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Schweizerisches Bundesblatt.

29. Jahrgang. I.

Nr. 11.

17. März 1877.

J a h r e s a b o n n e m e n t (portofrei in der ganzen Schweiz): 4 Franken.

Einrükungsgebühr per Zeile 15 Rp. -- Inserate sind franko an die Expedition einzusenden.

Druk und Expedition der Stämpflischen Buchdrukerei in Bern.

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Botschaft des

Bundesrathes an die hohe Bundesversammlung, betreffend die Betheiligung der Schweiz an der im Jahr 1878 stattfindenden Weltausstellung in Paris.

(Vom 9. März 1877.)

Tit.!

Die internationale Ausstellung in Philadelphia vom Jahr 1876 war noch nicht eröffnet, als vom Präsidenten der französischen Republik die Ankündigung ausging, es werde in Paris vom 1. Mai bis Ende Oktober 1878 eine neue Weltausstellung von Erzeugnissen des Akerbaus, der Industrie und der schönen Künste abgehalten werden. Die französische Botschaft in Bern hat dem Bundesrathe mit Note vom 25. April 1876 von diesem neuen Unternehmen Kenntniß gegeben und die Schweiz zur Mitwirkung bei demselben eingeladen. Eine definitive Zusage ist bis jezt vom Bundesrathe nicht erfolgt, da es Sache der eidgenössischen Räthe sein wird, über die Frage der Annahme der Einladung zu entscheiden und den für die Betheiligung nöthigen Kredit zu bewilligen. In ihrer Erwiderung vom 3. Mai vorigen Jahres beschränkte die Behörde sich vorläufig darauf, die Einladung zu verdanken und die Bemerkung beizufügen, daß sie erst später in der Lage sein werde, derselben melden zu können, ob und in welcher Weise die Schweiz an der projektirten Ausstellung sich betheiligen werde.

Die Vorarbeiten für dieselbe wurden in Paris sofort nach dem Beschlüsse des Präsidenten der Republik an die Hand genommen Bundesblatt

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und mit aller Energie betrieben. Als Ausstellungsplaz wurden das Marsfeld und die Anhöhen des Trocadero bestimmt. Die Pläne, Réglemente und Weisungen wurden unverzüglich ausgearbeitet und den zur Betheiligung an der Ausstellung eingeladenen Staaten mitgetheilt. Der Situationsplan zeigt auf den ersten Blik, daß das Eintheilungsprinzip nach Staaten und Produkten, wie es bei der Pariser Ausstellung von 1867 angewendet worden ist, für die nächste Ausstellung beibehalten werden soll. Die Art und Weise der Verwirklichung jenes Prinzipes ist jedoch von demjenigen im Jahr 1867 wesentlich verschieden, und zwar offenbar '/um Vortheile der nächsten Ausstellung. Das Ausstellungsgebäude von 1867 bestand aus einem einzigen sehr großen Erdgeschoße, dessen Grundriß annähernd elliptisch gebildet war ; dasselbe war durch ein Nez von Radien und Paralellkurven getheilt. Von den Radialwegen, 16 an der Zahl, hatte einer 15 Meter, drei je 10 Meter, die übrigen je 5 Meter Breite. Die Paralellen waren je 5 Meter breit.

Wenn der Besucher die Richtung des Radius verfolgte, so befand er sich immer im gleichen Lande ; ging er dagegen einer Paralellkurve nach, so bewegte er sich in einer und derselben Gruppe von Ausstellungsgegenständen.

Die einzelnen -Nationen nahmen somit Sektoren der Figur, die einzelnen Gruppen Päralellabschnitte derselben ein. Auf diese Weise wurden die beiden Anordnungen, diejenige nach Staaten und diejenige nach Gruppen sinnreich mit einander verbunden.

Zur Verwirklichung des gleichen Gedankens im Jahr 1878 ist die rechtwinklige Form des Ausstellungspalastes gewählt, die sich vorzüglich zur Anwendung jener methodischen Eintheilung eignet.

Zur Aufnahme der Ausstellungsgegenstände m Wien im Jahre 1873 waren verschiedene Gebäude errichtet, und zwar: 1) Der Industriepalast für Bergbau, Hüttenwesen, chemische Industrie, Textil- und Bekleidungsindustrie, graphische Künste und gewerbliches Zeichnen, wissenschaftliche Instrumente, musikalische Instrumente, Heerwesen, Bau- und Civilingenieurwesen, das bürgerliche Wohnhaus mit seiner innern Einrichtung, das Bauernhaus mit seinen Einrichtungen und seinem Geräthe, die nationale Hausindustrie, kirchliche Kunst, Erziehungs-, Unterrichts- und Bildungswesen.

2) Die landwirtschaftlichen Hallen.

3) Die Maschinenhalle.

4) Kunstgebäude.

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5) Der Pavillon des Amateurs für die Darstellung der Wirksamkeit der Museen für Kunstgewerbe, sowie für Objekte der Kunst und Kunstgewerbe früherer Zeiten.

6) Der Sanitäts-Pavillon und 7) Der Handels-Pavillon für die additioneilen Ausstellungen.

Zur Ausstellung in Philadelphia dienten 5 verschiedene Gebäude: das Hauptgebäude, die Maschinenhalle, die Kunsthalle, das Gebäude zur Aufnahme von Gegenständen des Gartenbaus und dasjenige für die Landwirtschaft.

Im Hauptgebäude sollte das gleiche Eintheilungsprinzip wie an der Pariser Ausstellung von 1867 zur Anwendung kommen.

Die praktische Durchführung erwies sich aber dort wegen der großen Manigfaltigkeit der Produkte und Gruppen der verschiedenen Länder in der Folge als nicht durchführbar.

Kehren wir nach dieser Digression zur Ausstellung von 1878 zurük.

Nach dem vorliegenden Plane findet die Plazvertheilung in der Weise statt, daß die Sektion jedes Landes, von welchem Belange auch immer seine Ausstellung sein mag, wenigstens mit einer Façade nach einem der 5 Meter breiten allgemeinen transversalen Durchgänge oder auf einen der 3 Meter breiten mit denselben paralell laufenden Uebergänge gerichtet ist. Wenn der Besucher einem transversalen Wege folgt, so wird er sämmtliche Produkte einer und derselben Nation in der von der allgemeinen Klassifikation befolgten Ordnung zu betrachten Gelegenheit haben; wenn er den Wegen folgt, welche mit der Längenachse parallel laufen, so sieht er die Produkte ein und derselben Gruppe der verschiedenen Nationen.

Das Generalreglement stellt nun folgende Gruppen auf: 1. Schöne Künste.

2. Unterrichts- und Erziehungswesen. Material und Verfahren bei den freien Künsten.

3. Mobiliar und Zugehör.

4. Gewebe, Kleider und Zugehör.

5. Produkte der Extraktiv-Industrie.

6. Maschinenbau, Werkzeuge und Verfahren.

7. Nahrungsmittel.

8. Landwirthschaft und Fischzucht.

9. Gartenbau.

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Diese,9, Gruppen zerfallen in 90 Unterabteilungen oder Klassen.

Wir verweisen hier auf das Generalreglement, welches bei den Akten liegt.

- Die Ausstellung von 1867 hatte eine Reihe von Konstruktionen aufzuweisen welche als Typenbild der ländlichen und Arbeiterwohnungen der verschiedenen Völker dienten. Ebenso die Ausstellungen von 1873 und 1876. Derartige Bauten sind für 1878 nicht in Aussicht genommen.

Der-neue. Plaz auf dein Marsfeld und dem Trocadero nimmt bisher ungewöhnliche Proportionen an. Es geschieht dies mit Rüksicht auf die Ausstellung, der schönen Künste, denen ein sehr großer Raum zugewiesen ist, und namentlich auch in der Absicht, die Circulationswege zu vermehren und zu vergrößern.

Das Generalreglement bestimmt daß sowohl die fremden wie die -französischen Aussteller für die. von denselben, belegten Räume keinerlei Miethe oder Plazgeld zu. entrichten haben ;· wohl aber haben die Aussteller die Kosten der Lieferung und Herrichtung der Böden oder betonnirten Grundflächen in der Maschinengallerie zu bezahlen; · "'.

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Dadurch, daß die Aussteller durch das Reglement zu keiner Nationalbaute imParkk angehalten sind, wird eine wesentliche Oekonomie erzielt.

Dagegen wird von der französischen Ausstellungskommission den fremden Nationen eine Gesammtdekoration vorgeschlagen, und zwar in der Weise, daß der Eingang zu einer jeden Sektion durch ein nationales architektonisches Motiv au der Hauptfaçade des gemeinsamen offenen 18 Meter breiten Zuganges angezeigt würde. Die verschiedenen architektonischen Theile sollen ein Gesammtbild bieten..

Die zum Betriebe von Maschinen nothwendigen Kräfte (Dampf, Gas und Wasser) werden wie .1867 und 1873 gratis geliefert.

Die Lieferung, und, die Einrichtung der Transmissionen fallen den Ausstellern, zur Last.

, Die Bestimmungen über den Schuz der Ausstellungsgegenstände gegen Beschädigung,, Feuersgefahr und andere Unfälle sind in den Reglementen ,der 3 Ausstellungen dieselben.

Von den Ausstellungsräumlichkeiten werden laut vorliegendem Situationsplan der Schweiz 4928 Quadratmeter zugewiesen, davon fallen 1454 Quadratmeter auf die Gänge, so daß für die Aufnahme von Ausstellungsgegenständen 3474 Quadratmeter übrig bleiben.

Der Raum für die Aufnahme der Kunstgegenstände ist dabei nicht inbegriffen. Wie bereits bemerkt, ist dieser Gruppe ein sehr

451 ausgedehnter Raum zugewiesen, von welchem jeder an der Ausstellung sich betheiligenden Nation ein Theil je nach Bedurfniß zur Verfugung gestellt wird.

Der Raum der schweizerischen Sektion im Ausstellungsgebäude von 1867 betrug 2855 Quadratmeter; der Parkantheil 2400 Quadratmeter.

In Wien (1873) betrug laut Administrativ-Bericht des Schweiz.

Generalkommissars die Gesammtsumme der der Schweiz zugetheilten Bruttoflachen im Industriepalast, in der landwirtschaftlichen Halle und in der Maschinenhalle 7339 Quadratmeter, wovon 2498,28 Quadratmeter mit Ausstellungsgegenständen ' belegt wurden. Im Kunstgebaude wurden der Schweiz 534 Quadratmeter Wandflache und 327 Quadratmeter Bodenflache zugetheilt. Verwendet wurden 359 Quadratmeter Wand- und 10 Quadratmeter Bodenflache. ) In Philadelphia nahm die Schweiz mir einen Raum von 6156 englischen Quadratfuß in Anspruch Im Jahre 1867 beteiligten sich > 1005, Aussteuer; die Kosten der Eidgenossenschaft betrugen Fr. 418,889; im Jahre, 1873 966 Aussteller; die Kosten belaufen sich auf Fr.358,075; in Philadelphia betheiligten sich 378 Aussteller; die Kosten derEidgenossenschaft werden den bewilligten Kredit von Fr. 250,000 nicht ganz erschöpfen Von der Ansicht ausgehend, daß die Frage welche Vorlage den eidgenössischen Rachen betreffend die, Betheiligung an der in Paris schon zwei .Jahre nach der Philadelphia-Ausstellung abzuhaltenden Weltausstellung zu machen sei, wesentlich von der bei der schweizerischen Kunst, Industrie und Landwirthschaft waltenden Disposition abhänge, sind der schweizerische Kunst- und Kunstlerverein , der Handels- und Industrieverein, sowie die beiden landwirthschaftlichen Hauptvereine ersucht worden iii der angedeuteten.

Beziehung die ihnen nöthig scheinenden Informationen einzuziehen, sodann Bericht zu erstatten und die bezuglichen Desiderata damit zu verbinden.

Der Vorstand des schweizerischen Handels- und Industrievereins antwortete: Aus den 'eingehalten Berichten der einzelnen Sektionen des Vereins gehe hervor
452 einmal fest beschlossen sei, von der Schweiz doch beschikt werden müsse. Immerhin sei dabei zu bemerken, daß sich zwei der größten Industriebezirke, Zürich und Bern, ungeachtet der beinahe vollständigen Hoffnungslosigkeit des Versuches dahin aussprechen, es möge auf die Verschiebung der Ausstellung um einige Jahre hingewirkt werden. Es beweise das, wie sehr der Gedanke sofortigen Wiederausstellens unpopulär sei, und wie sehr das einseitige Aufbieten zum Exponiren Seitens einiger großen Städte anfange, auf Widerstand zu stoßen. Die zweite Bemerkung, welche hier Eingang finden müsse, sei die, daß man vom Bunde im Falle des Ausstellens zum mindesten diejenige pekuniäre Mithilfe erwarte, welche für die Ausstellung in Wien und Philadelphia geleistet worden sei.

Wenn man nun auch in Folge der erhaltenen Antworten von Seite der Sektionen den im Circulai- an dieselben eingenommenen Standpunkt festhalte, daß nämlich die Industriellen auf die Frage, ob die Schweiz an der im Jahre 1878 in Paris s t a t t f i n d e n d e n Weltausstellung Antheil nehmen soll, mit Ja antworten müssen, so würde man es doch sehr begreiflich finden, bemerkt im Weitern der Vorstand des genannten Vereins, wenn Angesichts der finanziellen und industriellen Verhältnisse der Schweiz, Angesichts der in Frankreich wieder hervortretenden schuzzöllnerischen Tendenzen, der Bundesrath oder die Bundesversammlung dem Beispiele Deutschlands folgen und durch Verweigerung einer MitbetheiliguSg dem zu schnellen und willkürlich anberaumten Aufeinanderfolgen der internationalen Ausstellungen ein für alle Mal ein ,,Halttt zurufen würde.

Die Direktion des schweizerischen landwirtschaftlichen Vereins hat die Frage der Betheilung einer Abgeordnetenversammlung der schweizerischen landwirthschaftlichen Lokalvereine vorgelegt. Dieselbe hat hinwieder die Angelegenheit den verschiedenen Vereinen selbst zur Beantwortung unterbreitet. Diese sämmtlichen Vereine sprachen «ich in ihren Antworten für die Betheiligung aus. Wenn auch diese Ausstellungen, wird in einer Antwort bemerkt, allzu oft wiederkehren und enorme Summen verschlingen, so sei es dennoch unumgänglich nothwendig, sich zu betheiligen, denn das Fernbleiben würde als ein Aufgeben des Wettkampfes erscheinen und die "Folgen; hievon würden auf uns selbst zurilkfallen.

Der Vorstand der Société
d'agriculture de la Suisse romande hat auf die an die Lokalvereine der romanischen Schweiz betreffend die Betheiligung gestellte Anfrage übereinstimmend eine bejahende Antwort erhalten. Wenn auch die Ausstellung unzeitgemäß sei, so dürfe dennoch die Schweiz keineswegs fern bleiben.

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Vom schweizerischen Kunst verein und Künstlervereine sind noch keine Berichte eingegangen.

Bezüglich der Haltung der andern europäischen Staaten führen die eingezogenen Erkundigungen zu dem Resultate, daß bis jezt keine Nation dem Beispiele Deutschlands, welches beschlossen hat, von derselben fern zu bleiben, gefolgt ist. England hat zugesagt und bereitet sich rüstig zu dem neuen Wettkampfe vor. Rußland und Belgien haben einen größern Raum als den ihnen zugetheilten verlangt. Italien wird sich ebenfalls betheiligen. Schweden und Norwegen haben ihre Theilnahme erklärt; ebenso Dänemark, von welchem Staate es anfänglich hieß, er werde sich ebenfalls fern halten. In Oesterreich ist für die Betheiligung ein Kredit von 600,000 Gulden bereits bewilligt worden. Spanien, Portugal und Griechenland haben formell zugesagt, und selbst die von der Kriegsnoth bedrohte Türkei hat verlangt, den ihr angebotenen Raum für ihre Nationalen zu reserviren.

Der Bundesrath hat die Frage eingehend geprüft, ob die Schweiz bei der neuen Ausstellung mitwirken soll und entsprechende Anträge den eidgenössischen Rathetì zu unterbreiten seien.

Es kann vorab nicht in Abrede gestellt werden, daß dieselbe zu rasch ihren Vorgängerinnen folgt. Eine Weltausstellung sollte in der Entwiklung der Kunst, Industrie und Landwirtschaft eine Etappe bilden; dies ist aber in einer Zeitperiode von nur zwei Jahren nicht möglich. Die allgemein geltend gemachte Ansicht, daß solche Ausstellungen nur in größern Zeitperioden auf einander folgen sollen, hat ihre volle Berechtigung. Die jezige gedrükte Lage der Industrie ist nicht dazu angethan, sich leichthin diejenigen Opfer, welche die Betheiligung an einer Weltausstellung erheischen, aufzuerlegen. Die Einladung zur Mitwirkung ist denn auch nirgends mit großer Sympathie aufgenommen worden. Alle Staaten haben sich die Frage gestellt : Sollen wir die Pariser Ausstellung beschiken ? Einzelne derselben haben sieh erst nach langem Zögern und nur der geschaffenen Zwangslage weichend zur Annahme der Einladung entschließen können.

Wie der Handels- und Industrieverein in seiner Eingabe bemerkt, verlangen die Industriellen im Falle der Betheiligung der Schweiz diejenige Mithilfe des Bundes, welche für die Ausstellungen in Wien und Philadelphia geleistet worden ist. Die Finanzlage des Bundes erfordert abei
strenge Oekonomie und Vermeidung aller Ausgaben, die nicht als unabweisbar geboten erscheinen.

Wenn unter diesen Verhältnissen der Bundesrath dennoch dazu gekommen ist, die Mitwirkung an der Ausstellung von 1878

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und die Bewilligung des erforderlichen Kredites zu beantragen, so geschieht dies im Wesentlichen aus folgenden Motiven ; Solche Ausstellungen bieten im Allgemeinen auch bei rascher Aufeinanderfolge immerhin Gelegenheit, wesentliche Vortheile aus denselben zu ziehen. Sie sind ein vorzüglicher Anlaß zum Kennenlernen und Studium der Industrie und Gewerbe anderer Länder.

Man vergleicht die Produkte derselben mit denjenigen seines eigenen Landes und der Schluß daraus ist nur wohlthätig. Ohne die Philadelphia-Ausstellung z. B. würden wir noch lange ohne genaue Kenntniß der amerikanischen Industrig, über welche bisher auch in der Schweiz wie ' in andern Staaten in der That nur vereinzelte und ungenügende, theils ganz falsche Anschauungen verbreitet waren, geblieben sein.

Gegenüber Frankreich sind spezielle Gründe für Beschikung.

der Ausstellung. Mit diesem Nachbarstaate haben wir einen sehr bedeutenden Handelsverkehr, der sich seit 1870 im Durchschnitte per Jahr auf Fr. 191,728,777 beziffert.

Die nachfolgenden nähern Angaben sind der statistischen Zusammenstellung des Handelsverkehrs zwischen Frankreich und der Schweiz enthoben. In denselben mag auch ein Theil der Durchfuhr enthalten sein.

Einfuhr von der Schweiz nach Frankreich.

Ausfuhr von Frankreich nach der Schweiz.

1870 Fr. 102,393,665 Fr. 262,783,914 1871, ,, 105,237,660 ,, 204,717,607 1872 ' 97,371,320 ,, 294,453,265 1873 ,, 91,807,336 337,157,965 fl 1874 ,, 96,211,875 ,, 299,676,534 1875 ',, 93,709,442 ,, 315,224,744.

Es ist allerdings richtig, daß, wenn die handelspolitische Strömung, welche im französischen Comité consultatif des Arts et Manufactures und namentlich im Conseil supérieur du Commerce anlaßlich ihrer Berathungen der Umwandlung der Werth- in Gewichtszölle und der Revision des französischen Generaltarifs vorherrschend war, zum Durchbrach und zur definitiven Geltung käme, der Handelsverkehr mit Frankreich im hohen Grade beeinträchtigt würde. Die neuesten Nachrichten aus Frankreich lauten aber keineswegs zu Gunsten jener schuzzöllnerischen Richtung. Dieselben gehen vielmehr dahin, daß die Umwandlung des Werth- in Gewichts-, resp.

spezifische Zölle in loyaler Weise und nicht zum Zweke einer Zollerhöhung vorgenommen, daß die Revision des Generaltarifs auf Grundlage der bisherigen Konventionaltarife stattfinden und daß endlich bei den Unterhandlungen über Revision der Handelsverträge

455 das Bestreben gegen sei tig-en Entgegenkommens vorherrschend sein soll. Dadurch werden die Verkehrsinteressen beider Länder gewahrt. In der That ist auch das Unternehmen der jungen Republik , die sämmtlichen Nationen der Welt zu einem friedlichen Wettkampfe auf dem Gebiete der Kunst,, Industrie und Landwirthschaft einzuladen, nicht ein Symptom einer dem internationalen Verkehr feindlichen Handelspolitik. An diesem Wettkampfe kann und darf die Schweiz nicht fehlen. Sind auch die Opfer, die wir uns durch die Mitwirkung auferlegen müssen, namentlich bei den jezigen Verhältnissen,schwer, so würden .doch die Nachtheile, die mit der Nichtbetheiligung verbunden-wären, viel größer sein. Die Sympathien Frankreichs würden zum mindesten geschwächt, die gegenseitigen Handelsbeziehungen und namentlich die Verhandlungen über den Abschluß eines neuen Handelsvertrages erschwert. Der industrielle Ruf, welchen die Schweiz von jeher behauptet hat, wäre aufs Spiel gesezt, indem zu der Annahme! Veranlaßuug gegeben würde, als fühlte die Schweiz selbst, daß sie bei dem internationalen Wettkampfe sich nicht mehr für konkurrenzfähig hielte.

Der Bundesrath ist aber der festen Ueberzeugung, daß die Schweiz diesen Wettkampf mit Ehren besteheü kann und daß, ist einmal die Mitwirkung definitiv beschlossen, unsere Industriellen alle ihre Kräfte aufbieten werden, um ein ehrenvolles Bild schweizerischen Gewerbfleißes an der Ausstellung zu geben und den alten Ruf der Schweiz neu zu bekräftigen.

Der Beschlußentwurf, den wir Ihnen zu unterbreiten die Ehre haben, ist von einer größern Expertenkommission vorberathen worden. Was zunächst die Organisation betrifft, so würde, wie für die Philadelphia-Ausstellung, ein Generalkpmmissariat aufgestellt.

Demselben waren für die leztere Austeilung 5 Departemente beigegeben, und zwar 1) für Chemie, Nahrungs- und Genußmittel, 2) ,, Textilindustrie, 3) ,, Uhren und wissenschaftliche Instrumente, 4) ,, graphische Künste, Architektur und Ingenieurwesen, 5) ,, Unterrichtswesen.

Diese Einrichtung genügte vollständig für jene Ausstellung, indem sich an derselben die schweizerische Kunst, Landwirtschaft und Maschinenbau nicht betheiligten. Für 1878 ist eine wesentlich veränderte Organisation nöthig, da- an derselben auch die leztgenannten Branchen vertreten sein werden. Statt jener 5 Departemente würden S p e z i a l k o m m i s s i o n e n für Kunst, Unter-

456 richtswesen und Landwirtschaft, für die Textil^ und die übrigen Industrien F a c h e x p e r t e n bestellt.

Die Aufgaben der leztern und der 3 Spezialkommissionen würden in Folgendem bestehen: Beiziehung derjenigen Aussteller, welche man zur würdigen Vertretung des Landes eingereiht sehen möchte, die sich aber nicht anmelden ; Prüfung der eingesandten Objekte in Betreff der Berechtigung zur Ausstellung, sowohl der Qualität als des Quantums; Rathertheilung im Generalkommissariate über die Art der Installation, damit die Waaren in einer dieselben möglichst zur Geltung bringenden Weise ausgestellt werden.

Die Kosten dieser Verwaltung wären wie bei Philadelphia vom Bunde zu tragen.

"S>^ Was die Fracht betrifft, so wurden bei der Wiener Ausstellung 50 Kilogramm für jeden einzelnen Aussteller, bei der Philadelphia-Austeilung die ganze Fracht vom Bunde übernommen. Für die nächste Ausstellung wird vorgeschlagen, daß der Bund für jeden Aussteller Fracht bis auf 100 Kilo und bei Maschinen bis auf 5000 Kilo übernehmen soll.

Bei der Wiener Ausstellung war die Schweiz der einzige Staat, welcher auch die Kosten der Feuerversicherung der ausgestellten Gegenstände übernommen hatte. Bei der Ausstellung in Philadelphia ging man davon ab; das Gleiche wird wieder für die nächste Ausstellung vorgeschlagen.

Die Bestimmungen betreffend den Transport, Unterhaltung und die Versicherung von Vieh, welches ausgestellt wird, sind die gleichen, wie bei den Ausstellungen von 1867 (Paris) und 1873 (Wien).

Die muthmaßlichen Kosten des Bundes für die nächste Ausstellung würden nach genauer Berechnung der bereits erwähnten Expertenkommission auf Fr. 375,000 sich belaufen. Ein detaillirtes Budget liegt bei den Akten. Indem wir im Art. 12 des Beschlußentwurfes beantragen, einen Kredit bis auf jenen Betrag auf die Bundeskasse zu eröffnen, nehmen wir als zuversichtlich an, daß die auf sorgfältig geprüfte Detailansäze gestüzte Gesammtsumme vollständig ausreichen werde, um sämmtliche Kosten, welche nach dem Beschlußentwurfe von Bunde zu tragen sind, zu deken.

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Auch bei den Ausstellungen von 1873 und 1876, für welche ebenfalls genaue Budgets aufgestellt waren, haben keine Ueberschreitungen des bewilligten Kredites stattgefunden.

Wir benuzen schließlich den Anlaß, um Sie, Tit., unserer vollkommensten Hochachtung zu versichern.

B e r n , den 9. März 1877.

Im Namen des Schweiz. Bundesrathes, Der Vizepräsident:

Schenk.

Der Kanzler der Eidgenossenschaft: Schiess.

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Bundesbeschluss betreffend

die Betheiligung der Schweiz an der im Jahr 1878 stattfindenden "Weltausstellung in Paris.

Die Bundesversammlung der schweizerischen Eidgenossenschaft, nach Einsicht der Botschaft des Bundesrathes vom 9. März 1877, beschließt: 1. Der Bund übernimmt für die schweizerische Abtheilung der Weltausstellung des Jahres 1878 in Paris die Kosten a. der Verwaltung, und zwar des General-Kommissariates, der Spezialkommissionen, des oder der Kommissare in Paris, der Druksachen aller Art, des Kataloges, des Administrativberichtesund der technischen Rapporte ; b. der in Paris erforderlichen Bauten; c. der Centralkommission ; d. der nöthigen Vorausstellungen; e. der Installation nach der allgemeinen Anordnung:; f. der Dekoration nach der allgemeinen Anordnung; g. der internationalen Jury ; h. des Ein- und Auspakensa der Ausstellungsgüter in Paris ; i. des Aufbewahrens der Pakkisten;

459 k. der Ueberwachung und Reinhaltung der Ausstellungsgegenstände und des Ausstellungsmobiliars ; 1. der Transportspesen in gewöhnlicher Fracht von dem zu bestimmenden Sammelplaze nach Paris und von da nach der Abgangsstation fcilriik, und zwar für jeden Aussteller bis auf 100 Kilogramm und für Aussteller von Maschinen bis auf 5000 Kilogramm ; m. der Transportassekurranz vom Sammelplaze nach Paris und von da wieder nach dem Sammelplaze zurük; n. der Kunstäustellung mit Inbegriff der Gesammtfracht, der Transport- und der^Eeuerassekurranz ; ·o. der vorhistorischen Ausstellung im gleichen Umfange, wie diejenige der Kunst, und endlich p. des Hin- und Rüktränsportes der lebenden Thiere zwischen Sarnmelplaz und Paris und die Ernährung derselben während der Ausstellung, sofern die Kosten dieser leztern nicht von Frankreich getragen werden.

2. Der Bund schießt vor und hat sich von den Aus.stellern direkt oder durch Vermittlung der Kantone zurükv.ergüten zu lassen die Kosten für: a. Die Aussteìlungsbéhalter, Schauschränke, Tische, überhaupt der innern Einrichtung der Ausstellung nach den von dem Genèralkommissaïiate festzustellenden Normalien.

b. Die Herstellung von Fundamentirungsärbeiten und Zwischentransmissionen für Maschinen und ähnliche Apparate.

-c. Die Installation und Dekoration, welche von der allgemeinen Anordnung abweichend vom Generalkommissariate gutgeheißen sind, oder solche, welche Spezialkenhtnisse bedingen.

-a. Die Fracht des Gewichtsüberschussea über die jedem Aussteller zum freien Transport zugestandenen 100, beziehungsweise 5000 Kilogramm, und diejenigen

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Gegenstände der Gewerbe und Industrie, deren Beförderung in Eilfracht zu geschehen hat, e. Die Feuerassekuranz, soweit dieselbe von den Ausstellern dem Generalkommissariate zur Besorgung übertragen wird, sowie die Viehassekuranz, soweit dieselbe möglich ist.

f. Die Begleitung und Besorgung der lebenden Thiere.

g. Für alles dasjenige, was sub l dem Bunde nicht zufällt.

3. a. Das Generalkommissariat und aus dem Schöße der Centralkommission zu bezeichnende (eventuell dafür auch außerhalb derselben zu gewinnende Personen), ; b Spezialkommissionen für Kunst, Land- und Forstwirth,," schaft, Erziehungs- und Bildungswesen,und , c. Fachexperten, welche die verschiedenen Zweige der Gewerbsthätigkeit vertreten, deren Mitwirkung auf der Ausstellung anzustreben ist, besorgen gemeinsam die Beiziehung der Ausstellungsobjekte und acceptiren oder verweigern die angebotenen Gegenstände..

4. Dem Generalkommissariate liegt außer der allgemeinen Verwaltung besonders ob : Die Anfertigung des Installationsplanes; Festsezung der konstruktiven Vorschriften der Ausstellungsbehälter und andere-Ausstellungsvorrichtungen, sowie die Beschaffung dieses Mobiliars; die Uebernahme der Ausstellungsgüter; die innere Anordnung der Ausstellung, sowohl Installation als Dekoration; die Uebernahme der Austellungsgüter, die Spedition und die Transportversicherung aller den Ausstellungszweken dienenden Sendungen zwischen Sammelplaz in der Schweiz, und Ausstellungsgebäude in Paris, nnd zwar hin und zurük.

Das Auspaken, Ausstellen und Wiedereinpaken der Ausstellungsobjekte und der Ausstellungsmobilien in Paris, sofern die Aussteller solches nicht auf eigene Kosten, unter

461 ihrer Verantwortlichkeit und unter Beobachtung der Vorschriften des Generalkommissariates selbst besorgen, sowie die Beaufsichtigung und die Fürsorge für möglichsten Schuz.

und Erhaltung der Ausstellungsgegenstände.

5. Den Spezialkommissionen und Fachexperten liegt besonders ob : Die richtige Auswahl der Ausstellungsgegenstände in dem Sinne, daß solche ein getreues Bild unserer Industrie darbieten, daß unnüze Wiederholungen vermieden werden, und daß der jeder Unterabtheilung zugewiesene Raum in passender Weise bedekt werde.

6. Im Falle voti Differenzen zwischen Generalkotnmissariat, Spezialkommissionen und Fachexperten einerseits, und Ausstellern andererseits über Zulassung von Gegenständen zuiAusstellung, entscheidet endgültig der Vorsteher des schweizerischen Eisenbahn- und Handelsdepartementes, sei es persönlich, sei es durch einen oder mehrere Experten.

7. Die Bestellung des Generalkommissariates geschieht durch den Bundesrath; diejenige der Spezialkommissionen^ der Fachexperten und der Mitglieder der internationalen Jury auf Vorschlag der Centralkommission durch das schweizerische Eisenbahn- und Handelsdepartement.

8. Der Bund ist den Ausstellern gegenüber in gleichem Maße haftbar, wie das Generalkommissariat und dessen Dependenzen, die Transportanstalten, Versicherungsgesellschaften u. s. w. ihm gegenüber sind.

9. Den Ausstellern liegt ob, ihre Ausstellungsgegenstände nach genauer Vorschrift des Generalkommissariates, resp. der der Spezialkommissionen und Fachexperten, verpakt auf der* vorgeschriebenen Termin und franco auf den denselben bezeichneten Sammelort abzuliefern.

10. Die nach Paris abgehenden Ausstellungsgüter und Mobilien sind vom schweizerischen Ausgangszolle und die

462 unverkauft wieder zurükkehrenden Objekte auch vom schweizerischen Eingangszolle befreit.

11. Die Ausstellungskorrespondenz im Inlande ist portofrei.

Die Telegraphenfreiheit in Ausstellungsangelegenheitea in der Schweiz ist dem Eisenbahn- und Handelsdepartement, dem Generalkommissariate, den Spezialkommissionen und den Fachexperten für den Verkehr unter sich, sowie für Telegramme an die Aussteller gewährt.

12. Zur Bestreitung der Kosten wird dem Bundesrathe ein Kredit bis höchstens 375,000 Franken angewiesen.

13. Der Bundesrath ist mit der weitern Vollziehung dieses Beschlusses beauftragt.

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Memorial .'

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schweizerischen Generalkommissärs an den Weltausstellungen von Wien und Philadelphia über, die schweizerische Industrie.

(Vom 23. Februar 1877.)

Hochgeachteter Herr Bundespräsident !

Hochgeachtete Herren Bundesrathe l Sie haben mir zweimal auf internationalen Ausstellungen die Wahrung unserer Landesinteressen übertragen, und es war dies ein Zutrauens-Ausspruch, den ich im höchsten Grade zu würdigen weiß.

Mit Uebernahme der Funktionen als Generalkommissär der Schweiz wendete ich mir, nach meiner Anschauungsweise, nicht nur die Pflicht zu, Anordnungen und Verwaltungen der resp. Ausstellungen nach bestem Wissen und Gewissen durchzuführen, sondern auch d i e Aufgabe, dem Lande, das ich zu vertreten die Ehre hatte, alle diejenigen Vortheile zu gewinnen, welche in einer solchen, mit den Vertretern aller Nationen Fühlung bietenden Stellung, nach Maßgabe der Kenntnisse und Erfahrungen, gewonnen werden können.

Ich bedaure, nicht diejenigen Eigenschaften zu besitzen, welche nothwendig sind, um jene Vortheile in vollem Umfange zu erobern ; allein das darf mich nicht hindern, immerhin das Wenige, das ich lernte, meinen hohen Behörden zu unterbreiten, und dasselbe auf diesem Wege zu Gunsten des Allgemeinen zu verwerthen.

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Dies zu thun, ist der Zweck meiner nachfolgenden Auseinandersetzungen, und bilden dieselben auch einen Theil des nach Schluß meiner Wirksamkeit für die Ausstellung von 1876 abzugebenden Berichtes, so glaube ich dennoch, um das Bewußtsein vollerfüllter Pflichten in mir tragen zu können, angewiesen zu sein -- nachdem in nächster Zeit unsere hohen eidgenössischen Räthe, der hohe Bundesrath selbst und eidgenössische Kommissionen sehr wichtige, Handel, Industrie und Gewerbe der Schweiz intim berührende Fragen zur Berathung und zur Entscheidung bringen werden -- mit Niederlegung meiner in Folge der Ausstellung in Philadelphia gesammelten Beobachtungen, Erfahrungen und Nachforschungen nicht bis zur Zeit der Abgabe meines Administrativberichtes zuwarten zu dürfen.

Die Punkte, die ich zu erörtern die Ehre haben werde, stehen in enger Verbindung mit der Revision des eidgenössischen Zolltarifes, mit den Handelsverträgen, mit dem zu schaffenden Contakt zwischen dem Tit. schweizerischen Handelsdepartement und der inländischen Handels- und Gewerbethätigkeit, sowie endlich mit der endgültigen Festsetzung verschiedener Bestimmungen des Fabrikgesetzes.

Diese vier Punkte kann ich aber in meinen nachfolgenden Auseinandersetzungen unmöglich getrennt behandeln, da diese und jene sich ineinander verschmelzen, im großen Ganzen auf alle Bezug und nur das Eine im Auge haben, in richtiger Erkennung und Würdigung der Situation dem Lande Vortheile zuzuweisen und Nachtheile abzuwenden.

Was ich mir erlauben werde, Ihnen vorzubringen, stammt nicht Alles directe von der Philadelphia-Ausstellung her, sondern ist theilweise hervorgerufen durch die mir von da aus zugekommenen Beobachtungen, welche mich veranlagten, allgemeine Umschau zu halten, deren Ergebniß, wenn auch unvollständig, dennoch Licht wirft' auf die Lage der Industrie innerhalb und außerhalb unserer Landesgrenzen.

Von Zeit zu Zeit erfolgte Publikationen in und aus verschiedenen Staaten haben Anregung gegeben, den Fortschritt Amerika's, welcher für die Erwerbsquellen Europa's gleichbedeutend ist mit finanziellem Rückschritt, genau zu prüfen. Man kannte die Leistungen der neuen Welt nicht genügend, weil noch keine der bisher abgehaltenen internationalen Ausstellungen genauen Einblik in die Thatkraft jenes Landes bot; man unterschätzte dieselben in einer heute ganz
unbegreiflichen Weise ; man hatte einen absolut unrichtigen Begriff des dortigen Verhältnisses von Produktion zur Consumation ; konstatirte dagegen mit sichtbarer Befriedigung die Verwendung des größten

465 Theiles der verfügbaren Menschenkräfte zur Gewinnung der Bodenprodukte, die hohen Arbeitslöhne, die kurz bemessene Arbeitszeit auf dem Gebiete der Industrie, und ließ sich in Folge dessen eine vor der Thüre stehende, erdrückende Konkurrenz der Amerikaner in Nordamerika selbst nicht träumen, noch weniger dachte man daran, daß die Verhältnisse jenseits des Ozeans ernstliche Wettkämpfe auf und mit unserm Kontinente demnächst gestatten dürften.

Diese Voraussetzungen beruhen nun aber erwiesenermaßen auf einer falschen Basis ; die nordamerikanischen Erzeugnisse sind in den meisten uns interessirenden Gebieten bald auf die Höhe des eigenen Verbrauches gestiegen ; die Arbeitslöhne sind gefallen, die tägliche Arbeitszeit gestiegen; die Intelligenz des amerikanischen Volkes und dessen Thatkraft sind aufs Beste verwerthet worden, und die in jenem Staate von Ausländern so oft bewunderte Aufmerksamkeit des Arbeiters für die Arbeit selbst und für das Interesse des Prinzipals hat diesen Fortschritt wesentlich erleichtert ; der Geschmack der Amerikaner hat sich schon gebessert und wird sich in Folge der Ausstellung ferner heben , denn es sind dort Arbeitgeber und Arbeiter gemeinsam bestrebt, billig, dabei aber doch gut und schön zu erzeugen.

"o1So kam es, daß wohl keine Nation in Philadelphia anwesend war, ohne auf die verdeuteten Thatsachen aufmerksam zu werden und ohne sich Selbsttäuschung und Ueberraschung, verbunden mit Befürchtungen der Konkurrenzfähigkeit, einzugestehen.

Eine internationale Ausstellung wird gar oft als ,,Spielerei" beurtheilt, während eine solche bei richtiger Verwerthung ungemein ernste Seiten hat und den gesetzgebenden Behörden wie den Industriellen jeden Staates unverkennbar die Verpflichtung auferlegt, sich in irgend einer Form denjenigen Nutzen beizuziehen, der dabei geboten wird.

Außer den zunächst liegenden Zwecken : 1) die eigenen Leistungen bekannt zu geben, und 2) Geschäftsausdehnungen zu gewinnen, welche anscheinend mit geringeren Kosten zu erreichen wären, als die Betheiligung an einem solchen Wettkampfe den Staaten auferlegt, darf aber nicht übersehen werden, daß noch ein sehr wichtiger Punkt, nämlich : 3) die Gelegenheit zum Lernen in1 s Auge zu fassen ist, denn Niemand wird bestreiten, daß die Verfolgung dieser, jedem Lande wie dem Einzelnen höchst wichtigen Bestrebung gerade

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durch die Vereinigung der Erzeugnisse und der Produzenten aller Länder leichter durchzuführen ist, als im gewöhnlichen Alltagsleben.

Diejenigen, welche während der ganzen Dauer eines solchen Völkerfestes bei demselben in Funktion stehen, werden durch Besichtigungen, Besprechungen, Prüfungen auf eine Menge sonst weniger in die Augen springende Faktoren aufmerksam gemacht ; eine Forschung führt zur andern und schafft so nach und nach klare Vergleichspunkte zwischen der eigenen Situation und derjenigen anderer Staaten.

Ich habe in meinem Berichte über die Wiener-Weltausstellung in vollem Bewußtsein und nicht ohne Zielpunkt auf Seite 60/61 gesagt : ,,Ich kann und darf mein Gefühl, es seien die schweizerischen ,,Aussteller im Verhältniß zu den Leistungen anderer Staaten zu ,,vorteilhaft beurtheilt worden, nicht unterdrücken, fühle mich ,,verpflichtet, die Aussteller vor Selbsttäuschung, die in Folge dieser ,,schönen und mich aufrichtig freuenden Auszeichnungen entstehen ,,könnte, zu warnen, und dieselben zu bitten, dieses Ergebniß ,,nicht als eine richtig bemessene Belohnung für das Geleistete, ,,sondern als eine Aufmunterung zum Vorwärtsstreben anzusehen.

,,Die Schweiz hat gezeigt, daß sie Vieles leistet; der unparteiische ,,Beurtheiler aber wird sich eben so gut überzeugt haben, daß sie ,,noch Vieles zu lernen hat, und jeder gute Landsmann wird die ,,Ansicht mit mir theilen, daß die schweizerischen Industriellen und ,,Gewerbetreibenden nicht auf vermeintlichen Lorbeeren ausruhen ,,dürfen, sondern sich möglichst zusammennehmen müssen, um mit ,,den übereinstimmenden Erzeugnissen vieler anderer Staaten Stich ,,halten zu können, damit sie nicht von denselben überflügelt werden."

Ich sagte ferner auf Seite 115 desselben Berichtes, Groß- und Kleingewerbe in1 s Auge fassend : o O ,,Ausstellungsobjekte anderer Staaten haben ferner als Lehr,,mittel dienen können. Wer dieselben mit richtigem Nachdenken ,,betrachtete, die geeignete Nutzanwendung des Gesehenen in seiner ,,praktischen Berufsbetreibung zur Geltung bringt, der dient sich ,,selbst und wirthschaftlich dem Allgemeinen ; wenn nur die Hälfte ,,derjenigen meiner Landsleute, welche die Ausstellung besuchten, ,,feinere Geschmacksbildung und Sinn für schönere Formen gewonnen ,,hat, so ist auch dadurch wieder ein Theil des ausgelegten Kapitales ,,eingebracht."
Es mag wieder als Fehler ausgelegt werden, daß ich damals nicht energischere Ausdrücke zur Anwendung brachte. Ich that es allerdings nicht öffentlich, dagegen nach vielen Richtungen privatim,

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gewann dadurch manche Anerkennung, aber auch vielseitige Mißdeutung. Man kann mir ferner den Vorwurf zuwenden, es wäre in meiner Stellung gewesen, über die Konkurrenzverhältnisse zwischen der Schweiz und dem Auslande den hohen Behörden gründliche Erörterungen zu unterbreiten ; ich unterließ dies nicht aus Mangel an Einsicht, sondern um nicht zur Auslegung, wenn auch unbegründet, Veranlaßung zu bieten, als verfolge ich als einstiger Industrieller private Zwecke und schüre das Feuer in der sogenannten Arbeiterfrage. Damals durfte ich solche Rücksichten noch walten lassen, aber heute, gegen den Schluß meiner amtlichen Thätigkeit und im Momente vor dem Zusammentritt der obersten Landesbehörde zur Berathung von so einschneidenden Punkten, wie die angedeuteten Verträge und Gesetzesbestimmungen sind, und nachdem die Situation in dem Zwischenraume von der einen zur andern Ausstellung einen viel ausgeprägter bemühenden Charakter angenommen hat, würde mir Schweigen mit vollem Rechte als Pflichtverletzung ausgelegt werden.

Wir lebten in den Jahren 1873 und Anfang 1874 noch in einer verhältnißmäßig rosigen Periode ; Handel und Verkehr waren zu jener Zeit schon etwas leidend, aber man sah im Allgemeinen den Horizont doch erst in weiter Ferne getrübt ; allein das Gewitter rückte unerwartet rasch heran, und die Jahre 1876 und 1877 scheinen berufen zu sein, Handel und Industrie in deren Fundamenten zu erschüttern und manches solide Gebäude zu Fall zu bringen.

Für die Schweiz, die nicht auf sich selbst angewiesen werden kann, sondern anerkanntermaßen der Exportindustrie bedarf, um sich die Quellen zur Beschaffung der, auf eigenem Boden nicht in genügender Ausdehnung erzeugten Lebensrnittel offen zu halten, ist genaue Erkennung der Gefahr drohenden Lage und die Erwägung der Mittel zur Milderung des Uebels in erster Linie geboten; wir sind gezwungen, unsere Existenz neben der Bodenproduktion durch Handel und Industrie zu sichern und müssen, um dies zu erreichen, mit unsern Erzeugnissen die Laridesgrenzen überschreiten.

Nordamerika war bisanhin eines derjenigen Länder, aus welchen die Schweiz einen bedeutenden Theil ihrer Hilfsquellen schöpfte; nun zeigen aber die Beobachtungen bei Gelegenheit der PhiladelphiaAusstellung, daß die so oft ausgesprochene Ansicht, die Handelskrisis.in Nordamerika trage die Schuld an
dem gedrückten Geschäftsgange in den schweizerischen Handelsartikeln daselbst, ein Wahn ist und daß der wahre Grund, wenigstens bei den meisten derselben, in der lokalen Entwicklung der Industrie jenes Landes zu suchen sei. Es ist deswegen jene Krisis keine vorübergehende, sondern für die Schweiz insoweit eine bleibende, als von Wiedergewinnung

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des frühern, normalen Geschäftsumfanges keine Rede mehr sein kann.

Diese Wirkung der Ausdehnung der amerikanischen Industrie ist für uns aber nicht bloß eine direkte, sondern sie berührt uns auch indirekte, indem England als unser Hauptkonkurrent analoge Schwächung seines Exportes nach dem in Frage liegenden Lande verspürt und uns in Folge dessen anderwärts um so mehr in den Weg tritt ; denn -- Druck auf die Industrie Englands ist auch Druck auf diejenige der Schweiz, und das zutreffende Gewicht fällt um so schwerer in die Waagschale unseres Landes, als wir, besonders wegen der geographischen Lage der Schweiz, so viele unüberwindbare Nachtheile gegenüber England zu tragen haben.

Unter sonst günstigen Verhältnissen böte diese durch die Ausstellung von 1876 gewonnene Erkenntniß weniger Beängstigung, aber das Bewußtsein, daß die Industrie aller Staaten, je nach den Zweigen, mehr oder weniger nothleidend ist und daß gerade dieser Umstand die Schutzzollbestrebungen rings um uns herum unterstützt und steigert, zwingt uns, die Situation zu ergründen, klar und fern von bloßen Theorien zu erfasseu und danach zu handeln, wenn unsern Erwerbsquellen kein Eintrag geschehen soll.

Möge man sich indessen durch den düstern Horizont nicht abschrecken und sich durch denselben nicht abhalten lassen, das zu thun, was angezeigt erscheint, um eine bessere Zukunft zu bereiten.

Wer den Muth verliert, wird nie zum Siege gelangen.

Aber wähle man vorurtheilsfrei die richtigen Mittel, wenn sie auch vielleicht mit theoretischen Grundsätzen nicht in vollem Einklang stehen.

Ich sagte vorstehend, eine internationale Ausstellung sei eine Veranlaßung zum Lernen und sie soll Impuls dazu bieten. Eine derartige Konkurrenz der geistigen und materiellen Kräfte der Völker aller Nationen ist in Wahrheit sowohl für Gesetzgeber, wie für Handel, Industrie und Gewerbe eine Schule des Lebens. Mancherlei Verumständungen brachten es mit sich, daß Philadelphia diesen Charakter in hervorragender Weise konstatirte, so namentlich dadurch, daß alle. Nationen, welche dahin pilgerten, ein ganz anderes Bild der Thätigkeit und besonders der Leistung des amerikanischen Volkes fanden, als sie erwarteten. Es war, als ob ihnen allen, wie die mir bis jetzt privatim und durch die Oeffentlichkeit zugekommenen Berichte übereinstimmend hervorheben, Schuppen
von den Augen gefallen wären. Dieses Gefühl regte an zum Nachdenken und veranlaßte Nachforschungen nach allen einschlagenden Faktoren und den in Aussicht zu nehmenden Konsequenzen, wie

·169 man es zuvor wohl noch niemals gethan. Es war daher auch meine Pflicht, der Schweiz jene Gelegenheit zum Lernen nicht unbenutzt vorüber gehen zu lassen und die vielseitigen einschlagenden Berichte des Hrn. Kommissär Ed. G u j e r , die mir von andern Seiten zugekommenen sachbezüglichen Mittheilungen und endlich die, in Folge dieser beiden Anhaltspunkte gemachten eigenen Erhebungen in ein Gesammtbild zu vereinigen, um so den hohen Behörden feste Stützpunkte zur eigenen Beurtheilung zu bieten.

Wir sind bis jetzt in der Schweiz im Allgemeinen glücklich durchgekommen; allein die Krisis rückt unsern Grenzen immer näher und droht dieselben in Bälde zu überschreiten. Die hervorragendsten Artikel, welche unser Land berühren und über welche jene Krisis hereinbrechen könnte, betreffen die Erzeugnisse der Seiden-, der Baumwoll-, der Uhren- und der Maschinen-Industrie.

Ich hebe bei Behandlung dieser vier Zweige unserer Gewerbsthätigkeit die statistischen Zahlen unseres einschlagenden Exportes nicht hervor, weil solche bekannt und für meine Auseinandersetzungen nicht von besonderer Bedeutung sind.

Die Seidenindustrie liegt nicht nur bei uns, sondern im Allgemeinen darnieder. Einem momentanen Aufschwung in der zweiten Hälfte des vergangenen Jahres, hervorgerufen durch Mißernte des Rohstoffes, ist seitdem eine Stagnation gefolgt, welche der früheren mindestens ebenbürtig ist. Dem Absätze der schweizerischen Seidenbänder droht in Nordamerika, in Folge der daselbst gemachten Fortschritte in Quantum und Qualität der Erzeugung, vollständiges Einschlafen ; wenn auch für die zunächst vor uns liegende Periode in etwas geringerm Maße, soll die Gefahr den Seidenstoffen nahe liegen. -- Dies sagten mir Fachleute, die auf diesem wie auf jenem Kontinente Einsicht in die Verhältnisse haben.

Lyon, die Wiege dieser Industrie, hat sehr viel unbeschäftigte Arbeiter, Mangel an Absatz der Produkte (gegenwärtig wenigstens zirka 30,000 Webstühle außer ThätigkeiQ, und England hat in Folge der zollfreien Einfuhr vom Auslande dahin diesen einst so bedeutenden Zweig seiner Thätigkeit schon längst nahezu aufgegeben.

Die Baumwollindustrie steht im großen Ganzen auf etwas bessern Füßen, weil deren Erzeugnisse mehr dem Bedürfnisse als dem Luxus dienen ; aber auch diesem Geschäftszweige wird die Verwerthung seiner Produkte in Amerika
von Jahr zu Jahr vermindert. Ich will nicht wiederholen, jedoch mir erlauben, aufmerksam zu machen auf das, was hierüber in der Eingabe des schweizerischen Handels- und Industrievereins vom 1. September 1876

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an die ständeräthliche Fabrikkommission vorgebracht wurde und zudem betonen, daß die auf Seite 16 derselben reprodïizirte Befürchtung des Hrn. Do n g l a s s a i t o n : ,,daß Europa gewärtigen müsse, nordamerikanische Fabrikate mitbewerbend auf jedem Markte auftreten zu sehen", sich inzwischen nicht nur in England, sondern auch bei uns bewahrheitet hat.

Das ist aber ganz natürlich, indem Amerika den Rohstoff selbst produzirt, wir solchen dagegen mit großen Kosten beziehen und die aus demselben erzeugten Waaren unter bedeutenden Fracht- und Zollauslagen wieder dahin zurücksenden müssen.

Früher hielt man die europäische Baumwollindustrie noch für eine sehr lange Reihe von Jahren für absolut konkurrenzfähig jenseits des Weltmeeres ; man sagte, ein Land mit einem so enormen Bodenreichthnm werde sich nicht mit Vortheil der Industrie zuwenden ; man stellte, wie bereits erwähnt, auf die kurze tägliche Arbeitszeit und die hohen Löhne ab und lebte so, auf diese Faktoren sich stützend, vertrauensvoll in den Tag hinein. Aber alle diese zu unsern Gunsten in Rechnung gebrachten Momente beruhten, soweit es eine längere Periode betrifft, auf Illusion.

Die nordamerikanische Baumwollindustrie hat sich in wenigen Jahren in einer ganz unerwarteten Ausdehnung breit gemacht ; sie hat die daselbst sehr billigen Kohlen zum Betrieb ihrer Fabriken zu kostpielig erachtet und die in Ueberfluß vorhandenen Wasserkräfte für die Industrie ausgebeutet. Die kurze Arbeitszeit, worüber ich später noch sprechen werde, und die hohen Arbeitslöhne, was in der Rechuungsablage der Philadelphia-Ausstellung klar hervortreten wird, sind verschwunden, und die Waarenmuster, welche ich unter Angabe der Verkaufspreise loco Fabrik Amerika zu Gunsten einiger schweizerischer Anstalten kommen ließ, konstatiren unverkennbar, daß wir dort an der Grenze der Konkurrenzfähigkeit angelangt sind.

Dehnt sich die Baumwollfabrikation, was sich bei der Thatkraft, Intelligenz und Sparsamkeit der amerikanischen Industriellen und Arbeiter voraussehen läßt, noch einige Jahre so aus, wie sie es in den letzten Jahren gethan hat, so werden wir nicht nur unsern Absatz in diesen Artikeln nach Nordamerika ferner bedeutend reduzirt, sondern unzweifelhaft die Amerikaner als unsere Konkurrenten in China, Japan, Indien und andern Ländern auftreten sehen.

Eine Spezialbranche
der Baumwollindustrie bildet die Stickerei, die ihre Erzeugnisse zu einem wesentlichen Theile der amerikanischen Union abgibt. Dieser Artikel stockt daselbst in hohem Grade schon seit längerer Zeit, jedoch nicht, weil die Amerikaner solchen

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selbst erzeugen, sondern weil der Verbrauch wenigstens momentan abgeschwächt ist. Dieser Industriezweig liegt dermalen in Folge der Ueberproduktion so sehr darnieder, daß, wenn nicht schleunigst, was bereits von einem hervorragenden Fachmanne angeregt, aber vielseitig noch nicht verstanden wurde, eine bedeutende Reduktion im Quantum der Erzeugung und zudem eine entschiedene Verbesserung in Qualität und Geschmack durchgeführt wird, derselbe eine besonders die Kantone St. Gallen und Appenzell, theilweise auch die Kantone Thurgau und Zürich schwer drückende Krisis erdulden muß. -- Lasse man sich nicht täuschen durch die demnächst in die Oeffentlichkeit gelangenden Zahlen des Exportes an Stickereien nach Amerika vom Jahr 1876, welche voraussichtlich die größten bis jetzt konstatirten Ziffern übersteigen dürften, denn -- und das ist die Folge des nachtheiligen Systèmes der Konsignationen -- der überwiegende Theil liegt noch unverkauft daselbst, und die Lager sind einfach aus der Schweiz nach New-York und andern Stapelplätzen der Union verlegt worden.

Die Zeugdruckerei macht keine Ausnahme ; sie liegt bei uns im Allgemeinen sehr darnieder; Amerika hat seine Bezüge von uns sehr geschmälert, und das Geschäft nach dem Oriente ist ein so schlechtes, daß leider zur Stunde schon wesentliche Arbeitsverminderung eintreten mußte.

lieber die Situation der schweizerischen Uhrenindustrie berufe ich mich auf die Kundgebungen des Hrn. Ed. F a v r e - P e r r e t von L o c l e , welcher für diese Ausstellungsabtheilung als schweizerischer Preisrichter bei der internationalen Jury funktionirte, sowie auf die Mittheilungen des Spezialagenten für diese Branche auf der Ausstellung, abgeordnet von den Kantonen Bern, Neuenburg und Genf, des Hrn. Th. G r i b i aus N e u c h a t e l . Vor der Abreise des Letztern der schon zuvor eine lange Reihe von Jahren dem Uhrengeschäfte in Amerika sich widmete, besprach ich mich einläßlich über die Einzelnheiten seiner Mission und ersuchte ihn namentlich, der Ursache nachzuforschen, welcher der schlechte überseeische Geschäftsgang zu Grunde liege.

Auf die von mir geäußerte Ansicht, die Stockung unseres Absatzes dürfte dem Fortschritte der amerikanischen Uhrenfabrikanten entspringen, sprach er seine volle Ueberzeugung aus, daß dies nicht der Fall sei.

Aber kaum in der Ausstellung
orientirt, schrieb er mir in ganz entgegengeselztem Sinne ; theilte mir mit, daß die amerikanischen Uhrenfabrikanten sich während den wenigen Jahren seiner Abwesenheit von da in staunenswerther Weise qualitativ und quantitativ

472 entwickelt haben, daß er seine mündlich ausgedrückte Ansicht zurücknehmen und nunmehr die Ueberzeugung aussprecheu müsse, daß, wenn wir nicht unter Verweithung' aller Kräfte vorwärts streben und vorwärts kommen, unser Absatz in Amerika für die Zukunft verloren sei. Hrn. Gribi's spätere sachbezüglichen Mitthcilungen finden sich ebenfalls in der bereits angedeuteten Eingabe des schweizerischen Handels- und Industrievereins vom 1. September 1876, Folio 19, und die letzten, die ich von ihm erhielt, vom Januar laufenden Jahres ab St. Louis datirt, lauten : ,,Es steht in T> der That schlimm mit dem Handel der Schweizeruhren in NordAmerika; wir sind, wenigstens für den Moment, von unsern ame,,rikanisehen Konkurrenten verdrängt, und mag auch die Zeit nicht ,,ferne liegen, zu welcher Schweizerfabrikat wieder Absatz findet, ,,so kann dies nur dem Unistande verdankt werden, daß die ame,,rikanischen Fabrikanten in Bezug auf Quantum den Markt nicht ,,befriedigen können.

,,Der Ruf unserer Erzeugnisse ist gefallen, derjenige der ame,,rikanischen Produzenten gestiegen. Ich werde in meinem Berichte ,,die Ursachen dieses Uebels hervorheben und hoffe, daß meine ,,bezüglichen Auseinandersetzungen dazu führen werden, ohne Säumen ,,das System unserer Fabrikation umzugestalten, denn ohne eine ,,solche Reorganisation sind wir verloren. Thut man dies aber, so ,,werden wir die amerikanische Konkurrenz zwar nicht mehr aus ,,dem Felde schlagen, aber doch neben ihr bestehen können.tt Hr. Gribi theilt mir ferner mit, daß die Fabrik von E l g i n , in welcher er kurz vor Abgang seines letzten Briefes sich vier Tage aufhielt, fortwährend Bestellungen auf drei bis sechs Monate zum Voraus in Händen habe, 300 Uhren per Tag erzeuge und doch der Nachfrage nicht Genüge leisten könne. In ähnlicher Weise sei die Waltham Watch Company, die jeden Tag 450 Uhren fabrizirt, bestellt, und der Berichterstatter zieht daraus den gewiß richtigen Schluß, daß der Mangel an Absatz schweizerischen Fabrikates in Nordamerika nicht allein der allgemeinen Handelskrisis, sondern zu einem großen Theile der vollkommenem Ausführung des amerikanischen Produktes zuzuschreiben sei.

Hr. Gribi bringt mir sodann auch zur Kenntniß, daß die Elgin Watch Company gegenwärtig Pläne zur Vergrößerung ihres Etablissements ausarbeite, um die Tageserzeugung auf 1500
Uhren zu steigern. Mag auch die Ausführung dieses Projektes noch lange auf sich warten lassen, so besteht es, wird unzweifelhaft successive durchgeführt und mahnt uns daher dringend, mit aller Energie die Konkurrenzfähigkeit zu schaffen, um das verlorene Terrain wenigstens theilweise wieder zu erobern.

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Die mir von Hrn. F a v r e - P e r r e t gewordenen Aufklärungen stimmen im Allgemeinen mit denjenigen des Hrn. Gl'ibi überein, nur brachte jener mir überdies zur Kenntniß, daß die Fabriken von Waltham und Elgin ihre Filialen in London haben, bereits jährlich 30,000 Uhrwerke, zu denen die Schalen in der Schweiz gemacht werden, daselbst absetzen , sowie auch, daß die. erstere die Errichtung eines Zweigetablissements in St. Petersburg in Aussicht genommen und die letztere ein solches in Moskau gegründet habe, so daß die Konkurrenz Amerika's in Europa zur Stunde schon eine Thatsache sei. England und Rußland sind nun wieder bedeutende Absatzgebiete für unsere bezügliche Landeserzeugung, und es liegt hier ein weiterer Grund zu thatkräftiger, rascher Vervollkommnung derselben.

Aus den Mittheilungen des Herrn Favre-Perret ist endlich hervorzuheben , daß die Schweiz im Uhrenexport nach Amerika vom Jahr 1864 mit 169,000 Uhren bis und mit dem Jahre 1872 successive auf 366,000 gestiegen, von da bis anno 1875 dagegen auf 134,000 Stück gefallen ist, und daß das Jahr 1876 die Ziffer von 75,000 kaum erreichen werde. Die zuletzt eingegangenen Informationen geben die Exportzahl pro 1876 thatsächlich mit höchstens 65,000 Uhren an. Diese Statistik spricht von selber und bedarf keiner weitern Beleuchtung. Die Kantone Bern, Waadt, Neuenburg und Genf werden die Konsequenzen derselben unzweifelhaft deutlich fühlen; und glaubte man auch in der jüngsten Zeit eine etwas regere Thätigkeit in Aussicht nehmen zu dürfen, welche Hoffnung übrigens bereits wieder getrübt sein soll, so wird die Blüthezeit nicht rasch und jedenfalls erst dann wiederkehren, wenn wir in Qualität und Preis unsere überseeischen Konkurrenten eingeholt haben.

Mein hochverehrter Freund, der bewährte Fachmann Herr Dr. A. Hirsch, Direktor der Sternwarte in Neuenburg, der diesem Industriezweige stets seine volle Aufmerksamkeit widmete und der bei den frühern Ausstellungen als schweizerischer Juror wirkte, hat bei jeder Gelegenheit die dringende Nothwendigkeit des Fortschrittes in der einschlagenden Fabrikation betont; seine Mahnungen verhallten bis anhin in der Luft.

Möge man die Beobachtungen von 1876 im allgemeinen Interesse besser zu Rathe ziehen !

Die schweizerische Maschinenindustrie, als einer derjenigen Zweige unserer Thätigkeit, der keine geschäftlichen Beziehungen mit den überseeischen Ländern anstreben kann, da ihr der Frachten wegen jede Konkurrenzfähigkeit mit England abgeschnitten ist, war

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in Philadelphia nicht vertreten, allein diese Abtheilung bot dennoch Stoff genug zum Nachdenken und zu Nachforschungen. Die amerikanische Sektion in der Maschinenhalle war unstreitig der Glanzpunkt der Ausstellung. Sie konstatirte am auffälligsten die ungeheuren Fortschritte Amerika's und zeigte den bisherigen Hauptproduzenten auf diesem Gebiete, den "Engländern, daß die Zeit bald gekommen, zu welcher deren Export nach der Union in bedeutendem Maße reduzirt sein werde.

Die Schweiz kann, wie bemerkt, keine Maschinen nach Amerika exportiren ; aber England war in Folge seiner großartigen Kohlen- und Eisenzeugung und im Hinblick auf seine vortheilhaften Transportmittel dazu befähigt, hat es in hohem Maße gethan, und der Ausfall, den es nunmehr zu gewärtigen und theilweise schon erlebt hat, führt zu intensiverer Konkurrenz mit uns sowohl in der Schweiz selbst als in den übrigen Staaten des europäischen Kontinents.

Wird berücksichtigt, in welch' gedrückter Lage die Maschinenindustrie unserer Nachbarstaaten seit längerer Zeit sich befindet, und jener Faktor noch in Rechnung gezogen, so läßt sich ermessen, welch' düsterer Zukunft dieser hervorragende schweizerische Industriezweig entgegengeht. Ich besitze kein vollständiges Material, um die allgemeine Situation klarzulegen , weil ich mich nicht in einer Stellung befinde, dasselbe in seinem ganzen Umfange bcizuziehen ; ich habe die meisten Angaben nur aus privaten Quellen und in konfidentieller Weise geschöpft, so daß ich mich enthalten muß, die Einzelnheiten der Oeffentlichkeit zu übergeben ; aber was ich in allgemeinen Umrissen bieten kann, ist immerhin vollständig geeignet, zu bestätigen , daß einerseits die Aussichten sehr trübe sind, andererseits die Schweiz bis anhin die gefahrdrohenden Klippen glücklich umschiffte.

Die allgemeinen Reduktionen in den Hauptrayons der Eisenindustrie Englands, Belgiens und der Rheinlande sind in den öffentlichen Blättern unter Beigabe von Zahlen so oft hervorgehoben worden, daß ich mich füglich enthalten kann, des Nähern hierauf einzugehen. In Frankreich haben im vergangenen Jahre umfangreiche Arbeiterentlassungen stattfinden müssen ; in Deutschland und Oesterreich ist das Gleiche der Fall gewesen und ausgedehntere Reduktionen stehen bevor. In einem der letztgenannten Staaten ist die Arbeiterzahl seit dem Jahre 1873
ungefähr auf einen Dritttheil und überdies die durchschnittliche Arbeitszeit wesentlich reduzirt worden. In dem andern derselben haben die Reduktionen weniger übereinstimmend stattgefunden. Der eine Fabrikant hat wenig Arbeiter entlassen, dagegen die Stundenzahl nach Verliältniß

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der in Händen habenden Bestellungen vermindert. Der andere hat dagegen die Arbeitszeit nicht verkürzt, aber um so mehr Arbeiter entlassen. Dies letztere erfolgte in einem weltberühmten Geschäfte in dem erschreckenden Satze von 80 Prozenten. Ein anderes, eben so hervorragendes Etablissement, das erst etwa 5 Prozent der Arbeiter entließ, aber die Arbeitszeit um 30 Prozent einschränkte, genießt durch den Umstand, daß die ihm gegebenen Aufträge zum Theile von durch die Verhältnisse mehr oder weniger gedrückten Bestellern herrühren, welche deßwegen nicht auf Ablieferung drängen, den Vortheil, diesen Weg der Produktionsverminderung einschlagen zu können, nimmt aber immerhin größere Entlassungen in Aussicht, denn, so äußert sich dasselbe, wo noch ein kleiner Bedarf von Maschinen sich zeigt, ist die Konkurrenz der Art, daß Derjenige, der sich nicht selbst ruiniren will, an Uebernahme nicht denken darf.

Die Schweiz selbst ist noch nicht so weit herunter gekommen ; die weniger massenhafte Erzeugung als in andern Staaten, vielleicht auch die Regsamkeit der Fabrikinhaber, stets gewöhnt, mit Schwierigkeiten , welche die Zollschranken ringsherum, der kostspielige Beizug der Rohmaterialien und die theure Versendung der Produkte bieten, zu kämpfen, und das Bestreben, möglichst perfekt zu bedienen; sicher aber die Rücksicht derselben auf die Arbeiter und deren Familien und die daraus entspringende Opferbereitwilligkeit, nöthigenfalls mit Verlust zu arbeiten, sind Schuld an dieser bessern Lage.

Fragt man sich nun, woher kommt diese seit 1873 progressiv sich steigernde Krisis, so kann die Antwort wönl nur in dem Worte : ,,Ueberproduktiona gegeben werden. Woher kommt aber dieses unverkennbare Uebel ? Nach meiner Ueberzeugung vom ,,Schwindel bei Beginn dieses Dezenniums" und theilweise auch von den ,,Schutzzöllen^.

Der Schwindel rief zuerst einer Legion von Bankinstituten ; diese schufen und begünstigten durch die unsinnigen und schließlich zu ihrem eigenen Schaden ausfallenden Gründungen und unmotivirten Kreditgewährungen eine Menge neuer, nicht auf der Grundlage des Bedürfnisses ruhender industrieller Unternehmungen und Ausdehnung der schon bestehenden Etablissemente.

Der Schutzzoll wirkte in gleicher Richtung, wenn auch in geringerem Umfange, denn es läßt sich konstatiren, daß bloße Hoffnung für Erhöhung desselben
schon die Geschäftsausdehnung in den betreffenden Staaten zur Folge hatte; ich habe dies manchem befreundeten , schutzzöllnerisch gesinnten Industriellen vorausgesagt

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und bemerkt, daß diese «Tendenzen der vermehrten Konkurrenz im eigenen Lande rufen müssen, den Import vom Auslande aber dennoch nicht unterdrücken können. Meine Wahrnehmungen wurden früher von Wenigen beachtet, heute jedoch von Vielen zugegeben.

Doch ich will mich nicht in Theorien einlassen, die Praxis allein ist der richtige Lehrmeister ; allein ich kann mich nicht begnügen, den Keim der bestehenden Krankheit bezeichnet zu haben ; ich bin verpflichtet, auch meine Ansicht zu äußern, wie derselben entgegengetreten werden kann. Mancher würde wohl sagen : e i n z i g d u r c h S c h u t z der n a t i o n a l e n A r b e i t . Abgesehen davon, daß ich diesem Grundsatze nicht beipflichten kann, da ein besonderer Schutz nicht zur Regsamkeit, sondern eher zur Lethargie führt; abgesehen davon, daß die Erfahrung, und ich verweise hier speziell auf Frankreich, lehrt, daß, wo Intelligenz, Arbeitsliebe und Sparsamkeit Anwendung finden, das Abschwächen der Zollschranken die Thatkraft hebt, kann sich die Schweiz nicht auf diesen Standpunkt stellen," denn sie ist, wie allgemein anerkannt und zugegeben, der Selbsterhaltung wegen gezwungen , den Export ihrer eigenen Erzeugnisse nach Möglichkeit zu begünstigen. Um dies zu erreichen, ist Bedacht zu nehmen, daß bei der endgültigen Regelung der eingangs erwähnten vier Vertrags- und Gesetzesbestimmungen die Interessen der Schweiz richtig erfaßt werden, und damit Solches mit voller Einsicht erfolgen könne, ist es durchaus nothwendig, eingreifende Erhebungen über die Konkurrenzverhältnisse der Schweiz mit dem Auslande zu veranstalten. Man muß sich klar machen, wie wir z. B. unserm Hauptrivalen England gegenüber stehen, in Bezug auf Kosten der beizuziehenden Kapitalien und des Brennstoffes, in Betreff der leichten Beschaffung des Rohmaterials und der vortheilhaften Versendung der Produkte.

Man muß prüfen, welche Nachtheile für die Schweiz sich ergeben in Folge ihrer geographischen Lage, an Mehrfrachten , an Zeit- und Zinsenverlusten ; man muß untersuchen, wie sich Intelligenz und Leistungsfähigkeit unserer Arbeiter zu den gleichen maßgebenden Faktoren anderer Staaten verhalten; man muß untersuchen , ob und welchen Einfluß die Schweiz auf Gestaltung der Produküonswerthe im Welthandel ausübt; man muß nachforschen, ob sich nicht schon in einzelnen Staaten , dem Drucke der
allgemeinen Situation der Industrie unterliegend , einzelne Zweige derselben dauernd einschränkten ; prüfen, welche Wirkung analoge Vorkommnisse auf die Einnahmsquellen unserer Bevölkerung zur Folge hätten u. s. w., und erst, wenn dies Alles erhoben und übersichtlich zusammengestellt ist, kann man mit Sicherheit die eigenen Verhältnisse beurtheilen. Unsere bisherige Organisation erschwerte

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die Gewinnung von solch' unentbehrlichen Anhaltspunkten, wie solche einer Berathung von so eminenter Wichtigkeit, wie die in Aussicht stehende, zu Grunde liegen sollen, und darum erlaubte ich mir, die Schaffung einer eidgenössischen Handelskammer oder eine andere derartige Institution anzustreben.

Solche Erhebungen werden meine schon mehrmals geäußerte Ansicht bestätigen, daß in wohlmeinender Absicht im Fabrikgesetzesentwurfe niedergelegte Grundsätze sich theoretisch wohl begründen, in der Praxis aber nur zum Nachtheile des Allgemeinen durchführen lassen. Ich stelle hierbei in erster Linie auf die einheitliche Normirung der täglichen Arbeitszeit für alle Industrien ab, und wenn ich es auch nicht durch meine Stellung angezeigt erachte, auf die solchen Bestrebungen schon zu Theil gewordenen Abweichungen in den resp. Bestimmungen auf unserm eigenen Kontinente hinzuweisen, so ist dagegen unverkennbar in meiner Aufgabe, nachdem ich Ihnen meine Beobachtungen durch die Philadelphia - Ausstellung zu unterbreiten habe, der Erfahrungen zu gedenken, welche in dieser Beziehung in Nordamerika gemacht wurden.

Manche Staaten der Union haben gesetzlich die Arbeitszeit normirt. Massachusetts z. B. hat eine gesetzliche Arbeitszeit von 60 Stunden per Woche; die angrenzenden Staaten New-Hampshire, Connecticut und Rhode Island haben theils vorschriftsgemäß, theils in Folge freiwilliger Vereinbarung 66 Stunden wöchentlich festgesetzt. Die Industrie des erstbenannten Staates hat, um ihren Nachbarstaaten gegenüber konkurrenzfähig zu bleiben, ebenfalls 66 Stunden. Konkurrenz- und SpezialVerhältnisse einzelner Industrien führten zur Umgehung der diesbezüglichen gesetzlichen Vorschriften, und die Regierungen mußten, um den Uebersiedlungen von einem Staate zum andern vorzubeugen, die Augen schließen und Freiheit gewähren. So kommt es, daß, gemäß den jüngsten Berichten des mehrerwähnten Herrn Gribi, in den im Staate Massachusetts liegenden, zur Zeit 1500 Arbeiter, und zwar vorherrschend Frauen, beschäftigenden zwei Uhrenfabriken von Elgin und Waltham nicht blos 11, sondern 12 Stunden täglich gearbeitet wird, und daß die Regierung es nicht im Interesse des Landes findet, dieser Gesetzesüberschreitung entgegenzutreten.

Wenn Präsident Grant, wie den Zeitungen zu entnehmen ist, sich in einer Unterredung am 28. Januar 1. J. dahin
ausprach, daß das amerikanische Volk schon viel gelernt habe, noch viel lernen und sich in seiner industriellen Produktion den Landesbedürfnissen anpassen werde; wenn er, im Hinblick auf diese Fortschritte, auf die Zunahme der Ausfuhr und die Abnahme der Einfuhr hinwies

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und dabei konstatirte daß, in Folge -derselben Nordamerika im Jahre 1875 einen Bilanzüberschuß von 120 Millionen Dollars gemacht habe und im vergangenen Jahre einen solchen von 100 Millionen Dollars erzielen werde, so bestätigt er damitunverkennbar, dass die "gehegten Befürchtungen für unsern Handelsverkehr mit Amerika begründet und die: ausgesprochenen Wünsche für genaue Prüfung der Konkurrenzverhältnisse berechtigt sind.

Aber nicht nur die?Behörden haben ihre Pflichten, die Industriellen und die Arbeiter haben solche in nicht geringerem Grade.

Beide müssen zusammenstehen!- um dem Fortschritt anderer Staaten in "Qualität-* und QuantitätderErzeugung ebenbürtig zu sein; sie müssen .sich bestreben, die abzugebenden Waaren in tadelloser Arbeit und in Uebereinstimmung mit den Angaben, nach welchen der Verkaufswerth bestimmtist, wie z. B. Gehalt des Rohstoffes, . Maße, Gewichte, Aechtheit der Farben, Vollkommenheit der Ausführung u. s. w., in den Verbrauch zu bringen.

In dieser Richtung ist leider viel gesündigt worden; man hat, um die Konkurrenz leichter zu bewältigen solche Täuschungen eintreten lassen, dabei selbstverständlich den angestrebten Zweck nur vorübergehend erreicht, wohl aber dauernd dem guten Rufe der Schweizerfabrikate Schaden zugefügt. Das Mißtrauen gegen dieselben hat sich Bahn gebrochen, und die Wiedergewinnung des Vertrauens kann nur mit Opfern erreicht werden. Dies sind abermals Beobachtungen, zu denen die Philadelphia-Ausstellung führte und die sich den Industriellen und den Arbeitern auf dem industriellen Gebiete zur Beherzigung empfehlen.

Die vorhandene Ueberproduktion ruft einem Kampfe, in welchem der Zaghafte und Schwächere unterliegen muß. Bestreben wir uns, zum Wohle des Ganzen den Sieg zu erringen , und thun wir, was nöthig ist, um die Kraft dazu zu gewinnen. Glaube mau ja nicht, daß meinen Auseinandersetzungen irgend ein anderes Motiv zu Grunde liege, als die Wohlfahrt unseres geliebten Vaterlandes; stelle man sich nicht vor, ich habe das Bild düsterer gemalt, als die Wirklichkeit solches gibt ; dasselbe stimmt genau überein mit den Thatsachen , und Jeder, der meiner Wahrheitsliebe Vertrauen schenkt, wird mit mir einig sein, daß der Ernst der Verhältnisse zu ruhiger Prüfung, aber eben so sehr zu energischem Handeln auffordert. Uebersehe man nicht, daß die bereits
theilweise ins Leben getretene Flucht von Intelligenz und Kapital zum Nachtheile des Allgemeinen geschieht, und trete man derselben mit möglichster Beförderung durch Maßnahmen entgegen, welche geeignet sind, das

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Vertrauen in die Existenzfähigkeit auf dem' heimatlichen Boden wieder zu befestigen.

Möge die Schweiz im angedeuteten Kampfe nicht unterliegen !

Genehmigen Sie, hochgeachteter Herr Bundespräsident, hochgeachtete Herren Bundesrathe, den Ausdruck meiner vollkommensten Hochachtung und Ergebenheit.

W i n t e r t h u r , den 23. Februar 1877.

Der Gene^ralkommissär der Schweiz. Eidgenossenschaft für die internationale Ausstellung in Philadelphia im Jahr 1876:

H. Rieter.

Bnndesblatt. 29. Jahrg. Bd. L

35

480

# S T #

Bericht der

Direktion der eidg. Eichstätte an das eidg. Departement des Innern über die Frage der Biergläser.

(Vom 19. Februar 1877.)

Hochgeehrter Herr Bundesrath !

Von mehreren Seiten taucht wieder die Frage auf, ob nicht außer den im Artikel 19 der Vollziehungsverordnung über Maß und Gewicht vom 22. Oktober 1875 gestatteten kleinern Flüssigkeitsmaßen von l Liter, 5 Deciliter, 2 Deciliter etc. noch andere Maßgrößen erlaubt werden sollten, speziell mit Rüksicht auf das Ausschenken von Bier.

Außer dem früher schon erlaubten, aber durch die neue Vollziehungsverordnung wieder beseitigten Glas von 3 Deciliter richten sich die Wünsche auch nach dem in Deutschland gebräuchlichen Glas von 1/4 Liter = 2,5 Deciliter und werden, wie Zeitungen meldeten, daherige Petitionen an die hohe Bundesversammlung vorbereitet.

Um nun in dieser Beziehung gerüstet zu sein und mit voller Sachkenntniß der Frage entgegen treten zu können, beehre ich mich hiemit, Ihnen einen etwas ausführlichem Bericht darüber vorzulegen.

Schweizerisches Bundesarchiv, Digitale Amtsdruckschriften Archives fédérales suisses, Publications officielles numérisées Archivio federale svizzero, Pubblicazioni ufficiali digitali

Botschaft des Bundesrathes an die hohe Bundesversammlung, betreffend die Betheiligung der Schweiz an der im Jahr 1878 stattfindenden Weltausstellung in Paris. (Vom 9. März 1877.)

In

Bundesblatt

Dans

Feuille fédérale

In

Foglio federale

Jahr

1877

Année Anno Band

1

Volume Volume Heft

11

Cahier Numero Geschäftsnummer

---

Numéro d'affaire Numero dell'oggetto Datum

17.03.1877

Date Data Seite

447-480

Page Pagina Ref. No

10 009 470

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Le document a été digitalisé par les. Archives Fédérales Suisses.

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