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Bericht der

ständeräthlichen Kommission für

Prüfung des neuen schweizerischen Zolltarifes.

(Vom 1. December 1877.)

Tit.!

Geschiehtliches.

Der im Jahre 1864 auf die Dauer von 12 Jahren zwisehen der Schweiz und Frankreich abgeschlossene Handelsvertrag, welcher wohl die Mehrzahl der Ansätze des allgemeinen schweizerischen Zolltarifs vom 27. August 1851 zu Vertragszöllen gemacht hatte, wurde von Seiten Frankreichs unterm 22. November 1875 auf den 24. November 1876 gekündet. Wenn dieser Vertrag seither auch wiederholt und zwar zuletzt bis zum 1. Mai 1878 verlängert worden ist, so war doch mit der Kündigung für den Bundesrath der Augenblick gekommen, unsern allgemeinen Tarif einer gründlichen Revision zu unterwerfen; denn so gut dieser Tarif während seiner mehr als 25jährigen Dauer funktionirt hatte, indem unter seiner Anwendung die Zolleinnahmen von Fr. 4,022,647 im Jahr 1850 auf Fr. 17,376,544 im Jahr 1876 gestiegen und die Bezugskosten von anfänglich 14 °/o auf 8 °/o der Roheinnahmen im Jahr 1876 gefallen sind, so ergab sich doch im Laufe der Zeit ein unverkennbares Bedürfniß für Abänderung verschiedener fehlerhafter Ansätze.

Wir entnehmen denn auch der Botschaft des Bundesrathes, daß bald nach der Kündigung, d. h. in den ersten Monaten .des Jahres 1876, die Revisionsarbeit an die Hand genommen

609 und die Kantonsregierungen sowohl als die Organe des schweizerischen Handels und der schweizerischen Industrie zur Formulirung ihrer Wünsche und Anträge eingeladen wurden.

Während diese Vorarbeiten im Gange waren, trat ein Moment immer deutlicher und schärfer in den Vordergrund, das auf einen möglichst baldigen Abschluss der Revision mit Macht hindrängte: der Zustand der Bundesf&anzen, die Störung des Gleichgewichtes in Einnahmen und Ausgaben und die Gewissheit sich wiederholender Rechnungsdefizite.

Dieses Moment gab gleichzeitig der Zollrevision eine Richtung, welche sie anfänglich zwar auch, aber in viel weniger ausgeprägter Weise verfolgt hatte, nämlich die Richtung auf Zollerhöhungen; der fiskalische Zweck der Revision wurde nach und nach zum Hauptgesichtspunkte. Die Büdgetberathungen der Bundesversammlung vom Dezember 1876 drückten der Revision diesen Charakter im verholen auf: denn auf die Einladung an den Bundesrath vom 4. Juli 1876: ,,bei Anlass der Budgetvorlagen für das Jahr 1877 über die finanzielle Lage des Bundes Bericht zu erstatten und Anträge zu stellen, in welcher Weise die Ausgaben und Einnahmen der eidgenössischen Staatsrechnung in ein normales Verhältniss gebracht werden können", folgte am 23. Dezember 1876 die weitere Einladung, ,, m i t a l l e r B e f ö r d e r u n g eine Revision des Zolltarifs vorzulegen"1.

Die Räthe gingen dabei von der Ansicht aus, dass mit der Reduktion der Ausgaben allein nicht zu helfen sei, wenn nicht einzelne Bundeseinrichtungen in ihrer Entwicklung und Fort. bildung gehemmt oder gar in Frage gestellt werden sollten, sondern dass gleichzeitig auf eine Erhöhung der Einnahmen Bedacht zu nehmen sei; diese konnte aber angesichts des Art. 42 der Bundesverfassung fast ausschliesslich auf dem Ertrage der Zölle gesucht werden.

Die strenge Fassung des auf den Tarif bezüglichen Postulates (Nr. 106) nöthigte den Bundesrath, die Vorstudien rascher abzuschliessen, als es mit Rücksicht auf die schwierige und komplizirte Arbeit wünschbar erscheinen mochte.

Schon am 16. Juni brachte er bei den Räthen seine diessbezügliche Vorlage ein, nachdem er ihnen kurz vorher die die Herstellung des finanziellen Gleichgewichtes behandelnde Botschaft übermittelt hatte.

Beide Räthe bestellten für die Vorberathung dieser Traktanden Kommissionen, welche auf die Dezembersitzung Bericht erstatten sollten.

610 EintretensIm Schoosse unserer Kommission wurde nun zunächst Frage.

die Frage aufgeworfen, ob nicht das Ergebniss der Doppelberathung über die Herstellung des finanziellen Gleichgewichtes abzuwarten sei, bevor in die beantragte Revision des Zolltarifs eingetreten werde. Es wurde hervorgehoben^ daß sich erst n a c h jener Berathung die für die nächsten Jahre an den Zoll zu stellenden Ansprüche mit einiger Zuverlässigkeit bemessen lassen und dabei auf die Verhandlungen der "Räthe im Jahre 1849 hingewiesen, wo v o r der Berathung eines Tarifes die Frage des Einlässlichsten diskutirt wurde, welche S u m m e aus den Zöllen h e r a u s z u s c h l a g e n sei. (Beiläufig sei bemerkt, dass diese Summe damals auf Fr. 3,200,000 a. W. brutto festgestellt wurde.)

Andererseits machte sich, und wohl nicht ohne Grund, die Ansicht geltend, dass trotz allen Abstrichen, die auf der Basis der bestehenden Gesetze als zulässig erscheinen könnten, ein Defizit zu decken bleibe, das sich unter Einrechnung der Amortisation der bestehenden Anleihen auf 4--5 Millionen berechnen lasse ; dass im Hinblicke auf die stets steigenden Ansprüche an die Bundesfinanzen und auf die im Jahre 1877 eingetretene rückgängige Bewegung der Zolleinnahmen eine absolut sichere Ziffer der erforderlichen Mehreinnahmen doch nicht zu ermitteln sei und dass der bevorstehende Ablauf des Handelsvertrages mit Frankreich die Feststellung unseres autonomen Tarifes wenn auch nicht gebiete, so doch in hohem Grade wünschbar mache. Im Anschlüsse an diese Motive glaubte die Kommission das Resultat der Berathungen über die Herstellung des finanziellen Gleichgewichtes nicht abwarten, sondern in die Sache selbst eintreten zu sollen, und empfiehlt desshalb auch Ihnen, die Vorlage sofort inmaterielle Behandlung zu ziehen.

Allgemeines Ueber das allgemeine Princip, auf welchem der neue Prinzip Zolltarif beruhen sollte, war die Kommission einig. Unsere des Tarifs. Zölle sollen bleiben, was sie bisher waren, nämlich Finanzzölle, eine indirecte Steuer, welche der Bund zur Bestreitung des grössten Theiles seiner Ausgaben auf den in das Bundesgebiet eintretenden Gegenständen erhebt. Wirthschaftliche Zwecke sollen nicht damit verfolgt werden, d. h. die Zölle sollen nicht dazu dienen, einzelnen Industrieen einen besondern Schutz gegen die auswärtige Concurrenz zu
gewähren oder eine künstliche Veränderung der Preise zu bewirken.

Vielmehr hat das Freihandels-Princip nach wie vor die Grundlage unserer Zollgesetzgebung zu bilden. Mit der Proclama-

611 tion dieses Princips ist es nun allerdings nicht gethan, sondern dasselbe muss auch bei den einzelnen Ansätzen in Anwendung und zum Ausdruck kommen. Allein gerade bezüglich der Anwendung gehen die zahlreichen bei den Acten liegenden gedruckten und geschriebenen Eingaben ausserordentlich weit auseinander. Während die Bewahrer der reinen Lehre von einem allzu einseitig theoretischen Standpunkte aus eine noch so kleine Abweichung als eine Versündigung am Principe darstellen, gehen Andere, die sich als Freihändler bekennen, so weit, dass sie Ansätze verlangen und beantragen, welche mit dem Principe schlechterdings nicht mehr verträglich wären. Noch Andere halten das Freihandels-Princip für die von allen Seiten mit Zollschranken umgebene Schweiz überhaupt nicht mehr durchführbar und rufen geradezu einem auf der Reciprocität beruhenden Zollsysteme.

Inmitten dieser sich durchkreuzenden Ansichten hält die Commission mit dem Bundesrathe dafür, dass das Princip des Freihandels beizubehalten sei, dass es durch die vorgeschlagenen Erhöhungen keineswegs verletzt werde, dass wir aber auch kein Interesse dabei haben können, einzelne wenige Industricen, die unter dem bisherigen Zolltarife zu existiren vermochten, durch plötzliche und übermässige Zollherabsetzungen bloss dem Principe zu lieb einem raschen Ruine preiszugeben.

In diesem Sinne waren wir bemüht, in Fällen, wo die Frage entstehen konnte, ob ein Zollansatz noch in das Maass eines Finanz-Zolles gehe oder bereits als Schutzzoll wirken werde, einen mittlern Ausdruck zu finden, der weder einen Einbruch in das Princip des Freihandels darstellt, noch ein Schutzzoll zu Gunsten der Industrie und zu Ungunsten der Consumenten genannt werden kann.

Neben der allgemeinen Auffassung unseres Zollsystems als eines Finanz-Zollsystems hatten wir die Vorschriften des Art. 29 der Bundesverfassung bei der Prüfung des Entwurfes stets vor Augen. Der Sinn dieser Bestimmungen ist klar, sie wollen verhüten, dass durch hohe Zölle die allgemeinen Lebensbedürfnisse, welche die Schweiz aus dem Auslande beziehen muss, vertheuert und dass der Landwirthschaft und der Industrie, als den beiden Hauptquellen des Wohlstandes, die Existenz erschwert werde. Immerhin kann der Ausdruck ,,möglichst geringa nur dahin verstanden werden, dass im V e r h ä l t n i s s e zu den F i n a n z b e d ü r f n i s s e n des B u n d e s und in F e s t h a l t u n g des Fin an z-

612 Z o l l s y s t e m s die zum nöthigeii Lebensbedarf erforderlichen Gegenstände und die für die inländische Industrie und Landwirthschaft erforderlichen Stoffe ,,möglichst gering" zu taxiren seien. Nach dieser Auffassung könnten diese Gegenstände und Stoffe sogar von jedem Zolle befreit werden, sofern nämlich die erforderlichen Geldmittel auf andern Artikeln, wie z. B. auf denjenigen des Luxus sich finden Hessen ; hinwiederum würde die Ausdrucksweise der Bundesverfassung kein absolutes Hinderniss für die Erhöhung der Zölle auf den selben bilden, wenn nur auf diesem Wege die Finanzbedürfnisse des Bundes ihre Befriedigung finden könnten. Die Commission ist der Ansicht, dass der Bundesrath die Vorschriften des Art. 29 richtig verstanden und angewendet habe, indem er namentlich bei den Export-Industrien die bisherigen Rohstoffzölle mit wenigen und unerheblichen Ausnahmen beizubehalten vorschlägt.

Organismus Die innere Eintheilung, der O r g a n i s m u s des n e u e n des Tarifs. Zolltarifes ist von dem bisherigen sehr verschieden.

Dem Tarif von 1849 bzw. 1851 liegt das Classensystem zu Grunde. Er unterscheidet 3 Hauptrubriken, je nachdem die Verzollung A vom Stück, B vom Werth und C vom Gewicht stattzufinden hat. Jede dieser Rubriken hat wieder ihre Classen; Rubrik A hat deren 4 mit Zollansätzen von 10 und 50 Centimes, 3 und 6 Franken vom Stück, Rubrik B ebenfalls 4 mit Ansätzen von l */2, 2, 5 und 10 % vom Werthe; Rubrik C zerfällt wieder in 2 Hauptabtheilungen, von denen die erste in 3 Classen diejenigen Gegenstände enthält, welche von der Zugthierlast 10 Centimes, 60 Centimes oder 3 Franken bezahlen, wogegen die zweite in 10 . Classen diejenigen Gegenstände umfasst, von denen der Centner Bruttogewicht mit einem Zoll von 15, 30, 50, 75 Centimes, Fr. l, 1. 50, 2, 3. 50, 8 oder 15 belegt ist.

Dieses System hat den Vorzug einer gewissen Einfachheit und Handlichkeit und dessen Beibehaltung wurde auch in der That von der Association commerciale et industrielle genevoise befürwortet. Allein anderseits entbehrt es doch der wünschbaren Uebersichtlichkeit, indem es dazu führt, innerlich zusammengehörende Gegenstände in verschiedene Zollclassen zu verweisen und mit den grossen Stufen bei der Verzollung nach dem Gewichte von 3*/2 auf 8 und 15 Franken eine richtige und billige Individualisirung der zollpflichtigen Gegenstände beeinträchtigt.

613 In der That sprach sich auch die nationalräthliche Kommission für den Zolltarif vom Jahr 1849 in ihrer Mehrheit dahin aus : ,,Hinsichtlich der Einreihung der einzelnen Artikel in die aufgestellten Olassen war eine principielle Anordnung durchaus unmöglich und in dieser Beziehung kann die Commission nicht genug hervorheben, dass, wenn hier je von einem leitenden Gedanken gesprochen werden will, einzig und allein von dein System der Transaction und Vermittlung nach allen Seiten hin die Rede sein kann."1 Schon unter der Herrschaft dieses Tarifs von 1851 war indessen die vollziehende Behörde dazu geführt worden, in einer Ausgabe vom 1. Januar 1873 die k a t e g o r i e n w e i s e Anordnung zu adoptiren, d. h. aus den mehr oder weniger zusammengehörenden Gegenständen, aus W a a r e n - G a t t u n g e n , besondere Kategorien zu bilden. Die Ausgabe von 1873 enthielt deren 13 bzw. 11. Die nunmehrige Vorlage sieht 20 vor. Dieser Uebergang vom Systeme der Zollclassen zu dem einer logischen Anordnung besser entsprechenden und zugleich die Anlage einer Handelsstatistik ermöglichenden Systeme der Kategorien hängt zum Theil auch mit der für die Bemessung der Zollansätze vom Bundesrathe acloptirten Scala zusammen, und da die Commission sich mit der letztern im Principe einverstanden erklärt, so hat sie auch gegen die Gruppirung nach Waaren-Gattungen nicht nur nichts einzuwenden, sondern stimmt derselben bei Eine weitere Abweichung von dem bestehenden Tarife liegt darin, dass die Verzollung nach dem Gewichte so weit als möglich durchgeführt wird. Als Gewichts-Einheit wird gemäss dem nunmehr geltenden Systeme der metrische Centner von 100 Kilogramm angenommen. Die Zugthierlast als Basis für die Zollbemessung ist vollständig aufgegeben; Werthzölle finden sich bloss noch bei den Fahrzeugen (Pflüge, Lastwagen, Eisenbahnwagen, Schiffe) und bei dem zur Ausfuhr bestimmten Holze, weil auf den Zollstätten unverhältnissmässig kostspielige Einrichtungen für die Ausmittlung des Gewichtes dieser Gegenstände hergestellt werden müssten; die Verzollung vom Stück blieb bei den Thieren, sie wurde auch für die fertigen Uhren und die Rohwerke (ébauches) aufgenommen aus Gründen, welche der mündlichen ErörterungVorbehalten bleiben mögen.

Die eigentliche Grundlage für die neuen Zoll-Ansätze bildet die Berechnung derselben auf dem Durchschnittswerthe der eingeführten Waaren, je nachdem dieselben sich

Die Scala.

614 als Rohstoffe, Halbfabrikate, Fabrikate, Confections-Waaren oder Luxus-Gegenstände qualificiren Es wird vorgeschlagen, die Rohstoffe mit l %, die Halbfabrikate mit 2 °/o, die Fabrikate mit 3 °/o", die Confectione mit 5 % und die LuxusGegenstände mil 10 °/o ihres durchschnittlichen Werthes zu besteuern, immerhin so, dass diese Procentsätze i.n der R e g e l als Maximai-Ansätze gelten sollen.

Ihre Vorzüge.

Da diese Scala den Kernpunkt der ganzen Anlage des neuen Tarifs bildet, so musste die Commission deren sorgfältige Prüfung als den wesentlichsten Theil ihrer Aufgabe betrachten; und zwar musste sich die Prüfung nicht nur auf die Richtigkeit der Scala an sich, sondern auch auf ihre Durchführbarkeit durch das grosse Gebiet der zollpflichtigen Waaren erstrecken.

Wir halten nun die Scala an sich für eine richtige Grundlage des Tarifes; denn sie erfüllt zwei wesentliche allgemeine Erfordernisse : erstens lässt sie, indem sie vom W erthe der Waaren ausgeht, den Zoll sein, was er ist, das heisst einen procentweisen Zuschlag zum Preise, und zweitens giebt sie gleichzeitig die Möglichkeit der Verzollung der Waaren nach dem Gewichte, was für die leichte und wenig kostspielige Erhebung der Zölle von grosser Bedeutung ist.

Was sodann den Procentsatz von l, 2, 3, 5 und 10 betrifft, so hängt derselbe wesentlich von der Summe ab, welche aus den Zöllen erhältlich gemacht werden soll. Die Durchberathung sämmtlicher einzelnen Positionen hat uns nun gezeigt, dass eine als R e g e l aufzustellende procentuale Scala nicht wohl tiefer gegriffen werden darf, wenn überhaupt der Zweck der Tarif-Revision erreicht werden soll, nämlich die Vermehrung der Zoll-Intraden. Dabei muss jedoch verstanden bleiben einmal, dass in der Anwendung der Scala auf den einzelnen Gegenstand die bezeichneten Stufen keine absolute Demarcations-Linie bilden dürfen, und sodann, dass auch innerhalb der Stufen die procentualen Ansätze je nach der Individualität des Steuer-Objectes gehandhabt werden dürfen.

Im Fernern halten wir es mit der Botschaft für unzweifelhaft, dass die Progression in der Besteuerung nach der Veredlungs-Stufe sich durchaus rechtfertigen lasse, und auch die beantragte Progression von l, 2, 3, 5 und 10 wird unsererseits nicht angefochten, sofern man sie in der practischen Anwendung nicht zu einer blossen Doctrin verstarren

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Jässt. Die Unterscheidung nach dem Maasse der menschlichen Arbeit, das zu einem von der Natur gelieferten Rohstoffe hinzugetreten ist, wurde schon bei dem bestehenden Zolltarife gemacht; sie fand ihren Ausdruck darin, dass je nach der Veredlungsstufe ein Gegenstand in eine höhere oder niederere Zoll-Classe versetzt wurde. Die Scala gestattet nunmehr, diese Unterscheidung sorgfältiger und genauer zu machen, indem sie auf einen Procentsatz des Durchschnittswerthes abstellt, in welchem die zum Rohstoff hinzugekommene Arbeit sich bereits ausgedrückt findet.

Die Scala bietet indessen neben ihren Vorzügen, die wir Ihre anerkennen, auch Schattenseiten, die wir hervorzuheben ver- Schattenseiten.

pflichtet sind. Als solche bezeichnen wir: 1) Die Schwierigkeit der Ausmittlung eines richtigen D u r c h s c h n i t t s p r e i s e s , der das Fundament der Bemessung des Zollansatzes zu bilden hat.

Eine erste Schwierigkeit knüpft sich an die Frage, welcher Preis gemeint sei, derjenige am Productions-Orte einer Waare, oder derjenige am Bestimmungs-Orte. Dieser Preis kann je nach den hinzutretenden Transportkosten ein sehr verschiedener sein. Der Buadesrath entschied die Frage dahin, dass der Preis einer Waare a n d e r G r a n z e unseres Zollgebietes derjenige sei, der für den Zollansatz in Betracht komme, und vom Standpunkte unserer ganzen Zoll-Gesetzgebung, die alle über unsere Gränze eingehenden Waaren einer Steuer unterwerfen will, erscheint es nur conséquent, dass der Werth im Stadium des Uebertritts der Waare in unser Zollgebiet als der für die Steueranlage maassgebende Werth betrachtet wird.

Sodann werden sich für die Bestimmung eines Durchschnittswerthes an sich schwerlich feste Regeln aufstellen lassen. Es gibt Waaren, deren Werth überhaupt wenig Schwankungen unterwoi'fen ist, andere dagegen zeigen die abnormsten Preisdifferenzen. Bei diesen wird es hauptsächlich darauf ankommen, auf welcher Zeitperiode der Durchschnittspreis berechnet wird. Wenn wir an die Preisschwankungen denken , welchen z. B. die Seide oder das Eisen in den letzten fünf Jahren unterworfen war, so springt sofort in die Augen, mit wie wenig Sicherheit sich von einem Durchschnittspreise sprechen lässt, der nicht nur für den gegenwärtigen Augenblick Bedeutung haben, sondern recht eigentlich in die Zukunft wirken soll, indem er die Grundlage der Zollansätze für eine Reihe von Jahren zu bilden

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bestimmt ist. Von der Schwierigkeit (und zugleich von der Wichtigkeit) der Durchschnittswerthbestimmungen legen bei einigen der Hauptimportartikel die abweichenden Urtheile der Fachmänner Zeugniss ab. Die Kommission ist nicht in der Lage gewesen, über die vom Bundesrathe angenommenen Durchschnittswerthe eine eingehende Kontrole zu üben ; in einigen Fällen, wo sie auf sichere Angaben fussen zu können glaubte, beantragt sie Modifikationen der Werthansätze, immerhin nur zum Zwecke der Berathung des Entwurfes ; denn sie betrachtet es als selbstverständlich , das» bei der Ausgabe und Publikation des Tarifes als eines Bundesgesetzes die Durchschnittswerthangaben wegfallen und nur die definitiven Zollansätze stehen bleiben.

Die Werthangaben bieten ferner in der grossen Zahl derjenigen Fälle eine wenig sichere Grundlage für den Zollansatz, wo im Interesse der Vereinfachung des Tarifes sowohl als der Zollbehandlung an dei- Gränze eine Anzahl ähnlicher Waaren und Waarengattungen unter Einen Zollansatz zusammengefaßt wurden und werden mussten. Bei solchen Positionen kommt natürlich sehr viel auf die Einfuhrquantitäten jeder in der Position enthaltenen Waarengattung an. Diese Quantitäten zu bestimmen boten aber die auf Grund des bisherigen Zolltarifes geführten EinfuhrTabellen bei Weitem nicht genügende Anhaltspunkte dar.

Man ist desshalb auf eine mehr oder weniger willkürliche Schätzung angewiesen und hat durchaus nicht immer das Gefühl eines sichern Bodens unter den Fussen. Wir waren namentlich bei der Text! l-Industrie in der Lage, diese Beobachtung zu machen , wo die Minimal- und Maximal-Werthansätze einer Waarengattung oft bedeutend weit Auseinander liegen und wo zugleich das Mehr oder Weniger des Zollansatzes von erheblicher Bedeutung für unsere Industrie sein kann.

2) Als eine weitere Schattenseite der Scala müssen wir die Unsicherheit der Abstufungen bezeichnen. - Im Allgemeinen sind zwar die Begriffe von Rohstoff, Halbfabrikat, Fabrikat, Confection und Luxus ziemlich gegebene. Sowie man aber zu ihrer Anwendung auf den einzelnen Fall kommt, entstehen die Zweifel ; die Begriffe verlieren ihre Festigkeit, während gerade hier wegen dei1 progressiven Steigerung des Zollansatzes eine sichere Abgrenzung nothwendig wäre. Wir wollen nicht davon reden , dass einzelne Industrielle in vollem Ernste Artikel, deren sie zu ihrer Fa-

617 brikation bedürfen, und die in den Augen jedes Unbefangenen Halbfabrikate oder gar Fabrikate sind, zu Rohstoffen qualifiziren und auf Grund dieser Qualifikation den niedrigsten Zollansatz beanspruchen; derartige Auffassungen richten sich von selbst. Dagegen ist in andern Fällen der Streit durchaus kein müssiger. Als prägnantestes Beispiel heben wir die Controverse hervor, ob das Masselneisen Rohstoff oder Halbfabrikat sei. Da behaupten die Eisenkonsumenten, das Eisen sei Rohstoff, es finde sich als Erz in der Erde und werde durch einen einfachen Prozess ausgeschieden , der Entwurf selbst gebrauche den Ausdruck flRoheisena ; hört man dagegen die Eisenproduzenten, so ist das Roheisen ein Halbfabrikat; denn unter Rohstoff könne nur ein Stoff verstanden werden, der als solcher von der Natur hervorgebracht werde; nun mache aber das Erz, bevor es zu Eisen werde, einen chemischen und mechanischen Prozess durch, der seine Eigenschaften wesentlich ändere und den Gegenstand einer besondern grossen Industrie bilde, und desshalb sei es ein Halbfabrikat. Glaubte nun auch die Kommission in diesem Falle, dass die Eisenproduzenten die richtigere Auffassung vertreten, so begegnete sie doch andern, wo die Zweifel bestehen blieben.

Die höhere Besteuerung der Halbfabrikate und der Fabrikate hat, wie schon hervorgehoben worden, ihren innern und richtigen Grund in der zum Rohstoffe hinzugetretenen menschlichen Arbeit. Allein das Maass und der Werth dieser Arbeit ist im einzelnen Falle ausserordentlich verschieden , die Stufenfolge der Scala ist nicht durch alle Industrien hindurch eine scharf markirte und es kann desshalb nicht damit gethan sein , dass man ein Objekt als Halbfabrikat oder Fabrikat erklärt und dann den zwei- oder dreiprozentigen Zollansatz darauf anwendet; vielmehr wird es einer sorgfältigen Abwägung im Einzelnen bedürfen, welcher Steuersatz in Anwendung zu bringen sei.

Der am durchgängigsten feststehende Begriff möchte noch derjenige der Confection sein, sofern man darunter diejenigen Gegenstände versteht, welche ohne weitere Arbeit oder Veredlung in den Konsum übergehen ; allein gerade bei der Confection, wo das Verhältniss des Werlhes des dazu verwendeten Rohstoffes zu demjenigen der Arbeit fast nicht mehr zu erkennen ist, wird die Bestimmung eines auch nur annähernd richtigen Durchschnittswerthes zur Sache der Unmöglichkeit.

618 Vollends fällt die Definition des Luxus einer bloss noch subjektiven Beurtheilung anheim, worauf übrigens die Scala insofern Rücksicht nimmt, als sie für die Stufe von der Confection zum Luxus einen Spielraum von 5 °/o lässt.

3) Bei der grossen Kategorie der Nahrungs- und Genussmittel und Getränke fällt die Anwendbarkeit der Scala nach Veredlungsstufen zu einem grossen Theile dahin und es muss hier nach einem andern Abstufungsprinzipe gesucht werden. Der Bundesrath findet dasselbe in der grösseren oder geringeren Entbehrlichkeit für den Lebensbedarf. Wir werden später kurz darauf zu sprechen kommen, hier war bloss zu konstatiren, dass die Scala uns bei einer für die Einnahmen ausserordentlich wichtigen und ergiebigen Kategorie von Steuerobjekten im Stiche lässt.

Ihre Wir glaubten uns mit der Kritik der Scala etwas ausAnwendung, führlicher beschäftigen zu sollen, um zugleich die Bedeutung darzulegen, welche wir ihr für die Bemessung der neuen Zollansätze beilegen. Wir betrachten dieselbe aus den angegebenen Gründen keineswegs als eine absolut zu handhabende Norm, als eine Schablone, die nur auf das einzelne Steuerobjekt gelegt zu werden braucht, um den richtigen Zollansatz zu finden, nicht als ein starres, unbeugsames Gesetz, dem rücksichtslos Alles zu unterwerfen ist, was in die Schweiz eingeht. Sie soll und darf nach unserer Ansicht nur ein allgemeiner Leitfaden sein und die Prozentansätze auf dem Durchschnittsvverthe sollen nur eine mittlere Ziffer darstellen, die da in Anwendung kommen mag, wo nicht andere Rücksichten eine Abweichung nach oben oder nach unten ausreichend motiviren. Wir wurden zu dieser die Bedeutung der Scala abschwächenden Anschauung um so mehr hingeführt, als wir aus den Eingaben der Vertreter einzelner Industrien ersahen, in welcher Weise sie sich derselben bemächtigten, um durch Hinauf- oder Herabdrückung der Durchschnittspreise oder durch die Qualifikation einer Waare (als Rohstoff, Halbfabrikat oder Fabrikat) zu denjenigen Zollansätzen zu gelangen , welche sie in ihrem persönlichen Interesse wünschten.

Wir waren uns dabei bewusst, dass wir uns dem Vorwurfe der Systemlosigkeit, der Prinziplosigkeit aussetzen würden, welcher Vorwurf auch gegen die Vorlage des Bundesrathes erhoben worden ist; allein bei einem Werke, wie einem Zolltarife, der dem Bunde erhöhte Einnahmen unter gi-und-

619 sätzlicher Festhaltung des Freihandels verschaffen soll, erscheint uns dieser Vorwurf, noch erträglicher als derjenige der Prinzipienreiterei, der nicht ausbleiben würde und auch begründet wäre, wenn ohne Rücksicht auf bestehende Verhältnisse die Scala zum Dogma erklärt und durch das immense Gebiet der Steuerobjekle in doktrinärer Weise zur Anwendung gebracht würde. Zudem stände die Schweiz mit einem derartigen Experimente wohl allein in der Welt.

Die Kommission kann demnach ihre Grundansicht ungefähr in dieselben Worte fassen, deren sich die Kommission von 1849 bedient hat: ,,Allerdings gibt der Art. 25 (jetzt 29) der Bundesverfassung gewisse Direktionen, allein die Kommission hält dafür, dass dieselben (und noch weniger die Scala) nicht so absolut bindend sind, als dass man nicht auch andern Erwägungen die geeignete Berücksichtigung zu Theil lassen werden könnte. Als solche bezeichnen wir nun vorzugsweise den Werth der Waaren, die Lage der dabei betheiligten Industrien, die bisherige Belastung durch Zölle u. dgl., die Notwendigkeit, grössere oder geringere Entbehrlichkeit eines Artikels, seine Eigenschaft als täglicher Gebrauchs- oder Luxusartikel, die Konkurrenz eines Einfuhrartikels mit inländischer Industrie oder inländischen kleinern Gewerben, dann in hohem Grade die Interessen des Zwischenhandels und endlich ganz besonders den Grundsatz, keine neuen Interessen künstlich zu schaffen, vorhandene so viel als möglich zu schützen, beziehungsweise so wenig als möglich zu verletzen.tt Für die Besteuerung der Nahrungsmittel gibt Art. 29 Besteuerung der Bundesverfassung die allgemeine Wegleitung, dass die der Nahrungszum nöthigen Lebensbedarf erforderlichen Gegenstände mögmittel.

liehst gering zu taxiren seien. Davon ausgehend ist der Bundesrath dazu gelangt, die bisherigen Getreidezölle beizubehalten, im Weitern aber eine Abstufung je nach dem Grade der Entbehrlichkeit eintreten zu lassen. Nun ist allerdings die Entbehrlichkeit nicht nur ein sehr vager, sondern auch ein dem Wechsel unterworfener Begriff, und zwar sowohl dem Wechsel nach Ort als nach Zeit. Indessen kann doch über den Sinn der Bundesverfassung im Grossen und Ganzen kein Zweifel bestehen und was im Uebrigon die Verzehrungsgegenstände betrifft, so lässt sich ohne allzugrosse Schwierigkeit unterscheiden, ob sie sich mehr dem nöthigen Lebensbedarf oder dem Luxus nähern und zwischen diesen beiden Extremen wird die richtige Steuer in einem

620 Prozentsatze auf dem Durchschnittswerthe zu suchen sein, ohne dass man sich an besonders markirte Stufen bindet.

DetailprUfung Von den entwickelten Gesichtspunkten aus ging die des Entwurfes. Kommission .an die Prüfung jeder einzelnen Position des bundesräthlichen Entwurfes. Sie Hess dabei eine Theilung der Arbeit insofern eintreten, als sie für jede der 20 Kategorien einen Referenten bezeichnete, der die darauf bezüglichen Eingaben zu studiren und deren wesentlichen Inhalt der Gesammtkommission mitzutheilen hatte, welche dann über die gestellten Abänderungsanträge diskutirte und entschied. Diese Berathungen der Gesammtkommission fanden jeweilen und zu ihrem grossen Vortheile in Anwesenheit des Chefs des Zolldepartementes statt. Bei einer Reihe von Positionen sahen wir uns veranlasst, das Zolldepartement um eine nochmalige Prüfung und Antragstellung zu ersuchen, welchem Begehren immer mit Bereitwilligkeit entsprochen wurde. Unsere schliesslichen Abänderungsanträge sind in einem Anhange dem-Berichte beigegeben; auf eine schriftliche Begründung derselben glaubten wir verzichten zu sollen, sind dagegen selbstverständlich im Falle von Anfechtungen bereit, dieselben zu vertreten. Auch dürfen wir erwähnen, dass sich der Bundesrath mit den von uns beantragten Aenderungen im Ganzen und Wesentlichen einverstanden erklärt.

Einige Hauptpunkte müssen indessen noch besonders hervorgehoben werden : 1) Der Maximai-Ansatz. Der Entwurf nimmt denselben zu Fr. 100 an ; bei einer Anzahl von Luxus-Gegenständen bleibt dieser Satz noch weit unter den der Scala entsprechenden 10 °/o. Die Kommission hat diesen Ansatz vorerst beibehalten, obschon es ihr nicht zweifelhaft ist, dass er nicht haltbar sein wird. Werden wir auch nicht durch die Vertrags-Verhandlungen mit andern Ländern zu einer Herabsetzung veranlasst, so wird schon die Rücksicht auf den Schmuggel ein vollkommen genügend starkes Motiv sein müssen, dieses Maximum zu ermässigen. Wir wollen es unterlassen, die zahlreichen Nachtheile zu erörtern, welche ein durch übermässige Zollansätze provocirter Schmuggel in moralischer Hinsicht für die ganze Grenzbevölkerung und in finanzieller Beziehung für den Bund im Gefolge hat; sie liegen zum gròssten Theile nuf der Hand. Erwähnt sei bloss, dass im Jahre 1849 die 10. Zollclasse von Fr. 10 a. W.

·oder Fr. 15 n. W. per Centner, also Fr. 30 per 100 Kilo

621 hart angefochten wurde, weil ein so hoher Ansatz zur Defrauda tion und zum Schmuggel reize. Unsere Ansicht geht nun dahin,-dass im einzelnen Falle zu erwägen sei, ob der Schmuggel, der doch immer nur mit beschränkten Quantitäten getrieben werden kann, und mit vielen Gefahren verbunden ist, bei dem betreffenden Zollansatze seine Rechnung finde oder nicht, und dass das Maximum des Zollansatzes erst dann definitiv festzusetzen sei,i wenn wir das Resultat der Verhandlungen O mit den Vertrags-Staaten kennen. Wir möchten Ihnen desshalb empfehlen, den Maximal-Zoll von Fr. 100 per 100 Kilo, wo er im Tarife vorkommt, nur mit .dem Vorbehalte, darauf zurückzukommen, zu acceptiren.

2) Die Commission misst auch noch andern Ansätzen, die sie Ihnen zur vorläufigen Annahme vorschlägt, auf deren specielle Hervorhebung sie aber verzichten zu sollen glaubt, einen mehr provisorischen Charakter bei. Es kann nämlich nicht ausbleiben, dass die Schweiz in den Fall kommen wird, für einzelne ihrer Producte Zollermässigungen bei den Nachbarn zu verlangen; für solche Concessione!! wird der Contrahent ein Aequivalent beanspruchen, und um dieses zu gewähren, muss der allgemeine Tarif den voraussichtlich nöthigen Spielraum schaffen.

3) Eine ausnahmsweise Behandlung liess die Commission bei der Uhren-Industrie eintreten, indem hier der Zoll sowohl für fertige Uhren, als für die Rohwerke (ébauches) per Stück berechnet und nur für die einzelnen UhrenBestandtheile (pièces détachées) ein Werthzoll beibehalten wurde. Diese Behandlung erscheint jedoch durch die Thatsache gerechtfertigt, dass dieselbe Industrie, von welcher durch den ganzen Jura eine nach Tausenden zählende Bevölkerung; lebt,i sich hart an unserer westlichen Grenze auf o französischem Gebiete etablirt hat und zeitweise die schweizerische Production in ein Abhängigkeits-Verhältniss bringt.

Das Streben nach Reciprocität in der Zollbehandlung, das unsermTarife sonst fremd ist, kann desshal b hier aus theoretischen Gründen nicht von vorneherein verurtheilt werden.

Bei der Ausfuhr behielten wir mit einer einzigen kleinen Ausnahme die vom Bundesrathe beantragten Zölle, welche übrigens zum grössten Theile auch diejenigen des bisherigen Tarifes sind, bei. Von eigentlichen Zöllen kann übrigens nur bei Holz, Häuten, der Gerberrinde und den Hadern gesprochen werden; die übrigen Ansätze sind blosse ControlOebühren. Den Ausfuhrzoll von Fr. 4 per 100 Kilo auf Bundesblatt. 29. Jahrg. Bd. IV.

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Hadern sahen wir uns trotz einer Eingabe von Händlern nicht veranlasst, herabzusetzen, da derselbe erst,im Jahr 1876 durch die Bundesversammlung festgesetzt worden ist.

Ausserdem hat sich die Commission mit den wichtigen Fragen der Z o l l r ü c k v e r g ü t u n g e n und dem V e r e d l u n g s Verkehr beschäftigt, ist aber schliesslich zu dem Resultate gekommen, dass die Regulirung dieser Verhältnisse besser der Z o l l g e s e t z g e b u n g überlassen werde. Die Revision des Zollgesetzes vom 27. August 1851 wird so wie so der Revision des Tarifes auf dem Fusse nachfolgen müssen, und für den Entscheid, ob das unserem Zollwesen bis dahin fremde System der Rückvergütungen einzuführen sei, erscheint es geboten, das Schlussergebniss der Tarifrevision abzuwarten. Wir schlagen desshalb bei der Position 31 von Kategorie XIII die Streichung der Anmerkung vor, welche für den in anderer Gestalt wieder ausgeführten Sprit eine theilweise Rückvergütung in Aussicht nahm; doch, wiegesagt, nicht in der Absicht, diese Rückvergütung überhaupt nicht zuzulassen, sondern in der Meinung, dass bei Anlass der Revision des Zollgesetzes die Frage der Rückvergütungen im Allgemeinen und nicht blos mit Rücksicht auf den Sprit in's Auge gefasst und erledigt werde.

^ Einige Bestimmungen über den Veredlungs-Verkehr, die O O O / übrigens zum grossen Theile den Handelsverträgen anheimfallen , waren auch bis dahin im Zollgesetze von 1851 enthalten und ein besonderer Grund, sie dort weg- und in den Tarif herüberzunehmen, konnte nicht namhaft gemacht werden.

Anlage des Nach Behandlung des materiellen Inhaltes des Tarifs Tarifs.

wandte die Commission ihre Aufmerksamkeit auch der äussern Anlage desselben zu. Auch diese war von einigen Seiten angefochten worden, indem eine noch weiter gehende Zusammenziehung der einzelnen Categorien unter gemeinsame Gesichtspunkte gewünscht wurde. Allein es schien uns denn doch sehr fraglich, ob damit der beabsichtigte Zweck erreicht würde, d. h. ob für die leichte Orientirung sowohl des Zollpflichtigen als des Zollbeamten etwas gewonnen wäre; es stände eher zu befürchten, dass der Tarif an Uebersichtlichkeit einbüssen würde. Alle zollbaren Gegenstände kann er doch nicht aufführen, wenn er nicht zu einem schwerfälligen und unhandlichen Buche werden soll ; die Hauptsache ist, dass die Anordnung eine natürliche ist, und diese Qualification kann dem Entwurfe schwerlich abgesprochen werden. Im

623 Uebrigen bedarf er als notwendiger Ergänzung eines möglichst vollständigen und alphabetisch geordneten Waaren-Verzeichnisses mit Verweisung auf die entsprechende Tarif-Rubrik, und für die Ausarbeitung eines solchen Verzeichnisses wird die vollziehende Behörde selbstverständlich Sorge tragen.

Auch die Prüfung fremder Tarife konnte uns nicht bestimmen, in dieser Beziehung Aenderungen zu beantragen.

Der französische Tarif befolgt eine Art von philosophischem System, indem er 1. die matières animales, 2. die matières végétales, 3. die matières minérales und 4. die fabrications ihrer Stufenfolge nach in den verschiedenen Industrien behandelt. Diese Eintheilung nachzuahmen dürfte sich für uns kaum empfehlen. Der deutsche Tarif von 1870 gruppirt die Waaren in 44 Kategorien und lässt diese alphabetisch aufeinander folgen. Unser Entwurf kommt dieser Anordnung am nächsten, nur dehnt er die Gruppirung unter HauptGesichtspunkte noch weiter aus und gelangt mir zu 20 Kategorien. Während beispielsweise im deutschen Tarife Baumwolle und Baumwolhvaaren, Leinengarn, Leinwand und Leinenwaareu, Seide und Seidenwaaren, Wolle je besondere Artikel bilden, fasst unser Entwurf diese Gegenstände sämmtlich unter der gemeinsamen Benennung ,,Spinnstoffe, Gewebe und Waaren daraus10 zusammen und rubricirt innerhalb dieser Kategorie Baumwolle, Leinen, Seide und Wolle und die daraus gefertigten Waaren wieder besonders. Wir erblicken darin eher eine Verbesserung gegenüber dem deutschen Tarife und glauben desshalb die Belassung der 20 Kategorien des Entwurfes beantragen zu sollen.

Das finanzielle Resultat des Tarifes nach den Anträgen Fi anzielles der Kommission weicht von demjenigen des bundcsräthlichen ' esu"a'Entwurfes nicht sehr erheblich ab. Dieses beziffert sich nach der Botschaft mit Fr. 9,173,000, jenes mit ca. Fr. 7,700,000.

Es mag nun allerdings auf den ersten Anblick als ein gewagtes und bedenkliches Vorgehen erscheinen, eine so bedeutende Summe auf dem Wege der indirekten Steuer durch Zölle herausschlagen zu wollen, und die Bedenken müssen sich billig noch steigern, wenn man gewahrt, daß diese Mehreinnahme vorzugsweise auf den Nahrungsmitteln und den Spinnstoffen gefunden wird. Es hat denn auch nicht an Stimmen gefehlt, welche energischen Protest gegen den Entwurf erhoben, und da die Arbeit Ihrer Kommission im Grossen und Ganzen auf ähnliche Resultate hinausläuft, so gelten diese Proteste selbsverständlich auch ihren Anträgen

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und die Kommission ist desshalb in der Lage, zu erklären, wie sie sich zu diesen Einwürfen stellt.

Zunächst möchte sie konstatiren, dass die Schlusszahl von 8--9 Millionen an sich schon keine sichere und durchaus zuverlässige ist, weil die Faktoren, auf welchen sie beruht, nicht unbedingt feststehende, sondern nur muthmassliche sind. Der Berechnung des Ertrages der neuen Zollansätze wurden nämlich die Einfuhrquantitäten im Durchschnitte der 6 Jahre 1871 -- 76 zu Grunde gelegt. Da nun diese 6 Jahre weitaus die ertragreichsten waren, so ist anzunehmen, dass die Ziffern der durchschnittlichen Einfuhrquantitäten eher zu hoch gegriffen sind. Hätte das Jahr 1877 mit in Berechnung gezogen werden können, so wäre der Durchschnitt schon namhaft niedriger ausgefallen, da die Zolleinnahmen in diesem Jahre um circa, 2 Millionen Franken zurückgegangen sind.

Auch die Zugrundelegung eines 10jährigen, statt eines bloss6jährigen Durchschnittes hätte eine wesentlich tiefere Ziffer ergeben. Die Ausrechnung des finanziellen Ergebnisses der Zollerhöhungen auf den Einfuhrquantitäten im Durchschnitte der letzten 6 Jahre kann desshalb nur ein approximativer Anhaltspunkt sein, aber nicht ein irgend sicheres Resultat darstellen. In Berücksichtigung der gegenwärtigen und wahrscheinlich noch längere Zeit andauernden gedrückten Lage von Handel und Gewerbe inner- und ausserhalb der Schweiz muss die Ziffer der ausgerechneten Mehreinnahmen als zu hoch erscheinen.

Sodann wird eine voraussichtliche Folge der Erhöhung der Zollansätze eine Verminderung der Einfuhrquantitäten sein, wenigstens für den Anfang. Das Maass dieser Abnahme lässt sich jedoch nicht einmal schätzen, geschweige denn berechnen. Immerhin liegt darin ein Grund, die von der Revision des Tarifes zu erwartenden Mehreinnahmen nicht zu überschätzen.

Drittens werden die Bezugskosten grösser sein als bisher. Eine bestimmte Summe lässt sich auch hier nicht angeben, aber auf eine Vermehrung wird man rechnen müssen.

Sie wird zum Theil davon abhängig sein, welcher MaximalZollansatz schliesslich adoptirt wird, denn je nachdem werden vermehrte Grenzbewachung und Vorrichtungen gegen den Schmuggel nothwendig werden oder nicht.

Viertens und hauptsächlich werden die Vertragsunterhandlungen mit dem Auslande die vorläufig berechnete Mehr-

625 einnähme ganz erheblich reduziren, so dass dieselbe vielleicht kaum diejenige Summe erreicht, welche auf den Zöllen gefunden werden sollte.

Da hier von den Zollverträgen und ihrem engen Zusammenhange mit dem autonomen Tarife die Rede ist und da auch die Kommission im Verlaufe ihrer Arbeit sehr häufig in den Fall gekommen ist, nicht nur die auswärtigen Zolltarife anzusehen, sondern sich über das muthmassliche Resultat von Unterhandlungen und dessen Einfluss auf den eigenen Tarif ein Bild zu machen, so erlauben wir uns, an diesem Orte die Frage anzuregen, ob nicht natürlicher und richtiger Weise die Leitung der Vertragsverhandlungen mit dem Auslande demselben Departemente übertragen werden sollte, von welchem die Revision des Zolltarifs ausgeht.

Unsererseits stehen wir nicht an, diese Frage zu bejahen.

Denn, wie die Dinge dermalen liegen, hat das Handolsdepartement, von dem die Négociation der Handelsverträge geleitet wird, keine nähere Kenntniss von den mit der Tarifrevision verbundenen Arbeiten, kennt also namentlich die Motive nicht, aus denen ein bestimmter Zollansatz gewählt wurde, und andererseits ist das Zolldepartement für Alles, was in Sachen der Handelsverträge vorgeht, auf die Mittheilungen des Handelsdepartements angewiesen. Die Vereinigung der beiden Geschäfte, der Tarifrevision und des Abschlusses der Handelsverträge, in Einer Hand scheint uns um so mehr geboten, als wir mehr als einmal und ganz von selbst dazu geführt wurden, bei der Diskussion und dem Entscheide über Zollansätze der Rücksicht auf die Handelsverträge nicht nur überhaupt Einfluss, sondern massgebenden Einfluss zu gestatten.

Von dieser Abschweifung zurückkehrend, glauben wir aus den angegebenen Gründen, dass das vorläufig ermittelte finanzielle Resultat des neuen Tarifes nichts Erschreckendes habe und geben dabei zu bedenken, dass wenn dieser Tarif mehr Einnahmen liefern sollte, als für die Bedürfnisse des Bundes erforderlich sind, oder wenn diese Bedürfnisse durch Ersparnisse in der Bundesverwaltung oder durch Eröffnung anderweitiger Einnahmen-Quellen gedeckt werden können, es stets leichter und auch eine angenehmere Aufgabe sein wird, die Tarifansätze herunter-, als hinaufzusetzen. Selbst wenn man dazu gelangen würde, an die Zolleinnahmen gar keine erhöhten Ansprüche zu stellen, so bliebe immer noch der Gewinn, dass wir an Stelle eines rudimentären Tarifes

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einen auf ein rationelles und billige Besteurung ermöglichendes Princip gegründeten Tarif erhalten. Dieser Gewinn wäre durchaus nicht gering anzuschlagen.

Das Gesetz.

Die den Tarif in Gesetzesform einkleidenden Bestimmungen beantragen wir durch einige Zusätze zu erweitern.

Bei Art. l schien uns wünschbar, auf die beabsichtigten Handelsverträge mit andern Staaten hinzuweisen und damit zu constatiren, dass dieser allgemeine Tarif nur gegenüber denjenigen Staaten zur Anwendung kommen soll, mit denen wir in keinem Vertragsverhältnisse stehen. In Art. 2 nahmen wir den sonst nicht ausgesprochenen Satz auf, dass die Verzollung nach dem Brutto-Gewicht, also mit Einsehluss der Tara, stattzufinden habe. Art. 3 ertheilt dem Bundesrath die Vollmacht, die nicht speziell genannten Waaren, darunter also auch die neu auftretenden, zu tarifiren und zwar in analoger Anwendung der bei Aufstellung dieses Tarifes befolgten Grundsätze. In Art. 4 sahen wir eine Mehrzahl von Verordnungen zur Durchführung des neuen Tarifes vor und dachten dabei speziell auch an die Vorschriften über Ursprungszeugnisse, deren Erlass nöthig sein wird, wenn mit einzelnen Ländern Conventional-Tarife vereinbart werden; auch glaubten wir an dieser Stelle der Anfertigung eines Waaren-Verzeichnisses gedenken zu sollen.

Endlich widmeten wir den durch dieses Gesetz aufgehobenen Gesetzen einen besondern Artikel (5), statt sie blos im Eingange zu erwähnen.

BehandlungsIndem Ihnen sonach die Commission auf den Entwurf weise der einzutreten empfiehlt, erübrigen ihr noch einige Worte über or a e " ' die Art der Behandlung im Rathe. Es lässt sich denken : 1. eine Detail berathung nach den einzelnen Positionen; 2. eine kategorien- bzw. abschnittweise Berathung, und 3. eine Berathung in globo. Von einer Detail berathung wird von vorneherein abgesehen werden müssen; denn wenn wir die bei den Commissionalberathungen gemachten Erfahrungen in Bezug auf Zeitaufwand proportional auf den Ra.th anwenden, so müsste sich dieser für einige Monate permanent erklären. Einen Antrag auf Berathung und Annahme in globo ist die Commission auch nicht in der Lage zu stellen. Aus den Tarif - Berathungen der Jahre 1849 und 1851 mag erwähnt werden, dass 1849 in beiden Räthen über 3 Tarife in globo abgestimmt und einer derselben ohne irgendwelche Detail-Berathung angenommen wurde, während 1851 der definitiven Annahme des jetzigen Tarifes eine classenweise

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Berathung voranging. Im Anschlüsse an dieses letztere Verfahren glaubt Ihnen die Commission auch dieses Mal eine k a t e g o r i e n w e i s e B e r a t h u n g beantragen zu sollen und zwar in der Weise, dass die Mitglieder des Rathes, welche bezüglich einzelner Positionen einer Kategorie Bemerkungen zu machen oder Anträge zu stellen beabsichtigen, dieses dem Präsidium anzeigen, welches dann über jede bestritteue Position eine separate Discussion eröffnen würde; denn nur auf diese Weise könnte die Berathung vor einer sonst unvermeidlichen Verwirrung bewahrt werden.

B e r n , den 1. Decomber 1877.

Die Mitglieder der Commission: Stehlin.

Bodenheimer.

Hohl.

Cornaz.

Weber.

Estoppey.

Gengel.

Hiezu eine Beilage: Abänderungs-Anträge der Kommission des Ständerathes an dem Entwurf des Bundesrathes betreffend einen neuen eidg. Zolltarif.

mt»

Einnahmen der Zollverwaltung in den Jahren 1876 und 1877.

· 1877.

1876.

Monate.

1877.

Mehreinnahme. Mindereinnahme.

Januar Februar März . .

April Mai Juni Juli August September Oktober November Dezember .

Fr.

Rp.

Fr.

1,255,899 1,349,308 1,516,505 1,536,400 1,524,369 1,358,426 1,301,098 1,219,777 1,469,396 1,64N,200 1,524,526 1,672,633

45 72 31 23 58 25 98 63 93 98 81 21

1,224,526 1,148,968 1,324,226 1,287,272 1,352,009 1,133,511 1,082,350 1,190.482 1,286,147 1,573,639 1,548,880

Bp.

84 57 25 55 53 39 21 81 79 12 21

Total Fr. 17,376,544

08 87 14,152,015

27

. . . .

auf Ende November . 15,703,910

Fr.

24,353

Kp.

Fr.

·

ßp.

31,372 200,340 192,279 249,127 172,360 224,914 218,748 29,294 183,249 74,561

61 15 06 68 05 86 77 82 14 86

1,551,895

60

40

Schweizerisches Bundesarchiv, Digitale Amtsdruckschriften Archives fédérales suisses, Publications officielles numérisées Archivio federale svizzero, Pubblicazioni ufficiali digitali

Bericht der ständeräthlichen Kommission für Prüfung des neuen schweizerischen Zolltarifes. (Vom 1. December 1877.)

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1877

Année Anno Band

4

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54

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---

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08.12.1877

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