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Botschaft über eine Änderung der Übergangsbestimmungen zum Schweizerischen Strafgesetzbuch

vom 29. Juni 1983

Sehr geehrte Herren Präsidenten, sehr geehrte Damen und Herren, Wir beehren uns, Ihnen Botschaft und Entwurf zu einem Bundesbeschluss über eine Änderung der Übergangsbestimmung zum Schweizerischen Strafgesetzbuch mit dem Antrag auf Zustimmung zu unterbreiten.

Wir versichern Sie, sehr geehrte Herren Präsidenten, sehr geehrte Damen und Herren, unserer vorzüglichen Hochachtung.

29. Juni 1983

1983-463

17 Bundesblatt. 135. Jahrg. Bd. III

Im Namen des Schweizerischen Bundesrates Der Bundespräsident: Aubert Der Bundeskanzler: Buser

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Übersicht Der Bundesbeschluss bezweckt, die in Ziffer II der Schlussbestimmungen zur Änderung des Schweizerischen Strafgesetzbuches vom 18. März 1971 vorgesehene, Ende dieses Jahres ablaufende Frist für die Verwirklichung der Anstaltsreformen nach Artikel 93ter StGB (Einrichtungen für besonders schwierige Jugendliche: Therapieheim, Anstalt für Nacherziehung) um zwei Jahre zu verlängern, da die Kantone die bestehende Frist nicht einhalten können.

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Botschaft I II

Allgemeiner Teil Rechtslage

In der Absicht, den Vollzug jugendstrafrechtlicher Massnahmen in Strafanstalten künftig auszuschliessen, wurde im Rahmen der Änderung vom 18. März 1971 des Schweizerischen Strafgesetzbuches (StGB; SR 311.0) ein Artikel93ter geschaffen, der für den Vollzug von Massnahmen an besonders schwierigen Jugendlichen das Therapieheim und die Anstalt für; Nacherziehung vorsieht. Ziffer II der Schlussbestimmungen zur Änderung vom 18. März 1971 des StGB verpflichtet die Kantone, die erforderlichen Anstaltsreformen spätestens innert zehn Jahren nach Inkrafttreten der revidierten Bestimmungen durchzuführen.

Die geänderten Bestimmungen zum Straf- und Massnahmenvollzug an Minderjährigen sind auf den 1. Januar 1974 in Kraft gesetzt worden; die Frist läuft somit Ende 1983 ab.

Gestützt auf die erwähnte Ziffer II der Schlussbestimmungen hat der Bundesrat in Artikel? der Verordnung (1) zum StGB (VStGB 1; SR 311.01) ferner eine Übergangsbestimmung erlassen, wonach bis «zur Schaffung einer Anstalt für Nacherziehung ... die zuständige Behörde einen Jugendlichen, der sich in einem Erziehungsheim als untragbar erweist und nicht in ein Therapieheim gehört, in eine Anstalt gemäss Artikel 37 StGB einweisen» kann. Es handelt sich dabei um Anstalten für Erstmalige, für Rückfällige und um freier geführte Anstalten.

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Sachlage

Gegenwärtig stehen vier Einrichtungen nach Artikel 93ter StGB zur Verfügung: In der deutschsprachigen Schweiz das Therapieheim Sonnenblick in Kastanienbaum, Kanton Luzern (weibliche Jugendliche, 14 Plätze) und die dem Jugendheim Prêles, Kanton Bern, angegliederte Anstalt für Nacherziehung (männliche Jugendliche, 8 Plätze), in der Westschweiz die Therapieheime Gorgier, Kanton Neuenburg (weibliche Jugendliche, 16 Plätze) und Le Bosquet in Genf (männliche Jugendliche, 7-8 Plätze). Mit einer Ausnahme waren diese Einrichtungen im Jahre 1982 durchschnittlich zu über 90 Prozent ausgelastet, also voll belegt.

Den Bemühungen der Kantone und privater Träger, alle bundesrechtlich vorgeschriebenen neuen Einrichtungen in Betrieb zu nehmen, war bislang jedoch kein durchschlagender Erfolg beschieden. Zwar haben sowohl die von den beiden Strafvollzugskonkordaten der deutschsprachigen Schweiz eingesetzte «Koordinationskommission für den Jugendmassnahmenvollzug der deutschsprachigen Schweiz» als auch die von den zuständigen Departementen der Westschweiz beauftragte «Commission du Groupe romand des jeunes inadaptés chargée de l'étude de la coordination intercantonale romande quant à l'équipement institutionnel requis par le droit pénal des mineurs» verschiedene Vorschläge zur Verwirklichung dieser Einrichtungen vorgelegt. Da solche spezialisierten Einrichtungen betrieblich aufwendig sind und für eine ganze Sprachre407

gion geplant und geführt werden müssen, konnten diese Vorschläge von den davon betroffenen Kantonen noch nicht realisiert werden.

Zurzeit fehlen deshalb in der deutschsprachigen Schweiz ein Therapieheim für männliche und eine Anstalt für Nacherziehung für weibliche Jugendliche, in der Westschweiz die Anstalten für Nacherziehung für männliche und für weibliche Jugendliche. Nachdem das Eidgenössische Justiz- und Polizeidepartement die Konferenz der kantonalen Justiz- und Polizeidirektoren am 5. November 1982 erneut auf den bevorstehenden Ablauf der Übergarigsfrist aufmerksam gemacht und verschiedene Lösungsmöglichkeiten aufgezeigt hatte, hat die Konferenz mit Schreiben vom 20. April 1983 beantragt, die in Ziffer II der Schlussbestimmungen festgesetzte Frist um zwei Jahre zu verlängern.

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Würdigung

Mit der Änderung des StGB von 1971 hat der Gesetzgeber den Vollzug jugendstrafrechtlicher Massnahmen in Strafanstalten als unzweckmässig ausschliessen wollen. Es gibt keinen Grund, heute von diesem Ziel abzugehen. Anderseits ist in Rechnung zu stellen, dass die Kantone die fehlenden Einrichtungen unmöglich bis Ende 1983 in Betrieb nehmen können.

Nachdem die Konferenz der kantonalen Justiz- und Polizeidirektoren über ihre Kommission für Strafvollzug und Anstaltswesen die Koordinationskotnmission für den Jugendmassnahmenvollzug der deutschsprachigen Schweiz beauftragt hat, bis Herbst 1983 ein Programm für eine kurzfristige Realisierung der fehlenden Einrichtungen für besonders Schwierige vorzulegen, bestehen gute Aussichten, dass die entsprechenden Bemühungen der Kantone bis Ende 1985 zum Erfolg führen. Eine Erstreckung der Frist nach Ziffer II der Schlüssbestimmungen um zwei Jahre muss deshalb für Einrichtungen nach Artikel 93ter StGB in Kauf genommen werden. Würde darauf verzichtet, so wäre der Vollzug dieser Massnahmen an besonders schwierigen Jugendlichen ab 1984 in Frage gestellt. Sollten die Kantone wider Erwarten auch Ende 1985 nicht über diese Einrichtungen verfügen, müsste der Massnahmenvollzug an besonders schwierigen Jugendlichen im Rahmen der Erziehungsheime nach Artikel 91 StGB sichergestellt werden; eine weitere Fristverlängerung, welche die Einweisung dieser Jugendlichen in Strafanstalten erlaubt, käme nicht mehr in Frage.

Der Bundesrat beabsichtigt indessen, die in Artikel 7 VStGB (1) enthaltene Übergangsbestimmung zu Artikel 93ter Absatz 2 StGB auf den 1. Januar 1984 zu ändern, mit dem Ziel, den Anliegen des Gesetzgebers während der verlängerten Übergangsfrist besser gerecht zu werden. Nach geltendem Recht können Jugendliche, die eigentlich in eine Anstalt für Nacherziehung gehörten, in eine Anstalt gemäss Artikel 37 StGB (Anstalt für Erstmalige, für Rückfällige, freier geführte Anstalten) eingewiesen werden. Es ist nicht einzusehen, weshalb diese Jugendlichen nicht auch in einer Arbeitserziehungsanstalt für junge Erwachsene nach Artikel 100bis StGB oder - jedenfalls für kurze Zeit - auch in einer Haftanstalt untergebracht werden können. Als kriminalpolitisch problematisch ist dagegen die Einweisung eines Jugendlichen in eine Anstalt für Rückfalltäter zu werten. Aus diesen Gründen soll im zu ändernden Artikel 7 VStGB (1) präzi408

sieri werden, dass diese Jugendlichen bis Ende 1985 je nach den persönlichen Umständen in eine Anstalt für Erstmalige, eine freier geführte Anstalt, eine Arbeitserziehungsanstalt für junge Erwachsene oder - für die Dauer von höchstens drei Monaten - in eine Haftanstalt eingewiesen werden können.

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Bemerkungen zu den Bestimmungen des Bundesbeschlusses

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Verlängerung der Übergangsfrist

In die Schlussbestimmungen wird der Satz eingefügt, wonach für Einrichtungen nach Artikel 93ter StGB die Frist für die Verwirklichung der Anstaltsreformen nicht bloss zehn, sondern längstens zwölf Jahre dauert.

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Dringlichkeit

Der Bundesbeschluss wird als dringlich erklärt; die zeitlichen und sachlichen Voraussetzungen dazu sind nach dem unter Ziffer l hiervor Gesagten gegeben.

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Bundesbeschluss über eine Änderung der Übergangsbestimmungen zum Schweizerischen Strafgesetzbuch

Entwurf

Änderung vom

Die Bundesversammlung der Schweizerischen Eidgenossenschaft, nach Einsicht in eine Botschaft des Bundesrates vom 29. Juni 19831), beschliesst: I

Das Bundesgesetz vom 18. März 19712) betreffend Änderung des Schweizerischen Strafgesetzbuches3' wird wie folgt geändert: Schlussbestimmungen, Ziff. II Die nach diesem Gesetz erforderlichen Anstaltsreformen sind von den Kantonen so bald als möglich, spätestens jedoch innert zehn Jahren nach Inkrafttreten der revidierten Bestimmungen durchzuführen. Für Einrichtungen nach Artikel 93ter des Gesetzes beträgt diese Frist längstens zwölf Jahre. Der Bundesrat trifft in der Zwischenzeit die nötigen Anordnungen.

II 1

Dieser Beschluss ist allgemeinverbindlich.

Er wird nach Artikel 89bis Absatz l der Bundesverfassung als dringlich erklärt und tritt am Tage der Verabschiedung in Kraft.

3 Er untersteht nach Artikel 89bls Absatz 2 der Bundesverfassung dem fakultativen Referendum und gilt bis zum 31. Dezember 1985.

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') BEI 1983 III 405 > AS 1971 777 3 > SR 311.0 2

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Schweizerisches Bundesarchiv, Digitale Amtsdruckschriften Archives fédérales suisses, Publications officielles numérisées Archivio federale svizzero, Pubblicazioni ufficiali digitali

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