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Aus den Verhandlungen des schweizerischen Bundesrathes.

(Vom 25. Februar 1851.)

Kreissch r e i b e n des schweizerischen B u n d e s r a t h e s , an sämmtliche

eidgenössische Stände, in Angelegenheit der deutschen und italienischen Flüchtlinge.

Getreue, liebe Eidgenossen!

In den Iahren 1848 und 1849 wurde die Schweiz in Folge der damaligen politischen Ereignisse theils von Italien, theils von Deutschland her mit einer großen Masse von Flüchtlingen aller Nationen überladen. Da sie unmittelbar vom Kriegsschauplaze kamen und von Truppen versolgt wurden, konnte ihnen ein vorläufiges Asyl nicht versagt werden, theils aus ..pumanitätsrück* sichten, theils um militärischen Bewegungen an der Gränze vorzubeugen, die unser Gebiet hätten gefährden können.

Obwohl nach den Grundsäzen unsers Bundesstaatsrechtes die Ertheilung des Asyls zunächst Sache der Kantone ist, und der Bund in der Regel die Kantone nicht zum

Asyl zwingen, wohl aber dieses Recht nach Maßgabe des Art. 57 der Bundesversassung befchränken kann, so mußte damals im höhern Interesse der öffentlichen Ordnung und Sicherheit von diesem Grundsaze abgegangen werden.

Der Bundesrath mußte ausnahmsweise das Asyl vorschreiben, eine eentrale Leitung anordnen und die Kantone anhalten, eine gewisse Anzahl von Flüchtlingen z«

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übernehmen. Schon damals eröffnete ihnen der Bnndesrath seine Abficht, alle geeigneten Mittel zu versuchen, damit die Kantone nicht allzu lange eine Last zu tragen haben, welche weit über die Grenzen des Asyls hinausgehe. (Kreisschreiben vom 5. Iuli 1849.) Dieses geschah nun im Laufe der Zeit theils durch Verwendung für Amnestie, theils durch Unterstüzung aus der Bundeskasse, theils durch Wegwelsungen in Folge schlechter Aufsührung oder bei fälschlicher Vorgabe der Flüchtlinge,

daß sie das Asyl bedürfen, theils endlich durch die Be-

förderung der Abreife Vieler, felbst mit bedeutenden ökonomifchen Opfern. In Folge alles dessen hat sich die im Iuli 1849 über 11,000 ansteigende Zahl*) der Pichtlinge so vermindert, daß gegenwärtig nur noch eirea 500 auf der eidgenössischen Generalkontrolle erscheinen. Schon seit einiger Zeit beschäftigte fich daher der Bundesrath mit der Frage, ob es nicht zweckmäßig sei, die Flucht-

lingsangelegenheit auf die gewöhnliche Grundlage zurück-

zuführen und die Flüchtlinge gänzlich den Kantonen anheimzustellen, unter Vorbehalt der Kontrole und der Maßregeln, welche durch die Art. 57 und 90 der Bundesversassung geboten werden. Einer solchen Versügung stand bisanhin nur das Bedenken entgegen, daß manche Kantone noch eine verhältnißmäßig bedeutende Anzahl solcher Flüchtlinge haben, welche ohne große Gefahr nicht heimkehren können und welche nicht die nöthigen Mittel befizen, um nach einem entferntern Lande zu reifen.

Diefes Bedenken wird nun dadurch gehoben, daß auf die Verwendung des Bundesrathes die französische Re·) In dieser Zahl sind mehrere Tausend Flüchtlinge von den in Italien zerstreuten Eorps und der s. g. italienischen Emigration nicht inbegriffen.

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gierung mit verdankenswerther Bereitwilligkeit fich aner*.

boten hat, für alle nicht franzofifchen Flüchtlinge von der schweizerischen Gränze an die Reisekosten bis nach England oder Nordamerika zu übernehmen. Unter diesen Umständen fieht fich der Bundesrath veranlaßt, die erwähnte, schon feit geraumer Zeit projcktirte Maßregel . zu beschließen. Nicht nur wird dadurch den Kantonen keine neue Last zugemuthet, sondern fie erhalten im Gegentheil den Anlaß, fich der ihnen bisanhin aufgedrungenen Last und aller damit verbundenen Uebelstände zu entledigen. Wenn die Kantone unter folchen Umständen von der Befugniß, die Flüchtlinge zu entfernen, umfassenden Gebrauch machen, so wird ein gerechter Vorwurs von Härte ihnen nicht gemacht werden können, wenn man bedenkt, daß sie lange Zeit hindurch das Afyl in einem bisher nie gekannten Umfang und mit bedeutenden Opfern gewährt haben, daß bei Aufnahme der Flucht-

linge gewiß nirgends die Abficht obwaltete, fie bleibend zu übernehmen, fondern vielmehr fie einer vorhandenen Gefahr zu entziehen, und ihnen Gelegenheit zu verfchaffen, einstweilen ihren Unterhalt zu erwerben und sür ihre Zukunft zu sorgen, daß ferner den Flüchtlingen andere Länder offen stehen, in welche fie ohne alle Gefahr fich begeben können, und daß endlich auch die Reisemittel, in so weit sie derselben bedürfen, ihnen anerboten werden. Es wird Ihnen, getreue, liebe Eidgenossen!

iiberdieß bekannt sein, daß nur der Mangel an Reisemitteln bisanhin sehr viele Flüchtlinge von der Answanderung abgehalteu hat.

Aus diesen Gründen hat der Bundesrath beschlossen : 1) Die im Iuli 1849 den Kantonen auferlegte Verpflichtung zur Aufnahme politischer .Flüchtlinge wird aufgehoben.

235 2) Demgemäß hort jede dießfällige Verbindlichkeit des Bundes gegenüber den Kantonen auf, von dem Zeitpunkte an, in welchem die Entfernung der

Flüchtlinge moglich wird, und es geht namentlich auch jede Gefahr von Heimatlosigkeit einzelner

Flüchtlinge ausfchließlich auf die Kantone über.

3) Das eidgenöffifche Iustiz- und Polizeidepartement wird über diefen Zeitpunkt den Kantonen die weiter erforderlichen Mittheilungen machen.

4) Die früheren Befchlüsse des Bundesrathes über Internirung, Wegweifung u. f. w. bleiben in Kraft.

Indem wir Sie schließlich nochmals erinnern, daß

diefer Befchlnß sich nicht auf die französischen Flüchtlinge bezieht, deren Zahl übrigens sehr unbedeutend ist, benuzen wir diesen Anlaß, Sie, getreue, liebe Eidgenossen!

nebst uns in den Machtschuz des Allerhöchsten zu em»fehlen.

Im Namen des schweizerischen Bundesrathes, Der B u n d e s p r ä s i d e n t :

J. Muuzinger.

Der Stellvertreter des Kanzlers der Eidgenossenschaft: N. von Moos.

In eben diefer Angelegenheit hat der Bundesrath beschlossen, einen eidgenössischen Kommissär nach dem Kanton Tesfin abzuordnen, und hiezu gewählt: Den Hrn. Nationalrath I. R. B r o s i in Schiers, Kantons Graubünden.

236 (Vom 26. Februar 1851).

Zum Posthalter auf dem Bureau in Ehaur-du-Milieu wurde gewählt:

·ipr. Constantin I e a n n e r e t daselbst.

soldung: Fr. 350.

Iahresbe-

Ernennung von Zollbeamten : Zum Einnehmer der Hauptzollfiätte Goumois wurde

gewählt :

Hr. W. B r o s s a r d in Pommerats. Iahresgehalt:

gr. 310.

Zum Einnehmer der Nebenzollstätte Reclere :

$r. Henri Iolissaint, Wagner, daselbst. Iahresgehalt : Fr. 50 und drei Prozent den diese Summe übersteigenden Einnahmen.

Zum Einnehmer bei der Nebenzollstätte Noirmont:

Hr. Ed. Arnold in La Gaule. Iahresgehalt: gr. 70 und drei Prozent der Einnahmen über diesen Betrag.

Dem, zwischen Hrn. Bankdirektor Speiser in Basel, Namens der Eidgenossenschast, und Hrn. Münzdirektor Dieriekr in Paris unter'm 31. v. M. abgeschlossene Vertrag, betreffend die Prägung der schweizerischen Silbermünzen, wurde die Ratifikation ertheilt.

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01.03.1851

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