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Botschaft des

Bundesrathes an die hohe Bundesversammlung, betreffend das Begnadigungsgesuch des J. L. Baumgartner, gew.

Offiziersbedienter, von Altstädten.

(Vom 13. Dezember 1877.)

Tit.!

Durch Urtheil des Kriegsgerichts der VII. Divison vom 17. August 1877 wurde Jakob Laurenz Baumgartner von Altstädten, gew. Offiziersbedienter io der Kaserne in Herisau, wegen Veruntreuung in Anwendung der Art. 150, 152, 135 a und 34, Lemma l des Bundesgesezes über die Strafrechtspflege für die eidg. Truppen vom 27. August 1851 verurtheilt : 1) zu einer Gefängnißstrafe von 6 Monaten; 2) zur Einstellung in den bürgerlichen Rechten für die Dauer von 2 Jahren, und 3) zum Ersaz des Schadens.

Die faktische Unterlage dieses Urtheils besteht in folgendem Sachverhalt :

706 Jakob Laurenz Baumgartner, geb. 1829, von Altstädten, Kantons St. Gallen, seit März dieses Jahres Offtziersbedienter in der Kaserne in Herisau, ließ sich in dieser Eigenschaft folgende Vergehen zu Schulden kommen, wofür er nach Art. l, Litt, d des Bundesgesezes über die Strafrechtspflege für die eidg. Truppen der militärischen Strafgerichtsbarkeit anheimfiel : 1) Während der ersten Rekrutenschule (3. April bis 19. Mai) bestand zwischen dem Angeklagten und dem ebenfalls als Bedienten angestellten Job. Georg Kleemann auf Anordnung des Kaserniers in Herisau das Verhältniß der Lohn- und Trinkgeldervertheilung. Kleemann berichtigte jeweilen die Hälfte unter schriftlichem Ausweis an Baumgartner, während lezterer nur die Summe von Fr. 3. 20 ablieferte und dabei vorgab, er erhalte beinahe keine Trinkgelder. Bei der Einvernahme gestand er jedoch, von einem Offizier während der ersten Rekrutenschule Fr. Ì6 als Trinkgeld erhalten zu haben, wovon er die an Kleemann zu bezahlende Hälfte für sich behalten habe.

2) und 3) Baumgartner ließ sich Anfangs Juni in einem Laden 3 Paar Hosenträger zur Auswahl für einen höhern Offizier mitgeben. Als er nach 8 Tagen zur Zahlung gemahnt wurde, gebrauchte er die Ausrede, daß der Offizier, der das eine Paar ausgewählt, die Bezahlung vergessen habe; er werde mit dem Betrage' auch die übrigen 2 Paare überbringen, was indessen nicht geschah.

Er hatte das eine Paar an einen Offizier abgesezt, aber den Betrag für sich behalten und die übrigen zwei Paare ebenfalls veräußert.

4) Während der II, Rekrutenschule hatte Baumgartner von einem Rekruten den von einem Instruktionsoffizier an eine Depesche bezahlten Ueberschuß von 50 Rappen zur Behändigung an leztern erhalten, stellte jedoch den Betrag dem Eigenthümer nicht zurük.

5) Der Angeklagte hatte für einen Offizier Reparaturen an Bekleidungsgegenständen durch einen Schneider besorgen zu lassen, nahm das Geld für dieselben in Empfang, bezahlte jedoch den Beti'ag der betreffenden Rechnung nicht, sondern behielt das Geld für sich und verwendete dasselbe anderweitig.

6) Im Monat Juli erhielt Baumgartner von einem Offizier den Auftrag, in ein Pince-nez 2 Gläser einsezen zu lassen; hiefür wurden ihm Fr. 2 eingehändigt. Gleichzeitig sollte er zwei eidg. Kreuze für Instruktorenmüzen einkaufen ; er besorgte dies und verausgabte

757 von den erhaltenen Fr. 2 den Betrag von 50 Happen. Der Rest von Fr. 1. 50 wurde aber keineswegs an die Reparatur des Zwikers verwendet oder an den betreffenden Offizier zurükbezahlt, sondern von Baumgartner zurükbehalten und die Reparaturkosten des Pincenez durch Postnachnahme an den genannten Offizier erhoben.

7) Vom gleichen Offizier erhielt der Angeklagte den Betrag von Fr. o. 80 für Bezahlung einer Schusterrechnung. Auch dieser Betrag wurde nicht ausgerichtet, sondern zu eigener Verwendung zurükbehalten.

8) Der Angeklagte bediente sich oft der Leibwäsche dieses Offiziers zum Selbsttragen. Der Wascherlohn wurde jedoch stets von Leztsrm bezahlt, dessen Schaden laut Angabe des Angeklagten zirka Fr. 2 à 3 beträgt.

9) Baumgartner bezog für einen Offizier in einem Laden ein Paar leinene Soken, bezahlte jedoch den Betrag der Rechnung von Fr. 1. 10 nicht, obwohl er Seitens des Bezügers dieser Soken Fr. l. 20 erhalten hatte, die er auch nicht zurükerstattete.

10) Der Angeklagte holte für einen Offizier drei Flanellhemdcn zur Auswahl und erhielt für die zwei ausgewählten Hemden Fr. 20.

Da dieselben jedoch nur Fr. 15 kosteten, bekam er von dem Lieferanten Fr. 5 zurük, welche er, anstatt dem betreffenden Offizier zuzustellen, zu eigenen Händen nahm.

Unt3rm 28. August 1877 wurde das Urtheil behufs Vollziehung an die Regierung des Kantons St. Gallen überwiesen und seit dem 31. gl. Mts. befindet sich der Verurtheilte in der Strafanstalt St. Leonhard zu St. Gallen. In einem vom 6. Dezember datirten Begnadigungsgesuche verlangt nun Baumgartner Nachlaß des Restes seiner Strafe. Er führt an: Obschon er als Bedienter von Militärpersonen unter das eidg. Militärstrafgesez gefallen, so liege es doch nicht in der Tendenz dieses Gesezes, Nichtmilitärs mit der gleichen Strenge «u behandeln wie Militärs. Die veruntreuten Beträge belaufen sich nur auf die geringe Summe von Fr. 32. 50. Er habe nicht die Absicht gehabt, sich dieselben anzueignen, sondern sie beim Zahltag zurükerstatten wollen. Er habe ein umfassendes Gestündniß abgalegt, 23 Tage Untersuchungshaft ausgehalten und sich während der bald verbüßten 4 Monate zur Zufriedenheit des Aufsehers der Strafanstalt betragen.

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Mit Rüksicht auf die lange Dauer der Untersuchungshaft beantragen wir Ihnen, dem Baumgartner einen Monat von der über ihn verhängten Strafzeit in Gnaden zu erlassen.

Genehmigen Sie, Tit., die Versicherung unserer vollkommensten Hochachtung.

B e r n , den 13. Dezember 1877.

Im Namen des Schweiz. Bundesrathes, Der B u n d e s p r ä s i d e n t :

Dr. J. Heer.

Der Kanzler der Eidgenossenschaft : Schiess.

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Bericht der

Commission des Ständerathes über den Recurs des Gemeinderathes Dürnten.

(Vom 12. Dezember 1877.)

Tit.!

Der Recurs des Gemeinderathes Dürnten gelangt heute zum dritten Male zur Berathung. Seine bisherigen Stadien waren folgende : Der den Recurs abweisende Beschluß des Bundesrathes, datirt vom 31. Januar 1876.

Am 14. März 1876 beschloß der Ständerath, auf Antrag seiner Commission, den Entscheid auszustellen bis zum Erlasse eines neuen Stimmrechtsgesetzes, indem die constitutionelle Frage, welche zu dem Recurse Veranlaßung gab, auf dem Wege der Gesetzgebung und nicht auf demjenigen des Recursentscheides zu lösen sei. Dieser Beschluß wurde mit 20 gegen 18 Stimmen gefaßt.

Der Nationalrath seinerseits trat der Motivirung des Bundesrathes am 28. Juni 1876 bei und wies den Recurs mit 59 gegen 17 Stimmen ab.

Am 6. December 1876 hielt der Ständerath an seinem Verschiebungsbeschluß vom 14. März mit 19 gegen 18 Stimmen fest, und am Ì8. December 1876 beharrte der Nationalrath mit 51 gegen 42 Stim men auf seinem den Recurs abweisenden Beschlüsse vom 28. Juni 1876.

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Botschaft des Bundesrathes an die hohe Bundesversammlung, betreffend das Begnadigungsgesuch des J. L. Baumgartner, gew. Offiziersbedienter, von Altstädten. (Vom 13. Dezember 1877.)

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1877

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4

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56

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22.12.1877

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755-759

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