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Bundesblatt

Bern, den 2. Februar 1967

119. Jahrgang

Bandi

Nr. 5 Erscheint wöchentlich. Preis Fr. 36.- im Jahr, Fr. 20.- im Halbjahr, zuzüglich Nachnahme- und Postzustellungsgebühr

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Botschaft

des Bundesrates an die Bundesversammlung über die Erteilung einer neuen Konzession für die Frauenfeld-Wil-Bahn (Vom 20. Januar 1967) Herr Präsident!

Hochgeehrte Herren!

Wir beehren uns, Ihnen mit dieser Botschaft den Entwurf eines Bundesbeschlusses über die Erteilung einer neuen Konzession für die Frauenfeld-WilBahn zu unterbreiten.

I. Geschichtlicher Rückblick

Gestützt auf eine von der Bundesversammlung am 27. Juni 1884 (EAS 8, 36) erteilte Konzession ist die Strasseneisenbahn Frauenfeld-Wil im Verlauf der Jahre 1884 bis 1887 als einspurige Schmalspurbahn gebaut worden. Die Konzessionsdauer wurde auf 30 Jahre festgesetzt, gerechnet vom Zeitpunkt der Betriebseröffnung hinweg. Die Bahn nahm den Betrieb am l. September 1887 mit Dampftraktion auf. Am I.September 1917 erlosch die der Bahn erteilte erste Konzession. Mit Beschluss vom 4. Oktober 1917 (EAS 13, 83), der am 15. Oktober 1917 in Kraft getreten ist, entsprach die Bundesversammlung einem Gesuch der Strassenbahn Frauenfeld-Wil AG um Erteilung einer neuen Konzession für die Dauer von 50 Jahren. Diese Konzession bezeichnet die Bahnlinie als Nebenbahn, schreibt Meterspur vor und erwähnt als Tätigkeitsbereich der Bahn die Beförderung von Personen, Gepäck, Gütern und lebenden Tieren. Ihre Gültigkeit wird am 14. Oktober 1967 ablaufen.

Die Bahnunternehmung stand in den drei ersten Jahrzehnten ihres Bestehens mehrfach vor finanziellen Schwierigkeiten und musste vom Bund, den Kantonen Thurgau und St. Gallen sowie von den an der Bahn interessierten Gemeinden finanzielle Hilfe in Anspruch nehmen. Der wirtschaftliche Tiefpunkt wurde im Ersten Weltkrieg erreicht, weil der Verkehr damals stark rückläufig war und Bundesblatt. US.Jahrgang. Bd.I.

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gleichzeitig die Preise für Kohle und Eisen bahnschienen beträchtlich stiegen. Die Elektrifikation wurde erstmals im Jahre 1916 erörtert; man versprach sich von der Verwirklichung dieser Massnabme eine Verminderung der Betriebsaufwendungen. Im Jahre 1919 beschloss der Verwaltungsrat die Eleklrifikation und nahm zu diesem Zweck ein Darlehen von 2,5 Millionen Franken auf, woran sich der Bund einerseits und die Kantone Thurgau und St. Gallen anderseits je hälftig beteiligten. In dieser Summe waren 300000 Franken für die Erneuerung der Geleise eingeschlossen. Am 20. November 1921 ist der elektrische Betrieb mit einer Betriebsspannung von 1200 Volt Gleichstrom aufgenommen worden.

Anlässlich der Elektrifikation der Frauenfeld-Wil-Bahn kam der Gedanke einer Linienverlängerung über Wil hinaus nach Fischingen und von Frauenfeld nach Steckborn oder über Diessenhofen nach Schaffhausen auf. Dieser Plan nahm jedoch nie Gestalt an. Ferner warf der Kanton Thurgau im Jahre 1919 im Zusammenhang mit seiner finanziellen Hilfeleistung ohne praktisches Ergebnis die Frage einer ßetriebsgemeinschaft auf, welche erst viel später zustande kam (siehe III. Abschnitt). Erörtert und als inopportun erachtet wurde ausserdem im Jahre 1920 die Übernahme der Bahn durch den Bund. Schliesslich ergab die anlässlich der Elektrifikation vorgenommene Prüfung der Einführung des Rollschemelbetriebes ein negatives Ergebnis.

H. Die Bahn und ihre Bedeutung Die elektrische Schmalspurbahn Frauenfeld-Wil (FW) ist eine Nebenbahn im Sinne des Artikels 2, Absatz l des Eisenbahngesetzes (AS 1958, 335). Die Linie hat Meterspur, weist eine grösste Neigung von 46 Promille und eine Eigentumslänge von 17,8 Kilometern auf, die gleich der Betriebslänge ist. Hinzu kommen Geleise von insgesamt rund einem Kilometer Länge, die sich auf acht Verbindungsgeleise für sieben Industrieunternehmungen verteilen. Einzig die Station Wil liegt auf st, gallischem Boden; alle übrigen Stationen sowie 16/17 der Bahnlänge liegen auf dem Gebiet des Kantons Thurgau. 4/5 des Betriebsgeleises sind von der Strasse getrennt und zum Teil auf bahneigenem Boden verlegt. l/5 oder rund 3,5 Kilometer des Betriebsgeleises beanspruchen den Fahrbahnraum von Strassen. Hievon entfallen 1,175 Kilometer auf die Ortsdurchfahrt in Fraucnfeld, 610 Meter auf übrige Ortsdurchfahrten und 1,9
Kilometer auf offene Strecke zwischen Matzingen und Jakobstal. Die bestehende Trennung von Schiene und Strasse wurde im Verlauf der Jahre 1937 bis 1958 verwirklicht. Wie eingangs erwähnt, ist die Frauenfeld-Wil-Bahn ursprünglich als Strassenbahn gebaut worden. In den durch die Bahn bedienten Ortschaften verläuft die Linie einzig in Wil getrennt von der Strasse.

Das Rollmalerial ist in gutem Zustand, entspricht jedoch nicht dem heutigen Stand der Technik im Eisenbahnfahrzeugbau, Die Triebwagen stammen aus dem Jahr der Elektrifikation (1921) und sind im Jahr 1954 durch den Einbau neuer Motoren leistungsfähiger gemacht worden. Das Wagenmaterial wurde im Laufe der Zeit durch Anschaffung von vier vierachsigen Personenwagen modernisiert.

Die Geleiseanlagen sind gut unterhalten. Die Betriebssicherheit ist heute gewähr-

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leistet, muss jedoch dem Fortschritt der Technik entsprechend erhöht werden.

Es drangen sich insbesondere hinsichtlich der Niveauübergänge Massnahmen auf. In 15 bis 20 Jahren wird sowohl für das Rollmaterial wie für die Gekiscanlagen eine Gesamterneucrung notwendig werden. Gemäss einer Studie der Eisenbahnaufsichtsbehörde ist für eine bessere Trennung von Schiene und Strasse (allfällig notwendig werdende, vorn Rollmaterial und von der Streckengeschwindigkeit abhängige Verschiebung des Trasses), für Bahnanteile an der Sicherung von Niveauübcrgängen, Einbau schwererer Schienen, eine neue Werkstatt, Reparaturen an Stationsgebäuden, für Verbesserung der Fahrleitung, Anschaffung von drei Pendelzugskompositionen, einem Triebwagen und einer Rangierlokomotive sowie für Anpassungs- und Umbauarbeiten an Güterwagen mit Gesamtaufwendungen von ungefähr 7,8 Millionen Franken zu rechnen (Preisbasis 1966). Wird auf weitere Sicht auch die Einrichtung des Streckenblocks in Erwägung gezogen, so müssten zusätzlich 900000 Franken eingesetzt werden, Inbegriffen die Kosten für die Verkabelung der Telephonleitung.

Die Frauenfeld-Wil-Bahn stellt längs des Murgtals zwischen zwei Verkehrsknotenpunkten, den Städten Frauenfeld als KantonshauptorL mit 17000 Einwohnern und Wil mit 13100 Einwohnern, eine Querverbindung her zwischen den beiden wichtigen Bundesbahnlinien Zürich-Rorschach und Zürich-Romanshorn. An beiden Endpunkten stellt sie ferner die Verbindung zu einem ausgedehnten Automobilliniennetz her, in Wil ausserdem zu den Bahnlinien Richtung Toggenburg, Rapperswil und Kreuzungen/Konstanz. Dieser Konstellation verdankt die Frauenfeld-Wil-Bahn ihre Bedeutung sowohl im Personen- als auch im Güterverkehr. Sie ist in das Verzeichnis der Bahnen des allgemeinen Verkehrs aufgenommen worden und hat deshalb gemäss sechstem Abschnitt des Eisenbahngesetzes Anspruch auf Abgeltung der gemeinwirtschaftlichen Leistungen.

Rund 5/8 des Verkebrsertragcs stammen zur Zeit aus dem Personenverkehr. In dieser Verkehrskategorie stehen die Frequenzen des Abonnements-, somit des Berufsverkehrs, an der Spitze. Diese sind nicht allein auf die Anziehungskraft der Städte Frauenfeld und Wil an den Streckenendpunkten, sondern auch auf die zunehmende Industrialisierung des Murgtals zurückzuführen. Im Einzelrciseverkehr spielt die Bahn für das von ihr
erschlossene Einzugsgebiet eine wesentliche Rolle durch Herstellung von Anschlüssen an das Fernverkehrsnetz. Der Ausflugs- und Gruppenreiseverkehr hat eine untergeordnete Bedeutung.

Die Zahl der beförderten Personen erreichte im Jahr 1922 (nach der Elektrifikation) 304944. Diese Leistung stieg im Jahr 1930 auf über 400000 beförderte Personen, fiel jedoch im Jahr 1937 wieder auf den Stand von 1922 zurück. Seither nahm das Personentransportvohimen mit Schwankungen erneut zu und erreichte im Jahr 1947 715726, im Jahr 1957 645812 und im Jahr 1965 812739 Personen. Davon entfielen im Jahr 1957 40,2 Prozent auf den Einzelreiseverkehr, l ,9 Prozent auf den Gruppenreiseverkehr und 57,9 Prozent auf den Abonnementsverkehr, im Jahr 1965 38,6 Prozent auf den Einzelreisevcrkehr, 1,3 Prozent auf den Gruppenreiseverkehr und 60,1 Prozent auf den Abonnementsverkehr.

Die Bahnverwal tung führt diese beträchtliche Leistungssteigerung auf die guten, raschen und bequemen Fahrgelegenheiten zurück, Eigenschaften, die unter

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anderem auf die weitgehende Trennung des Personenverkehrs vom Güterverkehr zurückzuführen seien. Die mittlere Reisedistanz erreichte im Jahr 1965 8,2 Kilometer.

Der Bahn kommt auch im Sachenverkehr eine wesentliche Bedeutung zu.

Sie erzielt zur Zeit rund 3/8 des Verkehrsertrages mit der Beförderun g von Gepäck, Post, Gütern und Tieren. Auf Veranlassung des Eidgenössischen Verkehrs- und Energiewirtschaftsdepartementes ist im Jahr 1964 eine Untersuchung eingeleitet worden, ob und in welchem Umfang die Postsachen weiterhin durch die Bahn oder ob sie mit posteigenen Fahrzeugen auf der Strasse zu befördern seien. Die Untersuchung kam zum Ergebnis, dass der Postsachentransport nach und von Münchwilen und St. Margarethen am rationellsten durch posteigene Strassenfahrzeuge ab Wil ausgeführt werden kann. Mit dieser auf 30. Mai 1964 erfolgten Umstellung entfällt der zweimalige Umlad in Wil und Münchwilen für eine geringe Bcförderungsdistanz. Im Sinne einer Übergangslösung werden die übrigen von der Frauenfcld-Wil-Bahn berührten Ortschaften vorläufig noch mit der Bahnpost bedient. Im Jahr 1965 entfielen auf den Transport von Gepäck und Exprcssgut 5,4 Prozent der Tonnenkilometer, auf die Postbeförderung 6,6 Prozent, auf den Viehtransport 1,0 Prozent und auf den eigentlichen Güterverkehr 87,0 Prozent. Während die Zahlen der beförderten Gütermenge starken Schwankungen unierlagen, stiegen die Einnahmen aus dem Güterverkehr (in runden Zahlen) von 85000 Franken im Jahr 1922 auf 87000 Franken im Jahr 1937, auf 138000 Franken im Jahr 1947, auf 171000 Franken im Jahr 1957 und auf 197000 Franken im Jahr 1965.

Gestützt auf eine Vereinbarung vom 4. Januar 1943 zwischen Bund und den Kantonen Thurgau und St. Gallen einerseits und der Frauenfeld-Wil-Bahn anderseits gewährten der Bund und die beiden Kantone der Frauenfeld-WiJBahn auf Grund des Artikels 15 des Bundesgesetzes vom 6. April 1939 über Hilfeleistung an private Eisenbahn- und Schiffahrtsuntcrnehmungen (BS 7, 248) einen Beitrag à fonds perdu von 1316000.20 Franken zur Verminderung der festen Verbindlichkeiten. Im Jahr 1953 haben die Kantone Thurgau und St. Gallen sowie die an der Bahn interessierten Gemeinden für die Triebwagenerneuerung der Frauenfeld-Wil-Bahn ein Darlehen in der Höhe von 255300 Franken zur Verfügung gestellt.

Die festen Verbindlichkeiten setzen
sich gemäss Bilanz auf den 3I.Dezember 1965 wie folgt zusammen : Franken 1. 3 Prozent Hektrifikationsdarlehen von Bund und Kantonen, variabel und kumulativ 442 680.40 2. 3 Prozent Darlehen der Kantone und Gemeinden für technische Tnstandstellungen, variabel und kumulativ 252 747.-- Total 695 427.40 Das Elektrifikationsdarlehen wurde von 1943 bis 1949 regelmässig verzinst und amortisiert. Mit Ausnahme des Jahres 1960, dessen Jahresergebnis die

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Leistung der Annuität von 30212 Franken für beide Darlehen gestattete, blieben die beiden Darlehen seither unverzinst.

Die Frauenfeld-Wil-Bahn musste seit der am I.Juli 1958 erfolgten Inkraftsetzung des Eisenbahngesetzes keine Hilfeleistungen gemass siebentem Abschnitt dieses Gesetzes beanspruchen. Die Betriebsrechnung konnte in den letzten Jahren dank einer überaus sparsamen Ausgabenpolitik im Gleichgewicht gehalten werden. Die jährlich anfallenden Abschreibungsmittel von knapp 60000 Franken gestatten es der Unternehmung, Investitionen von bescheidenem Umfang vorzunehmen. Das Betriebsvermögen ohne Materialvorräte, unter Abzug der laufenden Verbindlichkeiten, betrag auf Ende 1965 437645 Franken. Die Bahn wäre deshalb nicht in der Lage, für eine durchgreifende Erneuerung der Bahnanlagen und des RoDmaterials eigene Mittel bereitzustellen. Die Finanzierung der von der Eisenbahnaufsichtsbehörde berechneten Kosten für eine Gesainterneuerung von 7800000 beziehungsweise 8700000 Franken musste vollständig durch eine Hilfeleistung des Bundes und der beteiligten Kantone gestützt auf Artikel 56 des Eisenbahngesetzes erfolgen.

III. Das Konzessionserneuerungsgesuch Die Frauenfeld-Wil-Bahn unterbreitete dem Eidgenössischen Vcrkehrsund Energiewirtschaftsdepartement am S.Juli 1965 ein Gesuch um Erneuerung der Eisenbahnkonzession für einen Zeitraum von 50 Jahren nach Hinfall der bestehenden Konzession. Zur Begründung des Konzessionserneuerungsgesuches führt die Bahnunternehmung volkswirtschaftliche und verkchrstechnische Argumente an. Die Bedeutung des Personenverkehrs wird in einem Hinweis auf die Zunahme der Wohnbevölkerung sowohl in den beiden Städten Frauenfeld und Wil als auch in den Ortschaften längs der Bahnlinie hervorgehoben. Die Bahnunternehmung erwartet eine Steigerung des Abonnementsverkehrs durch Berufspendler und, als Folge davon, auch eine Steigerung des Ertrages aus dem Personenverkehr. Sie erblickt in der Tatsache, dass die grösste Mühle des Murgtales das Getreide ausschliesslich auf dem Schienenweg bezieht (pro 1965 rund 6900 Tonnen) und dass weitere Industrie- und Gewerbebetriebe im Einzugsgebiet der Bahn auf das Halten eigener Motorfahrzeuge zum Gütertransport verzichten und sich im Güterverkehr ausschliesslich der Bahn bedienen, einen Beweis für die Zweckmässigkeit und Wirtschaftlichkeit des
Bahnbetriebes auch im Güterverkehr. Dank modemer Umladeeinrichtungen und unter Anwendung des Behälter-Systems sei es gelungen, insbesondere bei den umfangreichen Getreidetransporten die Nachteile des Wechsels von der Normal- zur Schmalspur zu mildern. Zusammenfassend stellt die Bahnuntemehmung in ihrem Gesuch fest, dass der Schienenbetrieb wesentlich zur Entlastung der öffentlichen Strassen beitrage. Er könne durch einen Strassentransportdienst nicht gleichwertig ersetzt werden. Die Bahnverwaltung halt deshalb am Scbienenbetricb fest und stützt sich dabei auf ein Gutachten vom 21. März 1951, welches aus technischen und wirtschaftlichen Überlegungen davon abriet, den Verkehr von der Schiene auf die Strasse zu verlegen, und empfahl, die beiden Verkehrsträger durchgehend

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zu trennen. Die Bahnunternehmung strebe an, konkurrenz- und leistungsfähig zu bleiben, sich den modernen Anforderungen anzupassen und die im Gutachten empfohlene Trennung von Schiene und Strasse zu vollenden. Zur Rationalisierung ihres Betriebes sei sie Gemeinschaften mit der Mittel-Thurgau-Bahn eingegangen, nämlich im Jahre 1940 hinsichtlich Bau und Unterhalt von Geleiseanlagen sowie Bauten und im Jahre 1950 in Bezug auf Direktion, Traktions-, Werkstätte- und Betriebsdienst. Bisher habe die Bahn keine Defizite auszuweisen gehabt.

IV. Das Vernehmlassungs- und Prüfungsverfahren

Im Vernehmlassungs- und Prüfungsverfahren war auf Grund des Artikels 5 des Eisenbahngesetzes (AS 1958, 335) zu untersuchen, ob die Interessen der Landesverteidigung einer Konzessionserteilung nicht entgegenstehen und ob der Verkehr nicht zweckmässiger und wirtschaftlicher durch ein anderes Verkehrsmittel bedient werden kann. Ferner war zu prüfen, ob die Bewilligung der Kantone zur Benützung der öffentlichen Strasse erteilt oder zugesichert ist.

Die Generalstabsabtcilung des Eidgenössischen Militärdeparlenientes sowie die Generaldirektionen der Schweizerischen Post-, Telephon- und Telegraphenbetriebe und der Schweizerischen Bundesbahnen brachten keine Einwendungen gegen eine Konzessionserneuerung vor. Die privaten Transportuntcrnehmungen des Anschlüsseerkehrs äusserten sich mit einer Ausnahme positiv.

Der Kanton St. Gallen befürwortete in seiner Vernehmlassung vom 18. Oktober 1965 die Erteilung einer neuen Konzession und ersuchte um Einräumung des Rückkaufsrcchts zu seinen Gunsten.

In seiner Vernehmlassung vom I.Februar 1966 gibt der Regicrungsrat des Kantons Thurgau einerseits der Überzeugung Ausdruck, dass die FrauenfeldWil-Bahn für die nähere Zukunft beizubehalten sei, und setzt sich anderseits hauptsächlich aus Gründen des Strassenbaus sowie der nicht gänzlich vollzogenen Trennung von Schiene und Strasse mit der Frage einer spatern Betriebsumstellung auseinander. Das aus dem Jahre 1951 stammende, die Aufrechterhaltung des Bahnbetriebes bef üi wortende Gutachten wird als überholt erachtet im Hinblick auf den kommenden Nationalstrassenbau (N l, Abschnitt Winterthur-Wil-St. Gallen) und den Ausbau der übrigen Strassen. Der Regierungsrat schliesst nicht aus, dass ein modernes Strassennetz im Einzugsgebiet der Frauenfeld-Wil-Bahn sich nachteilig auf deren Vcrkehrssubstanz auswirken könnte. Er verweist auf die Schwierigkeiten und die ausserordentlich hohen Kosten, die mit einem Ausmerzen der Berührungsstellen von Schiene und Strasse hauptsächlich innerorts verbunden sind. Der Regierungsrat sichert zu, im Einvernehmen mit der Bahnverwaltung sobald wie möglich ein Gütachten in Auftrag zu geben, das im Blick auf die fernere Zukunft die Bedeutung und Zweckmassigkeit des Bahnbetriebes untersuchen und die Grundlage zur Beschlussfassung in technischer, finanzieller und verkehrspolitischerHinsicht schaffen
soll, inbegriffen die Beschlussfassung hinsichtlich der Trennung von Schiene und Strasse sowie der Aufhebung oder Sicherung von Niveauübcrgangen. Aus dieser Erkenntnis beantragt der Regierungsrat im Einvernehmen mit dem Ver-

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waltungsrat der Bahmmternehmung eine Konzessionserteilung für die Dauer von 20 statt 50 Jahren. Der Bahn wird die Bewilligung zur Benützung der öffentlichen Strassefür die Dauer einer neuen Konzession erteilt. Zugunsten des Kantons Thurgau wird um Einräumung des Rückkaufsrechts ersucht.

Eine Untersuchung, welcher die hievor gemachten Feststellungen und erwähnten Vernehmlassungen zu Grunde liegen, ergab, dass die Fraucnfeld-WilBahn die zitierten gesetzlichen Voraussetzungen der Konzessionserteilung unter den beutigen Verhältnissen erfüllt und dass eine Betriebsumstellung zur Zeit nicht in Betracht gezogen werden muss. Es ist jedoch nicht ausgeschlossen, dass diese Schlussfolgerung in einem fernem Zeitpunkt einer ändern Betrachtungsweise wird weichen müssen. Die finanziellen Konsequenzen der in 15 bis 20 Jahren fälligen Erneuerung der Bahn und der spätestens im Zuge des kommenden Strassenbaus und -ausbaus zu lösenden Aufgaben zur Beseitigung von NiveauÜbergängen insbesondere in den Ortschaften Matzingen, Wängi und Münchwilen werden möglicherweise der Frage der Wirtschaftlichkeit des Bahnbetriebes einen neuen Aspekt geben. Zudem könnte die Frage der Zweckmässigkeit des Bahnbetriebes in einem späteren Zeitpunkt relevant werden, wenn der Ausbau und die Modernisierung des Strassennetzes im Bereich der Frauenfeld-WilBahn einen Verkehrsschwund auf der Schiene zur Folge hätte.

Weil sich die Verhältnisse im Rahmen der dargelegten Zusammenhange erst in einem späteren Zeitpunkt und jedenfalls erst nach endgültiger Planung oder sogar erst nach Bau und Ausbau der in Betracht fallenden Strassen abschliessend werden beurteilen lassen, ist es richtig, die üblicherweise 50 Jahre umfassende Konzcssionsdauer kürzer anzusetzen. Der vom Kanton Thurgau im Einvernehmen mit dem Verwaltungsrat der Bahnunternehmung und mit Zustimmung des Kantons St. Gallen gestellte Antrag auf Konzessionserteilung für eine Dauer von 20 Jahren wird den Umständen gerecht. Das Gutachten, dessen Ausarbeitung der Regierungsrat des Kantons Thurgau zusicherte und welches in wenigen Jahren vorliegen dürfte, wird nach anfälliger Erteilung einer neuen Konzession die Grundlage für verschiedene von Bund und den beteiligten Kantonen zu treffende Entscheidungen bilden. Grundsätzlich wird darüber zu befinden sein, ob die Bahn weiterbetrieben oder ob sie
spätestens nach Ablauf der beantragten Konzessionsdauer von 20 Jahren umgestellt werden soll. Je nach dem Ergebnis wird seitens des Bundes gestutzt auf Artikel 56 des Eisenbahngesetzes (technische Verbesserungen) zu entscheiden sein, ob und welche finanziellen Leistungen zur Erneuerung der Bahn und zur Beseitigung oder Sicherung von Niveauübergängen erbracht werden können. Auf Grund der noch zu vollendenden Strassenplanung wird seitens des Kantons Thurgau über die durchgehende Trennung von Schiene und Strasse Beschluss zu fassen sein. Gelangt das Gutachten zürn Ergebnis, dass die Bahn sobald wie möglich durch einen Strassentransportdienst zu ersetzen sei, so kann die Bahnverwaltung von sich aus jederzeit ein Verfahren zur Aufhebung der nachgesuchten Konzession durch den Bundesrat beantragen (Art. 6 des Eisenbahngesetzes). Unabhängig vom Ergebnis eines Gutachtens oder von einem Antrag auf Aufhebung der Konzession besteht endlich die Möglichkeit, dass der Bund die Bahn zur Vorbereitung

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der Umstellung des Betriebes verhalten könnte, wenn sie in einer finanziellen Notlage oder zwecks technischer Verbesserung seiner Hilfe bedürfte (Art. 56 und 58 des Eisenbahngesetzes in Verbindung mit Art. 9 der dazugehörenden Verordnung vom 19. Dezember 1958, AS 1958,1369).

V. Der Konzessionsentwurf

Der Ihnen hiermit unterbreitete Konzessionsentwurf entspricht, soweit nachstehend nicht auf einzelne Artikel besonders eingetreten wird, der seit dem Inkrafttreten des neuen Eisenbahngesetzes üblichen Fassung.

Die in Artikel 2 vorgesehene Konzessionsdauer von 20 Jahren weicht aus den dargelegten Gründen von der üblichen Dauer von 50 Jahren ab.

Die Beförderungspflicht gemäss Artikel 9 entspricht den bisherigen Konzessionsbestimmungen.

Der Tarifartikel 10 enthält entsprechend einer Ihnen vor zwei Jahren vorgeschlagenen Praxisänderung lediglich die Grundsätze der Tarif gesta! tun g. Die Einzelheiten werden im Genehmigungsverfahren geregelt. Die diesbezüglichen Zusammenhänge sind in der Botschaft vom 30. Oktober 1964 des Bundesrates an die Bundesversammlung über die Erteilung einer neuen Konzession für die St.Gallen-Gais-Appenzell-Altstätten-Bahn dargelegt worden (BB1 1964, II, 1117).

Artikel 14 über die Rückkaufsrechte entspricht den von den Kantonen im Vernehmlassungsverfahren gestellten Anträgen.

Die beteiligten Kantone St. Gallen und Thurgau stimmten dem Entwurf des Bundesbeschlusses zu.

Die Verfassungsmässigkeit der Vorlage - in der Form eines einfachen Bundesbeschlusses - ergibt sich aus Artikel 5, Absatz l und 2 des Eisenbahngesetzes, welches auf Artikel 23, 24ter, 26, 34, Absatz 2, 36 und 64 der Verfassung beruht.

VT. Antrag

Gestützt auf diese Darlegungen beantragen wir Ihnen, dem folgenden Entwurf eines Bundesbeschlusses über die Erteilung einer neuen Konzession für die Frauenfeld-Wil-Bahn Ihre Zustimmung zu geben.

Genehmigen Sie, Herr Präsident, hochgeehrte Herren, die Versicherung unserer vollkommenen Hochachtung.

Bern, den 20. Januar 1967.

Im Namen des Schweizerischen Bundesrates, Der Bundespräsident : Bonvin Der Bundeskanzler: Ch. Oser

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(Entwurf)

Bundesbeschluss über die Erteilung einer neuen Konzession für die Frauenfeld-Wil-Bahn Die Bundesversammlung der Schweizerischen Eidgenossenschaft, gestützt auf Artikel 5 des Eisenbahngesetzes vom 20. Dezember 19571), nach Einsicht in ein Gesuch der Elektrischen Überlandbahn Frauenfeld-Wil vom 5. Juli 1965, nach Einsicht in eine Botschaft des Bundesrates vom 20. Januar 1967, beschliesst:

I Der Frauenfeld-Wil-Bahn wird unter den nachstehend aufgeführten Bedingungen eine neue Konzession für Bau und Betrieb einer Schmalspurbahn erteilt.

Art. l Gesetzgebung Die Bundesgesetze sowie alle übrigen bundesrechtlichen Vorschriften über Bau und Betrieb der vom Bund konzessionierten Eisenbahnen sind zu beachten.

Art. 2 Dauer Die Konzession wird für die Dauer von 20 Jahren, d.h. für die Zeit vom 15.Oktober 1967 bis U.Oktober 1987, erteilt.

Art. 3 Sitz Die Konzessionärin hat ihren Sitz in Frauenfeld.

1) AS 1958, 335.

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Art. 4 Linie Die Konzession gilt für die Linie Frauenfeld Bahnhof SBB-Wil Bahnhof SBB.

Art. 5 Strassenbenützung Für die Beanspruchung der öffentlichen Strasse durch die Konzessionärin ist die Strassenbenützuugsbe willigung des Kantons Thurgau vom l, Februar 1966 massgebend.

Art. 6 Lärmbekämpfung Soweit es mit der Sicherheit des Betriebes vereinbar ist, hat die Konzcssionarin die ihr zumutbaren Massnahmen zur Verminderung des durch ihren Betrieb bedingten Lärms zu treffen. Artikel 7 bleibt vorbehalten.

Art. 7 Pläne Die dem Betrieb dienenden Anlagen sowie die Fahrzeuge dürfen nur nach Plänen und Vorlagen erstellt oder geändert werden, welche von der Aufsichtsbehörde genehmigt worden sind. Diese Behörde ist berechtigt, auch nach Erstellung der Anlagen und Fahrzeuge deren Änderung zu verlangen, wenn die Betriebssicherheit oder die Landesverteidigung es erfordert.

Art. 8 Fahrplan Die Zahl der täglichen Züge und deren Verkehrszeiten haben sich nach den Bedürfnissen zu richten. Die Fahrplane sind nach den geltenden Bestimmungen aufzustellen und vor dem Inkrafttreten durch die Aufsichtsbehörde genehmigen zu lassen.

Art. 9 Befördemngspflicht

und Wagenklassen

1

Die Konzessionärin übernimmt die Beförderung von Personen, Reisegepäck, Tieren und Gütern.

3 Die Aufsichtsbehörde bestimmt, welche Wagenklassen zu führen sind.

Art. 10 Tarife 1

Für die Erstellung der Tarife sind die Taxgrundlagen der Schweizerischen Bundesbahnen massgebend.

247 2 Für die Ermittlung der Beförderungspreise dürfen zu den wirklichen Entfernungen Distanzzuschläge berechnet werden.

3 Die Tarife bedürfen vor ihrem Inkrafttreten der Genehmigung der Aufsichtsbehörde.

Art. 11

Haftpflichtversicherung 1

Die Konzessionärin hat sich gegen die Folgen ihrer in der Bundesgesetzgebung über die Haftpflicht der Eisenbahn- und Dampfschiffahrtsunternehmungen und der Post umschriebenen Haftpflicht bei einer in der Schweiz zum Geschäftsbetrieb zugelassenen Versicherungsunternehmung oder einer ändern, von der Aufsichtsbehörde anerkannten Einrichtung zu versichern.

2 Die Verträge über die Haftpflichtversicherung sowie deren nachträgliche Änderungen bedürfen der Genehmigung der Aufsichtsbehörde.

Art. 12 Personalfürsorge 1

Die Konzessionärin hat für das ständige Personal eine Dienstalterskasse oder eine Pensionskasse einzurichten oder es bei einer in der Schweiz zum Geschäftsbetrieb zugelassenen Versicherungsunternehmung oder einer ändern, von der Aufsichtsbehörde anerkannten Einrichtung zu versichern.

2 Die Konzessionärin hat dafür zu sorgen, dass das Personal gegen die wirtschaftlichen Folgen von Krankheit versichert ist.

Art. 13 Kontrolle Den eidgenössischen Beamten, denen die Aufsicht über Bau und Betrieb der Eisenbahnen obliegt, ist zu jeder Zeit freie Fahrt und freier Zutritt zu allen Teilen der Anlagen und der Fahrzeuge zu gewähren. Das zur Vornahme von Untersuchungen nötige Personal und Material, Pläne inbegri ITen, sind ihnen kostenlos zur Verfügung zu stellen. Die Konzessionärin und ihr Personal haben ferner den mit der Kontrolle betrauten Organen alle hiefür notwendigen Auskünfte zu erteilen.

Art. 14 Rückkauf Den Kantonen St. Gallen und Thurgau steht das Recht auf Rückkauf der Bahn zu. Der Rückkauf ist entsprechend den Bestimmungen des zehnten Abschnittes des Eisenbahngesetzes vorzunehmen.

II Der Bundesrat wird mit dem Vollzug dieses Beschlusses beauftragt.

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Botschaft des Bundesrates an die Bundesversammlung über die Erteilung einer neuen Konzession für die Frauenfeld-Wil-Bahn (Vom 20. Januar 1967)

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