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Schweizerisches Bundesblatt

29. Jahrgang. HL

Nr. 34.

28. Juli 1877.

J a h r e s a b o n n e m e n t (portofrei in der ganzen Schweiz): 4 Franken.

E i n r ü k u n g s g e b ü h r per Zeile 15 Kp. -- Inserate sind franko an die Espedition einzusenden.

Druk und Expedition der Stämpflischen Buchdrukerei in Bern.

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Bericht der

Kommission des Ständerathes über den Beschlussentwurf vom 28. Mai betreffend die Ausgabe von verzinslichen

Kassescheinen.

(Vom 12. Juni 1877.)

In Begleit der Botschaft vom 28. Mai") hinterbringt der Bundesrath der Bundesversammlung den Antrug, ihm die Vollmacht zu ertheilen, die für Dekung von Rechnungsdefiziten, sowie von allfälligen unvorhergesehenen Ausgaben erforderlichen Geldmittel durch Ausgabe von verzinslichen terminirten Kassescheinen zu beschaffen, ohne daß der Umfang dieser Emission jezt schon limitirt oder über Consolidirung oder Rükzahlung dieser Scheine etwas festgestellt werde.

In der Motivirung seines Antrages geht der Bundesrath von den vom Nationalrath erheblich erklärten Motionen der Herren Nationalräthe Dr. Joos und Stämpfli aus, von denen die erste die Ausgabe unverzinslicher Bundeskassescheine und die, Errichtung einer Bundesbank, die zweite die Erlassung eines Bundesgesezes über Ausgabe und Einlösung von Banknoten und Besteuerung derselben zu Gunsten des Bundes zum Zweke haben, und es glaubt *) Bundesblatt v. J. 1877, Band III, Seite 48.

Bundesblatt. 29. Jahrg. Bd. III.

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458 der Bundesrath Uebereinstimmung des Zwekes dieser Motionen und desjenigen seines Antrages darin zu erbliken, daß auch die erstem die Vermehrung der Einnahmen des Bundes anstreben.

Diese Absicht liegt als einziger Zwek mehreren anderen Traktanden zu Grunde, die der Bundesrath in dieser Botschaft nicht erwähnt, während sie in den erwähnten Motionen nur als Nebenzwek auftritt. Ein Zusammenhang zwischen allen diesen Anträgen und denjenigen des Bundesrathes vom 28. Mai kann nur darin erblikt werden, daß die erstem das gestörte Gleichgewicht zwischen den normalen Einnahmen und Ausgaben des Bundes in definitiver Weise wieder herzustellen trachten, während der Bundesrath für die Periode bis zur Erledigung jener Vorschläge und Beginn ihrer Wirksamkeit das unter diesen Umständen kaum zu vermeidende Mittel eines Anleihens und zwar eines interimistischen vorschlägt.

Diese Maßregel an sich kann freilich nicht als empfehlenswerth betrachtet werden, weil es den Grundsäzen einer soliden Staatsökonomie widerstreitet, normale Verwaltungsdefizite durch Anleihen zu deken, es wäre denn, daß dieselben von kurzer Dauer wären und aus den regulären Einnahmen wieder zurükbozahlt würden, was bei der in Frage stehenden Operation kaum zum voraus wird festgestellt werden können. Das einzige Mittel, diesen Uebelstand zu vermeiden, bestünde darin, auf Grundlage des Art. 43, litt, f der Bundesverfassung für den nöthigec Bedarf Geldbeiträge der Kantone einzufordern. Allein die Anschauung, daß solche Beiträge nur für außerordentliche Bedürfnisse, nicht aber zu Bestreitung regelmäßiger Verwaltungsausgaben gefordert werden sollen, ist, wenn auch nicht durch die Bundesverfassung, so doch durch lange ununterbrochene Observanz so fest gewurzelt, daß ein Vorschlag auf Inanspruchnahme dieser Hilfsquelle von vornherein keine Aussicht auf Erfolg hätte. Wenn daher die zu beschaffenden Dekungsmittel im gegenwärtigen Augenblik wirklich nur in der Form eines Anleihens beschafft werden können, so fragt es sich im -Fernern, ob dieses Anleihen in Form verzinslicher, terminirter Staatskassescheine (Eigenwechsel), wie der Bundesrath vorschlägt, oder als festes, wenn auch in kürzerer Zeit wieder zurükzahlbares Staatsanleihen gegen Bundesobligationen mit Zinscoupons abgeschlossen werden solle. Nach längern Berathungen hat die Mehrheit der Kommission
der leztern Form den Vorzug gegeben und zwar aus folgenden Gründen. Es ist zwar keinem Zweifel unterworfen, daß im gegenwärtigen Augenblik solche verzinsliche Bundeskassascheine zu günstigen Konditionen ausgegeben werden könnten.

Nach den aus bester Quelle geschöpften Erkundigungen der Kommission könnten solche Mandate per 3 Monate gegenwärtig zu 3J/2 °/o angebracht werden, wogegen ,6- und 12-Monatpapiere natür-

459 lieh entsprechend höhere Prozente offeriren würden. Schon bei 12-Monat-Mandaten wäre der Zinsfuß schwerlich niedriger als derselbe bei einem definitiven Staatsanleihen sich gestalten würde, und doch würden auch diese mindestens einmal, diejenigen von kürzerer Scadenz mehrmals erneuert werden. Die Chancen dieser Erneuerungen entziehen sieh jeder menschlichen Berechnung, besonders in einem Augenblik, in welchem cer Eintritt politischer Wirren von verwegener Hand provozirt werden zu wollen scheint. Die Mehrheit wünscht die ungünstigen Chancen mehrmaliger Prolongationen von vornherein zu vermeiden und zieht vor, auf die günstigen Offerten für Mandate von kurzer Verfallzeit gänzlich zu verziehten, als Gefahr zu laufen, die dadurch erzielte Ersparniß durch einen sehr hohen Diskontosaz wieder einzubüßen, der bei denjenigen Erneuerungen unzweifelhaft eintreten würde, die in den Zeitpunkt einer Zirkulationskrisis fallen würden. Die Mehrheit findet auch, daß es wohl gethan sei, das Hilfsmittel der Ausgabe von Bundeskassescheinen für völlig unerwartet eintretende außerordentliche Bedürfnisse zu reserviren, weil dieselben das einzige Mittel bilden, um s o f o r t eine größere Summe für den Bund erhältlich zu machen.

Die Minderheit dagegen ist der Ansieht, daß, so lange der Gesammtbetrag solcher Kassescheine den Betrag einiger Millionen nicht übersteigt, deren Ausgabe und Erneuerung auch in kritischeren Zeiten zu billigen Conditionen werde erfolgen können. Das Vorgehen der Regierungen des deutsehen Reiches und Englands (Economist, March 24 1877, Neue Freie Presse 9. Juni 1877), welche gerade in diesem Augenblik solche Tresorscheine mit ganz kurzer Scadenz, 2 -- 3 Monate, in größeren Beträgen mit sehr niedriger Escontirung mit bestem Erfolg ausgeben, während für sie die ungünstigen Chancen der Erneuerung in Perioden von Zirkulationskrisen in ganz gleichern Maße sich fühlbar machen würden, wie für die schweizerische Staatskasse, enthält eine gewichtige Empfehlung ihres Vorschlags. Um indessen die in Folge von Geldkrisen möglicherweise eintretenden Verlegenheiten auf das kleinste Maß zu reduziren, empfiehlt die Minderheit die Annahme von Offerten solcher schweizerischer Banken, welche sich auf Abschluß fester Darleihen auf 2 Jahre zu billigen Conditionen (z. B. 4l/2 %,, Zins, nebst einer einmaligen Provision
von 1,»%)) beziehen, was zur Folge haben dürfte, daßKassescheinee nur noch für geringere Beträge ausgegeben werden müßten. Ueberdies findet die Minderheit, daß eine Operation, welche die Dekung vorübergehender normaler Verwaltungsdefizite zum Zwek hat, auch durchaustransitorischenn Charakter an sieh tragen soll, und daß es keinen günstigen Schein auf die schweizerischeFinanzverwaltungg werfen würde, wenn für ein derartiges vorübergehendes Bedürfniß die Form eines förmlichen

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definitiven Staatsanleihens gewählt würde, gesezt auch, daß für dasselbe ein verhältnißmäßig kurzer Rükzahlungstermin in Aussieht gestellt würde. Denn es können dabei immer Zweifel bestehen bleiben, ob diese Remboursirung lediglich in der Form der Convertirung erfolgen werde.

Darüber ist die Kommission einig, daß in allen Fällen die Ermächtigung zu dem beantragten Anleihen von Anfang an fest limitirt werden müsse, immerhin in der Weise, daß dabei auch Fälle unvorhergesehener Bedürfnisse hinreichend berüksichtigt werden. Eswiderspricht den konstitutionellen Grundsäzen, daß die gesezgebende Gewalt der Exekutive für normale Bedürfnisse unbeschränkte Kredite bewillige, und es soll dies von lezterer auch nicht verlangt werden. Der Gesammtbetrag der Staatsrechnungsdefizite pro 1876 und 1877 wird .

.

. Fr. 7,000,000 betragen. Hievon kann gedekt werden : durch die bei Schweiz. Banken liegenden Depositen Fr. 2,800,000 durch Liquidation disponibler Werthschriften ,, 1,314,000 zusammen - ,, 4,114,000 bleiben also durch Anleihen zu deken .

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. Fr. 2,886,000 oder in runder Summe Fr. 3,000,000.

Um nun abgesehen von der durch Bundesgesez vom 16. März 1877 über die Anlage eidg. Staatsgelder vorgesehenen Reserve von l Million Franken bei der bevorstehenden Operation noch auf eine extraordinäre Reserve für unvorhergesehene Ereignisse einigermaßen Bedacht zu nehmen, beantragt die Minderheit, den Anleihenskredit auf das Maximum von 4 Millionen Franken festzusezen, während die Mehrheit das von ihr empfohlene Staatsanleihen auf 5 Millionen Franken festzusezen beantragt.

Die Anträge der Mehrheit und der Minderheit der Kommission gestalten sich nun folgendermaßen : A n t r a g der Mehrheit.

1. Der Bundesrath wird ermächtigt, die zum Zweke vorübergehender Dekung von Rechnungsdefiziten, sowie allfälliger außerordentlicher unvorhergesehener Ausgaben erforderlichen Geldmittel durch ein auf die Dauer von 5 Jahren abzuschließendes Staatsanleihen von 5 Millionen Franken zu beschaffen und zu diesem Ende hin Obligationen mit Zinscoupons für 5 Jahre auszugeben.

Der Zinsfuß wird vom Bundesrath bestimmt.

461 2. Vor Schluß des Jahres 1879 wird der Bundesrath der Bundesversammlung Anträge über die Beschaffung der Mittel zur Rükzahlung dieses Anleihens hinterbringen.

3. Gegenwärtiger Beschluß wird als dringlich erklärt und tritt sofort in Kraft.

Antrag der Minderheit.

1. Der Bundesrath wird ermächtigt, die zum Zweke vorübergehender Dekung von Rechnungsdefiziten, sowie allfälliger außerordentlicher unvorhergesehener Ausgaben erforderlichen Geldmittel bis auf Weiteres nach Maßgabe des Bedürfnisses durch Abschluß fester Darlehens vertrage mit einer oder mehreren schweizerischen Banken oder durch Ausgabe von verzinslichen terminirten Kassescheinen zu beschaffen. Der Gesammtbetrag der auf diese We se erhobenen Geldmittel darf die Summe von 4 Millionen Franken nicht übersteigen.

2. Die Auswahl zwischen den beiden angegebenen Beschaffungsarten, sowie die Bestimmung des Zinsfußes liegen dem Bundesrath ob. Der Zinsfuß der Kassescheine ist zu publiziren.

3. In der ersten Hälfte des Jahres 1879 wird der Bundesrath der Bundesversammlung über die Rükzahlung dieser Vorschüsse die geeigneten Anträge hinterbringen.

4. Gegenwärtiger Beschluß wird als dringlich erklärt und tritt sofort in Kraft.

B e r n , 12. Juni 1877.

Namens der ständeräthliehen Kommission Sulzer.

Mitglieder der Kommission : Dr. S n l z er.

Nagel.

Vigier.

F r e u 1er.

T hei l er.

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Bericht der

ständeräthlichen Commission über den Gesetzesentwurf betreffend die Freizügigkeit der Medizinalpersonen.

(Vom 14. Juni 1877.)

Tit!

Als durch die schweizerische Verfassung von 1848 unter sehr begünstigenden Verhältnissen der Staatenbund der kleinen Republiken in einen Bundesstaat sich umgestaltete, schuf diese Umformung zugleich eine Reihe von materiellen Fortschritten, die rasch der populärsten Anerkennung sieher waren.

Einige der anstößigsten Selbstherrlichkeiten, wie der kantonale Münzprägestock und der-eigene Postgaul, wurden .schon damals abgedankt, ganz besonders aber erstarkten, von lästigen Banden und Fesseln entledigt, > Handel und Gewerbe, nachdem den kantonalen Schlagbäumen, Grenzsperren, Weg- und Brückengeldern das längst verdiente Urtheil gesprochen war. Dazu gesellte sich in folgerichtiger Weise das Recht des freien Zugs: der solide, fleißige Schweizermann erhielt überall in den Kantonen offenen Zugang, um mit Gewerbe, Handel, Kunst oder Arbeit für sich und sein Hauswesen, sei es die Mittel der Existenz, oder Mehrung und Wachsthum seiner Glücksgüter zu gewinnen; kurz, neue konstitututionelle Institutionen legten eine breitere Basis für den Nationalwohlstand, mehrten und befruchteten die Beziehungen unter allem Volke, und waren wohl geeignet, nicht nur national-ökonomischen,

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Bericht der Kommission des Ständerathes über den Beschlussentwurf vom 28. Mai betreffend die Ausgabe von verzinslichen Kassescheinen. (Vom 12. Juni 1877.)

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1877

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28.07.1877

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457-462

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