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Schweizerisches Bundesblatt.

29. Jahrgang. III.

Nr. 36.

11. August 1877.

J a h r e s a b o n n e m e n t (portofrei in der ganzen Schweiz): 4 Franken.

Einrükungsgebühr per Zeile 15 Rp. -- Inserate sind franko an die Expedition einzusenden.

Druk und Expedition der Stämpflischen Buchdrukerei in Bern.

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Zweiter Bericht der

ständeräthlichen Kommission, betreffend Handelstatistik.

(Vom

7. Juni 1877.)

Ihre Kommission kann sich auch heute noch nicht in die nationalräthliche Anschauung der Sache hinein finden. Gestüzt auf einläßliche Gutachten, hat sie früher bereits in wiederholten Vorträgen gezeigt, daß man, wenn man will, ohne große Kosten, ohne ein neues Beamtenheer, und ohne Hemmung und gehässige Belästigung des Verkehrs, den Gedanken einer Handelstatistik, welche unsern Verhältnissen und Bedürfnissen vollkommen entspräche, zur Ausführung bringen könnte, und daß damit jedenfalls in der Sache viel Besseres erreicht würde, als was wir bis jezt gehabt haben.

Es ist in der That eine ganz eigenthümliche Erscheinung, daß die Schweiz, welche in Industrie und Handel unter den Völkern vom ersten Range dasteht, nicht wissen will oder nicht zur Einsicht kommen soll, nach welchen Richtungen sie fortwährend, und namentlich in den Wechselfällen der Verhältnisse, ihre industriellen und kommerziellen Beziehungen verbessern und mit Erfolg erweitern oder ändern könne.

Die Kommission darf deshalb, angesichts der hohen nationalökonomischen Bedeutung der Sache, ihre diesfällige frühere, auch vom Bundesrathe getheilte Ansicht auch heute noch nicht aufgeben, und bei ihrer Ueberzeugung von der Richtigkeit ihres eingenommenen Standpunktes noch viel weniger zum Rükzug blasen.

Bundesblatt. 29. Jahrg. Bd. II [.

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506 Hingegen sieht die Kommission wohl ein, daß die möglichste Verwirklichung ihres Gedankens auf einem andern Wege gesucht werden muß. Und sie glaubt diesen Weg mit voller konstitutioneller Korrektheit gefunden zu haben.

Es ist nämlich seit der lezten Session der Bundesversammlungim März zu Gunsten der Angelegenheit ein Novum in die Szene getreten.

Die Artikel 28 und 29 der gegenwärtigen Bundesverfassung; enthalten in Betreff des Zollwesens folgende Bestimmungen: .,,Art. 28. Das Zollwesen ist Sache des Bundes. Derselbe hat das Recht, Ein- und Ausfuhrzölle zu erheben.

,,Art. 29. Bei Erhebung der Zölle sollen folgende Grundsäze.

beachtet werden: 1) Eingangsgebühren : a. Die für die inländische Industrie und Landwirtschaft erforderlichen Stoffe sind im Zolltarife möglichst gering zui taxireu.

b. Ebenso die zum nöthigen Lebensbedarf erforderlichen Gegenstände.

c. Die Gegenstände des Luxus unterliegen den höchsten Taxen, Diese Grundsäze sind, wenn nicht zwingende Gründe entgegenstehen, auch bei Abschließung von Handelsverträgen mit dem Auslande zu befolgen.

2) Die Ausgangsgebühren sind möglichst mäßig festzusezen, 3) Durch die Zollgesezgebung sind zur Sicherung des Grenzund Marktverkehrs geeignete Bestimmungen zu treffen. Dem Bunde bleibt immerhin das Recht vorbehalten, unter außerordentlichen Umständen, in Abweichung von Torstehenden Bestimmungen, vorübergehend besondere Maßnahmen zu treffen.tt Bereits hat nun der Bundesrath, wie es auch bei der frühem Berathung unseres Traktandums von dem damaligen Chef des Departements in Aussicht gestellt worden war, die zur Vollziehung jener in der Bundesverfassung niedergelegten Grundsäze nöthig gewordene Revision des Zolltarifs an die Hand genommen, und bereits liegt der von einer Expertenkommission bearbeitete Entwurf einer daherigen Revision vor.

Nach einer vorläufigen Einsicht in diesen Entwurf soll künftig der Verzollung der Durchschnittswert!! einer Waarengattung per Einheitsgewicht von 100 Kilogramm zu Grunde gelegt werden.

507 Darnach würden, ganz im Sinn und nach Anleitung der Bundesverfassung, z. B. die Eingangsgebühren berechnet wie folgt : In der I. Kategorie, die Rohstoffe und Lebensmittel, per 100 Kilogramm zu l °/o des Werthes; in der II. Kategorie, die Halbfabrikate, zu 2 °/o ; ,, ,, III.

,, ,, Fabrikate, zu 3°/o: ,, ,, IV.

,, ,, Confektionen, zu 5 °/o ; ,, ,, V.

,, ,, Luxusgegenstände, zu 10°/o und höher.

Vorausgesezt, daß der neue Zolltarif nun so oder auf die Grundlage von Werth und Gewicht zugleich basirt würde -- und es ist diese Grundlage wohl die einzig richtige, weil einzig maßgebende, und zugleich so sehr in das Gebiet der Möglichkeit fallende, daß infolge dessen auch eine bezügliche Revision des Zollgesezes nöthig werden wird -- also vorausgesezt, daß der neue Zolltarif auf diese Grundlage basirt würde, so wäre damit der Erstellung einer Handelstatistik so weit und so nahe vorgearbeitet, oder besser gesagt, dieselbe so nahe an die Hand gelegt, daß sich ihre Data ohne weitere Kosten und besondere erschwerende und für den Verkehr odiose Maßregeln aus den zollamtlichen Tabellen fortlaufend erheben und auf die Kontrollen der Handelstatistik übertragen ließen.

Die Kommission stellt Ihnen daher, in Umfassung des Angebrachten, folgenden A n t r a g*) : Der Gegenstand wird an den Bundesrath zurückgewiesen, mit der Einladung, nach Feststellung eines neuen Zolltarifs Bericht über die Möglichkeit einer Handelstatistik zu erstatten und eventuell dahinzielende Anträge einzubringen.

B e r n , den 7. Juni 1877.

Namens der Kommission, Der Berichterstatter:

A. Keller.

*) Angenommen: Ständerath, 7., Nationalrath 15. Juni 1877.

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Zweiter Bericht der ständeräthlichen Kommission, betreffend Handelstatistik. (Vom 7.

Juni 1877.)

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11.08.1877

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505-507

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