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Bericht des

Bundesrathes an die hohe Bundesversammlung über das Begnadigungsgesuch des Kaspar Wernli von Thalheim (Kts. Aargau), "Weichenwärter in Aarau.

(Vom 11. Juni 1877.)

Tit.!

Mit Beschluß vom 2. August vorigen Jahres haben wir in Anwendung von Art. 74 des Bundesgesezes über das Bundesstrafrecht vom 4. Februar 1853 die Untersuchung und Beurtheilung einer am 5. Juli 1876 auf der Station Aarau vorgefallenen Gefährdung des Eisenbahnbetriebes den Gerichten des Kantons Aargau übertragen.

An dem erwähnten Tage sollte nämlich auf jener Station die Maschine eines von Brugg angekommenen Bahnzuges ausgewechselt werden. Sie wurde jedoch, als sie auf die Drehscheibe gebracht werden wollte, in Folge unrichtiger Weichenstellung wieder gegen die Personenwagen des gleichen Zuges zurükgeleitet und prallte, da die Distanz ganz kurz war, an dieselben an, wobei einige Beschädigungen am Material entstanden und der Heizer Rudolf Dürsteier eine Kontusion am rechten Handgelenk erlitt. Lezterer konnte jedoch den Dienst schon nach wenigen Tagen wieder aufnehmen.

Der Weichenwärter K a s p a r W e r n l i von Thalheim gab zu, aus Unachtsamkeit gefehlt zu haben, und entschuldigte sich damit, daß er in dem kritischen Augenblike über eine unangenehme Familiennachricht nachgedacht habe.

166 Wernli wurde von dem Bezirksgerichte Aarau von Strafe freigesprochen, in Berüksichtigung, daß er den Schaden ersezt, Dürsteier keine erhebliche Beschädigung erlitten und auch auf jede Entschädigung verzichtet habe, sowie, daß dem Angeklagten keine böse Absicht zur Last gelegt werden könne. Auch sei der Vorfall nicht im ordentlichen Fahrdienst, sondern nur beim Manövriren begegnet, weßbalb die Vorschriften des Bundesstrafrechtsgesezes über die Gefährdung von Bisenbahnzügen hier nicht zur Anwendung kommen.

Wir sahen uns veranlaßt, dieses Urtheil an das Obergericht des Kantons Aargau zu appelliren, welches sodann unterm 21. Dezember 1876 den Kaspar Wernli der fahrläßigen Gefährdung des Eisenbahnbetriebes im Sinne von Art. 67, litt, b des Bundesstrafrechtsgesezes schuldig erklärte und denselben zu einer Gefähgnißdtrafe von 8 Tagen, einer Buße von Fr. 20, sowie zur Bezahlung der Kosten verurtheilte.

Wernli richtete nun an den Bundesrath zuhanden der Bundesversammlung das Gesuch, daß dieselbe ihm die Gefängnißstrafe und die Geldbuße auf dem Wege der Begnadigung erlassen möchte.

Er stüzte sich hiebei darauf, daß das Versehen, welches ihm zur Last gelegt werden könne, so geringfügiger Natur sei, und zu seinen Gunsten so viele Milderungsgründe obwalten, daß jede Bestrafung als zu hart erscheine. Er sei dadurch, daß er der Nordostbahn den- entstandenen Schaden mit Fr. 120 habe vergüten müssen und zudem noch die sämmtlichen Prozeßkosten zu bezahlen habe, schon hart genug gebüßt, zumal er nichts als seine geringe Löhnung habe, ,um Frau und Kinder zu erhalten.

Die Direktion der Nordostbahn bemerkte in ihrem Berichte, daß Wernli seit 1. September 1875 in ihrem Dienste stehe, und daß, von diesem Unfall abgesehen, seine Dienstleistungen nie zu Klagen Anlaß gegeben haben. Falls er die Gefängnißstrafe antreten müßte, wäre sein Posten anderweitig zu besezen, und er müßte daher aus dem Dienste entlassen werden.

Indem wir die Ehre haben, Ihnen dieses Begnadigungsgesuch mit den sämmtlichen Akten vorzulegen, finden wir, daß Wernli wegen der Unterlassung seiner Dienstpflicht allerdings bestraft werden mußte, daß aber verschiedene Umstände vorliegen, welche einen theilweisen Erlaß der ausgesprochenen Strafe rechtfertigen dürften.

Es wird demselben ein gutes Dienstzeugniß ausgestellt; sein Versehen fand nur beim
Manövriren statt, wo nach der Natur der Sache Personen und Eigenthum der Gefahr weniger ausgesezt sind, als bei den ordeetlichen Bewegungen der Züge. Im Spezialfalle waren

167 die Personenwagen, auf welche die Lokomotive stieß, leer, und sie sind durch den Anprall lediglich auf ihrem Geleise zurükgestoßen worden. Daß der Heizer verlezt wurde, glauben wir eher einem unglüklichen Zufalle zuschreiben zu sollen. Auch droht dem Wernli bei dem Vollzuge der Gefängnißstrafe die für ihn noch viel härtere Strafe der Entlassung aus seinem Dienste, welche die Bahndirektion sonst gegen ihn auszusprechen sich nicht veranlaßt gesehen hat. Uebrigens wird das Begnadigungsgesuch auch von der Regierung des Kantons Aargau empfohlen.

Wir stellen daher den Antrag: Es sei dem Gesuche des Kaspar Wernli in so weit zu entsprechen, daß ihm die Gefängnißstrafe erlassen werde.

B e r n , den 11. Juni 1877.

Im Namen des Schweiz. Bundesrathes, Das präsidirende Mitglied: Scherer.

Der Kanzler der Eidgenossenschaft :

Schiess.

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Bericht der

Mehrheit der Kommission des Nationalraths betreffend die Tragung der Kosten für die "Wildhut in den Jagdbannbezirken.

(Vom 14. März 1877.)

Tit.!

Der Art. 15 des Bundesgesezes vom 17. September 1875 über Jagd und Vogelschuz (II, 39) verfügt die Aufstellung von 19 Jagdbannbezirken, in denen jede Jagd auf Hochwild untersagt ist, und beauftragt den Bundesrath mit der diesfälligen Oberaufsicht.

Durch Verordnung vom 4. August 1876 (II, 385) hat der Bundesrath bestimmt (Art. 4), daß die Kantone, in denen Jagdbannbezirke aufgestellt sind, für jeden Bannbezirk ein bis zwei geeignete Hüter zu ernennen und ständig zu halten haben. Nach Art. 5 sind die Kantone mit der besondern Beaufsichtigung der Bannbezirke, sowie des Hutdienstes beauftragt.

Nachdem die meisten der betreffenden Kantonsregierungen verlangt haben, daß der Bund für Tragung der Kosten dieser Beaufsichtigung in Mitleidenschaft zu ziehen sei, zeigte der Bundesrath ihnen an, daß er die Angelegenheit der Bundesversammlung unterbreiten werde.

In der Botschaft, die der Bundesrath soeben erließ, spricht er sich g e g e n das Begehren der Kantone aus.

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Bericht des Bundesrathes an die hohe Bundesversammlung über das Begnadigungsgesuch des Kaspar Wernli von Thalheim (Kts. Aargau), Weichenwärter in Aarau. (Vom 11. Juni 1877.)

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1877

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16.06.1877

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165-168

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