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Bundesrathsbeschluß, betreffend

den Rekurs der .Negierung des Kantons Waadt in der Ehe....

sache Reganelly-Rebeaud.

(Vom l. Juni 1857.)

Der schweizerische Bundesrath

hat in Sachen des gegen den Bezirksgerichtspräsidenten von Yverdon puncto Entziehung des Gerichtsstandes, nach angehörtem Berichte des Justiz- und Polizeidepartementes und der Akten, w o r a u s sich e r g e b e n . .

^

A. s ueralprokurators des Kantons Freiburg, expomrt mit Eingabe d. d. Stäfis 12. Februar 1857 unter Anderm Folgendes: kanntfchast der welche sich in diese Gemeinde flüchtete, um sich schlechter Behandlung von Seite ihrer Verwandten zu entziehen. Sie ließen daselbst, gemäß den sreiburgischen Gesezen, ihre bevorstehende Hochzeit verkünden, und dieselbe wurde troz der ungesezlichen Einsprache des Vormundes der Frau gefeiert.

beschwert sich, der Friedensrichter seines Kreises habe eine Vorladung bewilligt, welche den Rekurrenten vor den waadtländifehen Richter beschied und ihm so den Gerichtsstand des Wohnortes wie denjenigen der Streitsache entzog. Er verlangte, daß die Einsprache des Vormundes aufgehoben werde; allein der waadtländisehe Richter weigerte sich dessen, und so erhielt der Vormund Chavannes-ie-Ch uuar 1857 eine Bescheinigung über den fehlgeschlagenen Aussöhnungsversuch, der er nun Folge zu geben sucht.

Auf Beschwerde verbot die Regierung von Freiburg dem Friedensrichter und dem GerichtsPräsidenten des Broyebezirks die Anlegung irgend eines Aktes zu bewilligen, welcher dahin zielen würde, den Rekurrenten und seine Frau ihrem natürlichen Richter zu entziehen. Nun ließ der Vormund t

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^

^

^inverstäudniß mit dem Bezirksgerichtspräfideuten von .^verdon, durch Ver...

..mittlung des Substituts des Generalprokurators, ete...^ lingen, den Eheleuten die Vorladung zugehen; derselbe warf fie aber einfach .unter Umschlag mit ihrer Adresse auf die Post.

Um die Verlezung der Bestimmungen des Art. 53 der Bundesver-^ Fassung zu verhüten, verlaugt der Gefuchsteller, der Bundesrath wolle dem .Bezirksgerichte von .^verdon die Weisung ertheilen, der Vorladung aus ^1. Februar bis ^zum Entscheide über den Gegenstand des Rekurses keine Folge zu geben. Er bemerkt im Weitern noch, daß, während die lezte .Ladung besagt: o h n e b e k a n n t e n W o h n s i z . das mit dem Stämpel des Substituten des waadtländischen Generalprokuxators des exsten Bezirks ver.sehene Brieseouvert den Wohnfiz der Eheleute ganz richtig angibt, so wie auch die erste Ladung fie als w o h n h a f t in E h e ^ r e s , K a n t o n s Freiburg , anerkennt.

B. Jn Erwiderung aus diesen Rekurs übermittelt der Staatsrath . .von Waadt, mit Schreiben vom 11. März, 1) einen Bericht des Bezirksgerichtspräsidenten von ^vexdon .^om 22.

Februar, und 2) e

.1nt dem Beifügen, daß, in Beziehung auf die Regierungsbehörde, dieselbe ^ie^ Schlüsse. der Denkschrift aufnimmt, welche das Geschichtliche der Sache

.vollständig genau wiedergibt und den Thatbestand wie^ die Rechtspunkte den Grundsäzen der kantonalen und

.würdigt.

eidgenössischen Gesezgebung gemäß

Ad 1. Zur Leitung der Verhandlungen und Beurtheilung der Streitfragen berufen, enthält sich der Präsident des Eivilgerichts von ^vexdou, seine Meinung über den Gegenstand des obschwebenden Rechtsstreites abzugeben und beschränkt sich darauf, nebft^ einer Protestation gegen die ihn betreffenden Anschuldigungen im Rekurse , über die juristischen Maßnahmen, . .welche er in diesem Prozesse zu treffen hatte, Bericht^ zu erstatten.

Da der Verlauf derselben in der Denkschrift des Herrn Advokaten Demiéville ausführt angegeben ist^, fo bezieht man sich, um Weitläufigkeiten zu Vermeiden, auf das unten ad 2 Anzuführende.

Jndessen folgt hier, .was der Bericht des Gerichtspräsidenten über die d.em .Reganel.l^ zugegan.gene Notifikation enthält : ,,Da Reganell... im Kanton Waadt keinen bekannten Wohnsiz hat, .wurde der Einsprachsakt des Vormundes^ Michoud gegen die Ehe durch Anschlag am Anschlagspseiler des Bezirks ^verdon notifizirt, so wie durch ^Mittheilung an den Substituten des Generalprokura.ors (Eivilprozeß ^Art. 42.). Das Gesez verlangt nichts weiteres vom Präsidenten; es sügt^

^hinzu: ,,,,Der Substitut benachrichtigt hievon, wo möglich, den Bethei-^

ligten.^ Der Beamte ist diesem Erforderniß nachgekommen, indem er .die Vorladung durch die Post dem Reganell^ nach Ehchres übersandte.^ .

.^4

..

^

Die Audienz zur Beurteilung der Sache bleibt aus den .^. des.

laufenden Monats März augesezt.

Ad 2. Peter Joseph Reganelly, von Ehchxes, war zu ^vonaud^ wohnhaft. Den 8.. Mai 1850 wurde ex durch das Gericht von ^verdou.

we^en thätlichex Mißhandlungen zu dreimonatlicher Einfperrung verurtheilt, ur.d ini Jahr 1.^3 wegen schlechter Aufführung aus deru Kanton Waadt.

.verwiesen. Er ist 35 Jahre alt.

Esther Marrel, verwitwete Rebaud, 69 Jahre alt, ist Bürgerin der Gemeinde .^ v .o n and, wo sie bis 1833, dem Zeitpunkte ihrer Vereh.elichung, mit David Franz R e b e a u d wohnte. Sie folgte ihrem Mann...

uach Chavannes-1e.-Chéne , und, nachdem sie 1837 Witwe geworden war, kehrte sie in das väterliche Haus nach ^vonand zurük, das sie bis zum ..^0. Januar 1856 nicht mehr verließ. Jn jenem Zeitpunkte nahm fie^ ihren Wohnsiz bei ihrem Verwandten und Vormunde Michoud zu Cha^ vannes-1e-Chene. Den 19. Dezember desselben Jahres verließ sie heimlich dieses Haus und begab sich in den Kanton Freiburg. Da die verschiedenartigen Exzentrizitäten, denen sie sich hingab, ihr Vermögen un^ ^ ihre Zukunft in Gefahr sezten, und sie nicht im vollen ^Besize ihrer geisti-

. gen Fähigkeiten sich befand , so bevogtetete sie der Eivilgerichtspräsident

des Bezirks .^ v e r d o n ^ durch Spruch vom 29. Januar 1856, wegen Jrrsinn und Verschwendung, aus den Antrag dex Verwandten und de.^ zuständigen Behörden. Dieses Urtheil ist in der ganzen ^Schweiz vollziehbax geworden. Jn der Person des Franz Michoud wurde ihr ein Vormund gegeben. Als Waadtländerin ist Esther R e b e a u d den waadtländischen Gesezen unterworfen , deren Bestimmungen über die Ehe folgende find ....

Der B e v o g t e t e steht bezüglich seiner Person und seines ^ V e r m ö g e n s dem M i n d e r j ä h r i g e n gleich (Eiv.GesezbuchArt. 306).

F a l l s w e d e r V a t e r noch M u t t e r noch G r o ß ä l t e x n vor-^ h a n d e n sind (was bei Esther Rebeaud zutrifft), o d e r wenn diese.

sich in der U n m ö g l i c h k e i t b e f i n d e n , ihren Willen kund zu thun, so k ö n n e n M i n d e r j ä h r i g e , ohne die Z u s t i m m u n g d e s V o r m u n d e s u n d z w e i e r ihrer nächsten V e r w a n d t e n , sich nicht v e r e h e l i c h e n (Eiv. Ges. Art. 66). Wird die vorn Art. 6.^ v o r g e s c h r i e b e n e Einwilligung nicht erlangt., so kann d e x V o r m u n d .nit Bewilligung des F r i e d e n s r i c h t e r s E i n s p r a c h ^ e r h e b e n (Eiv. Ges.Art. 79 und 80). Eine Ehe, w e l c h e ohne die im ^ixt. 66 g e f o r d e r t e Einwilligung g e s c h l o s s e n w u r d e , kanu.

^durch d i e j e n i g e n a n g e f o c h t e n w e r d e n . d e x e n Zustimmung^

.nothwendig war (Eiv. Ges. Art. 88).

Esther R e b e a u d kann sieh daher nicht ohne Einwilligung ihres VoxBundes verehelichen. Der Mangel derselben ist nicht bloß ern Grund zu^ Einsprache, sondern sogar eine Ursache der Nichtigkeit.

Dieser Lage konnte fie^duxch ^ie Ueberfiedlung in de.. Kanton Frei.hurg nicht ..nt^en ; demi durch einen Aufenthalt vou 36 Tagen (vo.^ ^

^..

.

.

38.^

^9. Dezember 1856 bis 25. Januar 1857) konnte sie ihren Wohnsiz z^ ^vonand nicht verlieren und einen neuen zu Font oder Ehestes erwerben.

Und wäre auch dieser leztexe erworben worden, so hätte sieh doch ihre Lage^ nicht geändert, da die waadtländifche, freiburgische und Bundesgesezgebung^ folgendes vorschreiben :.

a. ..^a^tlall^sches ^esez . ,,Den g e s e z l i c h e n Bestimmungen..

welche sich auf den.^Stand und die Handlungsfähigkeit de.^ P e r s o n e n b e z i e h e n , . sind d i e W a a d t l ä n d e r u n t e r w o r f e n , .

s e l b s t w e n n sie im A u s l a n d e wohnen... (Eiv. Ges. ...rt. 2.)

li. .^reibnrgisches ^esez: ,,Die F r e m d e n , w e l c h e im Kantou.

F r e i b u r g w o h n e n , sind, bezüglich ihres Standes und ihre....

F ä h i g k e i t zu den Handlungen des bürgerlichen L e b e n s , d e ^ G e s e z e n d e s L a n d e s i h r e r H e r k u n f t u n t e r w o r f e n . ^ (Freib..

Eiv. Gesezbuch Art. 3.)

.^. ^nn.^gese^ebnll^ : ,,Es ist Sache der K a n t o n s g e s e z ^ ,, g e b u n g , z u b e s t i m m e n , u n t e r w e l c h e n B e d i n g n i s s e u di^ ,,Ehe z w i s c h e n i^hren e i g e n e n K a n t o n s a n g e h ö r i g e n eingeseg.^ ,, n e t w e r d e n k a n n . ^ (Konkordat vom 4. Juli 1820, Art. 1.)

Der Art. 2 bezwekt die Sicherstellung dieses Grundsazes.. ..Di^

,, E h e z wisch en dem o d e r der A n g e h ö r i g e n des ei n en K a n ton s.

....und d e r o d e r d e m A n g e h ö r i g e n e i n e s a n d e r n K a n t o n s s o l ^ ,,nur nach g e s c h e h e n e r V o r w e i s u n g d e r V e r k ü n d u n g s s c h e i n e ^ ,, s o w o l v o n d e m W o h n o r t a l s v o n d e r H e i m a t h , s o wie^ ..einer E r k l ä r u n g d e r R e g i e r u n g d e r V e r s p r o c h e n e n , da^ ,,kein gesezlich es ^Hinderniß g e g e n die Ehe o b w a l t e , einge.^ ...segnet werden... (Art. ^.) .

d. ^ellteillrechtllche ^rnndsaze. Das Gesez des personlichen Stan.^ ^des steht über dem Bürger, in weichem ...ande er sich befinde, und zwax^ aus zwei Gründen : Erstlich ist das Personenrecht der Heimath dazu gege^ ben , um alle Angehörigen der Heimath zu umfassen ; zweitens wären die^ Geseze eitel und nnnüz , wenn es hinreichen würde, die Gränze zu überschreiten , um ihrer Herrschast zu entfliehen. Diese ties eingreisende Wir-.

küng des, das Jndividuum überallhin begleitenden Personenstandgesezes^ wird von allen Autoren, welche .über diesen Gegenstand geschrieben haben,.

fo z. B. von d ' A r g e n t r é , D u m o u l i n , H u m m e l , Glück, M i t t e r m e y e r , Eichorn, P r o u d h o n , S t a r r ^ , W h e a t o n , R o e e o u.a. m.

anerkannt: ,,^ost e^ite^ sede^ . . . . . ,,^erso.^am se^itur si^ ^^.^r.^ , si^t ci^^^i.^ in eor^ore. .^^^ ,,Ein a l l g e m e i u e s E i n v e r ^ ^ .ständniß der z i v i l i s i r t e n N a t i o n e n , ^ sagt Pardessus, hat ge^ w o l l t , ^ d a ß d i e V e r h ä l t n i s s e , w e l c h e sich auf die H a n d l u n g ^ f ä h i g k e i t d e r P e x s o n b e z i e h e n , durch d a s G e s e z d e s Landes...

der sie a n g e h ö r t , geregelt würden.^ ...) ^s se^ sich hinten auf^ Pferd . . . ... es folgt der .^exfon wie der Schaden ^ wie ^ ^axoe dem .^^xpex.

^

..^6 Die zur Verehelichuug erforderlichen Eigenschaften geben das häufigste ..Beispiel von der Anwendung des Gesezes des persönlichen Standes. (S..

dieselben Autoren.)

Zur Aufzählung derThatsachen zurükkehrend , berichtet die Denkschrift.

.weiter^ Den I..). Dezember 1856 entfloh Esther R e b e a u d , von Rega.uellv verleitet, in den Kanton Freiburg ,^ wo fie zu P o n t und z u E h e y r e s ^einige ^age mit ihm verlebte. Der Vormund Mich o u d begab sich dorthin ; allein es gelang ihm nicht, seine Mündel zn sehen , und er fand bei ^en freiburgischen Behörden nicht diejenige Unterstützung, welche kein Be^ .amtet in solchem Falle verweigern sollte.

Mitte Januar sandten Reganell.) und Esther Rebeaud ihre Aufgebote ^an den Pfarrer von .^ v o n and, damit fie dort verkündet würden; er weigerte sich dessen und benachrichtigte den Vormund M i c h o u d hievon, welcher nun Erkundigungen einzuziehen gieng (den 25. Januar 1857).

Zu Ehchres vernahm er , daß eine einmalige Verkündung bei der Vormit...

tagsmesse am 25. erfolgen und die Trauung den 26., Morgens 1 Uhr, .stattfinden werde. ^ Michoud begab fich sofort nach .^verdon, um die Einsprache aufsezen zu lassen, nach E r o u a y - M o l l o n d i n s , um die Unterschrift des Richters zu erhalten, uud nach S t ä f i s , um fie mittheilen zu lassen. Ein Doppel dieser Kundmachung wurde nach C1Iavannes-1e-C1Iéne...

.dem Wohnsiz der Esther Rebeaud, gesandt. Der Vormund verfügte sich hierauf zum Richter des zweiten Kreises des Bror^ebezirks, damit er .eine .Anlegung zur N a c h t z e i t , im Hinblik auf die Dringlichkeit der Sache, bewillige (Fxeib. Eiv. Pr. Art. 186). Diese Bewilligung wurde ertheilt, und der Vormund kam in Begleit des Weibels den 26. Januar, ..ange nach 1 Uhr Nachts, in Ehchres an. Reganell^ hatte den Vorabend seiner Trauung recht .reichlich gefeiert und konnte fich daher zu der für seine Verbindung angesehen Stunde nicht präsentiren ; die Einsprachskundmachung wnrde^ ihm vom Weibel bei seinem Erwachen mitgetheilt, wie der Esther ..Rebeand und dem Herrn Pfarrer. Dieß alles ist aktenmäßig erwiesen.

Der Friedensrichter von Moll.^dins bewilligte die Einsprache des Vorrnun-

^es und ermächtigte ihn, sie gerichtlich dnrchzusezen. ^Esther Rebeaud blieb

.^ei der Aussöhnungsaudienz am 3l. Januar 1857 aus, .worüber dem ^Vormunde ein .^eugniß ausgestellt ^wnrde. Die Sache^, gemäß Art. 724 ^des waadtländischen Eivil^Prozeßgesezbuehs, weiter sührend, lud der Vormund ^ie Esther Rebeaud und den Reganell.) auf den 19. Februar 1857 vor das ^ivilgerieht des Bezirks ^ v e r d o n . Sie erschienen nicht, und der Substitnt des Generalprokurators intervenir^ im Jnteresse der Sittlichkeit und der öffentlichen Ordnung, um den Vormund Michoud in seiner Einsprache ^zu unterstüzen ; hierauf wurde . im Hinblik auf den beim Bundesrathe ein^gelegten Rekurs, das Verfahren eingestellt.

Es findet hier keine E n t z i e h u n g des G e r i c h t s s t a n d e s statt..

^a der gehörig ermächtigte Vormund seiner Mündel die bürgerliche Hand...ungsfähigkeit .bestreitet, fich ohne seine Zustimmung verehelichen zu können.

^ Er widersezt fich Reganell^s Verheirathuug nicht aus Gründen, die mit seiner ^Person zusammen hängen; auch bestreitet er dessen bürgerliche Handlung..^higkeit nicht, noch untersucht er, o^b Reganell^ vollständig ^eigenen Rechtes sei^ ^diese Fragen werden ganz außer Acht gelassen. Es handelt sich bloß um Esther Rebeauds Eivilstand, um ihre Handlungssähigkeit; und wenn Reganell^ eine Kundmachung erhalten hat, so geschah dieß deßhalb, weil er als .Beteiligter am Ergebnisse des über Esther Rebands Eivilstand eingeleiteten ^Prozesse in den Stand gesezt werden mußte , seine Rechte geltend zu machen. Esther Rebeaud konnte nur vor den waadtländischen. ihren natürlichen Richter, geladen werden, da sie im Kanton W a a d t wohnt, Waadt-

länderin is^, und bezüglich ihrer bürgerlichen Handlungsfähigkeit auch im Auslande unter dem waadtländischen Geseze steht.

Der Art. 15 ^. h des

^vaadtländischen Eivilprozeßgesezbuchs bezeichnet als den Gerichtsstand der Einspruchsklage gegen die Verehelichung den Richter des Wohnortes und, in Ermanglung eines Wohnortes, nach der Wahl des Klägers, den Richter des Bürgerortes eines der Ehegatten. Die E i n s p r a c h e e r f o l g t e z u r e c h t e r Z e i t vor d e r T r a u u n g . Reganell^s Person steht nicht in Frage. Die freiburgischen Behörden, welche Reganellr^ vor Abschluß ^der vermeintlichen Ehe so warm unterftüzten, säumten nicht , ihn nachher sofort wegen schlechter Ausführung und Verschwendung .unter VormundSchaft zu sezen.

Die Denkschrift hofft daher, der Bundesrath ^werde Reganell.^s Re.kurs abweisen, da im andern Falle die eidgenössischen Konkordate verlezt, vie heiligsten Rechtsgrundsäze mißachtet, ja, was bei weitem verderblicher wäre, die Familienautorität zerstört würde.

C. Ueber den Gegenstand des Rekurses befragt, bemerkte^ die Regierung von Freiburg, mit Schreiben vom .'. April, im Wesentlichen Folpendes : Die Denkschrift des Vormundes M i c h o u d enthält keine ganz genaue .Historik.

So besteht das einzige Unrecht, das man ^Reganell.,.

^nd der Wittwe R e b e a u d vorwerfen kann, in dem schon längere Zeit andauernden Bestreben, sich durch das Band der Ehe zu verbinden, eine Verbindung, welche den habsüchtigen Verwandten der Witwe Rebeaud .nicht zusagen konnte, und welche sie durch alle möglichen Mittel zu verhindern suchten, sogar dadurch, daß sie deren Bevogtigung veranlagten.

Würde die Denkschrift dem Reganell^ mitgetheilt, so könnte er eine ^e^ge von Behauptungen derselben widerlegen. Wenn der Verfasser der Denkschrift darüber klagt, daß man bei den freiburgischen Behörden nicht ^die nothwendige Unterftüzung gefunden habe, so läßt er sich einen Jrrthum zu Schulden kommen. Miehoud hat sich wirklich an den Präsekten des Bro^ebezirks gewendet, um Esther Rebeauds Ausweisung aus der sreibur..

Bischen Gemeinde, wo sie wohnte, zu erwirken; allein da sie zu keiner Klage über ihre Ausführung Anlaß gab , und einen Heimathschein nebst den übrigen, in Ordnung befindlichen Papieren hinterlegt hatte , so glaubte

^88 .der Präfekt, diesem Begehreu , besonders im Hinblik auf die Bestimmungen des Axt. 41 der Bundesverfassung, nicht entsprechen zu können.

Einige Zeit darauf suchte der Vormund Michoud um die Dazwischenrunft seiner Regierung (beziehungsweise des Justiz- und Polizeidepartements des Kantons Waadt) beim Staatsrath von Freiburg nach, damit ..^ der Pfarrer der Gemeinde von Ehchres eingeladen werde, sich der zwischen Reganelly und der Witwe Rebeaud beabsichtigten Trauung .

zu enthalten, bis die vom Konkordat vom 4. Juli 1820 vorgeschriebenen

Förmlichkeiten erfüllt seien ;

^) der Vormund der Witwe Rebeaud von der kompetenten Behörde darin unterstüzt werde, seine Mündel zu zwingen, .zum Wohnfiz, den das^ Gesez ihr anweist, wieder zurükzukehren.

Unmittelbar nach Empfang dieses Schreibens vom 29. Januar 1857 zog der Staatsrath von Freiburg Erkundigungen über die Verhältnisse und den Wohnsiz der Verlobten ein, und vernahm zu seinem großen Erstaunen, die Trauung sei bereits am 27. Januar in der Kirche zu Eheyres vollzogen worden, und deren Eintragung in die Zivilstandsregistex der Gemeinde habe folgenden Tags, den 28.,stattgefunden.- Das waadtländische Justiz- und Polizeidepartement wurde daher in Kenntniß gesezt, daß, da die Ehe bereits vollzogen (un fait accompli) gewesen sei, als.

Dessen Schreiben der Regierung von Freiburg zuka.m, diese bedauern müsse, daß in Bezug auf die Trauung ihre Dazwischenkunft nun o h n e G e g e n stand, in Bezug auf die Fortweisung und Auflieferung der Esther Rebeaud aber eine solche Dazwischenkunst u n m ö g l i c h geworden sei, da sie sich durch ihre Verheirathung das freiburgische Kantonsbürgerrecht erworben habe und dasselbe nur durch ein Urtheil wieder verlieren könne. Es könne indessen nach Art. 7 des angeführten Konkordats die vorgefallene Unregelmäßigkeit wohl belästigende Folgen für den Kanton, wo die Trauung stattgefunden, nach sich ziehen, ohne daß deßhalb notwendigerweise die Ehe nichtig sein müsse. Diese Nichtigkeit stehe nicht im Konkordat und dürfe auch nicht präsumirt werden.

.

Freiburg mußte mithin anerkennen, daß die Witwe Rebeand , geb.

Barrel , durch ihre Verehelichung Frau Reganell^ und Bürgerin de^ Gemeinde Ehe^res geworden ist , daß sie daher nicht aus dem Kanton ausgewiesen werden kann , wenn ihre Ehe nicht durch die zuständige Be-

hörde nichtig erklärt wird ; diese Behörde kann nur der freiburgische

Richter sein, da die Ehe zwischen einem Freiburger und einer Waadt^ länderin abgeschlossen und im Kanton Freiburg nach den sreiburgifcher..

Gesezen eingesegnet wurde. Da die Frau dem Stande des Mannes folgt, so muß Esther Marrel, verehelichte Reganel.^, im Besize ihres jezigen Zivilstandes und ihres neuen Wohnortes bleiben, bis sie gefezlieh daraus verdrängt wird. Demzufolge mu.ß der Vormund Michoud, wenn ex

die Nichtigkeit der Ehe aussprechen lassen will, seine Klage vor dem Ge.^

.xichtsstand des Wohnortes dex Eheleute Reganell^ d. h. im Kanton Frei^

389 ^urg einleiten. Sie zu diesem Zwek vor die waadtländischen Gerichte ^aden, hieße, den Bestimmungen der Bundesverfassung entgegen, sie ihrem natürlichen Richter entziehen. Der Vormund Michoud schließt auf Auf^rechterhaltung seiner Einsprache gegen die Ehe; allein aus diese Klage wird ^wahrscheinlich eine Nichtigkeitsklage folgen; es könnte fich also ereignen, daß die Ehe im Kanton Waadt nichtig erklärt würde, während sie im Kanton Fxeiburg fortbestünde, und es wäre daher möglich, daß ein Urtheil ^ie Bedungen der Esther, geb. Marrel, welche im Kanton Waadt gele^en sind, nicht aber ihre Person, welche fich im Kanton Freiburg aufhält, beschlagen würde.

W.ll aber Franz Michoud den Reganell.^ ^und die Esther Rebeaud nicht .als Eheleute betrachten, so darf er wenigstens Reganellt.. nicht in die Klage ^einschließen, in Folge seines Einspruchs gegen die Verehelichung der Witwe Rebeaud,^ was doch der Fall ist und durch die Prozeßakten fich ^herausstellt , troz der Ableugn.ungen des Verfassers der Denkschrift.

Daher hält ^die Regierung von Freiburg dafür , daß Reganellv wirklich

seinem natürlichen gründet fei..

Richter

entzogen werde, und

daß sein Rekurs

be-

Jn Erwägung:

^

1. Daß das Konkordat vom 4. Heumonat 1820 die Bestimmung enthält, daß ^ie Ehe zwischen dem Angehörigen eines Kantons und der Angehörigen Deines andern Kantons nur nach geschehener Vorweisung der Verkündigungsfcheine fowol von dem Wohnorte als der Heimath , so wie einer Erklärung der Regierung der Versprochenen (der Braut) , daß kein gesezliches Hinderniß gegen die Ehe obwalte, eingesegnet werden solle; 2. daß, um die Vorschriften über die Eheeinsegungen im Allgemeinen möglichst zu erleichtern, in einem nachträglichen Konkordat vom ^5.

Heumonat ^1842 die Bestimmung fallen gelassen wurde, daß eine nicht dem Heimathkanton d^es Bräutigams angehörige Braut zur Eheeinsegnung auch eine Erklärung der Regierung ihres heimath..lichen Kantons, es walte gegen ihre Ehe kein gesezliches Hinderniß ob , beizubringen habe ; 3. daß zur genauen Erfüllung aller Formalitäten bei der zu Ehchres stattgehabten Kopulation des P. J. Reganelly mit Esther Rebeaud, geb. Marrel, ein Verkiindschein von dem kompetenten Geistlichen des frühern Wohnorts der Braut, daß die Ehe auch dortseits gehörig verkündet worden, hätte vorliegen sollen; was aber eben nicht der Fall war; 4. daß aber dieser Mangel nicht von maßgebender Bedeutung ist, weil die Verkündnng einer Ehe am Wohnorte der Braut nach bürgerlichen und kirchlichen Gesezen zwar wol vorgesehrieben, aber nicht als so relevant erscheint, daß eine solche Unterlassung die Ungültigkeit einer .sonst gehörig abgeschlossenen Ehe nach fich zieht;

^0 ^. daß auch das angerufene Konkordat in Betreff des Unterlasset vor.^

geschriebener Formalitäten nicht von Ungültigkeit der Ehe spricht,.

sondern nur den Grundsaz anerkennt , daß alle Folgen unregelmäßiger Kopulationen auf denjenigen Kanton zurükfallen sollen . ir^ welchem eine solche Ehe eingesegnet worden ; ^. daß die Regierung des Kantons Freiburg , wo die Ehe eingesegnet worden und welchem der Bräutigam heimathrechtig angehört, die

Erklärung abgibt, daß die Ehe nach dortseitigen Gesezen in gehöriger

Form geschlossen worden^ und die Frau des Regänell^ als Bürgerin von Eheyres anerkannt sei , wie es das Konkordat vom .). Juli

t 818 .bestimmt;

7.

daß, wenn übrigens die Ungültigkeit der Ehe nicht aus dem Konkordat fließt, und angesichts der Erklärung der heirnathlicheu Regierung des Mannes dieselbe so lange als gültig anzuerkennen^

ist, als nicht deren Nullität durch die kompetente Behörde erklärt

worden, es doch den kontrahieren Kantonen und allen bei der Eingehung d^er Ehe betheiligten Personen ermöglicht sein solle, ihre Rechte in Bezug auf allsällige Hindernisse, beziehungsweise der Gültigkeit der Ehe, geltend zu machen, ansonsten die Nichtbeobachtung des Konkordates begründete Rechte verkürzen könnte ; 8. daß, wenn es sich aber fragt, wo solche Einreden, welche den Bestand oder Nichtbestand einer sonst nach den Landesgesezen gültig.

abgeschlosseneu Ehe zum Gegenstand haben , angebracht werden sollen , der kompetente Gerichtsstand hiefür in demjenigen Kantone ist, auf dessen .Gebiet und unter dessen Gesezen die Ehe geschlossen wor^ den,' .und wo die Eheleute ihren Heimaths- und Wohnort haben; .9. daß^ Waadt mit seiner Einrede, Witwe Rebeaud sei wegen Man-

gel ihrer persönlichen Rechtsfähigkeit zu der Eingehung der .^he

mit P. J. Reganell^ nicht besähigt gewesen, um so mehr an die sreiburgischen Behörden verwiesen werden darf, weil derart. 4 des dortigen bürgerlichen Gesezbnehes besagt: ,, Les étrangers résidant dans le Canton sont régis, quant à 1eur état et à 1eur capacité aux actes de 1a vie civile, par la loi de leur pavs d'origine^, welchen Artikel der freiburgische Richter anzuwenden verpflichtet ist, beschlossen:

..

Sofern die Regierung von Waadt die von Witwe Rebeäud mit P. .J. Reganell.,. eingegangene Ehe. mit ihre^ bürgerlichen Folgen nicht anerkennen will, so habe sie ihre daherigen Einreden vor den kompetenten .Behörden des Kantons Freiburg anzubringen.

Also beschlossen, B e r n , den 1. J^ni 1857.

Jm Namen des schweiz. Bundesrathes ,

Der Bundespräsident.. ^. ^oruerod.

Der Kanzler der Eidgenossenschaft: .^chie^..

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Bundesrathsbeschluß, betreffend den Rekurs der Regierung des Kantons Waadt in der Ehesache Reganelly-Rebeaud. (Vom l. Juni 1857.)

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23.08.1858

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382-390

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