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Bericht der

Kommission des Nationalrathes über den Entwurf

eines Bundesgesezes über die Strafrechtspflege für die eidgenössischen Truppen.

(Vom 7. August 1851.)

Tit.

Die von Ihnen niedergesezte Kommission zur Vorberathung des vorliegenden Gesezes gibt sich die Ehre, über einige Hauptpunkte, deren Abänderung sie ihnen vorschlägt, einen kurz motivirten Bericht zu erstatten.

Vorerst beantragt Jhnen die Kommission, etwelche

Ausdehnung der militärischen Strafgerichtsbarkeit (Art. 1), der drei neue Kategorien von Personen unter?

worsen werden sollen: 1) Die Kriegsgefangenen, welche nach ihrem ganzen Charakter, da sie vom Militär bewältigt worden sind, auch

unter die militärische Gerichtsbarkeit gehören.

2) Militärpflichtige Personen, welche auf Marschbereitschaft (wohl zu unterfcheiden von der bloßen Bereitschaftskehr. Piquet) stehen, sich dann aber durch Entfernung dem Dienst entziehen. Es liegt in einer solchen Entfernung theils eine Zuwiderhandlung gegen die Vorschrift, sich für nahe bevorstehenden Dienst bereit zu halten, theils ein rechtswidriges Befinden der Möglichkeit, eine f p e z i e l l e Aufforderung, sich in den Dienst zu stellen, dem Betrefsenden zukommen zu lassen. Eine derartige Handlungs-weife in frandem legis soll nach allgemeinen Grundsäzen einer direkten Handlung contra legern gleich geachtet werden. Zu dieser allgemeinen Rüksicht ans die Noth.--

193 wendigkeit einer solchen Bestimmung tritt noch eine speziellere hinzu, darin bestehend, daß die ganz ungleichartige' Behandlung dieser Fälle in den Kantonalgesezgebungen, in denen einzeln sogar Strafbestimmungen gänzlich'fehlen, ein einheitliches Gesez sehr wünschbar machen muß. Die Strasen für die Uebertretnng dieser Vorschriften sind in Art. 99 und 168 vorgemerkt.

3) Personen, welche sich nach Entlassung aus dem Militärdienst für eine während desselben gegen sie erlassene Strafe an dem betreffenden Offizier zu rächen suchen.

Die Gründe dieser Bestimmung, die sich auch in allen bürgerlichen Strafgefezbüchern vorfindet, sind an sich klar und verschiedene praktische Erfahrungen machen sie wünschbar.

Das S t r a s s y s t e m betreffend, stellt die Kommission mehrere abweichende Anträge von größerer Wichtigkeit.

Der Bundesrath hat im Kapitel der Freiheitsstrafen sehr bedeutende Veränderungen angebracht, indem es die Kettenstrafe einerseits und die Landesverweisung anderseits gestrichen,'dafür aber die Bnchthanästrafe bis ans Lebenszeit und die Gefängnißstrafe bis auf zehn Jahre erweitert hat. Jhre Kommission kann sich mit der Streichnng der Kettenstrafe einverstanden erklären, dagegen hält sie eine allzngroße Ausdehnung der Gefängnißstrafe nicht für

zwekmäßig. Um indeß keine allzngroße Störung in das System des Gefezesentwurfs hineinzubringen, begnügt sie sich damit, Reduktion jener Strafe bis auf sechs Jahre zu beantragen. -- Dagegen aber kann sie sich mit der Abschaffung der Strafe der Landesverweifung keineswegs befreunden, um fo weniger, als die Erfahrungen des Jahres 1849 bewiefen haben, daß man sich bei dieser Strafart [ehr wohl befunden hat, und ab Seiten des fchweizerifchen ...Bolkes hiegegen noch keine Klage laut geworden ist. Die Kommission glaubt, die in der Botschaft des Bundesrathe..?1

194 hervorgehobenen Bedenken gegen diese Strafart mehr in's Gebiet der theoretischen verweisen zu dürfen. Es versteht

sich nämlich von selbst, daß gemeine, gesährliche Verbrecher, und zwar Gewohnheitsverbrecher, nicht einem Nachbarstaate zuzuweisen sind. Gegen eine solche Verlezung der internationalen Pflichten ist auch in unferm Vorschlag Vorsorge getroffen und ebenso den Gefahren neu entstehender Heimatlosigkeit vorgebogen. Die Strafe der Landesverweisung hat aber auf der andern Seite wegen ihrer Einfachheit und Wohlfeilheit, ferner wegen ihres sich ganz befondern Anpassens an gewisse Vergehen, wie z. B. Körperverlezung, ...Duell, Religionsstörung, Fleischesvergehen milderer Art, leichter Insubordination und

Dienstverlezung, Entführung, geringere Eigenthumsschädigungen, ja sogar leichtere Fälle von Todschlag n. s. f., endlich wegen der darin liegenden Humanität gegenüber Perfonen, die nicht eigentlich als Verbrecher von fchwerer Verfchuldung betrachtet werden können, und schließlich für Fälle von Begnadigung oder Strafumwandlung fo man= nigfache Vorzüge, daß sie bei vernünftiger Anwendung auf passende Fälle (weßhalb deren Applikation ans richter-

lichem Ermessen gestellt wird) nothwendig wohlthätig

wirken wird. Die Ungleichartigkeit der Wirkung, welche dieser Strafe vorgeworfen worden ist, theilt sie mit allen andern Strafarten, indem z. 33. Vermögensstrafen gegenüber Reichen ebenfalls viel mindere Wirkung üben werden, als gegen Unbemittelte; ebenso Gefängnißstrafen gegenüber geistig lebendigen, an Thätigkeit gewohnten Perfonen eine qualitativ ganz andere Wirkung haben müssen, als

gegenüber ungebildeten, geistig stumpsen Menschen. -- Die Wirkungen der Zuchthausstrafe belangend hat der ·Ständerath beschlossen, daß der Verlust der politischen Rechte und die zivilrechtlichen Folgen der Zuchthausstrafe

195 sich nach den Gesezen der Heimath des Sträflings richten

sollen. -- Dieser die Unisormität des Rechts, die dieß Gesez sonst anstrebt, geradezu aufhebende Beschluß scheint uns kein glüklicher zu sein. Um der Schwierigkeit auszuweichen, welche allerdings die 22 verschiedenen Kantonalgesezgebungen in dieser Beziehung bieten mögen, ans der einen Seite, sodann aber auch anderseits - - ans prinzipiellen Bedenken gegen lebenslängliche Ehrenstrasen als Regel -- schlägt Ihnen die Kommission vor : die Dauer des Verlusts des Aktivbürgerrechts auch bei Zuchthausstrafe jeweilen vom erkennenden Richter bestimmen zu lassen,Jo jedoch, daß er diesen Verlust bis auf Lebenszeit erstreken kann.

Jm Art. 37 u. f. f. wurde vom Bundesrath festgefezt und vom Ständerath adoptirt, daß in Kriegszeiten eine formelle Deklaration ab Seiten des Generals, refp. des Bundesraths, erfolgen folle ,c daß die Armee auf dem K r i e g s f u ß stehe, und daß fodann von diesem Augenfclik an schärfere ©trafen für die militärifchen Verbrechen einzutreten haben. Die Kommission kann sich aus mehrfachen Gründen mit diesem Antrag nicht befreunden. Für'.?

erste nämlich widerspricht diese Bezeichnung der seststehenden militärischen Terminologie, indem unter Kriegsfuß der Armee sonst verstanden wird, daß hinsichtlich des Soldaien und der Verpflegung andere Verhältnisse eintreten sollen. Für's zweite ergibt es sich, daß diese Bezeichnung ihrem angeführten Zweke doch nicht entspricht, indem g. B. in Art. 98 (wie auch in andern Artikeln) innert den Gränzen des Kriegsfußes drei neue Kategorien gemacht werden: "entfernt vom Feinde, in der Nahe des Feindes, zum Feinde hinüber." Für's dritte zeigt sich, daß an andern Orten der Gefezgeber darauf, ob der Kriegsfuß erklärt fei oder nicht, gar keine Rüksicht nahm,

indem z. B. im Art. 67, 68, 70 u. f. f. lediglich auf

196 die Nähe des Feindes bei Zumessung der Strafe abgestellt wird. Viertens aber wäre dieß Abstellen der Größe der Strafe auf ein derartiges ein formelles Requisit, darum unpraktifch und ungerecht, weil die Verhältnisse der ver-

schiedenen Truppenkorps gar nicht gleichartig sind, indem z. B. bei einem Angriff von Norden die im Zentrum oder im Westen und Süden aufgestellten Korps, weil sie vom Feind entfernt sind, gar nicht den gleichen festen Strafbestimmungen unterworfen zu werden brauchen, wie diejenigen Korps, welche dem Feinde fast gegenüber stehen.

Die Kommission schlägt ihnen deshalb die Streichung der Art. 37 bis 40 vor und proponirt statt deffen sür alle

Fälle drei Kategorien: 1) in der Nähe des Feindes; 2) entfernt vom Feinde oder in Dienstaktivität im Jnnern, und 3) im Jnstruktionsdienst, (unter welch' leztern Begriff alle militärischen Hebungen fallen).

Ebenfo schlägt Jhnen die Kommission Streichung der

Art. 48 bis 50 vor. Es beschlagen diese Artikel h ochv e rrätherifche oder l a n d e s v e r r ä t h e r i f c h e Handlnngen. Die Kommission ist indeß der Ansicht, daß diese Verbrechen nicht in den militärischen, fondern in den bürgerlichen Strafkodex gehören, wie sie denn auch im bisherigen Gesez nicht enthalten waren. Aus diesem Grunde beantragt die Kommission die Einfchiebung der Worte ,,der Eidgenossenschaft" bei Art. 3 und eine sachgemäße Ver-

änderung des ersten Titels des zweiten Abschnitts.

Die S t r a f k o m p e t e n z e n der Fouriere, Wachtmeister und Korporale gegen Gemeine (Art. 177 u. s. s.) betrefsend, bekennt sich die Kommission grnndsäzlich zu einem andern Systeme, indem sie (mit Ausnahme vorübergehender Militärfrohnen) deren Kompetenz dahin beschränkt, daß keine definitiven Strafen, fondern bloße provisorische Verfügungen von ihnen getroffen werden dürfen, unter

197 Anzeige an den Feldweibel oder an den dienstthuenden Offizier, der nach Befchassenheit der Umstände entweder

selbst dann vielleicht Strafe diktirt oder bei mangelhafter Kompetenz den Fall weiter rapportirt. Gleicher Weise soll es gehalten werden hinsichtlich der Lieutenants und Unterlieutenants, gegenüber Offizieren niedern Grade..? und ...Dienstalters (Art. 180). Die Kommission glaubte, daß dadurch die Strafkompetenz in bessere Hände gelegt und dem aus Autoritätssucht entstehenden Mißbrauch vorgebogen werde; ferner, daß kompromittirenden Strafänderungen von vornherein vorgebogen werden könne.

Die S t r a f e n felbst wurden einigermaßen ermäßigt; die Kompetenz zur Verhängung von Strafschildwache (im JnstruktionsdienstXden Postenchefs beigelegt; Strafexerzieren aber nur den Kompagniekommandanten oder höhern Offizieren zu erkennen gestattet.

Die N i c h t k o m b a t t a n t e n , sowohl die Personen der Kriegsvexoealtung, als die Offiziere des Justiz- und Me-

dizinalstabes, wurden hinsichtlich des disziplinarischen Strafrechts aktiv und passiv den Kombattanten gleichgestellt, indem die Kommission es fowohl in prinzipieller, wie in

.praktischer Beziehung für nüzlich erachtete, diese Scheidevvand inmitten der eidgenössischen Armee niederzureißen, und die Offiziere der verfchiedenen Korps je nach ihrem 9îang und der Kompetenz des ihrem Rang entsprechenden

Grades gleichzustellen.

Jm zweiten Buch, Organisation der Rechtspflege, nahm die Kommission wenig Aendernngen von

größerer Bedeutung vor. Bei Art. 228 hielt sie jedoch dafür, daß es zwekmäßig wäre, wenn die Strafzumessung nicht bloß in die Hände des Großrichters gelegt, sondern den zwei beisizenden Richtern auch entscheidende Stimme eingeräumt würde. Die Kommission glaubte, da§ diese Einzelnkompetenz im Volk mit um so größerem Miß-

198 trauen betrachtet würde, da bei dem Mangel an festen Strafbestimmungen bei dem vorliegenden Gefezbuch dem richterlichen Ermessen ein fo ungemein großer Spielraum

gegeben ist.

Die Buche, lediglich rathung

Aenderungen, welche die Kommission im dritten von dem Verfahren, vorgenommen hat, sind Folge des Bestrebens, das gegenwärtig in Beliegende Verfahren mit demjenigen vor den bür-

gerlichen Strafgerichten der Eidgenossenschaft in möglichste Uebereinstimmnng zu bringen, da keine innern Gründe vorhanden sind, welche verschiedene Systeme rechtfertigen würden. Die Kommission glaubt über diese Aendernng in diefem Bericht um so weniger eintreten zu sollen, da das Gesez über das bürgerliche Strasverfahren vom Nationalrathe fchon dnrchberathen worden ist.

Hinsichtlich der Strafvollziehung glaubt dieKommission nur noch darauf aufmerksam machen zu sollen, daß sie für die Vollziehung der Strafe der Kassation ein gewisses feierlicheres Verfahren anordnen zu sollen glaubte, und zwar ungesähr in der Art, wie es bisher bestanden -hat, jedoch mit »Streichung einiger zu weit getriebene.; Förmlichkeiten.

Jndem die Kommission hinsichtlich minder wichtiger Abänderungen auf die mündlich zu gebenden Erläuterungen verweist, ergreift sie die Gelegenheit, Sie, Tit., ihrer ausgezeichneten Hochachtung und Ergebenheit zu versichern, womit verharren Bern, den 7. August 1851.

D i e M i t g l i e d e r d e r Kommission: Düfour.

PfDsfer.

Ziegler.

S. Dubs, Berichterstatter.

£atour. °

i»»

.Aus den Verhandlungen des schweizerischen Bundesrathes.

(15. Oktober 1851.)

Herr Samuel Brügger, Negotiant in Frntigen, Kantons Bern, wurde zum Pulververkäufer patentirt.

(20. Oktober 1851.)

Der Termin für Einlösung der alten Schweizermünzen in den Kantonen Bern und Solothurn ist auf den ersten Wintermonat nächsthin festgesezt worden.

Bundesblatt, Jahrg. III. Bd. III.

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25.10.1851

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192-199

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