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Bericht der

Mehrheit der Kommission des Ständerathes, be treffend den zwischen der Eidgenossenschaft und Sardinien am 8, Juni d, J. abgeschlossenere Handelsvertrag,

(Vom 25, Juli 1851.)

Tit.

·

Bei Prüfung des Staatsvertrages zwischen der schwel.-zerischen Eidgenossenschaft und dem Königreiche Sardinien, haben sich in der Kommission zwei einander entgegengesezte Ansichten ergeben. Die Mehrheit der Kommissio...,., in deren Namen wir Bericht erstatten, trägt darauf an, daß der Ständerath dem Beschlüsse des Nationalrathes fceitreten möchte. Die Minderheit hingegen hält dafür daß dem Vertrage die Genehmigung zu verweigern sei.

Was vor Allem aus die Frage betrifft, ob der -.Bun..} fcefugt sei, mit einem fremden Staate einen. Vertrag, betreffend die Niederlassung, abzuschließen, so glauben wie dieselbe unbedenklich bejahen zu können. Nach dem Art. 8 der Bundesverfassung steht dem Bunde unbedingt de...!

Dîecht zu, Staatsverträge mit dem Auslande abzuschließen.

Dieses Recht soll durch Hinzufügung der Worte ,,namentlich Zoll- und Handelsverträge" offenbar nicht beschrank.;, fondern bloß erläutert werden. Jn diesem Sinne ifi auch der fragliche Artikel bisdahin verstanden und angewendet worden. Es genügt, in dieser Beziehung an die im leztm Jahre zwischen der Eidgenossenschaft und den vmuugtó

148 Staaten von Nordamerika abgeschlossene Uebereinkunst zu erinnern, durch welche ebenfalls die beiden Staaten ihren Angehörigen gegenseitig Freiheit der Niederlassung zusichern, ohne daß auch nur Eine Stimme in allen zweis undzwanzig Kantonen laut geworden wäre, welche die Bundesbehörden einer Ueberfchreitung ihrer Befugnisse

...ezüchtigt hätte.

Die Redaîtion des Art. i des fraglichen Staatsvertrages ist in gedoppelter Hinficht getadelt worden. Einmal findet man die Hinweifnng auf den Art. 41 der Bundesverfassung bedenklich und es wird [ogar befürchtet, daß dieselbe als Vorwand zu einer Einmischung in unsere innern Angelegenheiten mißbraucht werden könnte. Zweiiens wird die ..Defrniiion des Nieberlassnngsrechtes al.3 zweideutig bezeichnet, indem der erste Saz des Art. I allen [ardinifchen Bürgern die Einwanderung zu erlauben, der .Dritte Saz hingegen diese Erlaubniß auf Handelsleute zu kschränlen scheine, was zu einer Menge Streitigkeiten über das Verhältniß dieser beiden Säze zu einander und über den Begriff und Handelsgeschäfte it.- s. f. Veranlasfung geben werde. Was nun die leztere Rüge betrifft, fo können wir nicht umhin, deren ..Richtigfeit zuzugestehen, und wir würden gerne derselben Rechnung tragen, wenn Redaftionsverbesserungen gegenwärtig noch an der Zeit ivären. Es springt abeic in die Sîugen, daß die Bundes-.Versammlung bloß zwischen der Annahme und der §3eriverfung des Vertrages zu wählen hat und der gerügte Uebelstand fcheint uns bei Weitem nicht wichtig genug zu fein, um eine Verwerfung des Vertrages zu motiviren.

Noch weit weniger erregt uns der ..Borbchalt des Art. 41 der Bundesverfassung Bedmîei.. Diese Klausel isi offenSar einzig und aïïcrn zu ©unstcn ter Eidgenossenschaft

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149 aufgenommen worden, um Leute, welche keinen guten Leumund haben, oder nicht in bürgerlichen Rechten oder Ehren stehen, oder keine genügenden Mittel besizen, um [tch und ihre Familie zu ernähren, so wie auch Jsraeliten mit einem allsälligen Niederlassungsgefuche abweifen zu fönnen. Sardinien hätte natürlich gegen die Ausstreichung Des fraglichen Vorbehaltes nicht das Mindeste einzuwenc>en; unser eigenes Interesse erfordert aber die Beibehaltung desselben gebieterisch. Wie die Hinweisung aus den Ülrt. 41 der Bundesverfassung der fardinifchen Regierung einen Vorwand darbieten könnte, sich in unfere innern Angelegenheiten einzumifchen, vermögen wir in der That nicht einzusehen. Die Gefahr (wenn man von einer solchen überhaupt sprechen will) liegt nicht so fest in diefem Zitate, als vielmehr in der Eingehung eines Vertrages und in ber Uebernahme von Verbindlichkeiten gegenüber einem fremden Staate. Wenn wir aber bedenken, daß seit vielen Jahrzehnten gerade mit Beziehung aus das Niederlassungsrecht ganz gleiche Vertragsbestimmungen zwischen der Eidgenossenschast und dem mächtigen Frankreich bestehen, und daß die meisten Kantone früher lange Zeit in ähnlicher Weise Sardinien gegenüber sich verpflichtet hatten, ohne daß jemals gefährliche Reibungen entstanden wären, so müssen alle dießfälligen Besorgnisse vor dieser Erfahrung.!?ihatsache dahin fallen. Die verschiedenen zwischen der Schweiz und dem Auslande bestehenden Verträge haben wahrlich bisdahin am allerwenigsten dazu beigetragen, um ihre Stellung im europäischen Staatssysteme zu gefährden.

Abgesehen von der Form der Redaktion scheint der Inhalt des Art. l des sraglichen Staatsverirages, namentïich im Kanton Waadt, ziemliche Unzufriedenheit zu er..veken. Wenn dieses wirklich der Fall ist, so bedauren · wir auf das Lebhafteste, den Wünschen des waadtlandischen Bundesblatt Jahrg. III. Bd. III.

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150 SSolkes, in Welchem wir eine der festesten Stüzen des Bundes erblifen, nicht entsprechen zu können. Allein die Interessen der großen Mehrheit der schweizerischen Bevölïerung, welche bereits bei der Abstimmung im Nationalrathe einen entsprechenden Ausdruk gesunden haben, lassen uns keinen Zweisel über den Weg, welchen wir einznschlagen haben, übrig.

Wir halten es sür überflüssig nachzuweisen, wie wichtig îs für die schweizerische Industrie sei, mit England, Frankreich u. s. s. in Sardinien konkuriren zu können und es ïiegt klar am Tage, daß die Möglichkeit dieser Konkurrenz gerade durch die Annahme des vorliegenden Vertrage....

.bedingt wird. Es ist freilich auch bei diefer Gelegenheit, ..vie schon oft, gefragt worden, ob nicht die Landwirtschaft sine zuverlässigere und wünschenswerthere Grundlage für das ...ßolkswohl bilde als die Jndustrie, daß eine solche Frage auch nur ausgeworfen werden kann, dürfte in der 3eit, in welcher wir leben, in hohem Grade befremden.

Wir kennen zwar die Schattenseiten der Jndustrie nur zu gut; allein gegenwärtig handelt es sich wahrhaftig für die Schweiz nicht mehr darum, zwifchen Landwirthfchaft und Industrie zu wählen, fondern sie besizt bereits eine sehr bedeutende Jndustrie, welche ohne künstlichen Schuz auf .natürlichen Grundlagen herangewachsen ist, deren Erhaltung eine Lebensfrage für Hunderttaufende bildet, und auf welcher zu eitlem guten Theile auch die finanziellen Kräfte îoes Bundes und der Kantone beruhen.

Uebrigens wird der Gewinn für die Jndustrie keinessvegs auf Unkosten der Landwirthfchaft erkauft. Auch die Viehzucht und Akerbau treibenden Kantone finden bei der Herabsezung der Eingangsgebühren auf Käfe, leinenen Stoffen u. s. f. ihren Vortheil, daß die ©leichsteaung det

151 Schweiz mit den am meisten begünstigten Nationen für

die Erzeugnisse der Landwirtschaft nicht die gleiche Be-

deutung hat, wie für die Gewerbe, liegt in der Natur der Sache und es hängt nicht von den Behörden ab, dieses zu ändern. Die einzige Benachtheiligung, von welcher

die Rede sein könnte, nämlich die zollfreie Einfuhr von 5000 metrischen Zentnern Wein, ist in Vergleichung mit der eigenen Produktion und der Gesammtcinfuhr von Anßen so geringsügig, daß es sich nicht der Mühe lohnt, auch nur davon zu sprechen.

Als Grund zur Verwerfung des Vertrages ist mit besonderem Nachdruke auch der Art. VHI, welcher von den Eisenbahnen handelt, hervorgehoben worden. Es ist namentlich der etwas allgemein und unbestimmt gehaltene erste Saz dieses Artikels, welcher Bedenken zu erregen scheint. Dieser Saz darf aber nicht aus dem Zusammen.hange herausgerissen werden, indem derselbe erst durch die folgenden Bestimmungen ergänzt und erläutert wird.

So aufgefaßt und verstanden sind die von der Eidgenossenschast übernommenen Verbindlichkeiten nicht geeignet, uns zu erschreken, da nicht anzunehmen ist, daß es die Bundesbehörden, wie dieselben auch immer in Zukunft zufammengefezt sein mögen, jemals am guten Willen oder an den Mitteln sehlen werde, die fraglichen Zusicherungen zu erfüllen.

Zum Schlüsse können wir nicht umhin, auf das Wohlwollen aufmerkfam zu machen, mit welchem die Behörden

des Königreichs Sardinien bei diefer Gelegenheit den Wünschen der Eidgenossenschaft entgegen gekommen sind.

Möge das gute Einverständnis;! mit diefem Nachbarstaate, dessen weise Regierung "im besten Einverständnisse mit dem Volke, troz allen entgegenstehenden Schwierigkeiten, mit

»

152 fo schönem Ersolge an politischen und national-ökonomifchen Resormen arbeitet, je länger je mehr sich befestigen.

Bern, 25. Juli 1851.

Für die Mehrheit der Kommifsion: S. Ruttimanu, Berichterstatter.

H. Haberstich.

Wurth.

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.Aus den Verhandlungen des schweizerischen Bundesrathes.

(Vom 8. Weinmonat 1851.)

Ans Einer Depesche des schweizerischen Konsuls in Havre entnehmen wir Folgendes: Jch muß endlich Jhre Aufmerksamkeit auf einen Fall ïenken, der schon zwei Mal vorgekommen ist, und welcher leweist, daß die amerikanische Regierung den Schiffska.pitäns sehr strenge Weisungen gegen die Einbringung von invaliden Auswanderern ertheilt hat. Jnfolge deffen sind zwei unferer Landsleute mit hölzernen Beinen, welche nach den vereinigten Staaten reifen wollten, und deshalb schon ihre Akorde für die Ueberfahrt abgeschloffen hatten, .Sei ihrer Anlanft in 'hier von den amerikanischen Schiffen nicht aufgenommen worden, sondern waren genöthigt, wieder nach der Schweiz zurükzukehren.

Berichtigung.

...Die Befchwerde der Madame Dupré von Bulle (Bun* besblatt Nr. 52 Pag. 127) datirt sich vom 19. Juli 1850, uno nicht von 1851..

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Bericht der Mehrheit der Kommission des Ständerathes, betreffend den zwischen der Eidgenossenschaft und Sardinien am 8, Juni d, J. abgeschlossenere Handelsvertrag, (Vom 25. Juli 1851.)

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11.10.1851

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