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S'ßhrgßug III. Band i.

_ Tj£i&»_ _ ©arastag, ben 22. Februar 185 L .JJJan jbi.inn!d lîu.Jf.i'liefîiiJ.! beim nachstaelegeîi:n Postamt. Preis suï ùa<î '".übt IH5I im flaiuen Umsangf der .Schweiz p o r t o s r e ! .üriht. 3.

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Verhandlungen der ..S-,.-i.:de..5-U-..'rsamiulMng.

Nationalrath.

Angelegenheit der Militärkapitulationen.

(Vom 4. Dezember 1850).

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Bericht und Antrag der

Mehrheit der vom Nationalrathe niedergesezten Kommission, betreffend die Militärkapitulationen.

Tit.

A.

Wir werfen vor Allem aus einen kurzen Blick auf die G e f c h i c h t e der Entstehung des B u n d e s b e schluffes vom 20. Iuni 1849.

Der Große Rath des Kantons Genf faßte unter'm 28. März 1849 den Beschluß, der Staatsrath soll bei der Bundesversammlung den Antrag stellen, daß dieselbe, gestüzt auf Art. 11 und 74, Ziffer 6 und 7 der Bnndesbiatt. Jahrg. In. Bd. i.

12

152 Bundesverfassung, die in Neapel stehenden Schweizertruppen zurückberufen, vom Könige die denselben nach

Verhältniß ihrer Dienstzeit gebührende Entschädigung fordern, und fernere Anwerbungen in den Kantonen, welche Kapitulationen haben, verbieten mochte.

Diesem genfer'schen Staatsantrage schlössen fich -- mehr oder minder weit gehend -- Petitionen an, und zwar von: Waadt mit 4,500 Unterschriften, Genf mit 4,226 ,, Basel-Land mit . . . . . 1,523 ,, Basel-Stadt 819 ,, ,, dem dort. Grütliverein mit 521 ,, Neuenburg mit . . . . . 3,041 ,, Bern . . .

401 greihurg . . . . . . .

130 Zusammen: 15,161 Unterschriften.

Das Ausland lieferte 498 Unterfchriften von Schweizern.

Diefen reihten fich noch Petitionen verschiedener Volksvereinssektionen des Kantons Bern an.

Es ist bemerkenswerth, daß fich bei diesen Petitionen nur fünf Kantone und zwei Halbkantone betheiligten.

Es scheint, gewisse politische Ereignisse im Süden Eu-

ropas haben nicht in allen Gegenden der Schweiz einen gleich tiefen Eindruck gemacht, wenn sie gewiß auch überall mit großem Interesse für die Völkerfreiheit verfolgt wurden.

Gegenüber dem Genfer Antrag und den Petitionen erhoben .sich nun in den eidgenösfischen ...Sehorden Zweifel der stärksten Art, ob nach dem Wortlaute und Geiste der Bundesverfassung es überhaupt in der Kompetenz des Bundes liege, die Aufhebung der bestehenden von

153 einzelnen Kantonen geschlossenen Kapitulationen zu beschließen ? -- Der Bundesrath verneinte dieses und der Ständerath beschloß den 16. Mai 1849 über die Kapitulationsfrage zur ...iCagesordnung zu schreiten.

Ein anderes Resultat lieferten die Debatten im Naiionalrathe, der in seiner Mehrheit auf den Gegenstand eingieng.

Es konnte nun freilich die Frage entstehen, wenn überhaupt angenommen werden muß, daß die Bundesversammlung berechtigt sei, aus höhern politischen Rücksichten und aus Rückfichten der Wohlfahrt des Gesammtvaterlandes in der Kapitulationsfache einen Entscheid zu fassen,--ob die gegenwärtigen politischen Konstellationen noch die gleichen seien, wie im Sommer 1849, ob fich auch dermal ein Einschreiten des Bundes materiell und formell rechtfertigen ließe? -- Wir finden uns jedoch nicht veranlaßt, auf diese heikle Frage für dießmal näher einzugehen. Die Bundesverfammlung hat einmal die Sache an die Hand genommen und es handelt fich nun darum, ob man vorwärts gehen will und kann, oder aber den Gegenstand fallen lassen soll.

Nachdem die beiden gefezgebenden Räthe fich wieder* holt mit dieser Angelegenheit befaßt hatten, kam am 20. Iuni 1849 folgender Bundesbeschluß zu Stande: "Die schweizerische Bundesversammlung, in Betracht, daß das Fortbestehen der Militärkapitulationen mit den politischen Grundlagen der Schweiz als eines demokra* tischen Freistaates unverträglich ist,

beschließt.

1. Der Bundesrath wird eingeladen, beförderlich die geeigneten Unterhandlungen zu .pflegen, um eine Auf* lijsung der noch bestehenden Militärkapitulationen zu er#

154 zielen zu fuchen, und über die daherigen Ergebnisse Bericht, fowie angemessene fachbezügliche Anträge der Bundesverfammlung vorzulegen.

2. Alle Anwerbungen für auswärtige Militärbifnstc find im Gebiete der ganzen Eidgenossenschaft für einstweilen untersagt.

Unter'm 21. Inni 1849 wurde dem Nationalräthe von zahlreichen Mitgliedern ein Antrag eingebracht, oer dahin gieng: ,,1. Der Bundesrath ist beanstragt, sich nach ..Oìog* lichkeit dahin zu verwenden, daß die kapitulirtcn Schwcizertruppcn in Neapel nicht mehr zur Jnteraention in einem andern Staate und zum Nachtheil des Grundsazcs der freien Selbstkonstituirung verwendet werden.

2. Der Bundesrath ist im Weitern beauftragt, auf den Fall, daß ihm nicht gelingen sollte, die Gefahr einer folchen Intervention abzuwenden, im Namen der schweizerischen Bundesversammlung gegen den Konig von

Neapel die Auflöfung der Militärkapitulationen auszusprechen und zu vollziehen."

Dieser Antrag wurde vom Nationalrathe verworfen.

Wir führen diefes bloß an, weil diefe Verwerfung uns ein Kommentar zur Schlußnahme vom 20. Iuni zu sein scheint.

B.

Wir wollen nun die Folgen des B u u d e s b e schlusses vom 20. Iuni prüfen.

1. Der Bundesrath erließ unter'm 27. Iuni 1849 zwei Kreisfchreiben : das eine an sämmtliche eidgenos-

fische Stände, welches den Bundesbeschluß mittheilte und in Bezug des Verbots der Werbungen strenge Vollziehung anordnete; das andere wurde an die bei der

155 Kapitulation mit dem König von Neapel betheiligten Stände: Bern, Luzern, Uri, Schwöz, Unterwalden, Sreiburg, Solothurn, Graubünden und Wallis gerichtet.

Dieselben werden ersucht, ihre Anfichten und Begehren in Bezug auf die Unterhandlungen, sowie hinsichtlich einer allfälligen Entschädigung der Truppen auszusprechen und bei den Verwaltungsräthen der betreffenden Regimenter die erforderlichen Aufschlüsse einzuholen über den effektiven Bestand der Regimenter, die Dienstzeit der Soldaten, die Ansprüche auf Reform- und Ruhegehalte und überhaupt Alles, was zur Beurteilung des Umfangs einer allfälligen Entfchädigung dienen könnte.

Gleichzeitig wurde darauf hingewiefen, daß eine Konferenz der betheiligten Stände vielleicht am besten geeignet wäre, den Gegenstand zu behandeln.

Wir bemerken vorläufig, daß die angeregte Konferenz den gewünfchten Anklang nicht fand, was fich bei der Stimmung der Mehrzahl der betreffenden Stände leicht voraussehen ließ, indem fie fich durch den Bundesbeschluß in ihren Rechten verlezt glaubten.

Wir entheben den Rückantworten der betheiligten Kantone einige wesentliche Stellen, da deren Aussassungsweise in Bezug auf die wichtige, folgenreiche Frage kaum übersehen werden darf.

Der Regierungsrath des Kantons Bern theilte dem Rationalrathe bereits den 6. Iuni 1849 (also vor Erlaß seines Beschlusses) folgendes Dekret des Großen Rathes vom 1. gleichen Monats mit:

,,1. Die Anwerbungen für den neapolitanischen Mi* litärdienst, welche seit 5. Juni 1848 eingestellt gewesen sind, sollen nicht wieder eröffnet werden.

2. Der Regierungsrath ist beauftragt, für die Ausïosung der Kapitulation und die Rückkehr der im Dienste

156 des Königs von Neapel stehenden bernischen Truppen und die Wahrung und Besorgung ihrer Interessen die geeigneten Schritte zu thun und in dieser Beziehung in das nöthige Einverständniß mit dem Bundesrathe oder den Regierungen der übrigen kapitulirenden Kantone zu treten.

3. Im Falle von finanziellen Opfern hat der Regierungsrath dem Großen Rath weitern Bericht zu erstatten und geeignete Anträge vorzulegen."

In einem an den Bundesrath gerichteten Schreiben vom 13. August 1849 hält die Regierung von Bern das Mittel der Unterhandlung gegenüber den Kantonen für erschöpft und dringt auf Aufhebung der Kapitulationen von Bundeswegen, Anordnung von Repreffivbestimmun.* gen, wodurch diefer Auflofung Bedeutung und Wirk* samkeit verschafft werde und Bestimmungen über die Betheilignng der Kantone an den materiellen Folgen. Als <£rekutivmaßregeln werden vorgeschlagen : Entbindung der kapitulirten Truppen vom Eide, Zahlung der Kosten der Heimkehr unter Vorbehalt der Entschädigungsanspräche, Entzug des politischen Stimm- und Wahlrechtes gegen jene, welche an fremdem Kriegsdienste unter den garben und der Fahne der Eidgenossenschaft oder eines .Kantons von einem gewissen Zeitpunkte hinweg serner Theil nehmen.

Wir werden später über die Zweckmäßigkeit solcher <£rekutivmittel sprechen.

Die Regierung von Bern stellt dann eine Betheiligung dieses Kantons an den materiellen Folgen der Ka.pitulationsauflöfung in Ausficht, behält aber jeden dießfälligen Entfcheid dem Großen Rathe vor.

In einer Mittheilung des Regierungsrathes von 33«n vom 14. November 1849 an die Bundesvcrsamm-

157 lung will derselbe nicht nur an dem Bundesbeschlusse festhalten, sondern eine definitive Auflösung des Kapi* tulationsdienstes herbeigeführt wissen.

greibnrg erklärte unter'm 16. August 1849 durch seine Regierung, daß dort bereits am 9. März 1849 die Schließung der Werbbüreaur beschlossen wurde und ein vollständiges (.xinverständniß mit dem Bundesbeschluß vom 20. Iuni walte. Ein späteres Schreiben vom 31. August erklärt fich mit den Anfichten Bern's vom 13. gleichen Monats einverstanden. In Hinficht aus pekuniäre Opfer werde fich gewiß der Große Rath, der am 6. Juni die neapolitanifche Kapitulation aufgehoben,

bereitwillig finden.

Anders lauten die Anfichten von Uri, Schwyz,

U n t e r w a l d e n und G r a u b ü n d e n , von welchen die Kompetenz der Bnndesbehorden widersprochen und unter Berufung auf Art. 3 und 11 der Bundesverfassung die Rechte ihrer Kantone verwahrt werden.

Schwyz formulirte den 8. November 1849 einen eigenen Standesantrag an den National- und Stände* rath, dahin gehend : "Es sei der Bundesbeschluß vom 20. Juni 1849 über die Militärkapitulationen zurückgezogen und es seien den Kantonen in Rückficht auf diefelben diejenigen Rechte ungefchmälert belassen, die ihnen vor Erlassung nach Art. 3 und 11 der Bundesverfas* sung zustanden."

Wallis verwahrt sich wegen seiner satalen ginanzlage gegen eine von seiner Seite zu leistende Entschä* digung, erließ übrigens über Einstellung der Werbungen eine eigene Vollziehungsverordnung.

Der Große Rath des Kantons S uz er n hat am 19. Oktober 1849 beschlossen : ,,1. Der Stand Luzern enthält fich vor der Hand

158 von einem Ausfpruche über die Zulasjtgîeit oder Unzu-

läsfigkeit der Aufhebung der noch bestehenden Militärkapitulationen von Seite der Eidgenossenfchaft, und will vorab das Ergebniß der dießfalls vom Bundesrathe mit den auswärtigen Staatsregierungen zu pflegenden Unterhandlungen gewärtigen.

2. Der Regierungsrath sei jedoch beauftragt, mit allem Nachdrucke darauf zu dringen, daß auf den Fall der Aufhebung einer Kapitulation und zwar namentlich derjenigen mit der Krone Neapels, den im dortigen Militärdienfie stehenden Schweizern, insbesondere den Kantonsangchörigen, die kapitulationsgemäße Entschädigung zu Theil werde, jedoch ohne besondere Inmitïeidenheitsziehnng des Kantons Luzern hiefür als ïapitulirenden Kanton."

Die Regierung von Solothurn zeigte im September 1849 dem Bundesrathe die Aufhebung des Werbbüreau's an, will fich aber mit keinerlei weitern Vollziehungsmaßregeln befassen. Es wird dann bemerkt : ,,Ueberhaupt find wir von dem Augenblicke an, wo jener Beschluß" (der Bundesversammlung vom 20. Inni) ,,gefaßt worden, mit dem Regiment in keiner Verbindung mehr. Die ganze Angelegenheit ist eine eidgenösfifche geworden und wir unfererfeits werden uns hüten, durch Befchlüsse, Aufforderungen oder Mahnungen die Angeworbenen zu der Meinung zu verleiten, als ruhe ihr Schicksal noch in kantonalen Händen und als haben einzelne Kantone die Folgen der Einstellung der Werbung zu tragen."

Dem Bundesrath wurde sodann folgender Beschluß des Kantonsraths von Solothurn vom 9. Oktober 1849

mitgetheilt : ,,Der Kantonsrath von Solothurn anerkenne zwar

159 die Befugniß der Bundesverfammlung aus höhern politischen Rückfichten und aus Gründen des öffentlichen Wohls unsers Gefammtvaterlandes die Militärkapitulationen mit Neapel vor Ablauf der darin bedungenen Zeitfrist auszuheben, finde jedoch, es seien dermalen hiefür dringende Gründe, eine solche folgenwichtige Maßregel zu beschliefen, nicht vorhanden, und stelle daher von dem ihm durch Art. 81 der Bundesverfassung eingeräumten Rechte Gebrauch machend, den Antrag : 1. Die hohe Bundesverfammlung mochte eine Auflösung der Schweizerregimenter in Neapel nicht beschließen und das unterm 20. Inni 1849 erlassene Anwerbungsverbot, da eine längere Fortdauer desselben als Bruch der Kapitulation angesehen werden konnte, aufheben.

2. Im galle dieser Antrag von der Bundesversammlung die Zustimmung nicht erhalten sollte, so moge dieselbe erklären: daß allsällige, pekuniäre Nachtheile, die aus der Aufhebung der Kapitulationen oder längern Fortdauer des Werbungsverbots den Offizieren und Soldaten der Schweizerregimenter in Neapel erwachfen konnten, worunter namentlich die Kosten der Zurückberufung und Ausrichtung kapitulationsmäßiger Pensionen verfian-den seien, von der gesammten Eidgenossenschaf getragen werden sollen."

Keiner der betheiligten Kantone hat etwaige finanzielle Folgen der Werbungseinstellung übernommen, noch vielweniger werden fie zu Geldopsern bei Aufhebung der Kapitulationen von Bundeswegen bereit fein. Die Erklärungen der Regierungen von Bern und Freiburg bieten in dieser Beziehung wenig Trost, da noch kein dießfälliger Befchluß von ihren Großen Räthen erfolgt ist und der Ausgang der Behandlung dieses Gegenstandes im

160 Schooße dieser Behörden ein sehr problemßtischer sein dürfte.

Nebst den betheiligten haben noch zwei andere Kantone ihre Ansichten über die vorfchwebende Frage geltend gemacht.

Die Regierung von A p p e n z e l l A. R h. machte am 26. November 1849 eine Eingabe an die Bundesverfammlung, worin fie den Antrag der Regierung von Schwyz unterftüzt und um Zurücknahme des Beschlusses vom 20. Iuni 1849 nachsucht. Sie bedient sich mit viel Wärme und Gewandtheit der bekannten Motive, welche gegen die Kompetenz des Bundes sprechen und macht auf die finanziellen Folgen aufmerkfam, für welche die Eidgenossenfchaft einzustehen hätte.

Schaffhauseu unterstüzt mit Schreiben seiner Re* gierung vom 3. Dezember 1849 den Antrag von Appenzell A. Rh. und fügt bei, daß jener Kanton schon im Iahr 1831 die Militärkapitulationen als unzulässig erklärt habe und daß man ihm daher um so minder hin* fichtlich der golgen des Bundesbeschlusses vom 20. Juni pekuniäre Opfer zumuthen werde.

Wir müßten uns fehr täuschen, wenn die Ansichten dieser beiden Kantone in Bezug auf Geldopfer nicht bereits von allen Schweizerregierungen getheilt würden !

2) In Bezug der Unterhandlungen mit der Krone von Neapel lassen wir die Botfchaft des Bundesraths vom 29. November 1849 -- an den Nationalrath ge# richtet -- sprechen. Wir führen wegen des Zusammenhangs die einschlagende Stelle wörtlich an : ,,Es ist Ihnen bekannt", so drückt fich der Bundesrath aus, ,,daß zur Zeit, als der Beschluß über Aushebung der Kapitulationen gesaßt wurde, der Geschäststräger der K. Regierung beider Sizilien eine Note

161 einreichte worin gegen die Schlußnahme protestirt und mit Repressalien gedroht wurde. Da unsere hieraus erlassene Antwort feiner Zeit im Bundesblatte erfchien, so beschränken wir uns darauf, an diefelbe zu erinnern, und eine Abfchrift davon den Akten beizulegen. Mit Note vom 17. August wandten wir uns an die Regie* rung beider Sizilien, um, wenn möglich, die Aufhebung der Kapitulationen auf dem Wege gegenfeitigen Einverständnisses zu erzielen. Wir stüzten die -Berechtigung dazu vorzüglich auf Art. XXIII §. 7 der Kapitulationen,

welcher auf zwei Arten die Möglichkeit der Aufhebung

vorausfezt, wenn nämlich e n t w e d e r unvorhergefehene Umstände die Abdankung der Schweizerregimenter ganz oder theilweife vor dem Ablauf der Kapitulationen nothig machen follten, oder wenn zu diefer Zeit die K. Regierung allein sich weigern würde, diefelben zu erneuern. Unter solche unvorhergesehene Umstände geBoren wohl die höhern Interessen eines Staats und das Eintreten von politischen Ereignissen oder Zuständen, bei deren Vorhandensein eine Kapitulation nicht wäre abgeschlossen worden. Als hieher gehörend bezeichneten wir die Thatsache, daß das Schweizervolk durch seine Repräsentanten, so wie auch die Stellvertreter der Kautone diese Angelegenheit als eine nationale bezeichneten, die Entscheidung darüber den betreffenden Kantonen entzogen und den fortbestand der Kapitulationen als unzuläßig erklärten. Wir sprachen sonach die Erwar-

tung aus, daß die K. sizilianische Regierung ihre Mit-

Wirkung zur Aufhebung und die vertragsmäßigen Folgen derfelben eintreten lasse. -- Die vom 12. Oktober datirte und gegen Ende diefes Monats uns zugekommene Antwort der K. fizilianifchen Regierung lehnt die Aushebung der Kapitulationen als vertragswidrig mit (....nt-

162 schiedenheit ab. Sie giebt dem erwähnten Art. XXIII eine andere Interpretation, indem fie aus dem Worte ,,Abdankung", welches fich nur auf den Konig und nicht auf schweizerische Behörden beziehen können, so wie aus dem Umstund, daß nach demselben Artikel §. 6 die

Schweiz nur im gall eines Krieges die Truppen zurück-

berufen könne, die Folgerung ableitet, daß in allen andern Fällen die Aufhebung der Kapitulationen nur durch die K. fizilanische Regierung rechtlich möglich sei".

Es wird im Fernern bemerkt, daß alle Veränderungen, welche in dem Innern eines Staates vorgehen mögen, nach den Grundsäzen des internationalen Rechts leinen Einfluß haben können auf die Verpflichtungen, welche er gegen andere Nationen eingegangen und durch Verträge sanktionirt habe. Endlich wird beigefügt, daß im galle einer Verlczung der Verträge durch die Schweiz die K. Regierung fich in die unangenehme Nothwendigkeit »erfezt sähe, einen energischen Beschluß zu fassen, konform mit den schon srüher gemachten Eröffnungen.

Schließlich wird die Erwartung ausgesprochen, daß die ·Schweiz nicht auf eine Behauptung zurückkommen möge, die jeder Begründung ermangle und die so sehr mit ihrem wohlverdienten Ruf in Fefthaltung geschlossener Verträge kontrastire".

,,Obwol fich auf diefe Antwort vieles hätte entgegnen lassen", -- fährt der Bundesrath fort, -- ,,so hielten wir es gleichwol nicht für angemessen, etwas darauf zu erwidern , weil die Erfolglofigkeit eines jeden Schrittes in dieser Richtung einleuchtend ist."

Durchaus einverstanden mit diesem Schlußsaze, wollen .wir der bundesräthlichen Botschaft in diefer Richtung kein Wort beifügen. Es wird gewiß jedem leicht sein.

163 scine eigenen Betrachtungen an den diplomatischen Gang und Ausgang diests Geschäfts zu knüpfen.

3) Hinsichtlich der thatsachlichen Erfolge des Werb-s verbots verweisen wir auf die bezüglichen sehr zahlreichen Aktenstücke. Es stellt sich heraus, daß der Bundesrath alle ihm zu Gebote stehenden Mittel anwendete, um dem Bundesbcschlusse Vpllziehung zu verschaffen, -- daß in den meisten auch beiheiligten Kantonen sich viel WillsährigFeit zeigte, das Werbverbot durchzuführen, -- daß zwar anderwärts die Exekution wohl etwas zu lax betrieben worden fein mag, -- was jedoch in dem Widerwillen, der sich hie und da gegen den Bundesbefchluß ïund gegeben hat und wohl nach der Sachlage kund

geben mußte, leicht erklärlich ist, -- und daßsichend-

lich daß Werbverbot durch Errichtung von Werbdepots in der Nähe der Schweizergränze und durch Reisläuserei als ein durchaus unwirksames herausstellte, indem der kriegslustige, abenthsuersuchende Schweizer auch den verbotenen Weg in fremde Kriegsdienste findet, wenn man ihm die offene Landstraße abschneidet.

C.

Wir gehen nun zur Fix i r un g des g e g e n w ä r t i g en S t a n d p u n k t e s der vorschwebenden Sache über.

Es liegt viel Wahres in den Bemerkungen der Regierung von Solothurn, mit denen sie dem Bundesrathe die Schlußnahme des dortigen Großen Rathes übermittelt. Sie sagt nämlich: "die Kapitulationsfrage mit Neapel erhob sich unter dem Einfluß der Aufregung, welche die neuern Ereignisse in Italien auch in der Schweiz hervorbrachten. Das Verbot der Tagfazung gegen Werbungen, die zu Gunsten einer freiern Konsti* tuirung Italiens versucht wurden, hatte die Rückwirkung,,

164 daß auch die Aufhebung der Kapitulationen angestrebt wurde. Dieses Verlangen wuchs, als man glaubte, die Schweizerregimenter seien bestimmt, eine neu ent# standene Republik zu bekämpfen und es konnten sogar Schweizer mit Schweizern handgemein werden. Diese Zustände mußten bei den Verhandlungen einen bedeutenden Einfluß äußern, obschon damals schon manche ...poffnungen und manche Besorgnisse zu schwinden beBannen. Seither haben sich jene politischen Zustände Italiens geändert und können nicht mehr als BelUm* .nungsgründe für das politische Verhalten der Eidgenossenschast gelten." Die Mehrheit der Kommisfion will nun keineswegs den Bundesbeschluß vom 20. Iuni zu einem Gegenstände der Kritik machen; derselbe ift nun einmal zur .-·thatsachc geworden, die fich unter keinen Umständen ignoriren läßt. -- Allein keinerlei Maßregeln einer gesezgebenden Behörde werden mehr durch Verhältnisse

bedingt, als die von politischer Natur. Die Politik,

welche bestehenden Verhältnissen und dem Wechsel der Verhältnisse keine Rechnung trägt, ist eben keine Politi!

mehr. Wenn es fich nun herausstellt, der Beschluß vom 20. Iuni sei den gegenwärtigen Zeitumfiänden nicht mehr angemessen, so geschieht gewiß der gesqgeberischen Weisheit und dem Ansehen der obersten schweizerischen Behörden nicht der mindeste Abbruch, sofern eine Abänderung dieses Beschlusses erfolgt, um fo weniger, da derselbe so weit möglich seine Vollziehung gefunden hat.

Der Bundesbeschluß vom 20. Iuni ift seiner Wesenheit nach nur ein Auftrag an den Bundesrath, für Auflösung der noch bestehenden Militarïa'pitulationen sofortige Unterhandlungen anzubahnen. Der zweite Setz - einstweilige Einstellung der Werbungen -- kann

165 offenbar nur als eine einstweilige Verfügung -- deren gortdauer oder Aufhören durchaus von der .-pauptbestimmung abhängig ist, angesehen werden.

Wir stehen nun auf dem Punkte, wo alle Verwendungen des Bundesrathes für Auslösung der Kapitulationen sowohl gegenüber den betheiligten Kantonen als der Krone von Neapel scheiterten. Es läßt sich kein Weg mehr finden um das Ziel durch Unterhandlung zu erreichen. Dadurch ist die Frage entschieden dort angelangt, wo der Entschluß gefaßt werden muß, von der srüheru Schlußnahme abzukommen. -- Entweder muß der dem Bundesrathe ertheilte Auftrag zu Unterhandlungen mit der provisorischen Einstellung der Werbungen einfach beseitigt oder vorwärts geschritten und dann müssen die Kapitulationen unbedingt aufgehoben werden.

Die Mehrheit der Kommisfion ist mit dem bundes* räthlichen Vorschlage, so wie mit seiner Motivirung einverstanden. Sie will es indessen bei der Wichtigkeit der Sache nicht unterlassen, die Gründe ihrer Entschließung noch etwas näher zu beleuchten.

D.

Wir wollen zuerst die finanzielle Seite der Frage einer Untersuchung unterwerfen.

Noch hat niemand ernstlich zu bezweifeln gewagt, daß bei Aufhebung der Kapitulationen eine Entschädigung der Truppen stattfinden müßte. Der Bundesrath drückt seine Ueberzeugung in diesem Punkte auf das Entfchiedenfte aus, indem er unter Entschädigung der Truppen nicht etwa nur die Kosten der Heimreise, sondern alle Vortheile, die sie aus der Kapitulation rechtlich er* worben haben, verstanden wissen will. -- Die Kapitulationen wurden von den obersten Sandesbehörden der

166 betreffenden Kantone mit dem König von Neapel abge-j schlössen und erhielten selbst die Ratifikation der eidgen.

Behörden. Durch die Kapitulationen werden in der bestimmtesten Form den Truppen gewisse Rechte zugesichert. Diese Rechte müßten, wenn der König von Neapel sich den vertragsmäßigen Verpflichtungen zu entziehen suchte, durch die Kantone, welche die Kapitulationen abgeschlossen und im Nothfall durch die Eidgenossenfchaft, welche die Verträge unter ihren Schuz stellte, vertheidigt werden. Nun ist aber der Fall nicht vorhanden, daß der König von Neapel den Truppen ihre Rechtsansprüche streitig macht, fondern der Vertrag wird von der Eidgenossenschaft aus politifchen Gründen aufgehoben. Haben nun die Truppen ihre Rechtsansprüche verloren? --- Es ist wahrscheinlich, daß der König von Neapel den gegen die Bestimmungen der Verträge heimgerufenen Truppen keine Entschädigungen bezahlen wird1; er wird sich vielmehr darauf berufen, daß, wer einen Vertrag einseitig und gegen die ausdrücklich darin enthaltenen Bestimmungen aufhebt, dadurch den Mitkontrahenten aller und jeder aus dem Vertrage selbst hergeleiteten Verpflichtung entledige. -- Die politischen Gründe, welche die Schweiz zu einem solchen Schritte bewegen, werden wohl dem König keinen Anlaß geben, großmüthig zu handeln, da ja gerade eine

gegen ihn gerichtete Politik das Motiv der Aufhebung der Kapitulationen ist.

Der Konig von Neapel hat

auch nicht nothig, gegen die zurückgezogenen Truppen großmüthig zu sein, indem er unmöglich voraussezen kann, die republikanische Schweiz werde im Interesse der Politik, ihre Söhne heimrufen, ohne die Ausrichtung ihrer Privatansprüche zu übernehmen. -- Db bei einer Kapitulationsaufhebung der König von

167 Neapel auch Ansprüche für sich machen würde, wissen wir nicht. Man wird vielleicht einwenden, solche Ansprüche wären in jedem galle nicht zu fürchten. Wir glauben auch, der Konig von Neapel würde die gesorderten Summen kaum in der Schweiz holen. Aber hat er keine anderen Mittel der Selbsthilfe bei der Hand ?

(B liegen gewisse Aktenstücke vor -- deren eines, von den in Neapel niedergelassenen Schweizern herrührend, schon vor den Augen der Bundesversammlung gelegen ist und wohl sehr unangenehme Gefühle geweckt haben mag, -- die beweifen, daß die Krone von Neapel um die Mittel nicht verlegen ist, ihren Reklamationen Nach-

druck zu geben. Zur Rechtfertigung folcher Mittel würde

der König sich kaum scheuen, vom Gebiete des Rechts auf das der Politik überzuspringen.

Doch wir wollen sür einmal von solchen Ansprüchen der Krone von Neapel absehen. Die Summen, welche uns die bundesräthliche Botschaft als Entschädigungsforderungen der Truppen vorrechnet, -- wo wir es mit keinem Könige, sondern mit unsern auf unsern Rus heimgekehrten Landeskindern zu thun haben, -- stehen auf einer so erschreckenden Höhe, daß sie wohl die Wirkung nicht verfehlen werden, uns zu klugem, vorfichtigem Handeln hinzuführen.

Eventuelle Anfprüche und Lücken in der Berechnung nicht inbegriffen würden für einmal

frz. gr. 1,232,738. 56 E.

und an jährlichen Eut-

schädigungen

frz. st. 1,476,833. 64 E.

zu bezahlen sein.

Der Bundesrath glaubt, die erster« Summe dürfte vielleicht etwas modifizirt werden. Es ist möglich. Aber ein sehr großer Posten scheint uns vergessen, nämlich die Bundesblatt. Jahrg. III. Bd.I.

13

168 Kosten der Exekution ! Wir zweifeln nämlich sehr daran, daß der Konig von Neapel seine Schiffe hergeben werde, um die, ihrem Schicksale überlassenen Schweizer, nach Genua zubringen. Und auf welchem Wege und mit welchen Mitteln sie von dort die Gränzen des Vaterlandes suchen müßten, stünde noch zu gewärtigen. In jedem

>5all wird uns der König von Neapel die Truppen nicht

heimbringen, wir werden fie entweder selbst holen oder holen lassen müssen. -- Wir wollen unsere ginanzlunst nicht in einem Budget über solche Maßregeln versuchen, da uns ohnehin die in der bundesräthlichen Botschaft angesührten Summen hoch genug stehen, um zu zeigen, daß, wenn fie auch nicht geradezu unerschwinglich sind, sie doch unser ganzes Finanzwesen auf eine veränderte Bafis stellen würden.

Zuerst wollen wir nuu untersuchen, wer zu bezahlen habe? Daß der König von Neapel nicht bezahlt, unter* liegt wohl keinem Zweisel. Es müssen daher entweder die bei den Kapitulationen betheiligten Kantone oder die Eidgenossenschaft bezahlen.

Wir kommen hier wieder auf eine Stelle des schon zitirten Schreibens der Regierung von Solothurn: ,,Die Kantone können für die Folgen ihrer Kapitulationen nicht haften, wenn der Bund 'Eingriffe in diefelben macht, weil es fich eben um die Folgen diefer Eingriffe handelt, nicht um diejenigen der Kapitulationen. Freiwillige Beiträge wird der Kanton Solothurn nicht leisten; er kann nicht auf eine lange Reihe von Iahren Leistungen übernehmen, um kleine Inkonvenienzen zu haben, welche nach nngefähr sechs Jahren von selbst verschwinden werden."

Es liegt auch gewiß in der .....Ìatur der Sache, daß, wenn der Bund aus hohern politischen Rückfichten zu Maßregeln von so folgenreicher Wichtigkeit greift, dann

169 von einer Belastung einzelner Kantone, deren früher ab# geschlossene, von der Eidgenossenschaft gutgeheissene Verf träge man aufhebt, nie die Rede sein kann.

Wir gehen noch weiter, die Eidgenossenschaft dürfte dieses nicht thnn, wenn fie auch dazu das vollkommenste Recht hätte. Oder follen neun Kantone wegen Aufhebung von Kapitulationen in finanzieller Beziehung auf den Kopf gestellt werden? Sollen fie ihre direkten und indirekten Steuern für Militärpenfionen verwenden, statt für die dringendsten Bedürfnisse des Staates? Würden es dreizehn Stände je wagen, die neun übrigen sich und der Sache und den neuen Einrichtungen der Eidgenossenschaft für immer zu entfremden? Nimmermehr.

Die Betheiligten können von Rechts wegen und d ü r f e n aus Gründen der Politik nie zur Zahlung verhalten werden.

.

Es bleibt alfo zur Ueb.ernahme diefer Verpflichtung Niemand mehr übrig als die Eidgenossenfchaft. -- Für einmal frz. gr. 1,232,738. -- und dann jedes Jahr frz. Fr. 1,476,833. - ! -- Erhebung diefer Summen durch Geldkontingente, -- Er.hebung der Geldkontingente in den einzelnen Kantonen durch Steuern ! -- Gut ! Wir fürchten, da würde die Waagschaale mit den Sympathieen für die greiheitsbestrebungen der Völker schnell in die Höhe steigen. · . ,, . . .

Wir anerkennen die Aufopferungsfähigkeit des Schweizervolkes und wir weifen mit Stolz darauf hin. Aber bedenken wir, wenn der Schweizer in der gremde ist, so bekommt er das, Heimweh nach den Alpen. Die Heimat uud die Freiheit ist ihm über Alles. Er ist Schwei* ier -- ganz Schweizer.. Gottlob, daß es so ist, sonji wäre die Schweizersreiheit nicht 500 Jahre alt geworden.

Der Strudel der Ereignisse hätte sie längst verschlungen.

Bedarf es hier noch mehr Worte ? -- E.

Die Behandlung der Frage: ob eine Bundesschlußnahme über Aufhebung der Kapitula* tiouen ü b e r h a u p t v o l l z i e h b a r sei, -- wird durch obige Erörterung der materiellen Folgen so ziemlich über*

flüssig. -

Sint ut sunt, aut non sint! Iede Behörde ist es sich selbst schuldig, nichts zu beschließen, was fie nicht voll.ziehen kann. Das Schlimmste aber, was eine Behörde thun kann, ist, wenn sie etwas beschließt, was fie nicht vollziehen will. ~- Es kann unmöglich in der Absicht der Bundesversammlung liegen, mit einer Schlußnahme bloß den Schein und den Namen zu wollen, und nicht die Sache und das eigentliche Ziel anzustreben, wie sich der Bundesrath ausdrückt. --- Wenn wir also durch Unierhandlungen die Aufhebung der Kapitulationen bewirken .wollen, so beabsichtigen wir damit, daß die vier Schweizerregimenter von Neapel Mann sür Mann nach ihrer Heimat zurückkehren. In diesem galle müssen wir uns zum Voraus auf alle jene Opfer bereit halten, mit welchen diese Rückkehr verbunden find. Dann ist die Schlußnahme eine offene und einer republikanischen .Behörde durchaus würdige. Die Unterhandlungen find aber an zwei Klippen zerschellt, für einmal am -Jinanzpunft und dann am entschiedenen Willen des Königs von Neapel, der .nicht nur den Vertrag sondern auch -- was weit schlimmer ist -- die Schweizertruppen in seinen Händen hat. -- Dieses Schicksal der Unterhandlungen hat ein

Mitglied der heutigen Minderheit bei der frühern Be*

Handlung dieser Angelegenheit mit prophetischem Auge

171 vorausgesehen. In einem Minderheitsbericht vom 23.

Mai 1849 wird gesagt: ,,Bevor wir diesen Bericht schließen, müssen wir noch ein paar Worte über eine im Schooße der Kommisfion vertretene Zwischenmeinung sagen. Es geht diese Meinung dahin, den Bundesrath einzuladen, die erforderlichen Unterhandlungen zum Zwecke der Aufkündung der bestehenden Kapitulationen einzuleiten, und über das Ergebniß derfelben Bericht zu erstatten." Dann fährt der zitirte Minderheitsbericht fpäter fort : ,,Der Antrag, von dem wir sprechen, ist daher in unfern Augen ein v o r t r e f f l i c h e s Mit-

tel, zu nichts zu gelangen und Alles aus

u n b e s t i m m t e Z e i t zu vertagen."

Nehmen wir nun an -- wovon wir jedoch himmelweit entfernt find -- die fchweizerifche Bevölkerung könnte sich entschließen, die ungeheuren Geldopfer zu leisten, welche eine K a p i t u l a t i o n s a u f h e b u n g in der ...Chat und W a h r h e i t -- erforderte, wie wollen wir unsere Truppen heimholen ? Freiwillig wird sie der König von Neapel nicht ziehen lassen; es handelt sich also um Anwendung von Gewaltsmaßregeln. Woher sollen wir die nehmen, wenn wir uns nicht etwa mit einer europäischen Großmacht verbünden und aus dem Regen in die Traufe kommen wollen.

Die Regierung von Bern hat zwar Vollziehungsmaßregeln anderer Art vorgeschlagen: die Ungehorsamen mit dem Verlust des politischen Stimmrechts zu bedrohen, die

Truppen ihres kapitulationsmäßigen Eides zu entbinden

und den Rückkehrendeu die Reisekosten zu vergüten, unter Vorbehalt allsällig weiterer Ansprüche, welche die Kantone ihnen etwa einräumen mochten. Der Bundesrath weist das Unzureichende und Unpraktische solcher

172 Vollziehungsmaßregeln deutlich nach. -- Wir erlauben uns nur noch eine Bemerkung beizufügen: Wenn wir die Kraft nicht befizen, die Regimenter heimzuholen, so bestrafen wir die Soldaten, die nicht heimkommen k ö n # nen. Ein herrlicher Grundsaz! -- Die Erfolge des Werbverbots haben wir gesehen.

Bei dem besten Willen der Bundesregierung und der meisten kantonalen Behörden ist die Anzahl der schweize* rischen Soldaten in Neapel die gleiche geblieben wie früher, als die Werbungen im schönsten Flor standen. -- Die Freude des Schweizers am Soldatenleben, ein nationaler kriegerischer Geist, ist einmal mit seinen Sichtund Schattenseiten den Schweizern eigenthümlich. Dieses, gepaart mit dem Umfiande der immer dichter werdenden Bevölkerung, und der erhöhten Schwierigkeit sich im ver, mijgenslosen Stande die erforderlichen Subfifienzmittel zu verschassen, treibt manchen Schweizerjüngling in's

Ausland. Da können fie freilich nicht den Republiken

dienen, die halten keine Söldner, und so wenden sie sich

an die Könige.

Wird das besser werden wenn die neapolitanischen j Kapitulationen aufgehoben find ? Hat nicht die Neuzeit ..'bewiesen, daß eine Menge Schweizer fremde Dienfte ..·.suchten, ohne nur die Garantieen einer von beidseitigen Staatsbehörden geschlossenen Kapitulationen zu genießen?

Wird der König von Neapel keine Schweizersoldaten ...acuhr haben, wenn die Kapitulationen aufgehoben find? -- f.jfurz, wollen wir den Schein oder die Sache? -- sie Mit diesem wollen wir keineswegs den Kapitulationen " Das Wort -sprechen;, wir, kennen den §. 11 der, Bundes»frsapng.. ., > ,, Aber das dürfen wir fragen: stehen die ungeheuren

Aufopserungen ,in irgend einem Ver,hältniß zu den »or*

173 .

/

ausfichtlichen folgen der Aufhebung, namentlich bei der nur noch ein paarjährigen Dauer der Kapitulationen? --

Die gegenwärtige Ordnung der Dinge hat die Kapi-

tulationen nicht zu verantworten, -- fie find ein Vermächtniß früherer politischer Zustände. Das kranke Glied heilt binnen wenigen Iahren -- im Völkerleben nur eine Spanne Zeit -- warum sollen wir es amputiren ? -- F.

Schließlich erlauben wir uns noch einige Worte über den M i n o r i t a t s a n t r a g .

Die Minderheit will am Beschlüsse vom 20. Inni 1849 festhalten, -- der Bundesrath soll die Unterhandlungen zum Zwecke der Auflösung der Militärkapitulationen, so# bald es die Umstände erlauben, wieder aufnehmen, -- die Werbungen unbedingt verbieten und ein darauf bezügliches eidgenöffifches Strafgesez erlassen.

Solche Anfichten haben schon oben ihre Würdigung gefunden. Wir fügen nnr noch folgendes bei. Will man den König von Neapel begünstigen und unfern Sandeskindern den empfindlichsten Schlag versezen, so ist der .......iinderheitsantrag am Plazc.

Durch fernere Einstellung der Werbungen -- nachdem sich die Unterhandlungen zerschlagen -- wird es dem König von Neapel ein Leichtes sein, sich über Vertragsbruch zu beschweren. 9i\in behält er zwar seine Truppen aber nicht mehr unter den vertragsmäßigen Gewährleistungen, sondern unter dem Szepter eigener Willkür.

Aber nicht nur die Rechte der Truppen, sondern auch die der betheiligten Kantone und der Eidgenossenschaft werden zernichtet.

Wir wollen hier bloß den Art. XlIl, §§. 1, 2,3 und 4, den Art. XIII, §.6 der Kapitulationen zitire«, und den

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aus -.pandelsvergünstigungen bezüglichen Zusazartikel berühren. Die in den Kapitulationen festgestellten Grund-

säze, daß die Schweizer nicht gegen Schweizer kämpfen und daß das Vaterland sie im Falle eines Kriegs heim* berufen kann, find von der allerwichtigsten Natur.

Sollen und dürfen wir dieses Alles einer Maßregel opfern, die von nun an nur den Charakter einer hohlen Demonstration hätte.

Wo die wichtigsten schweizerischen, politischen und finanjiellen Interessen für das Bestehenlasse» eines Staatsvertrags sprechen, muß die Politik der Sympathieen in den Hintergrund treten.

Wir nehmen die Freiheit, Ihnen, £it-, nun folgende Schlußnahme zu beantragen: Die Schweizerische Bundesversammlung, nach Einficht der Botschaft des Bundesrathes vom 3. Nov. 1850

beschließt: Es ist den betheiligten Kantonen überlassen, über die bestehenden Kapitulationen mit dem Könige beider Sizilien bis zu deren Ablauf das Gutfindende zu versügen; daher wird der provisorische Bundesbeschluß vom 20. Juni 1849 außer Kraft gesezt.

Bern, 1. Dez. 1850.

3îamens der M e h r h e i t der Kommission: P. K. E. Ziegler.

Adolf Fischer.

Joh.

Trog, Berichterstatter.

Schweizerisches Bundesarchiv, Digitale Amtsdruckschriften Archives fédérales suisses, Publications officielles numérisées Archivio federale svizzero, Pubblicazioni ufficiali digitali

Bericht und Antrag der Mehrheit der vom Nationalrathe niedergesezten Kommission, betreffend die Militärkapitulationen.

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22.02.1851

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