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Botschaft des

Bundesrathes an die hohe Bundesversammlung, betreffend einen Gesezentwurf über Freizügigkeit des Medizinalpersonals in der Schweiz.

(Vom 18. Mai 1877.)

Tit.!

Der Artikel 33 der Bundesverfassung schreibt vor : ,,Den Kantonen bleibt es anheimgestellt, die Ausübung der wissenschaftlichen Berufsarten von einem Ausweise der Befähigung abhängig zu machen.

,,Auf dem Wege der Bundesgesezgebung ist dafür zu sorgen, daß derartige Ausweise für die ganze Eidgenossenschaft gültig erworben werden können."

Und im Fernern bestimmt Artikel 5 der Uebergangsbestimmungen der Verfassung : ,,Personen, welche den wissenschaftlichen Berufsarten angehören, und welche bis zum Erlasse der im Artikel 33 vorgesehenen Bundesgesezgebung von einem Kantone oder von einer mehrere Kantone repräsentirenden Konkordats behörde den Ausweis der Befähigung erlangt haben, sind befugt, ihren Beruf in der ganzen Eidgenossenschaft auszuüben."

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Um sich eine genaue Rechenschaft über die Tragweite dieser Beatimmungen geben zu können, wird es gut sein, auf die Entstehungsweise derselben zurükzugehen.

In seinem ersten Entwurfe für die Bundesverfassungsrevision, vom 17. Juni 1870, beantragte der Bundesrath, in Artikel 29: ,,Die Freiheit des Handels und Verkehrs, sowie das Recht freier Berufs- und Gewerbsausübung, ist jedem Schweizerbürger im ganzen Umfange der Eidgenossenschaft gewährleistet.

,,Vorbehalten sind : H

,,d. Bundesgesezliche Vorschriften über Erwerbung von Patenten für die Ausübung wissenschaftlicher Berufsarten, ,,Den Kantonen bleibt freigestellt, zu bestimmen, ob für die Ausübung einer solchen Berufsart der Besiz eines Patentes erforderlich sei.01 In seiner Botschaft dazu, vom 17. Juni 1870, sprach sich der Bundesrath dahin aus, daß nach seiner Auffassung eine vollständig freie Ausübung der wissenschaftlichen Berufsarten, in sich schließend die Beseitigung oder wenigstens das Nicht-Obligatorische der Staatsexamen, das Ideal sei, dessen Verwirklichung der Zukunft anheimfalle. Die Botschaft bemerkte indessen, daß ein wesentlicher Unterschied sei, einerseits zwischen der Kategorie der Menschenund Thierärzte, Apotheker, Advokaten und Geschäftsagenten, und anderseits solchen Kategorien, wo an die Bekleidung öffentlicher Aemter besondere Bedingungen geknüpft werden. Wo (sagt dio Botschaft) Staat oder Gemeinden öffentliche Aemter zu vergeben haben, können sie natürlich die Bedingung gewisser Fähigkeitsausweise daran knüpfen, wie der Privatmann, der eine Anstellung zu vergeben hat.

Indem der Bundesrath sich zwar als Anhänger des Systems freier Ausübung aller Berufsarten erklärte, beantragte er jedoch aus Ppportunitätsgründen die Beibehaltung des Patentsystems, ,,allerdings i«,,der Meinungj daß den Kantonen freigestellt bleibe, zu bestimmen, ob für die Ausübung einer solchen Berufsart der Besiz eines Patentes erforderlich sei. Selbstverständlich (fügte die Botschaft hiilzu) hätten nach Erlaß der bundesgésezlichen Vorschriften die Kantone dann keine neuen derartigen Patente mehr auszugeben.11 Ina Schöße der Kommission des Nationalraths für die Revision der Bundesverfassung (Sizung vom 2. März 1871) wurden zwei vom bündeSräthlichen Entwürfe abweichende Anträge gestellt : Der " eine, seitens der politischen Sektion, ging dahin : .

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871 ,,Vorbehalten sind : vi ,,d. Bundesgesezliche Vorschriften über Erwerbung von Patenten für die Ausübung wissenschaftlicher Berufsarten.

,,Den Kantonen bleibt freigestellt, ?u bestimmen, ob für die Ausübung einer solchen Berufsart der Besiz eines Patentes erforderlich sei.tt (Kommissionsprotokoll, Seite 38.)

Der andere, ausgehend von der staatswirthschaftlichen Sektion, lautete : ,,Den Kantonen bleibt es anheimgestellt, die Ausübung der wissenschaftlichen Berufsarten von einem Ausweise der Befähigung abhängig zu machen.a ,,Auf dem Wege der Bundesgesezgebung ist dafür zu sorgen, daß derartige Ausweise, für die ganze Eidgenossenschaft gültig, erworben werden können."

(Kommissionsprotokoll, Seite 78.)

Die Diskussion, welche sich über diese verschiedenen Anträge entspann, zeigte, daß man nur in Bezug auf das Redaktionelle auseinanderging. In der Hauptsache waren alle Mitglieder der Ansicht, daß ein einheitliches Gesez diese Materie ordnen solle, und daß, wenn einmal dieses Gesez erlassen wäre, den Kantonen nicht mehr freigestellt sei, Prüfungskommissionen zu ernennen, sondern nur das Recht zustehe, zu entscheiden, ob sie die Ausübung einer wissenschaftlichen Berufsart vom Besize eines Patentes abhängig machen wollen.

In diesem Sinne wurde dei- Antrag der staatswirthschaftlichen Sektion angenommen.

Zwei Mitglieder derselben, die Herren Heer und Friderich, machten den Vorbehalt, daß diese Bestimmung keineu Bezug haben solle auf die Prüfungen für Zulassung der Geistlichen. (Protokoll der Verhandlungen der nationalräthlichen Revisions-Kominission, Seite 79.)

In der Revisionskommission des Ständcraths beantragte der über diese Frage Referirende, Herr Estoppey, die Weglassung dieser neuen Bestimmung; eventuell solle gesagt werden : Auf dem Wege der Bundesgesezgebung ist so weit t h u n l i c h dafür zu sorgen . . . .

Seine wesentlichen Gründe gingen dahin : Das Bedürfniß zu dieser Neuerung sei kein gefühltes. Man könnte allfällig noch Freizügigkeit gewähren für die Aerzte, Thierärzte und Apotheker,

872 nicht aber für die Juristen und die Geistlichen, deren Beruf allzu sehr mit der innern Organisation der Kantone zusammenhängt. Es sei besser, sich mit Abschließung von Konkordaten zu behelfen.

(Protokoll der Verhandlungen deständeräthlichenen Revisionskommission, Seite 23 und 34.)

Die Kommission selbst, welche am 12. Mai 1871 darüber Verhandlung pflog, beschloß mit 7 gegen 3 Stimmen", einfach der Kommission des Nationalraths beizutreten. Im Sinne der Mehrheit wurde unter Anderm geltend gemacht: Der Konkordatsweg führe nicht zum Ziele, welches darin bestehe, den wissenschaftlichen Berufearten r e e l l e Rechte zu freier Niederlassung und Berufsausübung einzuräumen. Es handle sich übrigens keineswegs darum, den Kantonen Gewalt anzuthun. Dieselben können Fähigkeitszeugnisse verlangen oder auf dieses Requisit verzichten. Für die Kantone, welche eine Prüfung verlangen, werde man dieselbe (von Bundes wegen) in verläßlicher und billiger Weise regeln. So werde man die Kantone aller daherigen Kosten und Sorgen entledigen.

(Citirtes Protokoll, Seite 23. 24.)

Im Nationalrathe wurde die Angelegenheit zum. ersten Male am 15. November 1871 behandelt. Zum Entwurfe der Kommission wurden mehrere Abänderungsanträge gestellt. Der eine, von Herrn S c h e u c h z e r , lautend : ,,Die Freiheit des Handels, der Gewerbe, sowie die Ausübung der wissenschaftlichen Berufsarten ist im ganzen Umfang der Eidgenossenschaft gewährleistet", wurde abgelehnt. Ebenso ein anderer, von Herrn K l e i n , lautend: ,,Die von einem Kantone ausgestellten. Ausweise der Befähigung sind im ganzen Umfange der Eidgenossenschaft gültig.a Herr Dr. J o o s beantragte eine Uebergangsbestimmung des Inhalts : ,,Personen, welche vor Verkündigung dieser Verfassung in einem Kanton die auf Grundlage eines Befähigungsausweises ertheilte Berechtigung zum Gewerbsbetriebe als Aerzte, Wundärzte, Thierärzte oder Apotheker bereits erlangt haben, gelten als für die ganze Eidgenossenschaft approbirt."

Diesem Antrage stellte Herr D e s o r folgenden entgegen : ,,Die Bundesgesezgebung wird auch die Stellung derjenigen berüksichtigen, welche vor Promulgation der Verfassung in einem Kantone zur Ausübung der Medizin, der Chirurgie, der Pharmacie oder der Thierheilkunde patentirt worden sind."

Dieser leztere Antrag wurde als Zusaz zum obcitirten- Kommissionalantrage angenommen. In der Diskussion machte man eben-

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falls die Schwierigkeiten geltend, welche aus dem Systeme herfließen würden, Fähigkeitszeugnisse, die in der ganzen Eidgenossenschaft Gültigkeit hätten, auch auszustellen an Juristen, Geistliche und Lehrer. (Siehe das von Herrn Elie Ducommun, damaligem Uebersezer des Nationalratheâ, herausgegebene Bulletin der Verhandlungen der Bundesversammlung, I. Band (1871), Seite 135 ff.)

In der Sizimg vom 22. Dezember 1871 hatte sich der Nationalrath wieder mit dieser Frage zu beschäftigen. Das eben citirte Bulletin sagt diesfalls (Seite 618, 619, Bd. 1871) : ,,Das Präsidium erinnert, daß bei Artikel 30 die Versammlung eine Uebergangsbestimmung angenommen hatte, welche von Herrn Desor vorgesehlagen war, und welche sich auf die Aerzte, die Wundärzte, die Thierärzte u. s. w. bezog, jedoch der Advokaten nicht erwähnte.

.,,Wenn man diese Bestimmung fallen ließe, würde man das Versäumte wieder gut machen, in dem Sinne, als die Bundesbehörde stets als die Wohlthat des Artikel 30 genießend die Personen ansehen könnte, welche gegenwärtig in den Kantonen wissenschaftliche Berufsarten ausüben. Er beantrage daher Streichung der dem Artikel 30 beigefügten Uebergangsbestimmung.

,,Herr Desor und die Kommission sind damit einverstanden.

,,Die Versammlung nimmt diesen Antrag ohne Einsprache an."

Vor den Ständerath gelangte die Angelegenheit am 20. Januar 1872, wobei die gleichen Argumente für und g e g e n reproduzirt wurden und die Mehrheit sich dafür aussprach, dem Nationalrathe in derjenigen Redaktion beizustimmen, wie sie in dem jezt geltenden Verfassungstexte, Artikel 33, fonnulirt ist.

Unterm 28. Februar 1872 wurde dann vom Nationalrathe, auf den Antrag der Kommision, welche die Notwendigkeit der Aufnahme einer Uebergangsbestimmung von der Art der von Herrn Desor in Vorschlag gebrachten erkannt hatte, ohne Diskussion eine Bestimmung aufgenommen, welche gleichlautend ist mit dem Artikel 5 der Uebergangsbestimmungen der jezt geltenden Bundesverfassung.

Der Ständerath lehnte diesen Zusaz zuerst ab (1. März 1872), nahm ihn dann aber schließlich au (2. März).

(Siehe das citirte Bulletin, II. Band.)

Bei den Verhandlungen über den z w e i t e n R e v i s i o n s e n t w u r f gingen die früher durchberathenen Bestimmungen über die Freizügigkeit für wissenschaftliche Berufearten beinahe ohne

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Widerspruch durch, indem kein neuer Gesichtspunkt mehr f ü r oder g e g e n geltend gemacht wurde.

Aus dem vorgeführten Geschichtshergange ergibt sich : 1) daß man willens war, dem Bunde das Recht einzuräumen, eidgenössische Prüfungsjurys aufzustellen, welche für die ganze Schweiz gültige Fähigkeitszeugnisse auszustellen haben ; 2) daß die wissenschaftlichen Berufsarten, von denen der Artikel 33 handelt, nicht auf Aerzte, Apotheker und Thierärzte sich-beschränken, sondern auch auf andere Berufsarten ausgedehnt werden können, soweit sich ein Bedürfniß zeigt, dieselben gesezgeberisch zu normiren ; daß, wenn einmal die Bundesgesezgebung hierüber in Kraft getreten ist, die Kantone nicht mehr berechtigt sind, Prüfungen zum Zweke der Patentirung für solche Berufsarten vornehmen zu lassen, für welche eidgenössische Prüfungen organisirt werden: Würde es sich in Bezug auf den leztern Punkt anders verhalten, so hätte die im Artikel 33 der Bundesverfassung enthaltene Bestimmung keinen großen praktischen Werth mehr. Vielmehr hätte man eine Lage geschaffen, die in manchen Beziehungen eher schlimmer wäre als die bisherige; denn man würde oder man könnte doch in einzelnen Kantonen zwei Klassen von Patenten erbliken, die mit einander ganz in Konkurrenz stünden. Der Kanton würde natürlich Anspruch darauf machen, daß s e i n e Patente die besseren seien, und weit davon entfernt, daß eine solche Rivalität einen heilsamen Wetteifer der Behörden und der Kandidaten erweken würde, könnte, daraus nur etwas in unsern Augen sehr Mißliches hervorgehen, d. h. die Aufstellung zweier feindlicher Kasten unter denjenigen,, die sieh wissenschaftlichen Berufsarten widmen, von welchen.Kasten die eine der Kantonsregierung angenehmer wäre als die ändere und daher besonderer Vergünstigungen und Protektionen theilhaftigwürde.

Es erscheint jedoch nothwendig, den Kantonen nicht jede Art von Kontrole und Kompetenz zur Beurtheilung der Zuläßigkeit oder Nichtzuläßigkeit gewisser Patente abzusprechen; so namentlich, wenn es sich um fremde, in der Nähe der Grenze niedergelassene oder um solche Aerzte handelt, welche unsere Bad- oder TouristenAnstalten besuchen behufs der Behandlung von Kranken. Wir glauben, daß den Kantonen überlassen werden müsse, zu normiren, unter welchen Bedingungen die einen und-die andern ihren Beruf auf unserm Gebiete ausüben dürfen. Es handelt sich hier in der

875 That um Verhältnisse ausnahmsweiser und vorübergehender Natur, mit denen sich zu befassen die Bundesbehörde kein großes Interesse hat ; dagegen hat als Regel zu gelten, daß von nun an die Ausübung der wissenschaftlichen Berufsarten an den Besiz eines eidgenössischen Patentes geknüpft ist, in den Kantonen, welche hiefür Fähigkeitszeugnisse verlangen.

Der Artikel 5 der Uebergangsbestimmungen hat eine Lage geschaffen, welche von Tag zu Tag unerträglicher wird. Einzelne Kantone haben äußerst leichte Prüfungen, welche von den Kandidaten aufgesucht werden, die sich zu schwach fühlen, die strengeren Examen anderer Kantone oder der Konkordatsbehörde bestehen zu können. Materiell ist das Resultat das nämliche, indem die durch sehr nachsichtige Jurys, ertheilten Patente den Kandidaten die nämlichen Rechte einräumen, wie die aus schwieriger erreichbaren Diplomen erzielten. Dies gilt besonders für die ärztlichen Berufe. Häufig sah man, daß Kandidaten, welche vor einer ernstlichen Jury nach einem ersten, ungenügenden Examen abgewiesen worden, sofort in den Hauptort des benachbarten Kantons reisten und bald darauf mit gehörigen Patenten versehen zurükkehrten, lange bevor ihre Mitschüler, die das Examen vor der erstem Jury fortsezen durften, ihre Prüfungen beendigt hatten.

Solche Erscheinungen führten begreiflicherweise zu vielen Rekltv mationen. Daher sehen wir, daß schon ein Jahr nach Inkrafttreten der neuen Bundesverfassung die Bundesversammlung die Nothwendigkeit erkannte, solchen Mißbräuchen unverweilt ein Ziel zu sezen, indem sie den Bundesrath einlud, ,,mit thunlichster B e f ö rd e r u n g Anträge über die Ausführung des Artikel 33, Absaz 2, der Bundesverfassung vorzulegen." (1. Juli 1875, Postulat Nr. 35.)

Im darauffolgenden Jahre sprach sich die mit, Prüfung der Geschäftsführung beauftragte Kommission des Nationalraths wie folgt aus : ,,Es ist wünschenswerth, daß mit Beförderung ein Gesezesprojekt über die. Erwerbung von für die ganze Eidgenossenschaft geltenden Patenten betreffend Ausübung wissenschaftlicher Berufsarten der Bundesversammlung vorgelegt werde, indem der Artikel 5 der Uebergangsbestimmungen, welcher bis zum Erlaß des Gesezes Regel macht, fühlbare Inkonvenienzen zur Folge hat. Man weiß, daß in einigen Kantonen solche Patente mit Leichtigkeit erhältlich sind. Also patentirte Personen gehen dann mit ihren Patenten in solche Kantone, wo deren Erwerbung schwierig ist, lassen sich da-

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selbst als Aeïzte, Thierärzte u. s. w., nieder, und schädigen durch ihre mangelhaften Kenntnisse das Publikum."

Mehrere Kantonsregierungen haben wiederholt ähnliche Reklamationen an den Bundesrath gerichtet. Lezterer hatte in seinem Berichte vom 9. Oktober 1874 an den Nationalrath, betreffend das Programm aber die Reihenfolge, in welcher die neuen Bundesgeseze zu erlassen wären, das im Artikel 33, 2. Alinea, vorgesehene Gesez in die II. Serie versezt (Bundesblatt 1874, III, 176).

Da die erste Serie nunmehr nahezu bereinigt und bereits Geseze aus der zweiten Serie zur Annahme gelangt sind, so ist es hohe Zeit, dem Postulate vom 1. Juli 1875 und den anderweitigen Begehren gleicher Richtung Folge zu geben.

Schon am 8. Mai 1875 hat das eidg. Departement des Innern den schweizerischen Aerz te-Verein, den Apotheker- und den JuristenVerein um ihre Ansichten und Wünsche bezüglich des 2. Alinea von Artikel 33 angegangen.

Unterm 9. März 1876 richtete das Departement auch ein Kreisschreiben an die Kantonsregierungen, enthaltend die Einladung, ihm ihre Geseze und Verordnungen über die Ausübung der wissenschaftlichen Berufsarten, sowie ihre diesfälligen Wünsche zur Kenntniß zu bringen.

; Wenn wir heute den Antrag stellen, diese Angelegenheit nur theilweise zu regeln, d. h. soweit sie die Freizügigkeit der Medizinalpersonen betrifft, so geschieht es, einerseits weil hiefür ein dringenderes Bedürfniß vorliegt, und anderseits weil über diesen Punkt weit abgeklärtere Ansichten walten.

Wir haben oben anerkannt, daß das 2. Alinea des Artikel 33 auf alle wissenschaftlichen Berufsarten angewendet werden kann ; wir glauben aber auch, daß hierüber nur successive, je nachdem sich eine Nothwendigkeit hiefür zeigt, Geseze erlassen werden sollen.

Diese Notkwendigkeit liegt aber noch gar nicht vor in Bezug auf die Lehrer und die Geistlichen, und auch in Bezug auf die Advokaten ist die Frage noch lange nicht so reif, wie betreffs der Medizinalpersonen.

Die Versammlung schweizerischer Juristen, welche am 3. und 4. September 1876 in Freiburg stattgefunden hat, war weit davon entfernt, über die zu treffende Lösung sich zu einigen. Eine stark vertretene Meinung sprach sich für völlige Freiheit der Advokatur .aus, wie solche in zehn-Kantonen unbedingt besteht und in maneheii andern Kantonen mehr oder weniger anerkannt
ist. Insbesondere ist zu berüksiehtigen, daß, so lange die hauptsächlichsten Reohtsmaterien noch nicht einheitlich -normirt sind, es schwer halten wird, ein Prüfungsprogramm featzusezen,

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und daß die anderweitigen Bestimmungen Über das Prüfungswesen (Fragen der Maturität, stage, Siz der Prüfungskommissionen etc ) noch allzu wenig studirt sind, als daß, man daran denken könnte, bereits jezt darüber Geseze aufzustellen.

Ganz anders -verhält es sieh mit den Medizinalberufen. Nur in zwei Kantonen (Appenzell A. Rh. und Glarus) besteht unbedingte Freigebung derselben. Die medizinische Wissenschaft ist überall die gleiche ; die Sprache ist hier nicht eine solche Schwierigkeit wie für die Advokatur, die Schule oder die Kirche. Ueberdies hat das Konkordat, welches zur Zeit der Erlassung der neuen Bundesverfassung schon 18 Kautone vereinigte, der eidgenössischen Gesezgebung bedeutend vorgearbeitet.

Auch ist es die Freizügigkeit der Medizinalpersonen, wie sie gegenwärtig nach dem Artikel 5 der Uebergangsbestimmungen sich gestaltet, was meistens, sozusagen einzig zu Reklamationen geführt hat.

Alle diese Gründe rechtfertigen also die Vorlage eines nur auf die Ausübung der Medizinberufe sich beschränkenden Gesezentwurfs.

Das eidgenössische Departement des Innern hatte anfänglich Herrn Dr. Ad. Z i e g I e r in Bern mit der Ausarbeitung dieses Entwurfs beauftragt. Allein die Funktionen eines Oberfeldarztes der schweizerischen Armee, welche Herrn Ziegler bald darauf überbunden wurden, verhinderten ihn, diesem Auftrage Folge zu geben, nöthigten ihn vielmehr, Ende September abhin una Entlastung von demselben nachzusuchen. Hierauf wurde Herr Dr. Friedrich M ü l l e r in Basel mit dieser Aufgabe betraut, welcher sich mit größter Beeiferung an dieselbe machte, so daß Anfangs des laufenden Jahres der Gesezentwurf nebst begleitendem Berichte der Oeffentlichkeit übergeben werden konnte.

Herr Dr. Müller war behufs seiner Arbeit im Besize der verschiedenen Eingaben und Antworten, welche wir theils von den Kantonsregierungen, theils von der schweizerischen ärztlichen Kommission und dem schweizerischen Apothekerverein erhalten halten.

Laut diesen Aktenstüken ist Jedermann darüber einig, daß der durch Artikel 5 der Uebergangsbestimmungen geschaffene Zustand ohne große Uebelstände nicht mehr fortbestehen kann, und daß die Bestimmungen des Medizinalkonkordates in den wesentlichen Punkten zur Grundlage der Prüfungsbedingungen genommen werden müssen.

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Lezteres ist erfreulich, weil es beweist, daß das Medizinalkonkordat von den Konkordatskantonen, wie auch vom Medizinalpersonal selbst, gehörig gewürdigt wird.

· Herr Dr. Müller resümirt die Anträge der Kantone über die Art, wie Artikel 33, 2. Alinea, in der eidgenössischen Gesezgebung fortentwikelt werden könnte, dahin: 1. Unter Aufsicht einer durch den Bund ernannten Behörde werden die vier medizinischen Fakultäten der Schweiz ermächtigt, Prüflingsausweise auszustellen, welche zur Praxis in der ganzen Eidgenossenschaft berechtigen. (Baselstadt in erster, Genf in zweiter Linie.)

2. Der Bund regelt unter Zugrundlegung der bisherigen Konkordatsbestimmungen das Prüfungswesen einheitlich, indem er in den vier schweizerischen Universitäts-Städten Prüfungskommissionen aufstellt, welche allein ermächtigt sind, ein für die ganze Schweiz giltiges Patent auszustellen. Eine Centralbehörde nach Art des jezigen leitenden Ausschusses hat die Aufsieht. (Zürich, 8t. Gallen, Neuenburg, Genf in erster Linie), (Appenzell A./Rh. in erster Linie), (Baselland, Schaffhausen ? Uri).

3. Der Bund erhebt einfach das bisherige Konkordat zum Bundesgesez, indem er für einen vierten Prüfungssiz in der romanischen Schweiz sorgt. Für die dem Konkordat nicht beigctretenen Kantone wird eine verbindliche Minirnalnorm der Anforderungen aufgestellt. (Baselstadt in, zweiter Linie, Appenzell A./Rh. in zweiter Linie.)

4. Der Bund beschränkt sich darauf, Minimalforderungen aufzustellen, von deren Ausweis die Befähigung zur Ausübung der Praxis abhängig gemacht werden soll.

Die Buudesbehörde hat zu untersuchen, ob die kantonalen Prüfungsreglemente diesen Minimalforderungen entsprechen, und deren Vollziehung zu überwachen. (Aargau, Tessin.)

Mehrere Kantone beschränken sich darauf, ihre Zufriedenheit mit dem Konkordat zu erklären und den Wunsch auszudrüken, daß bei irgend welcher Neugestaltung nicht unter die Anforderungen desselben gegangen werde. (Luzern, Zug, Solothurn, Graubündeu, welch' lezteres bloß die Maturitätsforderung in der Mathematik etwas zu hoch findet.)

Für einheitliche Regelung durch den Bund im Sinne von Nr. 2 haben sich außerdem entschieden ausgesprochen der Verein schweizerischer Aerzte und der Apothekerverein.

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Das Vorprojekt des Herrn Dr. Müller ist im Sinne der Forderung Nr. 2 abgefaßt, d. h. der einheitliehen Regelung durch den Bund mit Anwendung gemischter Prüfungskommissionen und unter Zugrundlegung der bisherigen Konkordatsbestimmungen.

Nachdem dieses Vorprojekt und der begleitende Bericht den Kantonsregierungen, den Medizinalfakultäten, beziehungsweise den schweizerischen Universitäten, sowie vielen Aerzten, Apothekern und Thierärzten mitgetheilt worden, hat das eidgenössische Departement des Innern nur eine kleine Anzahl von Gegenbemerkungen erhalten, welche der vom Departemente ernannten Vorberathungskommission unterbreitet werden konnten.

Diese Kommission bestand aus den HH. Dr. Sonderegger, Präsident des schweizerischen Aerztevereins, in St. Gallen; Prof. Dr. Fr. Müller in Basel ; Dr. Ad. Ziegler, in Bern; Prof. Dr. Cloëtta, in Zürich; ,, Dr. K. Vogt, in Genf; ,, Dr. Schär, in Zürich; ,, Buttin, Apotheker, in Lausanne ; Direktor Zangger, in Zürich ; Dr. Schaufelbüel, in Königsfelden ; Dr. Recordon, in Lausanne ; Stauffer, Thierarzt, in Neuenburg.

Nach einer sehr gründlichen Diskussion hat die Kommission, unter Anbringung einiger Redaktionsänderungen, das Vorprojekt des Herrn Dr. Müller, als eine dem Bundesrathe zu unterbreitende Vorlage, angenommen, mit Beifügung des Wunsches, daß die Präge mit Rüksicht auf ihre Dringlichkeit so beforderlich als möglich behandelt werde.

Angesichts der zu Tage getretenen Uebereinstimmung in den Ansichten der kompetenten Fachmänner in Bezug auf den Gesezentwurf des Herrn Dr. Müller darf man die Frage nahezu als gelöst ansehen, und es hat denn auch der Bundesrath an den Anträgen der Spezialkommission nur sehr wenige Abänderungen vorzunehmen.

Es erübrigt uns noch, den Gesezentwurf, den wir heule der Bundesversammlung unterbreiten, in seineu allgemeinen Grundzügen

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wie in den Details etwas näher zu begründen. Wir thun dies so gedrängt als möglich, indem wir im Uebrigen auf die beigegebenen zahlreichen Akten verweisen.

1. Allgemeine Grundzlige.

Das Gesez fußt auf den gleichen Grundsäzen, welche bei den Verhandlungen über die Revision der Bundesverfassung zur Geltung gelaugten, das heißt : Das Gesez hat zum Zweke, von Bundes wegen und in einheitlicher Weise die Erfordernisse zur Erlangung eines Arzt-, Apotheker- oder Thierarzt-Diploms zu regeln, womit die Befugniß der Kantone dahinfällt, ihrerseits solche Diplome auszustellen.

Unserer Auffassung nach war es nicht möglich -- wofern man dem Geiste treu bleiben will, der den Artikel 33 der Bundesverfassung diktirt hat -- auf die anderweitig vorgeschlagenen Auswege einzutreten, welche bereits oben angedeutet wurden, nämlich: Berechtigung der schweizerischen Medizinalfakultäten, für die ganze Eidgenossenschaft gültige Befähigungszeugnisse auszustellen ; einfache Annahme des Konkordates vom 2. Mai 1867, umgewandelt in ein Bundesgesez ; Feßtsezung eines Minimums, welches die Kantone bei den -- ihnen verbleibenden -- Prüfungen einzuhalten hätten.

Gegen die erste Art der Lösung vorliegender Frage (Diplomausstellung durch die Medizinalfakultäten) muß bemerkt werden, daß es in der Praxis gefährlich wäre, den Fakultäten in ausschließlicher und unwiderruflicher Weise alles, was auf die Prüfungen Bezug hat, anheimzugeben. Die überall gemachten Erfahrungen beweisen, daß die sich selbst überlassenen Fakultäten nach und nach in ihren Anforderungen lax werden, abgesehen davon, daß es schwieriger ist, einheitliche Kriterien zu erlangen. In Deutschland und in der Schweiz hat man schon seit Langem die Richtigkeit dieses Grundsazes erkannt ; in Frankreich und in Italien bemühen sich die einsichtigsten Professoren ebenfalls, zu einer Reorganisation der Prüfungen in dem Sinne zu gelangen, daß dieselben vom Staate geleitet werden.

Der zweite Lösungsausweg (einfache Umwandlung des jezigen Konkordats in ein Bundesgesez) hat folgende Gründe gegen sich : Ein einfacher Gesezgebungsakt würde nicht genügen. Es würden dennoch einige Hauptartikel des Konkordates müssen abgeändert

l

881 werden, zunächst Artikel l des Konkordates, welcher aussagt, daß Jeder, der in einem der konkordirenden Kantone die Bewilligung zur Ausübnng seines Berufes als Arzt etc. erlangen will, sich über seine Befähigung durch das Konkordatsdiplom ausweisen müsse.

Dem widerspricht Artikel 33 der Bundesverfassung, welcher den Kantonen freistellt, ob sie überhaupt einen Ausweis verlangen wollen oder nicht. Man konnte bisher im Konkordat wohl zur Freigebung der Praxis in Appenzell A./Rh. und Glarus ein Auge zudrüken, da das Konkordat nun einmal in diesem Wortlaute bestand und es im allgemeinen Interesse lag, jene Kantone darin zu behalten. Ein neues Gesez aber müßte diesen Verhältnissen nothweudig auch in redaktioneller Hinsicht Rechnung tragen. Sodann verträgt sich die in Artikel 2 aufgeführte Konkordats-Konferenz als Wahl- und Aufsichtsbehörde in ihrer dermaligen Zusammensezung nicht gut mit dem bundesstaatlichen und nichtföderativen Charakter, der dem neuen Gesez nothwendig muß gegeben werden. Als neue Centralbehörde (unter der Oberaufsicht des Bundesraths, resp. des eidg.

Departements des Innern) muß eine Aufsichtsbehörde in der Art des jezigen leitenden Ausschusses fungiren, die sich allenfalls für gewisse Geschäfte, z. B. zum Entwerfen von Ausführungsreglementen, durch weitere Beiziehung von aus der ganzen Schweiz gewählten Experten zu einem Aufsichtsrath erweitern könnte.

Da nun in diesen zwei wesentlichen Punkten, sowie weiterhin noch in weniger wichtigen dennoch das jezigc Konkordatsreglement umgearbeitet werden müßte, so wird es schon aus diesem Grunde vorzuziehen sein, von vorneherein auf eine einheitliche Regelung auszugehen. Hinsichtlich der Vorschriften speziell für die Prüfungen kann dennoch bis auf Weiteres das Konkordatsreglenicnt als Norm erklärt werden.

Was die dritte Lösung betrifft (Festsezung eines Minimums, das die Kantone einzuhalten hätten), so kann dieses Verfahren durch scheinbare Einfachheit auf den ersten Blik für sich bestechen; allein, näher betrachtet, ermangelt es durchaus nicht erheblicher Bedenken. Es würde dadurch wieder in fast allen Kantonen den ausschließlich aus praktizireuden Aerzten gebildeten Prttfungsbehörden gerufen, die man gerne durch das Konkordat beseitigt hat ; oder im glüklichen Falle würden sich wieder eine Anzahl Kantone auf dem Konkordats weg
zusammenthun, um neuerdings von unten an auf die Einheit des Verfahrens hinzuarbeiten. Die Réglemente könnte der Bund ganz wohl feststellen, allein das duo quum faciunt idem, non fit idem, würde sich bei dem ersten Kontrolversuch der Ausführung auf nicht zu verkennende Weise bewahrheiten.

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Uebrigens, wiederholen wir, würde weder die eine noch die andere, dieser drei leztera Lösungen dem Zweke entsprechen, den man bei Annahme dieses Punktes der Bundesrevision sich vorsezte.

Man wird bemerken, daß das Gesez in den Details sehr knapp gehalten ist, indem wir uns darauf beschränkten, nur wenige Grundsäze aufzustellen, dem Verordnungswege es vorbehaltend, sie weiter zu entwikeln un J auch die Vollziehung derselben je nach den Bedürfnissen und den Lehren der Erfahrung abzuändern.

Verschiedene Begehren, die vom Verein der Aerzte und von dem der Apotheker (in ihren ersten Eingaben) gestellt wurden, konnten nicht berüksichtigt werden, weil sie nicht io den Rahmen des zu erlassenden Gesezes gehören. So hätte der Aerzteverein gewünscht, daß im Geseze die Verpflichtungen und Vorrechte der durch die Bundesbehörde diplomirten Aerzte festgesezt würden.

Dieß ist nun aber offenbar nicht Sache eines Gesezes über Freizügigkeit des Medizinalpersonals, sondern der kantonalen Geseze über Sanitätspolizei und vielleicht eines Bundesgesezes über Epidemien (Artikel 69 der Bundesverfassung).

Der Apothekerverein verlangte unter Anderm, es solle der Artikel 31 der Bundesverfassungg in dem Sinne ausgelegt werden,> O O daß die durch denselben gewährleistete Handels- und Gewerbefreiheit auf den Apothekerberuf nicht Anwendung finde. Einem solchen Ansinnen könnten wir unmöglich entsprechen ; es stunde dasselbe im Widerspruche sowohl mit der in Rede stehenden Verfassungsbestimmung, als mit verschiedenen Schlußnahmen des Bundesrathes, welche bisher keinem Rekurse an die Bundesversammlung gerufen haben. Wir erinnern unter Anderm au den Beschluß, der gefaßt wurde anläßlich der V ei.Weigerung der Erlaubniß, eine Apotheke in Basel-Stadt zu errichten ; in dem betreffenden Falle haben wir dem Rekurrenten Recht gegeben, und dio Kantonsregierung eingeladen, diese Bewilligung zu ertheilen, gestüzt auf folgende Motivirung : ,,Gemäß Artikel 33 der Bundesverfassung und Artikel 5 dar Uebergangsbestimmungen derselben sind Personen, welche den wissenschaftlichen Berufsarten angehören und im Besize eines von einem Kantone oder einer Konkordatsbehörde ausgestellten Fähigkeitszeugnisses sind, befugt, ihren Beruf in der ganzen Eidgenossenschaft auszuüben. Der klare Wortlaut der allegirten Artikel läßt keinem Zweifel Raum, daß die
Freiheit, für die Ausübung eines wissenschaftlichen Berufes jede beliebige, Ortschaft im ganzen Umfange der Eidgenossenschaft zu wählen, nicht von der Frage abhängig gemacht werden darf, ob dort für den betreffenden Beruf ein Bedürfniß bestehe oder nicht. Rekurrent ist im Besize

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eines von der Regierung des Kantons Waadt ihm auf Grundlage bestandener Prüfung ausgestellten Fähigkeitszeugnisses. Sein Beruf als Apotheker gehört zu den wissenschaftlichen im Sinne des Artikel 33 der Bundesverfassung. Es sind bei ihm daher alle Erfordernisse vorhanden, um in der ganzen Eidgenossenschaft eine Apotheke zu eröffnen." (Bundesblatt 1876, II, 588.)

Diese Grundsäze scheinen uns streng verfassungsgemäß zu sein. Wenn nach dem Buchstaben der Litt, o von Artikel 31 vorbehalten sind : 7,0. Verfügungen über Ausübung von Handel und Gewerbe" so beeilt sich das folgende Alinea beizufügen : ,,Diese Verfügungen dürfen den Grundsaz der Handels- und Gewerbefreiheit selbst nicht beeinträchtigen."

Was anders folgt daraus, als daß für den Apothekerberuf, wie für andere Berufe, zwar besondere Vorschriften aufgestellt werden dürfen (näher präzisirte Einrichtungen, direkte Oberaufsicht der Polizeibehörde etc.), daß aber jeder, der diesen Vorschriften nachkommt, das Rocht hat, eine Offizin neben andern bestehenden zu eröffnen und dieser Konkurrenz zu machen ?

2. Detail-Prüfung des Entwurfs.

Für den französischen Text bietet der Titel des Gesezes eine Schwierigkeit. Die deutschen Worte : ,,Freizügigkeit des Medizinalpersonals" entsprechen nicht ganz dem Ausdruke im Französischen : ,,Ausübung des Arzt-, Apotheker- und Thierarzt-Berufes." Es hätte vielleicht im Französischen gesagt werden sollen : ,,libre établissement du personnel médical" ; allein das Wort ,,établissement" hat in unserer konstitutionellen Sprache eine besondere Bedeutung, welche den Begriff ,,Freizügigkeit" nicht genau wiedergegeben hätte. Auch die Worte : ,,freie Ausübung" vertreten einen verschiedenen Begriff. Wir fanden daher keinen andern Ausweg, die beiden Texte möglichst mit einander in Einklang zu bringen, als zu einer freien Uebersezung des fraglichen Ausdruks Zuflucht zu nehmen.

Art. 1. Der Ingreß deutet den Inhalt des ganzen Gesezes an.

Es sollen durch dasselbe die Bedingungen festgestellt werden, unter denen Medizinalpersonell in der ganzen Eidgenossenschaft sich etabliren können.

Littera a zählt die Medizinalberufe auf, für welche, eidgenössische Prüfungen vorgesehen sind: sie beschränken sich auf den Arzt-, den Apotheker- und den Thierarzt-Beruf. Indem die Bundesverfassung von wissenschaftlichen Berufsarten spricht, kann sie nur Bundesblatt.

29. Jahrg. Bd. II.

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solche im Auge haben, welche auf einer ernsten Wissenschaftlichen, auf einer Universität oder Fachschule erlangten Bildung beruhen.

In der Regel weiden sich in diese Kategorie nicht einreihen lassen der, Beruf-eines Zahnarztes, , eines Orthopädisten, .einer Hebamme.

Zur Ausübung · dieser leztern Berufe genügen gewöhnlich einige Spezialstudien oder richtiger gesagt eine so zu sagen mechanische Lehre. In einigen Monaten ertheilter Anleitung lassen sich Hebammen, Chirurgen, Zahnärzte bilden ; es handelt sich also hier um ein Handwerk, nicht um einen wissenschaftlichen Beruf. Uebrigens ist zu bemerken, daß nur von sehr wenigen Seiten das Begehren gestellt wurde, diese Spezialitäten -denjenigen einzureihen, für welche eidgenössische Diplome ausgestellt werden, und daß solche Begehren meistens fallen gelassen wurden. Selbstverständlich werden die Bestimmungen der kantonalen Gesezgebungen betreffend den Beruf eines Chirurgen, Zahnarztes, einer Hebamme etc., durch das projektirte Gesez nicht berührt.

.

Bei Litt, b hat man die Bestimmung angefochten, daß ohne Weiteres auch solche Personen obgenannter Berufsarten an den durch dieses Gesez ertheilten Rechten theilnehmen sollen, welche vor dem Inkrafttreten desselben eine kantonale Prüfung bestanden und auf Grund .derselben die Bewilligung zur Ausübung der Praxis in dem patentertheilenden Kanton erhalten haben. Es haben auch, offenbar im Hinblik auf wirklich oder vermeintlich während der nun schon zweijährigen Uebergangsperiode erschlichene Patente, sowohl der Verein der Aerzte, als der der Apotheker in., dieser Hinsicht Beschränkungen vorgeschlagen, welche den Zwek haben sollen, solche unlautere Elemente möglichst auszuschließen. Die Kommission des ärztlichen Vereins stellt die Forderung, daß zur Geltung solcher kantonalen Prüfungen noch zweijährige Praxis kommen müsse, und die Eingabe des Apothekervereins will denselben Zwek dadurch erreichen, daß sie sagt : ,,Alle vor einem bestimmten Termin, z. B. 1. Juli 1875, in der Schweiz für ihren Beruf diplomirten Medizinalpersonen sollen unbedingt Freizügigkeit genießen ; von dem besagten Zeitpunkt bis zum Erlaß des eidgen.

Prüfungsreglements sollen nur solche Diplome dazu berechtigen, welche von der Behörde des Medizinal-Konkordats, eventuell eines in seinen Anforderungen auf gleicher Höhe stehenden Kantons
aufgestellt sind, in welch lezterm Fall solches durch den leitenden Ausschuß des Konkordats oder durch das eidg. Departement des Innern zu konstatiren wäre."

Nach unserm Dafürhalten hätte der Bund nicht das Recht, angesichts des Artikel 5 der Uebergangsbestimmungen solche Be-

835 schränkungen aufzustellen. Ueberdies würden die von daher gehofften Vortheile durch ernstliche Uebelstände mehr als aufgewogen.

O Alinea c befaßt sich mit denjenigen, welche im Besize eines im Auslande ausgestellten Befähigungsausweises sind. Hier haben sich zwei verschiedene Ansichten geltend gemacht : von einer Seite wurde beantragt, in diesem Punkte die Ausländer den Schweizern gleichzustellen, ohne Forderung des Gegenrechts ; von anderer Seite wurde dagegen Werth auf die Einhaltung des Gegenrechts gesezt.

Die Fassung des Entwurfes hat bezwekt, und wie wir glauben auch erreicht, diese beiden Anschauungen zu vereinigen. Wir stipuliren also einerseits die einfache Zulassung der Diplome anderer Staaten, mit denen wir im Gegenrechtsverhältniß stehen, und was die andern Fälle betrifft, so wird es Sache der Aufsichtsbehörde sein, auf Grund der vorgelegten Ausweise zu entscheiden, unter welchen Bedingungen das nunmehr nothwendig werdende eidgenössische Diplom zu ertheilen sei.

Diese leztere Bestimmung ist sehr freisinnig und zugleich auch sehr praktisch : sehr freisinnig, weil sie nicht für diese oder jene Nationalität irgend ein Vorrecht bezüglich der wissenschaftlichen ' Befähigung schafft ; sehr praktisch, weil sie die Einholung von Erkundigungen auf die Centralbehörde überträgt, während solche für die Kantonsregierungen mit viel größern Schwierigkeiten verbunden wären, und weil sie dadurch eine wirkliche Gleichheit sichert in Bezug auf die Würdigung der Gültigkeit der vom Auslande herrührenden Ausweise. Wir reserviren jedoch, wie oben bemerkt, das Recht der Kantone, geeignete Maßnahmen zu treffen gegenüber ausländischen Aerzten, die an unsern Grenzen Wohnsiz haben oder in schweizerischen Bad- oder Fremden-Anstalten Aufenthalt nehmen.

Lemma d erscheint als eine Beorderung des Anstandes und hat zu keinen Bemerkungen Anlaß gegeben. Eine analoge Bestimmung findet sich auch im Konkordatsreglement (Uebergangsbestimmungen §42, Lemma 4); nur erstrekt sie sich dort bloß auf die. Examinatoren und deren Suppleanten. In der Praxis jedoch wurde wohl schon überall in der Schweiz nach diesem Vorschlag verfahren.

Artikel 2 schreibt vor, daß nur solche zur Prüfung zugelassen und eines eidgenössischen Diploms theilhaftig werden können, welche das Fähigkeitszeugniß für den ganzen Umfang des Berufes verlangen.
Diese Bestimmung bezieht sich in praktischer Hinsicht natürlich bloß auf die Aerzte, ist aber hier nicht unwesentlich. Alle zivilisirten Staaten gehen schon lange darauf aus, das Institut der medici minorum gentium als ein wissenschaftlich unwürdiges auf den Aus-

886 sterbeetat zu sezen. Es hieße daher, sich vergebliche Mühe geben, wollte man diesen Grundsaz erst noch begründen. Da, wo man jene Einrichtung noch aufrecht erhält (z. B. officiers de santé in Frankreich), verstekt man sich hinter den Vorwand lokalen Aerztemangels. In Nordamerika scheint das Betreiben einersogenannten Spezialität nur auf dem Wunsche zu beruhen, die Muhen einer allseitigen ärztlichen Ausbildung möglichst zu reduziren. Es wird natürlich keinem Staat einfallen, den Arzt zur Ausführung aller chirurgischen, gynäcologischen, ophthalmiatrischen etc. Operationen zu Verpflichten ; allein soviel darf und soll er verlangen, dass derjenige, der sich Arztschelten läßt, auf allen diesen Gebieten wenigstens so zu Hause ist, daß er eine vernünftige Einsicht in den Zusammenhang aller Zweige der Medizin besizt und in allen dringenden Fällen eine sachverständige Hülfe leisten kann.

Die Artikel 3 bis 5 beschlagen die Organisation der verschiedenen mit dem Prüfungswesen zusammenhängenden Behörden,i deren o O es drei sind, eine beaufsichtigende, eine leitende, und verwaltende, und eine · ausführende.

Artikel 3. Wie bis jezt das Konkordat, so soll auch in Zukunft die Leitung und Verwaltung des Prüflingswesens unter der Oberaufsicht des Departements des Innern stehen. Dasselbe ernennt die Examinatoren auf den Antrag (les leitenden Ausschusses und nimmt am Schlüsse des Jahres den Bericht und die Rechnung dieser Behörde entgegen.

Artikel 4 handelt von der unmittelbar leitenden und verwallenden Centralbehörde. Welchen Namen dieselbe führen soll, ist von keinem Belang; unter dem Konkordat heißt sie ^leitender Ausschuß", und es- ist kein Grund vorhanden, sie nicht fürder ebenso zu nennen, Ueber die Notwendigkeit einer solchen Behörde kann wohl kein Zweifel bestehen ; selbst Basel-Stadt, das in erster Linie ohne Weitere die medizinischen Fakultäten .der · schweizerischen: Hochschulen als die ausführenden Prüfungsbehörden erklärt zu sehen wünscht, verlangt eine solche Centralbehörde, um die Einheit des Verfahrens aufrecht zu erhalten. Hervorragende wissenschaftliehe Begabung braucht e's dazu nicht, sondern nur einige Geschäftskenntniß und vor Allem- den festen Willen, die Würde der wissenschaftlichen Berufsarten .,, durch strenge Unparteilichkeit zu schüzen. So wird es denn jeweilen wohl gelingen, diese
Posten mit geeigneten Männern zu besezen. Eine nicht unwesentliche und zuweilen recht unangenehme und zeitraubende Aufgabe des leitenden Ausschusses besteht in der, Prüfung der Papiere der sich anmeldenden Bewerber. Im Konkordat besteht jene Behörde aus drei

887

Mitgliedern, entsprechend den drei Prüfungssizen ; inskünftig wäre sie um ein oder besser zwei weitere Mitglieder aus der romanischen Schweiz zu vermehren.

Artikel 5 handelt von den Prüfungskommissionen als den eigentlichen ausführenden Behörden für das Prüfungswesen. Es versteht sich wohl von selbst, daß, wie bisher, so auch weiterhin die Lehrerschaft unserer Hoch- und Fachschulen den eigentlichen Kern dieser Kommissionen bildeu wird. Ausschließlich jedoch dio Hoch- und Fachschullehrer als Examinatoren zu erklären, da/u könnte man nach reiflicher Prüfung nicht rathen, und zwar eines Theils aus denselben theoretischen Gründen, welche seiner Zeit bei Einführung des Konkordates für staatliche, also gemischte Prüfungskommissionen sind geltend gemacht worden, und andern Theils namentlich deswegen nicht, weil die nun vierjährigen Erfahrungen des Konkordates durchaus zu Gunsten der Beiziehung wissenschaftlich gebildeter Praktiker (flenn nur von solchen kann die Rede sein) sprechen.

Ein freundlicher wissenschaftlicher Verkehr wird dadurch zwischen den Lehrern und den ehemaligen Akademikern unterhalten, an welchem auch diejenigen Kautone sich zu betheiligen Gelegenheit bekommen, welche keine höchsten Unterrichtsanstalten besizen. So bezieht z. B. die jezige Prüfungskommission Basel Mitglieder und Suppleanten aus nicht weniger als sechs andern Kantonen. Einzig der Kostenpunkt könnte mit einiger Berechtigung als Gegengrund aufgeführt werden. Es dürften aber die erwähnten Vortheile einer gewissen Solidarität zwischen den Universitäten und dem Staat so einleuchtend sein, daß diese immerhin nicht sehr erhebliche Kostenvermehrung nicht dagegen aufkommen kann.

Lemma 2 fügt den bisherigen Prüfungssizen einen weitem in Genf bei. Bis zum Inkrafttreten dieses Gesezes wird sich die neugegründete Fakultät soweit konsolidirt haben, daß die Einrichtung einer Prüfungskommission keinen namhaften Schwierigkeiten begegnen sollte. Es scheint uns auch, daß Lausanne, welches eine Schule für Pharmacie besizt, als ein Siz der pharmaceutischen Prüfungskommission für die romanische Schweiz bezeichnet werden könnte. Dagegen wird es wohl möglich sein, die Diplome anzuerkennen, welche man in Italien als Equivalent für die eidgenössischen Diplome (Art. l, Litt, c) zu nehmen im Falle ist.

Die deutsche und die französische Schweiz
hätten also ihre eigenen Size ; was die italienische Schweiz betrifft, so liegt für die Kandidaten derselben keine allzu große Schwierigkeit vor, da man vor allem die Kenntniß zweier Sprachen verlangt, und die Tessiner also das Deutsche oder das Französische als diejenige Spruche wählen können, in welcher sie das Examen zu bestehen haben.

Artikel 6 enthält in gedrängter Fassung die Hauptpunkte, welche in der vom Bundesrath zu erlassenden, dem jezt gellenden Konkordatsreglement analogen Ausführungsverordnung Plaz finden sollen.

, ,, Es entspricht dem- allgemein geäußerten Wunsche sowohl der Regierungen aller Konkordatsstände, als auch des schweizerischen Aerzte- und des Apothekervereins, daß, einige zeitgemäße Abänderungen vorbehalten, das Konkordatsreglement im Wesentlichen als Muster dienen solle. Nach unserm Dafürhalten steht nichts entgegen, daß dieser Wunsch berüksichtigt werde, da bis zum Erlaß des neuen Prüfungsreglements das Konkordatsreglement, dessen in den Hauptsachen wenig veränderte Kopie jenes sein wird, ganz wohl aushelfen kann, Ohnedies wird es ja indicirt sein, hinsichtlich etwaiger Abänderungen, betreffend namentlich die Prüfungsfächer, die Ansichten und Wünsche der Fakultäten einzuholen.

Wie verlautet, haben schon mehrmals Konferenzen der leztern in dieser Sache stattgefunden,die indeß bis jezt noch zu keinem.gemeinschaftlichen Vorschlag geführt haben.

An diesen Artikel knüpft sich die so bestrittene, gewichtige Frage der, Maturitätsprüfungen. Während die Einen sagen : diese Prüfungen sind nicht nothwendig ; die Universitäten müssen sich allen öffnen, die sich melden, und dürfen sich nicht darum bekümmern, ob,, wie und wo ihre Studenten sich zu den Kursen derselben vorbereitet haben, sondern vielmehr darum, wie viel sie dabei vorwärts gekommen sind, -- halten Andere durchaus an den Maturitätszeugnissen fest und selbst unter den Anhängern dieser leztern Ansicht besteht noch eine tiefere Differenz über die den eigentlichen klassischen Studien beizulegende Bedeutung.

Wiewohl wir unserseits durchaus von der Notwendigkeit der Aufrechthaltung der Maturitätsprüfung und namentlich auch davon überzeugt sind, daß den literarischen Fächern der ihnen im Sekundarunterricht gebührende Plaz gewahrt werden muß, so halten wir doch anderseits dafür, .daß. die, Frage ja dieser Form nicht in das Gebiet der Gesezgebung gehört. DerStreit dauert schon seit langer Zeit und ist noch weit von seiner Beilegung entfernt. Die Anforderungen, welche der Bund in Bezug auf die Befähigungsausweise für die wissenschaftlichen Berufsarten stellen wird, werden zwar allerdings nicht verfehlen, indirekte auf den Gang und Urnfang des Sekundarunterrichts
zu influenziren. Anderseits ist aber nicht aus dem Auge zu verlieren, daß die Gesezgebung über den Sekundarunterricht nicht in der Kompetenz der Bundesbehürde liegt und daß

889 es nicht angemessen wäre, die Entwiklung desselben mehr odor weniger, sei es in dieser oder in jener Richtung, zu beschränken durch Bestimmungen über die Ausübung von Berufsarten, welche sich vielfach aus Zöglingen der Gymnasien und der Sekundärschulen rekrutiren. Es ist besser, die ganze Materie der Vollziehungsverordnung anheimzugeben, welche leichter den zu Tage tretenden Anschauungen und Bedürfnissen angepaßt werden kann.

In diesem Sinne hat die Vorberathungskommission des eidg.

Departements des Innern sich dahin einigen "können, einen im Entwürfe des Herrn Dr. Müller stehenden Zusaz zu Litt, b zu streichen, des Inhalts : daß die von den Aspiranten geforderten Kenntnisse mindestens diejenigen erreichen sollen, welche durch das bisher geltende Medizinalkonkordat verlangt werden. Damit wollte Hie z. B. die Frage offen lassen, ob das Austrittszeugniß einer Realschule auf den gleichen Fuß zu sezen Sei wie dasjenige eines Gymnasiums -, eine Frage, die also nicht präjudizirt ist, sondern mit aller wünschbaren Reiflichkeit wird geprüft werden. Die Hauptsache ist, daß die Bundesversammlung wisse, daß ea durchaus nicht unsere Meinung ist, die propädeutischen Studien der künftigen Aerzte, Apotheker und Thierärzte schmälern zu wollen. Im Gegentheil bedürfen wir immer mehr solche Männer, die für die Ausübung dieser Berufe wohl vorbereitet sind, deren Zugang allzuleicht zu machen man sich hüten muß.

Nach Alinea c wird das Reglement die Prüfungsgebühr festsezen. Dieselbe ist soweit thunlich so zu berechnen, daß sie die Kosten der Verwaltung dekt. Der allfällige Ausfall wird natürlich durch die Bundeskasse zu trogen sein. Nach den Erfahrungen mit dem Konkordate, das nicht alle Kantone umfaßte, werden wir kaum einen höhern Ausfall als einige Tausend Franken, wenn sich überhaupt ein Ausfall zeigt, in Aussicht zu nehmen haben!

Artikel 7 enthält eme Uebergangsbestimmung, deren Nothwendigkeit schon oben anerkannt wurde. Man hat die Frage diskutirt, ob mau nicht den Gesezentwurf mit, einem- eventuellen Reglementsentwurf begleiten solle ; hat dann aber hierauf verzichtet, weil die Erlassung des Gesezes dringend ist, das neue Reglement aber eine sorgfältige und daher Zeit erfordernde Durchberathung erheischt, besonders soweit es Bezug hat auf die Maturitätsprüfung, und weil inzwischen das Konkordatsreglement vollkommen genügen kann.

· .. ·

890 Indem wir diese Darlegung der Gesezesmotive hiemit schließen, erübrigt uns noch, den Gesezentwurf der Bundesversammlung zu einer beförderlichen Durchberathung und Annahme zu empfehlen.

Genehmigen Sie, Tit., die Versicherung vollkommenster Hochachtung.

B e r n , den 18. Mai 1877.

Im Namen des Schweiz. Bundesrathes, Der Vizepräsident: Schenk.

Der Kanzler der Eidgenossenschaft:

,

Schiess.

891

(Entwurf)

Bundesgesez betreffend

die Freizügigkeit des Medizinalpersonals in der schweizerischen Eidgenossenschaft.

Die Bundesversammlung der s c h w e i z e r i s c h e n E i d g e n o s s e n s c h a f t , in Ausführung des Artikels 33, zweites Lemma der Bundesverfassung ; nach Einsicht einer Botschaft des Bundesrathes vom 18. Mai 1877, beschließt: Art. 1. Zur freien Ausübung ihres Berufes im Gebiete der ganzen Eidgenossenschaft sind befugt : a. diejenigen Aerzte, Apotheker und Thierärzte, welche nach Maßgabe dieses Gesezes ein eidgenössisches Diplom erworben haben, b. diejenigen Personen der genannten Berufsarten, welche vor dem Zeitpunkt des Inkrafttretens dieses Gesezes ein Diplom des Konkordats vom 2. August 18G7 oder auf eine kantonale Prüfung hin eiu Paient erworben haben, das zur unbedingten Praxis in demjenigen Kanton berechtigt, welcher dasselbe ausgestellt bat;

892 C. diejenigen Personen der genannten Berufsarten, welche in ausländischen . Staaten auf Grund eiuer abgelegten Prüfung ein Diplom zur unbedingten Ausübung der Praxis im Gebiete der betreffenden Staaten er-yvorben haben, falls mit diesen Staaten auf dem Vertragswege Gegenseitigkeit vereinbart ist. In allen andern Fällen hängt es von dem Ermessen der Aufsichtsbehörde ab, auf Grund der Ausweise zu bestimmen, , unter welchen. Bedingungen die Gewährung des Diploms : z,u erfolgen hat; .

d. alle an schweizerischen Hochschulen oder an den betreffenden Fachschulen angestellten Lehrer der genannten Berufsarten.

Art. 2. Zur Prüfung wird kein Bewerber zugelassen, der nicht das Zeügniß der, Befähigung für den ganzen Umfang einer der im Art. l j Lemma a bezeichneten Berufsarten vei'langt.

Art. 3. Die Leitung und Verwaltung des Prüfungswesens steht unter Aufsicht des eidg. Departements des Innern. Dasselbe ernennt, die Prüfungskommissionen auf Antrag des leitenden Ausschusses (Art. 4) und läßt sich von lezterm jährlich Bericht und Rechnung erstatten.

Art. 4. Fane vom Bundesrath ernannte Aufsichtsbehörde (leitender Ausschuß) prüft die Ausweise der sich Anmeldenden, überwacht die Prüfungen und sorgt für Einheit des Verfahrens.

Art. 5. Die Prüfungskommissionen sind aus Lehrern der höhern schweizerischen Lehranstalten und aus geprüften Praktikern zu bestellen.

Sie werden jeweilen von einem Mitglied der Aufsichtsbehörde präsidirt und haben an einer der vier schweizerischen Hochschulen ihren Siz, außerdem für Prüfungen der Apotheker auch in Lausanne.

893 Art. 6. Eine vom Bundesrath zu erlassend« Ausführungsverordnung (Prüftnigsregulativ) regelt: a. die Organisation und die Entschädigung der Prüfungsbehörden und den Gang der Prüfungen; b. die wissenschaftlichen Anforderungen an die Bewerber ; c. die Prüfungsgebühren.

Art. 7. Bis zur Annahme des eidgenössischen Prüfungsreglements sollen die Bestimmungen^ welche gegenwärtig für die Prüfungen des Medizinalkonkordats in Kraft bestehen, maßgebend sein.

Art. 8. Der Bundesrath ist beauftragt, gemäß den Bestimmungen des Bundesgesezes vom 17. Brachmonat 1874, betreffend die Volksabstimmung über die Bundesgeseze und Bundesbeschlüsse, vorliegendes G-esez bekannt zu machen und den Zeitpunkt seines Inkrafttretens festzusezen.

894

# S T #

Bundesgesez betreffend

die politischen Rechte der Niedergelassenen und Aufenthalter und den Verlust der politischen Rechte der Schweizerbürger.

(Vom 28. März 1877.)

Die B u n d e s v e r s a m m l u n g der schweizerischen Eidgenossenschaft, in Ausführung von Art- 43, 45, 47, 66 und 74 der Bundesverfassung; nach Einsicht einer Botschaft des Bundesrathes vom 25. Oktober 1876, beschließt:

I. Unterschied zwischen Niederlassung und Aufenthalt und Beurkundung dieser Verhältnisse.

Art. 1. Ein Schweizerbürger, welcher in einer andern O i als seiner Heimatgemeinde festen Wohnsiz nehmen will, hat bei der durch die Kantonalgesezgebung hiefür bezeichneten Stelle nach freier Wahl entweder eine Niederlassungs- oder Aufenthaltsbewilligung nachzusuchen.

Schweizerisches Bundesarchiv, Digitale Amtsdruckschriften Archives fédérales suisses, Publications officielles numérisées Archivio federale svizzero, Pubblicazioni ufficiali digitali

Botschaft des Bundesrathes an die hohe Bundesversammlung, betreffend einen Gesezentwurf über Freizügigkeit des Medizinalpersonals in der Schweiz. (Vom 18. Mai 1877.)

In

Bundesblatt

Dans

Feuille fédérale

In

Foglio federale

Jahr

1877

Année Anno Band

2

Volume Volume Heft

25

Cahier Numero Geschäftsnummer

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Numéro d'affaire Numero dell'oggetto Datum

02.06.1877

Date Data Seite

869-894

Page Pagina Ref. No

10 009 576

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