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Bundesratsbeschluss betreffend

die Allgemeinverbindlicherklärung eines Gesamtarbeitsvertrages für die Damen-, Knabenkleider- und WäscheSchneidereien.

(Vom 6. Mai 1947.)

Der schweizerische B u n d e s r a t , nach Prüfung des Antrages vom 1.1. November 1946 des Schweizerischen Frauengewerbe-Verbandes, des Couture-Verbandes der Schweiz, des Verbandes der Bekleidungs-, Leder- und Ausrüstungsarbeiter der Schweiz und des Schweizerischen Verbandes evangelischer Arbeiter und Angestellter, sowie des Antrags vom 2. April 1947 des Schweizerischen Verbandes christlicher Textil- und Bekleidungsarbeiter; gestützt auf Art. 3, Abs. 2, des Bundesbeschlusses vom 23, Juni 1943/80. August 1946 über die Allgemeinverbindlicherklärung von Gesamtarbeitsverträgen, beschliesst:

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Art. 1.

Von dem Gesamtarbeitsvertrag vom 1.November 1946 für die Damen-, Knabenkleider- und Wäsche-Schneidereien werden folgende Bestimmungen allgemeinverbindlich erklärt: II. Arbeits- und Ruhezeit.

Ziffer 2.

Arbeitszeit.

1 Die

normale wöchentliche Arbeitszeit beträgt für die Betriebe, die dem eidgenössischen Fabrikgesetz unterstellt sind,. 48 Stunden, für alle übrigen Betriebe 52 Stunden.

2 Pro Woche ist ein freier Halbtag zu gewähren, welcher wenn möglich auf den Samstagnachmittag fallen soll.

57 Ziffer 3, Die Verlängerung der Dauer der Arbeitszeit über 48 Stunden für Überzeit-, Fabrikbetriebe und 52 Stunden für Nichtfabrikbetriebe in der Zeit Nacht- und zwischen 6 Uhr und 20 Uhr gilt als Überzeitarbeit. Der Weg zum und vom SonntagsAtelier sowie das Umkleiden gelten nicht als Überzeitarbeit.

arbeit.

2 Die Arbeit vor 6 Uhr und nach 20 Uhr gilt als Nachtarbeit. Während 11 aufeinanderfolgenden Stunden, welche die Zeit von 22 Uhr bis 5 Uhr in sich schliessen muss," ist Nachtarbeit gemäss Bundesgesetz vom 31. März 1922 über die Beschäftigung jugendlicher und weiblicher Personen in den Gewerben gänzlich verboten.

3 Die Arbeit an Sonntagen zwischen 0.00 Uhr und 24 Uhr gilt als Sonntagsarbeit.

4 Uberzeit-, Nacht- und Sonntagsarbeit ist nur in Ausnahmefällen zulässig. Es sind hierfür auf dem Stundenlohn folgende Zuschläge zu bezahlen : a. für Überzeitarbeit 25 %, b. für Nachtarbeit 50 %, c. für Sonntagsarbeit 100 %.

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Ziffer 4.

Der Arbeitnehmer hat Anspruch auf 4 bezahlte Feiertage pro Jahr, Feiertage, die mit dem Arbeitgeber unter Berücksichtigung der Örtlichen Verhältnisse vereinbart werden.

2 Pro Feiertag werden 8 Stunden zum Stundenlohnansatz vergütet.

a Der 1. Mai und der 1. August sind auf Wunsch des Arbeitnehmers als unbezahlte Feiertage zu gewähren.

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Ziffer 5.

Der Arbeitnehmer hat Anspruch auf bezahlte Ferien, und zwar: Ferien.

nach Vollendung des 1. Anstellungsjahres 3 Tage a .

» » 2.

» 5 » » n »3.

» 6 ».

» » » 5, * 12 » ·3 Ein Ferientag gilt als Sstündiger Arbeitstag.

Bei Austritt aus einem Atelier im Laufe eines Jahres wird der Ferienanspruch nach Massgabe der abgelaufenen Anstellungszeit berechnet.

4 Wird das AnstellungsVerhältnis nicht länger als l Jahr unterbrochen, so wird die frühere Anstellungszeit im selben Atelier angerechnet.

5 Das saisonmässige Aussetzen gilt nicht als Unterbruch der Anstellungszeit.

6 Der Ferienatitritt wird zwischen dem Arbeitgeber und dem Arbeitnehmer vereinbart. Es ist dabei auf die Dringlichkeit der laufenden Arbeiten Rücksicht zu nehmen.

7 Der Ersatz von Ferien durch andere Vergünstigungen oder durch Barentschädigungen ist nicht gestattet.

8 Der bis zum Ferienbeginn aufgelaufene Lohn ist dem Arbeitnehmer am letzten Tage vor Ferienantritt auszubezahlen.

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Ziffer 6.

Der Arbeitslohn richtet sich nach der Leistung und wird spätestens Arbeitslohn, nach einer Probezeit von 2 Wochen festgesetzt.

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58 2 Als Mindcstlöhne, Inbegriffen Teuerungszulagen, gelten folgende Ansätze : a. Arbeitnehmer l Jahr nach Beendigung der Lehrzeit: ländliche Verhältnisse Fr. l. 10, halbstädtische Verhältnisse Fr. 1.20, städtische Verhältnisse Fr. 1.30.

Dieser Mindestansatz erhöht sich pro Saison bis und mit der 8. Saison um mindestens 5 Rappen. Bei Neueinstellung muss die bisherige Tätigkeit im Berufe berücksichtigt werden.

b. Im ersten Semester nach beendeter Lehrzeit beträgt der Mindestlohn 65 %, im zweiten Seraester nach, beendeter Lehrzeit 85 % des unter Ziff. a festgesetzten Ansät/es.

c. Für Spezialarbeiterinnen werden die Löhne von Fall zu Fall durch Einzeldienstvertrag vereinbart. Sie müssen jedoch mindestens 10 % über dem unter Ziff. a festgesetzten Ansatz stehen.

3 Die Einteilung der Orte in städtische, halbstädtische und ländliche Verhältnisse richtet sich nach dem Ortschaftsverzeichnis der Lohnund Verdienstersatzordnung.

1 Als Spezialarbeiterinnen gelten Arbeiterinnen, die seit der Lehrabschlussprüfung mindestens 3 Jahre ausschlicsslich auf Tailleurs und Mäntel gearbeitet haben oder eine leitende Stellung im Betriebe versehen. Der Arbeitnehmer hat sich darüber anhand von Zeugnissen auszuweisen. Im Zweifelsfalle entscheidet die lokale paritätische Berufskommission darüber, ob es sich um eine Spezialarbeiterin handelt.

5 Alle Arbeiten werden im Stundenlohn ausgeführt.

9 Die Löhne von Minderleistungsfähigen sind auf Grund einzeldienstvertraglicher Abmachungen festzulegen.

Lohnzahlung,

Standgeld.

Ziffer 7.

i Die Lohnzahlung hat mindestens alle 14 Tage innerhalb der normalen Arbeitszeit zu erfolgen.

a Der Arbeitnehmer ist verpflichtet, über die Lohnzahlungen ein Lohnbuch zu führen, das ihm vom Arbeitgeber übergeben wird. Die Kosten des Lohnbuches tragen Arbeitgeber und Arbeitnehmer zu gleichen Teilen.

3 Wiederholter Verzug in der Lohnzahlung berechtigt den Arbeitnehmer zur fristlosen Auflösung des Dienstverhältnisses aus wichtigen Gründen.

Ziffer 8.

1 , Wird ein Standgeld vereinbart, so darf dieses höchstens den Lohnbetrag von 16 Stunden ausmachen.

2 Bei ordentlicher Kündigung sowie im. Falle der Auflösung des Dienstverhältnisses aus Verschulden des Arbeitgebers aus wichtigen Gründen istdas Standgeld mit der letztenLohnzahlungzurückzuerstatten.

IV. Unfallversicherung.

Ziffer 9.

1 Der Arbeitgeber hat auf seine Kosten den Arbeitnehmer gegen Betriebsunfälle zu versichern.

2 Der Arbeitnehmer ist verpflichtet, sich auf eigene Kosten gegen Nichtbetriebsunfälle zu versichern.

59 V. Schwarzarbeit.

Ziffer 10.

1 Der Arbeitnehmer darf während der Ferien und in der Freizeit keine Berufsarbeit auf eigene Rechnung oder im Auftrage Dritter ausführen. Ebenso ist es dem Arbeitnehmer untersagt, Modelle des Ateliers für sich oder Drittpersonen zu kopieren.

2 Die Nichteinhaltung dieser Vorschriften gut als wichtiger Grund zur fristlosen Entlassung des Arbeitnehmers. Ausserdera geht er des Ferienanspruches beim betreffenden Arbeitgeber verlustig.

VI. Kündigung.

Ziffer 11.

1 Die Kündigungsfrist beträgt 14 Tage.

3 Die Kündigung kann nur auf einen Samstag erfolgen.

3 Während der Probezeit von maximal 2 Wochen kann das Anstellungsverhältnis gegenseitig jederzeit ohne Kündigung gelöst werden.

4 Bei Arbeitsunfähigkeit infolge Krankheit oder eines Unfalles darf erst nach Ablauf von 30 Tagen seit Beginn der Arbeitsunfähigkeit gekündigt werden, s Vorbehalten bleibt in jedem Fall die Auflösung des Dienstverhältnisses aus wichtigen Gründen gemäss Art. 352 und 353 OR.

VII. Einhaltung und Durchführung des Gesamtarbeitsvertrages.

Ziffer 12.

Der allgemeinverbindlich erklärte Gesamtarbeitsvertrag ist jedem BekanntmaArbeitnehmer bei Abschluss des Dienstverhältnisses auszuhändigen und chungdesGein jedem Atelier aufzulegen.

samtarbeitsvemaees Ziffer 14.

Die von den vertragschliessenden Verbänden oder ihren Sektionen Kontrolle und eingesetzten paritätischen Kommissionen können Kontrollen über die Sanktionen.

Einhaltung der allgemeinverbindlich erklärten Bestimmungen durchführen.

Bei festgestellter Nichtbezahlung der allgemeinverbindlich erklärten Löhne hat der Arbeitgeber den Arbeitnehmern diese sofort im vollen Umfange nachzuzahlen. Überdies hat er 25 % der geschuldeten Lohnsumme an die zentrale paritätische Kommission zu entrichten. Zum Inkasso und wenn nötig zur rechtlichen Geltendmachung des vorerwähnten Betrages von 25 % sind die vertragschliessenden Verbände berechtigt, welche diesen Betrag für die paritätische Kommission als die Anspruchsberechtigte einziehen. Die eingehenden Beträge sind zur Deckung der Kosten der Allgemeinverbindlicherklärung sowie für die Kontrolle über die Einhaltung der allgemeinverbindlich erklärten Bestimmungen zu verwenden,

Art. 2.

Dem eidgenössischen Volkswirtschaftsdepartement steht das Eecht zu, zwecks Wahrung der Interessen der Nichtmitglieder der vertragschliessenden Verbände gegenüber der paritätischen Kommission die

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erforderlichen Anordnungen zu treffen. Diese Nichtmitglieder haben gegen Massnahmen der Kommission ein Beschwerderecht an das genannte Departement.

Art. 3.

Die Allgemeinverbindlichkeit gilt für das ganze Gebiet der schweizerischen Eidgenossenschaft.

2 Sie erstreckt sich auf alle Schneidereien, die nach Maas Damenund Knabenkleider sowie auf solche, die Wäschestücke herstellen.

Ausgenommen sind: a. Änderungs- und Massateliers des Detailhandels; b. Betriebe, soweit sie einem andern Bundesratsbeschluss betreffend die Allgemeinverbindlicherklärung eines Gesamtarbeitsvertrages im Bekleidungsgewerbe unterstehen, c. Betriebe, die dem Gesamtarbeitsvertrag vom 12. November 1946 für das Schneidergewerbe im Kanton Genf unterstehen.

3 Es werden von ihr sämtliche gelernten Arbeitnehmer, männlichen und weiblichen Geschlechts, die im Atelier beschäftigt werden, erfasst.

4 Für den. Arbeitnehmer günstigere gesetzliche Vorschriften sowie einzeldienst- oder gesamtarbeitsvertragliche Abmachungen bleiben vorbehalten.

5 Die Allgemeinverbindlichkeit tritt mit der amtlichen Veröffentlichung in Kraft und dauert bis 31. Dezember 1948.

1

Bern, den 6. Mai 1947.

Im Namen des Schweiz. Bundesrates,

7308

Der Bundespräsident: Etter.

Der Bundeskanzler: Leimgruber.

Schweizerisches Bundesarchiv, Digitale Amtsdruckschriften Archives fédérales suisses, Publications officielles numérisées Archivio federale svizzero, Pubblicazioni ufficiali digitali

Bundesratsbeschluss betreffend die Allgemeinverbindlicherklärung eines Gesamtarbeitsvertrages für die Damen-, Knabenkleider- und Wäsche-Schneidereien. (Vom 6. Mai 1947.)

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Jahr

1947

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18

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Numéro d'affaire Numero dell'oggetto Datum

08.05.1947

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56-60

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