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Aus den Verhandlungen des schweizerischen Bundesrathes.

(Vom 6. Juni 1851.)

Mittels Depefche vom 31. Mai abhin, macht der schweizerische interimistische Geschäftsträger in Wien dem Bundesrathe, die Auswanderung nach Ungarn betreffend, nachstehende Mittheilungen, welche zur Warnung sür die schweizerischen Auswanderer veröffentlicht werden : Schon vor längerer Zeit hat ein gewisser Herr Ehrenberg in Wien ein Kolonisationsdepot für Ungarn errichtet und es fanden sich auch eine nicht unbedeutende Zahl Ansiedler ein, welche dem Rufe des Herrn Ehrenberg folgend mit den besten Hoffnungen die Reife in eine neue, sich ihnen erschließende Heimath antraten.

Da ich fchon von verfchiedenen Seiten vernommen, daß auch in der Schweiz in einzelnen Kantonen die Lust zur Kolonisation in Ungarn rege geworden, so will ich nicht ermangeln den traurigen Erfolg mitzutheilen, welchen diefes Unternehmen, das sich jedoch keineswegs de....

Schuzes der Regierung zu erfreuen hatte, fondern als eine vereinzelnte Privatfpekulation dasteht, nach einem Auszug des Pesti Naplo gefunden. Diefes Blatt berichtet laut der heutigen österreichifchen Reichszeitung hierüber

wie folgt : ,,Die Ansiedlungsorte sind Batsko und A-Kört-

,,velyes im Zemvlinerkomitat. Herr Ehrenberg gibt die ,,Ansiedlungspläze nicht umfonst, sondern verkauft sie an ,,die Kolonisten und zwar zu folgenden Bedingungen : ,,eine ganze Sefsion zu 2500 bis 3500, eine halbe zu

,,1250 bis 1750, eine Viertel zu 625 bis 875 und eine

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,,Achtelsession zu 312!/2 bis 437'/2 fl. C.-M. Die Hälfte ,,des Kaufschillings ist sogleich zu bezahlen, die andere ,,Hälfte aber nach 2 Jahren mit den fechsproeentigen «Zinsen. Die Wohngebäude sind von den Kolonisten ,,gemeinschaftlich aufzuführen, wozu sie die Steine --· vom ,,Transport ist keine Rede --- und das Bauholz von ,,Herrn Ehrenberg, infoweit dieß die von ihm angekaufte "Waldung zuläßt, umsonst erhalten. Sessionen zu 3500 fl.

,,C.=M. gehören selbst in den sruchtbarsten Landstrichen ,,Ungarns zu den Seltenheiten auch dort, wo die Kom"munikation leicht und der Landwirth seine Erzeugnisse ,,leicht zu Geld machen kann. Nehmen wir nun daö "Zemplinerkomitat, insbefondere dessen nördlich:n Theil, ,,dessen Klima zwar ein sehr gefunbes, dac j aber für die "Bodenproduktion lange nicht jene Vortheile bietet, wie ,,Ungarns südliche Gegenden; nehmen wir die schlechten ,,Wege, die ein Herbstregen beinahe unwegsam macht, "nehmen wir endlich den Absazort für die Produzenten "in Betracht, der wenn die Produzenten nicht ganze Tage "von Haufe weg zubringen wollen, kein anderer als "Nagy-Mihaly fein kann, und wir werden einige Vor-"stellung bekommen, von der Billigkeit des Kaufoschillingö.

"Die Kolonisten, sobald sie in größerer Anzahl eintreffen, ,,können auch nicht sogleich zum Feldbau schreiten, ihr "erstes und dringendstes wird die Errichtung v....:,. Wohn= "und Wirthschastsgebäuden sein. Nehmen wit nur 50 ,,Familien, so erfordert dieß eben fo viele Häuser fammt ,,den Nebengebäuden. Gemeinschaftlich arbeiten... werden "sie wenigstens ein Jahr benöthigen, um da:....- ju Ende "zu kommen. Dazu bedarf es aber noch anderer Dinge "als Zugvieh und Arbeitsgeräthe. Die Anschafung der« "selben wird nicht geringe Opfer heischen, besondere "wenn ein größeres O,uantum benöthigt wird, und die

673 ,,Verkäufer wissen, dag die Kolonisten dieselben unum,,gänglich brauchen, und daß Niemand vorhanden, der ,,ihnen irgend eine Erleichterung verschaffen möchte, oder ,,durch eine besondere Ueberwachung sie gegen Uebervor,,theilungen, welche in solchen Fällen an der Tagesordnung.

,,sind, schüze. Die Anfchaffung der landwirthschaftlichen ,,Geräthe allein wird wenigstens 600 fl. C.=M. kosten

,,(die häuslichen Einrichtungsgegenstände nicht gerechnet), ,,und so wird dem armen Einwanderer seine ganze
,,Jm ersten Jahre der Niederlassung vermag er seinen ,,Grund nicht gehörig zu verarbeiten, da er mit andern ,,Dingen beschäftigt ist. Er kann ihm daher nicht so viel ,,Nuzen abwerfen, um davon erstens selbst zu leben,

,,zweitens die Kaufschillingszinsen abzutragen, drittens für ,,das abzutragende Kapital zurükzulegen, viertens die ,,Steuer zu entrichten, fünftens endlich um die zum Haus,,bau nöthigen Handwerker, wenn nicht auch diese etwa ,,einwandern, zu bezahlen. Was folgt hieraus ? Daß der ,,Ansiedler, wenn er Geld mitgebracht, theuer davon lebt, ,,wenn er aber nicht mehr mitgebracht, als eben zum Ankauf ,,des Grund und Bodens nöthig war, sehend, daß er nicht ,,fortkommt, und Hungers sterben muß, (sic) die geringen ,,Ueberreste des mitgenommenen Kapitals zusammenrafft, ,,und wieder dahin zurükwandert, von wo er gekommen, ,,um dort angelangt sein Leben kümmerlicher fortzufezen, ,,als vordem. Denn dazu, daß sie von Hr. E. ein Dar,,lehen erlangen, ist nach dem Programm keine Aussicht, ,,wer sich aber schmeicheln würde, er werde schon auf ,,Hypothek seines Grundstükes Geld zu leihen bekommen,

,,fände sich höchlich getäuscht, zumal wenn er die Halste ,,seines Grundes Hr. E. noch schuldet; denn jeder Kolo,,nist kann überzeugt sein, daß er dafür, wenn es unter

674 ,,gerichtliche Versteigerung käme, kann: h> Hülste des hin.; ,,eingestekten Kapitals erhalten würde. T>?,± nefinicn wir ,,an, daß die Ansidler glüklich ükr CÄ V"t? Sl'ypen ,,hinwegkommen, daß sie ihre Gründe î;t.; frühem Fleißc ,,bearbeiten, daß die Ernte die best; sei, farif das) alles ,,so gut ausfalle, als sie nur wünfchen können und Hr. E.

,,prophezeit hat; so haben sie damit noch kerne Gicherstels ,,lung, ihre Produkte in Geld umsezen und so ihre Schul« ,,digkeit abtragen zu können. Zwar werden sie nach 2 ,,Iahren vielleicht einige Vorräthc im Wcrthe einiger ,,Gulden, keineswegs aber fo viel beftzen, aïs nöthig ist, ,,nm die Hälfte der Kanfsumme sammt Jnievcsscn abzus ,,zahlen, nicht zu gedenken der ©chwicrigfcfifr.. nui welchen ,,der Umsaz der Produkte verbunden ist. îic»ch vieles "könnte man über diese KolonisaiiM. sc.fl.-n, büi5 wird, ,,glauben wir, das Gesagte hinreichen, um denjenigen, ,,der nicht blindlings dem sichern Elend in die Arme ,,rennen will, zn überzeugen, daß das ganze ®olo:.iisations= ,,unternehmen weiter nichts als eine Privatspekulation auf ,,Kosten des armen unwissenden Ausländers ist. 3ur ,,Unterstüznng dieser unserer Ansicht bringen wir noch die ,,schon kursirenden Gerüchte vor, daß von den cingewan,,derten Kolonisten viele bereits ans dem Wege in die »Heimath sind, und weinend an jene Stätten zurük,,kehren, die sie mit sanguinischen Hoffnungen verlassen ,,hatten. Jndem wir nicht genug würdigen können, daß ,,die Regierung einem solchen Unternehmen ihre Betheic ,,ligung versagte, können wir im Namen der nnglüklichen ,,Kolonisten nicht umhin, die Regierung noch um Eins zu ,,bitten, die ganze Sache zu untersuchen und :tnit ihrer ,,Macht eine Mi'.ifikation zu hintertreiben , welche die ,,traurigsten Folgen nach sich ziehen kann".

675 Mittel.... Note vom 3. dieß wacht der Geschaftstrager des apostolischen Stuhles in der Schweiz dem Bundesrathe die Anzeige, daß in Folge der getroffenen Maßnahmen diejenigen Schweizer, welche über Piémont nach dem Kirchenstaate sich begeben, und einen von der Kanzlei des Geschäftsträgers des apostolischen Stuhles in der

Schweiz visirten Paß besizen, in Zukunst der Einholung

des Visum's des päbstlichen Konsuls bei ihrer ...Durchreise in Genua enthoben sind.

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