1353

# S T #

9806 Botschaft des Bundesrates an die Bundesversammlung über die Gewährleistung der geänderten Verfassung des Kantons Appenzell I.-Rh.

(Vom T.Dezember 1967)

Herr Präsident!

Hochgeehrte Herren!

An der Landsgemeinde vom 30. April 1967 haben die Stimmberechtigten des Kantons Appenzell I.-Rh. einer Ergänzung des Artikels 46 der Kantonsverfassung durch einen neuen (Absatz 3 zugestimmt. Mitschreiben vom 25. Oktober 1967 ersuchten Landammann und Standeskommission des Kantons Appenzell I.-Rh. um die eidgenössische Gewährleistung im Sinne von Artikel 6 der Bundesverfassung.

Der bisherige und der neue Text lauten wie folgt :

1

Bisheriger Text

Neuer Text

Art. 46

Art.46

Die Kirch- und Schulgemeinden bestehen aus allen Pflichtigen Genossen, die nach Artikel 16 stimmfähig sind. Sie versammeln sich ordentlicherweise einmal des Jahres ; ausserordentlicherweise auf Einberufung ihrer Kirchen- und Schulräte hin. Sie wählen die Kirchen- und Schulräte sowie die nötigen Angestellten (Lehrer und Mesmer). Die Kirchen- und Schulräte bestehen aus fünf bis neun Mitgliedern ; sie können da, wo die Kirch- und Schulkreise zusammenfallen, auch in einer Behörde vereint sein.

Abs. l unverändert

1354 Bisheriger Text * Die Kirchgemeinden nehmen einen Jahresbericht über die Rechnungsführung ihrer Verwaltungen entgegen. Sie bestimmen ohne Angriff der Fonds über die Deckung der Ausgaben, welche aus den Einnahmen nicht bestritten werden können, ebenso über die Vornahme von wichtigeren Bauten.

Neuer Text Abs. 2 unverändert.

Abs. 3 (neu) 3

Durch ein Konkordat mit einem ändern Stand kann bestimmt werden, dass Einwohner dieses Standes, die sich zur römisch-katholischen Religionbekennen, innerrhodischen Kirchgemeinden mit allen Rechten und Pflichten angehören.

Gemäss Artikel 46, Absatz l, der Kantonsverfassung bestehen die Kirchund Schulgemeinden aus allen Pflichtigen Genossen, die nach Artikel 16 KV stimmfähig sind. Absatz 2 von Artikel 16 bestimmt, dass in Gemeindeangelegenheiten die Landleute und niedergelassenen Schweizer ihr Stimmrecht an ihrem Wohnort ausüben. Stimmberechtigt in einer innerrhodischen Gemeinde (Bezirk = politische Gemeinde, Schul- oder Kirchgemeinde) ist somit, wer im Land bzw.

in der betreffenden Gemeinde wohnt.

Artikel 46 ist nun durch einen neuen Absatz 3 erweitert worden, wonach durch Konkordat mit einem ändern Stand bestimmt werden kann, dass Einwohner dieses Standes, die sich zur römisch-katholischen Religion bekennen, innerrhodischen Kirchgemeinden mit allen Rechten und Pflichten angehören.

Auf diese Weise erhalten die in einem ändern Kanton - nämlich in St. Gallen und Appenzell A.-Rh. - wohnhaften Katholiken die Möglichkeit, als vollberechtigte Kirchgenossen in eine innerrhodische Kirchgemeinde aufgenommen und dort stimm- und wahlberechtigt und steuerpflichtig zu werden.

Die beschlossene Änderung betrifft ausschliesslich das kantonale öffentliche Recht und widerspricht dem Bundesrecht nicht.

Artikel 43 der Bundesverfassung verlangt allerdings, dass die politischen Rechte in Kantons- und Gemeindeangelegenheiten grundsätzlich am Wohnsitz ausgeübt werden. Zu den politischen Rechten in Gemeindeangelegenheiten gehört nach Lehre und Praxis auch das Stimm- und Wahlrecht in Angelegenheiten einer Kirchgemeinde, ist diese doch eine Institution des staatlichen, nicht des kirchlichen Rechts (Giacometti, Staatsrecht der Kantone, S. 186/187; Noser,

1355 Pfarrei und Kirchgemeinde, Freiburger Veröffentlichungen aus dem Gebiete von Kirche und Staat, Nr. 13, 1957, S. 36 ff.; BEI 1957, I, 772 und 1963, II, 489; BGE 55,1, 113 ff.). Indes braucht sich das Gebiet einer Kirchgemeinde nicht in jedem Fall mit jenem der politischen Gemeinde zu decken. Da eine Kirchgemeinde ordentlicherweise für die materiellen Bedürfnisse einer bestimmten Pfarrei zu sorgen hat, richten sich ihre Grenzen in der Regel nach jenen der Pfarreien, die ihrerseits unabhängig von den Grenzen der politischen Gemeinden umschrieben werden können. Dementsprechend deckt sich auch der Wohnsitzbegriff in Angelegenheiten einer Kirchgemeinde territorial nicht in jedem Fall mit jenem in Angelegenheiten einer politischen oder ändern Gemeinde. Eine Bundesrechtswidrigkeit kann darin nicht erblickt werden.

Da die vorgesehene Aufnahme in innerrhodische Kirchgemeinden ausserhalb der Kantonsgrenzen wohnhafte Kirchgenossen erfasst, soll sie auf dem Konkordatsweg geregelt werden. Eine solche Massnahme bedeutet ohne Zweifel eine gewisse Beschränkung bzw. Ausdehnung kantonaler Hoheitsrechte. Man hat jedoch seit je auch die vertragliche Einschränkung der Staatsgewalt, namentlich der Gebietshoheit, als mit dem Bundesrecht - Artikel l und 5 der Bundesverfassung - vereinbar angesehen (Schaumann, Verträge zwischen Gliedstaaten im Bundesstaat, in Veröffentlichungen der Vereinigung der Deutschen Staatsrechtslehrer, Heft 19,1961, S. 92 ff.). Da interkantonale Konkordate dem Bundesrat zur Genehmigung zu unterbreiten sind (Art. 7, Abs. 2 in Verbindung mit Art. 102, Ziff. 7 BV), erhält dieser im Verfahren der Genehmigung der Konkordate die Gelegenheit, festzustellen, ob sie nichts dem Bundesrecht oder den Rechten anderer Kantone Zuwiderlaufendes enthalten.

Wir beantragen Ihnen daher, der neuen Bestimmung der Verfassung des Kantons Appenzell I.-Rh. durch Annahme des beiliegenden Beschlussesentwurfs die Gewährleistung des Bundes zu erteilen.

Genehmigen Sie, Herr Präsident, hochgeehrte Herren, die Versicherung unserer vollkommenen Hochachtung.

Bern, den 7.Dezember 1967.

Im Namen des Schweizerischen Bundesrates, Der Bundespräsident : Bonvin

Der Bundeskanzler : Ch.Oser

1356

(Entwurf)

Bundesbeschluss betreffend die Gewährleistung der geänderten Verfassung des Kantons Appenzell I.-Rh.

Die Bundesversammlung der Schweizerischen Eidgenossenschaft, in Anwendung von Artikel 6 der Bundesverfassung, nach Einsicht in eine Botschaft des Bundesrates vom T.Dezember 1967, in Erwägung, dass die neue Verfassungsbestimmung nichts der Bundesverfassung Zuwiderlaufendes enthält, beschliesst:

\

Art. l Der an der Landsgemeinde des Kantons Appenzell I.-Rh. vom 30. April 1967 angenommenen Ergänzung des Artikels 46 (neuer Absatz 3) der Kantonsverfassung wird die Gewährleistung des Bundes erteilt.

Art. 2 Der Bundesrat wird mit dem Vollzug dieses Beschlusses beauftragt.

9823

Schweizerisches Bundesarchiv, Digitale Amtsdruckschriften Archives fédérales suisses, Publications officielles numérisées Archivio federale svizzero, Pubblicazioni ufficiali digitali

Botschaft des Bundesrates an die Bundesversammlung über die Gewährleistung der geänderten Verfassung des Kantons Appenzell I.-Rh. (Vom 7.Dezember 1967)

In

Bundesblatt

Dans

Feuille fédérale

In

Foglio federale

Jahr

1967

Année Anno Band

2

Volume Volume Heft

51

Cahier Numero Geschäftsnummer

9806

Numéro d'affaire Numero dell'oggetto Datum

21.12.1967

Date Data Seite

1353-1356

Page Pagina Ref. No

10 043 847

Das Dokument wurde durch das Schweizerische Bundesarchiv digitalisiert.

Le document a été digitalisé par les. Archives Fédérales Suisses.

Il documento è stato digitalizzato dell'Archivio federale svizzero.