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Schweizerisches Bundesblatt.

29. Jahrgang. IV.

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Nr. 50.

10. November 1877.

Bundesrathsbeschluss in

Sachen der Herren Angelo Bertola und Luigi Svanascini, betreffend Ungültigkeit der Grossrathswahlen im Kreise Caneggio (Tessin).

(Vom 14. September 1877.)

Der schweizerische Bundesrath hat nach angehörtem Berichte des Justiz- und Polizeidepartements und nach Einsicht der Akten, woraus sich ergeben : I. Am 21. Januar 1877 fand im Kanton Tessin in Ausführung der Artikel 4 u. ff. des Verfassungsgesezes dieses Kantons vom 24. November 1876 (Bundesblatt 1876 IV, 814) die Integralerneuerung des Großen Rathes statt.

Bei diesen Wahlen nahmen im K r e i s e C a n e g g i o laut den Protokollen über die bezüglichen Verhandlungen in den neun Gemeinden dieses Kreises 738 Votanten Antheil (absolutes Mehr also 370), und erhielten : Als Kandidaten der Liberalen: Bertola Angelo von Vacallo .

.

. 38Ü Stimmen.

Svanascini Luigi von Muggio .

.

. 379 ,, Galli Gaspare von Caneggio .

.

. 362 ,, Als K a n d i d a t e n d e r K o n s e r v a t i v e n : Adv. Bernasconi G. von Morbio-Superiore . 362 Stimmen.

Spinelli Erennio von Sagno .

.

. 359 ,, Fortini Giuseppe von Muggio .

.

. 357 Bundesblatt 29. Jahrg. Bd. IV.

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134 Das Kreisbüreau schied jedoch ani folgenden Tage 32 Stimmzeddel, weil Zeichen der Stimmgabe und des Votanten enthaltend, als ungültig aus, und erklärte, daß es Keinen der Kandidaten als gewählt proklamiren könne, weil nach Abzug dieser Stimmen Keiner derselben das absolute Mehr erreicht habe.

II. Die Herren Svanascini und Bertela beschwerten sich hierüber bei dem Großen Rathe und verlangten, daß sie als gewählt erklärt werden möchten.

Andererseits machten auch ihre Gegenkandidaten Bernasconi, Spinelli und Fortini eine Eingabe an den Großen Rath, worin sie behaupteten, daß in den Gemeinden Cabbio und Bruzella durch Einschüchterungen und Zwang die Wahlfreiheit, sowie daß in mehreren Gemeinden des Kreises das Stirn mgeheimniß verlezt worden sei. Diese Behauptungen wurden indeß von den Herren Svanascini, Bertola und Galli bestritten, welche dagegen ihrerseits die Anschuldigung erhoben, daß von Seite der Konservativen auf das Kreisbüreau ein Druk ausgeübt worden sei.

Endlich wurde noch die Beschwerde erhoben, daß in der Gemeinde Vacallo 10, in Cabbio 2 und in Monte ebenfalls 2 Bürger an der Abstimmung Theil genommen haben, welche, sei es in diesen Gemeinden, sei es überhaupt, nicht stimmberechtigt gewesen seien.

III. Die zur Verifikation der Wahlakten bestellte Kommission des Großen Rathes theilte sich bezüglich der Wahlen im Kreise Caneggio in eine Mehrheit und in eine Minderheit. Die Mehrheit der Kommission konstatirte in dem Berichte vom 3. Februar, daß 22 Stimmzeddel eingelegt -worden seien, die offenbare Zeichen an sich tragen, um die Stimmgabe der Votanten, welchen dieselben übergeben worden, erkemfen zu lassen. In der Gemeinde Vacallo scheine ein wahres Kontroisystem organisirt gewesen zu sein. Im Uebrigen stellte die Mehrheit der Kommission in der Hauptsache noch keine Anträge, sondern schlug vor, daß zunächst an Ort und Stelle durch eine besondere Kommission eine Untersuchung behufs Verifikation der von den beiden Parteien behaupteten Unregelmäßigkeiten vorgenommen werden möchte, weil, wenn dieselben sich bestätigen sollten, die Wahlverhandlungen des Kreises schon aus diesem Grunde aufgehoben werden müßten.

Die Minderheit der Kommission dagegen beantragte, daß, gestüzt auf die Protokolle der Gemeindeversammlungen, die Herren Bertola und Svanascini als gewählt anzuerkennen seien, und daß demgemäß nur die Wahl eines dritten Abgeordneten für den Kreis Caneggio anzuordnen sei.

135 IV. Am 6. Februar 1877 trat der Große Rath mit 65 gegen 39 Stimmen dem Antrage der Mehrheit seiner Kommission bei, worauf eine Spezialkommission, bestehend aus drei Mitgliedern des Großen Rathes, zur Vornahme der Untersuchung über die gerügten Unregelmäßigkeiten bestellt wurde.

Nach Beendigung dieser Untersuchung erstattete sodann die Mehrheit der (ordentlichen) Kommission am 11. Mai 1877 dem Großen Rathe einen neuen Bericht, worin sie, gestüzt auf einen Spezialbericht der Untersuchungskommission vom 16. April 1877, beantragte, daß die sämmtlichen Wahlverhandlungen im Kreise Caneggio vom 21. Januar 1877 als ungültig zu erklären seien.

Diesen Antrag begründete sie durch folgende vier Hauptgesichtspunkte : A. Formelle Ungültigkeit von 24- Stimmzeddeln.

Es ergebe sich nämlich, daß einige Stimmzeddel mit zwei oder mit drei verschiedenen Tinten (schwarz, roth und violett) geschrieben seien, und zwar dergestalt, daß bei der Bezeichnung der einzelnen Kandidaten, oder für die Schrift des einen und des andern Wortes (nämlich für den Namen und den Heimatort der Kandidaten), oder in einem und demselben Worte verschiedene Tinten gebraucht worden seien. Bei andern Stimmzeddeln seien auf demselben Exemplare verschiedene Buchstaben gebraucht, oder es zeige sich eine verschiedene Richtung der Schrift; so werde mitten in kleine Buchstaben ein großer eingeschaltet, oder es seien bald ein einzelnes Wort, bald mehrere besonders hervorgehoben etc. Solche Stimmzeddel seien in Vacallo (22 Stiik) und in Cabbio (2 Stük) eingelegt worden.

Dieses Verfahren könne nicht zufällig, vielmehr müsse es ein absichtliches und planmäßiges sein, um das Votum der betreffenden Bürger kenntlich zu machen.

Der von der Minderheit der Kommission aufgeworfene Zweifel, daß die fraglichen Stimmzeddel erst auf dem Kreisbüreau andern, regelmäßig geschriebenen Stimmzeddeln, unterschoben worden sein könnten, sei durch die Untersuchung vollständig widerlegt worden.

Ebenso sei konstatirt, daß auf das Kreisbüreau kein Druk irgend welcher Art ausgeübt worden, und daß bei dessen Verhandlungen keine Unordnungen vorgekommen seien. Dasselbe sei durch eine förmliche Beschwerde, die ein Bürger am Morgen des 22. Januar dem Friedensrichter eingegeben habe, genöthigt und berechtigt worden, die Päkchen mit den Stimmzeddeln zu öffnen und eine neue Ausscheidung der leztern vorzunehmen.

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Hienach seien die obigen 24 Stimmzeddel als ungültige in Abzug zu bringen, und es gestalte sich daher das Stimmverhältniß "wie folgt : Bertela Angelo .

. 380 -- 19 = 361 Stimmen Svanascini Luigi .

. 379 -- 15 = 364 ,, Galli Gaspare ' .

. 362 -- 18 = 344 ,, Bernasconi Giac. .

. 362 -- l = 361 ,, Spinelli Erennio .

. 359 -- 0 = 359 ,, Fortini Giuseppe .

. 357 -j- 6 = 363 ,, (Für Herrn Fortini wurden 6 von den Gemeindebüreaux ungültig erklärte Stimmen gutgeheißen.)

Da aber 738 Bürger an der Abstimmung Theil genommen, somit das absolute Mehr 370 Stimmen betrage, so habe Keiner der Kandidaten dasselbe erreicht.

B. Einschüchterungen und Gewalttätigkeiten.

Laut dem Ergebniß der Untersuchung sei im Kreise Caneggio ein wahres System von Einschüchterungen, von Druk und Gewalttätigkeiten organisirt gewesen, offenbar um als Mittel zum Wahlsiege die andere (konservative) Partei in Angst und Schreken zu versezen. Solche Handlungen seien namentlich in den Gemeinden Vacallo, Muggio und Bruzella vorgekommen. Der Bericht ergeht sich dann in der Aufzählung einzelner Vorfälle und schließt mit der Behauptung, daß in den erwähnten Gemeinden an den Tagen vor den Wahlen Unordnung, Schreken und Angst geherrscht haben, und daß in Folge dessen viele Bürger gehindert gewesen seien, ihre Stimme frei abzugeben ; viele andere seien so eingeschüchtert worden, daß sie der Theilnahme an der Abstimmung überhaupt sich haben enthalten müssen, so namentlich vier Priester und ein Luigi Citterio. Es können daher die Wahlen in Caneggio nicht als der wahre Ausdruk des Volkswillens gelten.

C. Verlezung des Stimmgeheimnisses.

In Vacallo, Bruzella und Cabbio seien viele Wähler in dem Wahllokale erschienen, welche die Stimmzeddel, theils offen, theils geschlossen, am Hute getragen haben ; bei dem Namensaufruf habe dann Einer nach dem Andern seinen Zeddel vom Hute genommen und in die Stimmurne gelegt. Vater und Sohn Rossi haben sogar erklärt, daß sie,vbevor sie ihre Stimmzeddel in die Urne gelegt, dieselben öffentlich gezeigt und vorgelesen haben.

Die Wähler von S. Simone (Abtheilung der Gemeinde Vacallo) seien in einer Kolonne in das Wahllokal gezogen und haben als Abzeichen die Stimmkarten am Hute getragen.

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In Bruzella haben sich die Parteigänger der Radikalen in einer Wirthschaft gesammelt und von da, die Stimmzeddel am Hute, unter Absingen drohender und aufreizender Lieder in das Wahllokal sich begeben. -- Das Gleiche sei in größerm oder kleinerm .Maße auch in andern Gemeinden des Kreises vorgekommen.

Hiebei sei offenbar wiederum nach einem bestimmten, schon vorher aufgestellten, Plane verfahren worden, in der Absicht, die Voten der Bürger zu kontroliren und der Stimmgabe derselben sich zu versichern. Ein solches System enthalte nicht nur eine unstatthafte Verlezung des Stimmgeheimnisses, sondern damit auch in hohem Maße eine Verlezung der Wahlfreiheit.

D. Betheiligung von nicht stimmberechtigten Personen.

In der Wahlversammlung von Vacallo haben n e u n P e r s o n e n , nämlich Pietro Martinelli, Giov. Martinelli, Ges. Martinelli, Batt. Martinelli, Gius. Montorfani, Salvatore Lupi, Gius. Bellatti, Ces. Bellati und Ant. Livio, gestimmt, die zwar Bürger dieser Gemeinde seien, allein seit 1863 und 1864 ihr politisches Domizil in andere Gemeinden verlegt haben. In Folge dessen seien sie aus dem Stimmregister von Vacallo gestrichen worden, und es habe auch seither Keiner derselben an diesem Orte gestimmt, nicht einmal bei den Großrathswahlen von 1875.

Anfangs Januar 1877 seien sie jedoch, ohne daß irgend eine Formalität erfüllt worden, wieder in das Stimmregister von Vacallo eingeschrieben, und sodann am 21. Januar dort zu den Wahlen zugelassen worden, obwohl der Friedensrichter auf erhobene Einsprache die Streichung ihrer Namen vom Stimmregister verfügt, und diese Verfügung, weil dagegen kein Rekurs ergriffen worden, in Rechtskraft getreten sei.

In gleicher Weise sei auch in Cabbio gekünstelt worden, wo Ant. C e r e g h e t t i und Giov. Z a p p a gestimmt haben, während sie bis dahin in Morbio-Inferiore (Kreis Baierna) eingeschrieben gewesen. Auch in diesem Falle sei bei dem Friedensrichter, jedoch vergeblich, reklamirt worden.

Diese elf Bürger hätten gemäß dem tessinischen Gesez vom 24. November 1851 in ihren Heimatgetneinden nur dann stimmen können, wenn sie ihr politisches Domizil wieder in dieselben zurükverlegt, oder gemäß Artikel 43 der Bundesverfassung seit wenigstens drei Monaten dort ihren Wohnsiz gehabt hätten. Es liege aber weder die eine, noch die andere dieser Voraussezungen bei ihnen vor.

Ferner habe, ebenfalls troz erhobener Einsprache, in Muggio ein Italiener, Namens Gi-ov. B i a n c h i , gestimmt und in Casima

138 sei ein L u i g i R o s s i zur Stimmurne zugelassen worden, ohne daß derselbe über seine Nationalität sich habe ausweisen können.

Endlich seien in Monte zwei B r ü d e r B in aghi zur Abstimmung zugelassen worden, die zwar von dem Großen Rath das Naturalisationsdekret erhalten haben, aber die Entlassung aiis dem frühem Staatsverbande nicht haben beibringen können, also Italiener geblieben seien.

Umgekehrt seien zehn stimmberechtigte Bürger, nämlich die 4 Priester Vassalli, Fontana, Bulla und der Pfarrer von Casima,.

fünf Personen Namens Fiotti ebenfalls von Casima, und Luigi Citterio von Vacallo, ohne genügenden Grund vom Stimmrechte ausgeschlossen oder an der Ausübung desselben gehindert worden.

V. In Genehmigung der Begründung seiner Kommission hob der Große Rath des Kantons Tessin mit. Beschluß vorn 17. Mai 1877 die Wahlverhandlungen im Kreise Caneggio vom 21. Januar 1877 auf und ordnete die Vornahme der Neuwahlen in diesem Kreise an.

VI. Mit Eingabe an den Bundesrath vom 24. Mai 1877 beschweren sich die Herren Angelo Bertela und Luigi Svanascini über diesen Beschluß und stellen das Gesuch, der Bundesrath möchte denselben aufheben und sie selbst als Mitglieder des Großen Rathes von Tessin anerkennen, sowie die Verfügung erlassen, daß im Kreise Caneggio nur noch die Wahl eines dritten Abgeordneten in den Großen Rath zu treffen sei. Gleichzeitig stellten die Rekurrenten das Gesuch, daß bis zum definitiven Entscheide der Bundesbehörden die Anordnung der Neuwahlen verschoben werden möchte.

Diesem Zwischengesuche entsprach der Bundesrath mit Beschluß vom 1. Juni 1877.

Zur Begründung ihrer Hauptbegehren suchten die Rekurrenten die Gesichtspunkte der großräthlichen Kommission zu widerlegen: Ad A. U n g ü l t i g k e i t von 24 S t i m m z e d d e l n .

Der Große Rath sei nicht berechtigt gewesen, diese 24 Stimmzeddel, welche von den Wahlversammlungen und den Gemeindebüreaux ala gültig anerkannt worden, zu annulliren, da die Verbalprozesse keine Einreden gegen deren Gültigkeit enthalten. Es sei auch nicht bestritten, daß die Pakete der Stimmkarten von dem Kreisbüreau geöffnet worden, während es nach Artikel 9'des Verfassungsdekretes vom 24. November 1876 (riformino) hiezu nicht kompetent gewesen sei. Vielmehr müssen nach Vorschrift dieses Artikels die Stimmzeddel vom Friedensrichter verpakt und versiegelt und nach Gemeinden geordnet dem Staatsrathe eingeschikt werden, behufs

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Uebermittlung an den Großen Rath. Allerdings schreibe § 2 dieses Artikel 9 vor, daß Anstände betreffend die Ausscheidung der Stimmzeddel in den Gemeinden von den Bureaux der Kreise zu entscheiden seien. Allein es können hier nur solche Anstände gemeint sein, welche gemäß Artikel 7 des kantonalen Wahlgesezes vom 12. September 1873 gemacht und in den Verbalprozessen angemerkt worden seien. Da solche Einsprachen nicht vorliegen, so sei jede Art der Untersuchung der Stirnmzeddel unstatthaft gewesen.

Es sei dadurch jede Gewißheit dafür aufgehoben, daß dem Großen Rathe nur die Originalstimmzeddel eingeschikt worden seien, und es sei nur den Verbalprozessen der einzelnen Gemeindeversammlungen, als öffentlichen Urkunden, voller Glaube beizumessen. Die in der Untersuchung abgehörten Personen verdienen keinen Glauben, da nur fanatische Parteigänger zu Zeugen aufgerufen worden seien.

Die Ansicht, daß die Oeffnung und Ausscheidung der Stimmzeddel ausschließlich in die Kompetenz der Gemeindebüreaux falle, werde auch bestätigt durch Artikel 7 des Gesezes vom 12. September 1873 und Artikel 13 desjenigen vom 19. September 1872, welche beide im Sinne von Artikel 6 des riformino integrirende Bestandtheile der Verfassung bilden. Damit stimmen auch überein die Artikel 8 und 9 des Verfassungsdekretes von 1875.

Aus dem Umstände, daß in 24 Stimmzeddeln verschiedene Formen von Buchstaben, verschiedene Tinten und abweichende Schreibart vorkommen, sei der Schluß nicht zuläßig, daß hier Künsteleien von einer Partei oder Kontrole einzelner Wähler vorliegen. Das Gesez schreibe nicht vor, wie die Stimmzeddel geschrieben werden müssen. Artikel 11 des Gesezes vom 19. September 1872, sowie Artikel 4 desjenigen vom 12. September 1873 bestimmen blos, daß das Papier für die Stimmzeddel von weißer Farbe und für alle Bürger von gleichmäßiger Beschaffenheit sein soll, sowie daß die Stimmzeddel keine Unterscheidungszeichen und keine Kundgabe der im Innern enthaltenen Voten an sich tragen dürfen. Hiemit in Uebercinstimmung schreibe der Artikel 16 des erstem Gesezes vor, daß diejenigen Sümmzeddel nichtig seien, welche Erkennungszeichen oder eine Bezeichnung der Stimmgabe oder des Votanten an sich tragen. Gemäß Artikel 10 des Gesezes vom 19. September 1872 können die Bürger die Stimmzeddel selbst schreiben oder durch eine Vertrauensperson
ausfüllen lassen. Es könnte nur durch Merkmale auf dem Aeußern der Stimmkarten eine Kontrole ausgeübt werden; durch verschiedene Schriftformen etc. im Innern ließe sich dieser Zwek nicht erreichen, da gemäß Artikel 13 des Gesezes vom 19. September 1872 der Präsident

140 allein die Stimmzeddel öffne und ausscheide, somit er allein in der Lage wäre, solche innere Merkmale wahrnehmen zu können.

Ad B. E i n s c h ü c h t e r u n g e n und G e w a l t t h ä t i g k e i t e n. In dieser Beziehung seien die Berichte der beiden Kommissionen voll Ungenauigkeiten und Uebertreibungen. Entscheidend sei, daß kein Bürger darüber Beschwerde erhoben habe, daß er wegen Einschüchterungen oder Gewalttätigkeiten an der Abstimmung nicht habe Theil nehmen können, oder gezwungen gewesen sei, anders zu stimmen, als er gewollt habe. Was speziell den Pfarrer Vassalli in Vacallo betreffe, so sei derselbe nicht an der Abstimmung erschienen, weil ihm angerathen worden sei, nicht zu stimmen. Ein bloßer Rath enthalte aber keine Einschüchterung.

Ebenso sei auch der Pfarrer von Casima nicht verhindert worden, an der Abstimmung Theil zu nehmen. Der Fall betreffend Luigi Citterio werde von den Zeugen verschieden erzählt. Endlich haben die beiden Priester Bulla und Fontano von Cabbio in ihrer Wohnsizgemeinde Baierna wirklich gestimmt. Wenn einige Bürger von Vacallo in Reih und Glied in das Wahllokal gezogen seien, und einige junge Leute von Cabbio patriotische oder politische Lieder gesungen haben, so sei dies nichts Auffallendes und jedenfalls keine Einschüchterung.

Uebrigens könne nicht geläugnet werden, daß im ganzen Kanton von beiden Parteien das Möglichste zur Erlangung des Sieges gethan worden sei, ohne daß deswegen von unerlaubten Mitteln geredet werden dürfe.

Ad C. V e r l e z u . n g des S t i m m g e h e i m n i s s e s .

In der Thatsache, daß einige Bürger von Bruzella, Vacallo und Cabbio ihre Stimmzeddel am Hute getragen haben, liege keine Verlezung des Stimmgeheimnisses. Die betreffenden Personen haben aus freien Stüken so gehandelt. Artikel 10 des Gesezes vom 19. September 1872 schreibe blos vor, daß die Bürger bei dem Namensaufruf zum Bureau gehen und die Stimmzeddel zusammengefaltet in die Stimmurne legen sollen. Dieser Vorschrift sei von Allen nachgelebt worden.

In Cabbio ha,ben allerdings einige Bürger ihre Stimmzeddel offen am Hute getragen; es sei dieses aber nur außerhalb des Wahllokales geschehen. In Vacallo sei Aehnliches nicht geschehen und aus Bruzella sei nur so viel bekannt, daß dort einige Bürger ihre Stimmzeddel im Wahllokal gefaltet am Hute getragen haben.

Im Uebrigen müsse jeder Bürger berechtigt sein, den Stimmzeddel, bevor er ihn einlege, zu prüfen und sich zu versichern, ob

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wirklich die Namen derjenigen Kandidaten eingeschrieben seien, denen er stimmen wolle.

Ad D. N i c h t i g e S t i m m e n . Die neun P e r s o n e n , gegen deren Einschreibung in das Stimmregister von Vacallo Einsprache erhoben worden, seien Bürger und Patrizier dieser Gemeinde, und zur Zeit der Wahlen in keinem andern Stimmregister eingeschrieben gewesen. Die Bundesverfassung gewähre allen Schweizerbürgern das Recht, in ihrer Heimatgemeinde zu stimmen. Das von der großräthlichen Kornmission angerufene kantonale Gesez vom 24. November 1851 sei, weil mit der Bundesverfassung im Widerspruche stehend, aufgehoben. Uebrigens könnte dieses kantonale Gesez gegen die fraglichen neun Personen nicht zur Anwendung gebracht werden, weil dieselben ihr politisches Domizil in Vacallo stetsfort beibehalten haben, indem die Verlegung desselben in eine andere Gemeinde von ihnen niemals verlangt worden sei. Bezüglich der ebenfalls bestrittenen Wahlen im Kreise Navegna habe der Große Rath ganz anders entschieden, als hier, indem von ungefähr 130 Personen aus Verzasca, welche sowohl im Kreise Navegna, wo sie wohnen, als auch in ihrem heimatlichen Kreise Verzasca in die Stimmregister eingeschrieben gewesen, anerkannt worden sei, daß sie nach ihrem Belieben am einen oder andern Orte stimmen können.

Die Gerechtigkeit verlange, daß die Stimmen dieser 9 Personen als gültig erklärt werden.

Aus dem gleichen Grunde seien A n t o n i o C e r e g h e t t i und G i o v . Z a p p a berechtigt gewesen, in Cabbio, wo sie hie und da ihr thatsächliches Domizil haben, zu stimmen.

Wenn sodann in Muggio der Italiener G i o v a n n i B i a n c h i zur Stimmurne zugelassen worden, so liege der Fehler am Gemeindebüreau.

L u i g i R o s s i dagegen sei stimmberechtigt, da er nicht ein Fremder, sondern Bürger von Casima sei.

Endlich haben die B r ü d e r B i n a g h i in Monte in gutem Olauben gestimmt, da sie naturalisât seien.

Wenn übrigens neben der Stimme des Giov. Bianchi auch die Stimmen von Cereghetti und Zappa, sowie diejenigen der Brüder Binaghi als ungültig erklärt würden, so hätte dies auf das Ergebniß der Wahl doch keinen Einfluß.

Die Behauptung der großräthlichen Kommission, daß zehn andere stimmberechtigte Bürger von dem Stimmrechte ausgeschlossen oder an der Ausübung desselben gehindert worden, sei unrichtig. Bezüglich der vier Priester und des L. Citterio werde auf das bereits oben

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fB.) Gesagte verwiesen, und was die fünf Fiotti betreffe, so seien vier derselben im Stimmregister eingeschrieben gewesen. Dieselben hätten, wenn sie erschienen wären, für die liberalen Kandidaten gestimmt. Ein fünfter Fiotti sei nicht auf das Stimrnregister getragen worden, weil er seinen politischen und faktischen Wohnsiz, schon seit langem in eine andere Gemeinde verlegt habe.

Wenn die neun angefochtenen Stimmen von Vacallo, die zwei von Cabbio und die zwei von Monte, sowie diejenige des Bianchi in Muggio als ungültig zu betrachten wären, so müßten diese 14 Stimmen sowohl von der Gesammtzahl der Votanten, als auch bei jedem einzelnen Wahlkandidaten in Abzug gebracht werden. Hienach würde die Gesammtzdhl der Stimmen auf 724, und das absolute Mehr auf 363 Stimmen sich reduziren. Die Petenten Bertela und Svanascini wären also immerhin gewählt, und zwar Bertela mit 366 und Svanascini mit 365 Stimmen. Der Art. 194 litt, a des Gemeindegesezes erkläre zwar solche Wahlverhandlungen als ungültig, an denen Personen Antheil genommen, die nicht stimmberechtigt seien, und sofern deren Stimmen auf die Wahl von Einfluß gewesen. Allein es wäre ungereimt, eine Wahl Verhandlung zu kassiren, weil einige Unberechtigte daran Theil genommen haben, ohne daß deren Stimmen auf das Gesammtergebniß von Einfluß gewesen. Es verstehe sich von selbst, daß die Stimmzeddel solcher Personen bei der Bestimmung des absoluten Mehrs nicht in Anrechnung kommen dürfen.

VII. Der Staatsra.th des Kantons Tessin, welcher am 8. Juli vom Großen Rathe mit der Beantwortung des vorliegenden Rekursesbeauftragt worden war, vertheidigte in seiner Eingabe vom 10./11. August abhin den Beschluß des Großen Rathes vom 17. Mai diesesJahres und machte im Einzelnen geltend: Zur Prüfung der Ernennungsakte seiner eigenen Mitglieder sei ausschließlich der Große Rath kompetent. Ein Rekurs an die Bundesbehörden wäre nur statthaft, wenn der Große Rath hiebei Grundsäze der Verfassung oder verfassungsmäßige Rechte der Bürger verlezt hätte. Der Bundesrath sei also kompetent, zu prüfen, ob die 9 Bürger der Gemeinde Vacallo, dei-en Stimmrecht der Große Rath nicht anerkannt habe, dennoch stimmberechtigt gewesen seien.

Der Ausschluß dieser Bürger sei sowohl durch die Verfassung des Kantons Tessin, als auch durch das Gesez vom 24. November 1851 gerechtfertigt. Das
leztere enthalte bezüglich des Wechsels des Domizils die Vorschrift, daß ein Bürger, welcher die Erklärung abgegeben, er verlege sein politisches Domizil in eine von seiner Heimatgemeinde verschiedene Gemeinde, in ersterer nicht mehr stimmen dürfe, es wäre denn, daß er ein Jahr vorher die Erklärung

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abgegeben, daß er sein Domizil wieder in die Heimatgemeinde verlegen wolle. Bis nach Ablauf dieses Jahres sei also der betreffende Bürger berechtigt, an den bürgerlichen und politischen Versammlungen desjenigen Ortes Theil zu nehmen, wo er faktisch wohne.

Dieses Gesez sei nüzlich und geeignet, der politischen Landstreichern und der gleichzeitigen Ausübung des Stimmrechtes in mehreren Gemeinden vorzubeugen. Nun enthalte das Register der Gemeinde Vacallo bei allen 9 Bürgern die Notiz, daß sie erklärt haben, ihr Domizil anderswohin zu verlegen. Wenn sie auch im anfange des Jahres 1877 verlangt hätten, wieder in das Register ihrer Heimatgemeinde eingetragen zu werden, so wären sie dennoch am 21. Januar nicht schon berechtigt gewesen, daselbst an der,Wahl Theil zu nehmen. Das Stimmregister sei nach tessinischer Gesezgebung eine öffentliche Urkunde, deren Inhalt nicht durch bloße Verneinung beseitigt werden könne, sondern nur durch gerichtliches Urtheil. Wenn erwähnte 9 Bürger auch an ihrem Wohnorte nicht gestimmt haben, so sei dies ihr eigener Fehler, da sie nach Artikel 43 der Bundesverfassung hiezu berechtigt gewesen wären; das Stimmrecht in der Heimatgemeinde aber sei der Kantonalgesezgebung unterworfen.

Für die Frage der Annullirungo der 24 Stimmzeddel müsse die o absolute Kompetenz des Großen Rathes beansprucht werden. Er habe in Ausübung dieser · Kompetenz genau die gesezlichen Vorschriften angewendet, wonach die mit Erkennungszeichen versehenen Stimmzeddel ungültig seien. Ein verfassungsmäßiges Recht sei hiebei nicht verlezt worden, da es Pflicht der Bürger sei, die Geseze zu beobachten. Die thatsächliche Frage, ob Erkennungszeichen vorhanden seien, stehe dem Großen Rathe zu. Es könne auch nicht behauptet werden, daß der Große Rath bei seinem Entscheide verfassungswidrige Grundsäze angewendet habe. Uebrigens anerkenne die Praxis aller Parlemente die Thatsache, daß Einschüchterungen und Drohungen angewendet, oder daß eine ungebührliche Pression auf die Wähler ausgeübt worden, als Grund zur Kassation von Wahlen. Bei der Prüfung solcher Fragen befinde man sich aber nicht mehr auf dem Boden des Rechts oder der Verfassung, sondern lediglich auf demjenigen von Thatsachen. Gegen die Beurtheilung solcher Thatfragen durch die kantonalen Behörden sei ein Rekurs an die Bundesbehörden nicht statthaft,
andernfalls auch dem Bunde das Recht eingeräumt werden müßte, die bezüglichen Untersuchungen in den Kantonen zu führen, die Stimmzeddel zu prüfen und auszusondern, etc., wozu ihm aber die Bundesverfassung kein Recht einräume. Uebrigens liegen in den dem Bundesrath zur Verfügung gestellten Akten die klarsten Nachweise vor für

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die Richtigkeit der vom Großen Rathe in seinem Entscheide als vorhanden anerkannten Unregelmäßigkeiten und Ungesezlichkeiten.

Was speziell die 24 Stimmzeddel betreffe, welche im Innern Erkennungszeichen tragen, so seien diese zu dem Zweke angebracht worden, die Stimmgabe einzelner Bürger zu kontroliren, also das Geheimniß und somit auch die Freiheit der Stimmgabe zu zerstören.

Es seien auch die innern Abzeichen zu solchen Zweken durch Artikel 4 des tessinischen Wahlgesezes vom 12. September 1873 verboten. Es sei bekannt, daß in einigen Kreisen Register geführt werden, in welche die i n n e r n Z e i c h e n , die sich auf den an einzelne Bürger abgegebenen Zeddeln befinden, eingetragen werden, und daß bei der Ausscheidung der Stimmzeddel durch die Gemeindebüreaux die Interessenten herbeikommen, um die auf der Innenseite mit Erkennungszeichen versehenen Stimmzeddel zu untersuchen und ihr Vorhandensein in der Urne zu kontroliren. Es sei daher absolut nöthig, daß solche Stimmzeddel ungültig erklärt werden, um diesem schändlichen Handel mit dem Gewissen und der Unterwühlung der Freiheit der Bürger ein Ziel zu sezen. Das Gleiche gelte auch von dem Schuze des Geheimnisses der Stimmgabe, und was die Einschüchterungsmittel und Drohungen anbelange, so wisse er, der Staatsrath, bestimmt, nicht bloß aus den Akten, sondern auch aus privaten Mittheilungen, daß die Herren Bertola und Svanascini ihren vorübergehenden Sieg, außer dem mit vollen Händen ausgestreuten Golde, vornehmlich auch den geübten Nöthigungen zu verdanken haben. Die Rekurrenten begehen die größte Absurdität, indem sie behaupten, daß die Ausscheidung der Stimmzeddel ausschließlich in der Kompetenz der Gemeindebüreaux liege. Es würde damit jede selbstständige Entscheidung der Kreisbüreaux und des Großen Rathes annui lirt werden, während doch die Berufung an diese obern Behörden durch Art. 9 § 2 des riformino gesichert sei.

Der Staatsrath schließt mit dem Antrage, daß der vorliegende Rekurs als unbegründet abgewiesen werden möchte.

Gestüzt auf folgende rechtliche Gesichtspunkte: 1) Nach Art. 59 des Bundesgesezes über die Organisation der Bundesreehtspflege sind Beschwerden, welche sich auf Art. 43, 45 und 47 der Bundesverfassung betreffend die Rechte der Niedergelassenen beziehen (Ziffer 5), und solche, welche gegen die Giltigkeit kantonaler
Wahlen und Abstimmungen gerichtet sind (Ziffer 9), als Administrativstreitigkeiten erklärt, deren Erledigung nach Maßgabe der Art. 85, Ziffer 12, und Art. 102, Ziffer 2 der Bundesverfassung dem Bundesrathe, beziehungsweise der Bundesversammlung zusteht, welche jedoch nach Analogie der in litt, a des erwähnten Art. 59 für die

145 Begrenzung der Kompetenzen des Bundesgerichtes aufgestellten allgemeinen Regel bei ihren Entscheiden lediglich zu prüfen haben, ob eine Verlezung der durch die Bundesverfassung, oder durch ein in Ausführung derselben erlassenes Bundesgesez, oder durch die Verfassung eines Kantons gewährleisteten Rechte vorliege.

2) Was nun zunächst die Bundesverfassung betrifft, so kommt hier einzig der Art. 43 in Frage, welcher vorschreibt, daß der niedergelassene Schweizerbürger a n s e i n e m W o h n s i z e a l l e R e c h t e der Kantonsbürger genieße, daß er aber in kantonalen Angelegenheiten das Stimmrecht erst nach einer Niederlassung von 3 Monaten erwerbe. Diese Bestimmungen dürfen jedoch nicht in dem Sinne verstanden werden, als ob es den Niedergelassenen frei stände, einen Theil der politischen Rechte, z. B. das Stimmrecht, gelegentlich am Heimatorte auszuüben, vielmehr erfordert ein geordneter Rechtszustand, daß der Niedergelassene, wenn er überhaupt seine politischen Rechte ausüben will, sie nur an s e i n e m W o h n s i z e ausüben dürfe.

3) Hienach waren die 9 Bürger der Gemeinde Vacallo und die 2 Bürger der Gemeinde Cabbio, von denen durch die Untersuchung der Kommission des Großen Rathes ermittelt wurde, daß sie seit Jahren in andern Gemeinden wohnen, nicht berechtigt, in ihren Heimatgemeinden zu stimmen, ganz abgesehen davon, ob sie hier in die Stimmregister eingeschrieben gewesen oder nicht.

4) Nach dem klaren Inhalte von Art. 43 der Bundesverfassung ist die Ausübung der politischen Rechte nur den niedergelassenen S c h w e i z e r b ü r g e r n zugesichert; es waren daher die drei Italiener, welche in Muggio und Monte gestimmt haben, hiezu nicht berechtigt.

5) Die Einrede des Staatsrathes des Kantons Tessin, daß der Bundesrath nicht kompetent sei, den angegriffenen Entscheid des Großen Rathes seiner Cognition zu unterstellen, soweit er auf die formelle Beschaffenheit der in einzelneu Gemeinden des Kreises Caneggio abgegebenen Stimmzeddel sich beziehe, ist nach den in der ersten Erwägung entwikelten Grundsäzen nur in dem Falle begründet, wenn durch das von den Votanten beobachtete Verfahren nicht Grundsäze der tessinischen Verfassung verlezt worden sind.

6) Nachdem durch Art. l des tessinischen Verfassungsdekretes vom 20. November 1875 (riformetta) für die verfassungsmäßigen Wahlen
der Kantonsbehörden die geheime Stimmgabe eingeführt, also auch die Beobachtung des Geheimnisses bei solchen Wahlen zum verfassungsmäßigen Grundsaz erhoben worden ist, kann die Frage, ob durch die formelle Beschaffenheit einzelner Stimmzeddel oder auf andere Weise bei der Abstimmung im Kreise Caneggio.

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dieses Geheimniß verlezt worden sei, auch vom Bundesrathe geprüft werden.

7) Die in Vacallo und Cabbio abgegebenen und dem Bundesrathe in Original vorliegenden 24 Stimmzeddel sind nun in der That so beschaffen, daß im Ernste nicht an eine unschuldige Spielerei der Schreiber dieser Zeddel gedacht werden kann, zumal mehrere derselben augenscheinlich von der gleichen Hand geschrieben, aber dennoch mit ganz hervorragenden und auch in einiger Entfernung leicht erkenntlichen Verschiedenheiten versehen worden siad, so daß mit Notwendigkeit geschlossen werden muß, es sei damit eine Kontrole der Votanten ausgeführt, und in dieser Weise das Geheimniß der Stimmgabe auf unwürdige Weise verlezt worden, in Mißachtung der ausdrüklichen Bestimmungen von Art. 4 des Wahlgesezes von 1873, welches in beiden Verfassungsgesezen von 1875 und 1876 für die bevorstehenden kantonalen Abstimmungen und Wahlen als maßgebend erklärt wurde.

8) Angesichts der erwähnten Unregelmäßigkeiten, durch welche .sowohl bestimmte Vorschriften der Bundesverfassung, als auch solche der tessinischen Kantonsverfassung verlezt worden sind, erscheint der Entscheid des Großen Rathes, wodurch die am 21. Januar 1877 im Kreise Caneggio stattgefundene Wahlverhandlung ungültig erklärt wurde, als gerechtfertigt; zum Mindesten kann dagegen vom Standpunkte der bundesrechtlichen Kontrole aus keine Einwendung erhoben werden; beschlossen: 1) Der Rekurs der Herren Angelo Bertela und Luigi Svanascini ist als unbegründet abgewiesen.

2) Dieser Beschluß ist dem Staatsrathe des Kantons Tessin,- sowie den Rekurrenten, unter Rükschluß der Akten, mitzutheilen.

B e r n , den 14. September 1877.

Im Namen des Schweiz. Bundesrathes, Der Bundespräsident:

Dr. J. Heer.

Der Kanzler der Eidgenossenschaft: Schiess.

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Bundesrathsbeschluss betreffend

Verbot der Anwendung von Fallen mit Schlagfedern bei der Fischerei.

(Vom 3l. Oktober 1877.)

Der Konferenz der Delegirten der Regierungen der Schweiz, des Großherzogthums Baden und Elsaß-Lothringens, welche zum Zweke der Ausdehnung der durch die Uebereinkunft zwischen der Schweiz und dem Großherzogthum Baden über Anwendung gleichartiger Bestimmungen für die Fischerei im Rhein und seinen Zuflüssen, einschließlich des Bodensee's, d. d. Basel 25. März 1875 (A. S. N. F. I, 812) begonnenen internationalen Reglirung der Fischerei in dem Rheine auf die übrigen Rheinuferstaaten zusammengetreten waren, sind nachstehende Eingaben schweizerischer, badischer und elsässischer Fischer vorgelegt worden, welche sich in verschiedenem Sinne auf das Verbot der Anwendung von Fallen mit Schlagfedern beim Fischfang (Basler Konvention Art. 4, Bundesgesez über die Fischerei vom 18. September 1875, Art. 5, A. S. N. F. IL, 90) beziehen, zum größern Theil aber die Aufhebung dieses Verbots, soweit es sich auf die Garnfallen bezieht, zum Zweke haben.

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Bundesrathsbeschluss in Sachen der Herren Angelo Bertola und Luigi Svanascini, betreffend Ungültigkeit der Grossrathswahlen im Kreise Caneggio (Tessin). (Vom 14.

September 1877.)

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Bundesblatt

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1877

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4

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50

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10.11.1877

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133-147

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