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Gesezentwurf über

die politischen und polizeilichen Garantien zu Gunsten der Eidgenossenschaft.

(Vom Bundesrathe durchberathen am 24. November, und ausgetheilt am 1. Dezember 1851.)

£>ie B u n d e s v e r s a m m l u n g der f c h w e i z e r i f c h e n Eidgenofsenfchaft, in Ausführung und weitern Anwendung ihres Be# schlusses vom 27. November 1848,

beschließt: Art. 1. Gegen die Mitglieder des National- und Ständerathes, so wie des Bundesgerichtes und der Iuri) ïann eine polizeiliche oder gerichtliche Verfolgung wegen solchen Verbrechen oder Vergehen, welche während der Dauer ber Versammlung der betreffenden Behörde begangen werden, sich aber nicht auf ihre amtliche Stellung beziehen, nur mit Zustimmung der Behörde, welcher sie angehören', stattfinden.

Ueber die auf die amtliche Stellung bezügliche« rechtswidrigen Handlungen enthält das Bundesgesez

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«ber die Verantwortlichkeit der Beamten (vom 9. De* zember 1850) die erforderlichen Bestimmungen.

Art, 2. Die Mitglieder des Bundesrathes und der

eidgenössische Kanzler behalten ihr politisches nnd bürger-

liches Domizil in dem Kantone bei, in welchem sie es bei ihrer Wahl hatten, und sie bleiben daher unter der Kantonalhoheit und Gesezgebung desselben, so weit ihre Eigenschaft als Privatperfonen in Frage kommt. Dieser Grundsaz bezieht fich jedoch nicht auf den Befiz von .Liegenschaften und auf die indirekten Steuern.

Art. 3. Eine polizeiliche oder gerichtliche Verfolgung derselben wegen der im Art. 1, Lemma 1 bezeichneten Verbrechen oder Vergehen kann nur mit Zustimmung des Bundesrathes statt finden. Gegen die Verweigerung .

dieser Zustimmung ist der Rekurs an die Räthe der

Bundesversammlung zuläßig.

Art. 4. Diese Beamten (Art. 2) stehen in straf* rechtlicher Hinsicht unter der Gerichtsbarkeit des Bundes und fie find, wenn beschlossen wird, der Klage Folge zu geben, der Anklagekammer des Bundesgerichtes zu überweisen, welche fie in demjenigen Asfisenbezirk beurtheilen

läßt, dem ihr Domizil (Art. 2) angehört.

Bei unbedeutenden Polizeivergehen kann jedoch der Bundesrath die Beurtheilung den Gerichten des Bun* dessizes überlassen.

Art. 5. Wenn gegen eidgenössische Repräsentanten oder Kommissarien eine Klage wegen Verbrechen oder Vergehen, während ihrer amtlichen Sendung verübt, erhoben würde, so kann die strafrechtliche Verfolgung nur unter Zustimmung des Bundesrathes eintreten.

Die Ueberweifung geschieht an die Anklagekammer des Bundesgerichtes zuhanden des Assifenhofes ihres

238 Domizils, oder in unbedeutenden Fällen an die Gerichte des Kantons, in welchem die eingeïïagtc Handlung be* gangen wurde. ° Art. 6. Die färnmilichen eidgenössischen Beamte« und Angestellten bedürfen als solche an dem Orte ihrer Amtsverrichtung feiner Niederlasfungsbewilligung. Dagegen haftet der Bund den Kantonen, daß dicfelbeit ihnen aus dem Grunde diefcs Domizils nie zur Last fallen fönnen.

Art. 7. Die Bundesfasse und alle unter der VerWaltung des Bundes stehenden Fonds, so ivie diejenigen Siegenschasten, Ansialten und Materialien, welche unmittelbar für Bundeszwe'ïe bestimmt sind, dürfen »ora den Kantonen nicht mit einer direkten Steuer belegt werden.

Art. 8. Die Kantone find für das Eigenthnrn ber Eidgenossenschaft verantwortlich, fo fern dasfelbe durch Störung der öffentlichen Ordnung in ihrem Innern beschädigt oder entfremdet wird.

Art. 9. Verbrechen gegen die im Art. 2 bezeichneten fidgenoffifchen Beamten, wodurch diese für längere oder fürzere Zeit ihrer Wirfsainfei. entzogen werden, gehoreit in die Kompetenz des Bundesgerichtes.

Dasselbe gilt hinsichtlich derartiger Verbrechen, welche gegen die Mitglieder der Bundesversammlung, des Bundesgerichtes und der Iury, so wie gegen eidgenössische Repräsentanten oder Kommissarien während der Dauer ihrer amtlichen Sendung verübt werden.

Art. 10. Wenn der ...Bundesrath wegen öffentlichen Unruhen die Sicherheit der Bundesbehördcn im Kantoit des Bundessizes für gefährdet erachtet, fo ist er, abgefehrn von andern verfassungsmäßigen Sicherheitsmctß-

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regeln, berechtigt, die Bundesversammlung in einen andern Ort des Kantons Bern, oder auch in einen andern Kanton einzuberufen.

Art. 11. Sollte, in Folge von Aufruhr oder anderer Gewaltthat, der Bundesrath außer Stande sein, zu handeln, so ist der Präsident der Bundesversammlung oder bei dessen Behinderung der Vizepräsident verpflichtet, sofort die beiden gesezgebenden Räthe in einem beliebigen Kantone zu versammeln,.

Art. 12. Die zum Gebrauche der Bundesbehörden bestimmten Gebäude stehen unter der unmittelbaren Polizei derselben.

Während der Sizungen der Bundesversammlung Übt jeder Rath die Polizei in seinem Sizungslokale aus.

Art. 13. Alle Konflikte, welche über die Anwendung dieses Gesezes entstehen, gehören zur Kompetenz ber vereinigten Bundesversammlung. Allfällig erforderliche provisorische Verfugungen hat der Bundesrath zu erlassen.

Art. 14. Dieses Gefez äußert seine Wirksamkeit vom 27. November 1848 an.

Der Bundesrath ist mit der Vollziehung beauftragt.

Also den gefezgebenden Räthen der Eidgenossenschaft vorzulegen beschlossen, Bern, den 24. November 1851.

Im Namen des schweizerischen Bundesrathes,

Der Bundespräsident:

J. Muuziuger.

Der Kanzler der Eidgenossenschaft:

Schieß.

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Gesezentwurf über die politischen und polizeilichen Garantien zu Gunsten der Eidgenossenschaft.

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29.11.1851

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236-239

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