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u d e s b l ü t t .

JahrgangIII. Bandi.

Nro. 19.

Samstag, den 19. April 1851.

Man abonnirt ausschließlich beim nächstgelegenen Postamt. Preis für das Jahr 1851 im ganzen Umfange der Schweiz p o r t o f r e i Frkn. 3, Inserate sind f x a n k i r t an die Expedition einznfenden. Gebühr l Batzen per Zeile oder deren Raum.

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Botschaft des

schweizerischen Bundesrathes aß die b. Bundesversammlung der schweizerischen Eidgenossenschaft, betreffend die Erstellung von Eisenbahnen.

(Vom 7. April 1851).

Tit.

Durch Beschluß vom 18. Christmona. 1849 hat die Bundesversammlung den Bundesrath beaustragt: 1) den Plan zu einem allgemeinen schweizerischen Etsenbahnneze unter Zuziehung unbetheiligter Experten zur Vornahme der technischen Vorarbeiten:, 2) den Entwurf zu einem Bundesgeseze, betreffend die Erpropriation für fchweizerische Eifenbahnbauten ; 3) Gutachten und Anträge, die Betheiligung des Bundes bei der Ausführung des schweizerischen -...nsenBundesblatt, Jahrg. III. Bd. i.

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bahnnezes, die Konzesfionsbedingungen für den ftall der (....rfiellung von Eisenbahnen durch Privatgesellschaften u. s. w. betreffend, -- vorzulegen.

Der Auftrag Nr. 2 hat bereits seine Erfüllung durch die Vorlage eines Gesezesvorschlages über Abtretung von Privatrechten zu öffentlichen Zwecken, welchem dieBundesversammlung unterm 1. Mai 1850 die Sanktion ertheilt hat, erhalten. Durch die Bestimmung, daß alle Anstände, die sich bei Erstellung von Eisenbahnen ergeben können, nach gleichmäßigen, für die ganze Schweiz geltenden Vorschriften benrtheilt und auch durch das Bun* desgericht in lezter Instanz entschieden werden sollen, ijt der erste wesentliche Schritt geschehen, um die Ausführung eines schweizerischen Eisenbahnnezes nach einem billigen, die Interessen der Privaten, wie diejenigen der ...Öauunternehmer sichernden Verfahren zu ermöglichen.

Vorarbeiten.

Wir haben nicht gezögert, im Saufe des Iahres 1850 alle Materialien zu sammeln und die Vorarbeiten anzuordnen, die uns zu gründlicher Begutachtung der unter Nr. l und 3 gestellten Aufgaben erforderlich schienen. -- Die Ergebnisse dieser Vorarbeiten bestehen: a. in der Sammlung sämmtlicher Pläne der Kantone und Privatgesellschaften über die in jüngster Zeit aufgenommenen Eisenbahnprojekte, welche durch unser Eisenbahnbüreau geordnet, vervollständigt und nach gleichem Maßstabe reduzirt wurden; b. in der Ausnahme von Situationsplänen und Langprofilen für mehrere neue Projekte, für welche einige Wahrscheinlichkeit der Ausführung sich dartot;

349 e. in den Kopien der Karten aus dem topographischen Bureau über diejenigen Landes strecken, die sich vor* zugsweise zu Eisenbahnen eignen; d. in der Zusammenstellung der Bevölkerung, die sich zu beiden Seiten der entworfenen -Sisenbahnprojektc zeigt, wozu uns die neu aufgenommene Volkszät).--

lung gut zustattenkam;

e. in der tabellarifchen Uebersicht der Zahl der Post* reifenden in den Iahren 1849 und 1850; f. in der Zufammenstellung der $requenz an Personen, Vieh und Waaren, wie sie sich nach einer im Monat Mai 1850 besonders angeordneten Zählung anfallen Richtungen der entworfenen Eifenbahnprojekte ge.«

zeigt hat; g. in den Kostenberechnungen der aufgenommenen Pläne, wie sie ursprünglich von den Ingenieurs der Kantone eingegeben und alsdann von dem Eisenbahnbureau nach gleichem Maßstabe berichtigt wurden.

h. in der Sammlung verschiedener statistischer Angaben über Kosten und Rentabilität bereits bestehender Eisenbahnen in andern Staaten.

Gestüzt auf diefe Materialien haben wir behufs ...Begutachtung der technifchen fragen die Einladung an .Cerrn Robert Stephenfon M. P. ergehen lassen, die Schweiz zu bereifen, und sein Gutachten über das zweck.mäßigste Eisenbahnnez für die Schweiz abzugeben. -- Su gleicher Zeit haben wir die Herren Rathsherr Geigy »on Basel und Ingenieur Ziegler von Winterthur erfucht, zu begutachten, auf welche Weife ein fchweizerifches .Sifenbahnnez in finanzieller Beziehung am zweckmäßigsten, erstellt werden könnte.

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Sowie wir uns bei dem technischen Berichte des Herrn 0l. Stevenson der thätigen und sachkundigen Mitwir* ïung des Herrn Ingenieurs Henri) Swinburne erfreu* ten, fo haben wir in Beziehung aus die Abfassung des finanziellen Berichtes der verdienstlichen ...theilnahmc des Herrn Gcmnafiallehrers W. Schmidlin von Bafel aner# kennend zu erwähnen. -- Die Berichte und Gutachten dieser Experten sind bereits den Mitgliedern der Buna desversammlung ausgetheilt worden. Wir sezen bei ßrlassung gegenwärtiger Botschaft den Inhalt dieser Berichte als bekannt voraus, und machen es uns vorzugsweise zur Aufgabe, die Grundzüge derselben beson* ders hervorzuheben und, wo es nothig, zu vervollständi* gen, sowie im Besondern diejenigen ©rundsäze näher zu begründen, die uns bei Entwerfung des vorliegenden Gesezesvorschlags geleitet haben. -- Siehe BundcsblaU 9h. 16, S. 314 u. f.

Bedürfnis? von Eisenbahnen für die Schweiz..

In dem Expertengutachten der Herren Geigy und Ziegler ist die Frage, ob Eisenbahnen für die ©chwcij ein Bedürfniß seien, ausführlich erörtert und bejahend beantwortet worden. Wir enthalten uns, zur Unter« stüzung des dort Gesagten Vieles anzureihen, wozu uns der Stoff nicht fehlen würde.

In einem Lande, das aus seine Verkehrsfiraßen ein Kapital »erwendet hat, das an sich schon hinreichen würde, die Hauptlinien eines schweiz. Eisenbahnnezes zu erstellen; das dem Publikum dieselben ohne Zoll* und Seggeld frei zur Benuzung überläßt; wo die Gewerbfrnheit im ausgedehntesten Maße besteht ; wo die Bun* desversassung freie Sin-, Aus* und Durchfuhr, freie

351 .Niederlassung gewährleistet hat, da können die Zunftund Protektionsgrundfäze, nach welchen man es für ein Unglück hält, wenn den Bürgern fremde Produkte und sremde Fabrikate wohlfeil zugeführt werden, keinen Bo# den mehr gewinnen. Wir kennen auch keinen Staat, wo {n den Räthen folche Oppositionsgründe die Ober* band behalten hätten. Wohl aber sehen wir in den schwer verschuldeten Staaten rings um uns herum ein eifriges Bestreben, das Nez der Eifenbahnen zu vervollkommnen, daß es Jedem, der unfern Organismus, wie er vor Einführung der neuen Bundesverfassung bestanden hat, nicht näher kennt, auffallen muß, wie die schuldenfreie Schweiz so lange zurückbleiben konnte.

Es mag wohl nicht uninteressant sein, die Leistungen anderer Staaten im Eisenbahnwesen mit denjenigen der Schweiz zusammenzustellen. -- Wir hören zuweilen Besorgnisse äußern, daß die Schweiz durch die Bestrebungen der Nachbarstaaten um* gangen und unser Tranfit ganz verkümmert werde.

Daraus folgern dann Andere, der Bau von Eifenbahnen sei für die Schweiz ein nothwendiges Uebel geworden.

Uns fcheint, man mache hier die Nebensache zur Haupt* sache, und wir wundern uns keineswegs, wenn genaue Rechner bezweifeln, ob der Vortheil eines den Nachbarstaaten abgerungenen Transits die großen Opfer aufzuwiegen im Stande wäre, die die Schweiz für den Bau von ...rransitbahnen zu bringen hätte ; denn wir dürfen hiebet" nicht überfehen, daß der Staat, der mit Erfolg die Konkurrenz mit andern Staaten bestehen will, auf seine Transitgebühren ganz oder großentheils verzichten muß, und daß auch in der Regel der Transit auf Eisenbahnen dem Publikum nicht den gleichen Vortheil gewährt, wie

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der Granfii aus ordentlichen Straßen. Dagegen wollen wir keineswegs bestreiten, daß der ...Iranfit mit den .-pan* dels- und Verkehrsverhältnissen im Innern eines Landes in so naher Verbindung steht, daß mittelbar sehr namhafte Vortheile aus demselben hervorgehen. -- Auch wegen des Umgehens der Schweiz dürfen wir uns beruhigen, wenn wir aus die langen Eisenbahnlinien hinblicken, die sowohl im Norden der Schweiz: aus dem Elsaß, aus ·Baden, aus Würtemberg und aus Bayern, als im Süden : ans der Lombardie und aus dem Piemont, gegen die Schweizergränze zu ausmünden, denen wir ohne Zweifel bald auch noch eine Linie aus dem südlichen fCrankreich nach Gens anreihen können.

Was wir dagegen vor Allem als Hauptzweck eines schweizerischen Eisenbahnnezes betrachten, besteht in Er* leichterung des Verkehrs im Innern. Aus dem europäi* schen Kontinent ist kaum ein Land wie die Schweiz, das so wenig im Stande ifi, seine Bedürfnisse ans eigenem Boden zu erzeugen, das daher in so hohem Grade interesflrt ist, daß es seine Konsumogegenfiände, seine Rohpro* dukte wohlseil beziehen und seine Fabrikate wohlfeil aus.führen kann. Kaum ein Sand ist zur Erhaltung seines Wohlstandes so sehr aus seine Industrie augewiesen, wo die Schnelligkeit des Personenverkehrs und der Waaren« sendungen von so hohem Werthe ist, wo das englische Sprichwort ,,Zeit ist Geld" in gleichem Maße seine praktische Anwendung findet. -- Die engen Schranken eines Begleitschreibens erlauben uns nicht, dieses Thema weiter zu verfolgen.

Wir wenden uns zu der Srage, welches Eisenbahnnez den Bedürfnissen der Schweiz am meisten zusage.

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©isenbahnnez.

Der Befchluß der Bundesverfammlung verlangt den .Vorschlag eines Eisenbahnnezes. Es kann jedoch hiebet die Meinung nicht gewaltet haben, daß alle Kantone der Schweiz kreuz und quer mit Eisenbahnlinien durchzogen werden sollen, wie dieses bei .Jestsezung eines Straßennezes der ijall ist. Wir müssen die Losung dieser Aufgabe einer fernen Zukunft überlassen, und beschränken uns darauf, die Hauptlinien zu bezeichnen, die mit Rücksicht ans die an unfern Gränzen ausmün# denden Bahnen des Auslandes den Osten mit dem Westen, den Norden mit dem Süden verbinden. In dieser Beziehung war eine befriedigende Losung der gestellten Aufgabe nicht besonders schwierig, denn ein erster flüchtiger Blick auf die Gebirgskarte unsers Vaterlandes oder auf eine Kurskarte, aus welcher der Zug der Reisenden in den Postkursen verzeichnet ist, weist uns sogleich für den Bau von- Eisenbahnen auf den langen flachen Strich Landes hin, der zwischen dem Jura und den Ausästungen der Alpen vom Genferfee bis an den Bodensee sich hinzieht, und der zu Anlegung einer Hauptlinie von dem Westen nach dem Osten sich eignet, von welcher aus einerseits die Verbindung mit den an unsern nördlichen Gränzen in Basel und am Bodensee ausmundenden Eisenbahnen hergestellt, anderseits die Thäler gegen Süden soweit versolgt werden können, bis die Seen und das Gebirge der gortsezung von Eisenbahnen natürliche Schranken sezen. Folgen wir diesen natürlichen, durch die topographische Sage gegebenen Richtungen, so erreichen wir zwei Zwecke: wir verlängern die großen europäischen Transitlinien, die theils vom Elsaß und von dem Großherzogthum Baden, theils von

354 SBürtemberg und Bayern uns entgegengeführt werden, und stellen, so weit es die Beschaffenheit des Bodens gestattet, die Verbindung mit dem südlichen Frankreich, ·mit Piemont und mit der Lombardei, her. So wie wir nämlich in naher Zukunft auf Erstellung einer Eisenbahn von Lyon nach Genf rechnen dürfen, fo kommen uns jenseits der Alpen die Eisenbahnen von Genua und Venedig entgegen, welchen sich in künftigen Zeiten unzweifelhaft eine längere .-Eranfitlinie von den südlichen italienischen Häfen anreihen muß. Der Langensee und das für Anlegung einer Eifenbahn günstig gelegene .-thal des Tesfins find ganz geeignet, diese südlichen Linien mit unsern beiden Transitlinien, die von Basel und vom Bodensee her die Schweiz durchziehen, zu vereinigen.

Wir dürfen uns übrigens nicht verhehlen, daß der Unterbruch der Eisenbahnen durch das Gebirg ein großer

Uebelstand ist. Allein der Kranz der Alpen, der in

weitem Korbbogen von Marseille bis Triest um die nordliche Gränze Italiens sich herumzieht, stellt allen andern Konkurrenzlinien die gleiche Schwierigkeit entgegen. Die Zeit wird wohl auch noch erscheinen, in der es der Technik gelingen wird, diese Schwierigkeit zu überwinden. Bis dahin find wir wenigstens in nicht schlimmerer Lage als Andere.

Der andere Zweck aber, den wir zu gleicher Zeit mit Erstellung dieser Tranfitlinien, insbesonderemitdenjenigen, die von Basel und vom Bodensee nach Genf führen, erreichen, besteht in Erleichterung des innern Verkehrs und hat wohl noch einen großern praktische.« Nuzen als der crfiere. Eben deßwegen, weil diesem Zweck ein größerer Werth beizulegen ist, wird es fich rechtfertigen lassen', daß wir in unser Hauptnez einige Zweigbahnen aufgenommen haben, wie diejenigen von .Ducht), Bern, Schaff-

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häufen, Wallenstadt, die weniger den großen ..tranfit, als den innern Verkehr vermitteln werden. Wir hätten leicht noch andere Seitenbahnen anreihen können, allein die enormen Summen, die der Bau von Eisenbahnen überhaupt erfordert, zum Theil auch die Schwierigkeiten, die sich der Erstellung derselben er.tgegensezen, haben uns Schranken geboten, die wir uns eher zu weit als zu enge gesezt haben. -- Wir haben bisher nur von den Hauptrichtungen gesprochen. So sehr die topographische Lage die Bezeichnung derselben erleichterte, so schwierig war es in einzelnen Fällen, die Auswahl zwischen einigen Konkurrenzlinien zu treffen. Die schwierigste Frage war, welche Richtung für die Linie von Bafel nach dem Aarthale gewählt werden foll, dann die Bezeichnung der zweckmäßigsten Verbindung der Aarlinie mit Suzern, die Auswahl des rechten oder linken Aarufers zwifchen Olten und Solothurn, die Angabe der Richtung für die Zweigbahn von Solothurn nach Bern, die Bezeichnung der zweckmäßigsten Linie zwischen Buren und Iferten, zwischeu Winterthur und Rorschach, -- der untergeordneten fragen in Festsezung der speziellen Richtungen nicht zu gedenken. Wir erachten, daß Hr. ©tephenson, unter-

stüzt durch die sorgfältigen Studien feines Gehülfen und durch die fachkundigen Vorarbeiten unferer fchweizerifchen Ingenieure, diese Aufgabe fehr befriedigend gelöst hat, und verweisen in allen diesen Beziehungen auf feinen Bericht.

Zu leichterer Ueberficht der Gefalle und größerer Kunstarbeiten haben wir übrigens die Sangprofile aller in das Eisenbahnnez aufgenommenen Linien zusammengestellt.

Man wird aus denselben das erfreuliche Resultat entnehmen, daß auf der großen Linie quer durch die ganze

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Schweiz von Gens bis Rorschach das Gesäll von 1 % nirgends überschritten werden muß, mit einziger Ausnahme der Linie von Zürich nach Franenseld, wo nach den speziellen Räthen des Hrn. R. Stephenson für einige Strecken zu Vermeidung größerer Kosten ein stärkeres Gefäll, von 1. 3 %, angenommen worden ist. ·-- Müßten wir aus die Möglichkeit der Beibringung der erforderlichen Geldmittel keine Rückficht nehmen, so würden wir für alle in unserem Vorschlage bezeichneten Hauptlinien die Erstellung einer sortlaufenden Eisenbahn beantragen. Allein die zu deren Ausführung erforderlichen Summen steigen zu einer solchen beträchtlichen Höhe an, daß wir die theilweise Ersezung einiger Abtheilungen durch die Wasserjlraßen, wie sie der Erperte vorzugsweise empfohlen hat, vollkommen gerechtfertigt finden, für so lange we# nigstens, als nicht die steigende Personenfrequenz die Erstellung der Schienenwege dringend erfordert. Dieser Fall ist namentlich vorhanden auf den Linien von Gens nach Morsee und von Jferten nach Büren oder Solos5 thurn. Jn der ersten Abtheilung Genf-Morfee, wo die Herstellung der Wasserstraße keine Kosten erfordert, können wir eine zeitweife Erfparniß von fr. Fr. 8,900,000 machen, in der zweiten Abtheilung ist die Erstellung der Wasserstraße mit einer Ausgabe von fr. Fr. 3,395,000 möglich, während uns die Eisenbahn fr. Fr. 9,400,000 kosten würde. Zugleich legen wir mit dieser Korrektion den Grundstein zu einem großen gemeinnüzigen Unternehmen, der Trockenlegung des Seelandes, -- ein Unternehmen, das ohne Beihülfe des Bundes kaum verwirklicht werden konnte.

Was die Anlegung der Eifenbahnen im Allgemeinen betrifft, so empfiehlt uns Hr. Stephenson, in Abweichung mit den anderwärts befolgten Grundsäzen, mit der An-

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bringung stärkerer Gefalle nicht besonders ängstlich zu seiu, mehr der natürlichen Lage des Bodens zu folgen, große Viadukte und Tunnels und Durchschnitte zu ver* meiden und die Bahnen bloß einspurig zu erstellen, Alles

in der Abficht, ein möglichst geringes Baukapitalauf-

zuwenden, um hinwieder möglichst hohe Zinse durch den Betrieb fich zu verschaffen. Es wird von spätem, noch genauer« Untersuchungen abhängen, in wie weit dieser Zweck durch die Befolgung der empfohlenen Rathfchläge erreicht werden kann. Vorläufig glaubten wir nicht allzugroße Abschreibungen an den früher berechneten Bausummen machen zu dürfen. Diese Berechnungen find ursprünglich von den mit den landesüblichen Preisen ver# trauten Ingenieurs der Kantone aufgenommen und von unserem Eisenbahnbüreau nach den bei wirklich schon ausgeführten Bauten gemachten Erfahrungen berichtigt worden. Wir haben überall für Zinse und Unvorhergesehenes während der Bauzeit noch 10 % beigefügt und geben uns die Ehre, die Ueberficht der Kosten fämmtlicher Bahnen unseres Bahnnezes unserm Berichte beizulegen.

Das Totale dieser Ueberficht zeigt uns auf den galt, daß die Wasserstraßen benuzt würden, ein erforderliches Baukapital für einfpurige Bahnen von fr.gr. 101,736,800, für zweispurige Bahnen von fr. ftr. 113,451,800 und auf den Fall, daß durchgängig Eifenbahnen statt der Wasserstraßen erstellt würden sür einspurige Bahnen fr. gr. 118,132,300, für zweispurige Bahnen französ.

gr. 132,151,800.

Soll nun dieses Eisenbahnnez ganz oder theilweise, früher oder später ausgeführt werden, so erfordert die Ausführung in jedem gall ein für unfere Verhältnisse so außerordentlich großes Baukapital, daß der schwierigste

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Theil unferer Aufgabe immerhin in Beantwortung der Frage besteht, auf welche Weise die erforderlichen Geldmittel beizubringen find. Die Beibringung der Geldmittel ist aber wieder bedingt durch die muthmaßliche Rentabilität, die der Betrieb von Eisenbahnen verspricht.

Wir finden in Beziehung auf diesen Theil unserer Aufgabe reichliche Materialien und gründliche Erörterungen in dem finanziellen Berichte der Herren Experten Geigy und Ziegler, wo namentlich auf der beigelegten ..lab. 10 das Resultat der Berechnungen für sämmtliche Bahnen des vorgeschlagenen Nezes zusammengestellt ist.

Besonders lehrreich find auch die dem Berichte beigesägten " Nachträglichen Erläuterungen " des Hrn. Ingenieur Koller. -- SBir entnehmen diesen Berichten, daß, wenn ...uch nur die bisherige Frequenz an Personen und Waaren zur Grundlage der Rentabilitätsberechnungen genommen wird, die meisten der vorgeschlagenen Bahnen einen Reinertrag von 3 à 4 % des zu verwen* denden Kapitals versprechen, -- im Durchschnitt, wenn alle Bahnen erstellt würden, 2,67 °/o. - Solche Bcrechnungen können bei sorgfältiger Vergleichung der Ergebnisse einer großen Zahl bereits erbauter und im Betriebe befindlicher Bahnen hinsichtlich der Bau- und Betriebskosten ziemlich zuverläßig gegeben werden.

Weit unsicherer aber ist die Berechnung der Einnahmen nach einer muthmaßlichen Frequenz. Wenn je# doch die Herren Experten nur die bisherige Frequenz der Straßen, deren Verkehr wahrscheinlicher Weise auf eine in gleicher Richtung laufende Eisenbahn fich hinziehen wird, zur Grundlage ihrer Berechnungen ge?

nommen haben, und gleichwohl nur 2 % als durchschnitt* lichen Reinertrag annehmen, so erachten wir diese An*

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nahme nicht für übertrieben, selbst wenn wir auch für Bildung eines Reservefondes angemessene Abschreibungen vom Reinertrag in Anschlag bringen. -- Sollten übri-

gens, wie es wahrscheinlich ist, nicht alle Abtheilungen des projektirten Nezes zu gleicher Zeit in Ausführung kommen, sondern vorerst nur diejenigen, die eine günstige Rentabilität in Ausficht stellen, so wird wohl der angenommene Ertrag von 2 % Unter der Wirklichkeit bleiben. -- Wir nehmen nun gleichwohl das ganze Nez in unsere Berechnung auf, um das Defizit auszumitteln, das möglicherweise in den ersten Iahren sich ergeben kann und von den Zinsgaranten gedeckt werden müßte.

Wir sehen aus der Tabelle, daß die Gesamrntkosten des vorgeschlagenen Nezes mit einspuriger Bahn und mit Benuzung der Wasserstraßen sich auf

fr. gr. 92,488,000

belaufen, mit dem Zins und dem Unvorhergesehenen während der Bauzeit, zu 10 % berechnet . .

,, 9,248,800 Zusammen: fr. gr. 101,736,800

Ist die Beibringung eines solchen Kapitals mit einer

Zinsengarantie von 31/2 % erhältlich, so beträgt der

jährliche Zins . . . . . . fr. gr. 3,560,788 der Reinertrag zu 2 % . . ' .

,, 2,034,736 Es bleibt daher ein jährliches Defizit von . . . . . . . . fr. gr. 1,526,052 Ist das Kapital nur zu 4% erhältlich, so würde das Defizit betragen fr. Fr. 2,034,736, und ist ein Anleihen »on 41/2 % erforderlich, so steigt das Defizit aus

fr. gr. 2,543,420.

Beim Anblicke solcher bedeutender Summen überzeugt man sich bald, daß der Bund mit den ihm angewiesenen

360 ginanzquellen die Bestreitung solcher jährlicher Ausgaben nicht übernehmen kann. - Die Zusammenstellung der ordentlichen Einnahmen nnd Ausgaben, zeigt, daß für außerordentliche Zwecke, unter welchen aber die (Sismbahnen nicht die einzigen find, jährlich noch sranzösfische Sr. 333,857 verfügbar bleiben.

Direkte Beiträge von den Kantonen können nach Art. 39 der Bundesverfassung nur infolge von Beschlössen der Bundesversammlung erhoben werden und sind vorzugsweise sür größere außerordentliche Ausgaben, wie: bei Truppenaufgeboten u. dgl. bestimmt. Es wird sich daher wenig Geneigtheit zeigen, diese Duelle für die Erstellung von Eisenbahnen in Anspruch zu nehmen.

·Fassen wir die andern ginanzquelleu in's Auge, so dürsen wir auf den Ertrag der Post-, Pulver- oder Münz* verwaltung ebenfalls nicht rechnen. Es bleibt daher nur noch die Ausficht, daß die Zollverwaltung in Zukunft ein Mehreres wird leisten können, als bisanhin. Ein dießfallfiger Spezialbericht des Handels- und Zolldepartements zeigt uns auch wirklich, daß ohne erhebliche Belästigung des Publikums ein Mehrertrag von ungefähr fr. gr: 500,000 verfügbar werden könnte. Im Ganzen ïonnen wir daher kaum auf mehr als auf ungefähr fr.

gr. 700,000 ordentlichen Ueberschuß in einem Jahre rechnen.

Es folgt daraus, daß der Bund allein ein (.sifenbahnnez wie das vorgeschlagene nicht auszuführen im Stande wäre, daß er vielmehr auf andere Wege zum gewünschten Ziele zu gelangen Bedacht nehmen muß.

Der Bund kann nun den Bau der Eisenbahnen durch Privatgesellschaften ausführen lassen und den P r iv a t b a u begünstigen, sei es, daß er vortheilhafie Konzeffionen ertheilt oder unmittelbare Unterstüzung leistet.

361 Wählt er das System des Staatsbaues, so kann er das Unternehmen auf einige der rentablern Abtheilungen beschränken. -- Es kann aber auch ein gemischtes System kombinirt werden, nach welchem neben dem Bund auch die Kantone durch die Zinsengarantie und auch das Publikum durch Anweisung eines Antheils am Reinertrag rnitbetheiligt werden.

Wir werden versuchen, in einigen Grundzügen die Vortheile und Nachtheile dieser drei Systeme darzustellen, verweisen aber auch in dieser Beziehung auf die lehrreichen -grorterungen in dem ost zitirten finanziellen Bc# richte.

1. Bau durch Privatgesellschaften.

Man hört nicht selten die Behauptung aufstellen, die privaten banen wohlfeiler, solider, und administriren besser als der Staat. Auf Privatunternehmungen Einzelner angewendet, ist diese Behauptung richtig : das $)rivatinteresse ist allerdings der mächtigste Hebel, ein Geschäst fleißig, gewissenhast und mit möglichster Anspannung aller geistigen Kräfte zu besorgen. Bei mehreren Associés geht's schon schlimmer, bei einer Gesellschaft aber von Tausenden sehen wir wieder nichts Anderes, als einen Staat im Kleinen, und hier hängt in beiden gällen, im Privatbau wie im Staatsbau, alles von der glücklichen Wahl der Direktoren ab. Der Unterschied besteht dann nur noch darin, daß an die Spize von Privatunternehmungen hervorragende Autoritäten gestellt werden, denen man freiere Hand in der Verwaltung läßt und mehr Vertrauen schenkt; aber eben deßwegen ist die Kontrole larer und daher haben wir auch in neuester Zeit neben manchen tüchtigen Verwaliungen eine Menge anderer gesehen, wo die Aktionäre

362 fehr bittere Erfahrungen gemacht haben. -- Daß aber Privatgesellschaften wohlfeilere Akkorde abzufchließen im Stande seien, daß sie solider bauen als Behörden, die doch ein Interesse haben, auch für künftige Generationen zu sorgen, daß sie bei Expropriationen, beim Betriebe, besonders als Repräsentanten fremder Spekulanten, dem Publikum gegenüber eine günstigere Stellung einnehmen und bessere Geschäfte machen werden, als die eigenen Landesbehörden, der Kantone und des Bundes, ist sehr zu bezweifeln.

Dem schweizerischen Publikum ist aber deßwegen mit Privatgesellschaften nicht gedient, weil diefe für einzelne .Linien, die eine größere Rentabilität versprechen , sich vielleicht noch bilden können, andere Linien aber, die für den innern Verkehr, für die Post- und Zollverwaltung, für die Vertheidigung der Schweiz sehr wichtig sind, verwahrlosen.

Es ist aber überhaupt sehr zweifelhaft, ob solche Privatgesellschaften ohne sehr beträchtliche Unterstüjungen von Seite des Bundes oder der Kantone sich nur finden werden. Die Kapitalisten haben gegenwärtig eine [o große Auswahl, an bereits erbauten Eisenbahnen mit 80,

50, 40 per Hundert sich zu betheiligen, das? es sehr

zweifelhaft ist, daß sie vorziehen werden, ihr Geld mit Hundert für Hundert in ein Unternehmen zu legen, dessen Erfolg weit weniger sicher voraus berechnet werden kann.

Leistet aber der Bund bedeutende Unterstüzung, fo begeht er eine Unbilligkeit gegen diejenigen Kantone, deren Bahnprojeïte keine Liebhaber finden. Er bethei« ligt sich mit großen Summen, zahlt und befiehlt nicht, schafft sich für die Besorgung seiner wichtigsten Interessen

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eine Macht, einen Staat im Staate, eine zweite ReÔieruug, die nicht nur mit seinen Staatsinteressen, im

Zoll-, Post-, Militärwesen, in polizeilichen und Verkehrs»erhältnissen in mannigfaltige Kollifionengerathen, son.» dern auch unter Umständen in .politischer Beziehung staatsgesährlich werden kann. Kommt dann die Reue aus finanziellen, aus kommerziellen, aus militärischen, aus politischen Rückfichten, so müssen künftige Generationen auf lange Iahre hinaus die Mißgriffe ihrer Vorfahren büßen. Da find die vorsichtigsten Konzesfionen nicht im Stande, den drohenden Uebelständen znbegegnen. Das Beispiel anderer Staaten sollte uns übrigens eine warnende Lehre sein, in dieses System nicht ein.» zugehen. Entweder ist dasselbe von vorneherein ver* worfen worden, wie in den meisten Staaten des enro# päischen Kontinents, oder wo es zugelassen wurde, ist die Reue schon so frühzeitig eingetreten, daß der Staat nach wenigen Iahren schon eingelenkt und mit großen Opfern die Privatbahnen an sich gekauft hat. Der finanzielle Bericht führt in diefer Beziehung eine Menge be* lehrender Beifpiele au.

In England allein ist das System des Privatbaues bisher ausschließlich befolgt worden, allein Hr. Stephenfon, der die .....iachtheile desfelben in der Nähe kennen gelernt hat, warnt uns entfchieden, in der Schweiz diesem ver# derblichen Beispiele zn folgen.

2. Der Staatsbau.

Das einfachste, bestbewährte System, das auch die meisten unserer Nachbarstaaten befolgen, ist der Bau durch den Staat. Der Bund bestimmt das Straßennez, das seinen Bedürfnissen und seinen Kräften entspricht.

Er erhebt das nöthige Geld durch Anleihen und beginnt Bundesblatt. Iahrg. III. Bd. I.

2?

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den Bau mit denjenigen Abtheilungen, die am meisten Rentabilität versprechen. Der Bund bleibt auf solche Weise Meister in seinem Lande und behält sich jederzeit freie Hand. Es ergibt sich Einklang in den Verwaltungszweigen, Ilebereinstimmung des Verfahrens mit an# dern Staatsinteressen 5 es bedarf dann keiner Konzession nen, um fürfichtig allen künstigen Eventualitäten zu be# gegnen ; man schafft sich keine Kollisionen und keine Reue.

Die Schattenseite dieses Systems besteht aber in der ·Besorgniß, daß eine politische Behörde für die Obetv leitung eines spekulativen Unternehmens nicht besonder...

gut sich eigne, daß Staatsverwaltungen zu sehr an hem-« mende Formenwesen gebunden sind, daß zu viele Instanzen kommandiren, daß selbst je nach Zeitverhältnissen politische Einseitigkeit verderblich einwirken kann. Diesen Beforgnissen könnte man durch die Organisation theilweise wenigstens begegnen; allein nicht zu befeitigen sind die Einwürfe, die uns die Geldfrage hervorruft. Ss könnten z. B. einige Abtheilungen zwifchen Zürich, Basel und Solothurn mit einem Kapital von fr. Fr. 30,000,000 erstellt werden. Rechnen wir den Zins des Anleihen-.-..

zu 4'/2 % mit

den Reinertrag zu 2 % mit . . .

so bleibt möglicherweife ein Defizit

fr. Fv. 1,350,000 ,,

zu decken von . . . . . . . fr. Fr.

600,000 750,000.

Nach unferen föderativen Verhältnissen ist es nun aber durchaus unzuläßig, der Gefammtheit große Lasten aufzubürden, um ein Unternehmen zu gründen, das bei# nahe ausfchließlich nur einzelnen Kantonen oder einzelnen größern Städten zu gut kommt. Man kann, ohne ungerecht zu sein, nicht den ganzen Vorschuß der Bundeskasse zu einem Unternehmen verwenden, bei dem nur

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Wenige betheiligt find, oder den entferntern Kantonen sogar zumuthen, daß fie sur dasselbe höhere Zölle bezahlen. -- Das Ungerechte liegt nicht nur in dem Bei* trage an Andere, sondern in dem Entziehen der Mittel sür allgemeinere Zwecke. Wir erachten überhaupt, da£ jedes vorgeschlagene System so lange mangelhaft ist, als wir nicht die Erstellung der Eisenbahnen in einer Ausdehnung möglich machen, daß alle Kantone, die selbst zu entsprechenden Opfern bereit sind, und deren topographische und Verkehrsverhaltnisse fich zu Anlegung von Eisenbahnen eignen, daran Antheil nehmen können, und zwar je nach dem vorhandenen Bedürfniß entweder sogleich oder doch in künftigen Iahren.

Es ist auch nicht zu überfehen, daß zwei oder meh-

rere Eifenbahnlinien, die in gleich günstigen Verhältnissen fich befinden, verhältnißmäßig mehr rennren werden, wenn fie alle erstellt werden, als wenn man fich nur auf eine kürzere Strecke beschränkt. Wir sagen : unter gleich günstigen Verhältnissen. Wenn aber der Bund den Bau von Eisenbahnen übernimmt, so kann er der Nothwendigkeit nicht entgehen, auch weniger lukrative Bahnen in sein Nez aufzunehmen und zu gleicher Zeit mit den andern auszuführen, und denken wir an künf# tige Zeiten, fo können wir uns nicht verhehlen, daß die Begehrlichkeit der Kantone jeden günstigen Anlaß bennzen wird, um eine immer größere Ausdehnung des Eisenbahnnezes zu verlangen. Man weiß aber aus Erfahrung, daß Staaten, die einmal die Scheu vor Staatsanleihen überwunden haben, fich viel leichter zu großen Ausgaben verleiten lassen, als solche, wo die öffentliche Meinung sich noch sehr entschieden gegen das Schuldenmachen ausspricht, eine Meinung, die in der Schweiz besteht, und die wir auch in Ehren halten wollen. --

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Wenn wir nun auch das Eisenbahnnez nur in der Ausdehnung ausführen sollen, wie es unser Vorschlag ent-

hält, so steigt das Kapital auf eiue solche Höhe an, daß die Zinse sür den Bund allein kaum mehr erschwing* lich sind. Das von uns vorgeschlagene Nez, selbst wenn die Bahnen nur einspurig erstellt und die Wasser* flraßen benuzt werden, erfordert ein Kapital von fr. ìjr.

101,736,800. Die Zinse eines Anleihens zu 41/2 "/o würden betragen sr. Fr. 4,578,156 der Reinertrag nach Annahme der Herren Experten ,, 2,034,766 so daß wir uns auf ein Defizit von fr. gr. 2,543,390 gefaßt machen müssen.

Wir haben bereits gezeigt, daß eine solche jährliche Leistung die Kräfte des Bundes übersteigt.

Wir müssen daher notgedrungen auf Mittel Bedacht nehmen, die .Lasten für den Bund zu erleichtern, und diefe Mittel finden wir in dem Separatgutachten des 4?errn Rathsherrn Geig?) sehr wohl berechnet ange.« geben. Sie bestehen : 1) in Reduzirung der Zinfe von 4y2 % aus 3y2 % > 2) in Betheiligung der Kantone an der Zinsen-3 garantie ; 3) in der Bestimmung, daß jeweilen nur die Bahnen gebaut werden, für welche die Kapitalien und die Zinsengarantie beigebracht werden.

Ad 1. Jn dem finanziellen Expertengutachten find so viele Beispiele von Staatsanlehen angeführt, daß wir uns überzeugen müssen, die Schweiz werde fo wenig als andere Staaten ein Staatsanlehen von einer fo bedeutenden Summe unter einem Zins von 41/.. % al pari erhalten können. Andere Sachkundige geben sich der

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Hoffnung hin, das Anleihen werde auch zu 4 % erhältlich sein. Wir find der Anficht, daß der Patriotismus und das unmittelbare Interesse der schweiz. Kapitalisten wohl ausreichen könnte, eine Summe von etwa 10 oder 20 Millionen beizubringen. Wenn es sich aber um ein Anleihen von 60, 80 bis 100 Millionen handelt, so muß das pekuniäre Jnteresse fremder Kapitalisten in solchem Maße geweckt werden, daß unser Anlehen wenigjiens ebenfo viele Vortheile verspricht, als die Geldanlagen in andern Staaten. Es kann nun dieses nur . entweder durch einen lockenden Zinsfuß von 41/2 % oder durch Zuficherung eines Minimums von 3V2 % mit Ausficht auf den Antheil an dem Reinertrag des Unternehmens gefchehen. Es ist zwar sehr zweifelhaft, ob diese Aussicht lockend genug sei, die Kapitalisten zu bewegen, in unsere Bedingungen einzugehen, besonders wenn wir in unsern Berechnungen sogar ein Defizit unter den verheißenen 3V2 % in Ausficht stellen. Allein dieses Defizit ist, wie es bei Bügetberechnungen die Klugheit gebietet, auf den möglichen fchlimmern Fall und auf die Ausführung des ganzen Eisenbahnnezes berechnet. Es kann auch sehr leicht der gall eintreten, daß in den ersten Jahren des Betriebes ein Defizit sich zeigt, das durch die Garanten gedeckt werden muß, während in später« Jahren ein beträchtlicher Ueberschuß über die garantirten 3-/2 % fich ergibt. Wenn zudem die Kapitalisten die Abtheilungen, bei welchen sie sich betheiligen wollen, auswählen können, und für jedes einzelne Unternehmen gesondert Rechnung geführt wird, so scheint die Voranssezung unserer Erperten nicht aus unficherer Grundlage zu beruhen. Sind übrigens die erforderlichen Kapitalien gar nicht oder vielleicht nur für einige der günstigern Abtheilungen erhältlich, so bleibt

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sur die Zukunft immer noch der Seg offen, statt der Partialen ein Anlehen zu erheben.

Ad. 2. Als zweites Mittel, dem Bund die Last zu er* leichtern, haben wir die Betheilung der Kantone an der Zinsengarantie bezeichnet. Bei dem getrennten Staatshaushalte der Kantone und dem sehr ungleichen Vortheil, den die Kantone aus dem Bau von Eisenbahnen ziehen werden, entspricht es ganz den Forderungen der Gerech...

tigkeit, daß diejenigen Kantone, die nur mittelbar und

zum Theil sehr entfernt bei dem Bau betheiligt find,

nicht in gleichem Maße in Anfpruch genommen werden, wie die zunächst Betheiligten.

Die Bundesversassung gibt allerdings dem Bunde das Recht, gemeinnüzige Werke zu unterstüzen oder selbst auszuführen. Allein feine Finanzquellen sind befchränkt und die Erhebung von Geldfontingenten ist nur für außer* ordentliche Fälle vorgeschrieben. Als Regel gilt immerhin noch der Grundsaz, daß die Kantone für ihre Verkehrsanstalten felbst zu sorgen haben. Daher scheint auch der

Vorschlag gerechtfertigt, daß, wenn ein Defizit zu decken ist, die Kantone den größern ...theil zu bestreiten haben, daß demnach die Zumuthung, daß sie zwei Drittheile, der -Bund nur einen Drittheil tragen sollen, sowohl in unsern organischen Verhältnissen, als in der Billigkeit

gegründet liegt.

Durch die Betheiligung der Kantone erlangen wir Übrigens zugleich den großen Vortheil, daß nur solche Bahnen sueeessive zur Ausführung kommen, bei welchen die Kantone ein entfchiedenes Interesse haben und die deswegen auch eine größere Rentabilität versprechen, daß die Unternehmung bei dem Bau sowohl als bei dem Betriebe in dem Interesse an dem guten Gedeihen eine kräftige Unterstüzung von Seite der Kantonalbehörden

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sowohl als des Publikums zu gewärtigen hat, daß end# lich auch die Verwaltung und die Kontrole in der ..theil«ahme der Behörden tüchtige Kräfte gewinnt.

Ad 3. Ein drittes Mittel, die Ausgaben des Bun# des zu ermäßigen, finden wir in der Bestimmung, daß mehrere von einander unabhängige Unternehmungen gebildet werden, von welchen jede nur dann zur Ausführung kommen soll, wenn einerseits die Kantone die Garantie übernehmen Und anderseits die erforderlichen Kapitalien beigebracht werden. Wenn die Kantone, zu deren Vortheil zunächst eine Bahn erstellt werden soll, .fein genügendes Interesse finden, die Anerbietung des Bundes anzunehmen und selbst Opfer zubringen, wenn die Kapitalisten fich scheuen, ihr Geld in ein sehr unsicheres Unternehmen zu legen, so scheint auch lein überwiegender Grund vorhanden zn sein, daß der Bund für einen solchen Bau große Leistungen übernehme. Wenn daher solche Bahnen nicht sogleich in der ersten Zeit mit andern zu Stande kommen, so kommt eine solche Verschiebung auf spätere Zeit nicht nur dem Bunde gut zu statten, sondern ist auch gegenüber andern, weniger interesfirten Landestheilen wohl gerechtfertigt.

Nach diesen Erörterungen wird man wohl bald die Ueberzeugung gewinnen, daß die von dem Bunde zu übernehmenden Leistungen auf ein Maß zurückgebracht werden, das seine Kräfte nicht mehr übersteigt.

Nach der Tabelle Nr. 8 kann nämlich das ganze vorgeschlagene Nez einspurig und mit Benuzung der Wasserstraßen mit einem Kapital von fr. gr. 101,736,800 ausgeführt werden. Die Zinsgarantie zu 31/2 % be*

trägt

der Reinertrag

fr. gr. 3,560,788 ,,

2,034,736

so daß im schlimmen galle nur . . fr. g.r. 1,526,052 jährlich gedeckt werden müßten.

370 -Çievon hätte der Bund einen Drittheil mit die zunächst betheiligten Kantone zwei

.Drittheile mit

50S,(iai

1,017,368

beide zusammen wieder obige Summe von fr. Fr. 1,526,052 zu tragen.

Sollten jedoch vorerst nur die ren.ablern Abtheilun--.

gen in Ausführung kommen, -- beifpielsweise eine zu# sammenhängende Linie von Genf bis Rorschach und von Basel bis Olten, -- so würde der Bau dieser AbtheiV lungen nur die Hälfte obiger Kosten erfordern, und der Bund hätte selbst in dem Fall, daß auch diese rentablem Linien nur 2 % Reinertrag bringen sollten, nur noch einen Beitrag von sr. gr» 254,342 zu leisten, -- die Kantone . . . .

,, 508,(J81 Zusammen sr. gr. 763,026 Diese Betrachtungen sührten uns daher zu einem gemischten Systeme, das uns auch der eine der Herreu <&perten empfiehlt, und das so ziemlich geeignet ist, die Vortheile des Privatbaues mit demjenigen des Staats:' baues zu vereinigen.

Gemeinschaftlicher Bau durch den Bund und die Kantone.

Nach diesem Systeme würde der Bund vor Allem versuchen, von den Kantonen, die bei dem Bau von Eisenbahnen zunächst betheiligt sind, die Zuficherung zu erhalten, daß sie gemeinschaftlich mit dem Bunde für eine oder mehrere Abtheilungen die verheißene Zinsgarantie übernehmen wollen. Die Abtheilungen find im Art. 2 unsers Vorschlages bezeichnet. Es ist jedoch nicht obli-

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gatorisch, daß jede Abtheilung für sich ein gesondertes Unternehmen bilde. Qts kann im Gegentheil sür das Gedeihen eines Unternehmens nur förderlich sein, wenn zwei oder mehrere Abtheilungen in ein Unternehmen ver# einigt werden.

Die Bildung einzelner Abtheilungen gewährt zwar

den Vortheil, daß das Eisenbahnnez nicht sogleich beim Beginn schon in zu großer Ausdehnung ausgeführt werden muß ; daßsichdagegen sür die rentablern Abtheilnngen schneller und sicherer die Zinsgaranten und die Ka·pitaliften finden werden; daß sich überhaupt für eine kleinere Abtheilung eine lebhaftere Theilnahme beim Auf* bringen der Kapitalien, bei den Expropriationen, bei der Verwaltung, beim Betriebe zeigen wird, weil bei unfern föderativen Verhältnissen Behörden und Privaten einem näher liegenden Unternehmen, von dem fie sich zunächst unmittelbaren Vortheil versprechen, immer mehr Vorschub leisten^werden, als einem entfernter liegenden.

Wir wollen indessen nicht verhehlen, daß solche kleinere Unternehmungen auch ihre entschiedenen Nachtheile haben : schon im Anfang bei der Konkurrenz auf dem Geldmarkt, dann beim gleichzeitigen Ban durch Steigerung der Preise sür das Material und der Arbeitslöhne. Sie werden kostspieligere Verwaltungen, Kollisionen im Betriebe, in der Abrechnung, Eifersucht unter den Kantonen, Klagen über Ungleichhaltung im Bunde u. s. w. hervor-rusen. Es wird daher Sache der Kantone sein, selbst zn erwägen, in welcher Ausdehnung eine Vereinigung verschiedener Abtheilungen ihren Interessen am besten zusagt, und sich hierüber zu verständigen. Ihre Stellung gegenüber dem Bunde wird durch das Gesez ausgemittelt sein. Sie sollen nach dem Vorschlage zwei Dritt-

372 theile, der Bund einen Drittheil an dem Defizit tragen, in fo weit fich ein solches ergeben sollte. Unter sich wer» den fie aber eine schwere Aufgabe zu losen haben, näm;-lich die Aufgabe, zu bestimmen, welchen Antheil jeder.

Kanton an den zwei Drittheilen der Zinfengarantie zu tragen haben wird. Sir hätten gerne im Gesez selbst den Maßstab für die Vertheilung angegeben: die Strecke der Bahn, die auf jedes Kantonsgebiet fällt, oder noch

richtiger, die Bevölkerung, die fich zu beiden Seiten der Bahn zeigt, mit doppelter Berechnung der größern Städte oder Verkehrsknoten ; allein, da sich obligatorisch doch nicht leicht etwas vorschreiben läßt, und die Verhältnisse, die muthmaßlichen Vortheile, die einem Kanton erwachsen können, von so vielen andern Umständen abhängen, so haben wir vorgezogen, den Kantonen hierüber freie Ver* Bändigung vorzubehalten. Kann diese nicht erzweckt wer-

den, so bleibt nichts Anderes übrig, als für die betressende Abtheilung günstigere Zeiten abzuwarten. Kommt aber die Verständigung zu Stande, so soll der zweite Schritt, die Einladung zu Uebernahme von Partiale« sur einen oder mehrere der garantirten Unternehmungen geschehen. Der Ausdruck "Partiale" ist gewählt worden, weil den Kapitalisten nicht nur ein Zinsenminimum von 31/2 %, sondern auch Dividenden zugesichert werden, wenn der Reinertrag den Zins von 3
Nach unserm Vorschlage hat der Kapitalist die Wahl, für dasjenige Unternehmen zu unterzeichnen, das ihm als das vortheilhastefte erscheint, oder für dessen Beförderung er anderweitige Gründe hat, indem jedenfalls für Bau und Betrieb derjenigen Abtheilungen, die zu einem Unternehmen gehören, gesonderte Rechnung geführt ivird. Von der Einzahlung an ist er gesichert, jährlich

373 wenigstens 3
Uebersteigt der Reinertrag den garantirten Zins, so fällt derfelbe ausschließlich den Partialinhabern zu bis auf den Betrag von 4 %, und wenn er noch höher steigt, so wird von dem Ueberschusse die Hälfte den Partialinhabern gutgefchrieben und die andere Hälfte in den Reservefond gelegt, bis diefer 20 % des Anlagekapitals erreicht, worauf diefe zweite Hälfte zu einem Amortifa.« tionsfond verwendet werden soll. Nach Ablauf von 50 Jahren ist nämlich der Bund berechtigt, die Partiale« zum Nennwerthe zurückzulösen ; die Partialinhaber dagegen haben kein Recht, die Rückzahlung zu verlangen.

Wir haben oben gezeigt, daß die Beibringung der erforderlichen Kapitalien auf diese Bedingungen hin nicht

ganz zuverlässig ist. Die Zeichnung kann möglicherweise

ganz unterbleiben, oder nur für eine oder zwei Unternehmungen, auf welche die Kapitalisten am meisten Vertrauen sezen, statt finden. Sie kann auch nur zur Hälfte, zu zwei Drittheilen, geschehen. Im ersten gatte bleibt es der Bundesversammlung im Einverständniß mit den Kantonen vorbehalten, sür die betreffende Unternehmung statt der Partialen ein einfaches Staatsanleihen mit höherm Zinsfuß auszufchreiben. Der Bund und die Kantone werden zwar ein größeres Risico übernehmen. Auf der andern Seite hat aber diefer Modus so entschiedene Vor-

theile, daß es sich wohl erwägen läßt, ob derfelbe nicht

gleich Anfangs schon angenommen werden foll. -- Im zweiten gall, wenn nur ein Theil der erforderlichen Partialeu gezeichnet wird, hängt es wieder von der Bundesverfammlung ab, zu befchließen, ob der Bau gleichwohl begonnen und in welcher Ausdehnung derselbe geführt werden soll.

374

Ist die Ausführung einer Bahn gefichert, theils durch die Garantie des Bundes und der Kantone, theils durch die Uebernahme der Partialen, so tritt die Verwaltung in Wirksamkeit. Wir haben die Organisation derselben im Gesezesvorschlage nur in Grundzügen angegeben, glauben aber durch dieselben dem Vorwurf bereits be# gegnet zu sein, den man dem Staatsbau machen kann.

3Bir stellen nämlich einen Verwaltungsrath auf, dessen Mitglieder nicht vom Bundesrathe allein, sondern großentheils von den Kantonen erwählt werden sollen, und wei# sen ihm auch für die Leitung des Unternehmens eine ziemlich selbstständige Stellung an. Wir beseitigen da# durch die Besorgnisse, daß die Unternehmung einer Behörde übertragen werde, die allzu sehr politischem Einfluß ausgesät und durch beengende büreaukratische Formen gebunden sei. Zugleich glauben wir den rechten Weg bezeichnet zu haben, um in die Behörde Männer zu wählen, die in administrativen Geschäften Gewandtheit befizen und vermöge ihrer Stellung ein besonderes Jnteresse an dem guten Gedeihen des Unternehmens haben werden.

Dem Verwaltungsrathe ist alsdann die Wahl der Direktoren übertragen, und hier können wir wieder einen andern Vortheil erzwecken, der den Privatgesellschaften nachgerühmt wird, den Vortheil nämlich, daß wir den Direktoren, sowie andern Beamteten, einen Antheil am Gewinn anweisen und dadurch ihr Privatinteresse mit demjenigen des Unternehmens vereinigen. Großen Werth legen wir serner auf die Aufstellung einer allgemeinen, ständigen Revifionskommisfion, die vom Bundesrathe nicht nur für ein einzelnes Unternehmen, sondern für alle Eisenbahnunternehmungen gewählt wird. Ausgabe dieser Kommisfion wird es sein, nicht nur beim Abschlüsse einer

375 Rechnung deren Richtigkeit zu prüfen, sondern als per.» manente Behörde die Kontrolle über den Gang der Ver.waltung, insbesondere in finanzieller Beziehung, auszu# Üben und ihre Untersuchungen je nach Gutfinden zn jeder Zeit und überall, wo fie es nöthig erachtet, vorzu# nehmen.

Jn weitere Erörterungen der einzelnen Bestimmungen treten wir nicht ein; wir find vielleicht jezt schon aussührlicher gewesen, als es der Zweck einer Botschaft bei den vorhandenen ausführlichen Gutachten der Erperten erfordert hätte, glauben aber, in der Wichtigkeit und ÜJleuheit des Gegenstandes genügende Entschuldigung zu finden.

Genehmigen Sie, Tit., die Verficherung unserer ausgezeichneten Hochachtung.

B e r n , den 7. April 1851.

Im Namen des schweizerischen Bundesrathes, ..Der Buudesprasident:

J. Munzinger.

Der Kanzler der Eidgenossenschaft :

Schieß.

Schweizerisches Bundesarchiv, Digitale Amtsdruckschriften Archives fédérales suisses, Publications officielles numérisées Archivio federale svizzero, Pubblicazioni ufficiali digitali

Botschaft des schweizerischen Bundesrathes an die h. Bundesversammlung der schweizerischen Eidgenossenschaft, betreffend die Erstellung von Eisenbahnen. (Vom 7.

April 1851).

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1851

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1

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19

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19.04.1851

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