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Bericht der

Kommission des Nationalrathes, über den Rekurs von Angelo Bertola in Vacallo und Luigi Svanascini in Muggio (Tessin), gegen den Entscheid des Bundesrathes vom 14. September 1877, betreffend die Grossrathswahlen im tessinischen Kreise Caneggio.

(Vom 16. Dezember 1877.)

Tit.!

Die Kommission, welche von Ihnen behufs Prüfung des Rekurses der Herren A. Bertola und L. Svanascini bestellt worden ist, beantragt Ihnen einmüthig Zustimmung zum ständeräthlichen Entscheid vom 11. dies und Abweisung des Rekurses.

Der Große Rath des Kantons Tessin hat die Wahl der beiden Rekurrenten im Wahlkreise Caneggio hauptsächlich aus drei Gründen kassirt, erstens wegen Ungültigkeit von 24 Stimmzeddeln, zweitens wegen Theilnahme Nichtstimmberechtigter an der Wahl und drittens wegen Einschüchterung der Wähler.

Wie verhält es sich mit jenem ersten Grunde? Die Rekurrenten, resp. die Minderheit der Wahlprüfungskommission und des Großen Rathes, behaupten, die Untersuchung der Stimmzeddel durch das Kreisbüreau sei ungesetzlich gewesen und damit jede Vermuthung für die Identität derselben zerstört. Jenes ist offenbar richtig, dieses

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aber ebenso offenbar falsch. Darüber, daß das K r ei s bureau nicht berechtigt ist, die Stimmzeddel zu untersuchen, existirt keine ernstliche Meinungsdifferenz. Wir verweisen diesfalls^lediglieh auf pag. 65 (oben) der ,,Processi verbali del Gran Consiglio, sessione straordinaria del Gennaio 1877u (Rapporto di commissione intorno alle nomine del Circolo di Airolo, d. d. 2. Februar d. J.). Trotzdem kann aber über die I d e n t i t ä t der Stimmzeddel kein Zweifel existiren. Man braucht nicht Schriftexperte zu sein, um konstatiren zu können, daß die meisten dieser Zeddel von der nämlichen Hand ausgefüllt wurden, von welcher die Eingabe des Giovanni Zappa an den Großen Rath, d. d. 26. Januar d. J., und die letzte Sign a t u r auf den Verbalprozessen aus der Gemeinde Vacallo geschrieben sind. Der Betreffende ist nun nach den Untersuchungsakten ein eifriger Parteigänger von Bertela und gehörte dem K r e i s wahlbüreau n i c h t an. Jeder Verdacht der Unterschiebung anläßlich der Prüfung durch das Kreisbüreau fällt also dahin, und wir müssen annehmen, daß die 24 Stimmzeddel in den resp. Gemeinden von Stimmberechtigten abgegeben worden seien.

Der Große Rath von Tessin hat nun diese Stimmzeddel als ungültig erklärt und der Bundesrath tritt dieser Anschauung bei.

Beide stellen diesfalls auf die Bestimmungen der tessinischen Wahlgesetze ab. Diese Bestimmungen lauten : a. Gesetz über die eidg. Wahlen und Abstimmungen, d. d.

19. September 1872. Art. 11. La carta per le schede, distribuita dalla Municipalità nei giorni antecedenti alla votazione, sarà di colore bianco e di qualità uniforme per tutti i cittadini. La scheda non deve presentare alcun segno di distinzione o di manifestazione del voto scritto nell' interno della medesima.

b. Zweites Gesetz über die eidg. Wahlen und Abstimmungen, d. d. 12. September 1873. Art. 4, Absatz 3. La carta per la scheda dev' essere di color bianco, e non deve presentare alcun segno di distinzione o manifestazione del voto scritto noli' interno della medesima.

Das Verfassungsgesetz vom 24. November 1876 (Riformino) bestimmt, daß diese Vorschriften auch für die Großrathswahlen gelten sollen.

Nun bilden die verschiedenen Stellungen und Verstellungen der Handschrift offenbar solche Erkennungszeichen. Das Nämliche ist von der Anwendung verschiedener Tinten zu sagen. Bloße unschuldige Spielerei kann das nicht sein; war aber Absicht dabei, so kann sie nur darauf gerichtet gewesen sein, die Wähler bezüg-

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lieh ihrer Stimmgabe zu kontroliren. Wir laden die Mitglieder des Rathes ein, diese Stimmzeddel selbst in Augenschein zu nehmen.

Es ist geradezu unmöglich, bei unbefangener Prüfung zu einem anderen Resultat zu gelangen. Alsdann aber hat der Große Rath Recht gehabt, dieselben als ungültig zu erklären und in Folge dessen die Wahl der Herren Bertela und Svanascini zu kassiren, weil nach Abzug dieser 24 Stimmzeddel, resp. der in denselben auf sie gefallenen Stimmen, Keiner von Beiden mehr das absolute Mehr erreicht.

Unter diesen Umständen ist es nicht nöthig, die Frage der Kompetenz der Bundesbehörden zur Prüfung des angefochtenen Großrathsentscheides zu erörtern und zu untersuchen, ob auch der zweite und dritte Kassationsgrund zutreffen.

Wir wiederholen unsern Antrag*) und sprechen zum Schlüsse noch unser tiefes Bedauern darüber aus, daß sowohl die Rekursschriften der Herren Bertela und Svanascini als insbesondere die Rekursbeantwortung des Staatsrathes von Tessin in einem unwürdig leidenschaftlichen Tone verfaßt sind.

B e r n , den 16. Dezember 1877.

Der Berichterstatter der Kommission des Nationalraths : L. Forrer.

*) Vom Nationalrath angenommen am 19. Dezember 1877.

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Bericht des

Bundesrathes an die hohe Bundesversammlung, betreffend Umwandlung von Strohbedachungen längs des Bahnkörpers der Nationalbahn.

(Vom 7. Dezember 1877.)

Tit.!

Die Direktion der schweizerischen Nationalbahn beschwert sich bei Ihnen über einen Beschluß, durch welchen wir diese Gesellschaft verpflichtet haben, gewisse mit Stroh gedekte Häuser in Ober-Entfelden mit einer feuerfesten Bedachung zu versehen, und ersucht uns dabei, Ihnen zugleich die auf die Frage bezüglichen Akten zu überweisen.

Indem wir diesem Begehren hiemit entsprechen, beehren wir uns, den Rekurs mit folgenden orientirenden Bemerkungen zu begleiten.

Als im Jahr 1875 die Nationalbahn die Baupläne für mehrere aargauische Gemeinden, darunter Ober-Entfelden, zur Genehmigung vorlegte, machten einige Bewohner von Ober-Entfelden auf die Feuersgefahr aufmerksam, welche einigen mit Stroh gedekten Häusern (sie führten beispielsweise 3 speziell an) vom Funkenwurf der Lokomotiven drohe, und die Regierung von Aargau stellte dann das Begehren, daß entweder die Station Entfelden aus dem dortigen Häuserknäuel verlegt oder die bedrohten Strohdächer mit Ziegeln gedekt werden.

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29.12.1877

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802-805

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