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Aus den Verhandlungen des Schweiz. Bundesrathes.

(Vom 20. November 1877.)

Der Bundesrath hat die Vertheilung des im Budget für 1877 bewilligten Bundesbeitrags von Fr. 15,000 an die schweizerischen Hilfsgesellschaften im Auslande vorgenommen, und diese Vertheilung sämmtlichen Kantonsregierungen durch die in voriger Nummer des Bundesblaltes .erschienene Tabelle, sowie durch folgendes Kreisschreiben zur Kenntniß gebracht : ,,Getreue, liebe Eidgenossen!

,,Wir beehren uns, Ihnen übungsgemäß das Tableau über die Vertheilung des Bundesbeitrags von Fr. 15,000 für die schweizerischen Hilfsgesellschaften im Auslande pro 1877 mitzutheilen, welche wir heute vorgenommen haben, und wobei 67 derselben bedacht worden sind. In diese Uebersicht sind auch die Beiträge von 21 Kantonen uud Halbkantonen von zusammen Fr. 17,476 (1876 Fr. 13,678) aufgenommen, welche uns von den tit. Regierungen zur Versendung zugestellt worden sind und welche nun zugleich mit dem Bundesbeitrage an die betreffenden Vereine abgehen werden. Dieselbe enthält endlich noch Angaben über den Stand des Vermögens der Hilfsgesellschaften auf Ende 1875, sowie über deren Ausgaben während des Jahres 1876 (Fr. 312,056. 05); sie legen ein erfreuliches Zeugniß für das glükliche Gedeihen dieses humanitären und vaterländischen Werkes ab, dessen Nuzen übrigens in Zahlen allein sich nicht genügend darstellen läßt. Wir glauben hoffen zu dürfen, daß Sie demselben auch fürderhin ihre Unterstüzung schenken werden, wobei wir uns erlauben, Ihnen namentlich auch diejenigen Vereine zur Berüksichtigung zu empfehlen, welche bisher seitens der Kantone gar nicht oder nur in ganz geringem Maße bedacht worden sind, wie Mannheim, Ancona, NewOrléans, welche in ihren Jahresberichten ebenfalls Ihre freundliche Mithilfe ansprechen.

,,Indem wir im Uebrigen auf das Tableau selbst, sowie auf die Jahresberichte der einzelnen Gesellschaften verweisen , welche

631 Ihnen jeweilen, sei es direkt, sei es durch Vermittlung unserer Bundeskanzlei, zugestellt worden sind, erlauben wir uns, Ihre Aufmerksamkeit speziell auf eine Thatsache zu lenken, welche für gewisse Vereine von ganz besonderer Bedeutung ist. Wie Sie den Berichten von Berlin , Marseille , Cannes , Paris , Neapel, Wien, Buenos-Ayres, Madrid -- und gewiß haben auch andere Vereine die nämliche Wahrnehmung gemacht -- entnehmen werden, werden jene Gesellschaften hauptsächlich auch durch solche Landsleute in Anspruch genommen, welche, angezogen durch große Verkehrscentren oder durch ferne Länder, die ihnen die interessirten Berichte von Agenten und die eigene vertrauensselige Phantasie so gern als Eldorado darstellen, häufig mitten in eine ganz fremde Umgebung versezt werden, ohne daß sie Anstellungen oder sonst die nöthigen Mittel, sich selbst fortzuhelfen, besizen. Ihre einzige Rettung sind dann die Schweizervereine , wenn sich glüklicherweise in der betreffenden Stadt ein solcher befindet; häufig genug haben dieselben ·dann die Kosten der Heimreise auf ihre Rechnung zu übernehmen.

Die Jahresberichte der beiden Schweizergesellschaften in Paris machen auf mehrere Vorkommnisse dieser Art aufmerksam, die sehr charakteristisch sind. Allerdings sind in den meisten Fällen die Behörden außer Stande, dem Reiz , den die Aussicht auf eine schöne Zukunft in der Fremde ausübt, wirksam entgegenzutreten.

Immerhin aber sollten sowohl Kantons- als Gemeindebehörden die Folgen u n b e d a c h t e r Auswanderungen sorgfältig würdigen und jede sich ihnen darbietende Gelegenheit benuzen , solche zu verhüten. Die Berichte der Hilfsgesellschaften enthalten nach dieser Richtung Angaben, die sehr belehrend und der Berüksichtigung werth sind.

,,Schließlich ersuchen wir Sie, Ihre Sendungen uns jeweilen bis zum 1. Oktober des betreffenden Jahres (zu vergleichen unser Kreisschreiben vom 20. Oktober 1875) zukommen zu lassen, damit wir die Repartition des Bundesbeitrages auf Grund der kantonalen Beiträge rechtzeitig vornehmen können; daß jene heuer so spät erfolgt, rührt davon her, daß uns einige kantonale Liebesgaben erst ganz jüngst zugegangen sind.

,,Indem wir uns vorbehalten, Ihnen die Empfangscheinc der einzelnen Gesellschaften nach Eingang durch unsere Bundeskanzlei zustellen zu lassen , benuzen wir inzwischen den Anlaß, um Sie, getreue, liebe Eidgenossen, sammt uns in den Schuz des Allmächtigen zu empfehlen.11-

632 (Vom 3. Dezember 1877.)

Der Bundesrath hat sich veranlaßt gesehen, wegen Anwendung von Artikeln des Civilstandsgesezes an sämmtliche eidgenössische Stände folgendes Kreisschreiben zu richten : ,,Getreue, liebe Eidgenossen!

Wiederholt mußte der Bundesrath die Wahrnehmung machen, daß der Art. 41 des Bundesgesezes betreffend Feststellung und Beurkundung des Civilstandes und die Ehe in den Kantonen verschieden aufgefaßt und angewendet wird, was je nach den vorkornmeuden Fällen eine gute Führung der Civilstandsakten beeinträchtigen könnte. Deßhalb hält es der Bundesrath für nöthig, hierüber einheitliche Weisungen zu ertheilen.

Der Art. 41 schreibt vor : ,,Art. 41. Sofern voreheliche Kinder durch die nachfolgende ,,Ehe legitimirt werden, so haben die Eltern bei der Trauung oder ,,spätestens innerhalb dreißig Tagen nach derselben diese Kinder ,,dem Civilstandsbeamten ihres Wohnortes anzuzeigen.

,,Hat jedoch die Eintragung aus irgend einem Grunde nicht ,,stattgefunden , so kann aus dieser Unterlassung den vorehelichen ,,Kindern und ihren Nachkommen in ihren Rechten kein Nachtheil ,,erwachsen.a Dieser Artikel steht im Zusammenhang einerseits mit Art. 18, Alinea l, lautend : ,,Veränderungen in den Standesrechten, welche sich nach der ,,Eintragung in das Geburtsregister ereignen (Feststellung der Vater,,schaft eines außerehelichen Kindes durch gerichtliches Urtheil, frei,, willige Anerkennung, L e g i t i m a t i o n , Adoption u. s. w.) , sind ,,auf Antrag eines der Betheiligten als Randbemerkung im Geburts,,register beizufügen, wenn die Thatsache durch öffentliche Urkunde ,,ausgewiesen ist.a Und anderseits mit dem Art. 59, wo es heißt : ,,Von Amtes wegen oder auf Klage hin sind zu bestrafen : ,,1) Personen , welche den in den Artikeln 14 , 15 , 20 und 41 vorgeschriebenen Anzeigepflichten nicht nachkommen, mit Geldbuße bis auf 100 Franken" u. s. w.

Diese allerdings etwas unklaren Bestimmungen geben in der Vollziehung Anlaß zu Schwierigkeiten, die wir hiemit näher ins Auge fassen.

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1. Wo ist die Erklärung abzugeben ?

Das Gesez besagt: beim Civilstandsbearaten des Wohnortes der Eltern.

Augenscheinlich ging man dabei von der Voraussezung aus, die Eltern werden in der Regel am gleichen Orte wohnhaft sein und sich an ihrem Wohnorte verehelichen. Allein diese Regel unterliegt manchen Ausnahmen.

Dessen ungeachtet ist es mit keinem ernsten Nachtheile verbunden , das Gesez wörtlich zu nehmen. Es wird demzufolge -- sei es, daß die Eheleute ihre Trauung nicht an ihrem Wohnorte vornehmen ließen, sei es, daß sie seit ihrer Verehelichung bis zu dem Augenblike, wo die Erklärung abgegeben wird, ihren Wohnort gewechselt haben, -- Sache des Civilstandsbeamten des Wohnortes, an dem sie sich zur Zeit der Erklärung befinden, sein, diese Erklärung entgegenzunehmen und wie oben angegeben zu verfahren.

2. Kann die Erklärung jederzeit abgegeben und entgegengenommen werden ?

Diese Frage hat der Bundesrath bereits in mehreren Spezialfällen bejahend entschieden. Der Art. 41, 1. Alinea, legt den Eltern die Pflicht auf, die Anzeige in höchstens 30 Tagen zu bewerkstelligen , und der Art. 59 stellt eine Strafe für die diesfalls Saumseligen auf. Durch das 2. Alinea von Art. 41 werden aber die Rechte der Kinder hinlänglich gewahrt und es muß daher die Erklärung jederzeit entgegengenommen werden können , mit Vorbehalt der Anwendung der erwähnten Strafe.

Hiebei ist ein wesentlicher Unterschied zwischen dem französischen und dem deutschen Texte dieses 2. Alinea zu erwähnen.

Der französische Text sagt: ,,Si, pour un motif quelconque, ,,cette déclaration n'a pas été inscrite," was voraussezen läßt, daß die Erklärung abgegeben worden sein muß, während es im deutschen Texte heißt: ,,Hat jedoch die Eintragung nicht,stattgefunden", was eher den Fall annehmen läßt, es habe keine Erklärung und daher auch keine Eintragung stattgefunden.

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Uebrigens ist der obwaltende Gedanke weder im einen noch im andern Texte hinlänglich deutlich ausgedrükt ; gleichwohl hält aber der Bundesrath dafür, es erscheine seine Auslegung für begründet , wenn man den Art. 41 , 2. Alinea, mit dem Art. 59, Ziffer l, vergleicht.

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Er hält demnach seine bereits ertheilte Antwort aufrecht, dahin gehend : Die Erklärung kann jederzeit abgegeben und e n t g e g e n g e n o m m e n w e r d e n ; die saumseligen E l t e r n s i n d a b e r , g e m ä ß Art. 5 9 , v o n A m t e s wegen zu belangen.

3. Welche Förmlichkeiten hat der Civilstandsbeamte bei der Eintragung zu beobachten?

Das Gesez spricht sich hierüber nicht aus. Es ist daher nothwendig, diese Luke auf dem Wege der Vollziehungsverordnung auszufüllen.

a. Wenn die Erklärung dem Civilstandsbeamten abgegeben wird , welcher die Trauung vollzogen hat, so ist das Einfachste, dieselbe werde am Rande des Ehescheins eingetragen und von den Deklaranten unterzeichnet; hievon ist von Amtes wegen Kenntniß ?,u geben behufs der Eintragung am Rande des oder der Register B, in welchen die Trauung eingeschrieben ist.

b. Wenn der Beamte des 'Ortes, wo die Eheleute zur Zeit der Erklärung wohnhaft waren, nicht der Beamte ist, der die Trauung vorgenommen hat, so hat er, auf Vorweisung des Ehescheins , die von den Eheleuten auf ein fliegendes Blatt geschriebene und von ihnen unterzeichnete Erklärung entgegenzunehmen.

Der Beamte bezeugt die Echtheit des Aktenstüks durch seine Unterschrift und übermittelt sie von Amtes wegen dem Beamten , deidie Trauung vorgenommen hat, behufs Eintragung am Rande des Aktes im Register A und Aufbewahrung im Archive der Belege zu diesem Register. Dieser leztere Beamte hat sodann die erforderlichen Mittheilungen zu machen für die Eintragung am Rande des oder der Register B , in denen die Ehe selbst eingeschrieben worden ist.

Auf diese Weise wird jede Legitimation durch nachfolgende Ehe zur Einschreibung im Register A, wohin sie gehört, und durch die Mittheilung an das Register B zur Kenntniß der Heimatgemeinden der Eltern gelangen. Selbstverständlich sind allfällige Einsprachen gegen die Gültigkeit solcher Erklärungen durch die Gerichte , gemäß der auf den Fall anwendbaren Prozedur, zu erledigen.

Eintragungen am Rande der Geburtscheine der Kinder sind, wie Art. 18 besagt, auf A n t r a g e i n e s der B e t h e i l i g t e n und auf Vorweis einer ö f f e n t l i c h e n U r k u n d e vorzunehmen.

635 Als solche hat im Spezialfalle der Auszug aus dem Eheregister A, wodurch die Randeintragung der Legitimation konstatirt wird , zu gelten.

4. Welche Förmlichkeiten sind zu erfüllen, wenn die Eheleute sich im Auslande verheirathet oder sich dort nach ihrer Verheirathung niedergelassen haben?

Der Artikel 54, 5. Alinea, der Bundesverfassung schreibt im Allgemeinen vor, daß ,,durch die nachfolgende Ehe dei' Eltern vorehelich geborne Kinder derselben legitimirt werden".

Die Schweizer im Auslande dürfen also auch verlangen , daß die Erklärungen , durch die sie vorehelich geborne Kinder legitimiren wollen, in der Schweiz entgegengenommen und eingeschrieben werden. Dieß bietet jedoch einige Schwierigkeiten. Wie soll in den einzelnen Fällen verfahren werden ?

a. Es kann vorkommen, daß weder die Geburt der Kinder (/. B. wenn die Mutter eine Ausländerin ist) , noch die Verehelichung in den schweizerischen Civilstandsregistern eingetragen sind.

In diesem Falle ist in erster Linie nothwendig, daß der Schweizer, welcher seine Kinder legitimiren will, seinen Eheschein vorweise behufs Eintragung in das Register B seiner Heimatgemeinde (sowie in das Register B der Heimatgemeinde der Mutter , wenn sie eine Schweizerin ist).

Wenn der Eheschein nicht die Anerkennung der vorehelich gebornen Kinder erwähnt, so muß von den Eheleuten verlangt werden, daß die Legitimationserklärung von ihnen vor einem Konsularbeamten oder vor einem andern öffentlichen Beamten (Civilstandsbeamten, Notar u. dgl.), der solchen Erklärungen einen authentischen Charakter ertheilen kann, abgegeben und unterzeichnet werde. Dieser Akt wird dem Civilstandsbeamten des Heimatortes des Vaters übermittelt behufs Vormerkung am Rande gegenüber der Eheeintragung im Register B. Dieser Beamte hat im Weitern die erforderlichen Mittheilungen für die andern Register B zu besorgen.

Die Einschreibung der Geburtscheine der Kinder in das Geburtsregister B kann hierauf stattfinden.

b. Wenn die Trauung in der Schweiz vollzogen oder bereits in das Register B eingetragen worden ist, so hat man nur die oben angedeutete öffentliche Urkunde zu verlangen und sodann wie in ähnlichen Fällen zu verfahren. Ebenso, wenn die Geburten bereita in den schweizerischen Registern figuriren.

636 Selbstverständlich können die im Art. 59 enthaltenen Strafbestimmungen für Erklärungen , die aus dem Auslande herrühren, nicht zur Anwendung kommen.

Uebrigens bleiben die Bestimmungen betreffend Erledigung der Einsprachen, welche gegen die Gültigkeit der elterlichen Erklärung erhoben werden könnten, vorbehalten.

Vorstehende Weisungen werden' allen Civilstandsbeamten in vorkommenden Fällen von Nuzen sein. Wir laden Sie daher ein, ·sie in wirksamer Weise den Leztern zur Kenntniß zu bringen, und benuzen diesen Anlaß, Sie, getreue, liebe Eidgenossen, mit uns in den Schuz des Allmächtigen zu empfehlen."

(Vom 5. Dezember 1877.)

Herr Ferdinand H a c k r a d t, von Perleberg (Preußen), seit 1861 schweizerischer Konsul in Desterro (Brasilien), hat mit Schreiben vom 5. November abhin die Entlassung von seiner Stelle nachgesucht, weil er aus Gesundheitsrüksichten Brasilien verlassen müsse.

Diese Entlassung wurde ihm vom Bundesrathe ertheilt, unter Verdankung seiner geleisteten Dienste.

Der Bundesrath hat gewählt : als Posthalter in Ouchy : Hrn. Charles Cornaz, Telegraphist, von Moudon (Waadt), in Lausanne ; ,, ,, ^ Huttwyl : ,, Friedrich Hager, von Aeffligen (Bern), Buchhalter in Thorberg (Bern) ; ,, ,, ,, Oberkulm : ,, Emil Karrer, von und in Oberkujm (Aargau); ,, Posthalterin in Montricher : Frau Witwe Henriette Marie Chenuz, von und in Montricher (Waadt), Telegraphistin in dort.

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08.12.1877

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