119

# S T #

Botschaft des

Bundesrathes an die hohe Bundesversammlung, betreffend Fristverlängerung für die Eisenbahnen LangenthalWauwyl und Solothurn-Schönbühl.

(Vom 30. Mai 1877.)

Tit.

Die Gesuche um die zwei in der Ueberschrift bezeichneten Fristverlängerungen haben das Gemeinsame, daß beide von der Schweiz. Centralbahn ausgeben, auf eine größere Reihe von Jahren gerichtet sind, durch kurze Hinweisung auf die allgemein bekannten Finanzverhältnisse der Gesellschaft begründet werden und daß, während bei Langenthal-Wauwyl Bern keine Einwendung erhebt und bei Solothurn-Schönbühl die Regierung von Solothurn dem Gesuche, immerhin in beschränktem Maße, entsprechen will, bezüglich der ersteren Linie Luzern und bezüglich der lezteren Bern sich jeder Fristverlängerung widersezt.

In faktischer Beziehung ist im Uebrigen hervorzuheben : a. Bezüglich der Linie L a n g e n t h a l - W a u w y l : Die vom Bunde am 23. September 1873 ertheilte Konzession enthält folgende Termine : 23. März 1874 für die Einreichung der technischen und finanziellen Vorlagen, 31. Juli 1874 für den Beginn der Erdarbeiten, 31. März 1879 für die Eröffnung der Bahn.

120 Den Finanzausweis legte die Centralbahn, gleichzeitig mit demjenigen für die Gäubahn, am 24. März 1874 vor. Die Linie Langenthal-Wauwyl war auf Fr. 8,293,000 (und die Gäubahn auf Fr. 14,647,000) veranschlagt, mit Ausschluß von Betriebsmaterial.

Der Geldbedarf wurde im Wesentlichen ausgewiesen durch das Produkt von 24,765 neuen Aktien und des mit der Nordostbahn bei deutschen Bankinstituten gemeinsam aufgenommenen Anleihens von (zunächst) 30 Millionen Franken.

Nach Bereinigung verschiedener unklarer Punkte anerkannten wir am 21. August 1874 den Finanzausweis unter gewissen Ausstellungen und Vorbehalten als geleistet, ebenso den Ausweis über rechtzeitigen Beginn der Erdarbeiten.

Die Bauvorlagen wurden durch einen antizipirten Streit über die Situirung der Stationen St. Urban und Melchnau und die hiedurch beeinflußte Zugsrichtung verzögert, immerhin am 13. November 1874 f ü r - d a s erste Bauloos (Tunnel zwischen Alt-Büron und Eberseken) genehmigt.

Nachdem längere Zeit am erwähnten Tunnel gearbeitet worden war, beschloß im Oktober 1875 der Verwaltungsrath der Centralbahn plözlich, den Bau zu unterbrechen, mit der Motivirung, daß bei gleichmäßiger Fortsezung der Arbeiten der Vollendungstermin in hohem Grade antizipirt würde und daß der Nuzen dieser Linie erst mit der Eröffnung der Gotthardbaha sich geltend machen könne. Nachdem sich ergeben, daß die Vollendung der Bahn noch eine Zeit von mindestens zwei Jahren erfordere, luden wir unterm 19. Januar 1876 das Direktorium der Schweiz. Centralbahn ein, bis spätestens Ende September gì. J. uns betreffend den Zeitpunkt der Wiederaufnahme der Arbeiten im Allgemeinen sowohl als betreffend die Vollendung des Tunnels wie der übrigen bedeutenderen Kunstbauten im Besonderen Vorschläge zu unterbreiten.

Statt solcher Vorschläge legte am 29. September und 6. Oktober v. J. das Direktorium der Schweiz. Centralbahn das Gesuch vor, den Termin für die Wiederaufnahme der Arbeiten bis zum 31. Dezember 1881 und die Frist für die Vollendung der Linie bis zum 1. Juli 1884 zu erstreken.

Die Regierung von Luzern glaubt, die Gewährung des Gesuches käme einer gänzlichen Einstellung des Baues nahezu gleich, da die Fortsetzung des leztern nach so langer Unterbrechung bedeutende Mehrkosten im Gefolge hätte, und verlangt, daß die Centralbahn angehalten werde, die Arbeiten sofort wieder aufzunehmen und nach einem bestimmten Programm, bei dessen Auf-

121 Stellung dann allerdings die Zeitverhältnisse berüksichtigt werden mögen, zu fördern.

b. Bezüglich der Linie S o l o t h u r n - S c h ö n b ü h l .

Gemäß der, vorn 24. September 1873 datirten, Konzession sollten die technischen und finanziellen Vorlagen bis zum 24. September 1874 eingereicht, vor dem 1. Januar 1875 die Erdarbciten begonnen und bis zum 1. August 1878 die Bauten beendigt werden.

Die ersten zwei Fristen wurden von uns zweimal verlängert, zulezt bis zum 1. Februar, resp. 1. Mai 1877.

Die Centralbahn wünscht den Termin für den Finanzausweis auf den 31. Dezember 1881 und denjenigen für die Vollendung der Bahn auf den 31. März 1887 verlegt zu sehen.

Die Regierung von Solothurn empfiehlt, die Erstrekung theilweise, nämlich bis zum 31. Dezember 1878, resp. 31. März 1884 (welche Termine nach dem Bundesbeschlusse vom 20. März abhin für die Wasserfallenbahn gelten) zu bewilligen. Bern dagegen trägt darauf an, daß die Gesellschaft verhalten werde, den Fiuanzausweis in den nächsten Monaten zu leisten und die Linie bis zum 1. Oktober 1878 zu vollenden.

Wir notiren noch, daß laut den Konzessionsvorlagen die 24 Kilometer lange Linie auf 4 1lì Mili. Fr. veranschlagt ist, und daß sich die Centralbahn durch den sog. Gäubahnvertrag verpflichtet hat, (die Wasserfallenbahn und) die Linie Solothurn-Schönbühl binnen fünf Jahren, von der Konzessionsertheilung an gerechnet, dem Betriebe zu übergeben.

Den festen Fußpunkt, um zwischen diesen widersprechenden Begehren zu entscheiden, dürfte die Untersuchung und Beantwortung der Frage bieten, welche Mittel dem Bunde zu Gebote stehen, um die Centralbahn zur Erfüllung der durch die Annahme der Konzession übernommenen Pflichten anzuhalten.

Es ist bisher, sowohl unter denn alten als unter dem neuen Eisenbahngesez, immer als selbstverständlich angenommen worden, daß ein Konzessionär durch Nichtleistung des Finanzausweises einfach der Konzession verlustig gehe, in dieser Form also ohne weiteres auf die Konzessior. verzichten könne. Es folgt dieser Saz aus dem Wortlaut des Gesezes, Artikel 13, Abs. l, welcher die Folgen der Nichtleistung eines Fiuanzausweises bestimmt, und aus dem Wesen der Konzession, welche nicht eine privatrechtliche

122 Pflicht zur Ausführung der Bahn auferlegt, sondern ein von. gewissen Bedingungen abhängiges Recht verleiht, das an den Staat zuriikfällt, wenn jene Bedingungen nicht erfüllt werden.

Ist der Finanzausweis für eine Linie bereits geleistet und der Beginn mit den Arbeiten gemacht, so ist die Sachlage nur insofern geändert, daß nunmehr für "die Einhaltung eines aufzustellenden Bauprogramms eine Kaution. gefordert werden kann und, wenn sie nicht geleistet oder nach geschehener Deposition derselben der Bau nicht rechtzeitig vollendet und eine Fristerstrekung nicht bevrilligt wird, (die Kaution verfällt und) die vorhandene Anlage auf Rechnung der, Gesellschaft zu versteigern ist.

Wenn der Konzessionär nur diese eine Konzession besizt, so wird faktisch, und wenn auf der im Bau begriffenen Bahn Pfandrechte haften, so wird kraft gesezlicher Vorschrift (Art. 13 des Gesezes vom 24. Juni 1874-über Verpfändung und Zwangsliquidation der Eisenbahnen) die Liquidation des Unternehmens eintreten.

Sonst aber ist leztere durchaus nicht nothwendig mit der Versteigerung einer im Bau begriffenen Linie verbunden. Art. 46 des soeben zitirten Gesezes spricht, während der ursprüngliche Entwurf ausdrüklich alle über die Liquidation handelnden Artikel als auf den Fall der Konzessionsverwirkimg anwendbar erklären wollte, nur von der Ernennung eines Steigerungskommissärs (nicht eine» Massaverwalters) und von einem Verfahren nach den Vorschriften des Gesezes über die Versteigerung (nicht über die Liquidation).

Es ist auch natürlich und billig, daß die Leistung des Finanzausweises und der Beginn der Erdarbeiten nicht einen so großen Unterschied in der Rechtsstellung des Konzessionärs herbeiführen kann, daß dieser vorher beliebig auf die Konzession zu verzichten befugt, nachher aber mit seinem, ganzen Vermögen für die Ausführung der Baute verhaftet wäre. In, der Regel wird der Dahinfall der Konzession den Verlust aller auf die Bahn gemachten Verwendungen nach sich ziehen und daher einen gehörig fühlbaren Nachthei! darstellen, den zu vermeiden die Gesellschaft keine Anstrengungen scheuen wird.

Durch den Beginn der Arbeiten und nachherige Einstellung derselben werden allerdings meistens mannigfache Interessen und Rechte verlezt, von solchen Personen, welche in der Aussicht auf den Bau der Bahn Einrichtungen getrcffen haben,
welche Rechte abtraten oder in der Verfügung über ihr Eigenthum beschränkt wurden oder deren Grundstüke durch den Bau Beschädigungen erlitten etc. Die Stellung dieser Persoilen würde aber durch Eröffnung des Konkurses keineswegs besser; soweit sie Entschädigung zu beanspruchen haben, mögen sie gegen die aufrecht bleibende

123 Gesellschaft vorgehen und sie nötigenfalls nach den Vorschriften des Gesezes über Zwangsliquidation zum Falliment bringen. So lange die Gesellschaft die privatrechtliehen Ansprüche befriedigt, welche aus Grund eines steken gebliebenen Unternehmens an sie gestellt werden, ist kein Anlaß vorhanden, sie wegen der Einstellung der Arbeiten zur Liquidation zu bringen, wäre also die vorhandene Anlage einfach zu versteigern und ein allfälliger Erlös, sofern nicht Arreste dazwischen treten., ihr zu überlassen.

Ein direktes Zwangsmittel (namentlich durcli Androhung der Liquidation des ganzen Centralbahnunternehmens) besizt also der Bund nicht, um die Centralbahn zur Wiederaufnahme der Arbeiten an der Linie Langenthal-Wauwyl und zur Inangriffnahme der Linie Solothurn-Schönbühl zu bestimmen. Er kann lediglich die Konzessionen als erloschen erklären, nachdem er bezüglich der ersteren allenfalls noch versucht hat, eine: Kaution erhältlich zu machen.

Nun ist der Dahinfall der Konzessionen ein Resultat, welches die Centralbahu wahrscheinlich gar nicht als Uebel betrachtet und welches anderseits die remonstrirenden Kantone gar nicht als wünschbar anstreben.

Da bleibt nichts anderes übrig, als den Fristerstrekungsgesuchen in der Weise zu entsprechen, daß sich der Bund nicht allzu lange bindet und ein allfälliger neuer Bewerber um die eine oder andere Konzession in nicht zu ferner Zeit das Terrain wieder frei fände.

Betreffend Langenthal-Wauwyl ist der Argumentation der Regierung von Luzern entgegenzuhalten, daß ein lässiger, sich lang hinziehender Betrieb der Tunnelarbeiten mit rationellen wirthschaftlichen Grundsäzen kaum vereinbar ist; wenn die Vollendung hinausgeschoben werden darf, so ist es richtiger, auch für 'die Wiederaufnahme der Arbeiten, welcher natürlich ein neuer Finanzausweis voranzugehen hat, einen Verzug zu gestatten.

Da die Linie Solothurn-Schönbühl mit der Wasserfallenbahu zusammenhängt, so ist der Vorschlag der Regierung von Solothuru, die Fristen für beide Unternehmungen gleich zu bemessen, offenbar sachgemäß. Zwar entsteht durch diese Normirung der Fristen die Inkonvcnienz, daß die Cen;ralbahn drei verschiedene Linien zu gleicher Zeit wird bauen, also ein bedeutendes technisches Personal wird in Anstellung nehmen müssen. Allein im Widerspruch mit zwei Kantonsregierungen fui Solothurn-Schönbühl längere Fristen vorzuschlagen, können wir um so weniger uns verstehen, als bei Konzedirung dieser Linie ein zweiter Bewerber (die Emmenthalbahn)

124 vorhanden war und die Regierung von Bern gegen die Konzessionirung der Centralbahn Einspruch erhob.

Ueberdies sind die hinsichtlich dieser Linie bestehenden Vertragsverhältnisse ausdrüklich vorzubehalten.

Wir beantragen Ihnen Annahme der nachfolgenden Beschlußentwürfe und versichern Sie, Tit., auch bei diesem Anlaß wieder unserer vollkommensten Hochachtung.

Bern, den 30. Mai 1877.

Im Namen des Schweiz. Bundesrathes, Der Vizepräsident:

Schenk.

Der Kanzler der Eidgenossenschaft : Schiess.

(Entwurf)

Bundesbeschluss betreffend

Fristverlängerung für die Eisenbahn Langenthal-Wauwyl.

Die B u n d e s v e r s a m m l u n g der schweizerischen Eidgenossenschaft, nach Einsicht: 1) eines Gesuches des Direktoriums der schweizerischen Centralbahn vom 29. September und 6. Oktober 1876; 2) einer Botschaft des Bundesraths vom 30. Mai 1877, beschließt: 1. Bis zum 31. Dezember 188l ist für die Eisenbahnlinie Langenthal-Wauwyl ein neuer Finanzausweis vorzulegen und sind die Erdarbeiten daran wieder aufzunehmen.

125 2. Die in Art. 6 des Bundesbeschlusses vom 23. September 1873 für die Vollendung und Inbetriebsezung der Eisenbahn Langenthal-Wauwyl angesezte Frist wird bis zum 1. Juli 1884 verlängert.

3. Der Bundesrath ist mit der Vollziehung dieses Beschlusses beauftragt.

(Entwurf)

Bundesbeschluss betreffend

Fristverlängerung für die Eisenbahn Solothurn-Schönbühl.

Die Bundesversammlung der schweizerischen Eidgenossenschaft, nach Einsicht : 1) eines Gesuches des Direktoriums der schweizerischen Centralbahn vom 16. Januar 1877; 2) einer Botschaft des Bundesrathes vom 30. Mai 1877, beschließt: 1. Die in Art. 5 und 6 des Bundesbeschlusses vom 24. September 1873, betreffend Konzession einer Eisenbahn SolothurnSchönbühl, angesezten une durch Bundesrathsbeschlüsse vom 31. August 1874 und 7. Juli 1875 zum Theil erstrekten Fristen werden, unter Vorbehalt vertraglicher Rechte Dritter, in folgender Weise verlängert: -

126 a. Bis zum 31. Dezember 1878 sind dem Bundesrathe die vorschriftmäßigen technischen und finanziellen Vorlagen einzureichen.

b. Vor dem 31. März 1879 ist der Anfang mit den Erdarbeiten für die Erstellung der Bahn zu machen.

c. Bis zum 31. März 1884 ist die ganze konzedirte Linie zu vollenden und dem Betriebe zu übergeben.

2. Der Bundesrath ist mit der Vollziehung dieses Beschlusses beauftragt.

127

# S T #

Botschaft des

Bundesrathes an die hohe Bundesversammlung, betreffend Fristverlängerung für die Eisenbahnen Vivis-Palézieux, Bulle-Thun und die Wynenthalbahn.

(Vom 2. Juni 1877.)

Tit. !

Indem wir mit Bezug auf die von den Potenten zur Begründung ihrer Gesuche vorgebrachten Details auf die diese Botschaft begleitenden Akten zu verweisen uns erlauben, beschränken wir uns auf folgende Bemerkungen :

a. Bezüglich Vivis-Palézieux.

Die Konzessionäre, 9 Einwohner von Vivis, sind seit Ertheilung der Konzession (21. Dezember 1875) nicht unthätig gewesen. Sie haben das Projekt neuerdings studiren lassen und sind zu einer erheblichen Modifikation desselben gelangt, wonach die Linie im Ganzen zirka 700 Meter, insbesondere der Tunnel oberhalb Corsier um mehr als 2 Kilometer und die nach einemSpezialsystemn (Agudio, eventuell pneumatischesSystem)) zu betreibende schiefe Ebene um beinahe 500 Meter kürzer würde, der Voranschlag aber sich um fast 2 Millionen Franken reduzirt. Die Unterhandlungen mit Herrn Agudio über die praktische Anwendung seines Systems auf die in Frage liegende Linie konnten jedoch aus verschiedenen, theils

Schweizerisches Bundesarchiv, Digitale Amtsdruckschriften Archives fédérales suisses, Publications officielles numérisées Archivio federale svizzero, Pubblicazioni ufficiali digitali

Botschaft des Bundesrathes an die hohe Bundesversammlung, betreffend Fristverlängerung für die Eisenbahnen Langenthal-Wauwyl und Solothurn-Schönbühl.

(Vom 30. Mai 1877.)

In

Bundesblatt

Dans

Feuille fédérale

In

Foglio federale

Jahr

1877

Année Anno Band

3

Volume Volume Heft

27

Cahier Numero Geschäftsnummer

---

Numéro d'affaire Numero dell'oggetto Datum

16.06.1877

Date Data Seite

119-127

Page Pagina Ref. No

10 009 599

Das Dokument wurde durch das Schweizerische Bundesarchiv digitalisiert.

Le document a été digitalisé par les. Archives Fédérales Suisses.

Il documento è stato digitalizzato dell'Archivio federale svizzero.