260

#ST#

B

e

r

i

ch

t

e

der .

eidg. Kommissäre über die Flütchtlingsangelegenheit in Genf.

(Vom 28., 29. und 30. Juni 1858.)

I. Bericht.

Zürich und B a s e l , den 28. Ju.ni 1858.

Das eid.g. Kommissariat an den h. schweizerischen Bundesrath.

Hochgeachtete Herren!

Mit verehrlichem Schreiben vom ...... Juni a. c. laden Sie uns ein, Jhnen unsere Bemerkungen und Anträge zu übermachen, zu deuen wir uns durch die neue Denkschrift des Genfer'schen Staatsrathes vom 31. Mai und l. Juni veranlaßt finden.

Jn Erledigung dieser Aufforderung glauben wir eine kurze historische Darstellung des bisherigen Ganges dieser Angelegenheit voraus schielen zu sollen.

Die Klagen über die mangelhafte Flüchtlingspolizei in Genf find schon ältern Datums. Um billig zu sein, muß man anerkennen, daß die örtliche Lage Genf.s an der Gränze dreier Nationen es schon von Natur mit sich bringt, daß diejenigen, welche von dort aus irgend einem Grunde sieh expatriiren, vvrzuasweife sich nach Gens wenden, dessen industrielle und soeiale Verhältnisse und dessen politische Institutionen den Aufenthalt daselbst ohnehin vielen Fremden wünschbar machen. Es ist von vorn herein klar, daß aus eben denselben Gründen die Polizei der Nachbarstaaten ein ganz besonderes Augenmerk auf Genf gerichtet hat, wo notorisch beständig eine größere Zahl fremder geheimer Polizeiagenten thätig ist. Man sollte freilich annehmen dürfen , dieß werde die Behörden Genf's selbst ebenfalls zu doppelter Wachsamkeit veranlassen. Ohne hierüber weiter einzutreten, konstatiren wir vor der Hand nur die Thatsache, daß der größte Theil der ausländischen, namentlich französischen Reklamationen gegen Umtriebe von Flüchtlingen gegen Genf gerichtet waren, und daß deßhalb der Bundesrath sich veranlaßt fand, schon mehrfach eidgenössische Kommissäre (die Herren Kern , Trog , Sidler , Aepli und die beiden Unterzeichneten) zu verschiedenen Zeiten ..ach Gens abzuordnen und die Behörden jenes Kautons zu ersuchen, im Jnteresse des Gesa.nmtvaterlandes eine etwas strengere Ordnung einzuführen. Nicht bloß die Rücksichten auf die Nachbar-

.^ siaaten, sondern auch eigene innere Jnteressen machten dieß wiinfchbar. Der .Bund hat mit großer Mühe die Heimathlosenangelegenheit bereinigt. Soll nicht diese ganze Arbeit nutzlos werden und wieder der alte Zustand ein.reißen, so müssen wohl die Kantone sich bequemen, mit Bezug auf Personen, die in Gefahr sind, ihre bisherigen Heimathrechte zu verlieren, zum .mindesten eine gewisse Kontrole auszüben. Die Nachläßigkeit eines einzigen Kantons gefährdet in dieser Beziehung die Jnteressen Aller.

Von diesen Betrachtungen ausgehend, hat der Bundesrath, abgesehen von einer Reihe spezieller Ausweisungsdekrete, schon seit einer längern Reihe

von Jahren gewii.se Grundsätze über die Flüchtlingspolizei aufgestellt und ^

je nach Bedürfniß mit größerer oder geringerer Strenge festgehalten. Der ^ eine diefer Grundsätze bestand darin, daß aus Rücksicht aus die nachbaxlichen Verhältnisse die Jnternirung der Flüchtlinge angeordnet wurden Ge-

rade mit Rücksicht auf die französischen und italienischen Flüchtlinge hat dex .Bundesrath schon unterm 15. Februar 1851 folgenden Beschluß gefaßte ..,Der s^weizeris.^e Bnndesr.^t^ hat auf den Antrag des Departements beschlossen: ^

1) Es seien die sämmtlichen französischen und italienischen Flüchtlinge nicht nur aus den Kantonen Genf und Neuenburg , sondern auch aus den Kantonen Waadt, Wallis, Freiburg und dem bernischen Jura zu interniren ; 2) das Justiz^ und Polizeibepartement wird angewiesen, diesen Beschluß in dem Sinne zu vollziehen, daß die auf der eidg. Kontrole befindlichen und einzelnen dieser Kantone zugetheilten franzosischen . und . italienischen Flüchtlinge in mehrere Kantone verlegt und die letztern ermächtigt werden, eben so viele deutsche Flüchtlinge an die. erstern abzugeben. Allfällig weitere französische und italienische Flüchtlinge sind einfach im Sinne gegenwärtigen Beschlusses, Ziffer I, zu interniren, um in andern Kantonen ein ^ls.^l zu suchen, oder, sofern sie es nicht erhalten, die Schweiz zu verlassen.^ Eine zweite Maßregel des Bundesrathes bestand darin, daß jede^ Kanton angehalten wurde, eine besondere Kontrole über die politischen Flüchtlinge zu führen und den Bestand derselben von Zeit zu Zeit dem Bundesrathe einzuberiehten.

Diesen beiden Verfügungen des Bundesrathes wurde im Ganzen in allen Kantonen getreulich nachgelebt; der h. Stand Genf indessen erklärte schon feit Jahren, daß er keine Kontrole einliefern könne, weil sich keine politischen Flüchtlinge mehr in Genf befinde.. , von welcher Behauptung ausgehend es ihm natürlich auch an Stoff zur Exekution fehlte.

Wenn der Staatsrath von Genf in seinem Memorial diesen Punkt r.egirt,^so genügt es, dem gegenüber eine Stelle feines Schreibens von..

4. Februar wörtlich anzuführen :

262 ,,Nous vous remettons ci-joints 1es détails sur cliacun des noni ^ ,,qui composent cette liste , et vous pourrez facilement en tirer la . ^conséquence, d'abord de ce que nous vous avons dit plusieurs fois ,.^'il n'existe ^as .^ ^ro,^re..nent ,^rler de ^.e^u^i^s italiens ^ .^e,,n.^e, reconnus eo^^e t^ls ^r notre police ,. .^ tr.^s-,^eu d'e.^ce^tio^s ^r..'.s, to.^s ce.^ .^'on c'est ^l^ ^ deiner .^o^^e tels, n'a.^ient o.^^ten.^ de .^er^is de se^o^r i.^i ^e co,,^e d'.^tres etr^.^ers, s.^r de,,,^ot de ,^^iers soit d'^ne ^iss.^n.^e so^t d'.^ne .^tre..^ Trotz dieser Versicherungen des h. Staatsrathes von Gens liefen Namentlich ge^en Ende des Jahres 1857 Klagen der französischen Gesandtfchaft beim Bundesrathe ein, daß sich eine größere Zahl italienischer und französischer Flüchtlinge in Genf angesammelt habe, und d a ß . i n s b e - ^ sondere sich daselbst eine Gesellschaft italienischer Flüchtlinge befinde, welche sich mit revolutionärer Propaganda befasse. Die Gesandtschaft lieferte ein Verzeichniß von Theilneh.nern dieser Gesellfchast, bezeichnete deren Ehefs, Versammlungsorte u. s. f.

Während hierüber Verhandlungen zwischen dem Bundesrathe und der Genfer^ Regierung stattfanden, erfolgte unterm 14. ^Januar 1858 in Paris das bekannte verbrecherische Attentat gegen den Kaiser Napoleon, bei welchem insbesondere italienische Flüchtlinge sich betheiligt hatten. Verschiedene ^Jndizien liefen vermuthen, daß die gehei^ men Gesellschaften eine^ gewisse, wenn auch unbestimmte Kenntniß hatten, daß eine Katastrophe vorbereitet werde, und es ..lief in Genf ein Gerücht .um, daß noch ein weiteres Mordattentat gegen den^ König Vietor En.anuel von Sardinien beabsichtigt werde , ^was dem sardinifchea Kabinete zur Kenntniß gebracht wurde.

Begreiflicherweise machten diefe Verhältnisse den Bundesbehörden doppelte. Vorsicht zur Pflicht, ganz abgesehen davon, daß von der französi^ schen Regierung gleichzeitig eine Note ankam , welche die Beschwerden er.^ .neuerte , auf Genf besonders hinwies und mit einer faft drohenden Wen^ dung ein^ Einschreiten forderte. ^ Der Bundesrath^ gab von dieser Note der Regierung von Gens durch^ Herrn Landamn.ann Aepli von St. Gallen vertrauliche Kenntni.ß und wünschte nähere Aufschlüsse über die Zahl der in Genf befindlichen Flüchtlinge, die ^as^ Gerücht sehr vergrößert hatte, sowie über
die quästionirliche italienische Gesellschaft. Die Regierung von .^enf sprach sich, wie oben bemerkt, dahin aus, daß so zu sagen keine Flüchtlinge in Genf fich aufhalten .und daß jene ^efellschaft eine bloße Hülfsgefellschaft sei, die den sardinifchen Konsul als^ Ehrenpräsidenten erwählt habe. Eine vorläufig angeordnete Untersuchung ergab , daß die von ^er sranzösischen Gesandtschaft eingegebene Liste der Theilnehn.er u. s. f..

jedenfalls höchst ungenau sei. Erneuerte Mittheilungen und die Angaben eines gewissen Manzini oder Manzoni, welche in Gegenwart des französischen ^und sardinifchen Konsuls gemacht wurden, daß trotz allem diese Ge^ sellschaft doch sich mit Politik befasse, veranlagten den Bundesrath, sein früheres Jnternirungsdekret zu erneuern, und durch Absendnng zweier Komrissare demselben Vollziehung zu verschaffen. Der dießfällige Beschluß

^

^ ^des Bundesrathes vom 15. Februar a. c. lautet folgendermaßen (stehe Buudesblatt vom J. I^8, Band l, Seite 102)..

^er s^^iizeris...^ Bunde.^atl) hat .^ nach Einsicht des ihm vom eidg. Justiz- und Polizeid..parte^e..te exstatteten Berichts über die Vermehrung italienischer und französischer Flüchtlinge in Genf, so wie nach Prüfung der vorgelegten Akten, in E r w ä g u n g : 1) daß der Bundesrath bisanhin in Erfüllung internationaler Pflichten ^ stetsfort darauf gehalten hat, daß in Gränzkantonen keine Flüchtlinge sich aufha.ten, von welchen die Regierungen benachbarter Staaten .Init Grund befürchten können, dieselben gefährden die Ruhe und die Sicherheit ihrer Länder;

2) daß seit einiger Zeit in Genf italienische und französische Flüchtlinge in nicht unbedeutender Anzahl sich angesammelt haben;

^3) daß viele und gewichtige Anzeigen vorliegen, daß ein großer Theil dieser Flüchtlinge, und namentlich die Mitglieder der Société de

^.

^.

^.

.3.

4.

^.

recours mutuels italienne, fich mit Projekten abgeben, welche mit Grund bei benachbarten Regierungen Bedenken erregen könnet und geeignet sind, das .gute Einvernehmen der Schweiz mit Nachbarstaaten zu stören, beschlossen: Alle italienischen und französischen Flüchtlinge, welche mit Grund bezichtet werden, daß sie an politischen Verbindungen Theil nehmen, welche mit den von den Bundes^ehörden bisanhin festgehaltenen Prinzipien über das Asr^lrecht nicht vereinbar find, follen -- im Sinne der srühern Jnternirungsbeschlüsse -..- ans dem Kanton Genf entfernt werden.

Diese Maßregel ist , ganz abgesehen ^von obigem Requisit , auf alle diejenigen italienischen und französischen Flüchtlinge anzuwenden, welche ohne festen Beruf oder eine ordentliche Anstellung i.n Kantou Genf sich aufhalten.

Es sind zwei eidgenössische Kommissäre nach Genf abzuordnen, welche die unter .benannte Schlußnahme fallenden Flüchtlinge anszumitteln und unter Mitwirkung der Genfet'schen Behörden die Jnternirung zu vollziehen haben.

Jm Falle von Nichtübereinstimmung zwischen den Kommissä^n und den Genfer'fchen Behörden über die Anwendung dieses Beschlusses entscheidet der Bundesrath.

Dieser Beschluß .st den Regierungen der Kantone Gens, ^aadt,

Neuenburg , Bern (bezüglich des Jura) , Solothurn , Basel^Städt

und Bafel^Landschaft, betreffend die Jnternirung der italienische^ und französischen Flüchtlinge, und den Kantonen Wallis und Tessin, .hinsichtlich der italienischen Flüchtlinge, mitzuteilen. ^

.

264

.

^

^

^

Die Kommissäre traten sofort ihre Funktionen an, indem fie an^ ^..17. Februar dem Herrn Staatsxathsr.räsidenten F a z ^ ihre Kxeditive über.reichten und davon Veranlassung nahmen, demselben den Standpunkt, auf .den fich der Bundesrath .gestellt hatte, näher zu bezeichnen.

Die VerHandlungen ließen anfänglich von Seite der Genfer'schen Behörden eine.

gereizte Stimmung durchblicken. Da indeß die Kommissäre durch die .^hat bewiefen, daß es ihnen keineswegs um eine Anfehwärzung der Genfer'scheu .Behörden, sondern lediglich um eine freundeidgenössische Regulirung dex entstandenen Differenzen zu thuu sei, so gestalteten sich die gegenseitigen.

Beziehungen bis zur Abreife der Kommissäre alimälig freundschaftlicher,.

und als diese letztern aus besonderer Rücksicht für Genf ihre Arbeiten so beschleunigt hatten, daß auch die Abreise des Herrn Bifchoff noch am Vorabend des für die Einweihung der Eisenbahn von Lv.on nach Genf angeordneten Festes erfolgen konnte, herrschte in allen Punkten ein vollständi.ges Einverständniß. Es wird am Platze fein , . diese Punkte hier noch etwas näher zu bezeichnen.

Als die Kommissäre ihre Aufgabe begannen, steckten sie fich von vor^ ^herein ein dreifaches Ziel..

1) glaubten sie den Bundesrath in's Klare setzen zu sollen über die^

Verhältnisse der vielfach angeschuldigten italienischen Gesellschaft ;

2) hatten sie gemäß dem bundesräthlichen Dekrete die Entfernung der .

italienischen und französischen Flüchtlinge von Gens zu bewerk^

stelligen; ^

8)^ glaubten sie mit den Genfer'schen Behörden Maßregeln verabreden zu sollen, welche dem Bundesrathe eine klare Einsicht in den einst-

weiligen Stand der Dinge für die Znknnft ermöglichen und ähnlichen

neuen Differenzen vorbeugen könnten.

So weit es die Natur der Sache erlaubte, theilten sie sich in diesem dreifache Aufgabe ,... deren jede im Verfolge auf eigentümliche Schwierigkeiten stieß.

Ad 1. Die Verhältnisse der italienischen Hülssgefellschast wurden speziell von Herrn Dubs des Nähern untersucht und hierüber dem Bundesrathe ein Spezialbericht erstattet, von dem, um ga^.z offen zu verfahren^ auch sofort eine Abschrift den... Staatsrathe von Genf mitgetheilt wurde.

Da gerade dieser Bericht später dem h. Großen Rathe von Genf ergiebigen Stoff zur Verhandlung bot, so wollen wir hier mit wenigen Worten den Gang der Sache rekapituliren, wobei es uns leid thut, bemerken zr^ .Müssen, daß der Berichterstatter des h. Staatsrathes in seinen.. mündlichen ^ Berichte, .wahrscheinlich in der Lebhastigkeit der Rede, eine Darstellung gab, ^oie mit dem geschichtlichen Verlauf der Dinge in nicht unerheblichem Wi.derspruche sich befindet.

Nachdem durch mehrere Schreiben der Staatsrath von Genf dem .Bundesrathe über die von der sranzöfischen Gesandtschaft mitgetheilte Liste :von eirea 70 . Mitgliedern jener Gesellschaft Aufschlüsse gegeben , welche

^

26^ geigten, daß jene Liste und andere damit in Verbindung stehende Notizen nicht auf Glaubwürdigkeit Anspruch machen konnten, so verlangte der Bun^ desrath durch Herrn Aepli, es möchten ihm die in der Untersuchung er-^ hobenen Akten eingesendet werden. Darauf berichtete der Vorstand de^ ^enfer'fchen Justiz- und Polizeidepartements, Herr l^r. Duchosal, an deI^ .Vorstand des eidg. Justiz- und Polizeidepartements unterm 6. Februar, er habe den Präsidenten der Gesellschaft, Graziosi, nur mündlich ver-^ ^hört, er befitze also keinerlei Akten. Er habe nun aber durch Hausdurchsuchungen die Protokolle un.^ Akten der Gesellschaft in Beschlag genommen uud den Präsidenten Graziosi mit einem andern Mitgliede, Namens Val en tini, arretirt. Er habe diese Letztern nach Bern instradirt, damit der Bundesrath sich selbst eine Ueberzeugung bilden könne. Jn der That^ kamen diese Beiden in Bern an ; allein da jene Protokolle erst auf wiederholte Reklamationen eirea 10 Tage später nach Bern nachgeschickt wurden,.

so mußte man sich dort auf ganz allgemeine Verhöre beschränken, und de^ Bundesrath schickte , da mittlerweilen die Kommissäre in Funktion. traten, Graziosi und Valentini , welch' letzterer übrigens nicht einmal Mitglied der Gesellschaft gewesen war, sammt den Akten nach Genf zurück, indem er dem Kommissariate die weitern Verfügungen überließ. Jnzwischen hatt^ fich aus dem Verhöre mit Graziosi in Bern doch ergeben, daß die Gesell-.

schaff von welcher der Staatsraih von Genf in seinem Schreiben vom 4..

Februar behauptet hatte, fie habe sich in letzter Zeit aufgelöst, noch bestand und somit der Staatsrath irrig informirt war , wie er später selbst^ zuge.^and.

Aus den Protokollen der Gesellschaft konstruirte nun das Kommissariat die wirkliche Liste der Gesellschaftsmitglieder (eirea 128) und wies an dex Hand der letztern die Unrichtigkeiten der Liste der französischen Gesandtschast genau nach ; ferner konstatirte es , wie ^iel von jenen Mitglieder^ sich jetzt noch in Genf befanden, welchen Völkerschaften die Einzelnen angehö.ren, ob sie fich im Besitze richtiger Papiere befinden, oder ob und au...^ welchen Gründen sie schriftenlos seien , welches ihr Stand , ihr Geschäft.

sei ; ferner untersuchte es den Eharakter der Gesellschaft , ihre Geschichte,.

ihre wesentlichen Beschlüsse, Versammlungslokale
u. s. s. Unzweifelhaft^ .

hätten auch ^.ie Genferschen Behörden dieß eben fo gut thun können,.

wenn sie sich die nämliche Mühe gegeben hätten. Wenn sie nun abe.^ diese Arbeit dem Kommissariate überließen. so ist es denn doch fast zu weit^ gehend , wenn der staatsräthliehe Berichterstatter dem Großen Rathe vo^ Genf die Sache so darstellte,^ als habe das Kommissariat dem Staatsrath^ jene Lifte der französischen Gesandtschaft präsentirt und die Behorden von Genf dann dem Kommissariate^ die Lächerlichkeit jener Liste an der. Hand.

der von ihnen gelieferten Thatsachen zu Gemüthe geführt.

Was nun den Eharakter der ...uästionirlichen Gesellschaft betrifft, s.^ kam das Kommissariat zu folgendem Schlusse: Die Gefellschaft war ein.^ sogenannte L a n d s m a n n s c h a f t . welche zunächst den Zweck hatte, si...^ gegenseitig in der Noth zu unterstützen. Daneben hatten sie auch eine^

^6

.

^

Sogenannten moralischen Zweck, sich ,,zu würdigen Bürgern des regenerirtere Italiens vorzubereiten.^ Der Mantel dieses moralischen Zweckes war weit genug, um darunter alle möglichen, edlern und unedlern,^ idealistischen und .propagandistischen Zwecke zu verbergen. Was man mit solchen Worten machen kann, bewies^ ein Beispiel aus der eigenen Geschichte der GesellSchaft. Als Mazzini seine bekannte Sammlung veranstaltete, um demWenigen Staate Jtaliens, der zuerst die Fahne der Revolution auspflanze, 10,000 Gewehre zu liefern, betheiligte sich der Präsident G o j o r a n i für ^ie Gesellschaft. Darüber in einer Generalversammlung zur Verantwortung gezogen , weil die Gesellschaft eine philanthropische sei , erwiderte er, das sei auch ein philanthropisches Werk, und der Antrag, die Subseription zu .redressiren, blieb in M i n d e r h e i t . .^us diesem Beispiele erhellt am deutWichsten die Zweideutigkeit der Zweckbestimmung. Das Kommissariat wies ^us einer Reihe anderer Umstände nach, daß diese Doppelnatur sich durch .^ie gesammten Statuten durchziehe, und schloß ganz einfach dahin, diese ^Gesellschaft habe einen zweideutigen Charakter; es mangle aber an jeg^ lichen Anhaltspunkten, daß sie sich mit aktiver Propaganda befaßt habe, .^nd die Folgerung aus diesem Schlusse gieng dahin, es fei, wenn fogax die Flüchtlinge als Einzelpersonen sich an der Gränze nicht aufhalten ^dürfen, eine Genossenschaft noch viel weniger ^n dulden, und zwar um so ^iel weniger, als nach den Erfahrungen der jüngsten Zeit die Tendenz der italienischen Flüchtlinge dahin gehe, durch einen Umsturz der Dinge ^ ^in Frankreich die Befreiung Jtaliens vorzubereiten. Der Staatsrath von Genf scheint diese Betrachtungen damals richtig gefunden zu haben; wenig.stens löste er die Gese.tschast auf.

Ob es sich rechtfertige, daß diese gewiß sehr ruhige Betrachtungs^vei^e mit dem Namen einer s o p h i s t i s c h e n bezeichnet werde, wie solches in dem Memorial des Staatsrathes geschieht, dars man jedem unbefangenen Menschen zum eigenen Urtheil anheim geben. . Die Regierung vo^ Genf ^geht jetzt von der Voraussetzung aus , es habe sich hier um eine reine Hülfsgesellschaft gehandelt, die ganz nach .^lrt der französischen Hülfsgesellfchaften konstitnirt gewes.n sei, und sie stü^t sich darauf, daß der franzöfische Minister des Jnnern erst jüngst
diese Hülfsgesellschasten wegen den moralischen Rückwirkungen derselben sehr belobt habe. Allein die Regie..

rung von Genf weiß sehr wohi, daß gerade in. Frankreich die allergesährlichste geheime Gesellschaft, die sogenannte M a r i a n n e , fich auch unter ^die Form von Hülfsgesellschaften versteckt, und es läßt sich sehr bezweiseln, ^ob das Lob des französischen Ministers E s p i n a s s e auch solchen Hülfsge..

sellschaften gegolten habe. Der Name und die äußere Form sind in diesen Dingen gewiß nicht entscheidend , sondern man muß tiefer aus den Grund ^hen. Bei einer Gesellschaft nun, deren hervorragendste Mitglieder poli-

.tische Flüchtlinge sind, die sich eine Organisation gibt, die nach unfern .nähern Nachweifungen jedenfalls^ für eine bloße Hülfsgefellfchaft unpassend

ist ; die ein Lesekabinet hält, worin das Hauptorgan Mazzini's, die ^lta1ia

..tel popolo,^ als periodisches Journal gehalten wird ; die nur Le..1te iui

^ 267^ .waffenfähigen Alter zu Mitgliedern aufnimmt ; deren Mitglieder ein dreimonatliches Noviziat durchmachen müssen, ^ worin fie von einer besonder^ ^omInissioIi de surveillance überwacht werden ; die für Anschaffung vo.u Waffen zur .Befreiung .Jtaliens fubseribirt : läßt sich doch wohl mit einigem Grund wenigstens das behaupten, daß sie nicht eine reine Hülfsgesellschaft sei, und es^läßt sich wenigstens begreifen, wenn ein Nachbarstaat, der namentlich durch geheime Gesellschaften . beunruhigt wird , gegen die Existenz einer solchen Gesellschaft an seiner Gränze nicht gleichgültig ist, und wenn der Bundesrath aus Rücksicht auf die nachbarlichen Verhältnisse ^eren Auslösung wünscht. Wir wiederholen, daß es sich bei dieser Maß-

regel der ...luflös.^g nicht u.n ein Schuldurtheil gegen die Gesellschaft .handelte, sondern nur und allein um eine polizeiliche Präventivmaßregel.

wie sie auch gegenüber Einzelpersonen angewendet werden, wenn man solche ^on der Gränze entfernt und internixt.

Ad 2. E n t f e r n u n g der i t a l i e n i s c h e n und f r a n z ö s i s c h e n FlüchtlingevonGens.

, Die Entfernung^ der f r a n z ö s i s c h e n Flüchtlinge hatte nicht den ge^ingsten Anstand; im Gegentheil., es fanden die Kommissäre in dieser BeZiehung eine wahrhaft überraschende Zuvorkommenheit von Seite der Gen^

ser'schen Behörden, wobei dieie, beiläufig bemerkt, bezüglich des Begriffs

^ines politischen Flüchtlings Definitionen aufstellten, welche mit den jetzigen seltsam kontrastiren , und mit Bezug auf die Exekution eine Promptheit .an den Tag legten, welche selbst die Wünsche des Kommissariates hinter

^fich ließ.

Dagegen erhoben sich vielfache Schwierigkeiten bezüglich der ita-

l i e n i f e h e n Flüchtlinge. Schon bei den am ersten Tage stattgehabten .Besprechungen zeigte es sich , daß die Genfer'schen Behörden, in Festhaltung .einer sch^n srüher aufgestellten Theorie, den Begriff eines politischen Flüchtlings beschränken wollen aus politisch kompromittirte Personen, wenn diese zugleich gar keine Schriften besitzen. Die Kommissäre bekämpften sofort diese Theorie, nach welcher z. B. alle mit sardinischen oder englischen odex .amerikanischen Pässen versehenen römischen Flüchtlinge gar nicht unter die Kategorie politischer Flüchtlinge gefallen wären.. Ans die dießfälli.ge Aus^einandersetzung der Kommissäre antwortete der Staatsrath unterm 19. Februar wörtlich Folgendes : ,,1l e^t inutile d'entrer dans une controverse, sur ce que vous et ^,nous entendons comme réfugiés politiques ; nous l'entendrons couiIne .,,vous --.. voudrez. La différence entre nous et vous sur cétte déll.,,nitiou s'applique^ à un si petit nombre de personnes, qu'il ne vaut ...pas la peine de discuter à ce sujet. ^.ous avions cru qu'à Genève, .,,^ Italien^ non-Sardes étaient a^se^ loin des frontières de leur.^ .,,l^tats pour qu'il ne tut pas question de leur internement. A ^urich^ .,,i1s seront tout au^si près de l'Italie qu'à Genève; .^'cst pour cela qu^ ,,nous nous étions contentés, pour quelques-uns d'entr'eux, de papiers

268

^

.^constatant 1eur identité, Inais puisque vous en jugez autrement, vous.^ .,,agirez à 1'égard de ceux qui se trouvent dans ce cas coninIe vous ,,1'entendrez,^ nous ne 1es prenons nul1eInent sons notre protection.^ Die Kommissäre entwarfen hierauf die Liste der zu intexnirenden Perfonen. Gemäß der vom Bundesrathe gegebenen Jnstruktionen beschränkten .fie sich dabei schon a priori aus eine möglichst geringe Zahl, und sie er^ klärten zugleich den Genfer'schen Behörden, daß fie zu jeder aus Humanitätsrücksichten wünschbaren Konzession ohne weiteres Hand bieten werden, sobald der eigentliche Zweck dadurch nicht gefährdet werde. Eben so aner^ boten sie von sich aus die Gewähruug von längern Fristen für solche Per.sonen , welche denselben sür Ordnung ihrer Verhältnisse oder aus ahnlichen Gründen bedürftig seien. Da endlich ^ von den Genfer'schen Behörden selbst gewünscht wurde , man möchte mehr^ aus Entfernung dieser Leute aus der Schweiz, als auf deren bloße Jnternirung bedacht sein, da fie sonst wieder nach Genf zurückkehren dürften, so anerboten die Kommissäxe, nach eingeholter Bewilligung des Bundesrathes^, hiefür ebenfalls Reisekosten und Subsidien. Die dießfälligen Verhandlungen führten nnu zu dem Resultate, daß 17 Jtaliener, die Mitglieder oder Vorsteher der Hülfsgesellschaft gewesen und fämmtlich s c h r i f t e n l o s waren, von Genf zu entfernen seien. Nachdem diese Maßregel vereinbart war, wurde Herr Dubs vom Bundesrathe beurlaubt, und Herr Bischoff machte von der be-

schlossenen Maßregel offizielle Mittheilung. Mit Schreiben vom 2. März

antwortete Herr Duchosal wörtlich Folgendes: ,,Je vous enverrai, Monsieur 1e ComIni^aire , une réponse relative ,,aux individus sur lesquels vous ave^ pris une décision. .^e s.^is ^o.^.

,,^^ ,.^rt d'accord ^..ec .^o.^s ^res.^e ,^r to.^ .^el.^es points de ^d.^t.^s ^e ^ar.^issent se.^ls nécessiter .^.^l^es .^ct^ircisse^e^^s. ^e ^vais tout préparer pour exécuter , si possible ce ^oir , 1es décisions .,,que vous avez prises.^ Nachdem mittlerweile auch noch die untergeordneten Anstände gehoben waren, gab der Herr Staatsrathspräsident ganz die gleiche Erklärung ab, wie Herr Duchosal. Es wurde verabredet, daß Herr Bischoff von Basel aus die nöthigen Verträge über die Weiterspedition der die Schweiz verlassenden Flüchtlinge nach England abschließen und daselbst deren Ansgang aus der Schweiz überwachen solle; die Vermittlung zwischen Gens und .Basel aber sollte durch das eidgenössische Justiz^ und Polizeidepartement in Bern erfolgen.

Alles schien somit aufs beste uud zu gegenseitiger Zusriedenheit geordnet,^ und das Kommissariat reiste, wie oben schon bemerkt, aus Rück^ fichten für Genf, die damals anerkannt wurden, noch vor den Festlichkeiten ab. Die eigenen bekannten Erklärungen des Herrn Staatsrathspräsidenten^ Faz.^ bei jenem Feste bewiesen wohl am deutlichsten,. daß man die Dis.ferenzen als beigelegt betrachten durfte.

Leider war dem nicht so.

Nach Mittheilung der JnternirungsbeSchlüsse fiengen die davon Betroffenen an , Vexhaltungszeugnisse zu sa.nmeln

^

2^

..Ind sandten diese, nachdem das Kommissariat diese Anfinueu von der Hand Bewiesen , mit Petitionen um Aufhebung des Dekrets der Kommissäre au .den Bundesrath. Der Staatsrath von Genf unterste di^se Petitionen ^uxch ein besonderes Memorial, versprach aber, daß, was auch der Bun^esrath besehließen möge , er diesem Beschluß seine loyale Exekution nicht .versagen werde.

(,,11 est prét à faire exécuter 1es demandes ultérieures qui 1ui .^,sont faites; .e11es consistent spéciaieinent dans l'é1oigneInent de 18 ^individus de 1a société italienne.^ (Mémoire du 31 Mars 1858.)

Nachdem die Kommissäre sich über das Memorial und die Petitionen.

einläßlich ausgesprochen hatten, woraus wir ohne Wiederholung einfach verweisen , beschloß der Bundesrath , es seien jene Petitionen abgewiesen .und es habe bei dem^ Dekrete des Kommissariates sein Verbleiben.

Man hätte erwarten dürfen , daß nunmehr doch ohne weiteres exequirt worden wäre ; allein weit entfernt.

Jetzt entwarfen (wie uns bestimmt versichert wird , auf Anstiftung und unter Mitwirkung höherer Genfer'schex Polizeibeamten) die meisten jener Flüchtlinge ein fast gleichlautendes Rekursschreiben an den Bundesrath zuhanden der Bundesversammlung , worin fie.

dem Bundesrathe die Kompetenz absprachen, sie von Gens zu entfernen.

Der Buudesrath beschloß, daß dieser Rekurs die Exekution nicht hemmen könne, und mahnte die Genfer'sche Regierung an ihr gegebenes Versprechen.

Diese aber machte den Rekurs nun theilweife zu ihrem eigenen ; fie erklärte in dem vorliegenden Memorial nämlich, sie n.^erde nötigenfalls ^die poli-.

tischen Flüchtlinge, aufweiche sich die Maßregel beziehe, zwingen, sich an den Ort ihrer neuen Bestimmung zu begeben.

Was aber die andern Fremden, die nicht politische Flüchtlinge seien, betreffe, werde sie dieselben, wenn sie einwilligen , ebenfalls fortweisen ; wenn sie aber an die. Bundesverfammlung appelliren, so werde sie ihnen jeden Aufschub gestatten , damit sie den Entfcheid der Bundesversammlung abwarten können. Wirklich habeu sich seither die eigentlichen politischen Flüchtlinge im engern Sinne entweder ins Jnnere der Schweiz oder nach England begeben, ein anderer Theil aber soll fich von Genf, unbekannt wohin, wegbegeben haben. Dieß ist der Grund, warum nach der Ansicht des Kommissariats, welcher der Bundesrath beitrat, mit weitern Exekutivmaßregeln füglich bis zum Ent^ scheide der nahe bevorstehenden Bundesversammlung zugewartet werden konnte, da in der That beim jetzigen Stand der Sache wenig Gefahr im

Verzuge liegt.

..^he wir nun auf die rechtliche Erörterung übergehen, müssen wir noch einen dem Kommissariate gemachten Vorwurf kurz berühren.

Die Regierung .von Genf sagt in ihrem Memorial, die Kommissäre hätten auf die Aufforderung der Regierung sich wieder^ nach Genf zurückbegeben sollen, statt aus der Ferne zu handeln, wozu sie gar nicht besugt gewesen se.en..

Der Staatsrath von Genf hat indeß wohl übersehen, daß das Jnternirnngsdekret ein a l l g e m e i n e s war und fich z. B. nach Art. 5 ausdrücklich

270 auch aus den Kanton Basel bezog. Das Kommissariat, das sich übrigen^ nicht ohne Einwilligung des Bundesrathes von Ge^ns wegbegab , konnte also schon ans diesem Grunde sich auf einem andern Gränzpnnkte etabliren.

Es fiel auch den Behörden von Genf nicht bei, gegen dessen Weggehen zu demonstriren ; im Gegentheil , dieß geschah ganz nach Verabredung ;.

und wenn die Behörden von Gens .wirklich exequirt hätten , so wäre wohl Herr Bischoff in Basel am richtigsten Punkte stationirt gewesen. Dagegen ist richtig , daß nach der Abreise der Kommissäre in Gens selbst de^ Wille oder die Kraft zur Exekution zu mangeln anfieng. . Die Behörden vou Genf hätten, trotz. ihrer sonstigen Verteidigung der Kantonalsouveränität, dieses etwas weniger angenehme Geschäft gerne den eidgenössischen Kommissären überlassen. Darin liegt wohl die Auflösung des Räthsels, warum die Kommissäre auf einmal so sehnsüchtig nach Gens zurückgewünscht wurden, während doch sonst in Genf für solche Kommissäre keine besondere Zuneigung besteht. Die Kommissäre sahen dieß auch recht wohl ein . und fie hätten ihrerseits den Genfer-Behörden gerne die Unannehmlichkeiten dieser Arbeit erspart, wenn nicht zunächst andere Gründe ihnen die Rückkehr nach Genf unmöglich gemacht hätten. Beide Kommissäre hatten eben auch noch viele andere Geschäfte zu Haufe , und hatten dem Bundesrathe vo.^ vornherein nur^ für eine gewisse Zeit ihre Mitwirkung ^gesagt.

Alle ^schwebenden Fragen waren erledigt, und die Anwesenheit der Kommissäre keineswegs mehr nothwendig; sie .glaubten auch, wenn sie die GenferBehörden ermächtigten , jede .Exekutivmaßregel ausdrücklich als auf ihre Forderung hin vorgenommen zu bezeichnen, so fei diesen damit die Arbeit hinlänglich erleichtert.

Der seitherige Verlauf der Verhandlungen hat das Kommissariat in seiner Ueberzeugung nur bestätigen können , daß die Reni^ tenz der Genfer^Behörden ebenso lebhast zum Vorschein gekommen sein würde, wenn die Anwesenheit der Kommissäre in Genf im geringsten länger gedauert hätte , als unbedingt nothwendig war. Der Unterschied ist bloß der, daß alsdann die Protestationen über verlebte .^antonalfon^er^nität und Beeinträchtigung der dem Kanton zustehenden Exekutive einen Schein von Grnnd gehabt hätten , welcher den jetzigen Protestatone^ unserer Ansicht nach total abgeht. Dazu kam noch eine andere
Rücksicht. Durch die wohl nicht ganz ohne Vorwissen der Genser'schen Behörden angeordnete San.m^ lung von Unterschriften (sie waren meist von der Staatskanziei legalisirt) war in Genf künstlich eine gewisse Agitation erzeugt worden, welche jedenfalls die Wirksamkeit des Kommissariats sehr erschwert hätte ; es schien uns billig , den (....enfer'schen Behörden die Wirkungen eines solchen Verfahrens auch etwas kosten zu lassen. Die spätere Korrespondenz thut übri^ gens am klarsten dar, ^daß für eine längere oder erneuerte Anwesenheit der Kommissäre in Genf durchaus keine reellen Gründe vorlagen; die neuen Thatsachen,^ die sich angeblich später ergeben haben sollen, waren dem Kommissariate frühe.. schon vollständig bekannt; neu war eben nur dex Petitionssturm, der aber die Leute, welche in solcher Art zu agitiren ver^

suchten , keineswegs in günstigerm Lichte darstellte.

2.^ Gehen wir nun zur rechtlichen Seite des Memorials über, so glauben wir, die gemachten Einwürfe .unserseits sehr kurz erledigen zu können. Di^ Regierung von Genf hat .wohl selbst gefühlt , .daß Angesichts des Art. 57 der Bundesverfassung , zusammengehalten mit Art. .90 , Ziff. ^, 9 un..^ 10, und einer seit 10 Jahren geübten Praxis, es schwierig seiu dürfte,.

dem Bundesrathe das Recht zu bestreiten, politische Flüchtlinge aus der Schweiz fortzuwerfen oder zu interniren. Es würde .n der That fast an's^ Lächerliche^ anstreifen , wenn man diese Befugnisse nur der Bundesversammlung , die jährlich einmal zusammentritt, zugestehen, oder wenn man den Rekurs gegen eine solche Polizeimaßregel , bei der ja alles .auf sofortige Exekution ankommt, einen Snspenfivessekt verleihen wollte.

Die Regierung von Genf macht daher einen Unterschied zwischen politischen Flüchtlingen und andern Fremden , die zwar ebenfalls ohne Leg^timationsvapiere,^ aber keine politischen Flüchtlinge s.nd. Wir bemerken hier zum Korans , daß diese Unterscheidung jedenfalls im Wortlaute des^ Art. 57 der Bundesverfassung nicht begründet ist; denn dieser spricht einfach von ,, F r e m d e n , welche die innere oder äußere Sicherheit der Eidgenossenfchaft gefährden.^ Da die Regierung von Gens das Verhältnis^ dieser Art von Fremden nicht näher bezeichnet, sondern in abstrakten Redensarten der Sache den Anstrich gibt, als sollen diefe Fremden bloß von^ Genf entfernt werden, weil fie ohne Legitimationspapiere seien und de^

italienischen Gesellschaft angehört haben, so find wir genöthigt, d.efe^

Kategorie etwas näher zu definiren. Es find .^it Ausnahme eines einzigen, welcher ein fardinischer Deserteur ist, lauter lombardesche Deserteurs und^ Refraktärs. Wir geben nun von vornherein zn, daß man im Zweifel seiu kann , ob überhaupt Deserteurs und Resraktä^.s zu den politischen Flticht-.

lingen gehören.

Man kann diese Frage bejahen, weil diefe Leute ihrem heimatlichem Staate den schuldigen Dienst verweigert haben; man kann sie aber auch verneinen, weil solches oftmals aus Gründen gefchieht, die^ der Politik fern obliegen.

Wie man aber auch im Allgemeinen über diese^ Frage denken mag, so kann doch bezüglich der lombardischen Deserteurs und Refraktärs ein solcher Zweifel schwerlich bestehen. Fast alle diese Leute haben sich entfernt^ um nicht der ihnen verhaßten österreichisch.... Regierung dienen zu müssen ; sie stehen mit Rücksicht auf ihre Vergangenheit. wie mit Rücksicht auf ihre Hoffnungen, mit der politischen Emigration durchaus auf der gleichen Linie.

N^ch klarer ist dieß geworden , seitdem Oesterreich Amnestie für alle Deferteurs und R^fraktärs ausgefprochen hat.

Diesem Leute können fämmtlich heimgehen, oder sich Schriften^ kommen lassen.^ wenn es ihnen beliebt, und alle diejenigen, welche solches nicht gethan haben, oder n^.cht thun, haben es rein aus politischen Motiven unterlassen, wodurch sie fich denn wohl ganz in eine Linie^ stellen mit den andern poli^ tischen Flüchtlingen. . Es hätte in der That durchaus keinen Sinn , wenu man diefe Leu^e anders behandeln wollte, al.^ man überhaupt die politisch^ Emigration behandelt, im Guten wie im Schlimmen.

^ Hat der Bund, beziehungsweise der Bundesrath , diesen Leuten gegen.^iber nun wirklich kein Recht.. Stehen diese unter der absoluten Kanto.nalsouveränität.. Darf ein Kanton solche Deserteurs auch zu Tausenden auf der Gränze eines Nachbarstaates sich ansammeln lassen .^ Hätte Schaff'hausen die ganze Sigel'sche Armee , Tessin ganze Kompagnien lombardischer Deserteurs auf seinem Gebiete dulden können, ohne ein. Einspruchsrecht des Bundes^ Diese Fragen find, wie Jedermann weiß, schon lange in entschieden verneinendem Sinne^ gelöst worden , und zwax gerade mit Bezug auf die lombardischen Deserteurs , die sich im Kanton Tessin befanden.

^Was aber für die Kantone der deutschen Gxänze und für Tessin recht ^var , wird es doch wohl auch sür Genf und .die ganze Westgränze sein müssen. Die Kantonalsouveränität ist allerdings in diesen Stücken begränzt ^durch die Bundessouveränität; ..'denn es ist nicht ein Kanton, welcher unsere^ Beziehungen zu auswärtigen Staaten reguliren oder auch gefährden soll, ^sondern es ist dieß Sache des Bundes und der Bundesbehörden.

Aber, sagt die Regierung von Gens, es muß eine Thatsache vor-

liegen , welche beweist , daß solche Fremde wirklich gefährlich find ; die

bloße schriftenlose Existenz oder die Theilnahme an einer Verbindung, auf ^welcher keine positive Schuld erfunden wurde, genügt nicht. Damit können wir uns im Ganzen ziemlich einverstanden erklären ; allein der Staatsrath ^on Gens übersteht hier eine entscheidende Thatfache.

Wenn es sich um Ausweisung von Fremden aus der Eidgenossenschaft handeln würde, so könnte diese gewiß nur auf den Grund bestimmter Thatsachen erfolgen ; allein es ist ja kein einziges Ausweisungsdekret ersolgt , sondern es handelte sich gemäß dem bundesräthlichen Beschlusse ausdrücklich nur um Jnternirung.

Wenn einzelne Flüchtlinge es vorzogen, statt ins Annexe der Schweiz, ins Ausland sieh zu begeben, so geschah dieß in Folge freien Entschlusses. ^ Hat der Bundesrath nun das Recht , solche Jnternirungsmaßrege.n anzuordnen.. ..--. Ganz gewiß.

Der Bundesrath hat dieses Recht schon vielfach geü^t , ohne daß es einem Kantone eingefallen wäre , dagegen zu ..ekurriren. Wir haben obe^ das Dekret vom Jähr. I851 zitirt; es hat damals selbst die Regierung von Genf keinerlei Protest gegen diesen an^ geblichen Eingriff in die ^antonalsouveränität geltend gemacht, und es find früher und später eine ganze Reihe ähnlicher Dekrete vom Bundesrathe erlassen worden, ohne daß irgend ein Kanton dagegen Beschwerde erhoben hätte; denn in der That, die Natur der Sache und die oben zitirten Bestim^ ^nungen des Art. 90 der Bundesverfassung machen es wohl unzweifelhaft, daß der Bundesrath diese .Kompetenz befitzt. Es steht gewiß jedem Kantone zu.., gegen^ solche Maßregeln an die Bundesversammlung zu rekurr^ren ; aber es blieb Gens vorbehalten, sür einen solchen Rekurs Snspensiveffekt i.r Anspruch zn nehmen, ^er ja hier um so weniger nöthig ist, als ein Jnternirter im Falle eines günstigen Entscheides ^er Bundesversammlung ^ich einfach wieder in seine frühern Verhältnisse znr^übegeben kann.

Ob die Kommissäre durch .Anwendung dieser Jnternirungsmaßregel ...uf die lombardischen Deserteurs und Resra.tärs , welche ^ sich schristenlos

^

273

^n Genf aufhielten uud.dex mehrexwähnten Hülfsgesellschaft angehörten, ^hre Jnstruktionen überschritten haben, ist dann eine Thatfrage, über die wir uns nach dem Gesagten um so weniger mehr auslassen wollen, als der ^Bundesrath die dießfälligen Beschlüsse der Kommissäre vollständig mit den ^ertheilten Jnstruktionen übereinstimmend fand und gebilligt hat.

Wir glauben daher , daß das dießfällige Anbringen des Staatsraths ^von Genf ganz haltlos sei, ^ und wir gewärtigen ruhig den Entscheid der Bundesversammlung darüber.

Diese wird schwerlich dazu kommen, einer ^angeblich verletzten Kantonalsouverämtät zu Gefallen, Rechte der BundesBehörden preis zu geben, deren diese abfolut bedürfen, wenn die ausBärtige Bundespolitik nicht in einem entscheidenden Augenblick ganz vom ^Belieben der Politik irgend ein^s Gränzkantons abhangen soll.

Ad 3. ^Es war nöthig, sich von dem ganzen Kontrollwesen in Ge.1f einen klaren Begriff zu machen , ehe eine Verständigung für die Zukunft ^möglich war. Diese Aufgabe hatte Herr B i s c h o f f übernommen; erverfolgte sie in alle Spezialitäten und gab hierüber einen Spezialrapport zu den Akten, auf den wir verweisen. Wir können diesen Punkt hier kurz behandeln , da das Memorial des Staatsrathes sich darauf nicht bezieht.

Das Kommissariat überzeugte sich, daß in Genf der Aufenthalt^anch an Fremde ohne gehörige Legitimationspapiere mit einer sehr weit gehenden Liberalität gewährt werde, und daß es an einer besondern Kontrolle über die letztgenannten Jndividuen noch mangle. Wir wünschen, daß über diese Personen eine besondere Kontrolle angelegt werde, damit allfälligen Ueber.treibungen mit den Daten in der Hand begegnet werden könne ; und der Staatsrath von Gens versprach, diesem Wunsche zu entsprechen. Geschieht dieß wirklich, was wir nicht Ursache zu bezweifeln haben, so wäre denn für die Zukunft eine leichtere Uebersicht dieser Verhältnisse möglich. Nur .dem Umstande, daß die Behörden von Genf bis dahi^ selbst dieser Ueberficht ermangelten, ist es zuzuschreiben, daß die großartigen Uebertreibungen über die Zahl der Flüchtlinge in Genf Boden fassen und daß bei vexschiedenen Gelegenheiten die Bundesbehörden auf ihre Auskunftsbegehren bloß allgemeine Redensarten zu.. Antwort erhalten konnten. Es ist dann .allerdings wünfchbar, daß die Fremden auch noch strenger als bisanhin angehalten werden, sich auf diese Kontrolle eintragen zu lassen. Es gereichte dem Kommissariate nicht gerade zur Befriedigung , zu entnehmen , daß von

den 128 Mitgliedern der italienischen Gesellschaft, die doch fämmtlich ein dreimonatliches Noviziat in Genf durchgemacht hatten , 32 Nameu , also ein voller Viertheil , der Polizei gar nicht bekannt waren. Wir wollen daraus indeß keineswegs den Schluß ziehen, daß die polizeiliche Ordnung sonst nicht gehörig gehandhabt werde; wir glaubten uns vielmehr überzeuget. zu haben, und geben hievon gerne Zeugui^, daß gerade auf dem

Gebiete der politischen Polizei weit mehr geschieht, als in allen Schweizer-

kantonen, so wie wir auch nicht den geringsten Zweifel haben, daß die Genser'sche. Polizei allem ausbieten würde . um Unternehmungen , welche die Ruhe ihrer Nachbarstaaten wirklich gefährden könnten , rechtzeitig vorBnu..........^... Ial.^g. ...... Bd. II.

27

.^74 ^ z^beugen. W.enn die Genfer.fchen Behörden fich entschließen könnten , mit den eidg. Behörde^ auch iu Polizeisachen die freundschaftlichen Beziehungen nur in dem nämlichen Maße zu pflegen, wie solches gegenüber den Polizei..

behörden dex Nachbarländer geschieht, so dürfte in der That für d^ Zukunft nichts mehr zu wünschen übrig bleiben.

Wir schließen, nachdem wir in der obigen Darstellung alle Hauptpunkte erledigt zu haben glauben , mit dem Gesuche um Abweisung des Rekurses , wobei es sich ...on. selbst versteht , daß dannzumal die Exekutiou ihren weitexn Fortgang zu nehmen hätte, wozu es übrigens wohl des Kommissariates nicht meh.^ bedürfte , und verbinden damit die Versicherung Vollkommenster Hochachtung un.^ Ergebenheit.

^m Manien de... eid.^. ^..omm^ariate... :

J. Dubs.

^. Bjsch^. ^

. II. Bericht.

Zürich und Basel. den 29. Juni 1858.

Hochgeachtete Herren Bundesräthe.

Zufolge Jhrer Aufforderung übermitteln wir Jhnen in Beilage unsere Bemerkungen über das Memorial des Staatsrathes von Genf. Da Sie uns während der Expedition unserer Antwort auch noch die seither eingelangte Rekursbeschwerde des Kantons Genf, welche an die h. BundesVersammlung gerichtet ist, mittheilen die Güte hatten, so erlauben wir uns, da wir die Hauptpunkte in der beiliegenden Antwort bereits hinlänglich erledigt zu^ haben glauben, hier nur noch einige Bemerkungen.

Der Staat^rath von Genf stellt in dieser Rekursbeschwerde eine ganz eigentümliche und neue Doktrin anf, bezüglich der Auslegung des Art. 57 der Bundesverfassung. Jm Gefühl, daß den klaren Bestimmungen dex Bundesverfassung gegenüber die Behauptung, d^.ß die Fremden- und Flüchtliugspolizei eine Sache der K a n t o n e fei und daß der B.^nd durch Einmischung in dieselbe die Kantonalsonveränität verletze, doch unhaltbar sei, ko.nmt d^x Staat^rath v^n Genf nun zu der neuen Behauptung, daß aus jenem Gebiete weder der Bund, noch die .Kantone einseitig zu befehlen haben, sondern da^ zur Endgült.gkeit eines dießfälligen Beschlusses es der Uebexeinstimmung von Bund und Danton bedürfe; im Fall der Nichtüber^ einstimmung aber die Entscheidung der Bundesvexsan1mlung oder des ^undesgerichtes angerufen werden könne.

Die Motivirung dieses Standpunktes ist freilieh außerordentlich schwach ; sie stützt s.ch auf ^..n .....^ana^el eines befonderu Gesetzes über diese ^Materie,

.^

.^

^

27.^

als ob die Bundesverfassung an sich nicht einmal die Kraft eines Gesetzes hätte; zweitens aus den Mangel eines befondern Bundespolizeipersonals, so daß der Bund fich an die Exekutivmittel der Kantone halten müsse, als ob die Frage der Kompetenz zur Erlassung eines Befehls sich nach den Exekutionsmitteln richten würde, und als ob die bei Renitenz eines Kantons im Hintergrunde stehende Bundesmilitärgewalt ^ax nicht vorhangen wäre.

Wenn schon diese Motivirung ganz haltlos ist, so wären die Folgeu einer solchen Theorie noch fchlimmer.

Sofern in jedem Spezialfalle die Weigerung eines Kantons, einen Flüchtling zu entfernen^ nicht anders überwunden werden könnte, als mittelst eines gerichtlichen Schuldurtheils oder eines Beschlusses der Bundesversammlung , sv würde in diesen Fällen.

zwischen dem Entscheide des Bundesrathes, daß ein Fremder wegen Gesährdung der Schweiz entfernt werden soli , o.^er dem oberinstanzlichen Entscheide über die Gültigkeit eines Entscheides de... Bundesrathes durchschnitt-

lich ein halbes Jahr liegen.

Es genügt wohl, einfach diese Folge be-

zeichnet zu haben , um Jedermann zu überzeugen , daß die Bundesexekutive ...amit in eine klägliche und wahrhaft lächerliche Stellung versetzt würde,

. und daß mau besser thun würde , geradezu die ganze Flüchtlingspolizei wieder. den Kantonen zurückzugeben , wie solches vor 1^48 zu Recht be^ standen hat. Man fühlte aber eben damals , daß die Bundesohnmacht in diesen Dingen die Sicherheit ter Eidgenossenschaft gefährden würde, und nahm deshalb aus guten Gründen diejenigen Bestimmungen in die Bundesverfafsung auf, welche je^t dem Staatsrathe von Genf so anstößig find.

Mau beschränkte mit vollem Bewußtsein in diesem Stücke die Kantonalsouverä^i^ät, aber nicht nm die Lächerlichkeit zu begehen, in einer solchen P^lizeisxage . w^ ein rasches Handeln absolut nothwen^ig ist, die Kompetenzen zn halbiren und derartige Fragen auf dem^ Prozeß oder Rekurswege austragen zu. lassen, sondern um, wie dieß ^rt. 57 und Art. 74 mit dürren und klaren Worten sagen, dem Bunde oder dem Bundesrathe den Entscheid zuzutheilen. Diese fragen stehen ja überhaupt , und auch nach den Andeutungen der Bundesverfassung (Art. 57), im genaueren Znsammenhange mit der auswärtigen Politik eines Staats, und die sämmtlichen Fragen von dieser Natur sind dem Bereiche der Kantonalsouveränität mit vollem Bewußtsein entzogen worden , weil es nicht der Wille der Nation sein kann , wegen politischer Sympathien oder Antipathien irgend ein.es Gränzkautons sich in Verwicklungen mit auswärtigen Staaten hineinführen zu lassen, die eben nicht nur j e n e n , sondern das g e f a m m t e V a t e r l a n d gefährden.

Der h. Staatsrath von Gens kommt dann neuerdings aus feine Unterscheidung zwischen politischen Flüchtlingen und andern Fremden.

Wir haben gezeigt , daß diese Unterscheidung nicht im Art. 57 der BundesVerfassung liegt, nnd nach der Natur der Sache nicht liegen kann, indem andere Fremde die innere oder äußere Sicherheit eben so gut gefährden können , wie politische Flüchtlinge. Jm Speziellen haben wir nachgewiesen,

276

^

^

daß es sich übrigens hier nicht um Fremde im Allgemeinen, sondern im Besondern um lombardische Deserteurs handelt , und daß kein Grund vor-.

handen ist, dieselben anders zu behandeln, als die politischen Flüchtlinge...

Die Behörden von Genf stellen sich abermals auf den Standpunkt, es sei diesen Fremden nichts Kompromittirendes nächgewiesen worden.

Wir lassen die Frage ganz bei Seite, ob ihre Betheiligung bei der italienischen Hülfsgefel.lschaft als ein kompromittirendes Faktum angesehen werden könne.

Gese^ auch, man wolle diese Frage verneinen, so ist damit süx den Staatsrath von Genf nichts gewonnen. Der Staatsrath von Gens könnte allsällig einen solchen Nachweis fordern, wenn es sich um Ausweisung eines Fremden aus dem Gebiete der Eidgenossenschaft handeln würde ; allein für eine Jntexnirungsmaßregel , um die es sich hier handelt, ist dieser Ausweis nirgends vorgeschrieben.

Maßregeln dieser Art sind einfaeh polizeiliche Vorsichtsmaßregeln , um Konflikte a priori rechtzeitig zu verhüten, und zur Rechtfertigung solcher Maßregeln bedarf es nicht des Nachweises einer vorhandenen Schuld, sondern lediglich des Nachweises einer drohenden Gefahr.

Betrachtet man nun ganz unbefangen die Pläne der französischen und italienischen Emigration , in Verbindung mit den politischen Zuständen Frankreichs und den neuere Vorgängen in diesem Lande, so läßt sich schwerlich verkennen, daß im vorliegenden Falle eine solche Gefahr vorhanden ist, und daß man deßhaib gut thut, Leute dieser Art etwas von der Gränze zu entfernen. Wenn dazu kommt, daß Frankreich positiv erklärt, es fühle sich durch die Anwesenheit solcher Per^ sonen auf seiner Gränze beunruhigt, so wird man einer derartigen Erkläru.^g wenigstens so weit Rücksicht tragen dürfen , daß man jene Personen zwar weder bestraft, noch ausweist, sondern einfach anweist, sieh von der Schwelle des Nachbarlandes weg etwas ins Jnnere zn begeben. Auch die Schweiz war scho.. im Falle, ähnliche Begehren zu stellen, und fie fühlte sich verlebt , wo der Nachbar nicht entsprach ; sie kann auch in Zukunft wieder in ähnliehe Lagen kommen , und sie wird fich dann nur freuen, wenn sie auf ihr Verfahren sich berufen und die Rücksichten des Nachbarrechtes auch für fich in Anspruch nehmen kann. Das Recht zu solchen Maßregeln fließt aber dem Bundesrathe gar nicht aus Art. 57 der
Bundesverfassung zu, denn jener handelt nur von Ausweisungen , sondern aus .^rt. 90, Ziff. 8 und 9 , welche den Bundesrath mit der Wahrung der Jnteressen der Eidgenossenschaft nach Außen, wie namentlich ihrer völkerrechtlichen Beziehungen . betrauen und ihm die Wachsamkeit für die äußere Sicherheit und die Neutralität der Schweiz zur Pflicht machen.

Der Staatsrath von Genf verwechselt in seinem Rekursfchreiben mit großem Geschicklichkeit beständig diese beiden Verhältnisse, welche allerdings an einander gränzen.. aber durchaus nicht i^.ntisch sind.

Schließlich nur noch ein Wort üb^r die vom Staatsrathe von Genf in diesem Rekurse eingehaltene Taktik. Zuerst sucht er , wahrscheinlich nach der Regel divide et impera , die beiden Kommissäre zu trennen.

Wir haben uns dem Bundesrathe gegenüber früher schon .dahin ausge^

^

^

277

sprochen , daß eine Verschiedenheit der Ansichten zwischen den Kommissären ^nie bestanden hat und daß da, wo Herr B i s c h o f f der Natur der Sache ^ uach allein handeln mußte , solches in völliger Uebereinstimmung mit Herrn Dubs geschah. Wir halten dafür, daß nachdem Herr Dubs selbst diese Erklärung abgegeben, es dem hohen Staatsrathe von Gens, dem dieselbe . zur Kenntuiß gebracht worden, nicht wohl angestanden sei, diesen Punkt ueuerdings zu urgiren. Da wir dieß indeß nur als eiu taktisches Manöver betrachten, so finden wir uns nicht bemüßigt, uns weiter darauf einzulassen ; es genüge die nochmalige formelle Zurückweisung dieser Behauptung..

Was die in den Zuschriften an Genf angeblich vorkommenden Jnsi.^nationen betrifft, so scheinen die im Rekurs dahin zielenden Bemerkungen eher auf Leser berechnet, welche ohne Kenntniß der Akten sich ein Urtheil .bilden. Da wir im Laufe dieser Woche mit den übrigen Berichten die gesammte Korrespondenz vorlegen , so überlassen wir die Würdigung dieses Vorwurfs getrost unbefangener Prüfung und bemerken bloß noch. daß insbesondere die Berichte an den Staatsrath von Genf bereits die ausdrückliche .Billigung dex Bundesbehörden erhalten haben.

Sodann will der Staatsrath von Gens in der Bundesversammlung ^ sich einen Anhang verschaffen, indem er die Behauptung ausstellt, es handle sich in der ganzen Angelegenheit weniger um Entfernung einiger Flüchtlinge, als um Schaffung eines Anteeedens gegenüber der Polizei der Kantone, um in die Hände des Bundesrathes eine unkontrollirte Eigenmacht über die Fremdenpolizei hinübergleiten zu lassen. Es. genügt. uns, auch dieses taktische Manöver zu bezeichnen ; die Charakteristik dieser Zusehiebung ist Sache des hohen Bundesrathes selbst.

Die Schlüsse anbetreffend, welche der Staatsrath von Genf aufstellt, bemerken wir nur noch ad 1 , daß weder der Bundesrath , noch das Kommissariat jemals den Art. 57 der Bundesverfassung auf die Ghelfa und Cons. angewendet hat, und somit dieser erste Schluß gar keinen Sinn hat; . ad 2, daß der zweite als den Bestimmungen der Bundesverfassung widersprechend zu verwerfen sein dürste.

Jndem wir uns im Uebrigen ^anfdas in der Beilage Gesagte beziehen, ergreifen wir die Gelegenheit zur Versicherung unserer vorzüglichsten HochAchtung.

Das eidg. K o m m i s s a r i a t .

J. Dubs.

^. Bischof

^78

III. Bericht.

Basel und Zürich, den 30. Juni 1......^....

Hochgeachtete Herren Bundesräthe!

Die prinzipielle Wendung, welche von Seite der hohen Behörden de^ Standes Genf. der obschwebenden , ursprünglich ziemlich einfachen Angelegenheit gegeben worden ist , läßt es angemessen erscheinen, bei dem ge^ genwärtigen Schlußberichte, welchen das unterzeichnete Kommissariat anmit zu erstatten die Ehre hat, einen kurzen l.eberbli^ zu werfen über den siebenjährigen Krieg, welcher bald mehr, bald weniger lebhaft, aber ohne AufChören , von diesem Stande gegen die Verfügungen der Bundesbehörden

^iiber die Flüchtlingspolizei geführt worden ist. Es kann sich dabei nicht

darum handeln, die verschiedenen Phasen dieses Verhältnisses, wie fie aus .den uns vorgelegenen Akten klar genug hervorgehen, näher zu zeichnen ; wir werden uns daher damit begnügen, mit wenigen Worten anzudeuten, wie von jeher dieselben Uebelstände an dem Mißverl^ältniß Schuld gewesen find, worin der Stand Genf zu den Bundesbehörden in der vorliegenden Frage sich fortwährend befunden hat, ein ausnahmsweise Mißverhältniß,^ das sich in der neuesten Zeit aufs höchste ausgebildet hat durch die Be^ harrlichkeit, womit Gens die Sache einiger, sich gegen die Bundesgewalt auflehnender Fremden zu der Seinigen zu machen beliebt hat.

Schon in den Jahren 1^49, als alle andern Kantone sich und die .Bundesbehörden durch Verzeichnisse der bei ihnen sich aushaltenden Flucht^ linge nach und nach in's Klare selten, erwies es sich als sehr nachtheilig, daß Genf die Anfertigung einer solchen Liste, wie fie damals verlangt wurde, beharrlich unterließ. Der Verkehr mit dem eidg. Justiz^ und Polizeidepartement erhielt . und behielt dadurch einen höchst mangelhaften und wenn es daraus ankam, von Genf eine Auskunft zu verlangen, hänsig einen gereizten Eharakter. Bei dem Mangel jeden Anhaltspnnktes über die anwesenden Fremden war schon das ei^g. Kommissariat , welches im Jahr 1<^51 wegen der damaligen Reklamationen des Auslandes nach Genf abgeordnet wurde (Herr Landammann Sidler) , so ziemlich in die Luft

gestellt.

Als im folgenden Jahre abermals ein Kommissariat (bestehend aus den Herren Kern und Trog) uothwendig wurde, und abermals kein Ver^ zeichniß erhältlich war, hatte das Kommissariat durch direktes Eingreifen

in die dortige Fremdenpolizei sich diejenigen Angaben möglichst ^ selbst zu

^erschaffen, welche ihnI von den kantonalen Behörden nicht gegeben werden wollten ^und nicht gegeben werden konnten. Daß eine solche Arbeit, die uur durch den guten Wi.len der kantonalen Behörden geliefert werden kann, verhältnismäßig zur aufgewendeten Mühe kein sehr befriedigendes Resultat liefern konnte, ist leicht einzusehen. Es war uns dieß, beiläufig bemerkt^

^

^7^

^ei unserer übrigens ganz andern J..struktion eiu Wink, vou der MitWirkung dex kantonalen Behörden , auf ^ie wir ausdrücklich angewi^seu .waren, alles dasjenige zu verlangen, was ihr und nicht uns zu leisten oblag.

Dabei zeigte sich schon damals die eigentümliche und für Schweizer .anderer Kantone fast unbegreifliche Tendenz, sich eher in kompromittirende Korrespondenz mit ausländischer Polizei ..... einzulassen, als dem Verlange..

der kompetenten Bundesbehörden irgendwie freiwillig entgegen zu kommen.

Und während man sich auch damals we^nig Mühe gab, gesuchte Leute aufzufinden, machte man sich mit ziemlicher Umständlichkeit einer gewissen Rechthaberei zu Gunsten solcher Fremden schuldig, an welchen, wie sich schon damals in einzelnen Fällen klar genug zeigte , den dortigen Behörden im ^Grunde gar nichts lag.

Auch über die Bedeutung und Ausdehnung des Worten ,,Flüchtling^ ^wurde ein Streit geführt, welcher in den andern Kantonen nirgends zuui Vorschein gekommen ist. Jm Vorbeigehen bemerken wir hier übrigens,

^daß der Ausweisung der dreizehn deutschen Flüchtlinge, welche schließlich

^nrch das Kommissariat erfolgte , damals schon möglichst viele Hindernisse in den Weg gelegt wurden, daß aber diejenigen Jnterpretationen der Bundesverfassung in keiner Weise zum Vorscheine kamen, womit wir in neuester Zeit überrascht worden find.

Gieng jede gehörige Grundlage füx eine ordentliche Polizei über die Flüchtlinge ab , welche den Gegenstand so vieler Reklamationen badeten, so tröstete man sich süx diesen Mangel durch einzelne pikante Polizei Effekte, wofür man schon damals besondere Vorliebe zeigte, ohne daß jedoch ^deren Resultate unfers Wissens je füx das weitere oder engere Vaterland von Erheblichkeit gewesen wären.

Nachdem mit wenigen Veränderungen derselbe Zustand fortgedauert . hatte, begegnen wir im Jahre 1855 dem bekannten Vorfall in der Rras^erie stras^ourgeoise, dessen Bedeutung ^om Auslande sehr übertrieben worden war.

Es ist charakteristisch, mit welcher Phantasie über Agents provocateurs u. dgl. die betreffende Untersuchung geführt, welch' nuglaublich dürftiges Material dagegen der Bundesbehörde zu Handen .gestellt worden ist/ welche das höchste Jnteresse hatte, den Sachverhalt näher kenneu zu lernen.

^ Für den eben besprochenen Zeitraum bis aus die heutige Stunde sind die nachfolgenden Vorschriften maßgebend , welche wir, damit sie zux ^Hand seien , zu Anfang unserer Betlagen ausgenommen haben. Es sind dieß. nachdem bereits mehrere Kreisschreiben ^ie Anfertigung von Fliichtlingsregistern angeordnet hatten, die Kreisschreibeu vom ^6. Juni 1850,

^om 20. Februar 1851, vom 21. Juni 1851, vom 23. Mai 185^,

^ind für Genf speziell der Beschluß des Bundesrathes vom 15. Februar ^851 (aus welchen sich auch unsere Jnftr.^tion bezieht).

280

^

Da kein besonderer Anlaß zu Reklamationen eintrat , so scheint der.

Kanton Genf sodann während längerer Zeit nur beiläufig daran erinnert worden zu sein, daß er seine kantonale Flüchtlingsliste noch ^nicht geliefert und daß er von dahin einschlagenden Vorfällen das schweizerifche Departe^ ment in Kenntniß zu erhalten habe.

Jm Herbst verflosseneu Jahres kamen dem Bundesrathe verschieden^ Reklamationen zu über Anhäufung von Flüchtlingen in Genf, über Be^ .wegungen der italienischen Emigration daselbst und über Versammlungen..

gefährlichen Eharakters, welche namentlich die zahlreichen Mitglieder einer.

^italienischen Unterstützungs^Gesellschaft abgehalten hätten. Der h. Staats^.

xath, über diese Angelegenheiten angefragt und zu einer Untersuchung auf^ gefordert, berichtete im Dezember, die nöthige Achtsamkeit werde in Genf durchaus nicht vernachläßigt, und beklagte sich sehr darüber, daß die ^dem.

Bundesrathe zugekommenen Berichte aus keiner andern Ouelle herfließen, als aus derjenigen Untersuchung, welche Genf selbst in der wohlwollendsten Abficht für die benachbarten Staaten vor einigen Monaten angehoben habe..

Mittlerweilen erfolgte das Attentat auf den französischen Kaiser vom

14. Januar 1858, welches urplötzlich die ganze Situation veränderte..

Wurde es einerseits der Welt klar, mit welcher finstern Entschlossenheit ein Theil der italienischen Emigration seine Projekte verfolgte , so war.

anderseits allem Mißtrauen und Argwohn Thür und Thor geöffnet gegenüber von manchen Zuständen und Gesellschaften, weiche bis jetzt als harm^ los und ungefährlich gegolten hatten. Es erfolgten nicht nur in Frankreich die strengsten Maßregeln , um jede Wiederholung ähnlicher Versuche zu vereiteln, fondern mit den weitverzweigtesten Untersuchungen gegen all.^ fällige Mitschuldige am vorgefallenen Attentate giengen die mannigfaltigsten Nachforschungen Hand in Hand, welche sich auf erst künftige Eventualitäten

bezogen. Eine gewisse fieberhafte Thätigkeit bemächtigte sich der össent^

lichen Organe unsers Nachbarstaates ; dieselbe, bis zu einem gewissen Grad^ begreiflich, ist um so weniger außer Acht zu lassen, als sie sich bis zu dei...

geringsten Werkzeugen der öffentlichen Ordnung herabzog.

Mit Schreiben vom 20. Januar meldete der Bundesrath an Genf.

es seien ihm die bestimmtesten Nachrichten zugekommen, seit 14 Tagen sei eine Bewegung unter den Flüchtlingen in Genf, und es seien daselbst Reden gefallen, welche mit dem Attentate in Beziehung gestanden ; es seiei.^ die uöthigen Untersuchungen anzuheben , Personalregister einzusenden und^ der Eharakter der italienischen Gesellschaft, welche neben harmlosem Zweck.

^inen geheimen habe.. könnte, gene.u zu prüfen; am .....1. folgte die Mittheilung einer Notiz nach, wonach am 16. ei^.e Versammlung gefährlichem Flüchtlinge in Genf stattgefunden hätte. Am 23. Januar antwortete der Staatsrath, man ha^e dem französischen Konsul in Genf bereits verschie^ene Details mitgetheilt und es habe sich gezeigt, daß nichts daran sei.

^.Nit Schreiben von demselben Tage erklärte er ferner, in Bezug auf die weitern Notizen habe sich durchaus nichts Bestimmtes herausstellen lassen ^.

.das Schreiben sagt u. A. : ,,C'est sa poiice (de Genève^ qui a averti

.

2^

^,le Consul de France qu'en effet quelques réfugiés italiens se sont réunie .,,...am.^di 1 .^ (Janvier), Inais nous ne ini av^ns pas dit, (fügt der Staats.^ ,,rath bei) , que ces italiens fussent de la secte Ina^inienne, ni que.

.^,cela füt une grande réunion. Nous avons fait surveiller ceux qui nou.^.

.^avaient été signalés coInIne s'v étant rencontrés. Nous aurons uI^ ^rapport détaillé sur ce qui peut s'v étre dit, par quelqu'un que nous^ ,,avons ^acheté ; mais d'après ses premiers renseignements, nous dou.,,tons fort qu'il s'v soit passé rien de sérieux.... (Vom Jnhalte eine^ solchen Rapports hat man nie etwas Weiteres vernommen.)

Am 25. Januar erwiderte der Bundesrath, er sollte doch solche^ ^Renseignements auch erhalten. Um Flüchtlinge zum Ausweisen zu.be..

zeichnen, müsse er eine Liste erhalten; außer andern Details habe er noch die Mittheilung erhalten, daß auf den 14. Januar auch gegen einen zwei.^ ten Monarchen ein Attentat beabsichtigt gewesen sei. Die Regierung berichtete am 28., jene Versammlung vom 16. habe nur stattgehabt, weil sich die Gesellschaft damals aufgelöst habe (diese Angabe erwies sieh hin-

tenher als unrichtig) ; die Details über das Attentat bestätigten sich nicht ^

man habe 2 Mitglieder der Gesellschaft, G r a z i o s i und Va l en t ini, verhört und nun nach Bern geschickt, wo fie weiter einvernommen werden könnten ; ferner .,qu'i1 n'^ a pas un seu1 1taiien étahii à Genève ave.^ ,,1e caractère d^ réfugié, qu'ils ont tous déposé des papiers sardes ou^ ,,autres, ce qui rendrait très- difficile l'étah1issenient d'une liste ;^ des Weitern folgt eine mysteriöse Angabe, die von einem geheimen Agenten herrühre.

Wirklich waren am 27. G r a z i o s i nud V a l e n t i n i nach Bern abge^ schickt worden, und zwar ohne daß das geringste Verhör oder eine Notiz uber ihre Verhältnisse mitgegeben wurde ; Valentini war in der That gar nicht Mitglied dieser Gesellschaft. Nachdem am 28. das eidgenössische Departement gegen diesen Modus remonstrirt, erwiderte das Genfer^De-.

partement am 30. , die beiden Jndividuen seien geschickt worden , damit man sieh von der Grundlosigkeit der angeblichen Gefährlichkeit dieser ita^ lienischen Gesellschaft überzeugen könne ; die bei den beiden .Verhaftete^ gefundenen Papiexe halte es zur Disposition. Jm Uebrigen enthält dieses

Schreiben die Notiz, die Zahl der in Gens sich aufhaltenden italienische^ uud sardinische.... Bevölkerung betrage nicht .^000, wie der Staatsrath gemeldet habe, fondern 16,000, eine Differenz zwischen amtlichen Angaben^ welche nicht nur an sich interessant ist, sondern weil diese Zahl von 16,000,.

welche der Bunde^behörde entgegen gehalten wurde , gewissermaßen unr damit zu zeigen, daß bei einer solchen Bevölkerung jeder Gedanke an eine Kontrolle und nähere Untersuchung aufhören müsse, in der Folge viel vou ^ich reden gemacht hat, und namentlich dahin mißverstanden worden ist, als werfe man Genf vor , es beherberge eine solche enorme Zahl vor^

Flüchtlingen.

Am 6. Februar erfolgte dasjenige Schreiben des Genfer-Departements^ .welches sich bei unsexn Akten befindet , indem diese Angelegenheit die Un^

^82 .Verzeichneten weiter beschäftigt hat.

Wenn man, gewiß ohne allen Grund, seithex in Genf iiber die Forr.^ erhaltener Schreiben sich etwas weitgehende .Bemerkungen erlaubt hat, so mag es wohl gestattet feiu, darauf hinzuweisen, in welchem Ton dieses Schreiben mit der eidgenössischen ..Behörde spricht. Diese erwiderte am .13. Februar das Geeignete.

Am .^. Februar wurden endlich die Akten de... italienischen Gesellschaft saifirt. Jn wiefern während dieser wichtigen Zeit, wo jedes Gesellschaft^ Mitglied wußte , um was es sich handelte , erhebliche Aktenstücke bei Seite geschafft worden sein können, ist hier nicht der Ort , näher zu unVersuchen.

Wir haben nun hier nachzuholen, daß inzwischen die bekannte fran.zöfische Verbalnote vom 20. Januar eingelaufen war ; in Verbindung mit den übrigen Zeitnmständen war ihr ernster Jnhalt geeignet , die strengste Beobachtung internationaler Verbindlichkeiten znr Pflicht zu .machen.

Aus dieser Lage der Dinge gieng die Sendung des Herrn Ständerath A e p l i von St. Gallen als Vertrauensmann hervor, eine Mission, ^die wir , weil^ sie eine vertrauliche war , bier bloß so weit zu erwähnen .haben, als .....r Zusammenhang. es nothwendig erfordert.

Herr Aepli hatte die dem Bundesrathe zugekommenen Nachrichten dem h. Stande Genf mit^theilen, den Stand der Dinge daselbst zu konstatiren und das Nöthige im Verein mit der^ Regierung vorzukehren; diese Aufgabe hatte sich später .auszudehnen auf die Etablirung der Verzeichnisse der französischen und italienischen Flüchtlinge, di.. Untersuchung ihrer Papiere, die Einlieferung der Unterfuchungsakten von G r a z i o s i und V a l e n t i n i , die Einlieferung der Bücher und Rechnungen der italienischen Gesellschaft und der Verhörproto^ kolle des Flüchtlings Manzoni., der über die Gesellschaft be^immte Angaben gemacht hatte.

Jndessen lief vom Staatsrathe dasjenige Schreiben vom 4. Februar .ein, welches bei unfern Akten liegt, worin die gegen Genf erhobenen ^n.^ schuldigungen umständlich zurückgewiesen werden, namentlich mit Bezng auf ^ie französische Note und die italienischen Gesellschaften. Herrn Aepli

.wurden zum Theil befriedigende Erklärungen gegeben ; die Behörden zeigten

sich bereit, allen Begehren des h. Bundesrathes zu entsprechen, und namentlich alle ihm zu bezeichnenden Jndividuen zu interniren oder auszu^ weisen ; auch über die allgemeinen Flüchtlingsvexhältnisse in Genf konnte befriedigende Auskunft gegeben werden; es wurde auch ein V e r z eich n iß .der nicht g e h ö r i g b e u r k u n d e t e n P e r s o n e n versprochen. Dagegen zeigte es sich, daß der Beschluß vom 1^. Februar 1851 durchaus unvoll-

.zogen geblieben war, daß beim Mangel jeglicher Liste jede Basis zur Un^

terfuchung des wirklichen Sachverhaltes abgieng , und daß die Genserbe..

^hörde erklärte, die Ausstellung einer Liste über die französischen Flüchtlinge

. sei unmöglich. ^lus dem Berichte der Genserbehörden gieng hervor , daß ..nan nicht Anstoß daran genommen hatte , den französischen und den sar-

^

.28^ dinischen Konsul bei der Abhörung von Manzoni als Urkundspersoneu bei^uziehen^; aber dieses Protokoll w^r nicht der Bundesbehörde mitgetheilt worden. Jn Bezug auf die italienische Gesellschaft wurde dem Herrn Abgeordneten vor seiner Abreise die Einsendung eines mogl.ich st b e f ö r d e r e lichen Berichtes zugesagt.

Es erfolgte hierauf mit Beschluß des Bundesrathes vom 1^. Februar die^ Ernennung der Unterzeichneten zu eidgenössischen Kommissarien mit der im Beschluß selbst enthaltenen Jnstruktion, worauf wir am Abend des folSenden Tages in Genf anlangten.

Unsere Jnftrnktion gieng im Wesentlichen dahin, alle italienischen und sranzösischen Flüchtlinge, weiche an politischen Verbindungen und Unter^nehmungen Theil nähmen, so wie ^überhaupt alle diejenigen italienischen .und sranzö^schen Flüchtlinge, welche ohne festen Beruf oder ordentliche Anstellung in Genf sich aufhalten, im^ Sinne der frühern Jnternirungsbe. schlüsse zu entfernen ; die Juternirung hatte unter Mitwirkung der GenferBehörden zu geschehen , und im Fall der Nichtübereir.stimmuug zwischen.

^em Kommissariate und diesen Behörden entscheide der Bundesrath.

Bereits in unserm Berichte vom 28. dieß ist im Allgemeinen ent^halten, wie wir diese Aufgabe ausfaßten und mit möglichster Beschleunigung durchzuführen suchten. Die Schwierigkeiten, welche die ganze Angelegenheit in der Folge gefunden hat und die umständlichen Berichte, die in Folge ^avou vom Kommissariate haben ermattet werden müssen, so wie die von uns bereits früher eingesandten Spezialberichte , entheben uns nun der Notwendigkeit, im heutigen Schiußberichte die einzelnen Materien mit Derjenigen Ausführlichkeit zu behandeln, welche unter andern Verhältnissen.

^nit Recht verlangt würde.

Unter Bezugnahme auf diese Berichte werden wir uns daher begnügen,.

.an den betreffenden Orten die Resultate der einzelnen Verhandlungen auf^ .zuführen und in Be^ug auf den Gang der Geschäfte diejenigen Punkte ^otiren, welche zur Beleuchtung des Gangs dieser gauzen Angelegenheit

^othwe^dig find.

Angesichts der von Genf hintenher erhobenen Einwendungen und gegen ^as Kommissariat hervorgesuchten Anschuldigungen wollen wir mit vorlie^endem Bericht weder für uns eine Verteidigung, noch gegen die h. BeBörden von Genf eine Anklage schreiben. ^ln der Ha.^d der verschiedenen ^Spezalberichte , welche deutlich genug sprechen, und der Akten überhaupt, wird eine historische Aufzählung dessen, was sich zugetragen, uber die llmHandlung der bei den Behörden von Genf herrschenden Dispositionen ^das genügende Licht geben. Wie wir ^on Anfang an , trotz unfreundlichem Empfang , unermüdlich aufsein freundliches Einverständnis hingearbeitet ^aben, so werden wir, trot^ Vielem, was seither vorgefallen ist, bis zum Schluß unserer Aufgabe uns bestreben, unserer Pflicht gemäß den vou ^ns gefundeneu Sachverhalt und das von uns Angeordnete darzulegen.

Hier fügen ^wir bloß noch das bei, daß die mannigfaltigen Akten klar be.^

^84 weisen , wie sehr es uns daran gelegen hat , nicht nur bis zum letzte^ Augenblicke unserer Anwesenheit in Ge.nf, sondern auch in unserm feit^ .hexigen schriftlichen Verkehr und auch da noch, wo in Erfüllung gegebenem Wortes bereits seltsame Schwierigkeiten gemacht wurden, in gutlichem Ein^ 'verständniß zum Ziel zu kommen ; macht man uns nun, um einen weitere Vorwand zu gewinnen, Vorwürfe, so find wir daran unschuldig und sehe^ darin ein Argument für die Nichtvollziehung der obliegenden Pflichten,^ welches gerade so wenig stichhaltig ist, als die übrigen vom h. Staats^ rath dafür angeführten.

Da es sich hente mehr nm eine chronologische Darstellung handelt,.

so behandeln wir die 3 Theile, worein unserer Ansicht nach unsere Aufgabe zerfiel, in folgender Reihenfolge : ^ ..

E r s t e n s suchten wir uns darüber Klarheit zu verschaffen, wie de^.

allgemeinen Anschuldigungen gegenüber die Sachen in Genf wirklich standen .^ z w e i t e n s wie den anormalen Verhältnissen in Genf für die Zukunft abgeholfen werden könnte ; d r i t t e n s suchten wir, mit besonderer Bezugnahme auf die italienisch^ Gesellschaft, diejenigen Jndividuen auszumitteln und fortzuschaffen, in Bezug aus welche der Beschluß des Bundesrathes dieß vorschrieb. Da i.^.

der Ausführung dieses letztern Punktes unsere Aufgabe durch die jetzt ob^ schwebenden prinzipiellen Erörterungen unterbrochen worden^ist, so behandele wir diesen wohl am besten zuletzt.

1.

Wie zwischen den Bundesbehörden und denjenigen des h. Stande^ Genf die Sachen standen, ergab sich für uns schon aus dem Schreiben des Staatsraths vom 4. Februar und aus demjenigen des Genfer'scher^ Justiz^ und Polizeidepartements vom 6. Februar ziemlich deutlich. Schwieriger war es, sich über die größere oder geringere Wahrhaftigkeit der übex Gens in Umlauf gefetzten Gerüchte eine authentische Meinung zu^ bilden^.

Wie alle Kommissäre an fremdem Ort, und vollends ohne alle eigenem Ausführungsmittel , wie wir waren , blieben wir auch in Bezug auf die Konstatirung der allgemeinen Zustände auf den guten Willen und die Auge.^ der dortigen Behörden angewiesen. Ließ sich nun einerseits der Eindruck^ ^en die ganze französische Sitnation und die kurz vorangegangenen Ereig^ .nisse in Genua auch auf die Genferbehörden und ihren Eiser ausgeübt^ ^hatten (wie sich dieß ans dem Schreiben des Staatsrathes vom 23.

Jänner auch schon deutlich gezeigt hatte), nicht verkennen , so stand eine^ wirklichen Unterstützung unserer Ausgabe durch die Behörden doch Ver^ schiedenes im Wege, was wir kurz anzuführen haben.

.^ .^ Daß man unter den obwaltenden Umständen über die Ankunft von Kommissären nicht sehr erfreut war , überrafchte uns nicht sehr. Um s^.

mehr fiel uns dagegen die Schroffheit auf ^ womit man in Genf gege^

Alles, oft in der gleichgültigsten Angelegenheit, eingenommen ist, sobald

^

285

^s von der B u u d e s b e h ö r d e ausgeht. Diese Gemüthsanlage , wie wir ....s wohl nennen können, wird auch da oft lange nicht besiegt, wo dex eigene Vortheil Genfs bei einer zur Sprache kommenden Maßregel klar ^genug in die Augen springt. Sodann besteht eine ausgesprochene Scheu, ^Andere in den Gang der Geschäfte hineinblicken zu lassen, welcher nicht^ .^ur im Großen, sondern auch im Detail von demjenigen anderer Kantone vollständig verschieden ist. Um vom Ausenthaltswesen zu reden , so sehlt ..es an der erforderlichen ^ordentlichen Basis und an der nöthigen Stätigkeit ^ ^auch wir haben gefunden , es sei oft mehr auf Schaustücke abgesehen, als .auf ruhige und klare Durchführung einzelner Maßregeln. Wir glauben

.uns überzeugt zu haben, daß die Empfindlichkeit und Gereiztheit, die sich

bei einzelnen Reklamationen gewöhnlich zeigt, oft nicht sowohl von üblem Willen, als daher rührt, daß die Behörde über das, worauf es ankommt, selbst ni^t orientirt ist. Damit bringen wir in Zusammenhang die durch ^iele Beispiele nachgewiesenen Unrichtigkeiten und Widersprüche in amtlichen Aussagen und Berichten. Endlich hatten wir Gelegenheit, bei sachlichen Berichten, Untersuchungen und Maßregeln eine Unbeholsenheit wahrzunehmen,

.welche nicht wenig kontrastirt mit der Leichtigkeit, womit mündliche und

^christliche Behauptungen und Argumentationen an- und vorgebracht werden. Jn Genf hat deßwegen ein Kommissariat, und zwar oft ohne die.

genügenden Hülfsmittel, eine Menge von Detailarbeit zu besorgen, welche ^nderwärt.^ selbstverständlich di.^ Kantonalbehörden vorbereiten würden.

Wir glaubten durch diese , aus der Ersahrung gegriffene allgemeine Bemerkung die einzelnen Notizen ergänzen und wenigstens theilweise erklären zu sollen, welche wir in Folgendem aus den ...tkten ziehen.

W^.s wir sowohl amtlich, als außeramtlich über die in der franzöfischen Note und in öffentlichen B.ät.^rn geschilderte Anhäufung von Flüchtlingen in Genf^ in Erfahrung gebracht und selbst wahrgenommen haben , überzeugte uns , ^daß in dsef..r Hinficht außerordentliche Uebertreibungen stattgefunden hatten ; zwar mußten wir hie und da vernehmen, wie vor unferer Ankunft einzelne Flüchtlinge anf's Land hinaus oder über die Gränze verschwunden sind , u.u nachher wieder zu kommen ; und die.^ Klagen, die uns von verschiedenen Seiten zu Ohren kamen, man zeige eben fremden Kommissären nur, was man gerne wolle^ mögen in einem gewissen Grade ihre Berechtigung gehabt haben. Einzelne Ausnahmen vorbehalten, müssen wir aber des bestimmtesten erklären, daß die Begriffe, welche man sich über die in Genf stattfindenden Umtriebe und über die Zahl der Flüchtlinge gemacht, sehr ü.^rtxi.^n gewesen find. Beide Kommissäre hatten Gelegenheit, darüber zu ihrer großen Befriedigung den richtigen Sachverhalt mündlieh in Bern^zu referire..., und zwar der e.ne am 21. Februar, der andere am .^. März. ...iuch verschiedene unferer Berichte geben von diesem Erfund Zeugniß.

O^schon mit der festen A^sich. nach Genf ^.gekommen , nur mit der dortigen Behörde zu verkehren , so hatten wir doch nach dortigem Geschäfts^l sehr b..1d Veranlassung , ^auch mit ausländischen Magistraten,

286 und namentlich mit dem französischen Konsul in Genf, Herrn D e n o. i x , zu verkehren. Da von dieser Seite und den damit zusammenhängende^ Quellen die meisten Angaben über dortige Zustände geflossen waren , ex überdieß dem Kommissariate von vorn herein gewisse Nachweise, so namentlich eine Lifte der französischen Flüchtlinge zugesagt halte, so waren wix als unparteiische Jnstanz gewissermaßen in die Mitte gestellt. Wir haben schon oben angedeutet, daß die Genferbehörden durch einzelne , oft mehr.

pikante als begründete Mittheilungen meist selbst Schuld daran gewesen sind, wenn den reklamirenden fremden Gesandtschaften alarmirende Nachrichten.

zu Ohren gekommen find. Vom französischen Konsul insbesondere haben wir uns überzeugt , daß er über Genf , trotz seiner oft ausgesprochenen Hoffnung, etwas zu erfahren, nie etwas Positives gewußt hat. Die vou ihm versprochene Liste und die übrigen zugesagten Notizen hat er trotz den.

wiederholtesten Aufforderungen, die seinen Reklamationen entgegengehalten worden sind, nicht geliefert ; die wenigen Angaben, welche er mittheilen im Falle war , beruhten bei näherem Nachsehen auf den vollständigsten Mißverständnissen und Entstellungen. Es ist daher klar, daß ex von seineu Gewährsleuten muß irre geführt worden sein. Bei diesem Anlaß erlauben wir uns darauf aufmerksam zu machen, wie jede aus die Angabe von geheimen Agenten angewiesene Polizei, zumal in politisch bewegten Zeiten und wenn jede Nachricht dem Angeber einen gewissen Nutzen bringt, den abenteuerlichsten und großartigsten Jrrthiimern und Entstellungen ^preis g.^ geben ist.

Herr Deuoix hat sich zur ganzen Frage aber noch in einer weigern schiefen Stellung befunden. Wir können uns wenigstens nicht erklären, wie er von seinem Gesichtspunkte aus schon gegen Herrn Aepli äußern konnte, die Jnternirung werde unthunlich und nutzlos sein. und wie ex dieß dann gegen uns in Betreff einzelner vorliegender Fälle wiederholen konnte. Während er dem Kommissariat nichts mitzutheilen wußte, als höchst ungenaue Angaben über einen gewissen B e r n a r d , oder sich in Er^ manglung anderer Nachweise in zu weit gehenden und mißverstandenen Anschuldigungen gegen die italienische Gesellschaft ergieng , ermangelte man dennoch nicht , zu gleicher Zeit in Bern neuerdings zu xeklamiren Jn .Bezug aus einen gewissen R o u x ,
mit dem dann ein gewisser R o u l p h oder R u f f l e in Beziehung gebracht wurde. wollte ein einmal aufgetauchter Klatsch gar kein Ende nehmen ; dieser Roux sollte im Attentat gegen den Kaiser in.plizirt sein. Obgleich nun fein angeblicher Mitschuldiger in Frankxeich von der französischen Behörde und Ro^x selbst aus des Herrn Konsuls Begehren in (^ens ^nt.assen war, so wurde dennoch auf uns unbe^ greisiiche ^eife diese Reklamation gegen Roux immerwährend festgehalten.

Wie inkonsequente Reklamationen unter solchen Verhältnissen überhaupt vorkommen können, zeigt am besten d^r Fall eines Pil.iex (Protokoll

P^ l32). .

Wie auch die Vertreter anderer Staaten auf merkwürdige ^eise in.terzedir.m können, zeigt (Protokoll Pag. 201) der Fall von Bellegaxde,

^

28.^

den wir in Uebereinstimmung mit der Genferbehörde ausgewiesen hatten..

weil er während unserer Anwesenheit in Genf sich. bei der Vertheilung.

propagandistischer Schriften betheiligt hatte.

Gegenüber den schweren , gegen Gens erhobenen Anklagen hielten wir^ es sür Pflicht, nicht nur da, wo wir etwas fanden, der Sache auf deu Grund zu gehen, sondern auch da, wo Jrrthum oder doch Uebertreibung^ vorlag, nachzuweisen, wie solche später oft so weit führende und so schwer zu widerlegende Anklagen entstehen und sich verbreiten. Wenn man sich in Genf in dieser Beziehung die gemachten bittern Erfahrungeu zur Lehre dienen läßt, so ^werden wir wenigstens in diesem e i n e n Punkt eine große Befriedigung finden......

Mußten wir uns so überzeugen , daß die Fremdenverhältnisse von.

Genf in. Allgemeinen keinerlei Grund zur Beunruhigung der Nachbar^ staaten darboten , so ist nun noch darzulegen , welche Stellung die Be^ hörden gegenüber den gefürchteten Tendenzen , unserer Ansicht nach, eingeuo.nmen haben. Da hierüber, großenteils durch ihre eigene Schuld, sehr große Mißverständnisse verbreitet sind, so sprechen wir diese Ansieht mit einem Worte dahin aus . Die Genfer^Regierung ist im Prinzip allen Plänen, welche man der Propaganda vorwirft, entgegen, und abgesehen von allen andern Gründen liegt es in ihrem, ihr sehr bewußten Jnteress^, gegen dieselben zu fein ; sie hat aber einen (fch^n in frühern Zeiten ent^ standenen) Anstand geduldet, . welcher es den verschiedensten .Abenteurern ermöglicht, in Genf ihr Wesen zu treiben, und welcher sie selb^ außer^ Stand setzt, für den jeweiligen Sachverhalt zu garantirez Gegenüber der Bundesbehörde ko^.mt dann noch die ausgesprochene Tendenz dazu, derselben möglichst wen^g an die Hand zu gehen, wenn sie im Namen der Schweiz, und also auch von Genf, fremden Zumnthungen entgegen zu.

treten hat.

Wiefern fich dieß dem Kommissariat gegenüber im Allgemeinen gezeigt hat, ist n..n noch zum Schluß dieses allgemeinen Abschnitts darzuthun.

Unser p.^.sönlicher Verkehr dauerte vom 17. Februar bis zum 12. März, und zwar in folgender Verkeilung : ^is zum ^0. Februar waren beide Ko.n.nissäre gemeinschaftlich in Genf; ^on da bis zum 3. März Herr D u b s allein; von da bis zum 6. beide zusammen; von da bis zum

12. März Herr Bisch o ff allein. Beiläufig bemerkt, hatten wir uns je-

weilen vorher darüber verständigt, in welchem Sinne in der Arbeit weiter voran zn schreiten fei.

(Dieß ist z. B. in Bezug auf die auszuweisenden

Mitglieder der italienischen Gesellschaft in der Weise geschehen, daß wir

zum Voraus ein Verzeichnis derjenigen entwarfen, deren Verhältnisse ihr Belassen in Genf wünschbar machen konnten. Die Behörden in Genf ha^en sodann in der Folge nicht einmal für alle diese eine Konzession vom KoIumissariate in Anspruch genommen).

^ Während wir nun bei den Genferbehörden, wenigstens in ihren höhern.

.Regionen, keinerlei Sympathien für Flüchtlinge als solche wahrgenommen

^88 ^aben, find wir dagegen bei der Ausführung unserer Aufgabe theilweife einer geringen Zuvorkommenheit begegnet. Die Untersuchung dessen, was in Genf unserer Ueberzeugung nach wirklich vorlag, und die Ausführung dessen, womit sich das Kommissariat begnügte, wäre wohl in jedem andern Kanton die Sache weniger Tage und mit durchaus keinen nennenswerten Schwierigkeiten verbunden gewesen. Kommissäre und Behörden hätten sich wie von selbst verständigt, und durch einen intelligenten Büralisten wäre die znm Anfertigen von Listen, Laufpässen ..e. nöthige Schreiberei, durch einige Polizeiagenten das Aufsuchen, Zitiren und Aussehaffen der betreffenden Personen besorgt worden. Hier aber gieng man so lange prinzipiell darauf aus, uns Reklamationen und Protestationen entgegen zu stellen, bis der eigene Nutzen die Behörden bewog, sich mit dem Kommissariat über gewisse Maßregeln zu verständigen.

Ohne dieß alles so anschaulich wieder geben zu können, wie es beim aufmerksamen Durchgehen der Akten hervortritt, haben wir darüber Folgendes anzuführen: Gleich am ersten Tage wurde uns nach einem Empfang, dessen Einzelnheiten wir im Jnteresse guten Einverständnisses sogleich ...ex Vergessenheit übergeben haben, neben der Erklärung, zu allem Mitwirken bereit zu fein, dieselbe bereits im Schreiben vom 4. Februar an den Bundesrath enthaltene ausweichende Definition darüber entgegen gehalten, wer als Flüchtling anzusehen sei. Auf unfere dießfälligen Einwendungen vom 17. Februar wurde uns mit Schreiben vom 19. Februar die von uns schon wiederholt zitirte Antwort, es loh...^e sich nicht d^r Mühe, darüber zu streiten, wir sollen über solche Individuen nach unserm .Ermessen verfügen. Bezeichnend für die dortfeitige Geschäftsführung, und unsere Auf^gabe keineswegs erleichternd, war es, daß dieses Schreiben vom 19., der darin gegen Erwägungen 2 und 3 unserer Jnstruktion enthaltenen Prote^ station wegen, sogleich in der Presse veröffentlicht wurde. Jn Bezug auf .diejenige Zeit, welche von uns zur Verarbeitung einzelner spezieller An^ gaben verwendet wurde, ist zu bemerken, d^.ß zwar (wie auch die Akten beweisen mögen) von der kantonalen Behörde dnrch größere Vollständigkeit

und Deutlichkeit unsere Arbeit hätte erleichtert, oder daß diese zum Theil

passender von Andern hätte gemacht werden können, daß aber der einmal gegebenen Zusage gemäß die kantonalen Ausführungsmittel auf eine loyale Weise zu unserer Disposition sind gestellt worden.

Bezeichnend war die Art, wie .^an daraus ausgieng , ohne Zuthuu eidgenössischer Behörden durch einen gelungenen Eoup sich Frankreich ver.binden und uns nebenbei imp^niren zn können. So wurde einmal viel geredet über eine nach Frankreich bestimmt^, an der Genfergränze ausgegriffene Höllenmaschine.

Später glaubte .^an durch Verhaftung eines Grafen E h a r p e n t i e r sich besondere Verdienste erworben zu haben.

Jm Ganzen schienen es die Behörden ^on ^enf ^.it Befriedigung zu sehen, daß wir in unserer Arbeit möglichst rasch vorwärts schritten. So hat namentlich Herr Staatsraths^räfident F a z v ^m .'. Mä..z sich münd^

28.^ ^ich sehr anerkennend darüber ausgesprochen, daß das Kommissariat so rasch zum Ziel zu kommen suche, und zur weitern Ausführung seine ganze per-

söu.liche Unterstützung zugesagt. Jn wie weit wir dieselbe bei den .einzelneu Geschäften gefunden, ist aus den nachfolgenden Abschnitten zu ersehen.

Unsere letzten in Genf gewechselten Schreiben und^ Besuche zeigen, ^iu welch' vollständigem ^inverständniß wir sodann vvn den Behörden in ^enf geschieden sind; auch waren sie weit davon entfernt, an uuserer Abreise von Genf, um die letzte Aussühruug von ferne zu besorgen, etwas auszusetzen. Erst später zog man vor, den bekannten .Konflikt zu erheben und jedes Mittel anzuwenden, die Ausführung zu siftiren. Nachdem das Kommissariat umsonst versucht, mit Schreiben vom 30. März die fernere Ausführung zu sichern, trat durch die erhobenen Einwendungen die Sache aus dem Stadium bloßer Ausführung ..uf ein mehr prinzipielles Gebiet, ^Ind wurde von da an statt nur von einem, wieder von beiden Kommissären.

^gemeinschaftlich behandelt.

Jn Genf hatte der Staatsrath die weiteru Verhandlungen an sich selbst gezogen, und der Verkehr sand meist durch die Vermittlung des eidgenössischen Justiz^ und Polizeidepartementes statt.

Es ist nun schließlich hier der Ort, auf eine von den Behörden von Genf gleich bei unserm Empfang mit großer Bestimmtheit und wiederholt uns entgegen gehaltene Behauptung zu kommen, welche uns veranlaßt hat, Jnformationen in andern Kantonen einzuziehen. Es wurde uns nämlich behauptet, in Genf seien so viel wie gar keine Flüchtlinge; man klage böswillig immer nur diesen Stand an, während andere Kantone viel mehr Flüchtlinge beherbergen, worüber man in Genf bestimmte Nachricht habe^ so seien im Danton W a a d t über 500, im Kanton N e u e n b u r g über 200 Flüchtlinge; au...... in B a s e l seien viel mehr al.^ in Genf. Obschon uns nun letztere Angabe, deren Werth zu würdigen wir uns füglich zutrauen durften, keine sehr h.^he Jdee .^..n d..n in Genf vorhandenen statistifchen Notizen beibrachte, so überzeugten wir uns d.^ch aus den in diesen Kantonen geführten Listen^ wie sehr diese Angabe übertrieben war; der

Kanton Waadt hat nämlich zirka 30 Flüchtlinge und außerdem. gegen 30 Personen derselben Kategorie, welche nach und nach ihre Position reglixt haben; der Danton Nenenburg hat 20.-- 25.

.

Mi^ Ausnahme dieser und einiger unbedeutender, in F r e i b u r g und^ W a l l i s eingezogener Erkundigungen hat sich unsere Ausgabe auf G e n f allein beschränkt.

ll.

Da wir von vorn herein geneigt waren, die öftern Anstände Genfs gegenüber der Bundesbehörde nicht ausschließlich üblem Willen zuzuschreiben, da vielmehr die hartnäckige Verweigerung jeder, auch noch so einfachen Liste auf einen positivern Grund hinzuweisen schien, was denn a^.eh durch frühere Akten, die uns vorlagen, bestätigt wurde, so kamen die .Kommissäre dahin überein., .nicht nur die Aufstellung und Mittheilung de..^

......undesb...^. ^ahrg. .^. ^d. II.

..^8

290 .oon den Buudesbehörden schon längst verlangten Flüchtlingslisten zu be^ .wirkeu, sondern das Aufenthalts- und Kontrolwesen überhaupt einer geuaueru Prüfung zu unterziehen. ^Soll Genf, wie wir es im Jnteresse.^ dieses Standes sehnlichst wünschen, für die Zukunft aus dem Ausnahme zustande herauskommen, worin es sich gegenüber der Eidgenossenschaft und der an diese gelangenden Reklamationen bandet, so zeigt sich in der That.^ eine etwas veränderte Fremdenkontrole als nöthig. Diese bedingt di^

Möglichkeit der Ausstellung geordneter Fliichtlingslisten gerade eben so sehr, als letztere die Möglichkeit einer ^Flüchtlingspolizei bedingt. Ohne andere Kontrolen sind die vielverhandelten Flüchtlingslisten, und ohne diese List^ ist jede reelle Auskunft über den Sachverhalt im Flüchtlingswefen unmög.^.

lich , und ist aus Jnterpellationen und Beschwerden in der That nicht woh^.

anders zu antworten, als mit allgemeinen Redensarten und Ausflüchten^ Wir sind der Ansicht, der Stand Genf hätte sich gar nie in dieses eigen^ thüm.iche, unaufhörliche Renitiren, Protestiren und Desiniren hinein ver^ rannt, wenn nicht, und zwar schon ans ältern Zeiten her, sein Aus.^ enthaltswesen in einer Weise geführt worden wäre, welche sür eine Flucht^ lingskontrole ein schwer zu verarbeitendes Material darbot.

Wir werden nun zuerst über die Fremdenkontrole in Gens überhanp.^ Einiges bemerken, und sodann über unsere Verhandlungen, betreffend di^

Aufstellung und Mittheilung der Flüchtlingslisten , insbesondere berichten.

Jn Betreff des Kontrolwesens überhaupt haben wir im Protokoll.

(Pag. 33) eine ausführliche Darlegung niedergelegt, und auch unterm.

2^. Februar dem Staatsrathe umständlicher darüber geschrieben (Protokoll.

Pag. 40). Jm Ganzen mag es genügen, auf diese beiden Aktenstücke hier Bezug zu nehmen. Uebersichtiich bemerken wir hier darüber Folgendes : Jn Genf, welches schon seit alten Zeiten die Zufluchtsstätte Verfolgtex ist, haben von jeher hinsichtlich des Ausenthaltes von Fremden weitherzigere.

Begriffe geherrscht, als dieß wohl irgendwo sonst auf .^em Kontinent bei

Städten mittlerer Gxöße der Fall war. Bei der Ausbildung dieses Ge^

schäftszweiges in die neue Zeit hinein ist zu bemerken, daß es großstädtisch

wird und daß alle Schachtender dortigen Bevölkerung sich mit Vergnügen.

dieses gr.oßen Schrittes bewußt .find, wenn auch manche daran hangenden.

Konsequenzen von vielen Bürgern bitter beklagt werden mögen. Mag nuir ..in frühern Zeiten, trotz dem ziemlich nnkontrolirten Aufenthalt ^fremder Emigranten, durch den im Staatswesen herrfchenden Puritanismus d^ Stadt vor nachtheiligen Folgen bewahrt worden fein oder nicht, Thatfache.

ist, d^.ß jetzt, wo ein anderes Staatsprinzip herrscht und wo es sich um ^ine den ^Personen nach sehr veränderte Emigration handelt^ noch dieselbe Anschauung in der Führung des Frerndenwefens herrscht, wie früher, w.^ die Einzelnen vielleicht no^ leicht zn überschauen waren. Jetzt ist es ge-^ xadezu Staatsprinzip, durch möglichst gr.^ße Formlosigkeit im Aufenthalts.wes.en Gens immer mehr. neue Elemente zuzuführen.. Dazu kommt feine^ Lage an der Gränze zweier Länder, das massenhafte Zuströmen zu de.^

.daselbst leicht zu findenden und wohlbezahlten Arbeit.

Endlich ift nicht.

^

291

außer Acht zu lassen , daß in^ kurz ^uf einander folgenden Zwifchenräumeu höhere politische Fragen alle Elemente dieses kleinen Staats, zumeist die regierenden, regelmäßig in Bewegung versetzen und so die Ausn.erksamkeit von solchen Zweigen der Administration ablenken, welche nach Maßgabe veränderter Umstände ebenfalls in ruhiger Umgestaltung verändert werden sollten.

Jn unfern Berichten haben wir nachgewiesen, worin speziell die Eigenthümlichkeiten der Genser'schen Konirole bestehen. Jm Wesentlichen bestehen sie darin, daß die fiottante Bevölkerung nach denselben Formen behandelt wird, wie die niedergelassene; ferner darin, daß das Ertheilen der Aufenthaltokarten als F t n a n z s a c h e angesehen wird (die Gebühren betragen

jährlich 70 à 80,0.^0 Fr., und es werten in Genf z. B. vierteljährliche Aufeuthaltsgebühren von folchen Arbeitern bezogen, welche in andern Städten keinerlei Steuer unterworfen wären):. endlich besteht jene Eigenthümlich^e.t in dem Ertheilen der Ansenthaltsbew.lligung an eine Menge von Menschen, die keine oder so gut wie keine heimathlichen Schriften befitzen. So finden wir also Leute, die einen Laufpaß, womit sie anderswo weggeschickt worden sind, in Genf als eine persönliche Legitimation zu unbestimmtem Ausenthalt deponiren, oder ein Deeomptebüchlein, ^ womit sie desertirt sind .e. ^. Als ultima ratio, wenn dergleichen Leute längere Jahre in Gens gewohnt haben , bleibt die sehr erleichterte Aufnahme ins Bürgerrecht.

Der Uebelstand für die uns interefsirende Frage liegt nun darin, daß alle diese Leute mit den in Ordnung befindlichen Aufenthaltern in einer und derselben ^ontrole eingetragen sind; einmal eingetragen, sind fie dann nur mit außerordentlicher Mühe wieder herauszufinden. Und da nun unter dieser Klasse vvu Leuten mit ungenügenden Papieren alle diejenigen fich befinden, denen diese aus politifchen Gründen abgehen, so ist es klar, daß alle Nüaneen vom einfachen Refraktär weg bis zum gravirtesten Flüchtling unter der Masse der vollständig in Ordnung sieh befindlichen .^lufenthalter aufgeführt sind, wenn fie es überhaupt für angemessen erachtet ^aben, der Polizei ^ihre Anwefenheit .kund zu geben. Jn letzterem Punkte soll es je nach Umständen sehr lax gehalten werden, ein Punkt, den wir aber zu beurteilen außer Stand sind.

Wir werben unten bei der Behandlung der verschiedenen verlangten Listen zu erwähnen haben, in welcher Weise wir um Abhülfe in diesem wichtigen Kardinalpnnkt nachgesucht haben.

Nach dem Gesagten begreift man das sonst Unbegreifliche, nämlich wie der h. Staatsrath in seinem Schreiben vom .4. Februar dem Bundesrathe gegenüber behaupten konnte, die wenigen Jndividuen, welche Flüchtlinge scheinen, seien ans deponirte Papiere hin da; wie ferner zur Bestätigung des von. Staatsratb Gesagten vom Fremden^Bureau bescheinigt werden konnte, es seien seit mehreren Monaten keine Flüchtlinge in Genf angekommen, eine Angabe, welche durch die über verschiedene Flüchtlinge

292

^

^

gelieferten Notizen von der Genfexbehö..de selbst hintendrein widerlegt worden ist.

Jn Bezug auf d.ie Refr^tärs und Deserteurs haben wir im Jntexesse der Billigkeit eine Notiz nachzutragen.

Jn wiefern dieselben den Fluchtlingen gleichzustellen find, oder nicht, wird wohl in den meisten Fällen von den Umständen des einzelnen Falles abhangen; bei den italienischen Deserteurs z. B. versteht es sich unserer Ansicht nach von selbst, daß sie Fluchtlinge sind (was ihrer persönlichen Ehre übrigens weniger Eintrag thut, als wenn sie aus keinem oder aus einem gemeinen Grunde den Fahneneid gebrochen hätten). So sehr wir es nun im Jnteresse auch der andern Kautone, wohin sich solche Leute später oft verlieren, mißbilligen müssen, daß man in Genf alle und jede Leute dieser Klasse annimmt, statt sie möglichst zurückzuweisen, was, wenn es in den ersten Tagen geschähe, für die Be.^ treffenden meistens das beste sein würde, i.^dem sie alsdann nnr eine kleine Strafe zu erleiden hätten, so müssen wir doch zugeben, daß diese u. A.

durch das schweizerische Heimatbiofengefetz vorgeschriebenen Zurückweisungen in Gens dermalen in manchen Fällen bedeutenden Schwierigkeiten unterliegt.

Bei den umfassenden Arbeiten nämlich, wozu täglich Tausende aus der Umgebung vvn. Genf herzuströmen, ist es eine reine Unmöglichkeit, eine polizeiliche Kontrole über diese Jndividuen auszuüben ; Deserteurs finden nun sehr leicht unter diesem Titel .Eintritt in'^ Land und Gelegenheit, sich .nach und nach einzuwohnen, in welchem Falle dann in der That später nichts übrig bleibt, als dem Betreffenden Aufenthalt zu geben ,^ oder ihn zurückzuschicken, was nach Verlauf einiger Zeit eine Unbarmherzigst wäre, oder aber ihn einem andern Kanton oder Staat zuzuschicken, was von diesem aber möglichst verhindert würde.

Daß wir frühern Bundesvorschriften gemäß im Aligemeinen darauf gedrungen haben, es sollte das Hereindringen aller nicht legiti.nirten Leute über die Gränze nach Kräften verhindert werden, bedarf bloß einer knrzeu Erwähnung; zuletzt ist es noch gefehehen mit Schreiben vom 19. April.

Bei diesen Erörterungen über die Fremdenpolizei bleibt uns nun noch

übrig, einige zum Theil für Genf sprechende Uebelstände zur Spraye zu

bringen, welche auf die ^der Schweiz benachbarten Länder zurückzuführen sind. Entgegen den so oft wiederholten und. vielfach übertriebenen Reklamationen der fremden Diplomatie muß es gesagt werden, daß die in ihren eigenen Ländern herrschende Praxis selbst daran Schuld ist, wenn sich an einzelnen Orten, und namentlich in Genf, nach und nach Leute anfammein, welche entweder Flüchtlinge oder doch de^xt sind, daß es nahe liegt, sie damit zu verwechseln, oder dazu zu zählen, wenn es gilt, ailarmirende Berichte einzuschicken. Wir fangen damit an, .daß in F r ^ n k reich Vielen sogenannte l^iies-Pässe zugestellt werden, womit sie dem Nachbarn zugejagt werden. Unter den Personen, . über deren Anwesenheit in Genf Frankreich sich beschwert hat, und welche es mit Recht zu ^enjenigen Leuten zählt, die nicht aufhören, sich mit Politik zu befassen, befinden ^fich solche Exilés. Es ist ferner gut, es zu sagen, daß unter der

293

..m Allgemeinen zu den Flüchtlingen zählenden Bevölkerung sich Leute befinden, die geradezu mit Laufpaß aus Frankreich nach Gens dirigixt worden find.

Vom schweizerischen Gesichtspunkte aus ist es nun höchlich zu tadeln, daß man in Genf meint, alle diese Jndividuen auf- und annehmen zu ^müssen; denn am allermeisten aus diesen und aus den Deserteurs und Resraktärs rekrntirt sich ganz gewiß jene Klasse der Bevölkerung. deren AnWesenheit zeitweife bedenklich wird und zu^ Vorwürfen Anlaß gibt.

Daß aber bei so bewandten Umständen die Reklamirenden zu ihren Klagen n.cht sehr legitimixt find, leuchtet von selbst ein. Dazu kommt ein weiterer Uebelstand , nämlich die irrationelle Art, wie in Frankreich und Sardin i en Ausweisfchriften sind ausgestellt worden, und zum Theil noch ausgestellt werden. Jn Bezug auf letztern Staat erinnern wir an diejenigen sardinifchen Pä^e, welche den lombardifchen und xömifchen Flüchtlingen sind ausgestellt worden und welche bekanntlich schweizerischer Seits zu Rekla-

mationen geführt haben, die glücklicher Weise nicht erfolglos geblieben sind.

Jn Frankreich hat früher jeder Maire gegen Entrichtung von Fr. 5 einen Passeport à 1'lntérieur ausgestellt, .mit welcher Sorte von Schriften in den Nachbarländern viel Mißbrauch getrieben worden ist; dann aber hat der Umstand, daß alle Gesandtschaften und Konsulate vorzugsweise mit Ausstellung von Pässen sich befaßt haben , sehr bedeutend zu derjenigen Werthlosigkeit beigetragen, welche das Paßwefen heutzutage hat. Da sie uämlich ihre Schriften fast ausschließlich an Leute ausstellen, deren Persönlichkeit und Verhältnisse ihnen unbekannt sind, so ist jeder Mißbrauch natürlicherweise sehr erleichtert.

Es darf wohl ohne Anstand angenommen werden, daß alle pol.t.sch kompro.^ittirten Leuten welche zu Haufe keine Schriften mehr bekommen und dennoch anerkannter Weife so leicht in der Welt herumreisen, sich ihre Pässe bei solchen diplomatischen Agenten im Ausland verschaffen. Jn ^Bezug aus die Vorwürfe, unter welchen G e n f zu leiden hat , ist dieser Punkt von der allergrößten Bedeutung. Es befinden fich daselbft Leute, denen aus den verschiedensten Gründen Schriften ausgestellt worden sind ^ welche sie, konsequent vom System aus betrachtet, nicht hätten erhalten sollen. Je nach Laune oder aus Mitleid, oder wenn der Betreffende seiner Heim.^thregierung angeblich seine Soumission gemacht hatte, oder aus Geldrücksichten. ^sind solche Gesandtschaft- oder Konsulats^pässe ertheilt worden.

Dieß ist namentlich v^n der f r a n z ö s i s c h e n Gesandtfchaft in der Schweiz und vom Herrn Konsul in Genf an Flüchtlinge in der. Schweiz geschehen. Es find Konsulatspässe ertheilt worden, welche ^die betreffende Gesandtschaft verweigert hatte, ein Uebelstand, worüber sich auch schon andere Kantone beschwert hatten u. f. f.

Wie lei^t, mittels ^e.r Konsulats^ und Gesandtschaftspässe, ^gxavirte. Leute, welche es verstehen und denen es daran liegt, es zu thun, sich wieder Papiere vexschassen können, die sie sogar entgegen frühern Bundesbefchlüssen zum Aufenthalt in der Schweiz, resp. in Genf legitimiren, beweist der auf Pag. 114 des Protokolls angeführte, auch noch in anderer Hinsicht sehx .interessante Fall.

.

294 Alle diese Wahrnehmungen in Genf haben die Ueberzeugung in uns^ bestärkt , daß , wenn heutzutage überhaupt noch von einer Paßkontrolle irgend welcher , namentlich ein politischer Werth erwartet wird , von Magiftratspersonen im Ausland höchstens abgelaufene Schriften sollten erneuert, aber keine neuen nnd anders lautende sollten ausgestellt werden können. ^ Daß ' Gens auch seinerseits Flüchtlingen Pässe ausgestellt hat, was auch vorgekommen ist, kann ihm nach dem Gesagten wenigstens vom Aus^ lande nicht zum Vorwurfe gemacht werden ; es ist aber von andern Kantonen darüber mit Recht geklagt worden.

Gehen wir nun über zu den Verhandlungen , welche , anknüpfend an die Bundesbeschluß, an vielfache Begehren der Bundesbehörde und früherer Kommissariate über Aufstellung und Mittheilung der kantonalen Flüchtlingsliste, so wie einiger anderer dießfälliger Verzeichnisse , stattgefunden haben, so bestehen sie. in Folgendem : Eine richtige und auf Genauigkeit Anspruch machende Liste der in Genf wohnenden Flüchtlinge ist , wie wir oben ge^ sehen, erst dann zu liefern^, wenn über alle Fremden mit unregelmäßigen Papieren ein Verzeichniß wird ausgezogen sein ; nur daraus gestü^t kann das verlangte Verzeichniß ausgefertigt und später fortgeführt werden.

Nachdem wir uns überzeugt, wie es in diefer Hinficht bestellt sei und warum die immer vergeblich verlangte Flüchtlingsliste nicht zu^ Vorschein komme, ließen wir es uns angelegen fein, die Behörden zu überzeugen, daß nur auf diese Weise sie selbst zur Einsicht über den Sachverhalt und somit zu der Möglichkeit gelangen, verlangte Auskunft zu ertheilen, übertriebene Anklagen zurückzuweisen und sich der Bundesbehörde gegenüber in Ordnung zu setzen. Wir setzten unsere Ansicht über diesen Punkt, der allerdings die kantonale Organisation angeht, schriftlich und mündlich wiederholt aus einander, namentlich am 5. und 9. März; wir haben auch seither wiederholt daran erinnert. Da zu diesem Behuf fämmt-^ liche Papiere der in die Kontrollen eingetragenen Fremden re^idirt werden müssen , so handelt es sich um eine mühsame und sehr zeitraubende Arbeit.

Es freut uns, berichten zu können, daß der h. Staatsrath mit Beschluß vom 9. März, unter Aussetzung eines dießfälligen Kredits, die Etablirung dieser von uns gewünschten Kontrolle der Fremden n.it unregelmäßigen Papieren
beschlossen hat.

Wie wir vernommen , ist der Herr Ehef des Fremdenbureau beauftragt worden, mit einem Sekretär diese Arbeit dnrch^ zuführen. Wie weit dieselbe gediehen ist, haben wir, trotz verschiedener^ Reehargen , nicht erfahren können. Nach dem Berichte des Staatsrathes an den Bundesrath vom 16. ^lpril war dieselbe damals noch in Arbeit.

Wir müssen sehr wünschen, daß dies.. , sür das zukünftige Verhältniß von Genf zum Bundesrath gewiß außerordentlich wichtige Einrichtung in ge.höriger W.^ise durchgeführt und fortgeführt werde.

Jn Bezug auf die Flüchtlings^iste speziell, wozu alle Kantone vom eidgenössischen Departement wiederholt feiner Zeit Formulare erhalten haben, stießen auch wir --. es war dieß unter den vorliegenden Umständen natür-

.^ ^ich -- während längerer Zeit aus sehr ausweichende Auskunst, und wie wurden wie unsere Vorgänger mit Versprechungen hingehalten. So be.^auptete man uns Anfangs, Gens habe gar kein Formular erhalten.

^Nach verschiedenen Verhandlungen erhielten wir eine Liste von 1..) sranzöAschen Flüchtlingen, serner die jedenfalls höchst unvollständige Liste von 10 in's Bürgerrecht aufgenommenen Flüchtlingen , wovon einer im Jahx ..l852 durch förmlichen Bundesbeschluß aus der Schweiz gewiesen wurde.

letzteres Verzeichniß schien uns für das eidgenössische Departement interes^sant.

Jm Uebrigen wollten wir uns in die Frage nicht einlassen, in ^wiefern der Bundesrath über die Aufnahme von Flüchtlingen in's KantonsBürgerrecht ^nznf.agen ist und zu entscheiden hat. Daß ex von solchen Fällen überhaupt Kenntniß zu haben hat, versteht sich da, wo eine ordent^iche Liste existirt, von selbst.

Jedenfalls sollten Fälle nicht mehr vorkommen können, wie der des Flüchtlings T h o m a s S a f f i , welcher 1853 ^urch förmlichen Beschluß des Bundesrathes aus dex Schweiz verwiesen, .welchem aber dennoch im Jahr 18.^ oder 1858 das Genfex^Bürgexxecht versprochen worden ist.

Mit Schreiben vom 1. April ist sodann dem eidgenössischen Repartemeut ein, mit Einschluß der Ausgewiesenen und Abgereisten, 30^Nameu

wählendes Vexzeichniß sämmtlicher Flüchtlinge von Genf zugeschickt

worden, welches in tabellarische Form umgeschrieben, einigermaßen demjenigen entspricht , was man seit langen Jahren verlangt hat.

Jn Bezug auf die unter die Flüchtlinge eingereihten F r a n z o s e n ^aben wir ^hervorzuheben, daß Genf in Bezug auf ihre Klas^fizirung und Spätere Ausweisung niemals diejenigen feinen Unterscheidungen und großen Bedenklichkeiten und Protestationen erhoben hat, welche in Bezug auf die Italiener in neuester Zeit ein so prinzipielles Gewand angenommen haben.

lll.

Die wirklich zum Vollzug gekommene Ausschaffung von Flüchtlingen ^aben wir bloß summarisch zu erwähnen, da die Akten an ihrem Ort Darüber genügende Auskunft ertheilen, und die Persönlichkeiten im Uebrigeu .^icht von besonderem Jnteresse sind.

Das Kommissariat hat unter Mitwirkung der Behörden von Genf ^ie nachfolgenden Individuen entfernen lassen; Die F r a n z o s e n Eochet, .Fouillé, Labouret, Jol..., Gagneu, Siffert, Pellerin und Labru.^ère nach ^n^land, P^.at nach Sardinien und der Türkei; die J t a l i e n e x Biraghi.

^En.gland), Robiati und Graziosi nach Bern, Zamperini nach Zürich, ^Gojorani und Runealdier nach Sardinien, im Ganzen 15; ob letztere

. ^wei wirklich in Sardinien sind und daselbst bleiben, darüber sind wir nicht .ohne allen Zweifel.

Während wir in Bezug auf die Franzosen, sofern .^.e aufgesunden wurden, ohne Schwierigkeit die Mitwirkung der GenfexBehörden in Anspruch nehmen konnten, und letztere uns sogar Leute als ^.l.^tlinge zu Handen haben wollten , welche es bei näherer Untersuchung

.

.

^

.gar nicht waren, fanden wir hinsichtlich derJtaliener um so größern Wider..

spruch. Jn Bezug auf beide fand ein einfacher Ausweg , der bei andere Verhältnissen .in umfassende^ Maß hätte angewandt werden können , und.

von dem wir uns viel versprochen hatten, nämlich das Zurückschicken ungravixter Jndividuen nach Frankreich und Sardinien , leider keine Anwen..

dung. Es wäre dieß sehr einfach und mit wenig Kosten verbunden gewesen , hätte auch diejenigen , bei welchen es anwendbar gewesen wäre, wieder in eine normale Position zurückgebracht. Es wäre aber dafür eine genaue Untersuchung nicht nur aller persönlichen, sondern auch aller heimath^ lichen Verhältnisse derselben nothwendig gewesen. Ueberhaupt werden die zu dieser Klasse Gehörenden, welche gewiß sehr zahlreich sind, erst durch die Kontrolle über die Fremden ohne gehörige Papiere namhaft gemacht werden.

Jn Bezug auf die Art und Weife des Entfernens von Genf bemerker..

wir, daß wir auf unsere Verwendung ermächtigt worden sind, den Be^ treffenden die Alternative z..i stelle^, ob sie internirt werden wollten, oder eine Reise nach England vorzögen. Letzteres lag bei solchen Jndividnen, welche ans den Verdienst in größern Städten angewiesen si...d, im Jnteress.^ der Humanität, vermied die Reklamationen anderer Kantone über das Zuweisen solcher Leute, und befreite überhaupt die Schweiz gänzlich von den^ Betreffenden. .-- Wie unbeholfen und mit welchem Embarras die Mehrzahl der Fortgewiesenen nach Bern geschickt worden ist , darüber gibt unsere Korrespondenz wiederholt Zeugniß. - Bei Anlaß der von uns Ausgewiefenen ist auch von denjenigen namhaft gemachten Flüchtlingen zu reden, welche nicht aufgefunden werden konnten. Wie sich von selbst verstand, s.^ haben wir verlangt, daß dieselben sollen ausgeschrieben werden. Jn Bezug auf vier französische Flüchtlinge haben.. wir es am 6. und 7. März von Herrn Staatsrath D ucho sa l speziell verlangt und ihn gebeten , dem Kommissariat einige Exemplare der ergangenen Ausschreibung zuzustellen.

Diese Signalemente sind aber nicht eingelangt.

Am 10. März wurde an den Herrn Staatsrathsprästdenten die Ausschreibung aller Mitglieder der italienischen Gesellschaft nachgesucht, welche nicht mehr in Genf zu finden seien. Mit Schreiben vom 12. wurde von allen ergangenen Ausschreibungen Mittheilung verlangt. Unsere Voraussetzung, daß diese Ausschreibunger..

vielleicht deßwegen so lange ausbleiben, um sie nachher zusammen drucke^

und mittheilen zu können, bestätigte sich nicht, weßhalb wir am 24. März

^nochmals um Fahndung auf diejenigen Jtaliener und Franzosen ersuchten,.

^eren Aufenthalt angeblich unbekannt sei. Wir begründeten dieses Begehren mit dem einleuchtenden Motiv, es sei nöthig, damit diese einmal .ausgewiesenen J^dividuen mit unbekanntem Aufenthalt (ihre Zahl betrug .1^) ^nicht nach und nach wieder sich in Gens Anschleichen können , worüber sich .Genf selbst bei frühern Anlagen beklagt habe, und was auch wieder zu .neuen Reklamationen von Außen führen müßte. Mit Schreiben vom ^.

Mai haben wir dasselbe Ansuchen nochmals gestellt nnd begründet. Nichts desto weniger ist darüber nie da^ Geringste mitgetheilt worden, und es ist

.

.

297^ eilfo diese für die künftige Ordnung der Dinge wichtige Maßregel unter^ blieben, trotz den wiederholten Versprechen der Behörde, alles thun zu.

.wollen^ was das Kommissariat verlange.

^Mit welchen an fich weniger wichtigen Aufträgen in Bezug au^ ein^ zelne Personen Genf außerdem im Rückstand geblieben ist, zeigt unser bei den Akten befindliche Bericht vom 30. Juni.

Wir wenden. uns nun zum Schluß zu derjenigen Angelegenheit, welche .zu den von Genf erhobenen Beschwerden und dem dermalen obschwebenden Rekurs geführt hat, nämlich zur Ausweisung derjenigen Mitglieder der^ italienischen Gesellschaft, welche ohne Papiere sich iu Gens befanden; es waren dieß nachweislich 17 Perfoneu.

Ueber diese sogenannte Société de secours Inutuels italienne hat das Kommissariat am ^7. Februar denjenigen auf genaue Prüsung begründeten.

Berieht abgefaßt, der (Pag. 4..)) im Protokoll enthalten ist, und den wir mit Schreiben von demselben Tage in Uebersetzung dem h. Staatsrath von Genf mitgetheilt haben. Nach den vielen sachlichen und rechtlichen Erörterungen, welche über diese Angelegenheit stattgesunden haben, ist es nicht Aufgabe dieses Berichtes,^ in die nachträglich vou Genf erhobener..

Zweifel und Beschwerden näher einzutreten. Wir werden uns daher auf die Auszählung der nachfolgenden Fakta beschränken :

32 Mitglieder, also ein Viertheil di.r Gesellschaft, waren der Polizei dem Namen nach vollständig unbekannt; da jedes Mitglied ein Noviziat von 3 Monaten durchmachte, so haben diese sämmtlich in Genf gewohnt^.

ohne eine Aufenthaltskarte zu besitzen.

Der h. Staatsrath hatte dem Bundesrathe erklärt, der sardinische^ Konsul sei Ehrenpräsident der Gesellschaft gewesen, was sich als ungenau herausstellte; ferner diese Gesellschaft sei ausgelöst, während später durch vorgefundene Scheine und durch das Verhör mit Graziosi entdeckt .wurde, daß dieses nicht der Fall war; es zeigte sich auch, daß in dieser ganzen Angelegenheit, troz dringender Aufforderung des Bnndesrathes, in Gens gar keine ordentliche Untersuchung geführt worden war. Dieses Geschäft wurde in Bern angefangen und von dem einen Kommissär in Genf vollendet.

Es ist ein fast komischer Widerspruch, daß der Kanton Genf in einer Angelegenheit, worin er hintendrein die Kantonalfouveränität sv außerordentlich urgirt, so wenig seine kantonaie Pflicht erfüllt hat.

Unsere Schreiben vom .^. März (Protokoll Pag. 81 und Protokoll Pag. 128) zeigen weiter, wie das Kommissariat selbst diese Angelegenheit aus einander setzen mußte.

Jnteressant war uns die Aeußerung von Herrn Staatsrath Duchosat.

.(Protokoll Pag. 108): wenn motivirt werde, daß diese Gesellschaft nach Bundesbegriffen als dem Anrecht zuwiderlaufend erklart werde und als^ Flüchtlingsgesellschaft gelte, so hätte das Fortschicken aller Mitglieder keinem instand.

298 Nach einer Recharge an den Staatsrath vom 8. März wurde den.: ..Kommissariat am 9. der vom ..... datirte Beschluß, betreffend die Auslösung

Dieser Gesellschaft, mitgetheilt. Am 10. März sragten wir au, woriu

diese Auflösung bestehe. Es wurde uns hieraus vom Herrn StaatsrathsPräsidenten mündlich die Antwort zu Theil, derselbe Staatsrathsbefchluß sei den Mitgliedern des Komite mitgetheilt worden, und auf seine Aussührung werde strenge gewacht werden. Unser obiges Schreiben mag zeigen, ^wie wir in Bezug auf die verlangte Ausweisung der schriftenlosen MitGlieder uns von vorn herein zu den geeignet scheinenden Konzessionen angeboten haben.

Am 10. März (Protokoll Pag. 129) zeigte sich Herr StaatsrathsPräsident Faz^ zu ungesäumter Ausweisung der mit unregelmäßigem Auf-

enthalt in Genf befindlichen Mitglieder der Gesellschaft geneigt und erklärte,

.er werde unter Anderm namentlich darüber sogleich eine Sitzung des Staatsxathes veranstalten.

Als diese wegen Abwesenheit mehrerer Mitglieder nicht statthaben konnte , so ließ er es Abends durch den Herrn Kanzler ausdrücklich anzeigen (Korrespondenz Nr. 55), dieselbe werde folgenden Nachmittag stattfinden.

Folgenden Tags (Protokoll Pag. t 32) erklärte Herr Präsident Fazy ..nach beendigter Sitzung des Staatsrathes dem Kommissariate mündlich, .der Staatsrath fei mit dem von uns gestellten Begehren einverstanden.

.Herr Staatsrath Dnchosal übernahm es, diejenigen aufzuzeichnen , in Bezug .auf deren Entfernungstermin oder auf deren gänzliches Dableiben in Genf Ausnahmen gewünscht wurden; der Ehef des Fremdenbüreau sollte dann Demgemäß folgenden Morgens die definitive Liste der Auszuweisenden mit dem Kommissariat feststellen.

Dieses alles zeigt wohl am .besten, wie sehr die Genfer ^Behörden ^ h e l f e n können, wenn sie es wollen.

Am 12. März (Protokoll Pag. 137) fand diese definitive Feststellung

sowohl ^in Bezug auf die französischen Flüchtlinge, als in Bezug aus die

auszuschabenden Jtaiiener statt, welch' letztere alle, bis auf einen, Mitglieder der italienischen Gesellschaft waren. Mit Schreiben vom 12. März meldete das Kommissariat das Resultat dieser Feststellung und erklärt... sich ..mit der vom Genfer^Departement Tags zuvor entworfenen Liste einverstanden .

Der Schluß obigen Schreibens, das vor der Abreise des allein noch ^in Genf befindlichen Kommissärs erlassen wurde, mag zeigen, wie damals ^Jedermann einverstanden war und wie es bei allem Anempfehlen möglichst beförderlicher Exekution im Wunsche des Kommissariates lag , durch geeig^ete Termine die persönlichen Verhältnisse der Betreffenden möglichst zu schonen.

Jn den hierauf folgenden Abschiedsaudienzen wurde das festgestellte Resultat nochmals konstatirt.

Am 20. März schrieb das Genfer.Polizeidepartement (Korrespondenz

^r. ^65) wörtlich Folgendes :

299 ..Monsieur, .

..Nous soInnIes parvenus nialgré les fetes que nous venons de tra.^verser, à faire paraitre 1es 1.o Italiens et non 1es 17 (car vous verrez .,,que Colomho et Cessina sont une seule et InèIne personne) désignée .,,dans votre dépèche du 7 courant , et nous leur avons communiqué .,,vos intentions à 1eur égard. Sei^e procès-verhaux oiI sont consignés ,,1eurs réponses et leurs observations, ont été dressés par Mr. le 1^irec.,,teur de la Police. La copie de ces procès-verhaux vous sera envoyée ^prochainement. Vous aure^ alors sans aucun doute (letztere drei Worten .,,sind gestrichen) à prendre une décision définitive que vous aure... 1'oh1i.,,geauce de me communiquer.^ (Zu den 16 übrig bleibenden kam später Nieder ein siebenzehnter.)

Während das Kommissariat, in Folge von Bern erhaltener Jnstruktionen, mit Schreiben vom 26. März Vorangehen in der Erledigung ^es noch Rückständigen anempfahl , berichtete das Genser^Departement mit ^Schreiben von demselben Tage. nach weitläufiger Besprechung eines unter^geordneten Gegenstandes und unter Einsendung der versprochenen l .o Procèsverbaux.. es hätten sich eine Menge.Leute für die Ausgewiesenen verwendet^ .Herr Bischoff werde gebeten , wieder nach Genf zu kommen und die Sache gelbst zu untersuchen.

^

Mit Schreiben vom ^8. März (Protokoll Pag. l 7.^) wies diefe^ Dieses Ansinnen motivirt zurück. Wie wenig man bei amtlicher Aufnahm^ ^der Protokolle der Ausgewiesenen dieselben zu bestimmen gesucht hatte. sich ^der ergangenen Weisung zu fügen, geht daraus hervor, daß zwei mit Dürren Worten zu Protokoll erklärten : ,,J'ai été IneInhre de la Société italienne et je 1e suis encore;^ daß von einem Andern die Erklärung .abgenommen wurde. ,,er werde nur der Gewalt weichen.^ Jn dem bexeits erwähnten Schreiben vom .^8. März verlangte das Kommissariat Erklärung über so auffallende Aeußerungeu und darüber, wie nach erfolg^tem förmlichem Ausweisungsbeschluß dergleichen Aeußerungen amtlich hätten zu Protokoll genommen werden können.

Mit Schreiben vom 30. März erklärte Herr Bischoff auf wiederholte .Einladungen, warum er nicht nach Genf kommen wolle und könne, und xesumirte noch gleichzeitig das von Genf noch Auszuführende.

Ueber alles bis jetzt Vorgekehrte hat fchvn damals Herr Dnbs sich einverstanden erklärt, und das eidgenössische Departement seine ansdrückliche Billigung ausgesprochen.

Statt sich nun über die oben erwähnten Protokollaussagen und über ^ie wirkliche . oder vermeintliche Aufhebung der italienischen Gesellschaft auszusprechen und mit den Vollziehungsmaßregeln voran zu gehen, sandte der ^. Staatsrath von Genf fein erstes Memorial vom 3. April gegen unseru Bericht über die italienische Gesellschaft an den Bundesrath, und klagte zugleich mit Schreiben vom 7. April beim eidgenössischen Departement uber angebliche Uebergriffe des Kommissariats. Es wird keinem Lese^

^00 entgehen , daß diesen Aktenstücken noch keineswegs die gleiche Argumentation zu Grunde gelegt war, wie den spätern. Am 12. April erstatteten die^ Kommissäre auftragsgemäß einen Bericht über das Genfer Memorial und.

zugleich einen andern iibex die Persönlichkeiten derjenigen Ausgewiesenen^ füx welche ^der Staatsrath mit obigem Schreiben Petitionen einer Anzahl.

vou Einwohnern von Genf übersendet hatte.

Am 16. April appellirte der h. Staatsrath gegen den abweisende^ Entscheid des Kommissariats zu Gunsten der Petitionäre an den Entscheid des Bundesrathes, unter Beschwerdesührung über das Kommissariat.

Am 24. April wies der Bundesrath die zu Gunsten von diesen zwölf ausgewiesenen Jtalienern eingelaufenen Petitionen ab, ebenso die ^ gegen.

Herrn Bischoff gerichtete Beschwerde und beauftragte das Kommissariat, unter Billigung seines Vorgehens in dieser Angelegenheit, mit rascher

Vollziehung der noch übrig bleibenden Rückstände.

Darauf erließ am 9. Mai das Kommissariat an den h. Staatsrath^ eine Recharge (Protokoll Pag. 251).

Die Mehrzahl dieser Jtaliener gaben sodann dem Bundesrath direkt zuhanden der Bundesversammlung ihre Rekurse gegen seinen Entscheid ein, indem sie ihm die Kompetenz dazu abstritt.

Am 20. Mai hat das Kommissariat über die Verhältnisse der Betreffenden berichtet und sein Gutachten über die Rekurse eingegeben. Auch^ ^a noch haben wir hinsichtlich Dreier von den Ausgewiesenen Konzessionen.

.vorbehalten, zu welchen wir bereit seien. Einem Vierten hatten wir gleich von Anfang an unbestimmten Aufschub gegeben.

Am 24. Mai berichtete der Bundesrath, er habe die Petitionen der betreffenden abgewiesen und seinen frühern Beschluß aufrecht erhalten, und Beauftragte uns , für baldige und definitive Lösung unserer Aufgabe das^

^Möglichste zu thun (Protokoll Pag. 126). Denselben Beschluß theilte er

1n motivirtem Schreiben dem h. Staatsrathe von Genf mit.

Mit Schreiben vom .....7. Mai verlangten^ wir von Genf Auskunft uber die persönlichen Verhältnisse derjenigen vier Ausgewiesenen , welche

sie dem Bundesrath zur Berücksichtigung empfohlen (Protokoll Pag. 270).

Dieses Schreiben ist nicht beantwortet worden, hat dagegen in offizieller Sitzung des Großen Rathes von Genf zu ganz grundlofen und in persönSicher Hinsicht aus Mißverstand bernhenden Ausfällen de^ Herrn Staatsrathspräsidenten dienen müssen.

Am 31. Mai protestate der Staatsrath von Genf in einem Memorial.

unter zum Theil neuer Begründung dagegen , daß der Bundesrath de...

.Rekurs der betheiligten Jtaliener ni.cht an die Bundesversammlung bringen ^ wolle, sondern weitere Exekution beschlossen habe, und zeigte an, nun werde^ ex selber an die Bundesversammlung rekurriren.

Unterm 2. Juni erwiderte der Bundesrath, er werde diesen Rekurs .erwarten, und beauftragte das Kommissariat, seine Bemerkungen und Au^.

träge zu übexmachen.

^

,

^

30l

Mit Schreiben vom 8. Juni theilte der h. Staatsrath dem Bundes^ath den Beschluß des Großen Raths vom 2. Juni mit, wonach er förmlich beauftragt wird, diese Angelegenheit dem Entscheide der BundesVersammlung zu unterstellen ; zugleich kündigte e.r das demnächstige EinPressen dieses Rekurses an.

Das Kommissariat antwortete auf das letzte Geufer..Memorial mit Bericht vom .....8. Juni.

Der angekündigte Rekurs an die Bundesversammlung erschien endlich ^m ^8. dieß in Bern ; das Kommissariat hat daraus mit Schreiben vom .29. dem Bundesrath seine Bemerkungen eingegeben.

Wir . find zu Ende mit unserer Darstellung. Wer sich nicht schou .aus der bloßen Aufzählung der in diesem Konflikt gewechselten Aktenstücke seine entschiedene Meinung über die nun entstandene Streitfrage sollte ge.bildet haben , wird dieß sicherlich thun , wenn er die Aktenstücke selbst gegen einander hält. Die Sache ist nun diejenige des Bundesrathes. Jn seinem ^amen hatte das Kommissariat in Bezug auf diese Ausweisungen ein ^Minimum verlangt, weil mehr daran lag, daß schnell und in gutem Ein^erständniß vollzogen , als daß über Vieles hin und her gehandelt werde..

Durch die Art, wie der h. Staatsrath von Genf in der 13. Stunde deu .bundesräthlichen Beschlüssen gegenüber sich dieser renitenten Ausgewieseneu annimmt, geht für uns klar hervor, daß er die Probe machen will, ob ^er diesen eidgenössischen Beschlüssen irgend welche Nachachtung schuldig ^ist oder nicht.

Jmmerhin glauben wir durch diesen nun erhobenen Rekurs an die höchste Versammlung die Aufgabe des Kommissariats für geschlossen und bitten Sie, hochgeachtete Herren Bundesräthe, nnter Vorlegung sämmtlicher .in unfern Händen befindlichen Akten, uns des uns übertrageneu Mandats zu entlassen, in .der Meinung, .daß nach erfolgtem Spruch der Bundesversammlung die noch übrig bleibende Vollziehung um so eher durch Jhr Justiz^ und Polizeidepartement ihre Erledigung finden kann.

Unter Verdankung des uns in dieser Angelegenheit geschenkten Zutrauens, haben wir die Ehre, mit vollkommenster Hochachtung zu verharre^ Jhre Ergebensten die e i d g e n ö s s i s c h e n K o m m i s s ä r e .

J. Dnbs.

^. Bischof.

Schweizerisches Bundesarchiv, Digitale Amtsdruckschriften Archives fédérales suisses, Publications officielles numérisées Archivio federale svizzero, Pubblicazioni ufficiali digitali

Berichte der eidg. Kommissäre über die Flüchtlingsangelegenheit in Genf. (Vom 28., 29.

und 30. Juni 1858.)

In

Bundesblatt

Dans

Feuille fédérale

In

Foglio federale

Jahr

1858

Année Anno Band

2

Volume Volume Heft

35

Cahier Numero Geschäftsnummer

---

Numéro d'affaire Numero dell'oggetto Datum

31.07.1858

Date Data Seite

260-301

Page Pagina Ref. No

10 002 534

Das Dokument wurde durch das Schweizerische Bundesarchiv digitalisiert.

Le document a été digitalisé par les. Archives Fédérales Suisses.

Il documento è stato digitalizzato dell'Archivio federale svizzero.