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Bericht der

ständeräthlichen Kommission betreffend die Gewährleistung der Verfassung des Kantons Schwyz.

(Vom 10. Dezember 1876).

Tit.!

Unterm 11. Juni 1. J. hat das Volk des Kantons Schwyz mit einer Mehrheit von 2664 gegen 1009 Stimmen der unterm 7. April gl. J. vom Kantonsrathe beschlossenen neuen Verfassung seine Zustimmung ertheilt.

Die bisherige schwyzerische Kantonsverfassung datirt aus der der Bundesverfassung vom Jahre 1848 vorangehenden Periode und die daherige Gewährleistung ging noch von der frühem Tagsatzung (Beschluß vom 10. Juli 1848) aus.

Das neue Grundgesetz scheint dem Bedürfnisse entsprungen zu sein, die bestehenden öffentlichen Zustände mit dem neuen Bundesrechte in Einklang zu setzen.

Ihre Kommission hat die einzelnen Bestimmungen desselben an dem Maßstabe des Art. 6 der Bundesverfassung geprüft und legt Ihnen das Resultat ihrer Prüfung in Folgendem vor, indem sie im Uebrigen auf den Inhalt der einläßlichen bundesräthlichen Botschaft verweist.

I. Im A l l g e m e i n e n vermissen wir, bei einer Reihe von Bestimmungen, rücksichtlich welcher die Befugnisse der Kantone

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durch Verfassung und Gesetzgebung des Bundes beschränkt sind, den V o r b e h a l t der daherigen Rechte des B u n d e s .

Dahin gehören u. A. die Bestimmungen über Ertheilung, des Kantonsbürgerrechtes, über die Gesetzgebung im Militärwesen, die Bestimmungen über Staatsverträge mit andern Kantonen und Staaten, über Truppenaufgebote bei Gefährdung der Sicherheit im Innern und nach A u ß e n , über die Preßgesetzgebung u. s. w., die Bestimmungen über das Stimmrecht niedergelassener Schweizerbürger, sowie dasjenige der Aufenthalter.

Voraussichtlich ist dieser Vorbehalt nur in der Meinung weggelassen worden, daß derselbe ein selbstverständlicher sei und diese Bundeskompetenzen einer besondern Anerkennung durch die Verfassungen der Kantone nicht bedürfen.

In diesem Sinne finden wir in diesem Stillschweigen denn auch keine Veranlaßung, die nachgesuchte Garantie der Verfassung zu beanstanden.

II. S p e z i e l l e A u s h e b u n g e n .

Im § 2 wird gesagt: ,,Die christlich-römisch-katholische Religion ist diejenige der großen Mehrheit des schwyzerischen Volkes.t(t Es liegt darin mehr nicht als die Konstatirung eines thatsächlichen Verhältnisses, dessen statistische Richtigkeit kaum angezweifelt werden kann. Aus diesem Grunde und weil im Uebrigen auch jedes andere Religionsbekenntniß und die Glaubens- und Gewissensfreiheit nach den Bestimmungen der Bundesverfassung gewährleistet wird, finden wir keine Veranlaßung, diesen Artikel zu beanstanden.

2. Der § 9 hinwieder, welcher von dem Primarschulwesen spricht, scheint uns den Gedanken, welchem der Art. 27 der Bundesverfassung Ausdruck gegeben hat, nicht mit der wünschbaren Vollkommenheit zu reproduziren.

Er lautet: ,,Der Kanton s o r g t unter Beobachtung der Vorschriften des ,,Art. 27 der Bundesverfassung für g e n ü g e n d e n P r i m a r,, u n t e r r i c h t , inbegriffen die Wiederholungsschulen, und unter,,stützt die Sekundärschulen.

,,Der Primarunterricht ist obligatorisch und in den öffentlichen ,,Schulen unentgeltlich.

Es fällt auf, daß hier auf der Einen Seite allgemein auf die Beobachtung des Art. 27 der Bundesverfassung verwiesen und dann doch wieder, aber n u r b e z ü g l i c h d e s o b l i g a t o r i s c h e n C h a r a k t e r s und der U n e n t g e l t i c h k e i t der ö f f e n t l i c h e n S c h u l e n der T e x t des Art. 27 aufgenommen, dagegen die Be-

71 Stimmung über die ,, a u s s c h l i e ß l i c h s t a a t l i c h e L e i t u n g des P r i m a r u n t e r r i c h t s und die Confessionslosigkeit der ö f f e n t l i c h e n S c h u l e n weggelassen worden ist.

Es bietet diese Fassung unter Anderem namentlich d e m Zweifel Raum, ob rücksichtlich der P r i v a tschulen die ,,ausschließlich Staatliche Leitung10 in dem yon Art. 27 der Bundesverfassung postulirten Sinne ebenfalls Platz greifen soll.

Nach der Fassung des \.rt. 9 kann nämlich verstanden werden, daß nur rücksichtlich des darch die O b s o r g e des K a n t o n s organisirten Primarunterrichts also rücksichtlich der ö f f e n t l i c h e n Schulen, die ,,ausschließlicl staatliche Leitung" zutreffe, während nach der Fassung des Art. '.:7 der Bundesverfassung dieses Requisit auf den gesa mm t en Primarunterricht zutreffen soll, werde er zuf o l g e der Obsorge des Staates oder zufolge privater Obsorge ertheilt.

Aus diesem Grunde ha ten wir denn auch das in M o t i v \ des bundesräthlichen Beschlusses Entwurfes enthaltene, die volle Geltung des Art. 27 der Bundesver assung in sich schließende Reservat, namentlich in der von uns angedeuteten Richtung, als gerechtfertigt.

3. In § 20 in Verbindui g mit § 13 der Verfassung ist unzweifelhaft eine G a r a n t i e der b< s t e h e n d e n Klöster niedergelegt.

Ein anderer Sinn kam dem § 20 kaum beigelegt werden, welcher sagt : ,,Die besteh* nden Klöster genießen den Schutz des Staates.a Damit steht der § 13 iu Verbindung, welcher unter dem vorangestellten allgeme:nen Satze der ,,Unverletzlichkeit des Eigenthums" jeder ,,geistlichen Korporation"1 die Verwaltung und Benutzung ihrer Güter garantirt.

Da der Bund nach Art. 51 der Bundesverfassung sich das Recht des Ausschlusses gewisser geistlicher Orden unter gewissen Voraussetzungen vorbehalten hat, so kann die bundesrechtliche Gewährleistung solcher Garantiebestimmungen auch nur unter ausdrücklichem Vorbehalte der bundesmäßigen Rechte geschehen. Zudem hat der Bund angesichts seiner in Bezug auf aufgehobene Klöster verfassungsmäßig eingenommeneil Stellung keine Veranlaßung, durch die von ihm nachgesuchte Garantieertheilung dem Mißverständnisse Raum zu geben, als würde er damit eine Gewähr irgend welcher Art für den Fortbestand klösterlicher Korporationen übernehmen.

Wir halten daher auch den Ihnen in Erwägung 2 des Beschlussesentwurfes beantragten Vorbehalt als der Sachlage entsprechend.

72 4. Die §§ 41, 43 a und 44.

Nach § 41 wählt der Kantonsrath aus seiner Mitte den Regierungsrath, aus 7 Mitgliedern bestehend. Drei davon m ü s s e n aus dem Bezirk S c h w y z , 4 sollen aus den übrigen 5 Bezirken genommen werden.

Im Weitern muß jederzeit entweder der Lan d a m m an n oder aber der S t a t t h a l t e r dem Bezirk Schwyz angehören.

Nach § 43 a muß der e i n e Abgeordnete in den S t ä n d e r a t h ebenfalls dem Bezirk Schwyz angehören.

Die gleiche Bestimmung soll nach § 44 auch bezüglich der z w e i K a n t o n s s c h r e i b e r gelten, von denen der einte aus dem Bezirke Schwyz, der zweite aus einem der andern Bezirke genommen werden muß.

Wir erblicken mit dem Bundesrath in diesen Bestimmungen ein angesichts des Art. 4 der Bundesverfassung unhaltbares, einem einzelnen Bezirke gegenüber den andern Bezirken eingeräumtes Privilegium. Bei dieser Anschauung leitet uns nicht sowohl das Bevölkerungsverhältniß des mit diesen Anrechten ausgestatteten Bezirkes Schwyz, gegenüber den Bevölkerungsverhältnissen der andern 5 Bezirke, als der Gesichtspunkt, daß einem einzelnen Bezirke vorab eine b e s t i m m t e G a r a n t i e für eine V e r t r e t u n g in den obersten Landesbehörden, ja der Bundesversammlung, gegeben wird, welche Garantie keinem e i n z i g e n der e i n z e l n e n ü b r i g e n Bezirke gegeben wird. Wohl ist nämlich bestimmt, daß ü b e r h a u p t die 4 andern Regierungsmitglieder aus den Kantonsräthen der 5 übrigen Bezirke gewählt werden sollen ; es kann aber vorkommen, daß diese 4 Mitglieder alle nur e i n e m dieser 5 Bezirke angehören und die 4 übrigen Bezirke gar k e i n e n Repräsentanten in der Regierung erhalten ; es kann vorkommen, daß während vieler Jahrzehnte aus dem e i n e n oder a n d e r n der 5 übrigen Bezirke k e i n Ständerath, k e i n Landschreiber gewählt wird. Der Bezirk Schwyz allein hat unter allen Umständen darauf Anspruch, stetsforfc in der Regierung und im Ständerathe vertreten zu sein, den Landammann oder den Statthalter und einen der 2 Landschreiber zu besitzen.

Es kann nicht eingewendet werden, diese Hintansetzung der einzelnen übrigen Bezirke sei nur eine scheinbare und verschwinde, weil alle 5 z u s a m m e n g e n o m m e n denn doch eine a n n ä h e r n d p r o p o r t i o n e l l e Vertretung in den Behörden finden.

Einerseits ist
diese Proportion bei hälftiger Berechtigung nicht eingehalten, da der Bezirk Schwyz von 47,733 Seelen nach letzter Volkszählung nur 19,554 Einwohner zählt. Anderseits ist diese

73 s o l i d a r i s c h e Veranschlagung der Rechte aller f ü n f übrigen Bezirke, als E i n e s dem Bezirke Schwyz gegenüberstehenden Faktors, in der Verfassung nicht begründet.

Diese kennt keinen Bezirk Schwyz und Außer-Schwyz, wie eine im Auftrage des Regierungsrathes eingereichte Denkschrift vorauszusetzen scheint.

Die o r g a n i s c h e G l i e d e r u n g des Kantons beruht laut §§ 26 und 28 der Verfassung vielmehr auf 6 Bezirken und 13 Kreisen.

Diese Bezirke stehen unter sich in keinem organischen Verbände, und wenn nun Einem derselben eine bestimmte Repräsentation zugesichert ist, gesetzt sie entspräche sogar dem Proportionalmaßstabe der Bevölkerung, und k e i n e m der übrigen Bezirke eine solche Vertretung vorab zugesichert ist, so erblicken wir eben in dieser u n g l e i c h a r t i g e n B e h a n d l u n g ein mit dem heutigen Bundesrechte schlechterdings nicht zu vereinbarendes Vorrecht.

Wenn somit die erwähnte offizielle Druckschrift sich dahin äußern zu sollen glaubt, daß ,,die angeblichen Vorrechte nicht in ,,der Wirklichkeit, sondern nur in der Einbildung der bundesräth,,lichen Botschaft existiren und die Anträge der bundesräthlichen ,,Botschaft als übelwollende Vexation zu betrachten sich berechtigt ,,glaubt a , so vermögen wir diese Auslassung so wenig als geziemend, denn als begründet zu erachten.

Wir halten somit, übereinstimmend mit dem Bundesrathe, dafür, es seien die §§ 41, 43 und 44 von der Garantie auszuschließen und der Kanton Schwyz einzuladen, dieselben mit der Bundesverfassung in Einklang zu bringen.

Dagegen finden wir in den Bestimmungen des Art. 68, wonach jeder der 6 Bezirke mit Berücksichtigung der Bevölkerung das Kantonsgericht, aus 9 Mitgliedern bestehend, bilden hilft, nichts, was dem Art. 4 der Bundesverfassung widerspräche, und können wir daher die Rükweisung des Art. 68 nicht befürworten.

III. Der § 100 und die S c h u l o r g a n i s a t i o n .

Der § 100 der Verfassung lautet: ,,Die Wahl der Lehrer bleibt den b i s h e r i g e n W a h l b e h ö r den überlassen.a Die vage Fassung dieser Bestimmung führte zu einer Einfrage bei der Regierung von Schwyz, welche dahin Beantwortung fand, daß dießfalls die S c h u l o r g a n i s a t i o n vom J a h r 1848 Anwendung finde, soweit sie nicht durch die neue Verfassung beschränkt sei. Diese S c h u l o r g a n i s a t i o n enthält nun u. A. folgende Bestimmungen :

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Der Bewerber eines Lehrerpatentes soll katholisch sein.

C§ 32.)

Der Erziehungsrath muß zu 1 /3 aus g e i s t l i c h e n Mitg l i e d e r n bestehen. (§ 45.)

(An dieser grundsätzlichen Bestimmung ändert die neue Verfassung insoweit nichts, als sie nur die Mitgliederzahl des Erziehungsrathes reduzirt hat. § 43 c der Verfassung.)

Der Instruktion für die Prüfungskommission der Primarlehrer entnehmen wir, daß Lehrerstellen auch mit geistlichen P f r ü n d e n verbunden sind, in welchem Falle der Geistliche in Gegenwart seines Dekans zwar die Lehrerprüfung zu bestehen hat. (§ 9.)

Die W a h l der Lehrer erfolgt, nach dem Berichte des Regierungsrathes, theils durch die Kirchgemeinden, theils durch dis von denselben ernannten Gemeinderäthe.

Unter den Funktionen der K i r c h g e m e i n d e n werden u. A.

nun verfassungsgemäß die W a h l der G e i s t l i c h e n (wo solche den Gemeinden zusteht) und diejenige der K i r c h e n - und P f r u n d p f l e g e r aufgeführt.

Es liegt somit bei der konfessionellen Färbung der von uns citirten Stellen der Schulorganisation die Voraussetzung nahe, daß die W a h l der L e h r e r , gleich der Wahl der Geistlichen, Kirchen und Pfrundpfleger an den K i r c h g e m e i n d e n k o n f e s s i o n e l l vor sich gehe, zumal rücksichtlich der Stimmfähigkeit an den Kirchgemeinden die etwas zweideutige Bestimmung (§98 der Verfassung) aufgenommen ist: ,,Es sollen für dieselben die allgemeinen Bestimmungen über Stimmfähigkeit ,,in a n a l o g e r Weise" Geltung finden.

Der k o n f e s s i o n e l l e Charakter der schwyzerischen Primarschule findet seinen weitern Ausdruck in folgenden Bestimmungen der Instruktion für die Lehrer : ,,Das Kind nach dem Sinn und Geist der katholischen Kirche ,,zu erziehen, das sei Beruf und Tagewerk des Lehrers. (§ 1.)

,,Vom christkatholischen Glauben beseelt, offenbare der Lehrer ,,denselben auch äußerlich in Wort und That durch gewissenhafte ,,Erfüllung der Pflichten eines Katholiken, der Jugend zum Vorbild."

(§ 3.)

,,Der Lehrer unterstütze in der Schule die Ortsgeistlichkeit im ,,Katechismusunterrichte, insoweit derselbe Gedächtnißsache ist und ,,halte sich genau an ihre Weisungen.a (§ 5.)

,,Der Lehrer suche in der Schule durch zweckmäßige Belehrung ,,auf die Feier und Bedeutung der kommenden kirchlichen Zeiten ,,und Feste u. s. w. hinzuwirken. a (§ 21 d.)

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,,Der Lehrer führe ein genaues Tagebuch, in welches verzeichnet ,,werden sollen: f. ,,ob und an welchen Tagen der Lehrer den von der Orts,,geistlichkeit erhaltenen Weisungen in der Wiederholung ,,und Weiterführung der K^techismusaufgaben u. s. w. nachgekommen ist.a Wir führen dies Alles nur an, um an diesem Maßstabe zu bemessen, inwieferne mit einer derartigen Einrichtung der Schule der allgemein bürgerliche Charakter derselben vereinbarlich und speziell die in § 100 der Verfassung ausgesprochene Stabilisirung des bisherigen W a h l m o d u s der L e h r e r zuläßig sei.

Wir glauben, daß hierüber ein begründeter Zweifel nicht bestehen könne. Indem wir daher auch das bezügliche Dispositiv 2 des bundesräthlichen Beschlussesentwurfes Ihrer Annahme empfehlen, gelangen wir zu dem S c h l u ß a n t r a g e * ) : mit W e g l a s s u n g des Citâtes von Art. 68 in E r w ä g u n g 3 und in Dispositiv l, den vorgeschlagenen Bundesbeschluß u n v e r ä n d e r t anzunehmen.

B e r n , 10. Dezember 1876.

Namens der Mehrheit der ständeräthlichen Kommission: Der Berichterstatter: Hoffmann.

*) Vom Ständerathe angenommen am 22^ Dezember 1876.

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