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Parlamentarische Initiative Bundesgesetz über Ergänzungsleistungen zur Alters-, [unterlassenen- und Invalidenversicherung. Änderung Bericht der Kommission des Ständerates vom 26. Mai 1983

Sehr geehrte Herren Präsidenten, sehr geehrte Damen und Herren, Die Kommission, welche das Geschäft 83.028 (AHV/IV für Ehefrauen von Schweizern im Ausland) vorzuberaten hatte, ist bei ihrer Arbeit auf ein aktuelles Problem bei der Anwendung des Bundesgesetzes vom 19. März 1965 über die Ergänzungsleistungen von AHV und IV (ELG) gestossen.

Sie unterbreitet Ihnen deshalb eine parlamentarische Initiative zur Änderung dieses Bundesgesetzes.

Die Initiative stützt sich auf Artikel 21octies des Geschäftsverkehrsgesetzes. Gemäss dieser Vorschrift überweisen wir den Gesetzesentwurf und die Erwägungen der Kommission den Ratsmitgliedern zur Kenntnis und dem Bundesrat zur Stellungnahme.

Antrag Die Kommission beantragt, der Initiative Folge zu geben und dem Gesetzesentwurf zuzustimmen.

Beilagen 1 2

Text der Initiative Erläuterungen der Kommission

26. Mai 1983

382

Im Namen der Kommission Die Präsidentin: Lieberherr

1983-510

Beilage l

Bundesgesetz

Entwurf

über Ergänzungsleistungen zur Alters-, Hinterlassenenund Invalidenversicherung (ELG) Änderung vom

Die Bundesversammlung der Schweizerischen Eidgenossenschaft, nach Prüfung einer parlamentarischen Initiative, nach Einsicht in den Bericht einer Kommission des Ständerates vom 26. Mai 1983 D und in die Stellungnahme des Bundesrates vom 13. Juni 19832), beschliesst:

I Das Bundesgesetz vom 19. März 19653) über Ergänzungsleistungen zur Alters-, Hinterlassenen- und Invalidenversicherung (ELG) wird wie folgt geändert: Art. 3 Abs. 4bis zweiter Satz 4bis ... Der Bundesrat bezeichnet die Arzt-, Zahnarzt-, Arznei-, Pflege- und Hilfsmittelkosten sowie die Kiankenversicherungsbeiträge, die abzugsberechtigt sind.

II 1

Dieses Gesetz untersteht dem fakultativen Referendum.

2

Der Bundesrat bestimmt das Inkrafttreten.

9310

» BEI 1983 III 382 > BB1 1983 III 388

2

3

) SR 831.30 383

Beilage 2 Erläuterungen der Kommission l 11

Ausgangslage

Artikel 3 Absatz 4bis des Bundesgesetzes vom 19. März 1965 über Ergänzungsleistungen zur Alters-, Hinterlassenen- und Invalidenversicherung (Big; SR 831.30) lautet gegenwärtig wie folgt: Bei den Kosten nach Absatz 4 Buchstabe e gilt ein Selbstbehalt von 200 Franken im Jahr, wenn das Reinvermögen die Beträge nach Artikel 3 Absatz l Buchstabe b erreicht oder übersteigt. Der Bundesrat bezeichnet die Arznei- und Hilfsmittel sowie die Geräte für Pflege und Behandlung, deren Kosten abzugsberechtigt sind; er bestimmt, unter welchen Voraussetzungen ein Abzug der Kosten zulässig ist und in welchen Fällen ein Hilfsmittel, ein Pflegehilfsgerät oder ein Behandlungsgerät leihweise abgegeben wird.

12 Die im zweiten Satz dieser Bestimmung enthaltene Kompetenzdelegation sollte erweitert werden, um dem Bundesrat neu die Möglichkeit zu geben, insbesondere auch die Frage verbindlich zu regeln, inwieweit die Krankenkassenprämien im Rahmen der Ergänzungsleistungen berücksichtigt werden können. Dies aus folgenden Gründen:

13 Ursprünglich war in dem am 1. Januar 1966 in Kraft getretenen ELG bestimmt, dass die Prämien für die Krankenversicherung zusammen mit weiteren Versicherungsprämien nur in einem begrenzten Rahmen, d.h. bis 300 Franken im Jahr für Alleinstehende und bis 500 Franken im Jahr für Ehepaare von dem für die Bemessung der Ergänzungsleistung anrechenbaren Einkommen abgezogen werden können. Mit der auf I.Januar 1971 in Kraft getretenen Revision des ELG (AS 1971 32) wurden die Krankenkassenprämien den Beiträgen an die AHV/IV/EO gleichgestellt, d. h- betragsmässig grundsätzlich keiner Begrenzung mehr unterworfen (Art. 3 Abs. 4 Est. d ELG). Dieser Wegfall der Limitierung, d. h. der «unbeschränkt» zugelassene Abzug diente einzig dem Ziel - wie dies in der Botschaft des Bundesrates vom 28. Januar 1970 ausdrücklich erwähnt wird (BB1 1970 l 151) - den starken Prämienerhöhungen Rechnung zu tragen und allen Versicherten - auch den Betagten und Invaliden - den Beitritt zu einer Krankenversicherung zu erleichtern. Von einer Übernahme der Prämien für die Behandlung in der privaten oder halbprivaten Abteilung einer Heilanstalt war nicht die Rede. Dies geht übrigens auch daraus klar hervor, dass die aus dieser Änderung entstehenden Mehrkosten auf etwa l Million Franken im Jahr geschätzt wurden (BB1 1970 I 157) bei einem damaligen Bestand von über 100 000 krankenversicherten EL-Bezügern.

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14 Mitte der siebziger Jahre wurde bei den in verschiedenen Kantonen vom Bundesamt für Sozialversicherung (BSV) durchgeführten Kontrollen festgestellt, dass nicht mehr nur ganz vereinzelt, sondern in zunehmendem Masse EL-Bezüger relativ hohe für die Behandlung in der privaten oder halbprivaten Abteilung bestimmte Krankenversichenmgsprämien bei den Ergänzungsleistungen geltend machen. Da nach Artikel 8 der Verordnung des EDI vom 20. Januar 1971 über den Abzug von Krankheits- und Hilfsmittelkosten bei den Ergänzungsleistungen (ELKV; SR 831.301.1) und gemäss Rechtsprechung des Eidgenössischen.

Versicherungsgerichtes (EVG) bei den nicht krankenversicherten EL-Bezügern grundsätzlich nur die Kosten der Behandlung in der allgemeinen Abteilung eines Spitals durch die Ergänzungsleistungen vergütet werden, vertrat das BSV die Meinung, dass dem Grundsatz der Gleichbehandlung entsprechend auch bei den krankenversicherten EL-Bezügern nur die für eine Behandlung in der allgemeinen Abteilung zu entrichtenden Prämien im Rahmen der Ergänzungsleistungen Berücksichtigung finden dürfen. Mangels einer ausdrücklichen Kompetenzdelegation für die Frage des Abzuges der Krankenkassenprämien in Artikel 3 Absatz 4bis ELG konnte aber eine entsprechende Regelung nicht auf dem Verordnungswege eingeführt werden. Das BSV hat deshalb versucht, diese Lücke durch seine Verwaltungsweisungen zu schliessen. Es hat die Krankenkassenprämien nur soweit für die Krankenpflege als abziehbar erklärt, als die Versicherung zur Deckung der Kosten in der allgemeinen Abteilung dient. Diese Regelung blieb jahrelang unangefochten. Erst in jüngster Zeit bekam das EVG Gelegenheit, über die Frage zu befinden. In drei im Februar 1983 ergangenen Urteilen hat es die Verwaltungsweisungen als bundesrechtswidrig erklärt. Nach diesen Urteilen wären auch Krankenversicherungsprämien für die Behandlung in der privaten oder halbprivaten Abteilung eines Spitals voll abziehbar. Als Begründung führt das EVG im wesentlichen an, dass Artikel 3 Absatz 4 Buchstabe d ELG den unbeschränkten Abzug der Krankenkassenprämien vom anrechenbaren Einkommen vorsieht. Eine andere Auslegung aus Sinn und Zweck des Gesetzes sei praxisgemäss nur angebracht, wenn ein unklarer Text geklärt werden müsse, was hier jedoch nicht zutreffe. Im übrigen gehe aus der bundesrätlichen Botschaft vom 28. Januar 1971 hervor, dass die Beiträge an die Krankenversicherung nunmehr «unbeschränkt zum Abzug zugelassen werden» sollen.

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Rechtliche Erwägungen

21 Wie bereits unter Abschnitt 13 ausgeführt, stand bei der Revision des ELG auf I.Januar 1971 der Wegfall der Begrenzung des Abzugs für Krankenkassenprämien in keinem Zusammenhang mit der Frage der Behandlung in der privaten oder halbprivaten Abteilung einer Heilanstalt, da sich zu jener Zeit diese Frage mangels praktischer Bedeutung überhaupt nicht stellte. Sie wurde erst in der zweiten Hälfte der siebziger Jahre aktuell. Zwar hat das EVG zu Recht darauf hingewiesen, der Gesetzgeber habe damals ausdrücklich einen unbeschränkten 385

Prämienabzug zulassen wollen. Wäre aber die Frage des Prämienabzuges für die Behandlung in einer privaten oder halbprivaten Abteilung eines Spitals schon zu jener Zeit aktuell gewesen, so wäre sie zweifellos im Sinne der späteren Verwaltungs weisung geregelt worden. Gemäss Artikel 11 der Übergangsbestimmungen der Bundesverfassung (BV) ist es ja Aufgabe der Ergänzungsleistungen als Bestandteil der ersten Säule, zusammen mit der AHV- oder IVRente, einen angemessenen Existenzbedarf TU sichern. Mit dem Grundsatz der Sicherung eines angemessenen Existenzbedarfes ist es nun aber unvereinbar, Versicherungsprämien für die Behandlung in einer privaten oder halbprivaten Abteilung eines Spitals zu finanzieren. Ein solches Ziel, nämlich die Fortführung der gewohnten Lebenshaltung in angemessenem Rahmen, fällt laut Artikel 34iuater BV in den Aufgabenbereich der zweiten Säule, nicht der ersten.

Selbstverständlich bleibt es dem EL-Bezüger unbenommen, seinen Versicherungsschutz noch zusätzlich auszubauen; den entsprechenden Prämienzuschlag hat er aber selbst zu bezahlen.

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Durch die Rechtsprechung des EVG entsteht eine Ungleichbehandlung: Dem krankenversicherten EL-Bezüger wird über die Vergütung der Krankenkassenprämien die Behandlung in der privaten oder halbprivaten Abteilung eines Spitals finanziert, dem nicht Krankenversicherten dagegen werden nur die Kosten der allgemeinen Abteilung vergütet.

23 Im übrigen sei darauf hingewiesen, dass in der obligatorischen Unfallversicherung, in der Invalidenversicherung wie auch weitgehend in der Militärversicherung nur die Kosten für die Behandlung in der allgemeinen Abteilung übernommen werden. Es würde in der Öffentlichkeit kaum verstanden, wenn bei den Ergänzungsleistungen, die voll von der öffentlichen Hand finanziert werden, von diesem Prinzip abgewichen würde.

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Finanzielle Auswirkungen

In Anbetracht der finanziellen Lage von Bund und Kantonen spielt auch die Frage der Mehrkosten eine nicht zu unterschätzende Rolle (1982 beliefen sich die EL-Ausgaben auf total 543,7 Mio. Fr.; davon entfielen 279 Mio. Fr. auf den Bund und 264,7 Mio. Fr. auf die Kantone). Wie Abklärungen bei einer repräsentativen kantonalen EL-Durchführungsstelle ergaben, müsste schon heute als Folge der Rechtsprechung des EVG gesamtschweizerisch mit jährlichen:Mehrkosten von 15-20 Millionen Franken gerechnet werden. Da nach Bekanntwerden dieser Rechtsprechung bestimmt viele der ungefähr 100000 krankenversicherten EL-Bezüger ihre Krankenversicherung - soweit ihnen die Möglichkeit hiezu noch offensteht - zu Lasten der öffentlichen Hand ausbauen, und zudem AHV/IV-Rentner, die heute wegen des begrenzten Abzuges der Krankenkassen386

prämien noch nicht EL-Bezüger sind, neu in die EL-Berechtigung gelangen würden, müsste schon mittelfristig mit einer starken Erhöhung des vorerwähnten Betrages gerechnet werden.

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Schlussbemerkung

Mit der vorgeschlagenen Neufassung des zweiten Satzes von Artikel 3 Absatz 4bis ELG soll die gesetzliche Grundlage für die Weiterführung der bisherigen Regelung ohne irgendweichen Leistungsabbau geschaffen werden.

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zu 83.221 Parlamentarische Initiative Bundesgesetz über Ergänzungsleistungen zur Alters-, Hinterlassenen- und Invalidenversicherung. Änderung Stellungnahme des Bundesrates vom 13. Juni 1983

Sehr geehrte Herren Präsidenten, sehr geehrte Damen und Herren, Der Bundesrat hat von der parlamentarischen Initiative und vom begleitenden Bericht der Kommission des Ständerates vom 26. Mai 1983 betreffend die Änderung von Artikel 3 Absatz 4bls zweiter Satz des Bundesgesetzes über die Ergänzungsleistungen zur Alters-, Hinterlassenen- und Invalidenversicherung (ELG; SR 831.30) (BB1 1983 III 382) Kenntnis genommen. Er teilt die Meinung der Kommission, dass der Abzug von Krankenversicherungsprämien für die Berechnung der Ergänzungsleistungen auf die Prämien für die Behandlung in der allgemeinen Abteilung eines öffentlichen Spitals begrenzt werden sollte. Er beantragt daher, der parlamentarischen Initiative auf Änderung des ELG zuzustimmen.

Wir versichern Sie, sehr geehrte Herren Präsidenten, sehr geehrte Damen und Herren, unserer vorzüglichen Hochachtung.

13. Juni 1983

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Im Namen des Schweizerischen Bundesrates Der Bundespräsident: Aubert Der Bundeskanzler: Buser

1983-511

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Parlamentarische Initiative Bundesgesetz über Ergänzungsleistungen zur Alters-, [Hinterlassenen- und Invalidenversicherung. Änderung Bericht der Kommission des Ständerates vom 26. Mai 1983

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1983

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33

Cahier Numero Geschäftsnummer

83.221

Numéro d'affaire Numero dell'oggetto Datum

23.08.1983

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382-388

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