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Botschaft des

Bundesrathes an die hohe Bundesversammlung, betreffend das Begnadigungsgesuch des Johann Friedrich Gustav Nieserwitzky aus Blankensee (Preussen).

(Vom 12. Oktober 1877.)

Tit.!

In der Nacht vom 3/4. August abhin wurde im Laden des Herrn K. J. Wyß, Buchdrukers in Bern, welcher im Café National, vis-à-vis der Kaserne in Thun, sich befindet, Fr. 183 nebst verschiedenen weiteren Gegenständen , wie Rauchutensilien, Porte-Monnaies u. s. w. , gestohlen. Die Ladentöchter des Herrn Wyß warfen den Verdacht sofort auf Nieserwitzky, der während längerer Zeit als Bedienter mit seinem Herrn, Artillerieoberlieutenant von Sonnenberg, im nämlichen Café National logirt und den betreffenden Laden öfters besucht hatte. Dieser Verdacht steigerte sich bis zu einem hohen Grade von Gewißheit, als man plözlich entdekte, daß der Schlüssel zum Zimmer des Herrn von Sonnenberg ganz genau in das Thürschloß des Ladens paßte. In Folge sofort ergriffener Maßregeln wurde Nieserwitzky noch am nämlichen Tage in Luzern verhaftet, wohin sich derselbe, da der Militärdienst seines Herrn am 4. August in Thun zu Ende ging, per Eisenbahn begeben hatte. Vor dem Statthalteramt Luzern am 6. August 1877 verhört, legte Nieserwitzky sofort ein umfassendes Geständniß ab. Laut demselben war er wirklich mittelst Gebrauchs

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des Zimmerschlüssels seines Herrn in den Laden des Herrn Wyß gelangt, und zwar am 4. August 1877 des Morgens ungefähr um 4 Uhr, und hatte daselbst aus einem unverschlossenen Schreibpult Fr. 183 in Gold und Silber und folgende Ladenwaaren gestohlen: 4 Kisten Cigarren à Fr. 15 Fr. 60. -- l Kiste Cigarren à Fr. 12 ,, 12. -- 1 Paket Cigares de Vevey .

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- n 5. -- Verschiedene- Cigarren .

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,, 3. -- Postpapier ,, 2. -- 2 Paar Hosenträger .

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. ,, 8. -- 3 Paar Manchettenknöpfe .

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,, 6. -- 2 Cigarrenetuis .

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,, 6. -- 6 Porte-Monnaies ,, 14. -- 3 Cigarrenspitzen mit Etuis .

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. ,, 5. -- 2 Messer .

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,, 3. -- l Brieftasche ,, 4. -- Bürste mit Kamm .

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,, 4. -- l Flacon Eau de Cologne ,, --.50 zusammen nach der Schäzung der Civilpartei betragend Fr. 132. 50 Gemäß Art. l, Litt, d des Bundesgesezes über die Strafrechtspflege für die eidg. Truppen dem militärischen Strafrichter überwiesen, wurde Johann Friedrich Gustav Nieserwitzky vom Kriegsgericht der III. Division unterm 24. August 1877, in Anwendung des Art. 135, Litt, c des angeführten Gesezes, des einfachen Diebstahls schuldig erklärt und verurtheilt : 1. zu zwei Jahren Zuchthaus; 2. zum Verlust des Aktivbürgerrechts für die Dauer von zehn Jahren ; 3. zur Restitution des Gestohlenen an die Civilpartei; 4. zu den Kosten nach dem Gesez.

Bei der Verhaftung des Verurtheilten war das Gestohlene alles noch vorhanden und wurde dem Damnifikaten nach dem Urtheil sogleich wieder zurükerstattet.

In einem vom 11. September abhin datirten Schreiben an den Bundesrath bittet nun Nieserwitzky um Begnadigung. Er sagt, er habe arme, alte Eltern zu unterstüzen und dieses aus seinem geringen Verdienste bis jezt redlich gethan. Da er aber auch noch genöthigt gewesen sei, für sich Kleider anzuschaffen, so sei er in Schulden gerathen. Dazu sei gekommen, daß er kein Reisegeld gehabt habe, um in seine Heimat zurükzukehren, und doch hätte die Heimreise wegen Auslauf seines Militärurlaubes schon im Monat

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Oktober geschehen sollen. In dieser Lage sei der unglükliche Gedanke in ihm aufgestiegen, sich durch Ausführung des Diebstahls die nöthigen Mittel zu beschaffen, um seine Kleiderschulden zu bezahlen und die Kosten der Heimreise zu bestreiten. Kaum habe er aber den Diebstahl vollbracht, als er von Gewissensbissen verfolgt worden sei ; aus diesem Grunde habe er von dem Gestohlenen nichts verwendet und gleich im ersten Verhör sein Verbrechen reuig eingestanden.

lieber die Vergangenheit des Potenten geben die Akten keine nähere Auskunft, jedoch darf angenommen werden, die Versicherung desselben, daß er noch nie bestraft worden, sei richtig.

Der Bundesrath findet keine Gründe, dem vorliegenden Begnadigungsgesuche zu entsprechen. Der Diebstahl, zur Nachtzeit und mittelst eines falschen Schlüssels ausgeführt, ist von Bedeutung und würde auch nach dem bürgerlichen Gesezbuch des Kantons Bern mit einer Zuchthausstrafe belegt worden sein. Daß das Gestohlene wieder restituirt werden konnte und der Angeklagte ein reumüthiges und offenes Geständniß abgelegt hat, sind Milderungsgründe , die vom Gericht schon berüksichtigt worden sind, indem das Minimum der gesezlichen Strafe ausgesprochen worden ist.

Es wird deßhalb beantragt: Das Begnadigungsgesuch des Johann Friedrich Gustav Nieserwitzky sei abzuweisen.

Genehmigen Sie, Tit., die Versicherung unserer vollkommensten Hochachtung.

B e r n , den 12. Oktober 1877.

Im Namen des Schweiz. Bundesrathes, Der Bundespräsident:

|Dr. J. Heer.

Der Kanzler der Eidgenossenschaft: Schiess.

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Botschaft des Bundesrathes an die hohe Bundesversammlung, betreffend das Begnadigungsgesuch des Johann Friedrich Gustav Nieserwitzky aus Blankensee (Preussen). (Vom 12. Oktober 1877.)

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1877

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48

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Numéro d'affaire Numero dell'oggetto Datum

27.10.1877

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78-80

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10 009 729

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