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Schweizerisches Bundesblatt.

29. Jahrgang. III.

Nr. 42.

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15. September 1877.

Betriebsvertrag der

Eisenbahngesellschaft Wald-Rüti mit den Vereinigten Schweizerbahnen.

(Vom 11. Mai 1876.)

Zwischen

der Generaldirektion der Vereinigten Schweizerbahnen einerseits, und den Herren J. H. Bühler-Honegger in Rapperswyl, Präsident, Regierungsrath Sieber in Zürich und J, Scha tfelberge r in Wald, -- beide Mitglieder und /. Kühn in Rüti, Sekretär

des Verwaltungsrathes der Eisenbahngesellschaft Wald-Rüti, von diesem durch Beschluß vom 24. April 1876 zum definitiven Vertragsabschluß bevollmächtigt, anderseits, ist in Vollzug des Artikels 8 des Vertrages über den Bau und Betrieb einer Eisenbahn von Wald nach Liuti vom 1./2. November 1871 der nachfolgende Vertrag über den Betrieb der erwähnten Eisenbahn abgeschlossen worden.

Art, 1.

Die Eisenbahngesellschaft Wald-Rüti übergibt und die Gesellschaft der Vereinigten Schweizerbahnen übernimmt den Betrieb der Bundesblatt. 29. Jahrg. Bd. III.

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Eisenbahn Wald-Rüti in seinem ganzen Umfange mit allen, den Bahngesellschaften durch die Geseze und Vorschriften des Bundes, namentlich durch das Bundesgesez betreffend den Transport auf Eisenbahnen vom 20. März 1875 und durch das Bundesgesez betreffend die Haftpflicht der Eisenbahuunternehmungen bei Tödtungen und Verlegungen vom 1. Juli 1875 überbundenen Obliegenheiten, sowie unter genauer Beobachtung der Bestimmungen der Konzession der Eisenbahn Wald-Rüti vom 30. Oktober 1871 und zu den in diesem Vertrage festgesezten nähern Bedingungen.

Art. 2.

Die Gesellschaft der Vereinigten Schweizerbahnen verpflichtet sich, für den Betrieb der Eisenbahn Wald-Rüti ihr eigenes Betriebsmaterial ohne besondere Vergütung zu verwenden.

Sie übernimmt ferner alle Rechte und Pflichten, welche der Eisenbahngesellschaft Wald-Rüti für die Mitbenuzung der Station Wald durch den hierüber unterm 13. März 1875 abgeschlossenen Vertrag zugeschieden worden sind, und sichert ihr im Weitern gemäß Artikel 8 des Vertrages vom 1./2. November 1871 die unentgeltliche Mitbenuzung der Station Rüti und aller ihrer Aulagen zu.

Sie besorgt im Besondern : a) die Ausführung von täglich mindestens fünf Zügen in jeder Richtung und überhaupt den ganzen Fahr- und Zugkral'tdienst ; b) den gesummten Dienst auf der Station Rüti; c) die Beaufsichtigung und den Unterhalt des ganzen Bahnkörpers, der Kunstbauten, der Telegraphenleitung, insoweit der Unterhalt nicht der eidgenössischen Telegraphenverwaltung obliegt, sowie der Bahneinfriedungen, der Bahnwärtei'häuser, Signale, Barrieren und Anpflanzungen, mit der Berechtigung, die Kosten des Bahnunterhaltes während des ersten Betriebsjahres gegen Bezug der entsprechenden Anzahl liberirter Aktien des Unternehmens dem Baukapital zuzuschlagen ; d) den Unterhalt und die Erneuerung des Oberbaues ; e) alle auf den Personen-, Gepäk-, Vieh- und Güterverkehr bezüglichen Geschäfte und Angelegenheiten; im Besondern auch die Erstellung und Einführung nach ihrem Ermessen sämmtlicher Tarife, wobei jedoch die nachfolgenden Regeln zu beobachten sind :

645 1. Die im Verkehre der Vereinigten Schweizerbahnen jeweilen gültigen Klassifikationen und Transportbestim mungen .sind auch für den Verkehr der Eisenbahn Wald-Rüti maßgebend.

2. Im Verkehr der Station R ü t i reit W a l d und umgekehrt sind die konzessionsmäßigen Taxen zu berechnen.

3. Im Verkehr zwischen K ü ti und w e i t e r einerseits mit w e i t e r als W a l d gelegenen Stationen anderseits und umgekehrt, und ebenso im Verkehr zwischen W a l d und w e i t e r einerseits mit w e i t e r als R ü t i gelegenen Stationen anderseits und umgekehrt ist die Betriebsgesellschaft berechtigt, für die Bahnstrek Wald-Rüti entweder ebenfalls die konzessionsmässigen Taxen für dieselbe zu berechnen, oder aber ihr Frachtbetreffnissß bis auf den gleichen kilometrischen Taxantheil zu ermäßigen, der im gleichen Verkehr für die bei demselben betheiligten Streken der Vereinigten Schweizerbahnen bezogen wird.

Die Tarife unterliegen der Gutheißung des Verwaltungsrathe der Eisenbahngesellschaft Wald-Rüti. Dieselbe darf aber nicht verweigert werden, insofern die Tarife nach den in diesem Artikel angeführten Grundsäze gebildet sind.

Die Generaldirektion der Vereinigten Schweizerbahnen ist übrigens befugt, nöthigenfalls solche Tarife der Genehmigung vorgängig in Anwendung zu bringen.

Sie vor! ritt endlich die Eisenbahngesellschaft Wald-Rüti nach Außen in allen auf den Betrieb der Bahn bezüglichen Angelegenheiten.

Art. 3.

Die Fahrpläne werden nach vorangegangener Mittheilung derselbe au den Verwaltungsrath der Eisenbahngesellschaft WaldRiiti von der Betriebsgesellschaft erstellt, und zwar in der Weise, daß sämmtliche Züge nur mit e i n e r Lokomotive und mit e i n e m Dienstpersonal, also ohne Kreuzung ausgeführt werden können : sie, wird übrigens so weil thunlich auf eine möglichst bequeme Influenz in Rüti mit ihren eigenen daselbst ankommenden und abgehenden Zügen Bedacht nehmen ; sie kann auch die Zahl der regelmäßigen täglichen Züge nach Gutfinden vermehren, ebenso, wenn besondere Umstände es ihr als wünschbar oder nothwendig erscheinen lassen, Extrazüge anordnen, und endlieh ist sie berechtiget, für den Personenverkehr nur Wagen II. und III. Klasse zu verwenden.

646 Art. 4.

Das bei dem Betrieb und Unterhalt der Eisenbahn Wald-Rüti beschäftigte Personal steht ausschließlich unter der Generaldirektion der Vereinigten Schweizerbahnen und wird von ihr ernannt und entlassen.

Es besorgt die ihm obliegenden Verrichtungen, sowie die Handhabung der Bahnpolizei nach den von jener erlassenen Vorschriften.

Art. 5.

Für alle dienstlichen Sendungen werden keine Frachten zu Gunsten der Eisenbahngesellschaft Wald-Rüti verrechnet.

Art. 6.

Die sämmtlichen auf die Bahnstreke Wald-Rüti fallenden TaxAntheile im Personen-, Gepäk-, Vieh- und Güterverkehr gehören der Eisenbahngesellschaft Wald-Rüti, jedoch mit Ausschluß der in denselben allfällig enthaltenen und auf der Station Rüti berechneten Tax-Zuschläge, sowie aller andern daselbst erhobenen Nebengebühren.

Art. 7.

Die Eisenbahngesellschaft Wald-Rüti entrichtet der Gesellschaft der Vereinigten Sehweizerbahnen für die mit dem Betrieb ihrer Bahn nach Maßgabe der vorstehenden Artikel verbundenen Leistungen folgende Vergütungen: a. Für täglich fünf fahrplanmäßige Züge in jeder Richtung Fr. 2. 60 Cts. (zwei Franken sechszig Centimes), für jeden zurükgelegten Lokomotivkilometer (die Bahnlänge, beziehungsweise eine einfache Zugfahrt zu Kilometer 7 gerechnet); in dieser Entschädigung sind die für den Unterhalt und die Erneuerung des Oberbaues (Artikel 2, d) erforderlichen Beträge inbegriffen ; b. für jeden über die in vorstehender litt, a festgesezte tägliche Zugszahl hinaus ausgeführten regelmäßigen oder Extrazug Fr. l. 25 Cts. (einen Franken fünfundzwanzig Centimes) für jeden zurükgelegten Lokomotivkilometer ··' ç. Fr. 2 (zwei Franken) per Lokomotivkilometer für jede Vorspannmaschine und für jede leer laufende Maschine ;

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d. alle Beträge, welche die Betriebsgesellschaft an Stelle der Eisenbahngesellschaft Wald-Rüti an die Tößthalbahngesellschaft für die Mitbenuzung der Station Wald zu vergüten hat ; e. die Miethen für die die Linie Wald-Rüti befahrenden Wagen anderer Bahnen.

Art. 8.

Die nach Artikel 6 der Eisenbahngesellschaft Wald-Rüti zufallenden Betriebseinnahmen sind in erster Linie für die an die Gesellschaft der Vereinigten Schweizerbahnen gemäß Artikel 7 und 9 zu leistenden Vergütungen zu verwenden.

Wenn die Betriebseinnahmen eines oder mehrerer Jahre hiefür nicht ausreichen sollten, so sind die entstehenden Ausfälle in folgender Weise zu verrechnen : a. Denjenigen Theil der Ausfälle, welcher bei gleichmäßiger Verlegung sämmtlicher Betriebseinnahmen des betreffenden Jahres einerseits, sowie der nach den Vorschriften des Art. 7 berechneten Vergütungen anderseits auf die Gesammtzahl der im Laufe des Jahres zurükgelegten Lokomotivkilometer auf die täglich obligatorisch auszuführenden fünf Züge in jeder Richtung fällt, hat ausschließlich die Gesellschaft der Vereinigten Schweizerbahnen zu tragen ; b. der übrig bleibende Theil der Ausfälle dagegen, sowie die ungedekt gebliebenen Ausgaben, welche in Folge der im Artikel 9 vorgesehenen Fälle entstanden sind, werden der Eisenbahngesellschaft Wald-Rüti belastet und sind von dieser der Gesellschaft der Vereinigten Schweizerbalmen aus den Reinerträgnissen der folgenden Jahre zu bezahlen, ehe und bevor irgend eine Dividendenvertheilung stattfinden kann.

Art. 9.

Die Gesellschaft der Vereinigten Schweizerbahnen übernimmt für Rechnung und zu Lasten der Eisenbahngesellschaft Wald-Rüti: a. die Entwässerungs- und sonstigen, nicht zu dem gewöhnlichen Unterhalt gehörenden Arbeiten, welche zur Konsolidirung und Sicherung des Bahnkörpers nothwendig werden könnten, und ebenso den der Eisen bahngesellscbaft Wald-Rüti allfällig

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obliegenden Unterhalt von außerhalb des eigentlichen Bahnkörpers liegenden Objekten ; b. allen Schaden, der durch höhere Gewalt, Naturereignisse, Aufruhr, Krieg, durch frevelhafte Handlungen Dritter oder durch außerordentliche Unglüksfälle, wie Einsturz von Dämmen oder andern Bauobjekten, Verschlipfungen u. s. w. entstanden ist, insofern aus dem Untersuch hervorgeht, daß solche Unglüksfälle nicht durch fehlerhafte Diensteinrichtungen oder mangelhafte Aufsicht herbeigeführt worden sind ; c. allen durch Brand verursachten Schaden, insoweit Versicherung gegen denselben nicht möglich war ; ebenso denjenigen Feuerschaden, welcher durch die Züge auf der Fahrt an fremdem Eigenlhum entsteht, insofern dafür Ersaz zu leisten ist.

Sämmtliche aus den vorbezeichneten Arbeiten, Leistungen und Vorfällen entstehenden Ausgaben sind jedoch der Gesellschaft der Vereinigten Schweizerbahnen nur gemäß den Bestimmungen des Artikel 8 zu ersezen.

Endlich übernimmt die Betriebsgesellschaft d. alle Verpflichtungen, Lasten und Beschwerden, welche die Eiseubahngesellschaft Wald-Rüti Dritten gegenüber entweder in Folge richterlichen Urtheiles oder auch freiwillig, was jedoch nur mit Zustimmung der Gesellschaft der Vereinigten Schweizerbahnen geschehen kann, zu übernehmen hat.

Wenn hieraus eine bleibende Erschwerung für den Betrieb und Unterhalt der Bahn entstehen sollte, so hat eine angemessene Erhöhung der in Artikel 7 festgesezten Vergütungen einzutreten.

Art. 10.

Der Verwaltungsrath der Eisenbahngesellschaft Wald-Rüti ist jederzeit befugt, durch seinen Präsidenten oder eines seiner Mitglieder Einsicht in alle Scripturen zu nehmen, welche Bezug auf die Einnahmen der Bahnstreke Wald-Rüti haben, sowie sich über den gehörigen Unterhalt derselben zu vergewissern. Findet sich der Verwaltungsrath hinsichtlich des leztern zu Bemerkungen oder zu Klagen veranlaßt, so hat er dieselben bei der Generaldirektion der Vereinigten Schweizerbahnen anzubringen und genau zu präzisiren. Diese wird sie prüfen und ihnen, wenn sie begründet sind, gehörige Rechnung tragen.

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Art. 11.

Die Abrechnungen sowohl über die gemäß diesem Vortrage der Eisenbahngesellschaft Wald-Rüti zufallenden Einnahmen, als über die von ihr der Gesellschaft der Vereinigten Schweizerbahnen zu leistenden Vergütungen haben al l monatlich zu geschehen.

Die Generaldirektion der Vereinigten Schweizerbahnen hat diese Monatsrechnungen zu erstellen. Sie sind nach richtigem Befunde von beiden Theilen unterschriftlich m genehmigen, und der sich am Schlüsse eines Betriebsjahres aus sämmtlichen Monatsrechnungen ergebende Saldo ist nach den Vorschriften dieses Vert rages zu verrechnen.

Art. 12.

Der gegenwärtige Vertrag kann nur in gegenseitigem Einverständnisse beider Kontrahenten aufgehoben und außer Kraft gesezt werden. Es ist jedoch jedem derselben gestattet, von je fünf zu fünf Jahren -- das erste Mal auf 1. Januar 1882 - eine den jeweiligen Verhältnissen entsprechende Revision derjenigen Vertragsbestimmungen zu verlangen, welche sich auf die Zahl der täglich auszuführenden Züge und auf die für die Besorgung des Betriebes an die Gesellschaft der Vereinigten Schweizerbahnen zu leistenden Vergütungen (Artikel 7 und 8) beziehen.

Wenn eine der beiden Gesellschaften eine solche Revision vorzunehmen wünscht, so hat sie der anderen mindestens sechs Monate vor dem Ablauf einer Periode von fünf Jahren Anzeige davon zu machen. Erfolgt diese nicht rechtzeitig, so kann sie erst nach Ablauf einer neuen Periode von fünf Jahren wiederum geschehen.

Sollte im Falle der Vornahme einer Revision keine Versi ändigung zwischen den beiden Gesellschaften stattfinden, so werden sie die streitigen Punkte einem gemeinsam zu bezeichnenden, im Eisenbahnbetriebe erfahrenen und unbetheiligten Fachmann zu endgültigem Entscheide vorlegen. Können sie sich über die Wahl desselben nicht verständigen, so ist der Präsident des Bundesgerichtes zu ersuchen, sie vorzunehmen.

Art. 13.

Die Gesellschaft der Vereinigten Schweizerbahnen darf ohne Zustimmung der Eisenbahngesellschaft Wald-Riiti den Betrieb der Bahn nicht an andere abtreten, und ebenso ist es ohne Zustimmung der Gesellschaft der Vereinigten Schweizerbahnen der Eisenbahn-

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gesellschaft Wald-Rüti nicht gestattet, die Mitbenuzung der Bahn Andern zu bewilligen, es wäre denn, daß die Leztere durch die Bundesgesezgebung dazu verpflichtet würde.

Art. 14.

Streitigkeiten, welche über die Auslegung und Anwendung dieses Vertrages zwischen den beiden Kontrahenten entstehen könnten, sollen zu endgültiger Entscheidung einem Schiedsgerichte übertragen werden, in welches jede Partei einen Richter wählt. Die beiden Richter wählen den Obmann ; können sie sich aber nicht darüber verständigen, so ist der Präsident des Bundesgerichtes zu ersuchen, denselben zu ernennen. Wenn die Ansichten der beiden Richter über die dem Schiedsgerichte zur Beurtheilung unterstellte Streitfrage nicht übereinstimmen, so entscheidet der Obmann nach freiem Ermessen.

Art. 15.

Der gegenwärtige Vertrag tritt unter Vorbehalt der Genehmigung durch die hohe Bundesversammlung sofort nach erfolgter Ratifikation durch den Verwaltungsrath der Vereinigten Schweizerbahnen in Kraft.

St. G a l l e n und W a l d , den 11. Mai 1876.

Die Bevollmächtigten

FUr die Generaldirektion

des

Verwaltungsrathes der Eisenbahnll h uR-t.- : gesellschaft Wald-Rütii J. H. Bühler-Honegger, Präsident.

Sieber, Regierungsrath

J. Schaufelberger,

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Präsident: Wirth.

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J. Kühn, Sekretär.

A n m e r k u n g . Der vorstellende Vertrag gehört zu der auf Seite 185 bis 192 hievor sien findenden Botschaft.

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Betriebsvertrag der Eisenbahngesellschaft Wald-Rüti mit den Vereinigten Schweizerbahnen. (Vom 11. Mai 1876.)

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15.09.1877

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