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Bundesblatt

Bern, den I.September 1967

119. Jahrgang

Band II

Nr. 35 Erscheint wöchentlich. Preis Fr. 36.- im Jahr, Fr. 20.-- im Halbjahr, zuzuglich Nachnahme- und Postzustellungsgebuhr

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Botschaft des Bundesrates an die Bundesversammlung über die Ergänzung der Bundesverfassung durch die Artikel 22ter und 22
Herr Präsident!

Hochgeehrte Herren !

Wir beehren uns, Ihnen hiermit den Entwurf zu einem Bundesbeschluss über die Ergänzung der Bundesverfassung durch Bestimmungen über die verfassungsrechtliche Ordnung des Bodenrechts (Art.22ter und 22iuftter) zu unterbreiten.

Erster Abschnitt Die Ausgangslage

Die geltende Bundesverfassung befasst sich mit Fragen des Eigentumsrechtes und des Eigentums an Grund und Boden nicht ausdrücklich und in einem ordnenden System. Sie setzt die Geltung und Anerkennung des Eigentumsrechts voraus. Die Rechts- und Wirtschaftsordnung unseres Landes sieht insbesondere im Privateigentum einen ihrer Grundpfeiler. Lehre und Rechtsprechung zählen die Eigentumsgarantie zum ungeschriebenen Verfassungsrecht des Bundes (vgl.

BGE 551 571 ; 881255; 89198).

Im Bereich der Bundesgesetzgebung ist auf dieser Grundlage und gemäss Artikel 64, Absatz 2 der Bundesverfassung die rechtliche Ordnung des Eigentums den zivilrechtlichen Gesetzen - dem Schweizerischen Zivilgesetzbuch und verschiedenen auf der gleichen Verfassungsbestimmung beruhenden Erlassen übertragen. Dass in der Bundesverfassung die Eigentumsgarantie nicht genannt wird, hat nach Favre (Antoine Favre, Droit constitutionnel suisse, S. 286) einen dreifachen Grund: Das Eigentumsrecht ist nicht bestritten; die Ordnung des Eigentumsrechts wurde als Gegenstand des kantonalen Privatrechts angesehen; die meisten Kantonsverfassungen gewährleisten die Unverletzlichkeit des EigenBundesblatt 119. Jahrg. Bd. II.

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tums oder (Zürich, Solothurn und Baselland) den Schutz wohlerworbener Rechte.

In der Tat haben fast alle Kantonsverfassungen eine Bestimmung über die Eigentumsgarantie aufgenommen, worin sie das Eigentum ausdrücklich gewährleisten und es in verschiedenen, aber sachlich gleichbleibenden Wendungen als unverletzlich erklären; dies trifft auch auf die 1965 total revidierte Verfassung des Kantons Unterwaiden nid dem Wald zu, die allerdings nicht vom Eigentum spricht, sondern von den privaten Rechten und den unentziehbaren Ansprüchen.

Eine Ausnahme bildet einzig die Verfassung des Kantons Tessin; die Eigentumsgarantie wird jedoch auch hier als verfassungsmässiges Recht anerkannt.

Den Schutz der Eigentumsgarantie gemessen alle wohlerworbenen Eigentumsrechte, darunter das sinnfälligste, jenes an Grund und Boden.

Als einzige Bestimmung, die den Schutz des Eigentums zum Gegenstand hat, enthielt schon die Bundesverfassung von 1848 in ihrem Artikel 21 eine mit dem seit 1874 in Kraft stehenden Artikel 23 übereinstimmende Regelung des Rechtes zur Enteignung gegen volle Entschädigung. Die 1947 in die Bundesverfassung eingefügten neuen Wirtschaftsartikel nahmen erstmals auf das Grundeigentum Bezug, indem sie in Artikel 31bls, Absatz 3, Buchstabe b den Bund zum Erlass von Vorschriften «zur Festigung des bäuerlichen Grundbesitzes », nötigenfalls in Abweichung von der Handels- und Gewerbefreiheit, befugt erklärten. Diese Bestimmung bildete zusammen mit dem Artikel 64 über die Zivilrechtskompetenz die Verfassungsgrundlage für das Bundesgesetz über die Erhaltung des bäuerlichen Grundbesitzes vom 12.Juni 1951 (AS 1952, 403). Der Bundesbeschluss vom 23. März 1961 über die Bewilligungspflicht für den Erwerb von Grundstükken durch Personen im Ausland (AS 1961,203) zitierte Artikel 64 der Bundesverfassung als wesentliche Verfassungsbasis. Auch unseren Vorschlag auf Einführung einer Sperrfrist für Bauland in der Vorlage vom 9. April 1963 über das Baurecht und den Grundstückverkehr stützten wir auf Artikel 64 ab (BB11963, I, 969).

Je mehr der Boden zur Handelsware wurde und sich im Verhältnis zur wachsenden Bevölkerung und zur Ausdehnung des Bedarfs menschlicher Siedlungen verknappte, desto weniger reichten die bloss zivilrechtlichen Bindungen und die Möglichkeiten polizeilicher Eingriffe ins Sacheigentum zur Vermeidung
von Nachteilen und allfälligem Missbrauch des uneingeschränkten Eigentums an Grund und Boden aus. Diese Erscheinung verstärkte sich, als nach dem Zweiten Weltkrieg spekulative Bestrebungen aus der auf anderen Ursachen beruhenden vermehrten Nachfrage nach Grund und Boden und der damit zusammenhängenden Steigerung der Bodenpreise Nutzen zu ziehen versuchten. Es wurden daher verstärkte zivilrechtliche und dazu öffentlichrechtliche Vorkehren zur Behebung festgestellter und Verhinderung möglicher Lücken und Mängel verlangt.

Mit der Zunahme der Bevölkerung und des Verkehrs ist in den vergangenen Jahren auch die Notwendigkeit vorausplanender Einwirkung auf die Ausnützung des vorhandenen Bodens in den Vordergrund getreten. Die Einsicht in diese Notwendigkeit und das Bedürfnis nach regionaler oder gesamtschweizerischer Zusammenarbeit auf dem Gebiete der Planung haben sich verstärkt. Daraus er-

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gab sich ebenfalls der Ruf nach Rechtsgrundlagen für eine öffentlichrechtliche Ordnung des Bodens. Zwar stehen den Kantonen alle Befugnisse dieser Art be-, reits zu. Es kann hier dahingestellt bleiben, wieweit sie in ihren Rechtsordnungen davon Gebrauch gemacht haben. Auch der Bund verfügt über verschiedene verfassungsmässige Möglichkeiten zu ordnender Einflussnahme. Darauf weist auch die von unserem Departement des Innern einberufene Expertenkommission für Fragen der Landesplanung in ihrem Bericht vom 6. Oktober 1966 (3.41 Kompetenzen des Bundes de constitutione lata) hin. Doch fehlt eine zusammenfassende und klare Zuständigkeitsvorschrift, die auch die Grundlage zur Einführung einer Zonenordnung von Bundes wegen schafft.

Eine vom Eidgenössischen Justiz- und Polizeidepartement im Jahre 1960 eingesetzte Expertenkommission für die Revision des bäuerlichen Bodenrechts arbeitete den Entwurf zu einer Änderung des Bundesgesetzes vom 12. Juni 1951 aus (Vorentwurf V vom März 1963). Wir haben diesen Vorentwurf einem Vernehmlassungsverfahren unterstellt, ihn aber seither ruhen lassen, weil wir uns den Schlussfolgerungen eines von Professor Hans Huber erstatteten Gutachtens nicht entziehen konnten, das insbesondere die verfassungsrechtliche Zulässigkeit der im Vorentwurf V vorgeschlagenen Zonenordnung bestritt. Auch unter diesem Gesichtspunkt erweist es sich daher als notwendig, eine neue verfassungsrechtliche Ordnung des Bodenrechts aufzustellen.

Inzwischen hatte der Kanton Basel-Landschaft am 27. September 1962 eine in die Form der allgemeinen Anregung gekleidete Initiative eingereicht, die Sie uns am 4. Oktober 1962 zur Berichterstattung überwiesen haben. Die Bundesversammlung wird darin um Einleitung einer Revision der Bundesverfassung ersucht, wonach der Bund die Befugnis erhalten soll, durch Gesetz die sozial und volkswirtschaftlich schädlichen Auswirkungen der Bodenspekulation zu bekämpfen; soweit der Bund die Kompetenz zur Gesetzgebung nicht ausübe, solle sie den Kantonen zustehen.

Ferner hatten am 10. Juli 1963 die Sozialdemokratische Partei der Schweiz und der Schweizerische Gewerkschaftsbund ein Volksbegehren gegen die Bodenspekulation eingereicht. Diese Verfassungsinitiative schlug einen neuen Artikel 3jsexie8 der Bundesverfassung - also im Zusammenhang mit den Wirtschaftsartikeln - vor,
worin zur Verhinderung einer ungerechtfertigten Steigerung der Grundstückpreise, zur Verhütung von Wohnungsnot und zur Förderung einer der Volksgesundheit und Volkswirtschaft dienenden Landes-, Regional-und Ortsplanung insbesondere ein Vorkaufsrecht zugunsten des Bundes und der Kantone bei Verkäufen von Grundstücken zwischen Privaten sowie ein Enteignungsrecht vorgesehen waren.

Mit Bericht vom 31. Mai 1966 (BB11966,1,907) haben wir Ihnen empfohlen, dieses Volksbegehren der Abstimmung des Volkes und der Stände mit dem Antrag zu unterbreiten, es sei zu verwerfen. Diese Stellungnahme verbanden wir mit der formellen Zusicherung, die Arbeit an einem selbständigen bodenrechtlichen Verfassungsvorschlag ohne Verzug weiterzuführen, um so rasch wie möglich zu einer Vorlage an die eidgenössischen Räte zu gelangen. Sie haben unserem Antrag zugestimmt, und das Volksbegehren wurde am 2. Juli 1967 mit 397 303 gegen

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192 991 Stimmen und von 18 ganzen und 6 halben Ständen gegen l ganzen Stand verworfen.

Noch vor Ablauf der parlamentarischen Verhandlungen über das genannte Volksbegehren beauftragte das Eidgenössische Justiz- und Polizeidepartement im Sommer 1966 eine Arbeitsgruppe mit der Beratung und Ausarbeitung eines Verfassungsvorschlages über das Bodenrecht, den wir den eidgenössischen Räten in Erfüllung der abgegebenen Zusicherung sollten unterbreiten können.

Die Arbeitsgruppe, bestehend aus den Herren Claude Bonnard, Staatsrat, Lausanne; Antoine Favre, Bundesrichter, Lausanne; Thomas Guggenheim, Fürsprecher, Wangen a. A. ; Hans Huber, Professor, Muri bei Bern ; Adolf Maurer, Stadtrat, Zürich; Arthur Meier-Hayoz, Professor, Meilen; Paul Reichlin, Bundesrichter, Lausanne; Hugo Sieber, Professor, Muri bei Bern, und Hans Würgler, Professor, Zürich, führte unter dem Vorsitz des Vorstehers unseres Justiz- und Polizeidepartements, gelegentlich vertreten durch den Direktor der Eidgenössischen Justizabteilung, und unter Zuzug des Chefs des Eidgenössischen Grundbuchamtes, Gerhard Eggen, ihre Beratungen durch. Sie hörte gesamthaft oder durch einen Ausschuss Ausführungen über Notwendigkeit und Tragweite einer die Landesplanung betreffenden Bundeskompetenz aus der Sicht der Kantone (Privatdozent Dr. Alfred Kuttler, Basel) und über Fragen der Schaffung einer Landwirtschaftszone (Dr. Willy Neukomm, Vizedirektor des Schweizerischen Bauernverbandes, Brugg) an, liess sich über die Ordnung des Eigentums- und Bodenrechts in anderen Staaten orientieren und konnte auch den Bericht und Verfassungsvorschlag zu Rate ziehen, den die vom Eidgenössischen Departement des Innern eingesetzte Expertenkommission unter dem Vorsitz von Professor Heinrich Gutersohn, Zürich, am O.Oktober 1966 vorlegte, ferner auch die zahlreichen Varianten zu einem Verfassungsvorschlag, die aus dem im Jahre 1965 durchgeführten Vernehmlassungsverfahren seitens Parteien und Wirtschaftsverbänden hervorgegangen waren.

Zu Beginn des Jahres 1967 legte die Arbeitsgruppe Textvorschläge vor, die am I.März 1967 veröffentlicht wurden und wie folgt lauteten: Art.22ter 1

Das Eigentum ist gewährleistet.

Bund und Kantone können im Rahmen ihrer verfassungsrnässigen Befugnisse im öffentlichen Interesse und auf dem Wege der Gesetzgebung die Enteignung und Eigentumsbeschränkungen vorsehen.

3 Bei Enteignung und bei Eigentumsbeschränkungen, die einer Enteignung gleichkommen, ist volle Entschädigung zu leisten.

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Art.22iuater Der Bund ist zur Grundsatzgesetzgebung über die Erschliessung und Besiedelung des Landes und die Nutzung des Bodens, insbesondere die Schaffung von Zonenordnungen durch die Kantone, befugt.

2 Er fördert und koordiniert die Bestrebungen der Kantone auf diesen Gebieten und arbeitet mit ihnen zusammen.

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137 Die Vorschläge der Arbeitsgruppe wurden, unter Verzicht auf ein weiteres Vernehmlassungsverfahren, den politischen Parteien zur Kenntnis gebracht, insbesondere den Initianten des Volksbegehrens gegen die Bodenspekulation, um ihnen die Möglichkeit zu bieten, sich zur Frage eines Rückzuges des Volksbegehrens vor der Ansetzung der Abstimmung auszusprechen. Die zum Rückzug der Initiative Berechtigten anerkannten zwar, dass die Vorschläge der Arbeitsgruppe weitgehend ihren Vorstellungen über die Ordnung des Bodenrechts entsprächen, dass aber ein Rückzug des Volksbegehrens auf Grund eines Entwurfes, der noch nicht vom Bundesrat gebilligt und von den Räten behandelt worden sei, nicht erfolgen könne. Da anderseits die eidgenössischen Räte in der Wintersession 1966 zum Volksbegehren abschliessend Stellung genommen hatten, konnten wir die Ansetzung der Abstimmung hierüber nicht aufschieben.

Inhaltlich deckt sich der Entwurf, den wir Ihnen unterbreiten, mit den Vorschlägen der Arbeitsgruppe des Justiz- und Polizeidepartements. In redaktioneller Hinsicht schlagen wir Ihnen für Artikel 22«uater, Absatz l folgende, die dem Bund zugedachte neue Zuständigkeit präziser umschreibende Fassung vor : Der Bund ist befugt, über die Erschliessung und Besiedelung des Landes und die Nutzung des Bodens, insbesondere die Schaffung von Zonenordnungen durch die Kantone, auf dem Wege der Gesetzgebung Grundsätze aufzustellen.

Zur Begründung unseres Vorschlages und zur Erläuterung seiner einzelnen Bestimmungen verweisen wir auf die nachfolgenden Ausführungen.

Zweiter Abschnitt Die Grundlagen der Verfassungsvorlage /. Die Ziele der Verfassungsrevision Die Ziele der beantragten Ergänzung der Bundesverfassung gehen bereits aus unsern Ausführungen im ersten Abschnitt hervor. In unserem Bericht vom 31.

Mai 1966 über das Volksbegehren gegen die Bodenspekulation nahmen wir Bezug auf die verbreitete Auffassung, es geschehe heute in der Schweiz zu wenig zur Bekämpfung der Bodenpreissteigerung, zur Verhütung der Wohnungsnot und zur Förderung der Landes-, Regional- und Ortsplanung. Zu diesem Fragenkreis äusserten wir uns im genannten Bericht eingehend und stellten fest, dass es zur Milderung der Wohnungsnot keiner neuen Verfassungsgrundlage bedürfe und dass auch Massnahmen zur Dämpfung der Bodenpreissteigerung zum Teil schon auf Grund der bestehenden Verfassung ergriffen werden können (BB11966, I, 878ff., insbesondere 884ff., 888 und 891, ferner 893). Eine befriedigende Ordnung des Bodenrechts legt die Umschreibung der Voraussetzungen nahe, unter denen als Ausnahme von der in der Verfassung formell zu verankernden EigentumSgarantie Beschränkungen des Eigentums vorgesehen werden dürfen. Diese Eigentumsbeschränkungen beziehen sich vor allem auf die Planung, was zur Schaffung einer Bundeslcompetenz und deren Abgrenzung gegenüber den kantonalen Zuständigkeiten in bezug auf die Landesplanung, insbesondere im Bereich der Zonenordnung, führt.

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Wir möchten daher zunächst die Gelegenheit wahrnehmen, die als ungeschriebenes Grundrecht zwar schon bestehende, aber bisher in der Bundesverfassung nicht niedergelegte Garantie des privaten Eigentums ausdrücklich zu verankern. Freilich handelt es sich bei der Eigentumsgarantie nicht um ein weiteres positives Ziel unserer Vorlage, um eine neue staatliche Aufgabe im Sinne einer Zuständigkeit, sondern vielmehr um die ausdrückliche Gewährleistung einer Freiheit des Bürgers und die Verbürgung des Fortbestandes des Privateigentums. Wie unseren Ausführungen im ersten Abschnitt zu entnehmen ist, wäre die Eigentumsgarantie auch als ungeschriebenes Grundrecht eine Schranke für die Verfolgung der erwähnten Ziele.

Nach unserem Vorschlag soll die Eigentumsgarantie den vorgesehenen Bundeskompetenzen systematisch vorangestellt werden, greift sie doch sachlich weit über deren Bereich hinaus. Überdies ist sie ganz allgemeiner Natur, schützt die Rechte sowohl der Grund- wie der Fahrniseigentümer und erfasst nicht nur das Eigentum, sondern auch die beschränkten dinglichen Rechte wie überhaupt alle Vermögenswerten Privatrechte, ja sogar gewisse Rechtsstellungen des Einzelnen aus öffentlichem Recht. Schliesslich erscheint eine Voranstellung als geeignet, die Befürchtungen zu zerstreuen, das Privateigentum werde durch die neuen Bundeskompetenzen im Grundsatz angegriffen oder über Gebühr beschränkt.

Dass die - geschriebene sowohl als auch die ungeschriebene - Eigentumsgarantie das Eigentum nicht uneingeschränkt, sondern nur in den Schranken der jeweiligen Rechtsordnung gewährleistet, ist in Lehre und Rechtsprechung unbestritten. Allerdings setzt die Eigentumsgarantie den durch die Rechtsordnung, das heisst in allen auf das Eigentum bezüglichen Rechtssätzen des Bundes, der Kantone und der Gemeinden (BGE 91 I 420), aufgestellten Schranken des Eigentumsinhaltes Grenzen : Eigentumsbeschränkungen sind nur zulässig, wenn sie auf einer gesetzlichen Grundlage beruhen, im öffentlichen Interesse liegen und, sofern sie in der Wirkung einer Enteignung gleichkommen, gegen Entschädigung erfolgen (statt vieler : BGE 90,1, 340). Es wäre indes weder möglich noch tunlich, sämtliche zulässigen Eigentumsbeschränkungen in einem einzigen Vorbehalt zur Eigentumsgarantie einzufangen und in der Verfassung aufzuzählen. Vielmehr ist stets auf
die jeweilige Rechtsordnung abzustellen, aus der sich der Inhalt des gewährleisteten Eigentums ergibt.

In unserem Verfassungsvorschlag legen wir Gewicht darauf, die privaten Rechte und deren Ausübung nur so weit einzuschränken, als es im Gesamtinteresse unerlässlich ist und als es die heute allgemein anerkannte soziale Verpflichtung des Eigentums erfordert. Wo wir zur Verdeutlichung des Verfassungswillens auf die Ausführungsgesetzgebung verweisen, geschieht es, um schon heute deutlich zu machen, wie weit diese Ausführungsgesetzgebung gehen darf und wo ihre Grenzen abzustecken sind.

Die Handels- und Gewerbefreiheit wird ausser beim gewerbsmässigen Liegenschaftshandel und bei der gewerbsmässigen Liegenschaftsvermittlung nicht berührt. Insoweit braucht jedoch dem Bund keine ausdrückliche Ermächtigung zur Abweichung von diesem Grundrecht eingeräumt zu werden, da wie bei

139 ändern Verfassungsartikeln (Art. 23Ws, 24auln(iules, 26) davon ausgegangen werden kann, diese Ermächtigung werde stillschweigend in den neuen Kompetenzbestimmungen des Bundes enthalten sein.

In bezug auf die Landesplanung fehlt es dem Bunde an einer klar umschriebenen und einheitlichen Kompetenz. Den Kantonen stehen solche Befugnisse zu.

Als wesentliches Ziel einer Verfassungsordnung sehen wir daher die Schaffung einer entsprechenden Bundeskompetenz, die zugleich gegenüber der den Kantonen zu belassenden Zuständigkeit abgegrenzt werden muss. Aufgabe der Planung ist es, eine funktionsgerechte Nutzung des Bodens zu erleichtern und zu verbessern.Dieses Ziel weist über die kantonalen Grenzen hinaus und kann ohne eine Bundeskompetenz nicht in befriedigender Weise erreicht werden. Dabei schliessen wir uns dem von Meier-Hayoz entwickelten Postulat (Arthur MeierHayoz, zum Bodenproblem, Schweizerische Zeitschrift für Beurkundungs- und Grundbuchrecht, 45 [1964], S. l ff.) an, die Planung müsse organisch aus einer persönlichkeitsbezogenen Eigentumsordnung herauswachsen; sie darf nicht zu einem zweckfremden obrigkeitlichen Eingriff werden. In der Planung muss die unseren Verhältnissen angepasste, in der Durchführung den Kantonen überlassene Zonenordnung ihren Platz finden. Damit wird zugleich der verfassungsrechtliche Grund für die Schaffung der Landwirtschaftszone gelegt.

Da diese Ziele nicht bloss wirtschaftspolitischer Natur sind, sondern in umfassenderer Weise die Anerkennung und Behandlung des Eigentums betreffen und in diesem Rahmen einer geordneten, vorausschauenden Erschliessung und Besiedelung des Landes und Nutzung des Bodens dienen sollen, reihen wir die vorgeschlagenen Verfassungsbestimmungen nicht bei den Wirtschaftsartikeln ein, sondern bei den grundlegenden Bundeskompetenzen und unmittelbar vor Artikel 23, der sich bisher als einzige Verfassungsbestimmung, allerdings in einer negativen Formulierung, mit dem Thema des Eigentumsrechts befasst hat.

//. Kompetenzverteilung zwischen Bund und Kantonen Im Bereich der ihm zugewiesenen Aufgaben ist der Bund schon heute zur Planung befugt, so etwa im Verkehrswesen (Eisenbahnen, Nationalstrassen, Rohrleitungsanlagen). Andere Bundeskompetenzen, wie im Bereich des Gewässerschutzes, des Natur- und Heimatschutzes, der Landwirtschaft und des Familienschutzes,
stehen in engem Zusammenhang mit einer geordneten Bodennutzung. Die Kompetenzen zu einer Gesamtplanung fehlen jedoch dem Bund. Zwar förderte er gestützt auf den Familienschutzartikel der Bundesverfassung (Art.

34quinquies) un( j die hierauf beruhende Wohnungsbaugesetzgebung schon bisher die Landes-, Regional- und Ortsplanung. Doch reicht dieser Artikel als verfassungsmässige Grundlage zur Ausarbeitung schweizerischer Siedlungskonzepte mit Leitbildern nicht aus. Dazu bedarf es einer umfassenden Landesplanungskompetenz. Eine solche vermöchte Gewähr für eine Koordination der zahlreichen Einzelplanungen des Bundes zu bieten und die Erfüllung weiterer Bundeskompetenzen (Landwirtschaft, Gewässerschutz usw.) erheblich zu erleichtern.

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Was insbesondere die Forderung der Landwirtschaft nach einer Ausscheidung des land- und forstwirtschaftlich genutzten Bodens betrifft, muss den Kantonen die Verpflichtung auferlegt werden, für die Ausscheidung ausreichender Baugebiete zu sorgen. Ferner muss der Bund das im Baugebiet gelegene Land für die Bebauung freigeben; er darf es nicht etwa weiterhin Beschränkungen zugunsten der Landwirtschaft unterwerfen. Dieser Zusammenhang zwischen der Sicherung des landwirtschaftlichen Areals und der Notwendigkeit, genügend Land für die bauliche Entwicklung zur Verfügung zu stellen, zeigt die Notwendigkeit einer Normsetzungskompetenz des Bundes besonders anschaulich.

An sich wäre das Instrumentarium des kantonalen öffentlichen Baurechts in der Lage, die bauliche Entwicklung unserer Städte und Ortschaften zu ordnen.

Doch ist der Stand der kantonalen Baurechte sehr unterschiedlich. Es wird unumgänglich sein, von Bundes wegen eine Ergänzung dieses Instrumentariums vorzuschreiben. Die Massnahmen zur Verwirklichung der plangemässen Bodennutzung (wie die Umlegung des Baulandes und dessen Erschliessung) sollen dabei dem kantonalen Recht vorbehalten bleiben, soweit sie sich auf das Baugebiet beziehen. Doch wird noch zu prüfen sein, ob der Bund im Rahmen einer Grundsatzgesetzgebung zur Sicherung einer zweckmässigen Besiedlung des Landes die Kantone nicht verpflichten sollte, ein wirkungsvolles Umlegungsverfahren auch für Baugebiet zur Verfügung zu stellen. Hierzu wäre er auf Grund des von uns vorgeschlagenen Artikels 22«uater, Absatz l befugt. Ob er von dieser Befugnis Gebrauch machen soll, wird bei der Beratung der Ausführungsgesetzgebung zu entscheiden sein.

Verpflichtet der Bund die Kantone in einer Grundsatzgesetzgebung zur Planung und gegebenenfalls zum Ausbau ihres rechtlichen Instrumentariums, um die Planung sicherzustellen, so kommt der Entschädigungsfrage besondere Bedeutung zu. Die Einweisung des Landes in das vorläufig land- und forstwirtschaftlich genutzte Gebiet begründet in der Regel keine Entschädigungspflicht.

Ausnahmen sind jedoch denkbar, wenn Parzellen voll erschlossen sind und eine Überbauung die ordnungsgemässe bauliche Entwicklung einer Gemeinde nicht hindert. Anders liegen die Verhältnisse, wenn Land mit einem Bauverbot für alle Zeiten belegt wird. Da ein solches Bauverbot in der Regel
den Tatbestand der materiellen Enteignung erfüllt, beurteilt sich die Entschädigungsfrage grundsätzlich nach enteignungsrechtlichen Regeln, wobei aber spekulative Erwartungspreise ausser Betracht fallen (BGE 911 329). Im übrigen dürfte nicht zwischen formeller und materieller Enteignung unterschieden werden, ansonst eine Rechtsungleichheit geschaffen würde, die sowohl gegen das Gleichheitsgebot des Artikels 4 der Bundesverfassung wie gegen die Eigentumsgarantie verstiesse.

Den Kantonen werden mit der neuen Bundeskompetenz keine eigenen Zuständigkeiten entzogen, aber insoweit eingeschränkt und zugleich konkretisiert, als die neue Bundeskompetenz die Kantone verpflichtet, die vom Bund aufgestellten Grundsätze in die Wirklichkeit umzusetzen. Zugleich wird der Bund ordnend vor allem in die interkantonale Planungsarbeit eingreifen. Im ganzen gesehen werden die Kantone angehalten und ermutigt, von ihren eigenen Zuständigkeiten Gebrauch zu machen.

141 ///. Notwendigkeit und Tragweite der Bundeskompetenz Die zahlreichen Kompetenzen, die dem Bund die Befugnis zu Fachplanungen auf bestimmten Gebieten einräumen oder deren richtige Erfüllung eine geordnete Bodennutzung voraussetzt, lassen eine Zuständigkeit des Bundes zur Landesplanung im Sinne einer Gesamtplanung als notwendig erscheinen. Diese hat die Einzelplanungen des Bundes zu koordinieren und wegleitend zu sein für die Regionalplanungen der Kantone. Hiezu genügt eine blosse Förderungskompetenz nicht. Der Bund muss die Kantone vielmehr verpflichten können, ihre Planungen nach den Zielsetzungen der Landesplanung auszurichten, und befugt sein, die Planungen der einzelnen Kantone aufeinander abzustimmen.

Im Hinblick auf die Aufgabe des Bundes, Vorschriften zu erlassen zur Erhaltung eines gesunden Bauernstandes und einer leistungsfähigen Landwirtschaft sowie zur Festigung des bäuerlichen Grundbesitzes (Art. 3l1"18, Abs. 3, Buchstabe b B V), wird ferner der Schutz des Landwirtschaftsgebietes gefordert. Diese Forderung lässt sich aber ohne Bezeichnung des Baugebietes nicht verwirklichen. Da der zitierte Verfassungsartikel zum Erlass einer entsprechenden Zonenordnung nicht ausreicht, ist auch hiefür eine Normsetzungskompetenz des Bundes erforderlich, deren Ausübung sich indes nicht auf den Schutz der Anliegen der Landwirtschaft beschränken kann, sondern auch die Sicherung eines funktionsfähigen Baulandmarktes anstreben muss.

Bei der Abgrenzung der Zuständigkeit zwischen Bund und Kantonen wird man sich überhaupt auch der regionalen und strukturellen Verschiedenheiten unseres Landes bewusst bleiben und daraus Folgerungen ziehen müssen. Unter Umständen wird das Gebiet der Landwirtschaftszone in Berggegenden nicht in gleicher Weise der Erstellung nichtlandwirtschaf tlicher Bauten verschlossen sein dürfen wie das Talgebiet. Die zweckmässige Beantwortung auch dieser Frage durch die Ausführungsgesetzgebung lässt unser Verfassungsvorschlag zu.

Im Interesse einer richtigen Erfüllung bereits bestehender Bundesaufgaben sowie im Hinblick auf die Mitverantwortung des Bundes bei der Lösung des Wohnungsproblems wird angesichts des sehr unterschiedlichen Standes des baurechtlichen Instrumentariums der Kantone noch zu prüfen sein, ob es im Rahmen einer Grundsatzgesetzgebung genügen kann, die Kantone zur
Zonenplanung zu verhalten, oder ob diese nicht vielmehr auch verpflichtet werden sollten, die erforderlichen Rechtsinstitute und Verfahren zur Verfügung zu stellen, um das Angebot an baureifem Land zu vergrössern. Sodann wird zu prüfen sein, ob die sich aus der Zonenordnung ergebenden Entschädigungsfragen präzisiert und ob bundesrechtliche Regeln für den Rechtsschutz aufgestellt werden sollen.

IV. Rechtsprobleme der Planung Auszugehen ist vom Grundsatz, dass sich die Nutzung des Bodens durch Planung (Orts-, Regional- und Landesplanung) geordnet zu vollziehen habe.

Die Verwirklichung der plangemässen Bodennutzung bedingt ein rechtliches Instrumentarium, das es im Interesse sowohl der Allgemeinheit als auch der

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Eigentümer erlaubt, die Grundstücke und die Eigentumsverhältnisse an ihnen in wirtschaftlicher und rechtlicher Hinsicht entsprechend den Zielsetzungen der Planung zu ordnen und umzugestalten. Es sei etwa verwiesen auf die Parzellenumlegung oder -Zusammenlegung, die Grenzbereinigung und das kantonale Enteignungsrecht.

Sowohl die öffentliche Hand als auch die Eigentümer müssen schliesslich über die notwendigen Kompetenzen und Mittel verfügen, um die Grundstücke der plangemässen Nutzung zuzuführen. Dabei kommt den Erschliessungsmassnahmen der Kantone und Gemeinden entscheidende Bedeutung zu.

V. Mittel und Ziele der Planung Die Gemeinwesen verfügen schon heute über vielgestaltige rechtliche Mittel, um auf die Nutzung eines bestimmten Gebietes und die Art seiner Bebauung oder Bewirtschaftung einzuwirken. Als direktes Planungsmittel ist in erster Linie die Enteignung, einschliesslich der vorsorglichen Enteignung, zu nennen, ferner die Schaffung von Bauverboten und Baugebotezi. Von den indirekten Planungsmitteln seien die Verpflichtungen zum Unterhalt des Grundeigentums, die Gewährung von Subventionen, der Unterhalt von Strassen, die Linienführung öffentlicher Verkehrsbetriebe sowie die Steuerpolitik erwähnt.

Was vor allem die Bundesgesetzgebung betrifft, enthält diese eine Reihe von Bestimmungen, die es dem Bund ermöglichen, den Belangen der Landesplanung Rechnung zu tragen. Die Bundesorgane bemühen sich, durch bundesinterne Konsultationen und verschiedenartig ausgestaltete Vernehmlassungsverfahren koordinierend zu wirken. Von einer Gesamtplanung kann dabei aber nicht gesprochen werden. Eine solche hat namentlich folgende Ziele anzustreben : Erweiterung der Existenzgrundlagen in benachteiligten Gebieten; Verbesserung der Verhältnisse in den Ballungsgebieten und Vermeidung künstlicher Massnahmen, die zu einer weiteren Überbelastung führen ; Rücksichtnahme auf die Umweltbedingungen (Reinhaltung der Luft und der Gewässer usw.) ; Berücksichtigung der Erfordernisse der Landesverteidigung.

Die Eidgenössische Expertenkommission für Fragen der Landesplanung schlägt in ihrem Bericht (S. 140) zur Erreichung dieser Ziele in erster Linie Förderungsmassnahmen des Bundes vor. Der Bundesrat schliesst sich diesen Vorschlägen grundsätzlich insoweit an, als beim Erlass der Ausführungsgesetzgebung bestimmt werden muss,
welche Massnahmen in Betracht gezogen werden sollen, und als damit nicht gesagt wird, dass alle diese Massnahmen sofort und gleichzeitig ins Werk gesetzt werden müssen. Die Expertenkommission spricht von der Förderung in der Form von Beratungen, Zinsübernahmen, Bürgschaften und Darlehen, sowie durch Förderung von Forschung, Lehre und Ausbildung auf dem Gebiet der Planung. Ferner soll dem Bund eine Koordinationskompetenz eingeräumt werden in dem Sinne, dass er seine eigenen sowie die ihm, den Kantonen und den Gemeinden gemeinsamen Aufgaben (Erhaltung, Schutz und Pflege der Landschaft und des Waldes; Schutz der Pflanzen- und der Tierwelt; Schutz der Kulturgüter; Reinhaltung des Wassers und der Luft usw.) zu koordinieren

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hätte, wobei als Koordinationsstelle eine Kommission für Landesplanung in Betracht kommen könnte. Schliesslich soll der Bund zur Grundsatzgesetzgebung ermächtigt werden, in deren Rahmen er zusammen mit den Kantonen das gesamtschweizerische Leitbild für die Besiedelung auszuarbeiten und Richtlinien für die Landes-, Regional- und Ortsplanung aufzustellen hätte. Dabei schwebt der Expertenkommission die Schaffung einer eidgenössischen Zonenordnung vor, namentlich der sogenannten Landwirtschaftszone, die grundsätzlich entschädigungslos einzuführen wäre. Gleichzeitig sollten auch Landumlegungsverfahren Platz greifen, in deren Rahmen eine Vorteilsausgleichung vorgesehen werden könnte. Ob und gegebenenfalls in welchem Umfang dem Bund dabei auch Kompetenzen zur Ausgleichung der ungleichen Belastungen der Gemeinden einer Region eingeräumt werden sollen, wird bis zum Erlass von Ausführungsbestimmungen auf der Gesetzesebene offenbleiben müssen.

Dritter Abschnitt Erläuterungen zu den neuen Verfassungsartikeln Artikel 22ter Absatz l gewährleistet das Eigentum im Sinne einer Institutsgarantie einerseits und einer Bestandesgarantie andererseits.

Als Institutsgarantie gewährleistet die Eigentumsgarantie die Aufrechterhaltung einer freiheitlichen Güterordnung, indem sie den Fortbestand des Privateigentums als eines privatrechtlichen Institutes sicherstellt. Sie gewährleistet nicht nur die vom einzelnen Bürger erworbene Besitzeslage, sondern auch die Möglichkeit, Eigentum frei zu erwerben und zu veräussern. Damit setzt sie Grenzen gegenüber staatlichen Eingriffen in quantitativer und qualitativer Hinsicht.

In quantitativer Beziehung muss den Privaten eine staatsfreie Gestaltung ihrer Rechtsbeziehungen möglich bleiben; die Schaffung eines staatlichen Bodenmonopols auf dem Gebiet eines Kantons oder einer Gemeinde wäre demzufolge mit der Eigentumsgarantie unvereinbar. In qualitativer Hinsicht ist es dem Staat versagt, sich auf dem Wege der Gesetzgebung die wichtigsten Entscheidungsbefugnisse des Eigentümers anzueignen; ein Teil der privaten Verfügungs- und Nutzungsfreiheit bleibt unentziehbar.

Als Bestandesgarantie schützt die Eigentumsgarantie die konkreten, einer bestimmten Person zustehenden privaten Vermögensrechte (Eigentum an Grund und Boden, an Fährnis und Wertpapieren, an Immaterialgüterrechten usw.)
gegen jede unrechtmässige Entziehung oder Beeinträchtigung durch den Staat.

Die Absätze 2 und 3 umschreiben, in Anlehnung an die bisherige Rechtsprechung, die Voraussetzungen, unter denen die Bestandesgarantie Eigentumsbeschränkungen zulässt. Solche staatliche Eingriffe müssen, um rechtmässig zu sein, auf gesetzlicher Grundlage beruhen, im öffentlichen Interesse liegen und, sofern sie in ihrer Wirkung einer Enteignung gleichkommen, gegen Entschädigung erfolgen.

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Der Grundsatz der Gesetzmässigkeit bedeutet nicht, dass jeder Eingriff in das private Eigentum auf einem Gesetz im formellen Sinn beruhen müsse. Entscheidend ist, dass die betreffende Norm generell-abstrakten Charakter trägt (Rechtsverordnung, Gemeindeerlass, Gewohnheitsrechtssatz; vgl. BGE 74, I, 41, besonders 45 und dortige Zitate, 88,1, 176 und 89,1, 470).

Das Erfordernis des öffentlichen Interesses gestattet nur Eingriffe aus Gründen des allgemeinen Wohles, nicht auch solche, die aus überwiegend privaten oder fiskalischen Interessen erfolgen. Es richtet sich in erster Linie an den Gesetzgeber. Ein gesetzgeberischer Akt, dem kein Allgemeininteresse zur Seite stünde, wäre verfassungswidrig.

Soweit durch staatliche Eingriffe Eigentümerbefugnisse betroffen werden, die bloss einen zufälligen Inhalt des Eigentums bilden, müssen die Beschränkungen entschädigungslos hingenommen werden. Führt die staatliche Massnahme aber zum totalen Verlust des Eigentums oder trifft sie den Kern der Eigentümerstellung, so ist volle Entschädigung zu leisten. Bei der formellen Enteignung war diese Entschädigungspflicht von jeher gesetzlich verankert. Die Billigkeit verlangt aber, dass auch Eigentumsbeschränkungen, die enteignungsähnliche Wirkungen entfalten (materielle Enteignung), voll entschädigt werden. Dabei bedeutet der Grundsatz der vollen Entschädigung nicht etwa eine einseitige Berücksichtigung der Interessen des Enteigneten. Vielmehr werden bei der Bemessung des Ersatzes die Faktoren in Rechnung gestellt, die den tatsächlichen Marktwert des Gutes mehrend oder mindernd beeinflussen.

Im übrigen liesse Absatz 2 die Einführung eines allgemeinen Vorkaufsrechtes der öffentlichen Hand auf Gesetzesebene nicht zu : Die zwangsweise Überführung des Eigentums aus privater Hand in die Hand des Gemeinwesens soll im Enteignungsverfahren durchgeführt werden müssen. Im Vorkaufsrecht eine blosse Eigentumsbeschränkung erblicken zu wollen, ginge schon deshalb nicht an, weil die Ausübung des Vorkaufsrechtes wie die Ausübung des Enteignungsrechtes zum vollständigen und dauernden Entzug des Eigentums führt.

Der neue Artikel 22ter macht den geltenden Artikel 23, Absatz 2 der Bundesverfassung überflüssig. Wir sehen indessen davon ab, dessen formelle Aufhebung vorzuschlagen, in der Meinung, dass er im Rahmen einer redaktionellen
Gesamtbereinigung der Verfassung beseitigt und daher ohne Nachteil das Ergebnis der Bemühungen um eine Totalrevision der Bundesverfassung abgewartet werden könne.

Artikel 22«uater Absatz l verleiht dem Bund die Kompetenz, über die Erschliessung und Besiedelung des Landes (französisch: «aménagement du territoire», italienisch: «sistemazione e abitabilità del territorio») und die Nutzung des Bodens auf dem Wege der Gesetzgebung Grundsätze aufzustellen. Die Wendungen «Erschliessung und Besiedelung des Landes » und «sistemazione e abitabilità del territorio » lassen besser erkennen, was heute gewöhnlich unter « Landesplanung» und «pianificazione» verstanden wird. Wegen seiner ungenügenden Bestimmtheit sehen wir von der Einführung dieses Begriffes in der Bundesverfassung ab. Dagegen

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steht der Verwendung des Ausdrucks «aménagement du territoire» im französischen Wortlaut nichts entgegen; er besagt das gleiche wie die deutschsprachige Umschreibung.

Die Arbeitsgruppe des Justiz- und Polizeidepartementes sprach in ihrem Vorschlag von der Befugnis des Bundes zur Grundsatzgesetzgebung im Gebiet der Landesplanung. Wir geben der Wendung den Vorzug, dass der Bund auf dem Wege der Gesetzgebung Grundsätze aufzustellen ermächtigt werde. Diese Wendung will deutlich zum Ausdruck bringen, dass die entsprechenden Erlasse des Bundes, die im Sinne des Artikels 5, Absatz 2 des Geschäftsverkehrsgesetzes rechtsetzender Natur sein werden, in die Form von Gesetzen oder allgemeinverbindlichen Bundesbeschlüssen gekleidet werden und sich auf die Aufstellung von Grundsätzen beschränken müssen, die die Kantone in ihren Erlassen als verbindlich zu beachten haben.

Die hier umschriebene Bundeskompetenz entspricht der in bestehenden Verfassungsartikeln genannten Oberaufsicht. Die Aufstellung von Grundsätzen auf dem Wege der Gesetzgebung, die Grundsatzgesetzgebung, ist ein in der schweizerischen Rechtssprache seit längerer Zeit häufig verwendeter und genügend klarer Begriff, der jenem der Oberaufsicht in diesem Zusammenhang vorzuziehen ist.

Was den Begriff der Erschliessung angeht, bezieht er sich für ganze Gebiete auf die Einrichtung von Verkehrsmitteln und für einzelne Gelände ausser den Zufahrtswegen namentlich auf Leitungen und Kanalisationen als Voraussetzung der Überbauung.

Die aufzustellenden Grundsätze betreffen insbesondere die Zonenordnungen, zu deren Schaffung die Kantone verbindlich veranlasst werden können.

Was für Zonen gemeint sind und wie sie benannt werden sollen, wird in den gesetzlichen Ausführungsbestimmungen zu sagen sein. Mit der beantragten Bestimmung wird auch die Bildung von Landwirtschaftszonen erfasst und die Grundlage für den beabsichtigten Ausbau des bäuerlichen Bodenrechts geschaffen.

Schon heute ist der Bund zu zahlreichen einzelnen Fachplanungen befugt, so im Bereiche des Verkehrswesens, der Landwirtschaft, des Familienschutzes, der Wasserbau- und Forstpolizei sowie des Gewässerschutzes. Darauf haben wir wiederholt hingewiesen. Diese Kompetenzen reichen aber nicht aus zu einer zweckmässigen Besiedelung des Landes und einer möglichst günstigen Ausnützung des Bodens. Eine
allgemeine Planungszuständigkeit des Bundes erweist sich daher als notwendig. Nicht nur erleichtert sie die Koordination der Einzelplanungsbefugnisse; sie ermöglicht auch die bessere Erfüllung zahlreicher weiterer Bundeskompetenzen. Ferner bietet sie die grössere Gewähr für eine umfassende Berücksichtigung sämtlicher Gesichtspunkte.

Absatz 2: Das Instrumentarium des öffentlichen Baurechtes soll grundsätzlich kantonales Recht bleiben, und dessen Anwendung wird nach wie vor in den Händen der Kantone und Gemeinden liegen. Der Gesetzgeber wird jedoch zu prüfen haben, ob im Interesse eines rationellen Bauens u. U. nicht eine gewisse Harmonisierung einzelner Normen des heute stark zersplitterten Baurechts

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anzustreben sei. Der dem Bund in Absatz 2 zugedachten Aufgabe der Förderung und Koordination kantonaler Bestrebungen und der Zusammenarbeit mit den Kantonen kommt besondere Bedeutung zu.

Vierter Abschnitt Zusammenfassung 1. Artikel 22 enthält nichts, was nicht heute schon ungeschriebenes Verfassungsrecht oder feststehende Rechtsprechung des Bundesgerichtes ist. Die ausdrückliche Gewährleistung des Eigentums erfolgt als Voraussetzung der Eigentumsbeschränkungen, hinsichtlich welcher die ständige Rechtsprechung des Bundesgerichtes ausdrücklich übernommen wird, wonach es für sie und für die Enteignung, die formelle und die materielle, eines öffentlichen Interesses und der gesetzlichen Grundlage bedarf. Durch den Verfassungsvorschlag wird ferner das Bundesgericht fest an seine Rechtsprechung gebunden, nicht bloss die formelle, sondern auch die materielle Enteignung sei nur gegen volle Entschädigung möglich, womit indessen mit dem Bundesgericht nur die Schadloshaltung und nicht eine Gewinnerzielung gemeint ist. Die Kantone sind nach wie vor frei, für Eigentumsbeschränkungen, die nicht den Charakter einer formellen o der materiellen Enteignung haben, die Entschädigungslosigkeit, eine nicht volle Vergütung des Schadens oder eine volle Schadloshaltung vorzusehen.

2. Das Schwergewicht der Verfassungsvorlage ist eindeutig bei Artikel 22auater zu suchen, der sich auf den Boden und allenfalls den Luftraum, nicht aber auf das bewegliche Eigentum, bezieht.

Das Verhältnis vom Bund zu den Kantonen will unsere Vorlage in der Weise klar abgrenzen, dass der Bund durch eigene Leistungen die Kantone in ihren planerischen Bestrebungen insbesondere finanziell unterstützen darf, aber über die Erschliessung und Besiedelung des Landes und die Bodennutzung nur die Normsetzungskompetenz zu für die Kantone verbindlichen Richtlinien hat. Einzig, wenn es darum geht, die Bestrebungen mehrerer Kantone aufeinander abzustimmen, muss er eine über blosse Richtlinien hinausgehende Gesetzgebungsbefugnis haben, wobei er verpflichtet ist, die Rechtsnormen in Zusammenarbeit mit den Kantonen aufzustellen. Aufgabe des Bundes ist aber im wesentlichen die Gesamtplanung, deren Durchführung grundsätzlich Sache der Kantone bleiben soll.

Die Grundsatzgesetzgebung des Bundes im Sinne seines Oberaufsichtsrechtes lässt sich als Rahmengesetz mit
dem Gegenstand von Leitbildern vorstellen, wie wir sie Ihnen im Anschluss an den Bericht der Kommission für Landesplanung (S. 131 ff., insbesondere 140f.) darlegten. Sehr wohl möglich ist es aber auch, dass der Bund in mehreren zukünftigen Gesetzen in planerischer Hinsicht auf Grund seiner neuen Befugnisse einen Schritt weiter geht, als ihm das bis heute erlaubt war (Bericht a.a.O., S.34 bis 109).

3. Unser Verfassungsvorschlag unterscheidet sich vom Volksbegehren gegen die Bodenspekulation im wesentlichen durch die Gliederung des Stoffes in zwei Artikel, dann durch den bewussten Verzicht auf das Planungsmittel des gesetzter

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lichen Vorkaufsrechtes des Gemeinwesens, das ein rechtsideologisch sehr umstrittenes Instrument, aber mangels genügender finanzieller Mittel ein Instrument von voraussichtlich nur geringer praktischer Bedeutung wäre. Verzichtet wird ferner auf die Schaffung neuer öffentlichrechtlicher Eigentumsbeschränkungen, indem nach Artikel 22ter, Absatz 2 Enteignungen und Eigentumsbeschränkungen durch den Bund und die Kantone ausdrücklich nur «im Rahmen ihrer verfassungsmässigen Befugnisse» vorgesehen werden. Damit kann von der Nennung von Planungszielen abgesehen werden. Im Gegensatz zum Volksbegehren wird schliesslich festgestellt, dass materielle und formelle Enteignungen nur gegen volle Entschädigung möglich sind.

4. Es war sowohl der Arbeitsgruppe des Justiz- und Polizeidepartementes als auch dem Bundesrat sehr daran gelegen, auch einen Blick auf ausländische Bodenrechtsordnungen zu werfen. Das Max-Planck-Institut für ausländisches Recht in Heidelberg erarbeitete in verdankenswerter Weise eine rechtsvergleichende Übersicht über die entsprechenden Regelungen in verschiedenen Staaten.

Wir fügen diese wertvolle Zusammenstellung zum parlamentarischen Gebrauch unserer Botschaft bei*).

5. Der in Artikel 121, Absatz 3 der Bundesverfassung festgelegte Grundsatz der Einheit der Materie gilt nicht nur für Partialrevisionen, die durch ein Volksbegehren ausgelöst wurden, sondern für Partialrevisionen der Bundesverfassung schlechthin (Burckhardt, Kommentar, S. 819). Obschon wir in der gleichen Vorlage zwei neue Artikel zur Aufnahme in die Bundesverfassung vorschlagen, kann es für uns nicht zweifelhaft sein, dass die Einheit der Materie gewahrt ist ; es darf in diesem Zusammenhang auf unsern Bericht vom 31. Mai 1966 verwiesen werden (BB1 1966,1, 879/880).

6. Mit unserer heutigen Verfassungsvorlage wird der Initiative des Kantons Basel-Landschaft vom 27. September 1962 betreffend Bekämpfung der Bodenspekulation Folge gegeben. Wir beantragen Ihnen daher, sie als erledigt abzuschreiben.

Wir empfehlen Ihnen, unsern Entwurf zum Beschluss zu erheben und diesen Volk und Ständen zur Abstimmung zu unterbreiten.

Genehmigen Sie, Herr Präsident, hochgeehrte Herren, die Versicherung unserer ausgezeichneten Hochachtung.

Bern, den 15. August 1967.

Im Namen des Schweizerischen Bundesrates, Der Bundespräsident: Bonvin

Der Bundeskanzler: Ch. Oser x

) Separat erhältlich.

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Entwurf

Bundesbeschluss über die Ergänzung der Bundesverfassung durch die Artikel 22ter und 22iuater (Verfassungsrechtliche Ordnung des Bodenrechts) Die Bundesversammlung der Schweizerischen Eidgenossenschaft,

in Anwendung der Artikel 85, Ziffer 14,118 und 121, Absatz l, der Bundesverfassung, nach Einsicht in eine Botschaft des Bundesrates vom 15. August 1967, beschliesst: I In die Bundesverfassung werden folgende Bestimmungen aufgenommen :

Art. 22'« Das Eigentum ist gewährleistet.

2 Bund und Kantone können im Rahmen ihrer verfassungsmässigen Befugnisse im öffentlichen Interesse und auf dem Wege der Gesetzgebung die Enteignung und Eigentumsbeschränkungen vorsehen.

3 Bei Enteignung und bei Eigentumsbeschränkungen, die einer Enteignung gleichkommen, ist volle Entschädigung zu leisten.

1

Art. 22«uater 1 Der Bund ist befugt, über die Erschliessung und Besiedelung des Landes und die Nutzung des Bodens, insbesondere die Schaffung von Zonenordnungen durch die Kantone, auf dem Wege der Gesetzgebung Grundsätze aufzustellen.

2 Er fördert und koordiniert die Bestrebungen der Kantone auf diesen Gebieten und arbeitet mit ihnen zusammen.

II

Dieser Beschluss wird der Abstimmung des Volkes und der Stände unterbreitet.

Der Bundesrat ist mit dem Vollzug beauftragt.

9665

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Botschaft des Bundesrates an die Bundesversammlung über die Ergänzung der Bundesverfassung durch die Artikel 22ter und 22quater (Verfassungsrechtliche Ordnung des Bodenrechts) (Vom 15. August 1967)

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1967

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01.09.1967

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