu helfen. Die Organisation konzentriert sich aber seit der Aufnahme ihrer Tätigkeit im Jahre 1958 aufprägen der Sicherheit und der Leistungsfähigkeit der Handelsschiffahrt. Zu ihren heute 95 Mitgliedstaaten gehören praktisch alle Nationen, die sich mit Seeschiffahrt befassen.

Die technische Zusammenarbeit und die Bekämpfung der Meeresverschmutzung erscheinen als zwei Tätigkeitsbereiche, in denen die IMCO vermehrt auch operationelle Aufgaben übernehmen will. Ihre Aktionen auf dem Gebiet der technischen Zusammenarbeit, für die 1972 ein besonderer Ausschuss geschaffen wurde, waren erfolgreich. Die IMCO will auch weiterhin nur die technische Durchführung solcher Projekte übernehmen, die aus anderen Programmen der Vereinten Nationen finanziert werden. Der Ausschuss für Meeresumweltschutz leistet sei-

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nerseits seit 1973 die Vorarbeit für diese andere, wahrscheinlich künftig wichtigste neue Tätigkeit der IMCO.

Die Schweiz nimmt regelmässig an den wichtigsten Arbeiten der IMCO teil. Sie ratifizierte 1975 u. a. das Übereinkommen von 1972 zur Verhütung von Zusammenstössen auf See und das Protokoll von 1968 zur Änderung des Brüsseler Übereinkommens von 1924 zur Vereinheitlichung einzelner Regeln über Konnossemente. Unter schweizerischem Vorsitz nahm im Dezember 1974 eine diplomatische Konferenz die Konvention über die Beförderung zur See von Reisenden und deren Gepäck an, in der eine zwingende Mindesthaftung des Reeders für Passagierunfälle vorgesehen ist.

iii.

Weltpostverein (UPU)

Das höchste Organ des Weltpostvereins, der Kongress, beschloss 1969 in Tokio, dass die Schweiz den Kongress zur Hundertjahrfeier des Weltpostvereins im Jahre 1974 organisieren sollte. Dieser XVII. Kongress fand vom 22. Mai bis 7. Juli 1974 in Lausanne statt. Von den 151 Staaten, die im Zeitpunkt der Kongresseröffnung Mitglied des Weltpostvereins waren, entsandten 141 ihre Vertreter. Seit dem letzten Kongress waren zehn neue Mitglieder aufgenommen worden.

Die Schweiz wurde als Gastland ersucht, das Präsidium des Kongresses zu übernehmen.

Wie bei den beiden vorangegangenen Kongressen waren die ersten Tage politischen Problemen gewidmet. Die Debatten verliefen diesmal in einem Geist des guten Willens und gegenseitigen Verständnisses. Dabei spielte der kurz vorher erfolgte Regimewechsel in Portugal eine wichtige Rolle. Allerdings beschloss der XVII. Kongress wie schon die vorhergehenden Kongresse des Weltpostvereins erneut den Ausschluss Südafrikas von seinen Beratungen. Südafrika bleibt jedoch weiterhin Mitglied des Weltpostvereins und zahlt seinen Beitrag.

Dem Vorschlag der schweizerischen Regierung in ihrer Eigenschaft als Aufsichtsbehörde des Internationalen Büros folgend, stimmte der Kongress dem Grundsatz zu, die Befugnis zur Genehmigung des Budgets des Weltpostvereins von der Aufsichtsbehörde auf den Exekutivrat zu übertragen. Der Kongress dankte der Regierung der Schweizerischen Eidgenossenschaft in aller Form für die grosszügige Unterstützung des Weltpostvereins, die sie ihm mit der Leistung der notwendigen Vorschüsse und der Rechnungsprüfung beim Internationalen Büro gewährt.

Bis 1974 wurde der Generaldirektor des Internationalen Büros auf Vorschlag der schweizerischen Regierung von Exekutivrat gewählt. Der Vizegeneraldirektor wurde vom Generaldirektor ernannt, wobei diese Ernennung vom Exekutivrat genehmigt werden musste. Der Kongress beschloss, in Zukunft selbst die beiden höchsten Beamten des Internationalen Büros zu wählen.

914

Die Mitgliederzahl des Exekutivrats, der als ständiges Organ die Kontinuität der Tätigkeit des Weltpostvereins zwischen den Kongressen sicherzustellen hat, wurde von 31 auf 40 erhöht. Ein Sitz wird in Zukunft dem jeweiligen Gastland des Kongresses vorbehalten sein, das ausserdem den Vorsitz des Exekutivrats innehat. Diese Funktion wird zurzeit bis zum nächsten Kongress im Jahre 1979 von der Schweiz wahrgenommen.

Die Schweiz ist ebenfalls Mitglied des Konsultativratsfür Poststudien (CCEP) ; es handelt sich um ein ständiges Organ, das Studien durchführt und Stellungnahmen zu technischen, wirtschaftlichen und betriebswirtschaftlichen Fragen sowie zu Fragen der technischen Zusammenarbeit veröffentlicht. Die Mitgliederzahl dieses Organs wurde von 30 auf 35 erhöht.

d.

Fragen des geistigen Eigentums

Im Jahre 1974 ist die Weltorganisation für geistiges Eigentum (WIPO) die 14. SpezialOrganisation der Vereinten Nationen geworden. Ihr Ursprung geht auf die Pariser Verbandsübereinkunft zum Schutz des gewerblichen Eigentums von 1883 und auf die Berner Übereinkunft zum Schutz von Werken der Literatur und der Kunst aus dem Jahre 1886 zurück. Die Sekretariate der internationalen Verbände, die aus den beiden Übereinkommen hervorgingen, wurden 1893 unter dem Namen «Vereinigte Internationale Büros zum Schutz des geistigen Eigentums» (BIRPI) zusammengelegt. Die schweizerische Regierung wurde mit deren Finanz- und Verwaltungsaufsicht betraut.

Die Entstehung neuer Arten von internationalen Organisationen nach dem Zweiten Weltkrieg, das Bestreben der Mitgliedstaaten, bei der Gestaltung dieser Organisationen eine aktive Rolle zu spielen, sowie die Bemühungen der BIRPI, ihre Stellung gegenüber den neuen Institutionen zu festigen, veranlasste die Verbände für den Schutz des geistigen Eigentums, ihre Strukturen zu modernisieren. Die Reform wurde mit der Annahme des Übereinkommens zur Gründung der Weltorganisation für geistiges Eigentum (WIPO) an der diplomatischen Konferenz von 1967 in Stockholm abgeschlossen. Das Sekretariat der WIPO und der Verbände, die ihrerseits über autonome Organe verfügen, wird vom Internationalen Büro für geistiges Eigentum geführt, welches der Aufsicht der obersten Organe der WIPO und der Verbände unterstellt ist. Als Sitzstaat der neuen Organisation ist die Schweiz von Amtes wegen Mitglied des Exekutivausschusses der Verbände sowie des Koordinationsausschusses der WIPO. Die Schweiz hat das Übereinkommen über die WIPO am 26. Januar 1970 ratifiziert. Am darauffolgenden 26. April trat es in Kraft. Seit dem 17. Dezember 1974 ist die WIPO eine SpezialOrganisation der Vereinten Nationen.

Das Gebiet des geistigen Eigentums, insbesondere dasjenige der Erfindungspatente, deren Schutz auf der Monopolstellung ihrer Inhaber beruht, ist der Auseinandersetzung zwischen den Industriestaaten und den Entwicklungsländern nicht

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mehr entzogen. Weil das Patentsystem beim technischen Transfer eine Rolle spielt, greifen die Tätigkeiten der WIPO und diejenigen von Organisationen wie der UNCTAD, der UNIDO und dem UNDP immer mehr ineinander über. Das Internationale Büro bemüht sich mit seinen Initiativen darum, seine Kompetenzen im Bereich des gewerblichen Eigentums voll zu bewahren. Die internationale Patentgesetzgebung gilt als ein wichtiges Instrument für den wirtschaftlichen Aufschwung der Entwicklungsländer. Ihr stehen deshalb Veränderungen bevor, die sich im Rahmen der bereits in Gang gesetzten Revision der Pariser Verbandsübereinkunft vollziehen werden. Nach Auffassung der Entwicklungsländer, die Mitglied der WIPO sind, soll die Revision zur Errichtung einer neuen Weltwirtschaftsordnung beitragen.

Die Arbeiten der WIPO zeigen deutlich, dass ein vernünftiger Schutz des gewerblichen Eigentums eine notwendige Voraussetzung für die Industrialisierung der Entwicklungsländer darstellt. Die WIPO organisiert in allen Regionen der Welt Seminare; sie bildet in Zusammenarbeit mit nationalen Ämtern, unter anderem dem Eidgenössischen Amt für geistiges Eigentum, die Kader für die Patentämter der Entwicklungsländer aus. Ferner erarbeitet sie Mustergesetze, die den Bedürfnissen dieser Länder angepasst sind. Sie setzt sich aktiv für eine schnelle und weltweite Verbreitung wissenschaftlicher und technischer Informationen ein; dazu trägt der Vertrag über die internationale Zusammenarbeit auf dem Gebiet des Patentwesens wirksam bei, der 1970 im Rahmen der WIPO angenommen worden ist.

Auf dem Gebiet des Schutzes der Urheber- und Nachbarrechte hat sich eine enge Zusammenarbeit zwischen der WIPO und der UNESCO entwickelt. Sie bewährte sich insbesondere 1971 bei der Revision der Berner Übereinkunft unter der Federführung der WIPO und des Welturheberrechts-Übereinkommens, das in den Zuständigkeitsbereich der UNESCO gehört. Zu den derzeit gemeinsam behandelten Materien zählen die heiklen Probleme, welche sich aus den modernen Photokopiertechniken, der raschen Entwicklung der audiovisuellen Verfahren, der Benutzung geschützter Werke durch Komputer, der Ausstrahlung von Fernsehsendungen über Kabel und über Satelliten ergeben. Auch in diesen Bereichen erweist sich die WIPO als dynamisch.

Die Schweiz ist Mitglied fast sämtlicher der WIPO angeschlossenen
Übereinkommen und Sondervereinbarungen; sie ist in den meisten Organen dieser Vertragsinstrumente vertreten. Ausserdem nimmt die Schweiz an den Arbeiten fast aller Expertenausschüsse teil, die von der WIPO im Hinblick auf die Revision und Vorbereitung internationaler Abkommen eingesetzt wurden.

e. Fragen der Atomenergie und der Nichtverbreitung von Kernwaffen

Durch das Inkrafttreten des neuen Artikels VI des Statuts der Internationalen Atomenergie-Agentur (IAEA) am 1. Juni 1973 ist die Mitgliederzahl des Gouver-

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neurrats von 25 auf 34 gestiegen. Diese Änderung hat es der Schweiz ermöglicht, von 1973 bis 1975 einen Sitz im Rat innezuhaben. Im übrigen hat die Agentur ihre Haupttätigkeit in den Bereichen der Förderung und Entwicklung der Kernenergie für friedliche Zwecke, der technischen Hilfe und der Kontrolle der Garantien fortgesetzt.

Ende 1976 hatten 100 Staaten den Vertrag über die Nichtverbreitung von Kernwaffen (NPT) ratifiziert, der seit dem 1. Juli 1968 zur Unterzeichnung auflag. Mit Bundesbeschluss vom 14. Dezember 1976 haben Sie den Bundesrat ermächtigt, den Vertrag für die Schweiz zu ratifizieren. Die Kontrolle der friedlichen Nutzung der Kernenergie, welcher sich unser Land in Zukunft unterziehen muss, wird auf diese Weise erleichtert, indem diejenigen Staaten, die mit der Ratifizierung des NPT die im Vertrag enthaltenen Garantien übernommen haben, durch sein Kontrollsystem begünstigt werden.

Andere Probleme, die zurzeit untersucht werden, sind vor allem die physikalische Sicherheit von Kernmaterial und nuklearen Einrichtungen, ein Bereich, über den die IAEA Empfehlungen zuhanden der Mitgliedstaaten ausarbeitet, sowie die Kernsprengungen zu friedlichen Zwecken (PNE). Die mit dem zuletzt genannten Gebiet zusammenhängenden Fragen werden von einem beratenden Ad-hoc-Ausschuss mit dem Ziel geprüft, zu einer internationalen Vereinbarung zu gelangen.

Auf dem Gebiet der Nichtverbreitung von Kernwaffen sind noch zwei Institutionen zu erwähnen, die von der IAEA unabhängig sind, aber eine bedeutende Rolle spielen: es handelt sich um den Zangger-Ausschuss und den Londoner Klub. Der Zangger-Ausschuss trägt den Namen seines Präsidenten, des Vizedirektors des Amtes für Energiewirtschaft, und vereint die wichtigsten Länder, die Nuklearmaterial und -ausrüstungen exportieren. Er wurde geschaffen, um die Tragweite von Artikel III Absatz 2 des NPT näher zu bestimmen ; dieser regelt den Nuklearexport, indem er ihn an bestimmte Voraussetzungen knüpft. Der Artikel beschränkt sich darauf, die in Frage stehenden Güter wie folgt zu umschreiben: «...Ausrüstungen und Materialien, die eigens für die Verarbeitung, Verwendung oder Herstellung von besonderem spaltbarem Material vorgesehen oder hergerichtet sind».

Um zu verhindern, dass verschiedene Interpretationen dieses Textes zu unlauteren Handelspraktiken führen, was
der Nichtverbreitung von Kernwaffen abträglich wäre, hat der Ausschuss eine Liste der genannten Ausrüstungen und Materialien erstellt, zu deren Einhaltung sich seine Mitglieder einseitig verpflichtet haben.

Wenn der NPT auch auf diese Weise ergänzt wurde, so garantiert er doch nicht mit letzter Sicherheit, dass Kernwaffen nicht weiterverbreitet werden, denn eine Reihe von Staaten haben den Vertrag noch nicht ratifiziert und teilweise nicht einmal unterzeichnet. Um diese Lücke zu schliessen, haben sich sieben Staaten (Frankreich, Grossbritannien, die Sowjetunion, die Vereinigten Staaten, die Bundesrepublik Deutschland, Japan und Kanada) im Jahre 1975 unter dem Namen «nuclear suppliers group», auch «Londoner Klub» genannt, zusammengeschlossen. Sie haben bindende Richtlinien für den Export von Kernmaterial erarbeitet,

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die für jedes Mitglied in gleicher Weise gelten und noch strenger sind als diejenigen des NPT. Acht weitere Staaten, darunter die Schweiz, haben sich in der Folge dem Klub angeschlossen1*. Die Schweiz hat ihren Beitritt am 20. April 1977 erklärt. Bereits Ende desselben Monats hat eine schweizerische Delegation an einer Sitzung des «Londoner Klubs» teilgenommen.

6.

Finanzielle Fragen (Budgets)

Die Probleme, die sich für die Budgets der Organe und SpezialOrganisationen der Vereinten Nationen in den letzten Jahren stellten, sind vor allem auf Schwankungen der Wechselkurse, Inflation und Ausweitungen der Programme zurückzuführen.

Alle drei Erscheinungen wirkten in der Richtung einer steten Erhöhung der Budgetsummen. Die westlichen Industriestaaten, welche die grössten Beiträge an die Budgets der SpezialOrganisationen bezahlen, verfolgten diese Entwicklung mit einer gewissen Besorgnis und bemühten sich gemeinsam, die Budgeterhöhungen nach Möglichkeit in einem vertretbaren Rahmen zu halten.

a.

Schwankungen der Wechselkurse

Die Budgets der Organe und SpezialOrganisationen beruhen in der Regel auf dem Dollar als Rechnungseinheit. Auch sind die Beiträge meistens in Dollars zahlbar oder werden auf der Basis des Dollars festgesetzt. Ausnahmen bilden nur der Internationale Fernmeldeverein (ITU), der Weltpostverein (UPU) und das Allgemeine Zoll- und Handelsabkommen (GATT), deren Budgets und Mitgliederbeiträge in Schweizerfranken festgelegt sind.

Die Organisationen, deren Budgets auf Dollars lauten, tätigen in der Regel einen grossen Teil ihrer Ausgaben ausserhalb des Dollarraumes. Dies gilt insbesondere für Organisationen und Teile des Sekretariats der UNO, die ihren Sitz in der Schweiz haben. Die Kursverluste der amerikanischen Währung, die in den letzten Jahren eingetreten sind, belasten folglich die Budgets dieser Organisationen in ausserordentlichem Ausmass. Da die Generalversammlungen nur alle ein bis zwei Jahre stattfinden und die Budgets immer nur mit Verzögerungen an die Kursschwankungen angepasst werden konnten, waren viele Organisationen gezwungen, die Kursverluste durch Einsparungen, Personalabbau und Programmeinschränkungen wettzumachen. Wo dies nicht ausreichte, mussten von den zuständigen Organen Zusatzkredite zugesprochen werden, im Falle der UNESCO 1973 durch eine eigens zu diesem Zweck einberufene ausserordentliche Generalversammlung.

11

Neben der Schweiz sind dies die DDR, Belgien, Italien, die Niederlande, Polen, Schweden und die Tschechoslowakei.

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Die prekäre Situation, in welche die Budgets des UNO-Systems durch die Kursverluste des Dollars geraten waren, veranlasste die verantwortlichen Generaldirektoren, die im Verwaltungsausschuss für Koordinierung (ACC) zusammengeschlossen sind, nach Mitteln und Wegen zu suchen, die es ermöglichen sollten, in Zukunft derartige Situationen zu vermeiden. Unter den verschiedenen Vorschlägen, die in diesem Zusammenhang gemacht wurden, zielte einer darauf ab, die Budgets der in der Schweiz niedergelassenen Organisationen auf Schweizerfranken umzustellen. Die Schweiz hat sich in offiziellen Verlautbarungen an den ACC und in den Organisationen, in denen dieser Vorschlag zur Sprache kam, gegen ein solches Vorgehen gewandt, da wir jede Tendenz vermeiden möchten, die unsere Währung auf dem Umweg über die Finanzen der internationalen Organisationen international stärker als bisher in Umlauf gebracht hätte. Der Gedanke wurde nicht weiter verfolgt.

In diesem Zusammenhang ist zu erwähnen, dass Staaten mit verhältnismässig starker Währung in den Organisationen, deren Budgets in Dollars festgelegt sind, die durch die Zunahme der Budgets bedingte Erhöhung der Beiträge dank vorteilhafter Wechselkurse zum grossen Teil kompensieren konnten. Umgekehrt stiegen die Beiträge - in nationaler Währung ausgedrückt - für jene Staaten, deren Währungen dem Dollarkurs gefolgt waren, in den Organisationen mit auf Schweizerfranken lautenden Budgets wegen des ungünstigen Wechselkurses.

b.

Inflation

Die Welle der weltweiten Kostensteigerungen brachte ein weiteres Element der Budgeterhöhungen im UNO-System mit sich. Die Finanzdirektoren der Organisationen erachteten es als ihre Pflicht, das Ausmass der Inflation nach Möglich- .

keit zu extrapolieren und in den Budgetzahlen vollumfänglich zu berücksichtigen.

Die Industriestaaten bemühten sich, dieser Tendenz entgegenzusteuern und die Organisationen zu veranlassen, nur einen Teil der vorauszusehenden Kostensteigerungen in die Budgets aufzunehmen und den Rest durch Einsparungen auszugleichen. Mit dieser Haltung hatten sie nicht immer einen durchgehenden Erfolg; es ist ihnen jedoch gelungen, einige allzu hochgegriffene Inflationsprognosen auf ein realistisches Niveau zu reduzieren.

c.

Ausweitungen der Programme

Die erwähnten Tendenzen Hessen den betroffenen Organisationen oft wenig oder keinen Spielraum, ihre Programme in einer Weise auszudehnen, wie dies von vielen Mitgliedern, vor allem aus der Dritten Welt, gewünscht wurde. Sie hatten vielmehr zur Folge, dass sich trotz Budgeterhöhungen, die sich zwischen 10 und 20 Prozent oder mehr im Jahr bewegten, die Programme oft gleich blieben oder in einigen Fällen sogar eingeschränkt werden mussten. Eine Ausnahme von dieser Regel bildete die Organisation der Vereinten Nationen für Ernährung und Land-

919

Wirtschaft (FAO), der von der Welternährungskonferenz der UNO neue Aufgaben zugewiesen wurden und die deshalb eine zusätzliche Ausgabensteigerung zu verzeichnen hatte1'.

d.

Besondere Probleme

Die finanziellen Schwierigkeiten besonderer Art, denen sich das Entwicklungsprogramm der Vereinten Nationen (UNDP) seit einiger Zeit gegenübergestellt sieht, werden im Kapitel III Ziffer 3 behandelt. Die Kapitel II Ziffer 7 und III geben ferner Auskunft über die speziellen Probleme, mit denen die Internationale Arbeitsorganisation (ILO) und die Organisation der Vereinten Nationen für Erziehung, Wissenschaft und Kultur (UNESCO) infolge der Nichtbezahlung oder der angedrohten Nichtbezahlung der Beiträge der Vereinigten Staaten konfrontiert werden.

Einige Sorgen bereitete uns zudem eine Initiative Kubas, die in den letzten Jahren der 5. Kommission der UNO-Generalversammlung in immer wieder abgeänderter Form vorgetragen wurde. Im Prinzip wollten die Kubaner erreichen, dass die westlichen Sitzstaaten, namentlich die Vereinigten Staaten, die zusätzlichen Ausgaben übernehmen, welche der UNO infolge der Inflation und gegebenenfalls der Kursschwankungen entstehen. Kuba ging bei seinen Vorstössen davon aus, dass die Inflation und die Kursschwankungen Phänomene der westlichen Gesellschaftsordnung seien und dass man nicht von Staaten, die einem anderen System angehören, verlangen könne, zu den dadurch verursachten Ausgaben beizutragen.

Ausserdem zögen die Sitzstaaten wirtschaftliche Vorteile aus der Präsenz von internationalen Organisationen.

Die kubanischen Vorstösse, die in der Form von Resolutionsentwürfen der 5. Kommission vorgelegt wurden, konnten keine Mehrheit auf sich vereinigen.

Wir haben die kubanische Regierung darauf aufmerksam gemacht, dass wir besonders hart getroffen würden, wenn die kubanische Initiative eines Tages angenommen würde. Anlässlich der 31. Generalversammlung von 1976 wurde dem Schweizerischen Beobachter zudem die Möglichkeit eingeräumt, in der 5. Kommission eine Erklärung abzugeben, in welcher er unter anderem auf die niedrige Inflationsrate in der Schweiz und die relative Stabilität des Dollarkurses im Verhältnis zum Schweizerfranken im vergangenen Jahr hinweisen konnte.

" Unsere Ausführungen unter Kapitel III Ziffer 5 Buchstabe b.

920

IV.

Die Beziehungen der Schweiz zu den Vereinten Nationen

1.

Die Mitwirkung der Schweiz im Rahmen des Systems der Vereinten Nationen

a.

Die Schweiz als Mitglied von Organen und SpezialOrganisationen sowie als Teilnehmerin an Konferenzen der Vereinten Nationen

Im vorangehenden Kapitel haben wir gezeigt, dass die Schweiz nach wie vor auch als Nichtmitglied der UNO im gesamten System der Vereinten Nationen aktiv tätig ist und ihre Mitwirkung mit der Zunahme der Aufgaben trotz der beschränkten personellen Möglichkeiten noch intensiviert hat. Sie ist Mitglied zahlreicher Organe sowie fast aller SpezialOrganisationen und nimmt regelmässig an den Weltkonferenzen teil, die von den Vereinten Nationen einberufen werden.

i.

Die institutionelle Mitwirkung der Schweiz

Der Internationale Gerichtshof ist das einzige Hauptorgan, dem gemäss Artikel 93 Ziffer 2 der Charta auch Nichtmitglieder der UNO beitreten können. Die Schweiz gehört ihm seit dem 28. Juli 1948 an'>. Bis jetzt hat sie bei vier Richterwahlen einen Kandidaten gestellt, zuletzt an der 30. Generalversammlung von 1975. Obwohl die vorgeschlagenen schweizerischen Persönlichkeiten als höchst qualifiziert anerkannt wurden, unterlagen sie regelmässig gegenüber den Kandidaten aus Mitgliedstaaten der Vereinten Nationen.

Der Zugang zu den andern Hauptorganen ist Nichtmitgliedern der UNO verwehrt. So kann sich die Schweiz insbesondere weder in den Sicherheitsrat noch in den Wirtschafts- und Sozialrat (ECOSOC) wählen lassen. Bei den Beratungen dieser Organe sowie der Generalversammlung und ihrer Kommissionen ist sie lediglich durch Beobachter vertreten.

Als Nichtmitglied hat unser Land auch keinen Anspruch auf die Anstellung von Schweizern im Generalsekretariat der UNO. Dennoch sind wir am Hauptsitz in New York durch eine bescheidene Anzahl von Schweizern vertreten. Im Büro der UNO in Genf ist sogar - was durch unsere Rolle als Gastland der Organisation bedingt ist - eine ganz beträchtliche Zahl von Schweizern beschäftigt.

Die Hauptorgane sind gemäss Artikel 7 Ziffer 2 der Charta befugt, je nach Bedarf Nebenorgane einzusetzen. Vor allem die Generalversammlung und der ECOSOC haben von dieser Möglichkeit Gebrauch gemacht. In der Regel sind Nichtmitglieder der Hauptorgane auch von der Mitgliedschaft in deren Nebenorganen ausgeschlossen. In Ausnahmefällen erachteten es die Hauptorgane jedoch für nützlich, selbst Nichtmitglieder an der Tätigkeit gewisser Nebenorgane teilhaben zu lassen.

Diese Möglichkeit wurde in der Vergangenheit aufgrund der sogenannten Wiener » Für Einzelheiten unser Bericht von 1969, BB1 1969 I 1526 ff.

921 Formel eröffnet, wonach alle Staaten zur Mitwirkung eingeladen werden, die Mitglied der UNO, einer SpezialOrganisation der Vereinten Nationen oder der Internationalen Atomenergie-Agentur sind'). In neuster Zeit kam in diesen Fällen regelmässig die umfassendere Allstaatenklausel zur Anwendung, die es allen Staaten der Welt anheimstellt, ihre Mitgliedschaft anzumelden2'. Wer als Staat im Sinne dieser Klausel gilt, entscheidet allerdings die UNO. Ausserdem wird es manchmal dem Generalsekretär überlassen, für gewisse Nebenorgane Experten zu bestimmen, die ohne Rücksicht auf ihre Staatsangehörigkeit kraft ihrer persönlichen Qualifikation ernannt werden.

Die Fälle, in denen auch Nichtmitglieder der Vereinten Nationen als Mitglieder von Nebenorganen zugelassen werden, sind relativ selten. Solche Nebenorgane der Generalversammlung sind etwa der Ausschuss für das Pensionswesen der Vereinten Nationen, die Kommission für den internationalen öffentlichen Dienst, der Investitionsausschuss; entsprechende Nebenorgane des ECOSOC bilden die Betäubungsmittelkommission, die fünf regionalen Wirtschaftskommissionen3', die Kommission für transnationale Gesellschaften sowie eine Anzahl von ständigen Ausschüssen und Expertengruppen.

Seit 1972 ist die Schweiz Mitglied der Europäischen Wirtschaftskommission4'. In der Betäubungsmittelkommission war sie bis vor kurzem vertreten; sie wurde jedoch 1975 nicht wiedergewählt. Desgleichen wurde auch ihr Kandidat für das internationale Betäubungsmittel-Kontrollorgan 1976 nicht gewählt. Bei den Wahlen in die seit 1974 bestehende Kommission für transnationale Gesellschaften, an der sie als Ursprungs- und Sitzstaat solcher Gesellschaften besonders interessiert ist, unterlag sie an der Sommersession des ECOSOC von 1975 trotz intensiver Anstrengungen5'. Die meisten andern Nebenorgane - etwa zwanzig der Generalversammlung und dreissig des ECOSOC - bleiben der Schweiz als Nichtmitglied der UNO von vornherein verschlossen.

Die Generalversammlung hat ausser den erwähnten Organen eine ganze Kategorie von wichtigen Sonderorganen geschaffen, die ihr zwar formell zugeordnet sind, die aber über eine weitgehende Autonomie verfügen und in ihrer Struktur zum Teil gewisse Kriterien der SpezialOrganisationen aufweisen. Es handelt sich um die Konferenz für Handel und Entwicklung (UNCTAD), das
Entwicklungsprogramm der Vereinten Nationen (UNDP), das Kinderhilfswerk der Vereinten Nationen (UNICEF), das Hochkommissariat der Vereinten Nationen für die Flüchtlinge (UNHCR), das Umweltschutzprogramm der Vereinten Nationen » Beispielsweise für die UNCTAD die Resolution 1995 (XIX) der UNO-Generalversammlung vom 30. Dezember 1964, Ziffer II Abschnitt 1.

' Beispielsweise die Geschäftsordnung des Welternährungsrates, Artikel 60.

3) Dabei zählt die Europäische Wirtschaftskommission ihrerseits wiederum gegen achtzig

2

4 > 5

Unterorgane.

Unsere Ausführungen unter Kapitel III Ziffer 3 Buchstabe d.

> Dagegen wurde die Schweiz im Mai 1977 in diese Kommission gewählt.

922

(UNEP) und den Welternährungsrat (WFC). Dieser Kategorie ist auch das Welternährungsprogramm (WFP) zuzuordnen, das jedoch gleichzeitig vom ECOSOC und vom Rat der FAO abhängt.

Bisher gehörte die Organisation der Vereinten Nationen für industrielle Entwicklung (UNIDO) ebenfalls zu dieser Gruppe von Organen. Aufgrund der Erklärung von Lima vom März 1975, die von der 7. ausserordentlichen Generalversammlung der Vereinten Nationen desselben Jahres genehmigt wurde1', soll sie jedoch in eine SpezialOrganisation umgewandelt werden.

Weitere Organe sind das Amt für die Palästina-Flüchtlinge (UNRWA), das Institut der Vereinten Nationen für Ausbildung und Forschung (UNITAR), das Forschungsinstitut der Vereinten Nationen für Sozialentwicklung (UNRISD) und das Forschungsinstitut für soziale Verteidigung (UNSDRI).

Neugründungen seit unserem letzten Bericht von 1971 sind die UNDRO, das Umweltschutzprogramm und der Welternährungsrat.

Die Schweiz wirkt in fast allen diesen Organen mit, sei es als Mitglied, sei es durch ihre Vertreter in den Exekutivräten oder durch finanzielle Beiträge. Ihren Vertretern sind auch in der Berichtsperiode führende Ämter anvertraut worden, so namentlich der Vorsitz in den Räten der UNCTAD, der UNIDO und des UNICEF.

In den SpezialOrganisationen der Vereinten Nationen hat die Schweiz von Anfang an eine aktive Rolle gespielt. Sie ist Mitglied von zehn der 1'4 Spezialorganisationen :) sowie der Internationalen Atomenergie-Agentur (IAEA) und des Allgemeinen Zoll- und Handelsabkommens (GATT). Nach unserem letzten Bericht entstanden zwei neue SpezialOrganisationen. Am 17. Dezember 1974 ist die Weltorganisation für geistiges Eigentum (WIPO) in das System der Vereinten Nationen aufgenommen worden. Ferner ist der von der Welternährungskonferenz 1974 beschlossene Fonds für landwirtschaftliche Entwicklung (IFAD) als Spezialorganisation konzipiert worden.

Nach wie vor ist die Schweiz nicht Mitglied des Internationalen Währungsfonds (IMF) und der Internationalen Bank für Wiederaufbau und Entwicklung (IBRD), allgemein auch Weltbank genannt, die aus der Bretton-Woods-Konferenz von 1944 hervorgegangen sind, sowie der später angegliederten beiden Insti» Resolution 3362 (S-VII) vom 16. September 1975.

2) SpezialOrganisationen, deren Mitglied die Schweiz ist: Internationale Arbeitsorganisation (ILO),
Organisation der Vereinten Nationen für Ernährung und Landwirtschaft (FAO), Organisation der Vereinten Nationen für Erziehung, Wissenschaft und Kultur (UNESCO), Weltgesundheitsorganisation (WHO), Internationale Zivilluftfahrt-Organisation (ICAO), Internationaler Fernmeldeverein (ITU), Weltpostverein (UPU), Meteorologische Weltorganisation (WMO), Zwischenstaatliche beratende Kommission für Seeschiffahrt (IMCO), Weltorganisation für geistiges Eigentum (WIPO).

923 tutionen, der Internationalen Finanzkorporation (IFC) und der Internationalen Entwicklungsorganisation (IDA). Sie arbeitet aber eng mit diesen Organisationen zusammen1*. Der Beitritt zum Währungsfonds und zur Weltbank wird weiterhin geprüft.

Ausserdem war die Schweiz, wiederum aufgrund der Wiener Formel2' oder neuerdings der Allstaatenklausel3', an allen grossen Konferenzen zugelassen, die seit unserem letzten Bericht im Rahmen der Vereinten Nationen stattgefunden haben. So nahm sie 1974 an der dritten Welternährungskonferenz in Rom und der Weltbevölkerungskonferenz in Bukarest, 1975 an der Weltkonferenz zum internationalen Jahr der Frau in Mexico City und der Konferenz der Vereinten Nationen über die Beziehungen zwischen den Staaten und den internationalen Organisationen in Wien sowie 1976 an der Konferenz über menschliche Siedlungen in Vancouver teil.

ii.

Die materielle Mitarbeit der Schweiz

Durch diese mannigfachen Tätigkeiten ist die Schweiz heute weitgehend in das System der Vereinten Nationen integriert. Sie hat ihre Teilnahme in den verschiedenen Gremien stets ernstgenommen und versucht, durch Sachlichkeit und genaue Kenntnis der Materie einen konstruktiven Beitrag an die internationale Zusammenarbeit zu leisten. Wie diese Zusammenarbeit im einzelnen aussah, wurde im vorhergehenden Kapitel ausführlich dargestellt.

Wurden im Rahmen unserer Mitarbeit in Gremien der UNO politische Fragen zur Diskussion gestellt, so galt es vorerst abzuklären, ob sie unsere Neutralität berührten. Bei einer ganzen Reihe solcher Fragen stellen sich gar keine Neutralitätsprobleme. Ist dies jedoch der Fall, so sind die schweizerischen Delegationen gehalten, im Rahmen unserer Neutralitätspolitik ausgewogene Stellungnahmen abzugeben. Sie sind bestrebt, sich mit anderen Staaten, insbesondere mit den neutralen Partnern, abzustimmen, können aber auch eigene Wege gehen, wenn dies unserer Position besser entspricht. Dabei führt die Einhaltung unserer Neutralitätspolitik nicht etwa nur zur Stimmenthaltung. Manchmal sind die Probleme so gestellt, dass auch eine Zustimmung oder Ablehnung mit ihr vereinbar ist. Oft erklären die schweizerischen Delegationen ihre Stimmabgabe, um keine Zweifel daran aufkommen zu lassen, dass unser Abstimmungsverhalten gemäss dieser Politik keine Parteinahme in einem konkreten Konfliktsfall bedeute.

Diese konsequente Haltung trug bisher der Schweiz von aussen kaum Kritik ein. · Die Mitgliedstaaten brachten unserem Land in der Regel das nötige Verständnis " Die Verwerfung des 200-Millionen-Kredits an die IDA für die ärmsten Länder der Dritten Welt durch Volk und Stände am 13. Juni 1976 hat die Schweiz gegenüber der IDA allerdings in eine prekäre Lage gebracht.

2) Beispielsweise die Weltbevölkerungskonferenz von 1974.

3) Beispielsweise die Weltkonferenz zum Internationalen Jahr der Frau von 1975.

924

entgegen. Allerdings wird auch stillschweigend erwartet, dass wir diese unparteiische Politik in jedem Fall glaubwürdig durchhalten.

Immer mehr mussten wir hingegen feststellen, dass unsere Tätigkeit bei den Vereinten Nationen trotz unserer aktiven Mitwirkung in Organen und Spezialorganisationen sowie an Konferenzen unvollständig bleibt. Denn solange die Schweiz nicht Mitglied der UNO selbst ist, kann sie nicht am eigentlichen Entscheidungsprozess, der sich in der Hauptorganisation vollzieht, teilnehmen.

iii.

Die finanziellen Beitragsleistungen der Schweiz

Die Schweiz zahlte in den letzten Jahren an die Organe und Spezialorganisationen der Vereinten Nationen, deren Mitglied sie ist, sowie an die friedenserhaltenden Aktionen der UNO Beiträge, die sich von rund 50 Millionen Franken im Jahre 1972 auf rund 86 Millionen im Jahre 1976 erhöht haben. Dieses finanzielle Engagement rechtfertigte es zweifellos, dass die schweizerischen Delegationen an internationalen Konferenzen den finanziellen und budgetären Fragen, die sich im Rahmen des Systems der Vereinten Nationen stellen, ihre besondere Aufmerksamkeit widmeten. Die Einflussmöglichkeiten der Schweiz sind allerdings beschränkt, wenn es sich um Organe der UNO handelt, denen wir zwar angehören, deren Budgets jedoch einen Teil des Gesamtbudgets der UNO bilden, das von der Generalversammlung der UNO, in der wir nicht Mitglied sind, gutgeheissen werden muss. Dies gilt insbesondere für den Internationalen Gerichtshof, die UNCTAD, die UNIDO, die ECE und das Internationale Betäubungsmittel-Kontrollorgan, wo der Anteil der Schweiz an die Kostendeckung zurzeit auf 0,96 Prozent festgesetzt ist.

b.

Vertretung der Schweiz bei der UNO

i.

Aufgabe der Zentralverwaltung in Bern

In unserem Bericht von 1971 haben wir die vielfältigen Aufgaben der Zentralverwaltung im Bereich der Vereinten Nationen dargestellt1». Mit der raschen Ausweitung der Aktivität der UNO in den letzten Jahren ist entsprechend auch der Tätigkeitskreis der zuständigen Dienste beträchtlich gewachsen. Die Koordinierung liegt nach wie vor beim Eidgenössischen Politischen Departement, das in Übereinstimmung mit den übrigen interessierten Departementen die schweizerische Haltung zu den grundsätzlichen Problemen, namentlich zu den politischen Fragen, festlegt. Diese gemeinsame Erarbeitung schweizerischer Konzeptionen erfolgt entweder in eigens geschaffenen interdepartementalen Organen oder in Arbeitssitzungen der Vertreter der beteiligten Verwaltungszweige.

» Unser Bericht von 1971, BB1 1972 I 40 f.

925 Die Erweiterung der Aufgaben stellt zwangsläufig erhöhte Anforderungen an die Verwaltung. Die vielschichtigen Entwicklungen auf den zahlreichen zum Kompetenzbereich der Vereinten Nationen gehörenden Gebieten geben ihr auch ohne Mitgliedschaft der Schweiz immer neue Probleme auf und veranlassen sie, zu den in der UNO erarbeiteten Konzeptionen Stellung zu nehmen.

Das Politische Departement hatte weiterhin die Aufgabe, schweizerische Kandidaturen für verschiedene Organe und Spezialorganisationeh zu unterstützen. Zurzeit ist unser Land Mitglied des Verwaltungsrates des UNDP, des Rates der UNCTAD, der UNIDO, des UNEP, des WFP, des UNICEF, des UNHCR, der WIPO, des ITU und des Weltpostvereins (UPU). Bis 1976 hatte die Schweiz ausserdem einen Sitz im Exekutivrat der WHO.

ii.

Ständige Beobachtermission der Schweiz in New York

Ein klares rechtliches Statut für den Beobachter und seine Mission besteht immer noch nicht". Gegenüber dem Gastland figuriert der Beobachter weiterhin auf der Mitgliederliste der schweizerischen Botschaft in Washington, während seine Mitarbeiter dem schweizerischen Generalkonsulat in New York angegliedert sind. .

Die Aufgaben des Beobachters sind grundsätzlich dieselben geblieben, wobei sich das Schwergewicht seiner Tätigkeit mit der Wandlung der UNO etwas verschoben hat. Der einzigartige Charakter der Organisation hat in unserer durch wachsende Interdependenz gekennzeichneten Welt dazu geführt, dass alle internationalen Probleme einmal vor dem einen oder andern Hauptorgan der Vereinten Nationen zur Sprache kommen. Die UNO hat sich in den letzten Jahren immer mehr zum Mittelpunkt der multilateralen Diplomatie entwickelt und vermittelt in einem nie zuvor erreichten Masse Informationen allgemein politischer und technischer Natur. An diese Informationen heranzukommen, die für die gesamte schweizerische Aussenpolitik unerlässlich sind, ist heute eine der Hauptaufgaben unserer Beobachtermission in New York.

iii.

Ständige Mission der Schweiz bei den internationalen Organisationen in Genf

Der ständigen Mission der Schweiz in Genf kommt eine dreifache Aufgabe zu.

Gegenüber dem Büro der Vereinten Nationen übt sie eine ähnliche Funktion aus wie die ständige Beobachtermission in New York. Sie vertritt wie jede andere Mission die Schweiz bei den in Genf niedergelassenen Organen und SpezialOrganisationen der Vereinten Nationen, deren Mitglied unser Land ist, sowie bei den nicht zum System der Vereinten Nationen gehörenden internationalen Organisationen. Ausserdem folgt sie in Genf abgehaltenen Spezialkonferenzen. Als Vertrei) Unsere Berichte von 1969, BEI 1969 I 1507, und 1971, BB1 1972 I 42.

926

tung des Gastlandes hat sie schliesslich die der Schweiz obliegenden Gastgeberpflich'ten zu erfüllen, indem sie für eine reibungslose Zusammenarbeit der schweizerischen Behörden mit den in Genf niedergelassenen Organisationen, insbesondere für die Durchführung der mit ihnen abgeschlossenen Sitzabkommen, besorgt ist. Vor allem diese dritte Aufgabe hat sich mit dem Ausbau Genfs als Sitz internationaler Organisationen sowie mit der Tendenz zur Dezentralisierung der Organe und Dienste der UNO in den letzten Jahren beträchtlich intensiviert.

c.

Die Rolle der Schweiz als Gastland internationaler Organisationen und Konferenzen

Die Gastfreundschaft der Schweiz gegenüber den verschiedenen Organen und Organisationen der Vereinten Nationen bildet ein sehr wichtiges Element ihrer Aussenpolitik. Über die in den Sitzverträgen enthaltenen Verpflichtungen hinaus haben wir die nötigen Anstrengungen unternommen, um für die auf unserem Gebiet niedergelassenen internationalen Organisationen die bestmöglichen Empfangs- und Arbeitsbedingungen zu schaffen und aufrechtzuerhalten". Diese Politik werden wir auch in Zukunft weiterführen.

Gewisse Entwicklungen im Verlauf der letzten Jahre blieben allerdings nicht ohne Einfluss auf die internationale Rolle Genfs. Vor allem offenbart sich im System der Vereinten Nationen eine Tendenz zur Dezentralisierung. Die Völkergemeinschaft ist in zunehmendem Masse empfänglich geworden für das Prestige und die Vorteile, welche die Präsenz der internationalen Organisationen den Gastländern bringt. Man versteht daher, dass auch die Entwicklungsländer bestrebt sind, solchen Organisationen auf ihrem Gebiet Gastrecht zu gewähren. So hat die Generalversammlung im Jahre 1972 Nairobi als Sitz des Umweltprogramms der Vereinten Nationen (UNEP) bestimmt2'. Ausserdem hat sie 1976 beschlossen, eine Reihe von Diensten und Organen von New York und Genf nach Wien umzusiedeln, wo die österreichische Regierung den Vereinten Nationen die Räumlichkeiten des Donauparks zur Verfügung stellt3'. Wir sind uns dieser Entwicklung bewusst und haben daher wiederholt - vor allem in der 5. Kommission der Generalversammlung - betont, dass die Schweiz nie danach getrachtet habe, sich ein Monopol der internationalen Organisationen zu sichern, und dass sie die Niederlassung neuer Organisationen auf ihrem Gebiet nicht ermutigen würde. Gleichzeitig haben wir klar zum Ausdruck gebracht, dass wir beabsichtigen, in Zusammen» 15 intergouvernementale internationale Organisationen haben sich aufgrund von Sitzverträgen in der Schweiz niedergelassen. Ende 1976 betrug die Zahl von internationalen Beamten 11 839 (UNO: 2997; SpezialOrganisationen: 4203; CERN: 4093; andere Organisationen: 546), d.h. 1679 mehr als Ende 1971.

2 > Der Entscheid, das Sekretariat des UNEP in Nairobi anzusiedeln, stellt die erste Dezentralisierungsmassnahme im Hinblick auf ein neues Organ der Vereinten Nationen dar, Resolution 3004 (XXVII) vom 15. Dezember 1972.

3' Kapitel IV Ziffer l Buchstabe c iv.

927 arbeit mit den Vereinten Nationen und den andern internationalen Organisationen alles daranzusetzen, um Genf die Weiterführung seiner internationalen Mission namentlich in den wirtschaftlichen und humanitären Bereichen sowie auf dem Gebiet der Abrüstung zu erlauben.

Genf hat auch weiterhin als Zentrum für grosse Konferenzen eine bedeutende Rolle gespielt. So haben dort vor allem die SALT-Verhandlungen, die Konferenz über den Mittleren Osten, die Konferenz über Zypern, die .zweite Runde der Konferenz über Sicherheit und Zusammenarbeit in Europa (KSZE), die diplomatische Konferenz über das humanitäre Recht (CDDH), die Seerechtskonferenz (Dritte Session) und die Konferenz über Rhodesien stattgefunden.

Indessen zeigt sich bei den Konferenzen eine noch deutlichere Tendenz zur Dezentralisierung als bei den Sitzen der Organisationen. In den Entwicklungsländern, namentlich in Nairobi, Lima und Manila, sind wichtige Konferenzzentren entstanden, so dass die Konferenzen der Vereinten Nationen immer häufiger ausserhalb der Sitze in New York und Genf abgehalten werden. Hinzu kommt, dass die österreichische Regierung 1976 ebenfalls beschlossen hat, in Wien ein grosses Konferenzzentrum mit 8000 Plätzen zu bauen, das den Gebäudekomplex des Donauparks ergänzen soll. Seit 1973 verfügt die Schweiz mit dem Internationalen Konferenzzentrum in Genf (CICG)1' über ein Instrument, das den Anforderungen der gegenwärtigen grossen Konferenzen voll gewachsen ist.

i.

Die Sitzverträge mit internationalen Organisationen

Zwei weitere internationale Organisationen haben sich in Genf niedergelassen, die Internationale Organisation für Zivilschutz (OIPC) sowie die Vereinigung Eisenerz exportierender Länder (APEF).

1966 ist die OIPC in eine intergouvernementale Organisation umgewandelt worden. Sie hat ihren Sitz in Genf beibehalten. In einem Sitzabkommen vom 10. März 1976 wurden dieser Organisation und ihrem Personal die üblichen Vorrechte und Immunitäten eingeräumt. Das Abkommen ist am 16. März 1976 in Kraft getreten.

Im Herbst 1975 gelangte die im April desselben Jahres gegründete APEF, eine zurzeit zehn Staaten umfassende Organisation zur Förderung der Eisenerzexporte und Exporterlösstabilisierung, an die schweizerischen Behörden mit dem Gesuch um Abschluss eines Sitzvertrages. Die Vereinigung wünschte sich insbesondere in Genf niederzulassen, um die Beziehungen zur UNCTAD intensivieren zu können.

" Die Errichtung des CICG wurde Ihnen in unserer Botschaft über die Gewährung von Darlehen an die Immobilienstiftung für internationale Organisationen in Genf vom 18. September 1964, BB1 1964 II 769 ff., unterbreitet.

928

Das Sitzabkommen mit der APEF ist am 9. Dezember 1976 abgeschlossen worden und am 28. Dezember 1976 in Kraft getreten.

1971 ist auf Wunsch des Internationalen Fernmeldevereins (ITU) dessen rechtliches Statut, das bis zu diesem Zeitpunkt in analoger Anwendung der mit der UNO 1946 abgeschlossenen Vereinbarung geregelt wurde, in einem separaten Sitzabkommen umschrieben und damit auf eine selbständige Basis gestellt worden.

Die 1947 in Genf gegründete Internationale Union der offiziellen Fremdenverkehrsorganisationen (IUOTO) ist anfangs 1975 in die Intergouvernementale Weltorganisation für Tourismus (WTO) umgewandelt worden. Die erste Generalversammlung, die im Mai 1975 in Madrid stattfand, wählte die spanische Hauptstadt als Sitz der Organisation. Neben Madrid konkurrierten auch Mexiko, Zagreb und Manila um den Sitz, während die Schweiz ihre Bereitschaft bekundet hatte, der Organisation weiterhin in Genf Gastrecht zu gewähren. Der getroffene Entscheid bestätigte die seit einiger Zeit schon erwähnte Tendenz, die Sitze internationaler Organisationen zu dezentralisieren.

Neben den neuen ständigen Delegationen des Sekretariats der CommonwealthStaaten und der Arabischen Arbeitsorganisation (OAT) ist auch der Organisation der afrikanischen Einheit (OAU) sowie der Arabischen Liga die Eröffnung einer ständigen Delegation beim Büro der Vereinten Nationen und den übrigen internationalen Organisationen in Genf mit den damit verbundenen Vorrechten und Immunitäten bewilligt worden.

Auf Ersuchen der Vereinten Nationen hat der Bundesrat ferner dem Verbindungsbüro der Provisorischen Revolutionsregierung Südvietnams (PRG) sowie dem Büro des ständigen Beobachters der Palästinensischen Befreiungsorganisation (PLO) in Genf die für deren Aufgaben notwendigen Erleichterungen zugebilligt. In diesem Zusammenhang möchten wir hervorheben, dass es uns dank der Vermittlung dieser Büros möglich war, in den kritischen Phasen des Vietnamkriegs und des Konflikts im Libanon zum Schütze von Mitbürgern und zur Wahrung schweizerischer Interessen zu intervenieren.

ii.

Die Immobilienstiftung für internationale Organisationen (FIPOI)

Die Immobilienstiftung für internationale Organisationen (FIPOI) war bestrebt, die internationale Rolle Genfs zu festigen, indem sie die Empfangs- und Arbeitsbedingungen für die dort niedergelassenen internationalen Organisationen noch verbesserte. Sie verfolgte die Entwicklung der Raumbedürfnisse dieser Organisationen aufmerksam, insbesondere jene des Büros der Vereinten Nationen in Genf, welches gemäss einer Studie der Gemeinsamen Inspektionsgruppe der Vereinten Nationen in nicht allzu ferner Zukunft zu wenig Büroräume haben wird.

929

Auf der andern Seite hat die FIPOI verschiedene Projekte zu Ende geführt und eine Reihe neuer Bauten finanziert. So hat sie 1972 den Bau des internationalen Konferenzzentrums in Genf (CICG) und des Parkhauses am Place des Nations beendet, und hat die Renovierungsarbeiten am Zentrum William Rappard (dem früheren Internationalen Arbeitsbüro) weitergeführt, in welches 1977 das GATT und verschiedene Dienste der UNO einziehen werden. Das CICG wurde im April 1973 eröffnet; im Verlauf der Jahre 1973 bis 1976 hat es wichtige internationale Konferenzen beherbergt, so die Konferenz über Sicherheit und Zusammenarbeit in Europa (KSZE), die Diplomatische Konferenz über das humanitäre Recht (CDDH) und verschiedene Konferenzen der ITU und der WMO.

Die FIPOI hat ausserdem die neuen Gebäude der ITU, der ILO und der WIPO, die Erweiterung des Gebäudes der UNO und die Renovierung der Villa Mon Repos, wo das Henry-Dunant-Institut untergebracht ist, finanziert oder deren Finanzierung weitergeführt. Der Turm der ITU und der neue Flügel der UNO wurden 1973 vollendet, das Gebäude der ILO im Jahre 1975. Der neue Sitz der WIPO wird 1977 beendet sein.

iii.

Unterstützung des Kantons Genf

Am 16. Dezember 1969 haben Sie unserer Botschaft vom 21. Mai 1969 über die Ausrichtung eines Bundesbeitrages an den Kanton Genf von 30 Millionen Franken, verteilt über sechs Jahre1*, zugestimmt. Diese Finanzhilfe ist in der Folge im Dezember 1975 ausgelaufen, und wir haben davon abgesehen, ihre Erneuerung vorzuschlagen. Auf Antrag des Staatsrats von Genf haben wir hingegen eine Arbeitsgruppe aus Vertretern des Bundes und des Kantons Genf gebildet. Sie erhielt den Auftrag, alle Steuer- und Sicherheitsfragen zu prüfen, welche die Präsenz von internationalen Organisationen auf dem Gebiet des Kantons Genf stellt.

iv.

Umsiedlung von Organen und Diensten der UNO

In den Jahren 1975 und 1976 hatte sich die Generalversammlung der UNO über die Umsiedlung gewisser Organe und Dienste der Organisation von New York und Genf nach Wien zu äussern. Bekanntlich hat die österreichische Regierung 1966 auf ihre Kosten mit dem Bau eines grossen internationalen Zentrums im Donaupark in Wien begonnen, das ursprünglich dazu bestimmt war, die beiden Organisationen mit Sitz in dieser Stadt unterzubringen : die Internationale Atomenergie-Agentur (IAEA) und die Organisation der Vereinten Nationen für industrielle Entwicklung (UNIDO). Da der Personalbestand dieser beiden Organisationen nicht im vorhergesehenen Ausmass zunimmt, wird in diesem Zentrum nach seiner Fertigstellung im Jahre 1978 eine grosse Zahl von Büros leerstehen, D BB1 1969 I 1173 ff.

930

welche die österreichische Regierung der UNO für eine symbolische Jahresmiete von einem Schilling angeboten hat.

1974 beauftragte die Generalversammlung der UNO den Generalsekretär, ihr einen Bericht über die bestmögliche Nutzung der von Österreich zur Verfügung gestellten Räumlichkeiten zu unterbreiten. Gemäss diesem Mandat legte der Generalsekretär der Generalversammlung 1975 einen Bericht vor, in welchem er unter anderem vorschlug, einige bisher in New York und Genf niedergelassene Organe und Dienste nach Wien umzusiedeln. Die Generalversammlung ersuchte daraufhin - ohne sich konkret zu diesen Vorschlägen zu äussern - den Generalsekretär in einer mit Konsensus verabschiedeten Resolution", die interessierten Gastländer zu konsultieren und ihr an der nächsten Session einen detaillierten Bericht über die administrativen, operationellen, finanziellen und sozialen Konsequenzen der vorgeschlagenen Umsiedlungen zu unterbreiten.

In seinem aufgrund dieses Mandats erstellten Bericht vom l I.November 1976 schlug der Generalsekretär der Versammlung vor, im Rahmen eines Fünfjahresplans 500 Beamte2' zu gleichen Teilen aus Genfund aus New York nach Wien zu versetzen. Am Schluss der Debatte nahm die Generalversammlung mit Konsensus eine Resolution3) an, in welcher sie dem Plan des Generalsekretärs zustimmte und diesen ermächtigte, in einer ersten Phase bestimmte Organe und Dienste nach Wien zu verlegen. Folgende in Genf niedergelassene Organe und Dienste müssen somit 1978 und 1979 umziehen: die Abteilung für soziale Angelegenheiten, die Abteilung für Betäubungsmittel, das internationale BetäubungsmittelKontrollorgan und der Fonds der Vereinten Nationen für die Bekämpfung des Drogenmissbrauchs, das heisst insgesamt 66 Beamte. Ferner beauftragt die Resolution den Generalsekretär, der Versammlung 1978 neue Vorschläge zu unterbreiten, um die Zielsetzung des Aktionsplans zu erreichen.

Der 1975 von der Versammlung angenommenen Resolution entsprechend hatte der Generalsekretär die betroffenen Gastländer, darunter die Schweiz, über die Grundzüge des Umsiedlungsplans informiert, den er der Versammlung zu unterbreiten gedachte. In dieser Angelegenheit fanden auch direkte Kontakte zwischen der Schweiz, Österreich und den Vereinigten Staaten statt. In der Versammlung selbst war die Schweiz als Nichtmitgliedstaat formell
nicht berechtigt, sich zu den Resolutionsentwürfen, die Österreich und andere Staaten eingebracht hatten, zu äussern, und konnte selbstverständlich keine Abänderungsanträge stellen. Dennoch wurde unser Beobachter ermächtigt, in der 5. Kommission unsern Standpunkt zu erläutern.

') Resolution 3529 (XXX) vom 16. Dezember 1975.

> Es handelt sich ausschliesslich um Beamte der sogenannten «professionellen» Kategorie ohne jene der allgemeinen Dienste.

3> Resolution 31/194 vom 22. Dezember 1976.

2

931 Bestimmend für unsere Haltung in dieser Angelegenheit ist unser Bestreben, die Vorrechte und Beschlüsse der Generalversammlung zu achten. Wir nehmen auch Rücksicht auf die Probleme, die das Zentrum des Donauparks für Österreich stellt. Gleichzeitig müssen wir jedoch dafür besorgt sein, dass die zu treffenden Entscheidungen die Rolle Genfs als Sitz internationaler Organisationen und als Konferenzzentrum nicht beeinträchtigen. Man muss sich allerdings bewusst sein, dass die Verteidigung unserer Interessen in dieser Angelegenheit erheblich erschwert wird durch die Tatsache unserer Nichtmitgliedschaft bei der UNO.

Sicherlich können wir geltend machen, dass unser Sitzvertrag mit der UNO langfristige gegenseitige Verpflichtungen enthält und dass sowohl der Bund als auch der Kanton Genf namhafte Summen für die Infrastruktur ausgegeben haben.

Aber ein Nichtmitgliedstaat kann weder Resolutionsentwürfe einbringen noch abstimmen und ist daher nicht in der Lage, in der Generalversammlung den wünschbaren Einfluss auszuüben, wenn seine Interessen auf dem Spiel stehen '>.

2.

Die Schweiz als Nichtmitglied der UNO

Während wir in unserem Bericht von 1969 vor allem untersuchten, ob ein Beitritt der Schweiz zur UNO grundsätzlich möglich wäre, und eher am Rande feststellten, dass eine vermehrte Anpassung an die Entwicklung in Richtung auf eine multilaterale Weltpolitik notwendig erscheine21, wiesen wir in unserem Bericht von 1971 deutlicher auf das Risiko einer Isolierung unseres Landes hin, wenn es als einziger Staat freiwillig der UNO nicht beitrete3'. Die beratende UNO-Kommission ihrerseits prüfte systematisch, inwieweit die Stellung der Schweiz heute durch ihre Nichtmitgliedschaft bei der UNO geschwächt sei4). Wir sind der Ansicht, dass wir uns nicht nur Gedanken darüber machen müssen, welche Konsequenzen unsere Mitgliedschaft mit sich brächte, sondern auch darüber, welche Folgen sich aus unserer Nichtmitgliedschaft ergeben oder künftig ergeben könnten.

a.

Das «Imagé» der Schweiz in der UNO

Dass die Schweiz gewillt ist, auf dem Gebiet der multilateralen Zusammenarbeit ihren Beitrag zu leisten, hat sie als Mitglied von Organen und Spezialorganisationen sowie als Teilnehmerin an Konferenzen der Vereinten Nationen unter Beweis gestellt. Ihr bisheriges Abseitsstehen von der Hauptorganisation hat sie namentlich mit neutralitätspolitischen Argumenten gerechtfertigt.

» Dazu unsere Antworten auf die dringliche Anfrage von Nationalrat J. Ziegler vom 19. Dezember 1976 und auf die Einfache Anfrage von Nationalrat E. Waldvogel vom 23. Februar 1977.

2> Unser Bericht von 1969, BB1 1969 I 1562 f.

3> Unser Bericht von 1971, BB1 1972 I 53 "' Bericht der beratenden UNO-Kommission, S. 69 ff.

932

In der Tat hatten die Gründer der Vereinten Nationen an der Konferenz von San Francisco die Ansicht vertreten, die Neutralität lasse sich nicht mit den Verpflichtungen aus der UNO-Charta vereinbaren». Nach der Aufnahme der neutralen Staaten Schweden, Finnland und Österreich in die Organisation erlebte die Neutralität innerhalb der UNO aber eine eindeutige Aufwertung, und es wurde erkannt, dass neutrale Staaten gerade wegen ihrer Politik der ständigen Neutralität der Organisation besondere Dienste erweisen können 2 '. Die Schweiz zog es gleichwohl vor, ausserhalb der UNO zu bleiben. Dagegen gelang es einer glaubwürdig geführten Diplomatie meistens, dort eine Beteiligung unseres Landes zu erreichen, wo dies unseren Interessen und Bedürfnissen entsprach.

Die Schweiz konnte bei ihren Bemühungen um eine differenzierte Mitarbeit in der UNO ein gewisses Kapital vorweisen, das ihr das Verständnis für ihren «Sonderfall» sicherte. Die europäischen Staaten waren mit ihrer traditionellen strikten Neutralitätspolitik vertraut und hatten diese ausdrücklich oder stillschweigend anerkannt. Es lag auch in ihrem Interesse, dass die Schweiz soweit als möglich an den Arbeiten der UNO beteiligt wurde.

In den letzten Jahren haben aber in der Völkergemeinschaft gewaltige Umwälzungen stattgefunden. Im Zuge des Entkolonisierungsprozesses sind neue Staaten entstanden. Durch ihren Beitritt ist die UNO weltumfassend geworden, durch ihre Mitwirkung sind in der Politik der Organisation neue Akzente gesetzt worden. Für diese Staaten vor allem ist es schwierig, das gebotene Verständnis für die besondere Situation der Schweiz gegenüber der UNO aufzubringen. Aber auch andere Staaten haben vermehrt Zweifel daran angedeutet, ob unsere Sonderstellung angesichts der Veränderungen in der Welt und der Wandlungen innerhalb der UNO noch gerechtfertigt sei. Diese Überlegung drängt sich schon deshalb auf, weil andere neutrale Staaten es verstanden haben, eine aktive Tätigkeit in der UNO, sogar im Sicherheitsrat, mit ihrem Neutralitätsstatut in Einklang zu bringen.

Wir haben stets die Ansicht vertreten, dass unsere Neutralitätspolitik uns nicht zur Abkapselung von der übrigen Welt führen dürfe, sondern uns im Gegenteil die Möglichkeit eröffnen sollte, als Staat, der ausserhalb der Konflikte steht, vermittelnd zu wirken. Wir verstehen unsere
Neutralität in der heutigen Zeit mehr denn je als Instrument unserer Aussenpolitik, das uns erlaubt, für die Übernahme guter Dienste disponibel zu bleiben, und das nicht ausschliesst, dass wir uns mit der Völkergemeinschaft solidarisch fühlen und entsprechend handeln 3 ». Bevor wir » Unser Bericht von 1969, BEI 1969 I 1546 f.

Beispielsweise war von Anfang an die Teilnahme neutraler Mitgliedstaaten an friedenserhaltenden Aktionen der UNO, namentlich ihre Mitwirkung in UNO-Friedenstruppen, besonders gefragt. Vgl. Etude sommaire du Secrétaire général sur l'expérience tirée de la création et du fonctionnement de la Force, U. N. Doc. A/3943 vom 9. Oktober 1958, Ziff. 12 und 16.

3) Eine weitere Öffnung der Schweiz verlangt das 2. Zusatzdokument zum Bericht der beratenden UNO-Kommission (Beilage zum «Presserohstoff» vom 29. Juni 1976).

2)

933

ini einzelnen prüfen, ob wir diese Aufgaben besser ausserhalb oder innerhalb der Vereinten Nationen erfüllen können, erscheint es uns daher wichtig, zu untersuchen, wie unser Abseitsstehen von der Weltorganisation heute von deren Mitgliedern beurteilt wird.

In der UNO wird das Bild eines Staates, unabhängig von seiner Mitgliedschaft, zuerst einmal durch seine Politik, insbesondere durch seine Aussenpolitik, geprägt. Hat er nicht Gelegenheit, diese Politik immer wieder darzulegen und zu erläutern, so riskiert er, dass seine Handlungen so interpretiert werden, wie sie am besten in das Gesamtbild des Beurteilers passen. Der Schweiz als Nichtmitglied der UNO bleibt diese Gelegenheit, jedenfalls in New York, versagt.

Dass die Schweiz ausserhalb einer praktisch weltumfassenden Organisation bleibt, der die meisten Staaten eine grosse Bedeutung beimessen, trägt uns immer wieder eine gewisse Kritik ein. Viele Länder betrachten den Beitritt zur UNO als Pflicht eines jeden Staates, weil die Charta den Mitgliedern bestimmte Verantwortlichkeiten überbinde, denen sich heute kein Staat zu entziehen vermöge. Der Verzicht der Schweiz, diese Verantwortlichkeiten zu übernehmen, sowie die Interpretation, die sie mit der Argumentation ihrer Nichtmitgliedschaft bestimmten Empfehlungen und Beschlüssen der Vereinten Nationen - beispielsweise den Sanktionen gegen Rhodesien -je nach Umständen und Interessenlage gibt, haben wiederholt zu kritischen Bemerkungen über unsere Aussenpolitik Anlass gegeben.

So diene uns, heisst es gelegentlich, die Neutralität nur dazu, unsere eigenen materiellen Interessen besser zu schützen.

Die westlichen Staaten, denen wir unserer geographischen Lage, unserer ideellen Tradition und unserer politischen Struktur nach verbunden sind, empfinden unser Abseitsstehen in der Regel als mangelnde Bereitschaft, die gemeinsamen Werte zu verteidigen und die Anstrengungen auf Gebieten wie der Entwicklungspolitik zu koordinieren.

Mangel an Solidarität wird uns von den Entwicklungsländern vorgeworfen, denen es an Verständnis dafür gebricht, dass ein so reiches Land wie die Schweiz so wenig für sie unternimmt. Sie erwarten, dass wir uns zu den grossen Problemen äussern, die sie beschäftigen, und zu deren Lösung beitragen.

Anzeichen dafür, dass immer weniger Neigung dazu besteht, unserem Sonderfall Rechnung
zu tragen, mehren sich in den letzten Jahren. So haben wir verschiedene Wahlen in Organe der UNO verloren, wobei uns immer wieder diskret zu verstehen gegeben wurde, wir seien eben nicht Mitglied der Organisation.

Auch stiessen unsere Ersuchen, als Beobachter in bestimmten Gremien der Vereinten Nationen, vorab in Kommissionen der Generalversammlung der UNO, zu einzelnen uns besonders interessierenden Tagesordnungspunkten das Wort ergreifen zu können, auf vermehrten Widerstand. Von Mitgliederseite wurde uns wie-

934 derholt bedeutet, wir hätten jederzeit die Möglichkeit, der Organisation beizutreten und dann mit vollen Rechten an den Beratungen und Abstimmungen teilzunehmen.

Parallel zu diesen Erscheinungen entwickelt sich ein anderes Phänomen, nämlich dass die Schweiz oder zumindest ihr Sonderstatut einfach übergangen oder vergessen wird. Vor allem seit die beiden deutschen Staaten der UNO beigetreten sind, konnten wir häufiger beobachten, dass wir bei Fragen, wo unsere Mitwirkung bisher unbestritten war, unsere Gegenwart und unser Interesse anmelden mussten, weil wir nicht in der gewohnten Form berücksichtigt worden waren.

Aus all diesen Beobachtungen geht hervor, dass uns aus dem Kreise der UNO auch heute noch ein gewisses Wohlwollen entgegengebracht wird, dass aber das Verständnis für unser Beharren auf unserem Sonderstatut im Schwinden begriffen ist. Die Mitglieder der UNO werden den Eindruck nicht los, wir wollten zwar unsere Interessen in der UNO weiterhin so gut als möglich wahren, aber den Verpflichtungen ausweichen, die der Völkergemeinschaft heute durch sie auferlegt sind.

b.

Die Schweiz als Beobachter bei den Vereinten Nationen

Die Stellung des Beobachters eines Nichtmitgliedstaates ist nirgends ausdrücklich definiert. Folglich ist auch seine allfällige Mitwirkung nicht allgemein geregelt, sondern muss von Fall zu Fall beantragt werden. Als einzige sieht die Geschäftsordnung des Wirtschafts- und Sozialrates in ihrer Neufassung vom 7. Mai 1975 vor, dass ein Nichtmitgliedstaat der UNO eingeladen wird, sich an der Diskussion zu beteiligen, und Vorschläge unterbreiten kann, sofern ihn eine Frage besonders interessiert'>. Diese Neuerung hat unsere Lage in einem wichtigen Bereich verbessert. Die schweizerische Delegation hat denn auch die neue Möglichkeit genutzt und an den beiden Sommersessionen des ECOSOC 1975 und 1976 in Genf Erklärungen abgegeben.

Gleichwohl hat die Beobachterstellung von Staaten in der UNO an Gewicht verloren, seitdem die beiden deutschen Staaten 1973 der Organisation beigetreten sind. Ausser der Schweiz sind lediglich Staaten der UNO ferngeblieben, die mit besonderen Problemen konfrontiert sind wie die beiden Korea, Vietnam oder die » Artikel 72 der Geschäftsordnung des ECOSOC lautet: «1. Der Rat lädt jedes Mitglied der Vereinten Nationen, das nicht Mitglied des Rats ist, sowie jeden anderen Staat bei allen Fragen, die diesen Staat besonders betreffen, zur Teilnahme an seinen Beratungen ein.

2. Ein Ausschuss oder Tagungsgremium des Rats lädt jeden Staat, der nicht zu seinen eigenen Mitgliedern gehört, bei allen Fragen, die diesen Staat besonders betreffen, zur Teilnahme an seinen Beratungen ein.

3. Ein so eingeladener Staat hat kein Stimmrecht, kann jedoch Vorschläge einbringen, die auf Antrag eines Mitglieds des betreffenden Gremiums zur Abstimmung gebracht werden können.»

935

europäischen Kleinststaaten". Die übrigen Staaten treten der Organisation in der Regel sofort nach Erlangung ihrer Unabhängigkeit bei.

Sollten sich die Probleme mit Korea und Vietnam eines Tages regeln lassen und sollte auch der eine oder andere europäische Kleinststaat der UNO beitreten, nachdem verschiedene neue Staaten mit vergleichbaren Bevölkerungszahlen aufgenommen worden sind, so würde die Schweiz in ihrer jetzigen Stellung immer mehr in die Isolierung gedrängt.

Dagegen hat sich eine andere Kategorie von Beobachtern entwickelt. Verschiedenen Organisationen wie den Europäischen Gemeinschaften, dem COMECON, der Arabischen Liga und der Organisation für die Einheit Afrikas (OAU) sowie den von der Arabischen Liga und der OAU anerkannten Befreiungsbewegungen 2) wurde aufgrund von Resolutionen der Generalversammlung das Recht eingeräumt, die Arbeiten der UNO als Beobachter zu verfolgen. Während sich die afrikanischen Befreiungsbewegungen nur in den Kommissionen und nur zu ihre Interessen direkt berührenden Fragen äussern können, ist die Organisation für die Befreiung Palästinas (PLO) auch zum Plenum und ohne sachliche Beschränkung ihres Mitspracherechts zugelassen3'.

Der Sicherheitsrat hat anfangs 1976 die PLO sogar ermächtigt, an verschiedenen Debatten über den Mittleren Osten mit denselben Rechten teilzunehmen, die einem Mitgliedstaat der Organisation zustehen, der nicht Mitglied des Rates ist.

Die rechtliche Stellung dieser neuen Kategorie von Beobachtern ist demnach besser geordnet als jene der herkömmlichen staatlichen Beobachter. Dies wird zum Teil auch damit gerechtfertigt, dass es sich bei der Mitwirkung der Befreiungsbewegungen möglicherweise nur um eine Übergangsphase handle 4 '. Die UNO will damit im Rahmen der Entkolonisierung die Bevölkerung eines Gebietes ohne Selbstregierung schon vor der formellen Erlangung der Unabhängigkeit als völkerrechtliche Handlungseinheit anerkennen und ihr eine politische Vertretung zugestehen. Die Befreiungsbewegungen werden als die «wahren Vertreter ihrer Völker» bezeichnet5'.

" Einige dieser Staaten unterhalten auch keine Beobachtermission.

> Es handelt sich heute für die Arabische Liga einzig um die Organisation für die Befreiung Palästinas (PLO) und für die OAU hauptsächlich um die Befreiungsbewegungen in Rhodesien (ZAPU und ZANU), in Namibia
(SWAPO) und in Südafrika (A. N. C.

und P. A. C.).

3> Insbesondere Resolution 3280 (XXIX) vom 10. Dezember 1974.

4) Dazu auch Christian Tomuschat, Generalversammlung der Vereinten Nationen im Spiegel der Praxis. Ein Rückblick nach der 30. Jahrestagung, in «Vereinte Nationen» Heft 2/76).

5> So namentlich in Resolution 3399 (XXX) vom 26. November 1975 über Namibia und in Resolution 3411 G (XXX) vom 10. Dezember 1975 über Südafrika. In Resolution 3396 (XXX) vom 21. November 1975 über Rhodesien wurde dagegen an der früheren Formulierung festgehalten, dass der afrikanische Nationalrat der «einzige und wahre Vertreter der wahren Bestrebungen des Volkes von Simbabwe» sei.

2

936

Im Unterschied zu dieser neuen Kategorie von Beobachtern beruht die Mitwirkung eines Nichtmitgliedstaates in den verschiedenen Gremien der UNO, von der erwähnten Neuregelung für den ECOSOC abgesehen, nach wie vor auf keiner Resolution, sondern hängt vom jeweiligen Willen der Mitglieder ab. So wurden beispielsweise die beiden Vietnam anlässlich der 30. Generalversammlung im Herbst 1975 ausnahmsweise ermächtigt, sich in der Generaldebatte zur Frage ihres Beitritts zur UNO zu äussern. Auf dem Ausnahmeprinzip beruht auch unsere sporadische Mitwirkung in einzelnen Kommissionen der Generalversammlung. Wir haben uns in der Vergangenheit stets darauf beschränkt, uns nur dann zu Wort zu melden, wenn unsere Interessen direkt berührt waren. So haben wir verschiedene Male in der 6. Kommission zu rechtlichen Fragen, insbesondere zu Problemen der Kodifizierung des Völkerrechts, Stellung bezogen" und uns in der 5. Kommission zu der Rolle Genfs als Sitz internationaler Organisationen geäussert 2) . Dabei wurde uns selbstverständlich kein Stimmrecht eingeräumt. Um die Teilnahme an der Generaldebatte haben wir uns bisher noch nie beworben.

c.

Vor- und Nachteile der Nichtmitgliedschaft der Schweiz bei der UNO

i.

Allgemeine Abwägung der Vor- und Nachteile der

Nichtmitgliedschaft

31

Wir haben weiter oben aufgezeigt , dass manche Entwicklungen der Vereinten Nationen in den letzten Jahren nicht unproblematisch sind. Die UNO hat allerdings während der über dreissig Jahre ihres Bestehens immer wieder schwierige Krisen erlebt, die teils aus den Konflikten, mit denen sie befasst war, teils auch intern aus der Unvereinbarkeit der Weltanschauungen und der Politik ihrer Mitglieder herrührten. Heute wie früher tendieren fast alle Staaten darauf, bei einem Interessenkonflikt ihren nationalen Interessen den Vorrang über das Interesse der Völkergemeinschaft einzuräumen. Vor allem schlagen sich die Auseinandersetzungen der Grossmächte seit jeher unausweichlich auf die Tätigkeit der UNO nieder.

In den vergangenen Jahren hat sich die Krise der UNO - wir haben es dargelegt auf die beiden politischen Hauptprobleme - Südafrika und Mittlerer Osten - zugespitzt. So sind verschiedene in diesem Zusammenhang gefasste Entschliessungen, namentlich die Resolution, die den Zionismus dem Rassismus angleicht, von zahlreichen Mitgliedstaaten verurteilt worden. Auch der Schweiz, wäre sie Mitglied, würden sie gewisse, wenn auch nicht unüberwindliche Probleme aufgeben.

Für einen neutralen Staat stellen sich bei solchen politischen Entscheiden besonders heikle Fragen, indem er seine Haltung immer wieder unter sorgfältiger Beachtung seiner Neutralitätspolitik abwägen muss, damit sie nicht als Parteinahme in einem Konflikt gewertet werden kann.

" Dazu unsere Ausführungen unter Kapitel III Ziffer 2 Buchstabe a.

Dazu unsere Ausführungen unter Kapitel IV Ziffer l Buchstabe c.

Unsere Ausführungen unter den Kapiteln II und III.

21 3)

937

Wohl sind wir seit Jahren in den SpezialOrganisationen, deren Mitglied wir sind, und an Konferenzen der Vereinten Nationen vor solche Entscheide gestellt. Aber zweifellos haben die Beschlüsse der UNO selbst noch grösseres politisches Gewicht sowohl im System der Vereinten Nationen als auch intern für uns.

Bereits bei Abstimmungen über politische Fragen in internationalen Gremien, denen wir angehören, haben wir es namentlich 1974 und 1975 erlebt, dass sich die öffentliche Meinung energisch mit unserem Stimmverhalten auseinandergesetzt und mit Kritik nicht gespart hat. Sicher würden entsprechende Beschlüsse in der Hauptorganisation zu noch grösseren Diskussionen in der Öffentlichkeit führen.

Unsere Entscheidung selbst sowie ihre Rückwirkung auf die öffentliche Meinung könnten wiederum Reaktionen der einen oder andern Konfliktspartei uns gegenüber auslösen.

So mag unsere heutige Nichtmitgliedschaft bei der UNO gewisse Vorteile mit sich bringen, vor allem wenn wir den Nachweis liefern können, dass wir unsere Interessen in den Vereinten Nationen bisher in der Regel wahren konnten. Dies darf uns jedoch nicht darüber hinwegtäuschen, dass unser Abseitsstehen im Zuge der Wandlung und Entwicklung der Vereinten Nationen in steigendem Masse gewichtige Nachteile mit sich bringt. Die beratende UNO-Kommission hat diese Tendenz zu Recht ebenfalls erkannt.

Es ist nicht allein unsere durch die Universalität bedingte zunehmende Isolierung, die uns immer mehr Probleme aufgibt. Bereits in unseren früheren Berichten, insbesondere in demjenigen von 1971 ", haben wir festgestellt, dass unsere jetzige Zusammenarbeit im Rahmen der UNO Stückwerk bleibe, solange wir nicht an den Arbeiten des Hauptorgans, nämlich der Generalversammlung, ihrer Kommissionen und der ihr direkt unterstellten Räte teilnehmen könnten. Dieser Mangel ist seither noch spürbarer geworden, was weniger an der Schweiz als vielmehr an der sich wandelnden Bedeutung der UNO liegt.

Seit jeher waren es die Generalversammlung und der ECOSOC, welche die Berichte und Programme der Organe und der SpezialOrganisationen prüften. Schon immer empfand es die Schweiz als Nachteil, dass sie als Mitglied fast aller UNOInstitutionen von dieser Koordinationsfunktion ausgeschlossen ist. In der Zwischenzeit hat die UNO aber ihre zentrale Rolle im System der Vereinten
Nationen ausgebaut. Sie wird wohl noch weiter an Gewicht gewinnen, wenn die im Rahmen der Restrukturierung des wirtschaftlichen und sozialen Bereichs der UNO2' unternommenen Anstrengungen eines Tages zu einer Straffung des gesamten Systems führen werden. Schon heute werden mehr und mehr in der UNO selbst, an der jährlichen Generalversammlung oder an ausserordentlichen Generalversammlungen grundsätzliche Entscheidungen gefällt, die nachher die Grundlage für die Arbeiten in den Organen und SpezialOrganisationen bilden. Dabei » Unser Bericht von 1971, BEI 1972 I 47 ff.

Dazu unsere Ausführungen unter Kapitel II Ziffer 4 Buchstabe b.

2)

938 handelt es sich nicht etwa nur um politische Beschlüsse, sondern in zunehmendem Masse auch um solche wirtschaftlicher und technischer Natur. Die Schweiz bleibt vom eigentlichen Entscheidungsprozess ausgeschlossen. Sie kann ihre Stellungnahme als Mitglied von Organen und SpezialOrganisationen oder als Konferenzteilnehmerin oft erst zu einem Zeitpunkt abgeben, in dem die Weichen bereits gestellt sind und ihren Erklärungen manchmal gar nur noch deklaratorische Bedeutung zukommt.

Sind die Interessen der Schweiz in der UNO selbst im Spiel, so kann sie sich als Beobachter nur Gehör verschaffen, wenn die entsprechenden Räte und Kommissionen auf ihren Antrag beschliessen, ihr im konkreten Fall das Wort zu erteilen.

Wohl erlaubt es uns unsere Beobachterstellung, den öffentlichen Sitzungen der Generalversammlung, ihrer Kommissionen und der verschiedenen Räte beizuwohnen. Mehrere Organe der UNO, namentlich die 2. Kommission der Generalversammlung und der ECOSOC, sind aber immer mehr dazu übergegangen, für wichtige Probleme kleine offiziöse Verhandlungsgruppen zu schaffen, von deren Sitzungen die Beobachter ausgeschlossen sind. Oft sind es indessen gerade diese Gruppen, die das Forum für die entscheidenden Verhandlungen bilden. Die öffentlichen Sitzungen dienen dann nur noch dazu, dem ausgehandelten Entwurf zuzustimmen. In dieser Situation ist es für einen Beobachter äusserst schwierig, die von ihm vertretenen Interessen wirkungsvoll zu verteidigen.

Wir haben erwähnt, dass wir in verschiedene Gremien der UNO nicht oder nicht wieder gewählt worden sind1*. Die Gründe dafür liegen in jedem Fall etwas anders. Bei gewissen Organen musste das Prinzip der Rotation unweigerlich zu einem Wechsel führen. In einigen Fällen zeigte es sich jedoch deutlich, dass unsere Nichtmitgliedschaft mit ein Grund für unsern Misserfolg war, weil sie uns vom gerade bei Wahlen üblichen Prozess des gegenseitigen Gebens und Nehmens, der gegenseitigen Unterstützung von Kandidaturen fernhält.

ii.

Nachteile der Nichtmitgliedschaft der Schweiz auf wirtschaftlichem und sozialem Gebiet

Zu den in der Präambel der Charta aufgezählten Zielen der Vereinten Nationen gehört die Förderung des wirtschaftlichen und sozialen Fortschritts aller Völker 2). Diese Zielsetzung hat vor allem in den letzten Jahren ihre volle Bedeutung erlangt, als in rascher Folge neue Entwicklungsländer den Vereinten Nationen beitraten und ihre wirtschaftlichen Probleme in den Vordergrund der Tätigkeit der Weltorganisation rückten 3>. In unsern früheren Berichten4' konnten wir dar" Dazu unsere Ausführungen unter Kapitel IV Ziffer 2 Buchstabe a.

Konkretisiert wird diese Bestimmung durch Artikel 55 IT. der Charta.

Der Bericht der beratenden UNO-Kommission befasst sich mit den Problemen der multilateralen Wirtschaftspolitik auf S. 76 ff.

·» Unsere Berichte von 1969, BB1 1969 I 1529 ff., und 1971, BB1 1972 I 20 f.

2 > 3)

939

auf verweisen, dass wir dank unserer Mitgliedschaft in den auf Entwicklungsfragen spezialisierten Organen der Vereinten Nationen wie UNCTAD und UNIDO am wirtschaftlichen Entwicklungsprozess mitwirken konnten. In die Durchführung der 1970 von der Generalversammlung verabschiedeten Internationalen Strategie für das zweite Entwicklungsjahrzehnt, an deren Vorbereitung wir weitgehend teilgenommen hatten", sind wir ebenfalls einbezogen, solange sie in den Organen und Organisationen stattfindet, denen wir angehören. Im ECOSOC gibt uns die Geschäftsordnung zwar die Möglichkeit, in den öffentlichen Sitzungen des zuständigen Ausschusses Erklärungen abzugeben. Die Arbeiten wickeln sich dort aber hauptsächlich in offiziösen Gruppen ab, wo wir über kein Mitspracherecht verfügen.

Ein weiteres Beispiel unserer nur lückenhaften Teilnahme an den Arbeiten der UNO, wo unsere Interessen direkt berührt werden, bilden die transnationalen Gesellschaften. Zwar können wir im ECOSOC auch darüber in den öffentlichen Sitzungen Erklärungen abgeben, was wir 1975 getan haben. Dass wir aber in jenem Jahr trotz intensiver diplomatischer Anstrengungen nicht in die neu gegründete Kommission für transnationale Gesellschaften gewählt worden sind, ist nach unseren Informationen neben anderen Faktoren auch auf unsere Nichtmitgliedschaft in der UNO zurückzuführen2'.

Es sind jedoch nicht nur gewisse Einzelfragen, bei denen sich unsere Nichtmitgliedschaft bei der UNO auf wirtschaftlichem Gebiet nachteilig auswirkt. Die Umwälzungen in der Weltwirtschaft seit 1973 haben - wir haben es erwähnt - zu einer Reihe von Beschlüssen geführt, die einen klaren Wendepunkt in den weltwirtschaftlichen Beziehungen bedeuten können und mit deren Auswirkungen wir uns auseinanderzusetzen haben werden, ob sie unseren eigenen Anschauungen entsprechen oder nicht. Insbesondere die Erklärungen und das Programm für eine Neue Weltwirtschaftsordnung und die Charta der wirtschaftlichen Rechte und Pflichten der Staaten stehen heute in allen Gremien der UNO in der einen oder andern Form zur Diskussion, und auch regionale Organisationen und die einzelnen Staaten müssen sich mit ihnen befassen. Es ist denkbar, dass künftig zusätzliche ausserordentliche Generalversammlungen zur Weiterführung der neuen Konzeptionen der Weltwirtschaft einberufen werden und dass sich im
Zuge der Restrukturierung.des wirtschaftlichen und sozialen Bereichs die wirtschaftspolitische Diskussion noch mehr auf die UNO selbst konzentrieren wird. Als Staat, dessen wirtschaftliches Potential seine politische und demographische Bedeutung überragt, wird sich die Schweiz auf die Dauer kaum unbeschadet aus der entscheidenden Beschlussfassung auf diesem Gebiet heraushalten können.

In letzter Zeit war oft zu vernehmen, dass die Pariser Konferenz über Internationale Wirtschaftszusammenarbeit (KIWZ oder Nord-Süd-Dialog), an der wir voll » Unser Bericht von 1971, BEI 1972 I 18 f.

Unsere Ausführungen unter Kapitel III Ziffer 3 Buchstabe c.

51

940 beteiligt waren, wegen ihres einmaligen Charakters den im Rahmen der Vereinten Nationen in Gang gesetzten Verhandlungen neue Impulse zu geben vermöge.

Diese Zielsetzung war denn auch bei der Wahl der Form der KIWZ massgebend.

Der Verhandlungsrahmen wurde auf 27 Teilnehmer begrenzt, und für die Beendigung der Verhandlungen wurde eine Frist gesetzt. Ausserdem sollte jegliche Politisierung der Debatten vermieden werden. Die Schwierigkeiten, denen die Pariser Konferenz trotz dieser Massnahmen begegnete, weisen darauf hin, dass es weniger die Eigenheiten der Vereinten Nationen als vielmehr die Komplexität der Probleme und die wichtigen auf dem Spiele stehenden Interessen sind, welche die Regelung der weltweiten Wirtschaftsfragen durch die Völkergemeinschaft hinauszögern. Man muss davon ausgehen, dass die internationalen Wirtschaftsbeziehungen in Zukunft immer mehr im Rahmen der Vereinten Nationen - in der Generalversammlung, im ECOSOC, in der UNCTAD, in der Weltbank, im IMF sowie im GATT - gestaltet werden. Dies entspricht im übrigen dem Willen der Staaten der Dritten Welt. Die Abwesenheit unseres Landes von gewissen grossen Gremien, wo die Grundsatzentscheidungen getroffen werden, wird die Verteidigung unserer eigenen Konzeptionen und Interessen zweifellos erschweren.

iii.

Nachteile der Nichtmitgliedschaft der Schweiz auf dem Gebiet der Kodifizierung des Völkerrechts

Bereits in unsern früheren Berichten haben wir zum Ausdruck gebracht, dass das moderne Völkerrecht heute fast ausschliesslich im Rahmen der Vereinten Nationen kodifiziert wird 1 '. Bei verschiedenen Gelegenheiten haben wir betont, dass wir die Sorge um die Aufrechterhaltung des Rechts als eine der vornehmsten Aufgaben eines neutralen Staates erachten. Wir haben ein besonderes Interesse daran, dass die internationalen Beziehungen aufgrund von Rechtsnormen geordnet werden, aber auch daran, dass wir einen Einfluss auf die Schaffung dieser Normen ausüben können. Unsere Mitwirkung an der Kodifizierung des Völkerrechts ist indessen nur beschränkt möglich, solange wir nicht Mitglied der UNO sind 2).

Das Verfahren, nach welchem in der Regel ein bestimmtes Rechtsgebiet kodifiziert wird, haben wir früher eingehend dargelegt3*. Es sind die Völkerrechtskommission, in der kein schweizerischer Völkerrechtler Mitglied werden kann, und die Generalversammlung, vorab deren 6. Kommission, die den Text ausarbeiten und beraten. Konsultiert werden nach neuerer Praxis oft nur die Regierungen der Mitgliedstaaten der UNO. Nicht in allen Fällen findet in der Schlussphase noch » Bericht von 1969, BB1 1969 I 1574f.; Bericht von 1971, BB1 1972 I 14ff.

Die beratende UNO-Kommission ist in ihrem Bericht auf S. 71 ff. zum Schluss gekommen, dass sich unser Mitspracherecht auf diesem Gebiet in den letzten Jahren noch verschlechtert habe.

3) Unser Bericht von 1969, BB1 1969 I 1574 f.

2)

941 eine diplomatische Konferenz statt, an der auch Nichtmitglieder teilnehmen können.

3.

Die Schweiz als Mitglied der UNO - Möglichkeiten und Bedingungen

Vor allem in unserem Bericht von 1969 haben wir uns eingehend mit den Möglichkeiten und Bedingungen eines schweizerischen Beitritts zur UNO auseinandergesetzt1*. Die beratende UNO-Kommission hat ihrem Mandat entsprechend den überwiegenden Teil ihrer Arbeiten erneut dieser Problematik gewidmet2'. Es scheint uns daher nützlich, im folgenden einige der wichtigsten Punkte im Lichte der Kommissionsarbeit wieder aufzunehmen, so die Fragen der Universalität der UNO, der Vereinbarkeit der Neutralität mit der Mitgliedschaft in der Organisation sowie die Probleme der humanitären Mission und der guten Dienste der Schweiz.

a.

Die Universalität der UNO und die schweizerische Mitgliedschaft

In unsern beiden früheren Berichten haben wir der Universalität der UNO eine wichtige Bedeutung für die Beurteilung unserer Beziehungen zur Weltorganisation beigemessen3'. Die beratende UNO-Kommission erachtet diese Universalität sogar als den wesentlichsten Grund für einen Beitritt der Schweiz zur Organisation 4 '.

Wie wir weiter oben dargelegt haben 5 ', hat die UNO mit dem Einzug der Volksrepublik China als Vertreterin Chinas 1971 und der Aufnahme der beiden deutschen Staaten 1973 praktisch ihre volle Universalität erreicht. Die Schweiz ist heute der einzige Staat, welcher der Organisation aus freiem Willen ferngeblieben ist 6 '. Damit verliert das Argument, dass immer noch wichtige Staaten ausserhalb der UNO stehen, im Hinblick auf unsern eigenen Beitritt an Stichhaltigkeit. Mehr denn je haben wir unser Abseitsstehen allein zu verantworten. In Zukunft werden wir folglich in zunehmendem Masse dazu aufgerufen sein, die Beweggründe für unsere besondere Haltung zu rechtfertigen, dies um so mehr, als wir unsere Politik der weltumfassenden Beziehungen zu allen Staaten stets als Korrelat zu unserer Neutralität betrachtet haben.

» 2' 3) 4 > 5)

Unser Bericht von 1969, BEI 1969 I 1546 ff.

Bericht der beratenden UNO-Kommission, S. 9ff. und S. 25ff.

Unsere Berichte von 1969, BB1 1969 I 1557ff., und von 1971, BEI 1972 I 46ff.

Bericht der beratenden UNO-Kommission, S. 95, auch S. 9 ff.

Dazu unsere Ausführungen unter Kapitel II Ziffer 1.

6) Für die Kleinststaaten stellt sich das Problem insofern anders, als ihre Mitgliedschaft bis vor kurzem kaum in Betracht gezogen worden ist und sie wohl auch wegen ihrer geringen Bevölkerungszahl vor schwierige praktische Probleme gestellt würden.

Bundesblatt. 129. Jahrg. Bd. II

942 Die Universalität der UNO erhöht auch - die beratende UNO-Kommission hat es zu Recht betont '> - die Wirkungskraft von Artikel 2 Ziffer 6 der Charta, wonach die Organisation dafür zu sorgen hat, dass Staaten, die nicht Mitglieder der Vereinten Nationen sind, gemäss ihren Grundsätzen handeln, soweit dies zur Aufrechterhaltung des Weltfriedens und der internationalen Sicherheit notwendig ist. Nichtmitglieder können einwenden, eine solche Bestimmung zu Lasten Dritter habe für sie nach allgemeinem Völkerrecht keine Gültigkeit 2 '. Die heute 147 Mitglieder dagegen sind als Vertragsparteien der Charta an diese Regel gebunden und haben die Möglichkeit, entsprechenden Druck auf den aussenstehenden Staat auszuüben. Die Machtposition der UNO gegenüber einem Nichtmitglied verstärkt sich mit der Erreichung ihrer Universalität.

b.

Die Vereinbarkeit der Neutralität mit der Mitgliedschaft bei der UNO

In Übereinstimmung mit unsern beiden früheren Berichten und dem Bericht der beratenden UNO-Kommission sind wir nach wie vor der Ansicht, dass die Schweiz der UNO nur unter Aufrechterhaltung ihres Statuts der dauernden Neutralität beitreten sollte.

Wie die Neutralität rechtlich begründet ist und welches die Leitsätze unserer Neutralitätspolitik sind, haben wir in unserem Bericht von 1969 eingehend dargestellt3'. Unsere dortigen Ausführungen sind nach wie vor gültig. Seither haben wir in unserer Botschaft über die Beteiligung der Schweiz am Übereinkommen vom S.Februar 1975 4> über ein internationales Energieprogramm festgehalten, dass es einem ständig neutralen Staat nicht verwehrt sei, universellen und regionalen internationalen Organisationen beizutreten, solange der Beitritt keine Verpflichtung enthalte, in einen bewaffneten Konflikt einzugreifen5).

In der Schlussakte der Konferenz über Sicherheit und Zusammenarbeit in Europa (KSZE) von Helsinki wurde der erste Grundsatz der Achtung der der Souveränität innewohnenden Rechte auf schweizerische Initiative hin durch die Erklärung ergänzt, die Teilnehmerstaaten hätten das Recht auf Neutralität 6 '.

i.

Die Neutralität und die Charta der Vereinten Nationen

Die in der Charta verankerte Idee der kollektiven Sicherheit und die Neutralität sind beide auf die Erhaltung des Friedens ausgerichtet. Obwohl ihre Wege zu diesem Ziel verschieden gezeichnet sind, hat die heutige Doktrin doch überwiegend i> 2> -'> 4> 5> 6)

Bericht der beratenden UNO-Kommission, S. 15 ff.

Unser Bericht von 1969, BB1 1969 I 1521 ff.

Unser Bericht von 1969, BB1 1969 I 1467ff. und 1481 ff.

BEI 1975 I 749ff.

Ibid. S. 784.

Schlussakte der KSZE vom August 1975, Fragen der Sicherheit in Europa 1. a. I. in fine.

943

anerkannt, dass die Charta für die Neutralität Raum lasse '>. Die Mitgliedschaft Schwedens, Finnlands und Österreichs hat denn auch ausreichend bewiesen, dass neutrale Staaten in der Weltorganisation eine aktive Rolle zu spielen vermögen, ohne mit ihrem Neutralitätsstatut in Konflikt zu geraten.

Das Problem der Neutralität stellt sich hauptsächlich im Zusammenhang mit den Bestimmungen des Kapitels VII der Charta über kollektive Zwangsmassnahmen 2 >. Danach kann der Sicherheitsrat bei Vorliegen einer Bedrohung des Friedens, eines Friedensbruchs oder einer Angriffshandlung nichtmilitärische Sanktionen gemäss Artikel 41 oder, wenn diese sich als ungenügend erweisen, militärische Massnahmen gemäss Artikel 42 beschliessen.

Grundsätzlich sind die Mitglieder der UNO gemäss Artikel 25 der Charta verpflichtet, die Beschlüsse des Sicherheitsrates anzunehmen und durchzuführen.

Nach den Bestimmungen von Kapitel VII kann aber der Sicherheitsrat alle oder nur einzelne Mitglieder auffordern, an bestimmten Zwangsmassnahmen teilzunehmen. Während nichtmilitärische Sanktionen von den angesprochenen Mitgliedern direkt ausgeführt werden müssen, kann ein Mitglied nach Artikel 43 nur aufgrund eines Spezialabkommens mit dem Sicherheitsrat, das der Ratifizierung nach den Regeln des jeweiligen innerstaatlichen Verfassungsrechts unterliegt, zur Beteiligung an militärischen Massnahmen angehalten werden 3 '.

In der Vergangenheit hat dieses System der kollektiven. Sicherheit nicht funktioniert, was unter anderem darauf zurückzuführen ist, dass Zwangsmassnahmen nur beschlossen werden können, wenn kein ständiges Mitglied des Sicherheitsrats von seinem Vetorecht Gebrauch macht 4 '. Die Bestimmungen des Kapitels VII sind bis jetzt einmal angewandt worden, als der Sicherheitsrat am 16. Dezember 1966 aufgrund der Artikel 39 und 41 wirtschaftliche Sanktionen gegen Rhodesien anordnete 5 >. Diese Erfahrung darf uns aber nicht dazu verleiten, bei unsern Beitrittsüberlegungen das Kapitel VII ausser acht zu lassen. Wir müssen vielmehr abklären, ob einerseits die Neutralität eine Mitwirkung an bestimmten Sanktionen zulässt und anderseits die Charta die Möglichkeit bietet, dass sich ein Mitgliedstaat von der Teilnahme an einer Zwangsmassnahme ausnimmt.

Bereits in unserem Bericht von 1969 haben wir ausgeführt, dass die kollektive Sicherheit eine aktive Stellungnahme gegen einen Friedensbrecher voraussetze und die UNO bei der Durchführung einer Zwangsmassnahme Konfliktspartei

n Unser Bericht von 1969, BB1 1969 I 1547ff. und die dort zitierte Literatur.

' In unserem Bericht von 1969 befassten wir uns (BB1 1969 I 1462ff.) ausführlich mit dem System der kollektiven Sicherheit der UNO. Wir rufen hier nur die wichtigsten Punkte in Erinnerung.

?)

Bekanntlich ist bis heute kein einziges solches Abkommen geschlossen worden.

i) Artikel 27 Ziffer 3 der Charta.

5> Resolution 232 (1966) des Sicherheitsrats.

2

944

werde, während die Neutralität zur Nichteinmischung und Enthaltung von Feindseligkeiten sowie zur Gleichbehandlung der Konfliktsparteien verpflichte 1 ».

Eine Beteiligung der Schweiz an militärischen Sanktionen wäre daher ausgeschlossen, was die beratende UNO-Kommission ebenfalls einhellig bestätigt hat 2 '. Aufgrund von Artikel 43 der Charta wäre es uns aber auch als Mitglied der Vereinten Nationen möglich, uns von solchen Sanktionen fernzuhalten. Die Kommission hat überdies die Frage untersucht, ob die Schweiz wieder aus der UNO austreten müsste, falls der Sicherheitsrat militärische Zwangsmassnahmen anordnete3'. Wir sind der Ansicht, dass zur Wahrung unserer Neutralität eine Nichtteilnahme an konkreten militärischen Massnahmen genügen würde, dies um so mehr, als ein einzelner Austritt gegebenenfalls eher als Parteinahme für den Angreifer denn als unparteiische Haltung im Sinne der Neutralität gewertet werden könnte.

Differenzierter liegt das Problem bei den nichtmilitärischen Sanktionen. Sie müssen von den dazu aufgeforderten Mitgliedstaaten automatisch durchgeführt werden, sobald sie der Sicherheitsrat beschlossen hat 4 '. Nach den Erfahrungen mit den Massnahmen gegen Rhodesien, wo sich der Sicherheitsrat nicht nur an alle Mitglieder, sondern unter Berufung auf Artikel 2 Ziffer 6 der Charta auch an die Nichtmitglieder der UNO wandte, erscheint es kaum wahrscheinlich, dass in Zukunft bei andern nichtmilitärischen Massnahmen nur ein Teil der Mitglieder zu deren Durchführung aufgerufen würde. Angesichts der heutigen Interdependenz in wirtschaftlichen und andern Belangen wäre die Wirksamkeit solcher Sanktionen ohne Teilnahme der ganzen Völkergemeinschaft ohnehin nur gering.

Nichtmilitärische Sanktionen sind aber auch nicht von vorneherein unvereinbar mit der Neutralität5), wobei die Grenze zwischen neutralitätskonformen und neutralitätswidrigen Massnahmen nicht immer deutlich gezogen werden kann.

Grundsätzlich darf sich ein ständig neutraler Staat, wenn er den Zweck der ständigen Neutralität erreichen will, nicht an Massnahmen beteiligen, die den Charakter eines Wirtschaftskrieges haben. Anderseits darf er nicht zulassen, dass Sanktionen der UNO durch sein Abseitsstehen umgangen oder in ihrer Wirkung beeinträchtigt werden. Hinzu kommt, dass die in der Charta aufgezählten nichtmilitärischen
Massnahmen auch andere als wirtschaftliche Massnahmen umfassen. Es lässt sich daher nicht im voraus bestimmen, welche nichtmilitärischen Sanktionen mit unserer Neutralität vereinbar wären und welche mit ihr im Widerspruch stehen würden 6 '.

» ?> ·'' v ')

Unser Bericht von 1969, BEI 1969 I 1547.

Bericht der beratenden UNO-Kommission, S. 30ff.

Bericht der beratenden UNO-Kommission S. 49 ff.

Unser Bericht von 1969, BB1 1969 I 1549ff.

Unser Bericht von 1969, BB1 1969 I 1551. Bericht der beratenden UNO-Kommission, S. 32 ff.

6) In diesem Sinne können wir der im Ersten Zusatzdokument zum Bericht der beratenden UNO-Kommission, S. 9 (Beilage zum «Presserohstoff» vom 29. Juni 1976), geäus-

945

Bei den am 16. Dezember 1966 vom Sicherheitsrat beschlossenen Sanktionen gegen Rhodesien kamen wir im übrigen auch als Nichtmitglied der UNO nicht darum herum, bestimmte Massnahmen - wenn auch autonomer Art - zu treffen, nachdem der Sicherheitsrat alle Mitglied- und Nichtmitgliedstaaten dazu aufgerufen hatte, den Sanktionsbeschluss zu befolgen und die Schweiz, hätte sie sich nicht angepasst, mit Bestimmtheit zur Drehscheibe für Umgehungsgeschäfte geworden wäre".

Es scheint wenig wahrscheinlich, dass der Sicherheitsrat eines Tages Sanktionen beschliessen wird, bei deren Befolgung wir gegen unser Neutralitätsstatut verstossen würden. In diesem Sinne bildet das Vetorecht der Grossmächte eine verstärkte Garantie für die Aufrechterhaltung unserer Neutralität auch bei einer Mitgliedschaft in der UNO. Da neutralitätswidrige Sanktionen aber zumindest theoretisch nicht völlig auszuschliessen sind, müssen wir prüfen, ob das Neutralitätsrecht seiner rechtlichen Natur nach Vorrang vor der Charta geniesst oder ob es von der UNO ausdrücklich oder stillschweigend anerkannt worden ist.

Artikel 103 der Charta bestimmt, dass im Fall eines Widerspruchs zwischen den von der Charta auferlegten Verpflichtungen und den Verpflichtungen aus einem andern Abkommen diejenigen der Charta Vorrang hätten. Hingegen bleiben für die Vereinten Nationen und ihre Mitglieder die Regeln des Völkergewohnheitsrechts verbindlich, solange sie nicht durch Vertrag geändert wurden. Mit gutem Recht könnte argumentiert werden, dass das Neutralitätsstatut, obwohl es in der Regel ursprünglich auf einem Vertrag basiert, im Verlauf der Jahre zu einem Grundsatz des Völkergewohnheitsrechts geworden sei 2 '. Diese These entspricht aber nicht allgemeiner Lehre 3) . Österreich stützte sich denn auch nicht auf sie ab, als es das Verhältnis der österreichischen Neutralität zur Charta untersuchte.

Vielmehr ist dort die Ansicht vorherrschend, die Vereinten Nationen hätten bei der Aufnahme eines neutralen Staates in Kenntnis von dessen Status gehandelt serten Ansicht nicht folgen, wonach die Schweiz als Mitglied der UNO im Interesse der Glaubwürdigkeit ihrer Neutralitätspolitik auf die Teilnahme an sämtlichen Sanktionen verzichten müsste.

» Unser Bericht von 1969, BB1 1969 I 1522f. Vgl. auch Bindschedler, Die Schweiz und die Sanktionen gegen Rhodesien,
ZaöRV 28, 1968, S. l ff. Österreich als Mitglied der UNO hatte damals die Haltung eingenommen, Rhodesien sei weder als Staat noch als kriegsführende Partei anerkannt worden. Somit könne seine Rebellion gegen Grossbritannien nicht als Krieg im Sinne des Völkerrechts qualifiziert werden, was bedeute, dass das Neutralitätsrecht und die sich daraus ergebenden Pflichten nicht berührt seien. Aber sogar im Kriegsfalle sei ein neutraler Staat nicht verpflichtet, seine Einfuhren dem Neutralitätsrecht zu unterstellen. Österreich betonte, dass es aufgrund dieser Überlegungen im konkreten Fall die Sanktionen durchführen werde, bestätigte aber gleichzeitig sein Statut der dauernden Neutralität. Vgl. dazu Zemanek, Österreich und die Sanktionen gegen Rhodesien, ZaöRV 28, 1968, S. 29 f.

2) Unser Bericht von 1969, BB1 1969 I 1548 f.

3) Insbesondere Chaumont, Nations Unies et Neutralité, Recueil des Cours 89, 1956 I, S. 43, ist der Meinung, dass das Neutralitätsstatut durch Artikel 103 der Charta in den Verpflichtungen aus der Charta seine Grenze finde.

946 und damit seine Neutralität anerkannt. Die Organe der UNO und insbesondere der Sicherheitsrat seien daher verpflichtet, einen neutralen Staat von der Befolgung eines Beschlusses auszunehmen, der ihn mit seinem Neutralitätsstatut in Konflikt bringen könnte1*.

Wir teilen grundsätzlich diese Ansicht. Den meisten Gründerstaaten der UNO ist unser Neutralitätsstatut bekannt. Die meisten von ihnen haben es längst anerkannt. Allerdings ist den zahlreichen neuen Mitgliedern der UNO unser rechtlich und politisch sehr differenzierter Status in der Regel nicht geläufig. Wir sind daher der Meinung, dass wir ihn bei unserem Beitritt zur UNO in Erinnerung rufen müssten.

ii.

Die Form der Aufrechterhaltung der Neutralität in der UNO

In unserem Bericht von 1969 haben wir uns mit drei theoretisch möglichen Formen der Aufrechterhaltung der Neutralität in der UNO auseinandergesetzt, dem Beitritt unter formellem Neutralitätsvorbehalt, mit gleichzeitigem Abschluss eines Abkommens nach Artikel 43 der Charta oder ohne ausdrücklichen Neutralitätsvorbehalt2'. Die beratende UNO-Kommission lehnte aus ähnlichen Überlegungen wie wir alle drei Varianten ab 3) . Dagegen schlägt sie vor, dass die Schweiz gleichzeitig mit ihrem Aufnahmegesuch in einer Erklärung ihren Willen zum Ausdruck bringen sollte, auch als Mitglied der Vereinten Nationen ihre überlieferte, im Völkerrecht verankerte dauernde Neutralität aufrechtzuerhalten und die sich daraus ergebenden Pflichten zu erfüllen. Wenn dann der Sicherheitsrat in Kenntnis dieser Erklärung die Aufnahme empfehlen und die Generalversammlung sie beschliessen würde, könnte die Schweiz nach Treu und Glauben eine stillschweigende Anerkennung ihrer dauernden Neutralität innerhalb der UNO annehmen41. Eine Kommissionsminderheit hat sich im Prinzip eher für einen formellen Neutralitätsvorbehalt ausgesprochen, aber für den Fall, dass dieser völkerrechtlich nicht durchführbar sei, eine Erklärung gefordert, in der sich die Schweiz ausdrücklich von allen Sanktionen ausnehmen würde 5 '.

Bisher hat kein neutraler Staat im Moment seines Beitritts zur UNO in irgendeiner Form sein Neutralitätsstatut in Erinnerung gerufen. Bei jedem von ihnen lagen die Voraussetzungen allerdings auch etwas anders6'.

Wir würden wahrscheinlich im Zeitpunkt unseres Beitritts eine einseitige Neutralitätserklärung abgeben. Wir würden sie aber eher allgemein formulieren, schon " Beispielsweise Verdross, Völkerrecht, 5. Auflage 1965, S. 656.

2> Unser Bericht von 1969, BB1 1969 I 1552 ff.

3) Bericht der beratenden UNO-Kommission, S. 34 f.

4> Bericht der beratenden UNO-Kommission, S. 35 f.

5)

Erstes Zusatzdokument zum Bericht der beratenden UNO-Kommission, a. a. O., S. 20

*> Vgl. unseren Bericht von 1969, BB1 1969 I 1553f.

947

deshalb, weil wir, wie eben ausgeführt, bei gewissen Sanktionsformen durchaus mitwirken könnten. Es liegt im Wesen der Neutralitätspolitik, dass jeder konkrete Fall wieder neu an ihren Maximen gemessen werden muss und sich kein neutraler Staat im voraus bis in alle Einzelheiten festlegen kann.

iii.

Die Gestaltung der Neutralitätspolitik in der UNO

Wir haben uns in der Vergangenheit stets darum bemüht, unsere Neutralitätspolitik glaubwürdig und soweit als möglich voraussehbar zu gestalten. Diesen Grundsatz haben wir bei unseren Stellungnahmen zu politischen Fragen in den Organen und SpezialOrganisationen der Vereinten Nationen befolgt, und wir würden ihn als Mitglied der UNO beachten.

Neutralitätspolitik hat unseres Erachtens aber noch nie bedeutet, dass wir uns jeglicher Aussenpolitik enthalten sollten. Neutralitätspolitik ist vielmehr die Politik, die ein neutraler Staat in Friedenszeiten führt, um zu vermeiden, dass er in einen bewaffneten Konflikt hineingezogen wird 1 '. Daneben bleibt auch dem neutralen Staat genügend Spielraum für die Gestaltung einer Aussenpolitik, die nicht direkt mit der Neutralität zusammenhängt2*.

Für neutrale Staaten ergeben sich in internationalen Organisationen politischen Charakters hauptsächlich zwei Aufgaben. Einmal sollten sie ihre eigenen Interessen wahren und ihren Standpunkt zu den allgemeinen Problemen konsequent vertreten, wobei sie sich für die Respektierung des Rechts sowie für ausgewogene und sachliche Lösungen der anstehenden Fragen einzusetzen haben. Darüber hinaus sollten sie vermittelnd wirken und sich für die Erzielung von Kompromissen einsetzen. Diese Haltung hat sich an der Konferenz über Sicherheit und Zusammenarbeit in Europa (KSZE) bewährt.

Selbstverständlich würden wir uns in Diskussionen in der UNO über ganz bestimmte Konflikte, wo die Neutralität von uns in der Tat Nichteinmischung verlangt, nicht in einer Weise äussern, die als Parteinahme zugunsten einer Konfliktspartei gewertet werden könnte. Aber bei allen politischen Fragen müssten wir wie bei den andern im Rahmen der Vereinten Nationen behandelten Fragen doch im Einzelfall beurteilen, ob wir - möglicherweise gerade im Sinne einer aktiven Neutralitätspolitik - Stellung beziehen sollten. Unser Beitritt soll ja auch un» Vgl. u. a. Bindschedler, Die Neutralität im modernen Völkerrecht, ZaöRV 17, 1956/57, S. 4; Guggenheim, Der Neutralitätsbegriff im allgemeinen Völkerrecht und in der internationalen Organisation, in Festschrift Verdross, 1971, S. 121. Wir haben diesen Leitsatz erneut bestätigt in unserer Botschaft über die Beteiligung der Schweiz am Übereinkommen vom 5. Februar 1975 über ein internationales Energieprogramm, BB1 1975
I 749 ff.

21 Insofern können wir mit dem 1. Zusatzdokument zum Bericht der beratenden UNOKommission, a. a. O., S. 11, nicht einiggehen, welches von uns in der UNO auf der ganzen Linie eine konsequente Zurückhaltung in politischen Fragen verlangt.

948 sere Solidarität mit der Völkergemeinschaft bekunden, unser Interesse an ihren Problemen und unsern Willen, an deren Lösung konstruktiv mitzuarbeiten1'. Wir sollten das Forum der Vereinten Nationen nutzen und unsere Neutralitätspolitik darlegen, nicht nur als Begrenzung unserer eigenen Möglichkeiten, sondern auch als Instrument im Dienste der Völker und des Friedens.

Die beratende UNO-Kommission hat sich namentlich mit dem möglichen Abstimmungsverhalten der Schweiz in der UNO auseinandergesetzt2'. Sie hat insbesondere aufgrund einer Studie ihres Sekretariats anhand der an der 29. Generalversammlung von 1974 verabschiedeten Resolutionen über den Mittelostkonflikt und das südliche Afrika untersucht, wie die Schweiz als Mitglied der UNO allenfalls hätte stimmen können. Dabei ist auch berücksichtigt worden, wie andere Staaten tatsächlich gestimmt haben, denn die einer Abstimmung vorausgehenden Beratungen mit neutralen und andern Staaten entsprechen der Realität. Die Studie kam zum Schluss, dass sich die Schweiz bei insgesamt rund 30 Resolutionen wohl bei einem Drittel oder höchstens der Hälfte davon der Stimme enthalten Österreich übte in zwölf, Schweden in elf Fällen Stimmenthaltung - und sonst in Übereinstimmung mit ihrer Neutralitätspolitik Ja oder Nein gestimmt hätte.

Diese Ergebnisse zeigen, dass sich die Schweiz auch im Rahmen ihrer Neutralitätspolitik in der UNO profilieren könnte. Sie stimmen im übrigen im allgemeinen mit unserer bereits heute geübten Politik in den Organen und Spezialorganisationen überein3'.

c.

Die humanitäre Mission der Schweiz und die Mitgliedschaft bei der UNO

Die Neutralität hat es der Schweiz ermöglicht, sich aus den kriegerischen Auseinandersetzungen dieses Jahrhunderts herauszuhalten. Sie betrachtet es deshalb als ihre Aufgabe, als Korrelat zu ihrer Neutralität eine humanitäre Mission zu erfüllen. Im Verlauf der Zeit hat sich die humanitäre Tätigkeit auch auf Notlagen ausserhalb von kriegerischen Ereignissen erweitert. Sie erstreckt sich heute hauptsächlich auf das Flüchtlingswesen und auf Hilfsaktionen in Kriegs- und Katastrophenfällen. Eine grosse Rolle spielt in diesem Zusammenhang nach wie vor das Internationale Komitee vom Roten Kreuz (IKRK). Ausserdem haben wir aufgrund unseres Berichts vom 18. August 1971 betreffend die Schaffung eines Freiwilligenkorps für Katastrophenhilfe im Ausland, den Sie am 14. März 1972 genehmigt hatten, ein Katastrophenhilfskorps aufgebaut, das sich bereits in verschiedenen Einsätzen bewährt hat.

Auch die Vereinten Nationen zählen zu ihren Zielen die Lösung von Problemen humanitärer Art. Vor allem der Hochkommissar für die Flüchtlinge (UNHCR) 4 ' " Siehe auch 2. Zusatzdokument zum Bericht der beratenden UNO-Kommission, a.a.O., S. 1.

2)3) Bericht der beratenden UNO-Kommission, S. 37 ff.

Dazu unsere Ausführungen unter Kapitel IV Ziffer l Buchstabe a it.

4) Dazu unsere Ausführungen unter Kapitel III Ziffer 4 Buchstabe d i.

949 und neuerdings der Koordinator für Katastrophenhilfe (UNDRO)" widmen sich dieser Zielsetzung. Die UNO selbst ist an der Weiterentwicklung des bestehe'nden humanitären Völkerrechts beteiligt.

Wir wollen auch in Zukunft unsere humanitäre Tradition voll beibehalten. Im Zusammenhang mit dem UNHCR und der UNDRO dürfte dies keine Probleme aufwerfen. Unsere Zusammenarbeit mit diesen beiden Institutionen ist schon heute eng 2 ' und könnte durch unsere Mitgliedschaft bei der UNO nur gewinnen.

Mit der Situation des IKRK nach einem allfälligen Beitritt der Schweiz zur UNO haben wir uns bereits in unserem ersten Bericht auseinandergesetzt3'. Die beratende UNO-Kommission hat sich erneut eingehend damit befasst4'. Das IKRK hatte der Kommission in einem Memorandum erklärt, dass der Beitritt als solcher keinen massgeblichen Einfluss auf sein Wirken ausüben sollte. Indessen wären Situationen denkbar, in denen eine schweizerische Stellungnahme negative Folgen für das Komitee nach sich ziehen könnte. Da die Tätigkeit des IKRK sich hauptsächlich auf die schweizerische Neutralität abstütze, halte es eine strikte Beachtung des Neutralitätsrechts und der Neutralitätspolitik durch die Schweiz für erforderlich, damit es seine Mission voll erfüllen könne 5 '. Die Kommission kam mehrheitlich zum Ergebnis, dass die vom IKRK befürchteten negativen Konsequenzen nicht eintreten würden, wenn die Schweiz der UNO unter Wahrung der Neutralität beitrete, wobei allerdings die schweizerischen Delegierten in der UNO stets auf das IKRK Rücksicht nehmen müssten.

Wir haben schon früher bemerkt, dass wir uns als Depositär und Treuhänder der internationalen Rotkreuzkonventionen unserer Verantwortung gegenüber dem IKRK bewusst seien6'. Dies gilt heute ebenso wie damals. Unsere Delegation an der Diplomatischen Konferenz über das humanitäre Völkerrecht hat dieses Bewusstsein in den letzten Jahren und Monaten immer wieder bewiesen. Uns scheint, dass eine überlegt geführte Neutralitätspolitik in der UNO dem IKRK nicht zum Schaden gereichen würde.

d.

Die guten Dienste der Schweiz und ihre Mitgliedschaft bei der UNO

Im Sinne unserer Disponibilität bilden die guten Dienste ein tragendes Element unserer Aussenpolitik. In der Vergangenheit sind wir vor allem wegen unserer Neutralität zur Leistung solcher Dienste aufgerufen worden. Die Frage kann deshalb gestellt werden, ob ein Beitritt der Schweiz zur UNO unsere Möglichkeiten auf diesem Gebiet beschneiden würde.

" Dazu unsere Ausführungen unter Kapitel III Ziffer 4 Buchstabe d iv.

2> Unsere Berichte von 1969, BB1 1969 I 1528, und von 1971, BEI 1972 I 29 f.

" Unser Bericht von 1969, BB1 1969 I 1578 f.

4 > Bericht der beratenden UNO-Kommission, S. 53 ff.

s Diese Stellungnahme des IKRK wird von den Autoren des 1. Zusatzdokuments zum Bericht der beratenden UNO-Kommission, a.a.O., S. 15ff., voll unterstützt.

« Unser Bericht von 1969, BB1 1969 I 1578 f.

950

Bisher hat sich unsere Sonderstellung ausserhalb der UNO für die guten Dienste nicht als nachteilig erwiesen. So wurden wir beispielsweise im Dezember 1971 mit dem Doppelmandat der indischen Interessenwahrung gegenüber Pakistan und der pakistanischen Interessenwahrung gegenüber Indien betraut. Auch hat die UNO mehrmals schweizerische Persönlichkeiten für spezielle humanitäre und politische Missionen beigezogen.

Fest steht allerdings, dass wir in den letzten Jahren eine geringere Zahl von Mandaten erhalten haben. Dies ist zum Teil darauf zurückzuführen, dass bei aussereuropäischen Konflikten die guten Dienste von Europäern nicht mehr so gefragt sind und auch beim Abbruch diplomatischer Beziehungen eine gewisse Neigung besteht, die Interessenvertretung weniger einem neutralen als vielmehr einem gesinnungsmässig nahestehenden Staat oder einer regionalen Organisation zu übertragen 1 '. Ein anderer Grund scheint uns aber wesentlicher zu sein. In vermehrtem Masse ist nämlich die UNO selbst zu einem Zentrum geworden, von dem die Vermittlungen - namentlich durch ihren Generalsekretär oder dessen persönlichen Vertreter - ausgehen. Die Schweiz als Nichtmitglied der Organisation wird oft übersehen, und den Mitgliedstaaten sind die in Frage kommenden Persönlichkeiten unseres Landes in der Regel wenig bekannt.

Es ist durchaus denkbar, dass wir in einzelnen Fällen gerade in unserer Eigenschaft als neutrales Nichtmitglied der UNO zur Leistung guter Dienste aufgerufen würden, weil sich die Konfrontation innerhalb der Organisation abspielt und wir uns in einer Art «Reservestellung» zu ihr befinden 21 . Die Übernahme einer solchen Mission kann für uns aber auch fragwürdig sein, und zwar dann, wenn es sich um eine Angelegenheit handelt, bei der die Mitgliedstaaten ihr Prestige nicht aufs Spiel setzen wollen und es begrüssen, dass ihnen ein Aussenstehender die delikate Aufgabe abnimmt.

Angesichts der heutigen Universalität der UNO würde ein Beitritt unsere Disponibilität für gute Dienste nicht beeinträchtigen3). Insbesondere halten wir die Bedenken, unsere «Reservestellung» aufzugeben, für überholt4'. Mit unserem Beitritt wären alle für die Leistung guter Dienste in Frage kommenden Staaten Mitglied der Organisation. Damit könnte diese Aufgabe zwangsläufig nur Mitgliedern übertragen werden 5) . Diese Situation würde
unsere Möglichkeiten unseres Erachtens eher verbessern. Innerhalb der UNO hätten wir vermehrt Gelegenheit, uns für gewisse Missionen einzusetzen. Wir könnten namentlich durch unsere Stellungnahmen in Diskussionen und Abstimmungen der möglichen Übernahme von guten Diensten Rechnung tragen.

» Unser Bericht von 1969, BEI 1969" I 1575ff.

> Unser Bericht von 1969, BB1 1969 I 1577.

In dieser Beziehung sind wir mit dem 1. Zusatzdokument zum Bericht der beratenden UNO-Kommission, a. a. O., S. 14, einverstanden.

41 Was nicht ganz der im erwähnten Zusatzdokument geäusserten Meinung entspricht.

5) Bericht der beratenden UNO-Kommission, S. 59 ff.

2

3)

951 Die finanziellen Auswirkungen unseres Beitritts

Würde die Schweiz der UNO beitreten, so beliefe sich ihre Beitragsquote zurzeit auf 0,96 Prozent des Budgets der UNO. Für die Zweijahresperiode 1976/1977 ist ein Budget von insgesamt fast 760 Millionen Dollar veranschlagt worden, was für die Schweiz einen Jahresbeitrag von etwa 3,6 Millionen Dollar ausmachen würde.

Diese Summe schliesst die Beiträge ein, welche die Schweiz schon jetzt den Organen entrichtet, an deren Arbeiten sie vollberechtigt teilnimmt, nämlich dem Internationalen Gerichtshof, der UNCTAD, der UNIDO, der Europäischen Wirtschaftskommission und der Internationalen Betäubungsmittel-Kontrollstelle.

Die beratende Kommission vertrat die Meinung, dass die finanziellen Konsequenzen, die sich aus einem Beitritt ergäben, auch bei der gegenwärtig angespannten Finanzlage des Bundes tragbar wären1'.

f.

Unterstellung des Beitritts der Schweiz unter das obligatorische Referendum

Nach der Volksabstimmung vom 13. März 1977 über die Neuordnung des Staatsvertragsreferendums bestimmt Artikel 89 Absatz 5 der Bundesverfassung, dass der Beitritt zu Organisationen für kollektive Sicherheit und zu supranationalen Gemeinschaften der Abstimmung des Volkes und der Stände untersteht.

Bei der Organisation der Vereinten Nationen handelt es sich, wie wir in diesem Bericht erneut dargelegt haben2', um eine Organisation für kollektive Sicherheit im Sinne der neuen Verfassungsbestimmung. Ein Beitritt der Schweiz zur UNO würde daher dem obligatorischen Referendum unterstellt.

V.

Durchführung der Vorschläge des Berichts von 1971 : die beratende Kommission ad hoc für die Beziehungen der Schweiz zur UNO

1.

Ernennung, Zusammensetzung und Mandat

Gemäss unserem von Ihnen genehmigten Vorschlag in unserem letzten Bericht vom 17. November 1971 setzten wir mit Beschluss vom 28. August 1973 die aus 50 Mitgliedern bestehende beratende Kommission ad hoc für die Beziehungen der Schweiz zu den Vereinten Nationen ein. Den Vorsitz übertrugen wir dem früheren Ständerat Dr. Eduard Zellweger.

» Bericht der beratenden UNO-Kommission, S. 88.

Dazu insbesondere unsere Ausführungen unter Kapitel IV Ziffer 3 Buchstabe b i.

21

952

Bei der Zusammensetzung der Kommission war auf eine angemessene Vertretung sämtlicher Landesteile und Volksschichten geachtet worden». Alle Parlamentsfraktionen waren durch ihre Präsidenten oder andere führende Fraktionsmitglieder vertreten. Bundesrichter und Angehörige der Armeespitze, Vertreter der Dachverbände der Wirtschaft, verschiedener an unserer Aussenpolitik aktiv interessierter Gremien wie der Nationalen UNESCO-Kommission, der Schweizerischen Gesellschaft für Aussenpolitik, der Schweizerischen Gesellschaft für die Vereinten Nationen, der Europa-Union Schweiz und des Internationalen Komitees vom Roten Kreuz sowie mehrere Hochschulprofessoren, Vertreterinnen der landesweiten Frauenorganisationen und an der Politik interessierte junge Bürger wirkten in der Kommission mit.

Wir erteilten der Kommission den Auftrag, uns einen umfassenden Bericht einzureichen, in welchem alle in Betracht kommenden Formen der zukünftigen Beziehungen der Schweiz zu den Vereinten Nationen abgeklärt und ihre Vor- und Nachteile gegeneinander abgewogen würden. Die Öffentlichkeit sollte periodisch über den Stand und die wichtigsten Ergebnisse der Kommissionsarbeiten informiert werden2'.

2.

Die Arbeiten der Kommission

Die konstituierende Sitzung der Kommission fand am 16. Oktober 1973 in Anwesenheit des Vorstehers des Politischen Departements statt. Die Kommission konzentrierte ihre Arbeit von Anfang an auf die Frage, ob anstelle der Beibehaltung des Status quo ein Beitritt zu den Vereinten Nationen zu erstreben sei.

Die Kommission beendete ihre Arbeit kurz nach dem Tod ihres Präsidenten im Juli 1975 und leitete uns am 23. August 1975 ihren Bericht zu. Gleichzeitig reichte eine Gruppe von vier Kornmissionsmitgliedern ein Memorandum ein, in welchem sie zum Ausdruck brachte, ihrer Meinung nach seien einige den schweizerischen UNO-Beitritt betreffende Aspekte nicht genügend berücksichtigt worden, und es müsse der Bericht entsprechend vervollständigt werden. Nach Kenntnisnahme des Berichts und des Memorandums gaben wir den Bericht am 5. September 1975 an die Kommission zurück mit dem Wunsch, dass alle Kommissionsmitglieder die Überweisung des Berichts gutheissen sollten. Wir forderten die Kommission auf, ihre Arbeiten in diesem Sinne bis zu einem guten Ende weiterzuführen. Die Kommission stimmte daraufhin dem Vorschlag ihres Büros zu, wonach die Autoren des Memorandums ihre Überlegungen in einem separaten Text formulieren sollten und auch andere Kommissionsmitglieder eingeladen seien, allfällige Minderheitsmeinungen zur Geltung zu bringen, sofern sie dies wünschten. Innerhalb

" Die Liste der Kommissionsmitglieder findet sich in Anhang V.

> Der Wortlaut des Mandats ist in Anhang VI abgedruckt.

2

953

der vom Büro gesetzten Frist verfassten die Autoren des Memorandums ein von insgesamt zwölf Kommissionsmitgliedern unterzeichnetes neues Memorandum.

Ausserdem reichten vier Kommissionsmitglieder einen Zusatz ein, der in der Folge von weiteren acht Mitgliedern unterzeichnet wurde. Unter dem Vorsitz des Büromitgliedes Prof. Dr. Dietrich Schindler beschloss die Kommission am 17. Februar 1976, den ursprünglichen Bericht, dem eine grosse Mehrheit der Kommission zugestimmt hatte, zusammen mit den beiden von Minderheitsgruppen verfassten Zusatzdokumenten an uns zu überweisen. In Ausführung dieses Beschlusses leitete das Büro dem Bundespräsidenten die drei Texte mit Schreiben vom 26. Februar 1976 zu. In unserer Sitzung vom 7. April 1976 nahmen wir vom Kommissionsbericht und den beiden Zusatzdokumenten Kenntnis und beschlossen, dass der Bericht veröffentlicht werde. Wir entbanden die Kommission unter Verdankung der geleisteten Dienste ihres Mandats. Ausserdem beauftragten wir das Politische Departement, sich bei der Vorbereitung unseres dritten Berichts die Arbeiten der Kommission zunutze zu machen. Das Büro der beratenden Kommission übergab den publizierten Kommissionsbericht zusammen mit den beiden Zusatzdokumenten am 29. Juni 1976 an einer Pressekonferenz der Öffentlichkeit.

3.

Die Schlussfolgerungen und Vorschläge der Kommission, insbesondere bezüglich Information der Öffentlichkeit

Der Bericht der Kommission bildete vor allem zur Beurteilung unseres Verhältnisses zu den Vereinten Nationen eine wertvolle Grundlage, die wir, auch wenn wir um Nuancen nicht immer gleicher Meinung sind, genutzt haben. Da der Bericht und die beiden Zusatzdokumente der Öffentlichkeit zugänglich gemacht worden sind, verzichten wir darauf, sie hier darzustellen.

Zu den Schlussfolgerungen der Kommission" haben wir bei der Behandlung der einzelnen Punkte Stellung genommen und werden wir uns zum Teil anschliessend in unsern eigenen Schlussfolgerungen äussern. Hier wollen wir vor allem die konkreten Vorschläge der Kommission" zur Meinungsforschung und zur Information der Öffentlichkeit aufnehmen.

Die Kommission hat sich um eine Analyse der Volksmeinung zur Frage des Beitritts der Schweiz zur UNO bemüht. Sie liess sich über verschiedene Meinungsumfragen orientieren, die sich allerdings auf die Frage «Sind Sie für oder gegen einen Beitritt der Schweiz zur UNO?» beschränkt hatten. Nach diesen Umfragen hielten sich die Befürworter und die Gegner eines Beitritts ungefähr die Waage, wobei die Zahl der unentschiedenen Personen verhältnismässig hoch war. Allgemein kam die Kommission zum Schluss, dass im Schweizervolk eine bestimmte Skepsis gegenüber den Vereinten Nationen vorherrsche, die zum Teil auf man" Der Text der Schlussfolgerungen und Vorschläge der Kommission findet sich in Anhang VII.

Bundesblatt. 129. Jahrg. Bd. II

954

gelnde Information zurückzuführen sei. Jedenfalls könnten über die Einstellung des Volkes zu einem Beitritt zur UNO keine abschliessenden Aussagen gemacht werden. Die Kommission schlug daher vor, die Gründe und Motive von Gegnern und Befürwortern sowie allfällige Informationslücken wissenschaftlich zu untersuchen.

Auch wir sind der Ansicht, dass es im Hinblick auf die Festlegung unserer künftigen Politik gegenüber den Vereinten Nationen von Nutzen wäre, nicht nur die mutmassliche Zahl der befürwortenden und der ablehnenden Stimmbürger, sondern auch die Beweggründe zu kennen, die zur einen oder andern Haltung führen. Wir befürworten daher grundsätzlich den Vorschlag der Kommission, eine wissenschaftliche Meinungsumfrage durchzuführen.

Informationslücken sollten jedoch nicht allein festgestellt, sondern auch geschlossen werden. So hat sich die Kommission eingehend mit der Verbesserung der Information befasst. Sie ging davon aus, dass den Stimmbürgern ein Anspruch auf Vermittlung möglichst umfassender Kenntnisse einer Materie zustehe, über die sie letztlich zu entscheiden hätten. Um dieses Ziel zu erreichen, schlägt die Kommission die Herausgabe einer populär gehaltenen, sachlich orientierenden Broschüre über die Vereinten Nationen vor. Ausserdem beantragt sie dem Bundesrat, eine kleine Informationskommission zu ernennen.

Wir sind bereit, diese Vorschläge der Kommission aufzunehmen und eine solche Informationskommission einzusetzen. Mit ihr werden wir insbesondere die Herausgabe einer Broschüre über die Schweiz und die Vereinten Nationen sowie die Veranlassung einer wissenschaftlichen Meinungsumfrage erörtern.

Der Bundesrat misst der Information der öffentlichen Meinung eine grosse Bedeutung'bei. Seines Erachtens müssen sich die Behörden und die Massenmedien jeder mit den ihm zur Verfügung stehenden Mitteln - in diese Aufgabe teilen.

Eines der wichtigsten Ziele, die wir mit der periodischen Berichterstattung an die Eidgenössischen Räte über das Verhältnis der Schweiz zu den Vereinten Nationen verfolgt haben, ist es gerade, die Öffentlichkeit über das Parlament von den immer zahlreicheren Aktivitäten der Weltorganisation und deren Auswirkungen auf die Schweiz zu unterrichten. Dieser Bericht soll wie seine beiden Vorgänger zu einem besseren Verständnis der UNO und ihrer SpezialOrganisationen in
unserem Lande und zu einem lebendigeren Dialog zwischen den Behörden und den Bürgern über die Beziehungen der Schweiz zu den Vereinten Nationen beitragen.

Dabei ist es aber unerlässlich, dass parallel zu den Bemühungen der Behörden sich auch die Presse sowie Radio und Fernsehen vermehrt für die Vereinten Nationen interessieren und den Versuch unternehmen, die Weltorganisation objektiv darzustellen.

955 VI.

Zusammenfassung und Schlussfolgerungen

l. Der vorliegende Bericht hat die entscheidenden Entwicklungen der Vereinten Nationen in den letzten Jahren und deren Auswirkungen auf die Stellung der Schweiz zur Weltorganisation aufgezeigt.

i. Die Vereinten Nationen sind heute praktisch weltumfassend geworden.

Diese Tatsache ist nach Auffassung der beratenden Kommission das wesentlichste Argument zugunsten des Beitritts der Schweiz zur UNO. In der Tat ist unser Land heute der einzige Staat der Welt, der - ohne dazu gezwungen zu sein - ausserhalb der Vereinten Nationen steht. Mehr als früher haben wir unsere Nichtmitgliedschaft allein zu verantworten, und immer öfter werden wir unsere Sonderstellung begründen müssen. Diese Aufgabe wird nicht leicht sein, denn unsere derzeitige Haltung ist kaum mit der Universalität unserer internationalen Beziehungen zu vereinbaren, die wir als Korrelat zu unserer Neutralität betrachten.

Es trifft zu, dass in den letzten Jahren gelegentlich versucht worden ist, die Universalität der UNO einzuschränken. So wurden die Mitwirkungsrechte Südafrikas in der Generalversammlung begrenzt und in einigen Organisationen des Systems der Vereinten Nationen auch gegen Israel restriktive Massnahmen ergriffen. Solche Vorkommnisse sind in der Tat ausserordentlich.zu bedauern. Doch dürfen sie nicht als Vorwand dazu dienen, einer realistischen Auseinandersetzung mit den eigentlichen Problemen aus dem Weg zu gehen, die sich für die Schweiz aus der Universalität der Vereinten Nationen ergeben.

ii. Universell sind die Vereinten Nationen nicht nur aufgrund ihrer Zusammensetzung, sondern auch durch die Erweiterung ihres Tätigkeitsfeldes geworden, das sich heute, wie unser Bericht deutlich gemacht hat, auf fast alle Lebensbereiche der Völker erstreckt. Um den Kern der rein politischen Aufgaben entwickelt sich eine weltweite Zusammenarbeit auf wirtschaftlichem, sozialem, rechtlichem, wissenschaftlichem, technischem, ökologischem und humanitärem Gebiet, die immer mehr globalen Charakter annimmt.

In allen diesen Fällen begnügt sich die UNO nicht mehr damit, statistische und dokumentarische Unterlagen zu erstellen. Vielmehr werden die von ihr erarbeiteten und verbreiteten Konzeptionen nach und nach zu universellen Normen, über die sich keine Regierung einfach hinwegsetzen kann. Diese Konzeptionen, die auf einer im wesentlichen politischen
Sicht der Probleme beruhen, sind hauptsächlich das Werk der Generalversammlung und ihrer Hauptorgane. Sie sind wichtig, weil sie die Richtlinien für die spätere Arbeit der Nebenorgane und der SpezialOrganisationen bilden.

956

Ein Staat, der nicht der UNO angehört, kann also gerade dort, wo der politische Kurs festgelegt und die Grundsatzentscheidungen für die gesamte Tätigkeit des Systems der Vereinten Nationen gefällt werden, weder seine Stimme vernehmen lassen noch seine Positionen verteidigen. Ein Nichtmitgliedstaat sieht sich vor vollendete Tatsachen gestellt und muss sich mit Optionen auseinandersetzen, auf deren Erarbeitung er keinerlei Einfluss ausüben konnte. Dies ist, wie man im vorliegenden Bericht gesehen hat, namentlich der Fall bei der Definition einer Neuen Weltwirtschaftsordnung und der Kodifizierung des Völkerrechts. In diesem letztgenannten Bereich, dem die Schweiz traditionsgemäss ein grosses Interesse entgegenbringt, stösst sie auf die Bedenken gewisser Staaten, einen Nichtmitgliedstaat an den Arbeiten der Rechtskommission der Generalversammlung teilnehmen zu lassen, wenn diese Kommission mit der Ausarbeitung eines internationalen Übereinkommens beauftragt ist. Darüber hinaus haben die an die Mitwirkung der Schweiz geknüpften Bedingungen zur Folge gehabt, dass die Darlegung und Verteidigung ihrer Standpunkte schwieriger geworden sind.

iii. Der vorliegende Bericht hat die Gründe dafür dargelegt, warum die lange Zeit übliche Unterscheidung zwischen «politischer» und «technischer» UNO heute kaum mehr zutrifft. Der Bundesrat hat bereits in seiner Antwort vom 16. Juni 1975 auf die Interpellation Hofer über die internationale Lage darauf hingewiesen: Auf weltweiter Ebene können nur wenige technische Vorhaben ausserhalb der grossen politischen Optionen und des allgemeinen Zusammenhangs der internationalen Beziehungen durchgeführt werden, in den sie notwendigerweise einbezogen sind.

Es wird daher für die Schweiz immer schwieriger werden, ihre Stellung in der Welt in befriedigender Weise zu behaupten, wenn sie der UNO fernbleibt. Man sollte nicht ausser acht lassen, dass die weitreichenden und intensiven Bemühungen der Vereinten Nationen um den Frieden in der Welt und die wirtschaftliche Entwicklung mehr als nur einen technischen und finanziellen Beitrag verdienen. Sie erfordern von den beteiligten Staaten auch eine politische Verpflichtung. Jedenfalls kann sich ein Land, das seine Rolle auf internationaler Ebene in vollem Umfang wahrnehmen will, immer weniger mit einer auf sogenannte technische Bereiche
beschränkten Zusammenarbeit begnügen, so nützlich diese auch sein mag.

2. Der Bundesrat hat sich in seinen Berichten von 1969 und 1971 bereits ausführlich mit dem Verhältnis der Neutralität zur Charta der UNO auseinandergesetzt. Er hat deutlich zum Ausdruck gebracht, dass ein Beitritt der Schweiz nur unter Aufrechterhaltung ihrer Neutralität in Frage komme. Der vorliegende Bericht geht erneut im einzelnen auf dieses Problem ein. Daher werden wir hier nur die wesentlichen Punkte in Erinnerung rufen.

Vorerst ist hervorzuheben, dass das in der Charta verankerte und durch die Praxis der Vereinten Nationen ergänzte System der Friedenserhaltung und

957

die schweizerische Konzeption der Neutralität grundsätzlich auf dieselben Ziele ausgerichtet sind. Die Charta erwähnt die Neutralität zwar nicht ausdrücklich, schliesst sie aber keineswegs aus. Vielmehr hat die UNO durch die Aufnahme neutraler Staaten die Neutralität und ihre spezifische Rolle «de facto» anerkannt. Mit allem Nachdruck muss auch festgehalten werden, dass bisher noch kein neutraler Mitgliedstaat der Organisation vor die Wahl zwischen seinen Verpflichtungen aus der Charta und jenen aus seiner Neutralitätspolitik gestellt worden ist. Diese Feststellung erhält ihre volle Bedeutung, wenn man in Betracht zieht, dass sogar Schweden und Österreich dem Sicherheitsrat angehörten und dort eine sehr aktive Rolle spielten.

Verschiedene Faktoren bestärken uns in der Überzeugung, dass sich die Zugehörigkeit zur UNO mit der Neutralitätspolitik vereinbaren lässt. Einmal ist daran zu erinnern, dass die Bestimmung von Kapitel VII der Charta über die kollektive Sicherheit praktisch toter Buchstabe geblieben sind und dass das System nach und nach durch ein neues Verfahren der Friedenserhaltung ersetzt worden ist. Diese grundlegende Entwicklung ist darauf zurückzuführen, dass jede «Aktion» der UNO im Fall einer Bedrohung des Friedens und erst recht bei der Verhängung von Sanktionen der Zustimmung aller fünf ständigen Mitglieder des Sicherheitsrats bedarf. Angesichts des heutigen Stands der internationalen Beziehungen ist es jedoch weiterhin wenig wahrscheinlich, dass die fünf Grossmächte gemeinsam eine Intervention beschliessen oder dass zumindest keine Uneinigkeit unter ihnen besteht. Dadurch sind die Aktionsmöglichkeiten der UNO ziemlich beschränkt. Man kann in diesem Zusammenhang sagen, dass das Vetorecht der ständigen Ratsmitglieder, sosehr es auch kritisiert wird, letztlich für einen neutralen Staat die beste Garantie gegen das Risiko darstellt, sich bei einem grösseren Konflikt, das heisst, an einem Konflikt, an dem eine Grossmacht direkt oder indirekt beteiligt ist, obligatorischen Zwangsmassnahmen der Organisation fügen zu müssen.

Hinzu kommt, dass selbst wenn der Sicherheitsrat militärische Sanktionen anordnen würde, ein Mitgliedstaat nur aufgrund eines in aller Form mit dem Rat abgeschlossenen Abkommens zur Teilnahme an den Sanktionen verpflichtet werden könnte. Für den Fall nichtmilitärischer
Sanktionen gibt es allerdings keine Klausel, wonach die Zustimmung der betroffenen Staaten vorbehalten ist ; der Sicherheitsrat hat aber das Recht, bestimmte Mitglieder von den zur Durchführung seiner Entscheidung notwendigen Massnahmen zu entbinden. Auch wenn man berücksichtigt, dass die weltpolitische Lage einer auf Kapitel VII gestützten «Aktion» der Vereinten Nationen sehr enge Grenzen setzt, so muss man doch anerkennen, dass ein neutraler Mitgliedstaat der Organisation rechtlich verpflichtet werden könnte, nichtmilitärische Sanktionen durchzuführen, sollte der Sicherheitsrat ausnahmsweise solche Sanktionen beschliessen.

958

Indessen ist zu bedenken, dass auch ein Nichtmitgliedstaat, selbst wenn er neutral ist, sich kaum über einen solchen Beschluss hinwegsetzen könnte.

Dies zeigte sich deutlich im Falle Rhodesiens, als der Bundesrat sich dazu veranlasst sah, allerdings autonom, Massnahmen zu ergreifen, um zu verhindern, dass die Schweiz zur Drehscheibe für den rhodesischen Aussenhandel wurde und so die Wirksamkeit der Sanktionen gegen Salisbury beeinträchtigte.

3. Das Problem eines eventuellen Beitritts der Schweiz zur UNO ist auch im allgemeinen Rahmen unserer Aussenpolitik zu prüfen, deren wesentliche Bestandteile - daran sei hier erinnert - Neutralität, Solidarität und Beteiligung sind. Dazu drängt sich ein kurzer historischer Rückblick auf: Seit Ende des Zweiten Weltkriegs ist es der Schweiz gelungen, die meisten grossen Probleme zu bewältigen, die sich für sie im Bereich der internationalen Zusammenarbeit gestellt haben. Mit ihren engsten politischen Partnern, den neutralen Staaten Europas, hat sie regelmässige Konsultationen aufgenommen, sowohl auf bilateraler Ebene als auch in den multilateralen Gremien, in denen diese Länder vertreten sind. Von Anfang an war die Schweiz Mitglied der OEEC, der späteren OECD sowie der Europäischen Freihandelsassoziation (EFTA). Mit ihren Hauptwirtschaftspartnern, den Ländern des Gemeinsamen Marktes, hat sie 1972 einen Freihandelsvertrag abgeschlossen. Die Zusammenarbeit mit den westeuropäischen Demokratien wurde durch unsern Beitritt zum Europarat, einer politischen Organisation, institutionalisiert.

Im Rahmen der west-östlichen Beziehungen konnte die Schweiz durch ihre aktive Teilnahme an der Konferenz über Sicherheit und Zusammenarbeit in Europa (KSZE) ihre eigene politische Identität bestätigen und anerkennen lassen.

Auf weltweiter Ebene war unsere Präsenz bisher durch unsere Mitarbeit in den meisten SpezialOrganisationen der Vereinten Nationen gesichert. Wir wirken auch in wichtigen Organen der Generalversammlung mit, die sich mit wirtschaftlichen und sozialen Problemen befassen wie dem UNDP, dem UNICEF, der UNCTAD und der UNIDO. Wir sind seit 1966 dem GATT angeschlossen und wurden 1976 als einer der acht Vertreter von Industriestaaten zugelassen, die sich im Rahmen der Pariser Konferenz über internationale Wirtschaftszusammenarbeit am Nord-Süd-Dialog beteiligten.
Schließlich hat die Schweiz einen wichtigen Schritt zur Annäherung an die Dritte Welt vollzogen, indem sie als Gast an der Gipfelkonferenz der blockfreien Staaten vom August 1976 in Colombo teilnahm.

Diese kurze Rückschau zeigt, dass die Schweiz ihre Solidarität mit Europa unter Beweis gestellt und die mit dieser Solidarität verknüpfte politische

959

Verantwortung insbesondere durch den Beitritt zum Europarat und ihre aktive Rolle an der KSZE übernommen hat. Doch gleichzeitig fehlt ihrer Beteiligung an der weltweiten Zusammenarbeit das wichtigste Element, nämlich die Zugehörigkeit zur politischen Hauptorganisation. Es ist dies eine eigentliche Anomalie, die ein Land wie die Schweiz, dessen internationale Beziehungen seine geographischen und demographischen Dimensionen in jeder Hinsicht überragen, bei der heutigen weltweiten Interdependenz immer weniger ohne Schaden in Kauf nehmen kann.

Selbstverständlich muss man sich davor hüten, die Rolle zu überschätzen, die unser Land in den Vereinten Nationen spielen könnte. Immerhin ist es aber in der Lage, sich bei den grossen aktuellen politischen Debatten vernehmen zu lassen und auch zu den brennendsten Problemen Stellung zu nehmen, wie beispielsweise zur Frage, welche Auswirkung die Achtung der Menschenrechte auf die internationale Entspannung hat. Dies zeigte sich deutlich an der KSZE. Auch in anderen Gremien sehen wir uns bereits heute dazu veranlasst, in den dort stattfindenden politischen Debatten Stellung zu beziehen. Nichts würde uns also daran hindern, in der UNO die uns richtig erscheinenden Auffassungen zu vertreten, ohne damit unsere Neutralitätspolitik in Frage zu stellen.

In den letzten Jahren, vor allem seit 1969, zielte die Politik des Bundesrats auf eine Annäherung der Schweiz an die Vereinten Nationen ab. Zu diesem Zweck wurden verschiedene Massnahmen ergriffen, die in den früheren Berichten des Bundesrats sowie im vorliegenden erwähnt worden sind. Doch muss man sich darüber im klaren sein, dass dieser Politik objektive Grenzen gesetzt sind. Ein Nichtmitgliedstaat darf und kann nicht ständig den Konsequenzen ausweichen, die sich aus seinem Abseitsstehen ergeben. Es wäre weder realistisch noch gerecht, wenn er versuchen würde, die Vorteile einer umfassenden Zusammenarbeit mit der UNO in Anspruch zu nehmen, ohne gemeinsam mit den anderen Staaten die mit der Mitgliedschaft verbundene politische Verantwortung zu tragen.

In dieser Hinsicht müssen wir realistisch einsehen, dass die Annäherung der Schweiz an die Vereinten Nationen eine Schwelle erreicht hat. Sicherlich sind in einzelnen Bereichen noch Massnahmen möglich un'd auch wünschenswert. So könnten wir beispielsweise gewisse
völkerrechtliche Verträge der UNO ratifizieren und, wie es die beratende Kommission wünscht, erneut eine eventuelle Beteiligung der Schweiz an den Friedenstruppen der Vereinten Nationen prüfen ; wir könnten ferner in grösserem Umfang und systematischer als bisher von den Möglichkeiten Gebrauch machen, die uns die Generalversammlung zur Anknüpfung von Kontakten bietet, die für unsere bilateralen Beziehungen nützlich sind ; schliesslich könnten wir die Rolle der Schweiz als

960

Gastland für internationale Organisationen und Konferenzen stärken. Der Bundesrat beabsichtigt, Ihnen in diesem Sinne einige Anträge zu unterbreiten.

Namenüich erwägt er, den eidgenössischen Räten den Beitritt der Schweiz zu den beiden internationalen Pakten über die Menschenrechte vorzuschlagen.

Doch alle denkbaren Massnahmen dieser Art können - abgesehen davon, dass die Finanzschwierigkeiten des Bundes einigen von ihnen Grenzen setzen würden - keinesfalls den wichtigen politischen Akt eines Beitritts der Schweiz zur UNO ersetzen.

5. Während der letzten Jahre hat die Generalversammlung - das lässt sich nicht bestreiten - Beschlüsse gefasst, die nicht immer mit unserer rechtlichen und moralischen Auffassung von der internationalen Ordnung übereinstimmten. An gewissen Resolutionen hat die öffentliche Meinung in der Schweiz zu Recht sogar Anstoss genommen. Das Bild, das die UNO gelegentlich von sich selbst vermittelt, hat sie in unserem Land nicht populärer gemacht.

Es wäre jedoch irreführend, sich von einer einseitigen Sicht der Rolle der Vereinten Nationen in der Welt von heute leiten zu lassen. Die UNO ist kein vom Willen der Mitgliedstaaten unabhängiges, abstraktes, supranationales Gebilde. Sie bietet sich vielmehr als das geeignetste Forum an, wo die politischen, wirtschaftlichen und sozialen Gegensätze einer Welt zum Ausdruck kommen, die mehr als je zuvor in ihrer Geschichte komplex und zerrissen, aber auch von gegenseitiger Abhängigkeit geprägt ist. Die UNO ist zugleich Ort des Dialogs und der Konfrontation, wo versucht wird, auf friedliche Weise ein neues Gleichgewicht der Kräfte zu schaffen. MUSS man es nochmals wiederholen, dass ein solches Forum trotz aller Unzulänglichkeiten, Fehlschläge und Enttäuschungen nach wie vor unentbehrlich ist aus dem einfachen Grund, weil es auf internationale)- Ebene kein anderes gibt? Indem es jederzeit für Kontakte und Verhandlungen zur Verfügung steht, kann es internationale Krisen abschwächen und gelegentlich auffangen oder sogar regeln. Diese wesentliche Rolle wird veranschaulicht durch die neue Interventionsmethode, welche die Vereinten Nationen mit den friedenserhaltenden Aktionen geschaffen haben, die ihnen in verschiedenen Fällen ein rasches Einschreiten ermöglichten. Diese Aktionen sind, wie es sich im Mittleren Osten und in Zypern gezeigt hat,
bei den Waffenstillstandsverhandlungen zu einem wichtigen Faktor geworden und schaffen günstige Bedingungen für eine friedliche Lösung der Konflikte. So kann man davon ausgehen, dass zahlreiche Streitigkeiten ohne die Vereinten Nationen eine für den Weltfrieden viel gefährlichere Entwicklung genommen hätten.

Es ist nicht zu umgehen, dass ein so bedeutendes und auch komplexes Unternehmen immer unvollendet und unvollkommen bleibt. Für uns stellt sich die Frage, wie lange sich die Schweiz von diesen weltweiten Bemühungen, durch Frieden und Gerechtigkeit annehmbare Lebensbedingungen für alle Völker der Erde zu schaffen, noch fernhalten will.

961

Aus all den genannten Gründen und nach reiflicher Überlegung ist der Bundesrat zur Überzeugung gelangt, dass ein Beitritt der Schweiz zur UNO wünschbar ist. Er schliesst sich damit der Empfehlung der grossen Mehrheit der beratenden Kommission an. Er geht namentlich von der Idee aus, dass ein Fernbleiben der Schweiz von den Vereinten Nationen in Zukunft nicht mehr denkbar ist. Der Beitritt der Schweiz wäre eine notwendige Ergänzung unserer Aussenpolitik und würde unserem Land ein Forum erschliessen, das es braucht, wenn es alle seine Wirkungsmöglichkeiten voll entfalten will.

Der Beitritt würde also dem wohlverstandenen Interesse unseres Landes dienen.

Schon in seinem Bericht von 1969 musste der Bundesrat allerdings feststellen, dass die Mehrheit der schweizerischen Öffentlichkeit den Vereinten Nationen noch skeptisch oder gleichgültig gegenübersteht. Diese Feststellung ist in seinen Augen heute wie damals von grosser Wichtigkeit, weil die Schweiz die einzige Demokratie der Welt ist, die einen allfälligen Entscheid über den Beitritt dem Volk zur Abstimmung unterbreiten musste. Wie der Bundesrat bereits 1969 betont hat, ist es klar, dass ein negatives Abstimmungsergebnis bei Volk und Ständen im Ausland Zweifel an unserem Willen zur internationalen Zusammenarbeit hervorrufen würde. Darüber hinaus könnte es im Inland das Vertrauen in die Führung unserer Aussenpolitik ernsthaft gefährden.

Seit unsern Berichten von 1969 und 1971 hat offensichtlich in der öffentlichen Meinung keine Bewusstseinsbildung stattgefunden, die zu einer Änderung dieser Situation geführt hätte. Vielmehr wurden da und dort noch kritischere Meinungen über die Vereinten Nationen und die zu ihrem System gehörenden Organisationen laut. Dagegen haben die Diskussionen in der beratenden Kommission, in der die Hauptströmungen der öffentlichen Meinung der Schweiz vertreten waren, immerhin gezeigt, dass für viele das Problem jetzt ausreichend abgeklärt ist, um ihnen einen Entscheid zugunsten des Beitritts zu ermöglichen.

Die beratende Kommission hat den Stand der öffentlichen Meinung ähnlich bewertet und Vorschläge für eine bessere Information der Öffentlichkeit über die Vereinten Nationen und die mit dem Beitritt der Schweiz verbundenen Probleme gemacht. Der Bundesrat erachtet diese Vorschläge als nützlich und hat die Absicht, ihnen
Folge zu leisten.

Der Bundesrat ist sich der Komplexität der internen und externen Aspekte des Problems des schweizerischen Beitritts zu den Vereinten Nationen voll bewusst. Deshalb behält er sich vor, den geeigneten Zeitpunkt für einen Antrag an die eidgenössischen Räte, die Frage Volk und Ständen zu unterbreiten, später zu bestimmen. Er ist der Ansicht, dass dieser Zeitpunkt nicht in allzu ferner Zukunft liegen sollte.

962

Der Bundesrat ist der Meinung, dass die ganze Problematik inzwischen sowohl in seinen eigenen Berichten als auch in jenem der beratenden Kommission gründlich untersucht worden ist. Er beabsichtigt daher, der Bundesversammlung vor der Botschaft über einen Beitritt der Schweiz zur UNO keinen neuen Bericht mehr vorzulegen.

9. Der Bundesrat hofft, dass der vorliegende Bericht Anlass zu einer vertieften Diskussion des Problems in den eidgenössischen Räten und in der Öffentlichkeit gibt, dass er jeden von uns anregt, über den Platz der Schweiz in der heutigen Welt nachzudenken und dabei nicht zu vergessen, dass dieser Platz nicht ein für allemal erworben ist und unser Land seine Politik der Solidarität und der Beteiligung glaubhaft machen muss. Alles spricht dafür - und dies wird die Schlussfolgerung des Bundesrats sein -, dass unter den zahlreichen Optionen, die sich der Schweiz heute zur Erreichung dieses Ziels anbieten, jene des Beitritts zu den Vereinten Nationen eine der wichtigsten ist.

Wenn der vorliegende Bericht dazu beiträgt, dieses Bewusstsein reifen zu lassen, so hat er seinen Hauptzweck erfüllt.

963

Anhang I

Abkürzungsliste BIRPI CAC CICG ECE/CEE-ONU ECOSOC FAO FIPOI GATT IAEA/AIEA IBE/BIE IBRD/BIRD ICAO/OACI ICJ/CIJ IDA/AID IFC/SFI IKRK/CICR ILC/CDI ILO/OIT IMCO/OMC1 1MF/FMI INDC/OICS ITU/UIT OIPC UNCTAD/ CNUCED UNDOF/ FNUOD

Vereinigte internationale Büros zum Schütze des geistigen Eigentums Verwaltungsausschuss für Verbindung Internationales Konferenzzentrum von Genf Europäische Wirtschaftskommission Wirtschafts- und Sozialrat Organisation der Vereinten Nationen für Ernährung und Landwirtschaft Immobilienstiftung für internationale Organisationen Allgemeines Zoll- und Handelsabkommen Internationale Atomenergie-Agentur Internationales Erziehungsamt Internationale Bank für Wiederaufbau und Entwicklung Internationale Zivilluftfahrtsorganisation Internationaler Gerichtshof Internationale Entwicklungsorganisation Internationale Finanzkorporation Internationales Komitee vom Roten Kreuz Kommission für internationales Recht Internationale Arbeitsorganisation Intergouvernementale Organisation für Seeschiffahrt Internationaler Währungsfonds Internationales Betäubungsmittel-Kontrollorgan Internationaler Fernmeldeverein Internationale Organisation für Zivilverteidigung Konferenz der Vereinten Nationen für Handel und Entwicklung

Beobachtertruppe der Vereinten Nationen für die Truppenentflechtung UNDP/PNUD Entwicklungsprogramm der Vereinten Nationen UNDRO Koordinierungsstelle der Vereinten Nationen für Katastrophenhilfe UNEF/FUNU Notstandstreitkräfte der Vereinten Nationen UNEP/PNUE Umweltprogramm der Vereinten Nationen UNESCO Organisation der Vereinten Nationen für Erziehung, Wissenschaft und Kultur UNFICYP Friedenserhaltungstruppen der Vereinten Nationen auf Zypern UNHCR/HCR Hochkommissar der Vereinten Nationen für Flüchtlingswesen UNICEF/FISE Kinderhilfswerk der Vereinten Nationen UNIDO/ONUDI Organisation der Vereinten Nationen für industrielle Entwicklung UNITAR Institut der Vereinten Nationen für Ausbildung und Forschung UNO/ONU Organisation der Vereinten Nationen UNIPSA Unterrichts- und Bildungsprogramm der Vereinten Nationen für das südliche Afrika UNRISD Forschungsinstitut der Vereinten Nationen für Sozialentwicklung UNRWA Programm der Vereinten Nationen für Palästina-Flüchtlinge UNSDRI Forschungsinstitut der Vereinten Nationen für soziale Verteidigung

964 UNTSO/ONUST Waffenstillstands-Beobachtungsorganisation der Vereinten Nationen in Palästina UPU Weltpostverein WFP/PAM Welternährungsprogramm WHO/OMS Weltgesundheitsorganisation WIPO/OMPI Weltorganisation für geistiges Eigentum WMO/OMM Meteorologische Weltorganisation WTO/OMT Weltorganisation für Tourismus

965 Anhang II

Stand der Unterschriften, Ratifikationen und Beitritte zu den wichtigsten Übereinkommen der Vereinten Nationen am 31. Dezember 1976 " Titel des Übereinkommens

a. Von der UNO ausgearbeitete, aber ausserhalb ihr abgeschlossene Übereinkünfte Abkommen vom 5. August 1963 über das Verbot von Kernwaffenversuchen in der Luft, im Weltraum und unter Wasser (AS 1964 193) Vertrag vom 27. Januar 1967 über die Grundsätze zur Regelung der Tätigkeiten von Staaten bei der Erforschung und Nutzung des Weltraumes, einschliesslich des Mondes und anderer Himmelskörper (AS 7970 87) Übereinkommen vom 22. April 1968 über die Rettung von Raumfahrern, die Rückführung von Raumfahrern und die Rückgabe von in den Weltraum gestarteten Gegenständen (AS 1970 95) Vertrag vom I.Juli 1968 über die Nichtverbreitung von Kernwaffen Übereinkommen vom l I.Februar 1971 betreffend Nuklearwaffen auf dem Meeresboden (AS 1976 1431) Übereinkommen vom 29. März 1972 über die völkerrechtliche Haftung für Schäden durch Weltraumgegenstände (AS 1974 784) Übereinkommen vom 10. April 1972 über das Verbot der Entwicklung, Herstellung und Lagerung bakteriologischer (biologischer) Waffen und von Toxinwaffen sowie über die Vernichtung solcher Waffen (AS 1976 1438) l>

Anzahl Datum der Ratifikationen, Unterzeichnung Annahmen durch oder die Schweiz Beitritte bis zum 31. 12. 1976

Ratifikation, Annahme oder Beitritt durch die Schweiz

107

24. 12. 1963

26. 8. 1963

75

27./30. 1. 1967 18. 12. 1969

70

22. 4. 1968

18. 12. 1969

99

27.11.1969

--

61

11.2.1971

4.5.1976

47

29.3.1972

22.1.1974

71

10.4.1972

4.5.1976

In dieser Übersicht werden nur Verträge berücksichtigt, die entweder von der Generalversammlung der Vereinten Nationen oder einer besonderen zu diesem Zweck einberufenen, weltweiten Konferenz ausgearbeitet wurden. Angesichts ihrer Bedeutung werden ebenfalls die sieben zuerst erwähnten, ausserhalb der Vereinten Nationen abgeschlossenen, jedoch zuvor von deren Generalversammlung genehmigten Übereinkünfte berücksichtigt. Nicht aufgeführt werden dagegen Verträge, die im Rahmen von Spezialorganisationen oder regionalen Nebenorganen wie der Europäischen Wirtschaftskommission ausgearbeitet wurden. Soweit als möglich wird die in den periodischen Übersichten der Vereinten Nationen verwendete Systematik gewahrt.

966 Titel des Übereinkommens

Anzahl

Datum der

tionen, Unterzeichnung Annahmen durch oder die Schweiz Beitritte bis zum 3l. 12. 1976

Übereinkommen vom 12. November 1974 über die Registrierung von in den Weltraum gestarteten Gegenständen b. Grundlegende Texte der Vereinten Nationen Statut des Internationalen Gerichtshofes (AS 1948 1048, 7970 1336) Fakultativklausel des Statuts des Internationalen Gerichtshofes über die obligatorische Beilegung von Streitigkeiten (AS 1948 1045)

5

Ratifikation, Annahme oder Beitritt durch die Schweiz

14.4. 1975

--

150

--

28.7. 1948

49

--

28.7. 1948

7

--

--

112

--

--

83

--

--

18.4.1961

30. 10. 1963

c. Friedliche Beilegung internationaler Streitigkeiten Revidierte Fassung der Generalakte vom 28. April 1949 zur friedlichen Beilegung völkerrechtlicher Streitigkeiten d. Vorrechte und Immunitäten internationaler Organisationen, diplomatische und konsularische Beziehungen Übereinkommen vom 13. Februar 1946 über die Vorrechte und Immunitäten der Vereinten Nationen Übereinkommen vom 21. November 1947 über die Vorrechte und Immunitäten der Spezialorganisationen der Vereinten Nationen Wiener Übereinkommen vom 18. April 1961 über diplomatische Beziehungen (AS 1964 433) Fakultativprotokoll vom 18. April 1961 über den Erwerb der Staatszugehörigkeit Fakultativprotokoll vom 18. April 1961 über die obligatorische Beilegung von Streitigkeiten (AS 1964 451) Wiener Übereinkommen vom 24. April 1963 über konsularische Beziehungen (AS 1968 887) Fakultativprotokoll vom 24. April 1963 über den Erwerb der Staatsangehörigkeit Fakultativprotokoll vom 24. April 1963 über die obligatorische Beilegung von Streitigkeiten (AS 1968 918) Übereinkommen von 16. Dezember 1969 über die Spezialmissionen Übereinkommen vom 14. Dezember 1973 über die Verhütung, Verfolgung und Bestrafung von Straftaten gegen völkerrechtlich geschützte Personen einschliesslich Diplomaten

118 33

--

46

18.4. 1961

22. 11. 1963

79

23. 10. 1963

3. 5. 1965

22

--

30

23. 10. 1963

3. 5. 1965

10

31. 7. 1970

--

21

967 Titel des Übereinkommens

Anzahl Datum der Ratifikationen, Unterzeichnung Annahmen durch oder , die Schweiz Beitritte bis zum 31. 12. 1976

Ratifikation, Annahme oder Beitritt durch die Schweiz

e. Menschenrechte Übereinkommen vom l I.Dezember 1948 über die Unterdrückung und Bestrafung des Verbrechens des Völkermordes (Genozid) Internationales Übereinkommen vom 7. März 1966 über die Beseitigung aller Formen von Rassendiskriminierung Internationaler Pakt vom 19. Dezember 1966 über die wirtschaftlichen, sozialen und kulturellen Rechte Internationaler Pakt vom 19. Dezember 1966 über die bürgerlichen und politischen Rechte Internationales Übereinkommen vom 30. November 1973 über die Beendigung und Bestrafung des Verbrechens der Apartheid

82

--

93

--

42

--

40

--

23

--

/. Flüchtlinge und Staatenlose Abkommen vom 28. Juli 1951 über die Rechtsstellung der Flüchtlinge (AS /9J5 461) Protokoll vom 31. Januar 1967 über die Rechtsstellung der Flüchtlinge (AS 1968 1189)

68

28.7. 1951

21. 1. 1955

63

--

20. 5. 1968

Übereinkommen vom 28. September 1954 über die Rechtsstellung der Staatenlosen (AS 7972 2374)

32

28.9. 1954

3. 7. 1972

110

20.4.1961

23. 1. 1970

35

26.6.1936

31. 12. 1952

41

--

54

--

77

--

20. 1. 1926

45

--

17. 7. 1934

g. Betäubungsmittel Einheitsübereinkommen vom 30. März 1961 über die Betäubungsmittel (AS 7970 802) Abkommen vom 26. Juni 1936 zur Unterdrükkung des unerlaubten Verkehrs mit Betäubungsmitteln, geändert durch das Ergänzungsprotokoll vom l I.Dezember 1946 (AS 79J5 185) Übereinkommen vom 21. Februar 1971 über Psychotropestoffe Protokoll vom 25. März 1972 zur Änderung des Einheitsübereinkommens von 1961 über die Betäubungsmittel h. Menschenhandel Internationales Übereinkommen vom 30. September 1921 zur Unterdrückung des Frauenund Kinderhandels (BS 12 37) Internationales Übereinkommen vom 11. Oktober 1933 über die Unterdrückung des Handels mit volljährigen Frauen (BS 12 47)

968 Titel des Übereinkommens

Protokoll vom 12. November 1947 zur Abänderung des Internationalen Übereinkommens vom 30. September 1921 zur Unterdrückung des Frauen- und Kinderhandels und des Internationalen Übereinkommens vom 11. Oktober 1933 über die Unterdrückung des Handels mit volljährigen Frauen Internationales" Übereinkommen vom 18. Mai 1904 betreffend Unterdrückung des Mädchenhandels (BS 12 22), geändert durch das Protokoll vom 4. Mai 1949 Internationales Übereinkommen vom 4. Mai 1910 zur Bekämpfung des Mädchenhandels, geändert durch das Protokoll vom 4. Mai 1969 (BS 12 29) · Übereinkommen vom 21. März 1950 zur Unterdrückung des Menschenhandels und der Ausbeutung der Prostitution Schlussprotokoll vom 21. März 1950 der Konferenz zum Übereinkommen zur Unterdrükkung des Menschenhandels und der Ausbeutung der Prostitution i. Unzüchtige

Anzahl Datum der Ratifikationen, Unterzeichnung Annahmen durch oder die Schweiz Beitritte bis zum 31.12.1976

Ratifikation, Annahme oder Beitritt durch die Schweiz

41

--

--

77

18.5.1904

18. 1. 1905

74

--

30. 1. 1926

44

--

--

30

--

--

Veröffentlichungen

Übereinkommen vom 4. Mai l'910 zur Bekämpfung der Verbreitung unzüchtiger Veröffentlichungen, geändert durch das Protokoll vom 4. Mai 1949 (BS 12 3) Internationales Übereinkommen vom 12. September 1923 zur Bekämpfung der Verbreitung und des Vertriebes unzüchtiger Veröffentlichungen (BS 12 9)

76

28.6.1910

15.3.1911

75

12.9.1923

20.1.1926

Protokoll vom 12. November 1947 zur Abänderung des Internationalen Übereinkommens vom 12. September 1923 zur Bekämpfung der Verbreitung und des Vertriebes unzüchtiger Veröffentlichungen (BS 12 9)

33

--

--

30

10. 12. 1965

--

41

--

29. 12. 1967

k. Internationaler Handel und Entwicklung Übereinkommen vom S.Juli 1965 über den Transithandel der Binnenländer Übereinkommen vom 4. Dezember 1965 über die Errichtung der Asiatischen Entwicklungsbank (AS 1971 860)

969 Titel des Übereinkommens

Anzahl Datum der Ratifikationen, Unterzeichnung Annahmen durch oder die Schweiz Beitritte bis zum 31. 12. 1976

Ratifikation, Annahme oder Beitritt durch die Schweiz

/. Zollfragen Internationales Abkommen vom 7. November 1952 zur Erleichterung der Einfuhr von Handelsmustern und Werbematerial (AS 1955 1003) Abkommen vom 4. Juni 1954 über die Zollerleichterungen im Reiseverkehr (AS 1958 702) Zusatzprotokoll vom 4. Juni 1934 zum Abkommen über die Zollerleichterungen im Reiseverkehr, betreffend die Einfuhr von Werbeschriften und Werbematerial für den Fremdenverkehr (AS 1958 710) Zollabkommen vom 4. Juni 1954 über die vorübergehende Einfuhr privater Strassenfahrzeuge (AS 1958 719)

56

--

4.12.1954

71

4. 6. 1954

23. 5. 1956

66

4.6. 1954 °

23.5. 1956

66

4.6. 1954

23.5. 1956

86

19.9.1949

--

35

19. 9. 1949

--

16

8.11.1968

--

21

19.5.1956

27.2.1970

13

8.11.1968

--

31

4.4. 1929

23. 1. 1970

m. Verkehr Übereinkommen vom 19. September 1949 über den Strassenverkehr Protokoll vom 19. September 1949 über die Strassensignalisation Übereinkommen vom 8. November 1968 über den Strassenverkehr Übereinkommen vom 19. Mai 1956 über den Strassengüterverkehrsvertrag und Unterschriftenprotokoll Übereinkommen vom 8. November 1968 über die Strassensignalisation n. Wirlschaftsstatistiken Internationales Übereinkommen vom 14. Dezember 1928 betreffend die Wirtschaftsstatistiken, geändert durch das Protokoll vom 9. Dezember 1948 (BS 14 307, AS 1970 495) o. Todeserklärung verschollener Personen Übereinkommen vom 6. April 1950 über die Todeserklärung verschollener Personen

6

--

81

--

51

--

p. Rechtsstellung der Frau Übereinkommen vom 31. März 1953 über die politischen Rechte der Frau Übereinkommen vom 20. Februar 1957 über die Staatsangehörigkeit der verheirateten Frau

Bundesblatt. 129. Jahrg. Bd. II

970 Titel des Übereinkommens

Anzahl . Ratifikationen, Annahmen oder Beitritte bis zum

Datum der Unterzeichnung durch die Schweiz

Ratifikation, Annahme oder Beitritt durch die Schweiz

31. 12. 1976

Übereinkommen vom 10. Dezember 1962 über die Zustimmung zur Heirat, das Minimalalter für die Heirat und die Registrierung der Heirat

29

--

91

--

1.11.1930

90

--

28. 7. 1964

67

29. 3. 1968

30.9. 1968

60

24. 3. 1975

24. 3. 1975

39 52

-- --

55

--

q. Sklaverei Sklaverei-Abkommen vom 25. September 1926, geändert durch das Protokoll vom 7. Dezember 1953 (BS 12 52; AS 1954 315) Zusatzübereinkommen vom 7. September 1956 über die Abschaffung der Sklaverei, des Sklavenhandels und sklavereiähnlicher Einrichtungen und Praktiken (AS 7965 133) r. Kollstoffe Internationales Kaffeeabkommen 1968 (AS 1968 1522) Protokoll vom 26. September 1974 über die Verlängerung der Geltungsdauer des Internationalen Kaffee-Übereinkommens von 1968 (AS 7976 710) Internationales Kaffee-Übereinkommen von 1976, vom 3. Dezember 1975 (AS 7976 2300) Internationales Zuckerabkommen 1968 Internationales Zucker-Übereinkommen von 1973 Internationales Kakaoabkommen von 1972, vom 21. Oktober 1972 (BB1 7975 I 819) Internationales Kakao-Übereinkommen von 1975, vom 20. Oktober 1975 (AS 7976 2221)

47

9. 1. 1973

26. 6. 1973

26

5.4.1976

27. 9. 1976

s. Alimentenforderungen Übereinkommen vom 20. Juni 1956 über die Einziehung von Alimenten im Ausland

39

--

46

22. 10. 1958

18. 5. 1966

56

24. 5. 1'958

18. 5. 1966

35

22. 10. 1958

18. 5. 1966

54

22. 10. 1958

18. 5. 1966

t. Seerecht Übereinkommen vom 29. April 1958 über das Küstenmeer und die Anschlusszone (AS 7966 .. 977) Übereinkommen vom 29. April 1958 über die Hohe See (AS 7966 986) Übereinkommen vom 29. April 1958 über die Fischerei und die Erhaltung der biologischen Reichtümer der Hohen See (AS 7966 996) Übereinkommen vom 29. April 1958 über den Festlandsockel (AS 7966 1003)

971 Titel des Übereinkommens

Fakultatives Unterzeichnungsprotokoll über die obligatorische Beilegung von Streitigkeiten (AS 1966 1007)

Anzahl Ratifikationen, Annahmen oder Beitritte bis zum 31. 12. 1976

Datum der Unterzeichnung durch die Schweiz

Ratifikation, Annahme oder Beitritt durch die Schweiz

26

24; 5. 1958

18.5. 1966

51

29. 12. 1958

1.6. 1965

27

--

--

u. Schiedsgerichtsbarkeit in Handelssachen Übereinkommen vom 10. Juni 1958 über die Anerkennung und Vollstreckung ausländischer Schiedssprüche (New Yorker Übereinkommen) (AS 1965 795) v. Vertragsrecht Wiener Übereinkommen vom 23. Mai 1969 über das Vertragsrecht

972 Anhang III

Beitrag der Schweiz an die Organe und SpezialOrganisationen der Vereinten Nationen Organisationen

1971

Fr.

ICJ UNCTAD UNRWA UNICEF UNHCR WFP UNITAR UNRISD UNSDRI UNPSA UNDP UNEP UNIDO ECE/ONU INDC UNDRO IAEA GATT ILO PAO UNESCO WHO ICAO

UPU ITU WMO IMCO WIPO Beiträge an internationale Organisationen für spezielle Zwecke

1972 Fr.

1973 Fr.

47547' 45 456 49460 327 775 327 882 328013 3 692 000 2926000 3 348 000 4 477 749 5 677 000 5 283 000 1 000 000 2 540 000 1 399 000 3618000 7917700 9 735 000 150 000 150000 150000 50000 50000 50000 25000 25000 25000 -- 75 000 -- '17440072 17478938 22 395 200 -- -- -- 380 273 373739 390 897 -- 207 164 -- 51874 45970 45645 -- -- -- 508 105 543 844 637 429 357112 442 200 335586 1 588 709 1594975 1460351 1 482 894 1611584 1 533 504 1350291 1 242 150 1 767 889 2 500 520 2472591 2 222 083 390212 393510 349 168 117045 118775 109 530 676 000 550000 582 000 547612 649 941 487 958 12766 13557 13828 -- -- --

1974 Fr.

1975 Fr.

1976 Fr.

47441 50246 52790 316192 382878 400 000 4214000 6 503 000 6 576 000 6312000 7731000 7 485 000 2050000 2 200 000 3 155 000 6 959 000 10 542 000 7 829 000 150000 150000 150000 50000 50000 50000 25000 25000 25000 25000 35000 -- 20916975 21026050 22 568 750 -- 1 000 000 1 000 000 364152* 425 000 550 307 185401 252 296 280 000 40076 51986 61663 -- 50000 -- 670 069 693 938 878 054 539 900 654 600 471 800 1613560 1 125610 1 898 386 1 779 854 1 362 687 2 207 890 1 262 022 1 569 477 1 808 841 2432176 2314195 2666811 422781 431 921 468581 151025 167337 133920 1 741 000 1 259 740 1396130 611450 680 203 1 359211 9454 13492 12341 212962 179947 262 575

4017220 3 832 594 5 640 791 9344716 15463751 22284014 44 626 695 50 883 097 58 943 886 62 355 893 76180450 86333281

973 Anhang IV

Beiträge der Schweiz an die friedenserhaltenden Aktionen der Vereinten Nationen (1971-1976) Fr.

1 . Korea Kosten der Beteiligung der Schweiz an der neutralen Überwachungskommission in ICorea (seit 1953) Fr.

1971:361744 1974:454466 1972:458285 1975:529184 1973:462949 1976:455322 2. Zypern Beiträge an die friedenserhaltenden Aktionen der Vereinten Nationen in Zypern (UNFICYP) (seit 1964) 1971, 1972, 1973, 1974, 1975 und 1976: 850000 pro Jahr 3. Nahost Kosten der zur Überwachung des Waffenstillstands in Palästina bestimmten Flugzeuge (UNTSO) (seit Ende 1967) Fr.

17 101 268

Fr. .

11 520250

20 434 789

Fr.

1971:2979218 1974:1441616 1972:3132966 1975:2150008 1973: 5 426 347 1976 : l 289 064 4. Anleihe der Vereinten Nationen Zeichnung von 8 200 000 Franken der Anleihe der Vereinten Nationen durch die Schweiz von 1961, aufgrund von Rückzahlungen bis 1.Januar 1977 vermindert auf

3 662 592

974

Anhang V

Liste der Mitglieder der beratenden Kommissionu für die Beziehungen der Schweiz zur UNO Präsident der Kommission: Eduard Zellweger, alt Ständerat.

Jean-François Aubert, Nationalrat, Professor Gérard Bauer, Präsident der Vereinigung schweizerischer Uhrenfabrikanten Denise Bindschedler-Robert, Professor Edgar Bonjour, Professor Raymond Broger, Ständerat, CVF-Fraktion Ezio Canonica, Nationalrat, Präsident des Schweizerischen Gewerkschaftsbundes Christian Dominicé, Professor Charles F. Ducommun, Präsident der Nationalen Schweizerischen UNESCOKommission Peter Dürrenmatt, Nationalrat, Professor, LIB-EV-Fraktion Mathias Eggenberger, Ständerat, SP-Fraktion Roger Erb, Vereinigung Schweizerischer Angestelltenverbände Rudolf Etter, Nationalrat, Präsident des Schweizerischen Gewerbeverbandes Jacques Freymond, Professor, Direktor des «Institut universitaire de hautes études internationales à Genève» André Grisel, Bundesrichter Hans Haug, Professor Thomas Held, Soziologie-Assistent Jeanne Hersch, Professor Walther Hofer, Nationalrat, Professor, SVP-Fraktion Harald Huber, Bundesrichter Alois Hürlimann, Nationalrat, Präsident der CVP-Fraktion Etienne Junod, Präsident des Vororts SHIV Walter König, Nationalrat, Präsident der LDU-Fraktion Gérard Lattion, Korpskommandant Guido Locarnini, Präsident von «Coscienza Svizzera» Fred Luchsinger, Chefredaktor «Neue Zürcher Zeitung» Franz Marty, Kantonsrat Elisabeth Michel-Alder Pierre Micheli, alt Botschafter Richard Müller, Nationalrat, Präsident der SP-Fraktion D Diese Liste entspricht dem Stand der Kommission bei der Ernennung ihrer Mitglieder 1973.

975 Régula Pestalozzi-Henggeler, Rechtsanwältin, Präsidentin des Bundes schweizerischer Frauenorganisationen Richard Reich, Direktor der Gesellschaft zur Förderung der Schweizerischen Wirtschaft Olivier Reverdin, Ständerat, Professor Henri Rieben, Professor Gilbert Rist, Direktor des Foyer John Knox Roland Ruffieux, Professor Rudolf Schilling Dietrich Schindler, Professor James Schwarzenbach, Nationalrat, Präsident der REP-NA-Fraktion Carlo Speziali, Nationalrat, FDP-Fraktion Arno Theus, Ständerat, SVP-Fraktion Victor H. Umbricht, Industrieller und UNO-Beauftragter Jean Vincent, Nationalrat, Rechtsanwalt, Präsident der PDA-Fraktion Johann Jacob Vischer, Korpskommandant, Generalstabschef Luzius Wasescha, Zentralsekretär der Europa-Union Schweiz Alfred Weber, Nationalrat, FDP-Fraktion Joachim Weber, Nationalrat, Präsident des Schweizerischen Bauernverbandes Philippe de Weck, Generaldirektor der Schweizerischen Bankgesellschaft Alphonse Widmer, Rektor der Kantonsschule, Pruntrut Luzius Wildhaber, Professor, Präsident der Schweizerischen Gesellschaft für die Vereinten Nationen Edith Zimmermann-Bütikofer

976 Anhang VI

Mandat der beratenden Kommission für die Beziehungen der Schweiz zur UNO Der Bundesrat setzte, auf Antrag des Eidgenössischen Politischen Departementes, zur Prüfung der Beziehungen der Schweiz zur UNO mit Beschluss vom 28. August 1973 eine beratende Kommission ad hoc ein, deren Vorsitz er dem früheren Ständerat Dr. Eduard Zellweger übertrug. Die Bildung einer solchen Kommission hatte der Bundesrat in seinem Bericht an die Bundesversammlung vom 17. November 1971 über das Verhältnis der Schweiz zu den Vereinten Nationen (im folgenden UNO-Bericht 1971 genannt) in Aussicht gestellt. Dieser Bericht vervollständigte bekanntlich den früheren umfassenden UNO-Bericht des Bundesrates an die Bundesversammlung vom 16. Juni 1969 (im folgenden UNOBericht 1969 genannt). Bei der Einsetzung der Kommission stellte der Bundesrat klar, dass er von ihr Material und Erkenntnisse für einen dritten UNO-Bericht an die eidgenössischen Räte erwarte.

Das Mandat der Kommission wurde vom Bundesrat wie folgt umschrieben: 1. Sie hat alle in Betracht kommenden Formen der zukünftigen Beziehungen der Schweiz zu den Vereinten Nationen abzuklären und ihre Vor- und Nachteile gegeneinander abzuwägen. Dabei ist die Kommission nicht an die vom Bundesrat in seinen Berichten vom 16. Juni 1969 und 17. November 1971 vertretene Auffassung gebunden. Vielmehr sollte sich die Kommission mit ihnen kritisch auseinandersetzen und, soweit erforderlich, auch neue Lösungsmöglichkeiten aufzeichnen.

2. Vor- und Nachteile eines Vollbeitrittes der Schweiz zu den Vereinten Nationen einerseits sowie der Weiterführung der bisherigen Politik der engen Zusammenarbeit zwischen der Schweiz und den Vereinten Nationen unter Verzicht auf einen Beitritt anderseits sind zu prüfen, und es ist vor allem zu untersuchen, auf welche Weise die eine oder andere Lösung verwirklicht werden kann. Die Kommission sollte dabei den von der Schweiz in ihren bisherigen langjährigen Kontakten zu den Vereinten Nationen gesammelten Erfahrungen angemessen Rechnung tragen sowie die seit der Gründung der Vereinten Nationen in deren Form, Struktur und Zielsetzung eingetretenen oder voraussehbaren weiteren Veränderungen gebührend berücksichtigen.

Die Kommission hat ferner der allgemeinen aussenpolitischen Ausrichtung der Schweiz Rechnung zu tragen, namentlich der Aufrechterhaltung ihrer Politik eines dauernd neutralen Staates sowie der Verwirklichung weiterer

977

aussenpolitischer Maximen, wie namentlich der Solidarität und der Universalität ihrer Beziehungen.

3. Die Öffentlichkeit ist über den Stand und die wichtigsten Ergebnisse der Kommissionsarbeiten periodisch zu informieren.

4. Die Kommission hat dem Bundesrat einen umfassenden Bericht einzureichen, der neben konkreten Vorschlägen auch die wichtigsten Überlegungen, die dazu geführt haben, enthalten soll. Dieser Bericht soll dem Bundesrat vor allem gestatten, den eidgenössischen Räten Vorschläge für das weitere Vorgehen im Hinblick auf die Zusammenarbeit zwischen der Schweiz und den Vereinten Nationen zu unterbreiten.

5. Die Kommission ist ermächtigt, zur Abklärung von Teilproblemen und Einzelfragen Unterausschüsse zu bilden. Ausserdem steht es ihr frei, zum Zwecke einer umfassenden Orientierung auch Personen anzuhören, die nicht Mitglieder der Kommission sind, einschliesslich der Beamten der Bundesverwaltung.

978 Anhang VII

Schlussfolgerungen der beratenden Kommission für die Beziehungen der Schweiz zur UNO Die im Bericht der beratenden Kommission für die Beziehungen der Schweiz zur UNO angestellten Erwägungen widerspiegeln das Ergebnis der Kommissionsarbeiten. Sie lassen sich thesenartig wie folgt zusammenfassen: 1. Die kraft ihrer heutigen Mitgliederzahl praktisch verwirklichte Universalität der UNO ist der wesentlichste Grund für einen Beitritt der Schweiz zu dieser Weltorganisation. Die Universalität, welche die allgemeine zwischenstaatliche Interdependenz offenbart, bewirkt, dass die Schweiz als Nichtmitglied gegenüber der UNO kaum eine grössere Unabhängigkeit aufrechterhalten kann, als wenn sie sich der UNO unter Wahrung ihres Statuts der ständigen Neutralität anschliesst.

Ein Beitritt der Schweiz würde sich zugunsten des Prinzips der Universalität auswirken und politisch motivierten Tendenzen innerhalb der Organisation auf Einengung der Mitgliedschaftsrechte gewisser Staaten entgegenwirken.

2. An der ständigen Neutralität ist auch im Falle eines Beitrittes zur UNO festzuhalten.

3. Die von den zuständigen UNO-Organen seit der Gründung der Vereinten Nationen vor rund 30 Jahren angewandten Methoden der Friedenssicherung haben deutlich gemacht, dass der Mitgliedschaft eines ständig neutralen Staates heute keine ernsthaften Hindernisse mehr entgegenstehen. Abgesehen davon, dass Abkommen mit dem Sicherheitsrat über die Beteiligung an militärischen Zwangsmassnahmen zur Aufrechterhaltung oder Wiederherstellung des Weltfriedens und der internationalen Sicherheit «der Ratifikation durch die Signatarstaaten gemäss ihren Verfassungsbestimmungen» bedürfen, macht die Satzung es dem Sicherheitsrat möglich, einzelne Mitglieder von der Teilnahme an nichtmilitärischen Zwangsmassnahmen auszunehmen, die er rechtsverbindlich gegen einen Angreifer anordnen kann.

Von den UNO-Organen ist bisher noch nie ein Beschluss gefasst worden, der ständig neutrale Staaten gezwungen hätte, von ihrer Neutralität abzuweichen. Das ist namentlich darauf zurückzuführen, dass das satzungsrechtliche System der kollektiven Sicherheit in der bisherigen UNO-Praxis elastischeren und mit der Neutralität vereinbaren Formen der Friedenssicherung Platz gemacht hat. Diese neuen Formen bieten besonders den neutralen Staaten Möglichkeiten, sich in den Dienst des Weltfriedens und der internationalen Sicherheit zu stellen.

979

4.

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8.

Vorstehende Feststellungen werden durch die jahrelange Mitgliedschaft Österreichs in der UNO erhärtet, dessen Neutralität bekanntlich derjenigen der Schweiz nachgebildet ist.

Bei Anlass des Beitrittes ist der UNO und ihren Mitgliedern in Form einer Erklärung bekanntzugeben, dass die Schweiz an der Erfüllung der Rechtspflichten, die sich aus ihrem Statut der ständigen Neutralität ergeben, sowie an der für die Glaubwürdigkeit der Neutralität wesentlichen Politik festhalten wird.

Bei Erörterung von und Beschlussfassung über weltpolitische Fragen, die Mitgliedstaaten einzeln oder gruppenweise in UNO-Gremien, namentlich in der Generalversammlung, zur Diskussion stellen, hat die Praxis für die andern Mitglieder Formen sehr differenzierter Stellungnahmen geschaffen.

Probleme, die sich für die Schweiz aus der Beteiligung an solchen Debatten ergeben werden, dürften von ihr bewältigt werden, wenn sie ihre Haltung an den traditionellen Maximen ihrer Aussenpolitik orientiert, sich von Unparteilichkeit, Sachlichkeit, Achtung vor Recht und Menschenwürde und vom Bestreben leiten lässt, angesichts der grossen Anforderungen unserer Zeit einen konstruktiven Beitrag an den Aufbau einer internationalen Friedens-, Rechts- und Sozialordnung zu leisten.

Die Schweiz arbeitet zwar schon heute in vielfacher Weise mit der UNO zusammen und ist auch an vielen Sonderorganen und SpezialOrganisationen der UNO beteiligt. In den leitenden Organen der UNO, von denen namentlich die Generalversammlung sowie der Wirtschafts- und Sozialrat sich immer mehr auch mit Fragen der wirtschaftlichen, technischen und sozialen Zusammenarbeit beschäftigen, kann sie als Nichtmitglied jedoch nicht mitwirken. Ihr Mitsprache- und Mitgestaltungsrecht ist namentlich bei der Weiterentwicklung und Kodifizierung des Völkerrechts, bei wesentlichen weltwirtschaftlichen Diskussionen, auf den Gebieten des Umweltschutzes, der Menschenrechte, der Abrüstung und der friedenserhaltenden Aktionen eingeschränkt, solange sie bei den Vereinten Nationen lediglich durch einen Beobachter vertreten ist, dessen Rechtsstellung sich zufolge der von der Organisation erreichten Universalität nachweislich schwächt.

Die in der Satzung der UNO umschriebenen Ziele stimmen mit den von der Schweiz in ihrer Aussenpolitik verfolgten Zielen überein. Unser Abseitsstehen wird deshalb
zunehmend als Ausdruck eines Mangels an Solidarität mit der in der UNO organisierten Völkergemeinschaft und namentlich mit den Ländern der Dritten Welt gedeutet. Der Beitritt zur UNO würde die Pflege der Beziehungen zu allen, auch kleineren und weit entfernten Ländern erleichtern und die Übernahme von Mitverantwortung für alle die Welt bewegenden Probleme ermöglichen.

Die UNO spiegelt die politischen Spannungen, Probleme und Machtverhältnisse in der heutigen Welt wider. Sie ist jedoch ein Ort des Gedankenaustausches und gibt auch kleineren Staaten Gelegenheit, sich Gehör zu verschaffen und namentlich dann ihre Stimme in die Waagschale zu werfen, wenn

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15.

die Grossmächte genötigt sind, sich des UNO-Instrumentariums zur Beilegung von Konflikten zu bedienen. Innerhalb der UNO hätte die Schweiz vermehrte Möglichkeiten, auch eine von der Mehrheit abweichende Auffassung zu begründen und allenfalls zur Versachlichung der Diskussionen beizutragen.

Ein UNO-Beitritt verbessert die Möglichkeiten für die Schweiz als Staat oder für Schweizer als Bürger, zur Leistung guter Dienste herangezogen zu werden. Die Übernahme der Vertretung fremder Interessen wird durch einen UNO-Beitritt nicht beeinträchtigt.

Für die Schweiz bleibt die traditionelle Verpflichtung auf humanitärem Gebiet und namentlich die dem IKRK und der gesamten Rotkreuzbewegung gewährte Unterstützung von vorrangiger Bedeutung. Nach einem Beitritt zur UNO würde die Schweiz als Ursprungsland des Roten Kreuzes sich vermehrt für eine sinnvolle Arbeitsteilung und ein sinnvolles Zusammenwirken zwischen der UNO und der gesamten Rotkreuzbewegung einsetzen können.

Die Schweiz wird unter Berufung auf ihre Neutralität ihre Politik in der UNO so zu gestalten haben, dass namentlich das IKRK seine im Interesse der Welt liegende Mission optimal erfüllen kann.

Die Behandlung kontroverser Fragen in der UNO führt bereits heute in unserem Land zu lebhaften Diskussionen; diese Tendenz würde durch einen Beitritt der Schweiz wohl noch verstärkt. Schwerwiegende innenpolitische Auseinandersetzungen sind indessen von derartigen Diskussionen nicht zu erwarten. Durch die Übernahme von Mitverantwortung in der UNO würde vielmehr das Bewusstsein der Stellung unseres Landes in der Welt erweitert und das Interesse des Volkes an aussenpolitischen Zusammenhängen gefördert.

Eine UNO-Mitgliedschaft hätte keine Auswirkungen auf die innerstaatliche Ordnung der Schweiz.

Über die Einstellung des Volkes zur Frage eines UNO-Beitrittes lassen sich keine abschliessenden Aussagen machen. Zahlreiche Bürger haben sich noch keine endgültige Meinung gebildet. Die Kommission schlägt vor, die Gründe und Motive von Gegnern und Befürwortern sowie allfällige Informationslücken wissenschaftlich zu untersuchen.

Die Kommission befürwortet eine umfassende, sachliche Information der Öffentlichkeit über die mit einem UNO-Beitritt der Schweiz verbundenen Fragen. Sie schlägt vor, eine kleine Kommission mit dieser Aufgabe zu betrauen.

Die grosse Mehrheit der Kommission befürwortet den Beitritt der Schweiz zu den Vereinten Nationen1).

'> Die folgenden Kommissionsmitglieder legen Wert darauf, zu vermerken, dass sie nicht zu der den Beitritt befürwortenden Mehrheit gehören: ( Ständerat R. Broger, Nationalrat R. Etter, E. Junod, Nationalrat W. König, Nationalrat J. Schwarzenbach, alt Ständerat A. Theus.

Schweizerisches Bundesarchiv, Digitale Amtsdruckschriften Archives fédérales suisses, Publications officielles numérisées Archivio federale svizzero, Pubblicazioni ufficiali digitali

Bericht über das Verhältnis der Schweiz zu den Vereinten Nationen und ihren Spezialorganisationen für die Jahre 1972-1976 Vom 29. Juni 1977

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Bundesblatt

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Feuille fédérale

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Foglio federale

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1977

Année Anno Band

2

Volume Volume Heft

27

Cahier Numero Geschäftsnummer

77.049

Numéro d'affaire Numero dell'oggetto Datum

04.07.1977

Date Data Seite

813-980

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