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Kreisschreiben des Bundesrates an die Kantonsregierungen betreffend die Verwendung des Alkoholzehntels für die Bekämpfung des Alkoholismus # S T #

(Vom 3, März 1967) Getreue, liebe Eidgenossen !

In unserem Kreisschreiben vom ] 4. Mai 1948 haben wir, gestützt auf einen Bericht der Eidgenössischen Kommission gegen den Alkoholismus, dem Wunsche Ausdruck gegeben, Sie möchten bei der künftigen Verteilung der Zehntelsgelder die interkantonalen und gesamtschweizerischen Institutionen in vermehrtem Masse berücksichtigen. Dieser Empfehlung sind verschiedene Kantone in erfreulicher Weise nachgekommen. Gesamthaft sind aber die Zuwendungen an diese Institutionen im Verhältnis zur erheblichen Zunahme der Zehntelsgelder zurückgeblieben.

L Auf Grund der erhöhten Reincrträgnisse der Alkoholverwaltung ist der Betrag, welcher von den Kantonen als Alkoholzehntel zu verwenden ist, seit 1948/49 von l Million Franken auf 3,2 Millionen Franken im Geschäftsjahr 1964/65 gestiegen. In der gleichen Zeit haben die Aufwendungen für die Bekämpfung der Wirkungen des Alkoholismus (vorab Beitrage an Trinkerfürsorgesteilen und Trinkerheilanstalten) von 508000 Franken auf 2327000 Franken zugenommen oder sich mehr als vervierfacht. In der Vergleichsperiode stiegen die Beiträge der Kantone für die Bekämpfung der Ursachen des Alkoholismus von 458000 Franken auf 917000 Franken. Hier trat somit lediglich eine Verdoppelung der Beträge ein.

Die Verschiebung des Verhältnisses zwischen den Ausgaben für die Bekämpfung der Ursachen (Voi sorge) und der Wirkungen (Fürsorge) geht aus der nachstehenden Übersicht hervor, in der die Sachaufwendungen in Prozenten einander gegenübergestellt werden.

Bekämpfung der Ursachen der Wirkungen der Ursachen und Wirkungen zugleich Zusammen

1948/49

1964/65

% 37 40 23 100

% 25 64 Jl 100

641 II.

Diese Entwicklung widerspricht den Grundsätzen des Bundesbeschlusses vom 25. Juni 1908 über die Verwendung des Alkoholzehntels, wonach nicht nur die Bekämpfung der Wirkungen, sondern auch der Ursachen zu berücksichtigen ist. Mit Kreisschreiben vom 14. Mai 1948 haben wir im Sinne des obenerwähnten Bundesbeschlusses empfohlen, dass vermehrt Beiträge für die vorsorgerischen, d.h. prophylaktischen Massnahmen und Bestrebungen zur Bekämpfung des Alkoholismus ausgerichtet werden sollten. Dies ist nun aber nicht in genügendem Masse geschehen. Wenn auch der Entscheid darüber, in welchem Ausmass die einzelnen Institutionen und Bestrebungen zu berücksichtigen sind, Ihrem Ermessen anheimgcstellt ist, möchten wir Ihnen doch nahelegen, inskünftig Zehntelsgelder in höherem Masse als bisher Vorsorgebestrebungen zukommen zu lassen.

In der Vorsorge fällt der Aufklärung über die Alkoholgefahren eine grosse Bedeutung zu. In einer Zeit, da der Verbrauch alkoholischer Getränke und damit der Alkohohsmus eine nicht unerhebliche Zunahme erfahren haben, erachten wir die Anstrengungen in dieser Richtung als besonders wichtig. Nach unserem Dafürhalten sollte der Alkoholzehntel daher vor allem für die Aufklärung über die Alkoholgefahren eingesetzt werden. Beiträge an solche Bestrebungen dienen der Bekämpfung des Alkoholismus doch in viel ausgeprägterer Weise, als z.B.

Beiträge für die Unterstützung von Ferienkolonien, Schulsuppen oder Frauenvereinen. Auch die spezifische Aufklärung über die Alkoholgefahren, vor allem bei der Jugend, nützt der Bekämpfung des Alkoholismus besser als die Förderung von Volksbildungsbestrebungen allgemeiner Natur. Neben der Aufklärung verdienen aber auch andere Bestrebungen, wie z.B. für gesunde Volksernahrung, alkoholfreie Bauplatzverpflegung, Einrichtung und Betrieb von Gemeindestuben als vorsorgliche Massnahmen Unterstützung aus dem Alkoholzehntel.

Damit die Aufklärung wie die übrigen prophylaktischen Vorkehren wirk- , sam sind, müssen sie den heutigen Bedürfnissen und den Ansprüchen des Publikums angepasst werden; das erfordert die Bereitstellung zusätzlicher finanzieller Mittel. Erfahrungsgemäss erweist sich in dieser Beziehung die zielgerichtete Tätigkeit der gesamtschweizerischen Institutionen als besonders wirkungsvoll.

Im Vordergrund steht hier die Schweizerische Zentralstelle gegen
den Alkoholismus in Lausanne. Obschon ihr die Mehrheit der Kantone Beiträge aus dem Alkoholzehntel zuweist, fällt es dieser Institution schwer, die Mittel für eine nachhaltige Gestaltung ihrer Tätigkeit zu beschaffen. Sie entfaltet aber eine rege Aufklärungstätigkeit über die Gefahren des übermässigen Alkoholkonsums durch Vorträge, Filme, Schriften, Bildmaterial usw. Ferner gibt sie regelmässig Schulwandbilder zur Alkoholfrage mit Begleittexten an rund 8000 bis 10000 Lehrer und Jugendleiter gratis ab. Diese Unterlagen werden ausgiebig auch von nicht abstinenten Lehrern verwendet und ausgewertet. Auf diese Weise wird den Schulen wertvolles Unterrichtsmaterial für die Behandlung des Alkoholproblems kostenlos zur Verfügung gestellt.

Neben der Schweizerischen Zentralstelle gegen den Alkoholismus bestehen noch weitere alkoholgegnerische Institutionen, deren Tätigkeit sich ebenfalls Bundesblau. 119.Jahrg.Bd.I.

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auf das ganze Land erstreckt, allerdings mit dem Unterschied, dass sie mehr auf bestimmte Volksgruppen ausgerichtet ist.

III.

In unserem Bericht vom 26, Oktober 1965 an die Bundesversammlung über das Volksbegehren zur Bekämpfung des Alkoholismus wiesen wir darauf hin, dass der Gründgedanke der Initiative vorbehaltlose Unterstützung verdiene. Anlässlich der Behandlung des Volksbegehrens in den parlamentarischen Kommissionen und in der Bundesversammlung sowie während der Abstimmungskampagne ist die Notwendigkeit vermehrter Anstrengungen im Kampf gegen den Alkoholmissbrauch allgemein anerkannt worden. Angesichts der steten Zunahme des Verbrauches alkoholischer Getränke und der Alkoholschäden sowie nicht zuletzt im Hinblick auf die verhängnisvollen Folgen des Alkoholmissbrauches sowohl auf den Einzelnen, wie auf Familie und Volksgesamtheit, ist daher eine zielbewusste Bekämpfung der Ursachen des Alkoholismus von ganz besonderer Bedeutung. Der Einsatz vermehrter Mittel zu diesem Zweck darf indessen die Bekämpfung der Wirkungen des Alkohohsmus nicht schmälern.

Wir empfehlen Ihnen deshalb, die erhebliche Zunahme des Anteils der Kantone am Reinerträgnis der Alkoholverwaltung pro 1965/66 und den damit auf nahezu 5 Millionen Franken angestiegenen Alkoholzehntel zum Anlass zu nehmen, die finanzielle Unterstützung der Bekämpfung der Ursachen des Alkoholismus zu verstärken. Unseres Erachtens sollte das vor zwanzig Jahren bestehende Verhältnis, wonach der Alkoholzehntel hälftig für die Bekämpfung der Ursachen wie der Wirkungen des Alkoholismus eingesetzt wurde, wieder hergestellt werden.

Der Bundesrat hofft, dass die in Frage kommenden Kantone sich seinen Darlegungen anschliessen und von sich aus die von ihm gewünschten Änderungen vornehmen werden. Sollte dies nicht der Fall sein, so würde sich der Bundesrat veranlasst sehen zu prüfen, mit welchen anderen Massnahmen die zweckmässigere Verwendung der Zehntelsgelder erreicht werden könnte.

Wir benützen diesen Anlass, um Sie, getreue, liebe Eidgenossen, samt uns dem Machtschutze Gottes zu empfehlen.

Bern, den 3. März 1967.

Im Namen des schweizerischen Bundesrates, Der Bundespräsident: Bonvin Der Bundeskanzler: Ch.Oser 9503

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1967

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30.03.1967

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