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Schweizerisches i-.

Jahrgang III.

Nro.

Sgand I.

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Samstag, den 11. Januar 1851.

Man abonnirt ausschließlich beim nächstgelegenen Postamt. Preis für das Iahr 1851 im ganzen Umfange der Schweiz p o r t o f r e i Frkn. 3.

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Verhandlungen der Bundesversammlung, des National- und Ständerathes.

Proklamation.

Der Bundesrath der fchweizerischen Eidgenossenschaft an das Volk des Kantons Freiburg.

Getreue, liebe Eidgenossen !

Es find der hohen Bundesverfammlung während ihrer lezten Seffion vermiedene, zum Theil mit zahlreichen Unterschriften verfehene Petitionen aus dem Kanton Freiburg eingereicht worden, welche im Wesentlichen das Gesuch enthielten, daß entweder der Art. 4 der Uebergangsbestimmungen der neuen Bundesverfassung vom 12. Herbftmonat 1848 abgefchafft und daher die Ver# fassung des Kantons Freiburg dem dortigen Volke zur Abstimmung vorgelegt werde; Bundesblatt. Jahrg. III. Bd. i.

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io oder daß man unter eidgenössischer Aussicht neue Wahlen anordne, oder endlich, daß man auf beliebige andere Weise zur Erzielung einer neuen Verfassung im Kanton Freiburg eidgenöffifche Vermittlung ein* treten lasse.

Zur Begründung dieser so tief gehenden Begehren wurde ganz fpeziell auf die Art. 2, 4, 6 und 74 der Bundesverfassung hingewiesen, welche die Bestimmung haben, die Rechte und Freiheiten der Eidgenossen zu beschüzen, von welchen Vorzügen aber das freibnrgifche Volk unter den gegenwärtigen Verhältnissen ausgeschlossen erscheine.

Als bekannte Thatfache wurde im Weitern vorausgesezt, daß der Kanton Freiburg leider in zwei fchrosse Parteien getrennt, und daß ein großer Theil des Volkes mit der politischen Richtung der Behörden nicht einverstanden fei.

Diefer Zustand müsse aber auch als ein rechtswidriger bezeichnet werden und zwar, theils mit Rückficht auf seinen Ursprung, theils im Hinblicke auf den Widerspruch, in welchem er zu der neuen Bundesverfassung stehe, weil das Volk seines Rechtes beraubt sei, die Verfassung einer Durchficht oder Abänderung zu unterwerfen, wenn die Mehrheit der Bürger dieß als angemessen oder nothwendig erachten follte.

Die hohe Bundesversammlung hat in ihren versassungsmäßigen Organen, dem National- und Ständerathe diese Begehren mit all der Aufmerkfamkeit und Sorgfalt geprüft, deren ein so wichtiger Gegenstand vollkommen würdig ist. Sie hat den Petitionen jene gewissenhafte Aufmerkfamkeit gewidmet, welche sie einem großen Theil des sreiburgischen Volkes schuldig war.

11 Nach der reiflichsten Prüfung aller in die Wagschale fallenden Gesichtspunkte hat sie jedoch, und zwar der Nationalrath unterm 14. Dezember, der Ständerath unterm 17. Dezember 1850 mit entschiedener Mehrheit gefunden : es fei den im Eingange aufgeführten Petitionen keine Folge zu geben; -- hinwieder fei der Bundesrath beauftragt, das sreiburgische Volk von diefem Befchlusse und von den dabei zu Grunde liegenden Motiven auf dem Wege der Proklamation in Kenntniß zu fezen.

Um uns diefes Auftrages zu entledigen, gefchieht es, daß wir heute an Euch, getreue, liebe Eidgenossen, uns wenden, indem wir dabei die Hoffnung ausfprechen, daß Ihr unfere Worte in demfelben bundesbrüderlichen Sinne aufnehmen werdet, in welchem sie, eingedenk unserer Geschichte, eingedenk der durch Iahrhunderte so innig verknüpften wechfelfeitigen Schickfale, eingedenk der Zukunft unfers gemeinfamen Vaterlandes an Euch gerichtet werden.

Erwägen wir zunächst die Entstehung des gegenwärtigen Rechtszustandes in Euerm .Kanton, so kann derselbe ohne offenbare Uebertreibung nicht wohl darum ein rechtsloser genannt werden, weil vorübergehend und für kurze Zeit eine provisorische Regierung funktionirte, die, wie in allen ähnlichen Fällen, aus dem Drange der Ereignisse und Umstände und nicht aus einer allgemeinen Bethätigung des Volkes, aus unmittelbaren Gefammtwahlen hervorgegangen war.

Thatfache hicbei ist es, daß bald nach jenem Zeitpunkte, von dem wir eben gesprochen, eine konftit u i r e n d e u n d g e f e z g e b e n d e V e r s a m m l u n g einberusen wurde, welche auf direkten Volkswahlen beruhte.

Und von diefer Verfammlung ist die jezt bestehende Ver*

12 fassung ausgegangen und die Regierung, welche auf die proviforifche gefolgt ist.

Mögen hinwieder die Anfichten über den Wahlmodus, der hieb« beobachtet worden ist, verschieden sein, immer-

hin bleibt gewiß, daß derselbe auch anderwärts gesezlich besteht, und daß darin unmöglich ein Grund der Nich-

tigkeit liegen kann, wenn nicht die. Wahlversammlung selbst auf unregelmäßige Weife vor fich gegangen und dadurch das Resultat der Wahlen verfälscht worden ist, worüber, jedoch von keiner Seite Beschwerde geführt wurde.

Nun verdient aber hervorgehoben zu werden, daß nicht nur der Große Rath das Wahlgefez und die Wahlen bestätigt, fondern daß auch bei der Behandlung der Garantie der neuen Verfassung im Schoße der Tagsazung des Iahres 1848 keine einzige Beschwerde oder Protestation aus dem Kanton greiburg vorgelegen hat.

Die Anschuldigung endlich, daß die Wahlen unter

dem Drucke der eidgenösfischen Bajonette stattgefunden hätten, müssen wir entschieden zurückweifen, indem weder die Befehlshaber, noch die Truppen fich erlaubten, aus die Wahlen einzuwirken.

Hierdurch erscheint nachgewiesen, daß die konstitui* rende Behörde und die Regierung Eueres Kantons auf einem gesezlichen Ursprünge beruhen.

Werfen wir nun einen ...Blick auf die Verfassung selbst, so werden wir sosort zu der Ueberzeugung ge# langen müssen, [daß die Einwendungen gegen dieselbe vom Standpunkte des damals gütigen Bundesstaatsrechts aus betrachtet, nicht als begründet erscheinen können. Nach dem leztern wurde von den Kantonal-ä verfassungen lediglich verlangt, daß fie dem Bundes* vertrag vom Jahr 1815 nicht widersprechen.

13 Dieses ist nun in Beziehung auf die Verfassung des Kantons greibnrg unstreitig der gall, und es kann kein Artikel des damaligen Bundesvertrages angeführt werden, mit welchem die Kantonsverfassung nicht im Einklange stünde, indem bekanntlich der Bundesvertrag von 1815 keineswegs die Anforderung aufgestellt hat, daß eine Kantonalverfassung dem Volke zur Sanktion vorgelegt werden müsse, oder daß sie zu jeder Zeit müsse revidirt werden können.

Die eidgenösfische Garantie der freiburgifchen Kantonsverfassung wurde im Iahre 1848 ausgefprochen und zwar nicht ohne reifliche Erwägung derjenigen Bestimmungen, welche jezt den Gegenstand der Befchwerde bilden.

Die hohe Tagsazung hatte fich auf den gewiß richti-

gen Standpunkt verfezt, daß die Garantie einer Kantonalverfassung nicht von der politischen Zweckmäßigkeit einzelner Bestimmungen derselben abhangen könne, sondern daß dieselbe nur durch die Ansorderungen bedingt werde, welche das Bundesrecht geltend machen dürfe und sie hat aus diesem Grunde beinahe einstimmig die nachgesuchte Gewährleistung ausgesprochen.

Damit hat aber die schweizerische Nation die feierliche Verpflichtung übernommen, die Verfassung gegen jeden Angriff zu schüzen und sie hat weder rechtlich noch moralisch die Befugniß, von dieser Verbindlichkeit zurückzutreten.

Es fragt fich nur noch, ob und in welcher Weise diese Garantie durch die Einführung der neuen Bundesverfassung modifizirt werde und ob, wie behauptet worden ist, jene beiden Verfassungen unter fich im Widerspruche stehen und fomit die Kantonalverfassung in ihrer dermaligen Gestalt nicht mehr zu Recht bestehen könne.

14 Diese Frage wird aus unzweifelhaste Weise gelöst durch den Artikel 4 der Uebergangsbestimmungen der Bundesverfassung, welcher also lautet: ,,Die im Eingange und in lit. c. des Artikels 6 "der gegenwärtigen Bundesverfassung enthaltenen "Bestimmungen finden auf die schon in Kraft be,,stehenden Verfassungen der Kantone keine Anwen,,dung.'< "Diejenigen Vorfchriften der Kantonalverfassun,,gen, welche mit den ü b r i g e n B e s t i m m u n g e n ,,der Bundesverfassung im Widerfpruche stehen, sind ,,vom Tage an, mit welchem diese leztere als an,,genommen erklärt wird, aufgehoben."

Es bestimmt daher der [angeführte Artikel lediglich Folgendes :

Es ist unerläßliche Bedingung für die jezige Anerkennung einer Kantonalverfassung, daß fie nichts den Vorschriften der Bundesverfassung Zuwiderlaufendes enthalte und die Ausübung der politifchen Rechte nach republikanischen -- repräsentativen oder demokratischen -- Formen fichere. Dagegen genießen die schon bestehenden Kantonsversassnngen die Gewährleistung der nenen Bundesverfassung felbst dann, wenn sie nicht vom Volkesanktionirt wurden oder einen abweichenden Revifionsmodus enthalten.

Hieraus solgt mit absoluter Notwendigkeit, daß eine Kantonsverfassnng, welche die oben erwähnten Bedingungen des Artikels 6 lit. a. und b. der Bundesverfassung erfüllt, nicht bundeswidrig fein kann und daß somit die Verpflichtung, ihr die eidgenöffifche Garantie in guten Treuen zu halten, in keiner Weife beein-

irächtigt wird.

15 Wir glauben aber noch ausdrücklich hervorheben zu sollen, daß der Artikel 4 in den Uebergangsbestimmungen keineswegs ausnahmsweise nur gegen den Kanton Freiburg gerichtet wurde, vielmehr befchlägt derselbe die gesammte Eidgenossenschaft, indem auch noch andere Kantone bestimmte Termine hatten, innerhalb welcher eine Abänderung der Verfassung nicht zuläßig war oder ist; auch diese Kantone können von Bundes wegen nicht angehalten werden, von dieser Revifionsfrist Umgang zu nehmen.

Dieß im Wesentlichen die Gründe, aus denen die h. Bundesversammlung geglaubt hat, auf die in Frage stehenden Petitionen nicht eintreten zu können und warum dieselbe unserm kund gegebenen Entschlüsse für den Fall der Bedrohung der öffentlichen Ordnung im Kanton greiburg die geeigneten Maßregeln zur Aufrechthaltung

des Rechtszuftandes zu ergreifen, ihre ausdrückliche Gut.heißung ertheilt hat.

Wir sprechen aber die zuversichtliche Erwartung aus, daß dieser leztere Fall nie eintreten werde; wir sprechen: zuverfichtlich die Hoffnung aus, daß wir nie uns in die traurige Nothwendigkeit werden versezt sehen, Maßnahmen zur Aufrechthaltung der öffentlichen Ordnung zu ergreifen, deren Störung nur den entgegengefezten Zweck zur Folge haben würde, als denjenigen, welchen

man beabsichtigt, und deren Trübung die gotttob glück-

lichen Verhältnisse des gesammten Vaterlandes in ihrem Innersten verlezen müßte.

Wir trauen vollkommen auf den ehrenwerthen Sinn, des biedern freiburgifchen Volkes, welches einzelne individuelle Wunfche dem gefezmäßigen Gange des Ganzem

16 unterzuordnen weiß und welches nicht übersehen kann, daß die Bnndesbehörden den Willen und die Kraft haben, die wahre greiheft nach jeder Richtung hin aufrecht zu halten und zu fchirmen. Diese Keime echt christlicher Freiheit liegen offenbar auch in der Versassung, welche dem Kanton Freiburg gegenwärtig gegeben ist; in ihr liegen jene Clemente der Humanität und Bildung, welche die schweizerische Eidgenossenschaft in der Reihe der Völkerfamilien eine würdige Stellung haben einnehmen lassen. Es ist insbesondere in der Verfassung auch die Garantie der Religion auf unzweideutige Weise ausgesprochen und es wäre ein vermessenes Spiel, wenn man in dieser Beziehung Euere (gewissen beunruhigen wollte. Abgesehen davon, daß auch nicht der mindeste Grund zu einer solchen Beängstigung vorhanden ist, findet sich in der,Bundesverfassung die Gewährleistung des katholischen wie des protestantischen Glaubensbekenntnisses so unzweideutig ausgesprochen, daß nur böser Wille eine Beeinträchtigung dessen, was dem Menfchen das Theuerste ist, zu behaupten wagen kann und daß die Bnndesbehörden ihre Pflichten ganz mißkcnncn würden, wenn sie eine Trübung der konfesfionellen Verhältnisse zuzugeben vermöchten. Wir haben nicht nöthig, -Euch von unferm ernsten Willen, Ieden innerhalb der Schranken der Bundesverfassung zu schüzen, des Nähern zu überzeugen; Ihr wisset, daß so lange die Leitung der eidgenössischen Angelegenheiten uns anvertraut war, unser alleiniges Bestreben darauf ging.

Recht und Gerechtigkeit jedem Theile angedeihcn zu lassen.

Seit dem unvergeßlichen 22. Ehristmonat des Jahres 1481, als durch die Vermittlung des fel. Riklaus von

17 der glüe der hohe Stand greibnrg in den Kreis gemeiner Eidgenossenfchaft eingeführt wurde, find Euere Gefchicke, getreue, liebe Eidgenossen, auf das Innigste

und unauflöslich an diejenigen der übrigen Schweiz geknüpft. Ihr habet mit der Eidgenossenschaft seit bald vier Iahrhnnderten Leid und Freud brüderlich getheilt, Euere in Gott ruhenden Väter haben auf dem Felde der Ehre in heißen Schlachten diesen Bruderbund mit ihrem Herzblute besiegelt. Auch in alle Zukunft werdet Ihr als getreue Eidgenossen zum Vaterlande stehen, einmuthig in dem Gedanken des ganzen Gemeinwefens Ehre und Wohlfahrt zu fördern und dessen Schaden nach Kräften zu wenden. Wenn es auf kurze Zeit einer fremdartigen Partei gelingen konnte, Euere Herzen diefer Eidgenossenschaft zu entfremden, so geben wir gerne der Hoffnung Raum, daß Ihr, durch bittere Erfahrungen enttäuscht, nur um fo freudiger uns die Hand reichen werdet, um vereint mit uns dem Einen erhabenen Ziele entgegenzugehen, ©ebet daher den für Euch, wie für das gesammte Vaterland so unheilvollen Einflüsterungen kein Gehör. Die Stimme des größern Vaterlandes mahnt Euch zur Eintracht, zu ruhiger und finniger Entwicklung des Bestehenden ; fie ist auch die Stimme der Ehre!

Schaaret Euch also mit erneuerter Liebe um das heilige Sinnbild unseres Glaubens, um das eidgcnösfische Kreuz, das unsern und Euern Vätern in guten wie in trüben Tagen vorgeleuchtet, das die Eidgenossenschaft jeweilen aus jedem Dunkel fiegreich zum Sicht hindurch geführt hat. Nur in diesem redlichen und ausrichtigen Anschlüsse an die Eidgenossenfchaft ist unser

18 allseitiges Heil bedingt ; nur in diesem treuen Zusammenhalten findet die Verheißung einer glücklichen und segensreichen Zukunft ihre CrfüllungBern, den 30. Christmonat 1850.

Im Namen des schweizerischen Bundesrathes, Der Bundespräsident: «£. Drue9.

Der Kanzler der Eidgenossenschaft:

Schieß.

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Kreisschreiben des

schweizerischen Bundesrathes an sämmtliche eidge-

nössische Stände.

Bern, den VT. Januar 1851.

Getreue, liebe Eidgenossen!

Auf die herwärtige Anfrage vom 8. August 1849, welche nach Maßgabe des Bundesbeschlusses vom 28. April

gl. I. (siehe Bundesblatt Iahrg. 1849, Bd. H. S. 13) an die großherzoglich badifche Regierung gerichtet worden ist, wird uns mit Note vom 7. Oktober abhin die Er-

widerung zu Theil, daß man jenseits geneigt sei,den zwischen der Schweiz und dem Grojjherzogthum Baden bestehenden Freizügigkeitsvertrag vom 6. Februar 1804 in der Weife auszudehnen, daß die bis dahin noch bestandenen Befchränkungen für die Zukunft gänzlich wegfallen würden.

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