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Bundesblatt 99. Jahrgang.

Bern, den 20. März 1947.

Band L

Erscheint wöchentlich. Preis 28 Franken im Jahr, 15 Franken im Halbjahr, zuzuüglich Nachnahme- nnd Postbestellungsgebühr Einrückungsgebühr; 60 Rappen die Petitzeile oder deren Raum. -- Inserate franko an Stämpfli & de- in Bern.

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Botschaft des

Bundesrates an die Bundesversammlung zum Entwurf eines neuen Gesetzes über den Bundeszivilprozess.

(Vom 14. März 1947.)

Herr Präsident!

Hochgeehrte Herren!

Nachdem die Bundesverfassung von 1848 ein nicht ständiges Bundesgericht geschaffen hatte und am 5. Juni 1849 das erste Bundesgesetz über die Organisation der Bundesrechtspflege zustande gekommen war, wurde das Bundesgesetz vom 22. November 1850 über das Verfahren bei dem Bundesgerichte in bürgerlichen Rechtsstreitigkeiten erlassen. Es wird üblicherweise als Bundeszivilprozess bezeichnet (im folgenden «BZP» zitiert). Es ist die Verfahrensordnung für die durch das Bundesgericht in einziger Instanz zu beurteilenden Zivilstreitigkeiten. Dieses Gesetz wurde vorerst provisorisch in Kraft gesetzt und dann durch Bundesbeschluss vom 18. Juli 1855 als definitiv angenommen erklärt. Sowohl bei der provisorischen wie bei der definitiven Inkraftsetzung wurde das Gesetz von beiden Bäten ohne artikelweise Beratung ·-- also in globo -- angenommen. Die ständerätliche Kommission, die dieses ungewöhnliche Vorgehen vorgeschlagen hatte, führte in ihrem Bericht vom 12. November 1850 (BB1 1850 3. 835) aus, dass die Hauptgrundlagen der Vorlage allgemeine Zustimmung gefunden hatten, in vielen sekundären Punkten würde es freilich an abweichenden Ansichten nicht fehlen; als solche, bei denen sich abweichende Ansichten vorläufig angemeldet hatten, werden u, a. angeführt «die Grenzen der Verhandlungsmaxime, resp. der Wunsch grösserer Ausdehnung der Direktionsbefugnisse des Richters», «das Fallenlassen dea Quasi-Rechtsmittels der Reform» und «Fallenlassen des Schiedseides».

Der BZP von 1850 steht noch immer in Geltung; nur wenige Artikel sind anlässlich von Bevisionen des Organisationsgesetzes aufgehoben oder abgeändert worden nnd nur vereinzelte Bestimmungen wurden durch andere Gesetze teilweise abgeändert. Der BZP erhält sein Gepräge durch vorwiegende Bundesblatt. 99, Jahrg. Bd. L 66

990 Schriftlichkeit, Eventualraaxime und Verbot der Klageänderung, Verhandlungsmaxime und zurückgedrängte richterliche Prozessleitung, sowie Zweiteilung des Verfahrens in ein Instruktionsverfahren bis zur Entscheidungsreife vor dem Instruktionsrichter (sogenannte Mittelbarkeit des-Verfahrens) und mündliches Spruchverfahren vor dem Gericht. Er ist sehr stark von der gemeinrechtlichen Prozesslehre beeinflusst.

Es ist begreiflich, dass der BZP, der schon seit 96 Jahren in Kraft steht, der heutigen Beurteilung als in vielfacher Hinsicht veraltet erscheint und mit den jetzigen Anschauungen nicht mehr im Einklang steht. Namentlich macht sich jetzt das Bestreben geltend, den Zivilprozess von starren formalistischen Bindungen zu befreien, die unter Umständen die Durchsetzung des materiellen Eechts verhindern können. Die Bevisionsbedürftigkeit des alten BZP zeigt sich hauptsächlich in folgenden Punkten: Die reine Verhandlungsmaxime -- nämlich der Grundsatz, dass die Sammlung des Prozeßstoffes Sache der Parteien ist und der Eichter sich jeder Einflussnahme auf die Beschaffung eines ausreichenden Urteilsmaterials enthalten soll -- verträgt sich nicht mit der heutigen Auffassung von der Aufgabe und Stellung des Eichters. Nach dem BZP hat der Eichter nur die formelle Prozessleitung; er ordnet den äussern Gang des Verfahrens, leitet den Schriftenwechsel, bestimmt die Fristen und Termine und erlässt die La. düngen, während allerdings z. B. gesetzliche Fristen durch Übereinkunft der Parteien erstreckt werden können" und eine Partei das Eecht hat, in jedem beliebigen Stadium des Prozesses, in dem sie die «Beform» erklärt, gegen Bezahlung der gegnerischen Kosten einmal das ganze Verfahren bis zu dem von ihr bezeichneten Punkte zu vernichten, um es neu durchzuführen. Namentlich fohlt dem Eichter ein materielles Prozessleitungsrecht ; zwar findet sich ein Ansatz hiezu im Artikel 2 B2P, wonach der Eichter von Amtes wegen die Verbesserung unvollständiger, unbestimmter oder unklarer Parteivorträge oder Parteischriften veranlassen kann> jedoch hat diese Bestimmung praktisch keine erhebliche Bedeutung, da sie einer organischen Verbindung mit dem ganzen Prozessablauf, wie er im übrigen ausgestaltet ist, entbehrt. Es erscheint als geboten, dass dem Eichter die Möglichkeit gegeben werde, zur Verbesserung und Ergänzung des
Parteivorbringens einzugreifen, insbesondere auf eine ungenügende Substanzierung aufmerksam zu machen und gegebenenfalls fehlende Beweismittel beizuziehen. Im Interesse der richtigen Entscheidung drängt sich das Postulat nach Eindämmung der Verhandlungsmaxime und Stärkung der richterlichen Prozessleitung auf.

Nach der starren, mit dem Präklusionsprinzip verbundenen Eventualmaxime hat jede Partei bei Folge der Verwirkung ihre sämtlichen Angriffsoder Verteidigungsmittel auf einmal vorzubringen. Dass ein Angriffs- oder Verteidigungsmittel ausgeschlossen wird, wenn es nicht genau da angebracht wird, wo ihm die Eventualmaxime die ordnungsmässige Stelle im Verfahren angewiesen hat, kann zur Folge haben, dass das Urteil nicht auf Grund des wahren Sachverhalts ergeht und dass infolgedessen die Partei ihr Recht ver-

991 liert. Diese Folge kann höchstens durch die kostspielige Erklärung der «Reform» abgewendet werden. Die starre Eventualmaxime verbürgt zwar Ordnung im Prozess, opfert dieser aber die materielle Gerechtigkeit. Die moderne Auffassung vom Zwecke der Prozessordnung gebietet eine weniger rigorose Durchführung der Eventualmaxime. Im Zusammenhang mit diesem Grundsatz steht auch das Klageänderungsverbot, wonach eine Änderung der Klage zu Ungunsten der Gegenpartei unzulässig ist. Die Festlegung des Tatbestandes auf den Zeitpunkt des Eintritts der Eechtshängigkeit führt sogar dazu, dass Änderungen des Sachverhalts,.die während der Dauer des Prozesses eintreten, nicht Eechnung getragen werden kann. Die Gesetzesrevision muss eine Abschwächung der Eventualmaxime bringen, das Verbot der Klageänderung beseitigen und das Institut der «Reform» abschaffen.

Das Beweisrecht des bisherigen BZP erscheint als veraltet und enthält noch Beste der gemeinrechtlichen Beweistheorie. Der Grundsatz der freien richterlichen Beweiswürdigung ist auf einzelne Beweismittel beschränkt, während andere von gesetzlichen Vermutungen beherrscht sind oder gar eine für den Richter verbindliche formelle Wahrheit schaffen, die mit der materiellen Wahrheit im Widerspruch stehen kann. Als zu starr erscheint auch die Regel, dass jede Tatsache, die von der Gegenpartei nicht ausdrücklich und besonders bestritten wird, als zugestanden gilt. Es drängt sich das Postulat auf, den Grundsatz der freien Beweiswürdigung durch den Richter konsequent durchzuführen; insbesondere sind keine Beweismittel vorzusehen, die eine formelle Wahrheit schaffen.

Anlässlich der Vorarbeiten, die zum revidierten Bundesgesetz vom 16. Dezember 1943 über die Organisation der Bundesrechtspflege führten, wurde in der damaligen Expertenkommission auf die Revisionsbedürftigkeit des BZP hingewiesen. Jenes Gesetz musate sich aber darauf beschränken, zur Angleichung an seine Vorschriften einzelne Artikel des BZP abzuändern. Weitergehende Neuerungen mussten einer Gesamtrevision des BZP vorbehalten bleiben.

Nachdem das Organisationsgesetz vom 16. Dezember 1943 zustande gekommen war, beauftragte das Justizdepartement Herrn Bundesrichter Leuch mit der Ausarbeitung eines Vorentwurfes für einen neuen Bundeszivilprozess.

Im April 1945 lag der Vorentwurf nebst einem erläuternden
Bericht vor.

Er wurde dem Bundesgericht zur Stellungnahme unterbreitet. In diesem Zusammenhang kann darauf hingewiesen werden, dass das vom Bundesgericht am 15. Januar 1946 erlassene Reglement für das Verfahren betreffend die Klagen auf Rückgabe in kriegsbesetzten Gebieten weggenommener Vermögenswerte (A. S- 63, 225, in Ausführung von Art. 10 des Bundesratsbeschlusses vom 10. Dezember 1945, A. S. 61,1052) sich im wesentlichen an den Vorentwurf für den neuen BZP angelehnt hat. Ende August 1946 reichte das Bundesgerieht seine Vernehmlassung zum Vorentwurf mit einer Eeihe von Abänderungsvorschlägen ein, von denen aber die meisten bloss untergeordnete Punkte oder redaktionelle Verbesserungen betrafen; im wesentlichen stimmte das Bundes-

992 gerioht dem Vorentwurf zu. Nachdem dann eine französische Übersetzung des Vorentwurfs und der bundesgerichtlichen Abänderungsvorschläge erstellt worden war, wurde eine kleine Expertenkommission einberufen, die am 22. und 23. Januar 1947 tagte. Die Kommissionsberatung ergab Zustimmung zu den Grundzügen des Entwurfs und führte zu Abänderungen in einigen Nebenpunkten. Unser Gesetzesentwurf stimmt mit der Auffassung der Expertenkommission überein.

Der Gesetzesentwurf umfasst nur 87 Artikel, während der BZP von 1850 203 Artikel zählt. Da das Gesetz das Verfahren vor dein Bundesgericht als einziger Zivilgerichtsinstanz zu regeln hat, braucht es nicht in alle Einzelheiten einzugehen. Hier kann dem Ermessen des Richters manches überlassen bleiben, was ein Prozessgesetz, das von einer Vielheit von Gerichten zu handhaben ist, notwendigerweise ordnen muss. Der Entwurf legt die Grundsätze fest,.

nach denen der Prozess zu führen ist, und stellt die Vorschriften auf, die sich an die Parteien und an Dritte wenden, ihr Handeln, ihre Eechte und Pflichten im Verfahren bestimmen. Auf diese Weise ergibt sich eine übersichtliche Ordnung, die das Wesentliche klar zum Ausdruck gelangen lässt.

Der Entwurf ist einfach aufgebaut. Die ersten vier Titel enthalten die notwendigen allgemeinen Bestimmungen: 1. Anwendungsbereich-des Gesetzes und Zuständigkeit, 2. Allgemeine Grundsätze des Verfahrens, 3. Zeitbestimmung, Saumnis und Wiederherstellung, 4. Parteien und am Rechtsstreite beteiligte Dritte.

Dann folgt in Titel 5--9 der Prozessgang in seinem natürlichen Ablauf: 5. Schriftenwechsel, 6. Vorbereitungsverfahren, 7. Beweis, 8. Hauptverhandlung, und 9. Erledigung des Rechtsstreites ohne Urteil.

Den Schluss bilden die Abschnitte 10. Vollstreckung, 11. Vorsorgliche Verfügung, und 12. Schluss- und Übergangsbestimmungen.

Wir befassen uns nun zunächst in einem ersten Teil mit den Grundzügen des Entwurfs und bringen dann im zweiten Teil Bemerkungen zu den einzelnen Artikeln an.

I, Die Grundzüge des Entwurfes.

1. Die vorwiegende Schriftlichkeit und die Mittelbarkeit werden beibehalten.

Die schriftliche Darlegung des Streitfalles durch die Parteien gibt bei verwickelten und umfangreichen Tatbeständen, wie sie im direkten Zivil-

993 prozess vor Bundesgericht gewöhnlich vorliegen, unbestreitbar eine zuverlässigere Grundlage der Entscheidung als der mündliche Vortrag. Deshalb wurde in der Praxis des Bundosgerichts ausnahmslos ein Schriftenwechsel veranlasst, obschon das Gesetz wahlweise den mündlichen Vortrag zur Verfügung stellte.

Immerhin legt der Entwurf (Art. 32) es in die Hand des Instruktionsrichters, nach Eingang der Klageantwort einen voraussichtlich nicht mehr ergiebigen Schriftenwechsel abzuschliessen, um allfälliges noch erhebliches replikantisches oder duplikantisches Anbringen in der mündlichen Verhandlung zu Protokoll entgegenzunehmen. In entsprechender V>Teise kann der Instruktionsrichter, falls-er eine schriftliche B-eplik eingeholt hat, den Schriftenwechsel nach der Eeplik abschliessen. Oft wird es beim einmaligen Schriftenwechsel sein Bewenden haben. Mehr als zweimaliger Schriftenwechsel ist nicht statthaft.

Die Beibehaltung der Mittelbarkeit des Verfahrens (Beweisaufnahme durch den Instruktionsrichter) drängt sich aus praktischen Erwägungen auf.

Denn die Beweisaufnahme vor dem ganzen urteilenden Gericht würde einen solchen Mehraufwand an Zeit erfordern, dass das Bundesgericht durch die direkten Prozesse im Verhältnis «u seinen übrigen Aufgaben viel zu stark belastet würde. Wohl aber sieht der Entwurf diejenigen Ausnahmen vom System der Mittelbarkeit -vor, die grundsätzlich erwünscht und praktisch gangbar sind. Wo die unmittelbare Wahrnehmung durch das urteilende Gericht aus besondern Gründen geboten ist, .hat der Instruktionsrichter die Beweiserhebung auf die Hauptverhandlung zu verschieben (Art. 34, Abs. 2) ; denn wo es für die richtige Entscheidung des Prozesses erforderlich ist, dass die Beweiserhebung in Gegenwart aller beim Urteil mitwirkenden Bichtcr vor sich gehe, haben Erwägungen prozessökonomischer Natur zurückzutreten.

Unter den gleichen Voraussetzungen kann das Gericht auch bereits vom Instruktionsrichter durchgeführte Beweiserhebungen -wiederholen (Art. 67, Abs. 2). Einem andern Grunde, nämlich dem Bestreben .nach Konzentration und Beschleunigung des Prozesses, entspricht es, dass eine einfache Beweisaufnahme, durch die die Hauptverhandlung nicht zu stark belastet wird, auf diese verschoben werden kann (Art. 34, Abs. 2). Im übrigen soll das Gericht nicht nur auf Antrag einer Partei (wie
bisher), sondern auch von Amtes wegen die vom Instruktionsrichter vorgenommenen Beweiserhebungen ergänzen können. Bndlich ist noch auf die beim Bundesgericht bestehende Übung hinzuweisen, dass der Instruktionsrichter in wichtigen Fällen einen Kollegen zur Beweisaufnahme beizieht; der Entwurf schreibt nun .vor, dass zu Zeugeneinvernahme, Augenschein und Parteiverhör ein zweiter Richter beizuziehen ist (Art. 5, Abs. 3).

2. Der Schriftenwechsel, soll er massvoll beschränkt sein, und das Instruktionsverfahren, soll der Instruktionsrichter Entscheidungsreife im ganzen herbeiführen, bedingen die Konzentration des tatsächlichen Vorbringens und der Beweisanträge in der Weise, dass alle Angriffs- lind Verteidigungsmittel auf einmal vorzubringen sind. Es ist also an der Eventualinaxime festzuhalten, jedoch wird ihre Durchführung gemildert (Art. 19, Abs. 2). Die Parteien können

994 ergänzende Tatsachen und Beweismittel nachträglich vorbringen, soweit sie solche vorher anzubringen nicht in der Lage waren (wie insbesondere wenn es sich um neu eingetretene Tataachen handelt) oder wenn die Verspätung sonst entschuldbar ist (insbesondere weil die Tatsache oder das Beweismittel vorher trotz gehöriger Nachforschung nicht bekannt war). Zudem kann, ohne dass diese Voraussetzungen vorliegen, der Eichter von Amtes wegen neues Vorbringen berücksichtigen, wenn dies ira Interesse der Feststellung des wahren Sachvorhaltes geboten erseheint; in diesem Falle hat die Partei die durch die Verspätung entstehenden Mehrkosten des Verfahrens zu tragen. Zu dieser Möglichkeit, von Amtes wegen neues Vorbringen zu berücksichtigen, ·-- die namentlich auch Bedeutung erlangen wird für Ergänzungen, auf die der Eichter ·selbst in Ausübung der'ihm Obliegenden materiellen Prozessleitung hingewirkt haben wird (Art. 3) -- führt der erläuternde Bericht des Verfassers des Vorentwurfes aus: «Es ist keine Gefahr, dass sie zu einem Freibrief für trölerisches Verhalten der Parteien werden könne. Dem wirkt schon die Kostenstrafe entgegen, die eintritt, wenn die Ergänzung eine Duplik des Beklagten oder die Vertagung der Verhandlung nötig macht. Vor allem aber können die Parteien nie wissen, was der Eichter der Berücksichtigung von Amtes wegen wert erachten wird. Und wenn er etwa als Grund der Verspätung grobe Nachlässigkeit oder gar Verschleppungsabsicht bei der Partei erkennt, so wird er selbst erhebliche Ergänzungen zurückweisen. Denn die Berücksichtigung von Amtes wegen .steht in seinem Ermessen und pflichtmassiges Ermessen gebietet natürlich nicht, die Sorge für die richtige Entscheidung allen Anforderungen der guten Ordnung im Prozesse voranzustellen.» Durch diese Eegelung wird eine ungerechtfertigte harte Behandlung der Partei vermieden, der eine wichtige Tatsache zunächst entgeht, ohne dass ihr grobe Nachlässigkeit vorgeworfen werden kann. Der Entwurf schlägt somit einen Mittelweg ein, der sowohl die Gefahr der Prozessverschleppung wie das Eisiko unvollständiger Urteilsgrundlage vermeiden soll.

Angriffs- und Verteidigungsmittel, die nicht neues tatsächliches Vorbringen bedingen, können die Parteien bis zum Schluss der Hauptverhandlung ohne Sanktion ergänzen. Dies ist etwa denkbar für die Einreden der
Verjährung, der Zurückbehaltung oder der Verrechnung, wenn die begründenden Tatsachen bereits vorgebracht worden sind.

Im Zusammenhang mit der Abschwächung der Eventualmaxime steht die Zulassung der Klageänderung. Wir zitieren hierüber folgende Ausführungen aus den Erläuterungen zum Vorentwurf: «Dem Unvoreingenommenen ist das Klageänderungsverbot schlechtweg unverständlich. Er vermag nicht einzusehen, warum er, wenn im Laufe des Prozesses eine weitere Kapitalrate oder ein weiterer Jahreszins fällig wird, sie nicht mit soll einklagen dürfen, sondern gegen den wider-

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spenstigen Schuldner einen zweiten Prozess soll beginnen müssen; warum er nach Eintritt der Fälligkeit vom Feststellungsbegehren nicht auf das Leistungsbegehren soll übergehen können; warum er nach Einklagung der Leistung, wenn sie sich im Laufe des Prozesses wider Erwarten als unmöglich .

erweist, nicht das Interesse, den Ersatz des Schadens soll verlangen dürfen; warum er die Minderungs- nicht in die Wandlungsklage überführen darf, wenn die gerichtliche Expertise einen viel grösseren als den angenommenen Minderwert herausstellt, sondern von jener (kostenfällig) abstehen soll, um diese anstellen zu können; warum er unter gleichen Umständen seine Schadenersatzklage nicht soll erhöhen dürfen. Er betrachtet als Schikane, dass sein Kechtsirrtum, der die Stellung eines ungenügenden Eechtsbegehrens bewirkt hat, fortwirken muss, auch wenn er desselben noch während den Verhandlungen gewahr wird; dass seine fehlerhafte Bechtsverfolgung dem Gegner vorteilhaft sein muss, sieht er natürlich ein, aber dass das Gesetz den ungehörigen Vorteil unwiderruflich garantiert, das nimmt nur gelassen hin, wen die Herrschaft der Eventualmaxime oder falsche Vorstellungen über das .Wesen der Litiskontestation von der Unabänderlichkeit überzeugen.» Das Verbot der Klageänderung war allerdings schon im römischen Prozessrecht bekannt ; dort war es ein Ausfluss der Litiskontestation, die dem Zwecke diente, die Streitfrage durch den Magistrat für den Judex (Geschworenen) zu formulieren. Mit dieser Formulierung, die der Annahme beider Parteien bedurfte und übrigens nicht mit der Klageeinreichung zusammenfiel, war die Unabänderlichkeit des Eechtsstreites verbunden.

« Ohne diese römische Eigenart des Verfahrens besteht dagegen durchaus keine Notwendigkeit, den Eechtsstreit unabänderlich sein zu lassen, ja den streitigen Sachverhalt sogar gewissermassen in den Gefrierschrank zu legen und nicht einmal von Veränderungen desselben durch Eintritt neuer Tatsachen während der Rechtshängigkeit Notiz zu nehmen. Vielmehr drängt eine natürliche Betrachtung der Dinge dahin, das Verfahren anpassungsfähig an den wahren Tatbestand zu gestalten, und die Aufgabe der Eventualmaxime ermöglicht das. Die Wirkung der Festlegung des Sachverhaltes auf den Zeitpunkt der Litiskontestation und mithin der Beurteilung des streitigen Verhältnisses auf diesen
Zeitpunkt, statt auf denjenigen des Urteils, darf also der Klageinreichung nicht zukommen.* Daraus folgt die Zulassung der Änderung des Eechtsbegehrens : «Ist sie aber einmal zugelassen, so soll sie nicht davon abhängig sein, ob die motivierenden Tatsachen seit der Klageeinreichung oder vorher entstanden sind und ob die Änderung überhaupt mit einem Novum motiviert wird oder nicht, sie soll auch auf Grundlage des bisher geltend gemachten Tatbestandes möglich sein, wenn der Kläger zur Einsicht kommt, dass sein Eechtsbegehren ungenügend ist, um das der Klage gesetzte Ziel zu erreichen.»

996 Die -- auch dem Zivilpiözessrecht unserer Nachbarländer bekannte -- Klageänderung ist nicht nur <
Erfolgt die Änderung der Eechtsbegehren auf Grund des unveränderten Tatbestandes, so bedeutet sie lediglich einen andern oder weitergehenden Eechtsschluss aus dem Klagefundament, und deshalb ist sie unter allen Umständen zulässig. Geschieht sie unter Änderung des Tatbestandes, so ist sie dank der Beschränkung neuen Vorbringens gemäss Art. 19, Abs. 2 ohnehin nur mit richterlicher Bewilligung statthaft. Das im Art. 26 aufgestellte Erfordernis, dass der andere oder weitere Anspruch mit dem bisher geltend gemachten im Zusammenhang stehen müsse, beruht auf der Erfahrung, dass praktisch nur unter dieser Voraussetzung ein Bedürfnis nach Klageänderung besteht; insbesondere trifft dies für das direkte Verfahren vor dem Bundesgericht zu.

Die Abschwächung der Eventuahnaxime und die Zulassung der Klageänderung führen auch dazu, das Institut der «Beform».abzuschaffen.

Im Zusammenhang mit der Eventualmaxime und deren Ausgestaltung ist noch zur Frage Stellung zu nehmen, ob prozesshindernde Einreden vorzusehen seien, durch die der Beklagte von Gesetzes wegen der Pflicht zur materiellen. Einlassung auf die Sache enthoben wird. Abgesehen vom Fall eines. Kostensicherheitsbegehrens des Beklagten (Art. 28, Abs. 2) kennt der Entwurf --· wie schon der alte BZP -- keine prozessualen Einwendungen, die (wie es bei den prozesshindernden Einreden im gemeinrechtlichen Prozess der Fall war) den Beklagten von Gesetzes wegen von der Pflicht zur materiellen Einlassung befreien. Es genügt, wenn im Interesse der Beschleunigung und Vereinfachung des Verfahrens dem Instruktionsrichter unter den besondern Voraussetzungen des Art. 30 die Befugnis eingeräumt wird, die Beschränkung der Antwort auf Einwendungen gegen die prozessuale Zulässigkeit der Klage zu verfügen, wenn diese ernstlich in Zweifel zu ziehen ist. -In der gleichen Linie liegt sodann die Bestimmung von Art. 34, Abs. 3, wonach der Instruktionsrichter das Vorbereitungsverfahren auf die Frage der prozessualen. Zulässigkeit, sowie auf einzelne materielle Fragen beschränken kann, durch deren Beurteilung der Eechtsstreit voraussichtlich beendigt wird.

3. Den
Grundsatz der Verhandlungsmaxime schränkt der Entwurf ganz erheblich zugunsten einer verstärkten richterlichen Offizialtätigkeit ·--· der materiellen richterlichen Prozessleitung -- ein, wie dies in den neuern kantonalen und ausländischen Prozessordnungen durchwegs der Fall ist. Die Beschaffung des Prozeßstoffes bleibt zwar in erster Linie Sache der Parteien; deren gegensätzliches Interesse an günstiger Entscheidung bildet den besten Ansporn für möglichst vollständige Beschaffung des Prozeßstoffes.

Dagegen darf und soll der Eichter zur Verbesserung und Ergänzung des Parteivorbringens eingreifen. In bezug auf Fragen, die von Amtes wegen zu prüfen sind -- wie die Voraussetzungen für die Zulässigkeit der Klage und der übrigen Prozesshandlungen -- hat der Eichter ohne Eücksicht auf .das Verhalten der

997 Parteien für restlose Abklärung der maßgebenden Tatsachen zu sorgen (Art. 8, Abs. 1) ; denn insoweit hat der Staat ein eigenes Interesse zu wahren. Aber auch abgesehen von den Fragen, die von Amtes wegen zu prüfen sind, räumt der Entwurf dem Eichter bestimmte Befugnisse ein. Der Richter ist zwar nach wie vor an die Eechtsbegehren der Parteien gebunden, da diesen die ausschliessliche Verfügung über don Streitgegenstand zusteht; die Sachanträge der Parteien bestimmen den Eahmen des Prozesses, und über sie darf das Urteil nicht hinausgehen. Ebenso wird am Grundsatz festgehalten, dass im Urteil nur Tatsachen berücksichtigt werden dürfen, die von den Parteien geltend gemacht worden sind. Dagegen soll der Bichter. die Parteien auf ihren Bechtsbegehren anhaftende Mängel aufmerksam machen und auch darauf hinwirken, dass sie die Tatsachen vollständig angeben. Der Partei bleibt es überlassen, ob sie das Eechtsbegehren ändern und das Vorbringen ergänzen will. Ferner darf der Bichter nicht nur darauf hinwirken, dass die Parteion ihre Beweismittel vollständig angeben, sondern er kann auch Beweismittel beiziehen, die von den Parteien nicht angeboten worden sind (Art. 87).

Der Eichter wird allerdings nicht eingreifen, um eine Partei vor den Folgen offensichtlicher Nachlässigkeit zu bewahren. Seine Tätigkeit.ist darauf gerichtet, die Anstrengungen der Parteien zu unterstützen. Ein wichtiges Mittel bei dieser Offizialtätigkeit ist die informatorische Befragung der Partei zum Zwecke der Beschaffung des Prozeßstoffes. Diese Einvernahme zu Instruktionszwecken (Art. 8, Abs. 2) ist zu unterscheiden vom Parteiverhör (Art. 62), das ein Beweismittel ist. In bezug auf das Eingreifen des Eichters auf Grund von Art. 3, Abs. 2, zitieren wir folgende Ausführungen aus den Erläuterungen zum Vorentwurf: «Tun die Parteien schon von sich aus das Erforderliche, um so besser.

Die Parteien haben auch keinen Anspruch auf das Eingreifen des Eichters.

Es ist seinem Ermessen überlassen, das vom Bestreben geleitet wird, das wahre Eecht zu finden. Voraussetzung ist dabei, dass die Partei selbst die ihr im Prozesse zuzumutende Sorgfalt anwende. Der Eichter ist nur berufen, die Anstrengungen der Parteien zu unterstützen, er hat nicht ihre Pflichten auf die eigenen Schultern zu nehmen. So sehr es dem Eichteramt entspricht, eine Partei
zu unterstützen in ihrem redlichen Bemühen, das ihrem Eecht- entsprechende Urteil zu finden, so verkehrt wäre es, an Stelle der Partei, die sich nur lässig für ihr Eecht wehrt, das Nötige zu tun. Da äussert sich denn doch wieder die Natur des Privatrechtsanspruches, die uns argumentieren lässt: Wo die am Streit interessierte Partei willentlich sich nicht.richtig wehrt, wird sie vernünftigerweise nicht verlangen dürfen, dass ein Anderer, Nichtinteressierter, sich für sie einsetze. Darum wird der Eichter in Fällen, wo die mangelhafte Substanzierung oder Beweismittelnennung auf Nachlässigkeit zurückzuführen ist, nicht eingreifen, sondern die Partei kühl die Folgen ihrer Nachlässigkeit tragen lassen.» Die Einschränkung der Verhandlungsmaxime wirkt sich auch bei den Säumnisfolgen aus. Das Untätigbleiben einer Partei hat nicht mehr notwendig

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den Sieg der Gegenpartei zur Folge, sondern zieht nur diejenigen Polgen nach sich, die erforderlich sind, um den Fortgang und Abschluss des Verfahrens gegen den Willen des Säumigen zu ermöglichen. Der Prozess geht weiter ohne die versäumte Handlung, der Eechtstag -wird einseitig mit der erschienenen Partei durchgeführt. Der Eichter hat über die infolge Ausbleibens einer Partei unbestritten gebliebenen Behauptungen des Gegners Beweise zu erheben, wenn Gründe vorliegen, an ihrer Bichtigkeit zu zweifeln (Art. 12).

4. Auch im Beweismittelsystem des Entwurfs kommt die Tendenz zum Ausdruck, dem materiellen Eecht zum Durchbruch zu verhelfen. Zu diesem Zweck wird zunächst dem Eichter entscheidender Einfluss auf die Abgrenzung und Gestaltung des Beweisverfahrens eingeräumt. Dies zeigt sich bei der Abgrenzung der beweisbedürftigen Tatsachen und bei der Bestimmung der Beweismittel. Der letzterwähnte Punkt steht in engem Zusammenhang mit der Zurückdrängung der Verhandlungsmaxiine (Ziff. 8 hievor). Für die Abgrenzung der beweiabedürftigen Tatsachen bildet den Ausgangspunkt der 'Grundsatz, dass nur über erhebliche und bestrittene Tatsachen Beweis zu erheben ist. Nur ein ausdrückliches Geständnis schliesst die Beweisbedürftigkeit schlechthin aus. Wo kein solches vorliegt, hat der Eichter nach dem gesamten Vorbringen und dem Verhalten der Partei im Prozesse zu beurteilen, ob eine Tatsache als bestritten anzusehen sei. Werden einem -Geständnis Zusätze oder Einschränkungen beigefügt, so entscheidet der Eichter unter Würdigung der Umstände, inwiefern das Geständnis dadurch unwirksam wird; die gleiche Eegel gilt auch für den Widerruf des Geständnisses. Ebenso ist nach richterlichem Ermessen zu beurteilen, inwiefern zufolge eines aussergerichtlichen Geständnisses ein Beweis unnötig wird.

Im Interesse der Ermittlung der materiellen Wahrheit wird der Grundsatz der freien richterlichen Beweiswürdigung zum alles beherrschenden Prinzip erhoben. Insbesondere kennt der Entwurf keine Beweismittel, die eine für den Eichter verbindliche formelle Wahrheit schaffen. Überhaupt räumt er mit den Überresten der gesetzlichen Beweistheorie (z, B. beim Urkundeiibeweis) auf. Er unterstellt alle Beweismittel denselben Grundsätzen. So kennt er keine unfähigen oder ablehnbaren Zeugen; es ist vielmehr Sache des Eichters, bei der Würdigung
der Aussage der Persönlichkeit des Zeugen und dessen Beziehungen zu den Parteien Bechnung zu tragen. Der Parteieid, den der alte BZP in der Form des zugeschobenen, des Ergänzungs- und des Entkräftungseides kennt, wird durch das Parteiverhör ersetzt. Die Erfahrung lehrt, dass das Parteiverhör bei geschickter Handhabung des Fragerechts durch den Eichter ein ausgezeichnetes Erkenntnismittel darstellt. Viele kantonale Prozessordnungen kennen das Parteiverhör-; in den angelsächsischen Ländern wurde es von jeher geübt, ebenso ist es in Österreich und neuestens in Italien im Gebrauch. Das Parteiverhör als Beweismittel (Art. 62) ist als Parteiaussage ohne Straffolge ausgestaltet. Gelegentlich mag das Bedürfnis bestehen, einen letzten Zwang zur Wahrhaftigkeit auf die Partei auszuüben, was durch nochmalige Abhörung, diesmal unter Straffolge (Art. 806 StGB) erreicht wird; es

999 ist dies die «Beweisaussage» der Partei (Art. 64). Während das einfache Parteiverhör mit beiden Parteien vorgenommen wird, wenn sie beide Wahrnehmungen über eine Tatsache gemacht haben, findet das qualifizierte (Art. 64) nur mit einer Partei statt, natürlich mit derjenigen, deren Bestätigung unter dem Zwang der Straffolgen für das Gericht nach dem Ergebnis der einfachen Abhörung die grössere Überzeugungskraft haben wird.

Im Gegensatze zum alten BZP werden Geständnis und Indizien nicht mehr unter den Beweismitteln aufgeführt. Das Geständnis hat, wie bereits erwähnt, seinen systematisch richtigen Platz bei der Abgrenzung der beweisbedürftigen Tatsachen gefunden. Die sog. Anzeigen oder Indizien werden im Entwurf gar nicht erwähnt; denn es handelt sich dabei nicht um Beweismittel, sondern um Tatsachen, die einen Schluss auf das Beweisthema zulassen, ihrerseits aber durch die gewöhnlichen Beweismittel bewiesen werden müssen.

u. Die einzelnen Bestimmungen.

1. Anwendungsbereich und Zuständigkeit (Art. l und 2).

Art. 1: Der Entwurf regelt das Verfahren in den vom Bundesgericht als einziger Instanz zu beurteilenden Zivilstreitigkeite« ; es sind dies die in Art. 41 und 42 des Bundesgesetzes über die Organisation der Bundesrechtspflege (im folgenden OG zitiert) bezeichneten Streitigkeiten. Die allen Verfahren vor Bundesgericht gemeinsamen Vorschriften sind schon im OG enthalten, so dass der Entwurf einfach auf sie verweisen kann. Art. l, Abs. 2 enthält daher eine allgemeine Verweisung auf die Titel I (Allgemeine Bestimmungen), IX (Revision und Erläuterung bundesgerichtlicher Entscheide) und X (Vergütungen und Prozesskosten) des OG. An einzelnen Stellen finden sich im Entwurf noch spezielle Verweisungen auf einzelne Bestimmungen aus diesen Titeln des OG; dies geschieht da, wo eine solche Erinnerung als besonders angezeigt erscheint.

Zur Verweisung auf den IX. Titel des OG ist zu bemerken, dass Art. 139 OG für die Eevision von Zivilurteileii des Bundesgerichts als einziger Instanz die Vorschriften des BZP vorbehält. Es zeigt sich nun, dass es nicht nötig ist, hinsichtlich dieser Urteile von der Eegelung abzuweichen, die für die übrigen bundesgerichtlichen Urteile (ausgenommen diejenigen der Strafgerichtsbehörden des Bundes) gilt. Insbesondere zeigt sich, dass Art. 187 OG auch im Hinblick auf das
Beweismittel des Parteiverhörs genügt. Die falsche Beweisaussage der Partei (Art. 64 des Entwurfs) fällt unter lit. a des Art. 137 OG. Die falsche Aussage im einfachen Parteiverhör (Art. 62) fällt zwar nicht darunter, da sie nicht kriminell strafbar ist; wenn aber eine Partei nach dem Prozesse gesteht, im einfachen Parteiverhör falsch ausgesagt zu haben, so kann ein solches Geständnis unter lit, & des Art. 137 OG subsumiert werden. Mangels eines Bedürfnisses nach abweichenden Vorschriften und wegen des Vorteils einer einheitlichen Eegelung der Eevision für alle bundesgerichtlichen Urteile (abgesehen von denjenigen der Strafgerichtsbehörden), hebt Art. 86 des Entwurfs

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den in Art. 139 0G stehenden Vorbehalt einer Sonderregelung für den direkten Zivilprozess vor Bundesgericht auf und Art. l, Abs. 2 schliesst in seine Verweisung auf das OG dessen IX. Titel ein.

Subsidiäre Anwendung finden die Vorschriften des Entwurfs auf die übrigen im OG geregelten Zweige der Bechtspflege durch das Bundesgericht.

Wo nämlich das OG keine besondern Bestimmungen über das Verfahren enthält, gelangen gemäss Art. 40 OG die Vorschriften des BZP subsidiär zur An^ wendung.

Art. 2: Der alte BZP enthält keine Vorschriften über die Zuständigkeit.

Die Erläuterungen zum Vorentwurf gehen von der Auffassung aus, die sachliche Zuständigkeit sei im OG geordnet und die örtliche gelte als selbstverständlich in dem Sinne, dass das Bundesgericht die Klage entgegenzunehmen hat, «wenn sie, wäre nicht seine sachliche Zuständigkeit gegeben, vor einem kantonalen Gericht angebracht werden könnte, sei es nach der eidgenössischen oder nach der .Gerichtsstandsordnung jenes Kantons». Deshalb wird in den Erläuterungen zum Vorentwurf der Abs. 2 des Art. 2 folgendermassen begründet: «Das Bundesgericht tritt kraft seiner sachlichen Zuständigkeit einfach an Stelle des primär zuständigen kantonalen Gerichts. Das verdient aber, im-Gesetze gesagt zu werden. Wohl ist bei gegebener sachlicher Zuständigkeit des Bundesgerichts gemäss Art. 41 OG ausnahmslos zugleich ein Gerichtsstand in der Schweiz vorhanden; bei den Ansprüchen nach Art. 42 OG ist es aber nicht notwendig der Fall (z. B. persönliche Klage eines Kantons gegen einen Privaten mit Wohnsitz im Ausland). Wenn auch praktisch mit solchen Ausnahmen vielleicht nicht gerechnet zu werden braucht, so lässt nichtsdestoweniger ihre Möglichkeit die Bestimmung über die örtliche Zuständigkeit angezeigt erscheinen.» Abs. 3 des Art. 2 betrifft die Prorogationsgerichtsbärkeit (Art, 111 der Bundesverfassung), Hierüber bestimmt Art. 41, ht. c, letzter Satz OG, dass das Bundesgericht als einzige Instanz zivilrechtliche Streitigkeiten beurteilt, «wenn das Bundesgericht von beiden Parteien an Stelle der kantonalen Gerichte angerufen wird und der Streitwert wenigstens Fr. 10 000 beträgt». Der Hinweis «an Stelle der kantonalen Gerichte» wurde im OG von 1948 angebracht, um klarzustellen, «dass der Prorogation in zivilrechtlichen Streitigkeiten nur dann Folge zu geben ist, wenn für
die Klage ohnehin ein Gerichtsstand in der Schweiz begründet ist» (BEI. 1948, 116). Durch diesen Hinweis hat das OG für die Prorogationsgerichtsbarkeit gerade die Begel über die. örtliche Zuständigkeit aufgestellt, die Art. 2, Abs. 2 des Entwurfs für alle direkten Zivilprozesse vor Bundesgericht aufstellen will. Die Erläuterungen zum Vorentwurf halten eine weitere Einschränkung der Prorogationsgerichtsbarkeit für nötig; sie führen nämlich aus: «Es gibt kantonale Prozessgesetze, die in weitestem Umfang die Vereinbarung der örtlichen Zuständigkeit kennen, entweder mit oder ohne

1001 Befugnis des Pachters, die Anhandnahme von Amtes wegen abzulehnen (vgl. z. B. Bern 27, AI. 2, und Zürich 16 mit Basel 11). Das Bundesgericht sollte aber nicht verpflichtet werden können, im direkten Verfahren einen Streit zu beurteilen, der weder in Ansehung der Parteien noch des Gegenstandes eine Beziehung zur Schweiz hat, wenn die Gesetzgebung des Kantons, wo der (örtliche) Gerichtsstand vereinbart ist, die Ablehnung nicht kennt.» .

Deshalb wurde der erste Satz von Abs. 3 aufgenommen. Er würde aber dazu führen, dass das Bundesgericht sogar eine zwischen zwei Auslandschweizern vereinbarte Prorogation ablehnen könnte. Eine genügende Binnenbeziehung, die eine Ablehnung der Zuständigkeit nicht rechtfertigen würde, liegt aber auch dann vor, wenn der Kläger in der Schweiz wohnt oder Schweizerbürger ist. Der zweite Satz von Abs. 3 schreibt ausdrücklich vor, unter diesen Voraussetzungen sei das Bundesgericht zur Annahme der Klage verpflichtet.

2. Allgemeine Grundsätze des Verfahrens (Art. 3--8).

Art. 3: Die Zulässigkeit der Klage und aller weitern Prozesshandlungen prüft der Eichter von Amtes wegen. Alle Prozessmängel -- die des Prozesses als ganzen wie die einzelner Prozesshandlungen --- sollen also von Amtes wegen, nicht bloss auf Einrede hin beachtet werden. Einer besondern Ordnung unterliegt die Sicherstellung der .Parteikosten des Beklagten (Art. 28, Abs. 2). Sie setzt ein Begehren des Beklagten voraus.

Der Beklagte hat das Becht, seine Einwendungen wegen Prozessmängel zu erheben (Art. 29, lit. a). Sie sind aber lediglich Anregung zu der dem Eichter von Amtes wegen obliegenden Prüfung. Sie sind um so willkommener, als die amtliche Prüfungspflicht des Eichters natürlich nicht so gemeint ist, dass dieser von vornherein jede einzelne Voraussetzung des Verfahrens zu erforschen habe; der Eichter genügt ihr, wenn er die erforderlichen Feststellungen trifft, sobald Anhaltspunkte für einen Prozessmangel vorliegen.

Allgemein ist zu bemerken, dass es überall, wo der Eichter von Amtes wegen zu handeln hat, den Parteien frei steht, ihm Anregungen zu unterbreiten.

Über den Abs. 2 des Art. 8 ist das Wesentliche in den Bemerkungen über Verhandlungsmaxime und richterliche Prozessleitung gesagt worden (Ziff. I, 3 hievor).

Art. ö: Der Instruktionsrichter bereitet den Eechtsstreit für die Hauptverhandlung
vor. Er leitet den Schriftenwechsel und führt das Vorbereitungsverfahren durch (Art. 34). Endigt der Eechtsatreit, bevor es zur Hauptverhandlung kommt, durch gerichtlichen Vergleich oder Abstand, so entscheidet der Instruktionsrichter über die Prozesskosten (Abs. 2). Auf den Abs. 8 wurde schon in den Ausführungen über die Mittelbarkeit des Verfahrens hingewiesen (Ziff. I, l hievor).

1002 Art. 6; Nach Abs. l kann das Verfahren aus Zweckmässigkeitsgründen ausgesetzt werden, so insbesondere, wenn das Urteil von der Entscheidung in einem andern Rechtsstreit beeinflusst werden kann. Wenn z. B. der Entscheid im andern Prozess von präjudizieller Bedeutung ist, ist die Einstellung geboten, um einander widersprechende Urteile timlichst zu vermeiden. Aber auch wenn in mehreren Prozessen dieselbe Rechtsfrage zur Entscheidung steht, ist es denkbar, dass die Entscheidung des ersten Falles zur gütlichen Erledigung der übrigen führe, weshalb sich aus Gründen der Prozessökonomie das Aussetzen des Verfahrens in diesen übrigen Fällen rechtfertigt. Von Gesetzes wegen ruht das Verfahren im Falle des Todes einer Partei (Abs. 2--4) und in den besonders bestimmten Fällen (z. B. Art. 207 SchKG).

i?. Zeitbestimmungen, Säumnis und Wiederherstellung (Art. 9--13).

Art. 9: Von der Aufnahme einer Vorschrift, wonach Ladungen den am Rechtstag anwesenden Parteien mündlich bekanntgegeben werden, ist abgesehen worden; es soll immer eine schriffcliche Mitteilung gemacht werden.

Der Entwurf stellt minimale Ladungsfristen nicht auf. Dem Bundesrichter darf gewiss überlassen werden, die Ladungsfrist nach seinem Ermessen zu bestimmen.

Abs. 2 des Art. 10 stimmt inhaltlich mit Art. 29, Abs. 4 00 überein. Er wird gleichwohl aufgenommen, weil der Abs. l des Art. 10 notwendig ist und Abs. 2 sich fast zwangsläufig daran anschliesst, Art. 11: Dem Kläger, dem die Adresse des Beklagten unbekannt ist, sind Nachforschungen zuzumuten, bevor er für seine Klage die öffentliche Zustellung in Anspruch nimmt (Abs. l, Säte 2). Er muss vorher versuchen, durch zweckmässige, der Sachlage entsprechende Nachforschungen die Adresse zu ermitteln. Mitunter kommt aber auch der Fall vor, dass zwar die Adresse bekannt ist und die Zustellung an diese Adresse im Ausland zu geschehen hätte, dort aber voraussichtlich unausführbar ist (vgl. BGE 68 3,14). Wenn in einem derartigen Falle mit Bestimmtheit anzunehmen ist, dass eine im Ausland notwendige Zustellung unmöglich ist, lässt Abs. 2 des Art. 11 die Zustellung durch öffentliche Bekanntmachung zu, da sie hier ein unentbehrliches Mittel ist, den Prozess zu fördern.

Art. 12: Die Sänmnis soll nur diejenigen Folgen nach sich ziehen, die unvermeidlich sind. Das Verfahren geht ohne die versäumte
Prozesshandlung weiter, der Rechtstag wird einseitig mit der erschienenen Partei durchgeführt.

Vom Rechtstag abwesend ist eine Partei, wenn weder sie selbst noch ihr bevollmächtigter Vertreter erschienen ist; erscheint die persönlich geladene Partei lediglich durch ihren Vertreter, so setzt sie sich den Folgen des Art. 40 aus.

Bleiben beide Parteion von einem Rechtstag aus, so muss der Richter die Möglichkeit haben, den Prozess abzuschreiben, wenn das Ausbleiben nicht hinreichend entschuldigt wird.

1003 Infolge Säumnis einer Partei unbestritten gebliebene tatsächliche Behauptungen der Gegenpartei kann der Bichter als unbestritten behandeln, es sei denn, dass Gründe vorliegen, an ihrer Eichtigkeit zu zweifeln. Ist dies der Fall, so soll der Bichter Beweis aufnehmen (Abs. 3). Dass der Beweisgegner abwesend ist, hindert eine Beweisaufnahme nicht; diese ist ja amtliche Tätigkeit des Eichters. Beicht der Beklagte keine Antwort ein, so wird in der Eegel zur Hauptverhandlung geladen werden können; in den Ausnahmefällen, wo der Bichter Bedürfnis nach Beweis der Behauptungen des Klägers hat, setzt er eine Vorbereitungsverhandlung an. Dasselbe was für den Klagetatbestand, wenn keine Antwort eingereicht worden ist, gilt auch für bestreitungsbedürftige Behauptungen der Antwort oder Beplik, wenn der Kläger die verfügte Beplik oder der Beklagte die verfügte Duplik versäumt hat, und auch für bestreitungsbedürftiges neues tatsächliches Vorbringen gemäss Art. 19, Abs. 2 in der Vorbereitungs- und in der Hauptverhandlung, wenn die Gegenpartei ausgeblieben ist. Das Ausbleiben von der Vorbereitungs- oder Hauptverhandlung entbindet dagegen den Eichter nicht, bisheriges Anbringen des Ausgebliebenen zu berücksichtigen, die Beweise hiezu wie sonst zu erheben und zu würdigen und in der Hauptverhandlung die Bechtsanwendung auf den festgestellten Tatbestand wie immer von Amtes wegen vorzunehmen.

Durch diese Ordnung der Säumnisfolgen wird die Fiktion der Vertretung des säumigen Streitgenossen durch den nicht säumigen unnötig. Wenn nämlich die mehreren Kläger, oder Beklagten dieselbe Sache vertreten -- insbesondere bei gemeinsamem Streitgegenstand oder bei Solidarität --, ist das Ausbleiben einzelner Kläger oder Beklagter nicht nachteilig, sofern nur einer handelt; In derartigen Fällen wird sich daher auch eine Wiedereinsetzung des säumigen einzelnen Klägers oder Beklagten erübrigen (vgl. Art. 18, Abs. 2).

Die Vorschrift über die Wiederherstellung gegen Versäumnis -- Art. 13 -- entspricht dem Art. 85 OG, ausgedehnt auf den Fall der Versäumung eines Eechtstages. In Fällen, in denen -- z, B. dank dem richterlichen Handeln von Amtes wegen ·-- die Säumnis keinen Einfluss auf das Urteil haben kann, hätte es keinen Sinn, Wiederherstellung zu gewähren (Abs. 2). Da die Wiederherstellung eine Angelegenheit zwischen dem Säumigen
und dem Gericht ist, wird eine Anhörung der Gegenpartei nicht vorgesehen.

4. Parteien und am Rechtsstreit beteiligte Dritte (Art, 14--18J.

Art. 14; Partei- und Prozessfähigkeit sind die Äusserungen der Eechtsund Handlungsfähigkeit im Prozess. Also bestimmt sie für private Subjekte das Zivilgesetz, für öffentliche das Staats- und Verwaltungsrecht. Da immerhin für die Prozessfähigkeit vom beschränkt Handlungsfähigen (urteilsfähigen Unmündigen und Bevormundeten) die Massgeblichkeit des materiellen Eechts nicht so selbstverständlich zu sein scheint, ist Art. 14 aufgenommen worden.

Art. 15: Der Entwurf sieht die Hauptintervention nicht vor. Der diese rechtfertigende Tatbestand gehört mehr der Schule als dem Leben an. Kommt er einmal vor, so verliert der Drittansprecher nichts, wenn er nicht inter-

1004 venieren kann. Seine Eechte gegen den Sieger im hängigen Prozess bleiben ihm gewahrt; sie können -wenn nötig durch provisorische Verfügung gesichert werden. Der Drittansprecher kann auch, falls er es vorzieht, sogleich gegen die eine oder andere Partei oder gegen beide Klage einreichen; in diesem Fall mag der Streit zwischen diesen durch den Bichter eingestellt werden. Die Hauptintervention ist ein Tummelplatz widersprechender Theorien und würde eine einlässliche Ordnung im Gesetze notwendig machen, die jedoch in Anbetracht der Seltenheit der. Falle das Gesetz über Gebühr belasten würde.

So ist z, B. gerade die Wirkung, die man sich von der Hauptintervention am ehesten sollte, versprechen können, die Einheitlichkeit der Entscheidung gegenüber allen Prätendenten und die Vermeidung widersprechender Urteile, heftig umstritten. · Da der Entwurf nur eine Intervention kennt, die sog. Nebenintervention, darf er sie kurz als «Intervention» bezeichnen. Über die Zulässigkeit der Intervention entscheidet während des Schriftcnwechsels und des Vorbereitungsverfahrens der Instruktionsrichter. Sein Entscheid kann an das Gericht weitergezogen werden. Denn sonst würde im Falle der Ablehnung der Intervention keine Möglichkeit mehr bestehen, einen allfälligen Missgriff des Instruktionsrichters zu korrigieren. Und bei Zulassung der Intervention hat die Gegenpartei ein schutzwürdiges Interesse daran, dass sie die Erschwerung, die der Beitritt eines Dritten als Gehilfe .ihres .Gegners für sie bedeutet, wirklich nur dann auf sich nehmen muss, wenn die gesetzlichen Voraussetzungen dafür gegeben sind.

Der Intervenient wird nicht Partei, er ist bloss Gehilfe der unterstützten Partei. Seine Stellung ist verschieden je nach der Wirkung, die das zwischen den Prozessparteien ergehende Urteil für ihn haben wird. Prozessuale Rechtskraft für oder gegen den Interveniente!! wird zwar dieses Urteil nicht haben, da der Intervenient nie Partei ist. Hingegen kann das Urteil entweder als Beweisgrund für das Rechtsverhältnis zwischen dem Intervenienten und der unterstützten Partei Bedeutung haben -- z. B. bei Regress- oder Gewährleistungspflicht des Intervenienten -- oder es kann weitergehend die Rechtsbeziehung zwischen ihm. und dem Gegner unmittelbar normieren, weil nach dem materiellen Recht die durch das Urteil geschaffene
Rechtslage auch für sie Regel macht --· 2. B. wenn die im Streite liegende Forderung verpfändet ist; denn wird die Forderung aberkannt, so ist mit dem Gläubigerrecht der unterstützten Partei auch sein Pfandrecht inexistent. In diesem zweiten Falle (Abs. 8) soll sich der Intervenient unabhängig von der unterstützten Partei wehren können. Er kann zwar nicht über den im Streite liegenden Anspruch verfügen (z. B. die Klage ändern, den Abstand erklären oder den Streit nach dem Abstand der unterstützten. Partei weiterführen), aber er kann alle prozessualen Handhingen, die keine Verfügung über den Anspruch in sich schliessen, auch wider den Willen der unterstützten Partei vornehmen. Dagegen ist der nicht selbständige Intervenient durch den Willen der unterstützten Partei gebunden (Abs. 2).

1005 Art. 16: Die Wirkungen der Streitverkündung im Verhältnis zwischen dem Verkünder und dem Empfänger gehören dem materiellen Becht an, und zwar nicht nur in den Fällen, wo das materielle Gesetz sie ausdrücklich vorsieht -- z. B. Art. 193 und 258 OB ---, sondern in allen Fällen der Gewährleistung oder Schadloshaltung, da sie ein Ausfluss des Handelns nach Treu und Glauben im Vertragsverhältnis sind. Das Prozessrecht hat einzig die verfahrensrechtlichen Folgen der Streitanzeige und die Form der prozessualen Anzeige zu ordnen. Das materielle Becht nämlich begnügt sich mit einer behebigen Anzeige; diejenige durch den Bichter hat Bedeutung insbesondere für den Beweis ihres Zeitpunktes. Die Beaktion des Verkündungsempfängers vollzieht sich nach dem Entwurf ausschliesslich in der Form der Intervention.

Dies genügt auch für die Stellvertretung gemäss Art. 198, Abs. l OB und für die Streitübernahme gemäss Art. 258 OB (die nicht auf eigenen Namen, sondern nur für eigene Bechnung zu geschehen braucht); denn durch eigene Untätigkeit kann die unterstützte Partei dem Intervenienten die Führung des Prozesses tatsächlich vollständig überlassen. -- Einen Sonderfall bildet die in Art. 24, lit. a vorgesehene richterliche Beiladung eines Dritten, der in Ansehung des Streitgegenstandes in Bechtsgemeinschaft mit einer Partei steht.

Art. 18: Über den Parteivertreter und dessen Vollmacht enthält schon Art. 29 0G einige Vorschriften, die gemäss Art. l, Abs. 2 auch im direkten Prozess gelten. Im Art. 18, Abs. l erscheint ein ausdrücklicher Hinweis auf Abs. 5 des Art. 29 O G als besonders angebracht im Anschluss an die Bestimmung, dass eine Partei grundsätzlich ihren Prozess selber zu führen befugt ist.

Das Verhältnis zwischen dem Anwalt und der Partei ist in der Begel dasjenige des Auftrages. Der Auftrag schliesst die Ermächtigung Dritten gegenüber in sich (Art. 896 OB). Diejenige gegenüber dem Gericht unterliegt dem Prozessrecht, das aber keinen Anlass hat, sie hinsichtlich des Umfangs und des Erlöschens abweichend vom OB zu ordnen. Schriftlichkeit der Vollmacht ist Beweises halber im schriftlichen Prozess unerlässlich ; das versteht sich von selbst und gelangt übrigens in Art. 20, Abs. 2 noch zum Ausdruck.

Die Vorschrift des Abs. 3 über die Nichtigerklärung von Prozesshandlungen eines nicht bevollmächtigten Vertreters,
die vom Vertretenen nicht genehmigt werden, ist eine praktische Notwendigkeit und entspricht der Bechtsprechung (BGE 46 2, 411). Die Aufhebung kann auch ein Urteil erfassen, dem sonst mangels eines gesetzlichen Nichtigkeitsgrundes (vgl. Art. 136 OG) nicht beizukommen wäre.

5. Schriftenwechsel (Art. 19--33).

Art. 19: Im Gegensatz zu denjenigen Prozessordnungen, nach denen die Schriftsätze lediglich der Vorbereitung der Hauptverhandlung dienen und erst in dieser der maßgebende Prozeßstoff vorgetragen wird, gestattet der Entwurf neues tatsächliches Vorbringen nach dem ersten Schriftenwechsel nur unter den Voraussetzungen von Art. 19, Abs. 2 (vgl. hierüber die Bemerkungen über die Eventuahnaxrme in Ziff. I, 2 hievor). Der Kläger muss Bunaesblatt. 99. Jahrg. Bd. I.

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1006 allea, was zur Substanzierung der Klage gehört, schon in der Klageschrift anbringen; er musa also hier alle Tatsachen, auf die er seinen Anspruch gründet, anführen und die Beweismittel hiezu angeben. Ebenso musa der Beklagte die zur Substanzierung seiner Einreden gegen die Klage nötigen Tatsachen unter Angabe der Beweismittel schon in der Klagebeantwortung vorbringen.

Die Eeplik des Klägers ist die Antwort auf die Einreden des Beklagten, sie ist nicht dazu da, um nachträglich die Klage durch Anbringen zu verstärken, das schon in der Klage hätte stehen sollen. Ebenso ist die Duplik des Beklagten dazu da, um auf replikantisches Anbringen des Klägers zu antworten und nicht um nachträglich Lücken der Klageantwort auszufüllen.

Über die Voraussetzungen der Zulassung nachträglicher Ergänzung der vorgebrachten Tatsachen und Beweismittel vgl. die Ausführungen über die Eventualmaxime (Ziff. I, 2 hievor). Selbstverständlich und daher der Erwähnung im Gesetz nicht bedürftig ist, dass die Gegenpartei Gelegenheit erhalten muss, zu zugelassenem nachträglichem Anbringen Stellung zu nehmen.

Über den Fall, dass der Instruktionsrichter die Beschränkung der Klageantwort auf Einwendungen gegen die prozessuale Zulässigkeit der Klage verfügt, vgl. Art. 30.

Art. 20: Hier wird die Vorschrift von Art. 30 0 G erweitert.

Art. 21: Unter den Wirkungen der Eechtshängigkeit wird die Unterbrechung der Verjährung und Ersitzung nicht angeführt, weil sie ganz vom Zivilrecht beherrscht wird. Ebensowenig wird die Unverkäuflichkeit der im Streite liegenden Sache vorgesehen; dem Zivilrecht ist sie nicht mehr bekannt.

Das Prozessrecht könnte zwar das Verbot der Veräusserung des Streitobjekts mit rein prozessualer Bedeutung aufstellen. Aber das ginge zu weit, da man, bevor das Urteil da ist, nicht weiss, auf Seite welcher Partei das Eecht ist.

Der Entwurf gibt dem Kläger nur unter den gewöhnlichen Voraussetzungen der provisorischen Verfügung Schutz gegen Veräusserung oder Veränderung des Streitobjekts; er muss sein Eecht daran und einen durch die Veränderung drohenden, nicht leicht wieder gutzumachenden Nachteil glaubhaft machen (Art. 79, Ht. l).

Art. 21 erwähnt auch nicht die Begründung der Einrede der Eechtshängigkeit. Denn der BZP hat sich nicht mit dem Fall zu befassen, dass eine beim Bundesgericht bereits anhängige Klage
auch noch bei einem andern Gericht eingereicht wird, sondern nur mit dem Fall, dass eine bei einem andern Gericht schon anhängige Klage auch noch beim Bundesgericht eingereicht wird; mit diesem Fall befasst sich Art. 22, '. Durch die Eechtshängigkeit wird der Tatbestand nicht auf den Zeitpunkt der Klageeinreichung festgelegt (Abs. 3, vgl. Ziff. I, 2 hievor). Wohl aber wird die Zuständigkeit des Gerichts durch nachherige Änderung der sie begründenden Tatsachen nicht berührt (erster Satz von Abs. 2). Lässt der Kläger eines von mehreren Bechtsbegehren fallen oder beschränkt er sein Eechtsbegehren zahlenmässig, oder anerkennt es der Beklagte zum Teil, so liegt ein teilweiser Abstand vor, der als Urteilssurrogat keinen Einfluss auf

1007 die Zuständigkeit des Gerichts für den verbleibenden Best haben kann. Analog ist aus praktischen Gründen auch der Fall zu behandeln, dass der Streitwert sich nachträglich dadurch verringert, dass der Beklagte den Kläger teilweise befriedigt oder der Kläger eine Verrechnungseinrede anerkennt. Anders verhält es sich, wenn der Kläger sein Eechtsbegehren durch ein anderes ersetzt (z.B. den Wandlungs- durch den Minderungsanspruch); damit lässt er die bisherige Klage fallen und für die neue ist die Zuständigkeit selbständig zu prüfen.

Die Legitimation zur Sache soll von einer Veräusserung der im Streite liegenden Sache oder von einer Abtretung des streitigen Anspruchs während der Eechtshängigkeit nicht berührt werden (zweiter Satz von Abs. 2). Es widerspräche der Prozessökonomie, den angefangenen Prozess abzubrechen, um ihn seitens des Erwerbers oder gegen den Erwerber neu anzuheben. Dem Kläger soll z. B. im Vindikations- oder Negatorienprozess, wenn er die Sache während des Prozesses veräussert hat, nicht die Einrede der fehlenden Legitimation zur Sache entgegengehalten werden können. Er kann den Prozess weiterführen, das erstrittene Urteil zur Vollstreckung bringen und die Sache dem Käufer verschaffen; sonst müsste der Käufer den Prozess um die Sache neu beginnen, wenn der Prozessgegner mit seinem Eintritt in den laufenden Prozess nicht einverstanden ist (Art. 17, Abs. 1). Ebenso kann der Kläger dem Käufer das Grundstück frei von der Belastung wirksam garantieren.

Veräussert der Beklagte die vindizierte Sache, so wird zwar der Kläger ein obsiegendes Urteil weder gegen den Beklagten -- weil dieser die Sache nicht mehr hat -- noch gegen den neuen Besitzer -- weil das Urteil nicht gegen diesen vollstreckbar ist und es wegen Art. 9S8 und 934 ZGB nicht ohne weiteres sein könnte -- zur Vollstreckung bringen können. Aber das Urteil wird einen unwiderlegbaren Beweisgrund für das mangelnde Eecht des Eechtsvorgängors des neuen Besitzers bilden und so den Prozess gegen diesen vereinfachen.

Wird der Erwerber gemäss Art. 933 oder unter dem Vorbehalt von Art. 934, Abs. 2 2GB in seinem Besitze geschützt sein oder ist er dem Kläger unbekannt, so hat es allerdings keinen Sinn, die Vindikationsklage als solche gegen den Veräusserer weiterzuführen, sondern dann ist deren Änderung in eine Klage auf Schadenersatz
geboten, der allein noch in Betracht fällt. Wird derart für die Sachlegitünation am Litiskontestationsprinzip festgehalten, so ist immerhin darauf hinzuweisen, dass unter Umständen mit dem Verlust der Aktiv- oder Passivlegitimation infolge Veräusserung jedes Interesse an der Fortführung des Prozesses entfallen kann, was zur Prozesserledigung gemäss Art. 72 führt.

Art. 22: Wird beim Bundesgericht eine Klage eingereicht und ist der Anspruch schon bei einem andern Gericht (oder beim Bundesgericht) rechtshängig, so ist sie unzulässig. Ebenso ist sie unzulässig, wenn der Anspruch schon rechtskräftig beurteilt ist. Als rechtskräftig beurteilt gilt ein Anspruch, wenn die Eechtskraft des Urteils anzuerkennen ist. Ein ausländisches Urteil fällt somit dann in Betracht, wenn seine Eechtskraft auf Grund zwischenstaatlicher Vereinbarungen oder auf Grund des in der Schweiz geltenden Eechts

1008 anzuerkennen ist. Eine Eechtshängigkeit vor ausländischen Gerichten ist zu beachten, wenn eine zwischenstaatliche Vereinbarung es vorsehreibt (Vollstreckungsvertrag mit Italien, Art. 8, mit Schweden, Art, 7); soweit keine solche Vorschrift besteht und soweit auch keine Gesetzesvorschrift hierüber besteht, neigt die schweizerische Praxis dahin, den Grundsatz anzuwenden, dass die ausländische Eechtshängigkeit dann berücksichtigt wird, wenn der auswärtige Prozess geeignet ist, zu einem Urteil zu führen, dessen Eechtskraft anzuerkennen sein wird.

Art. 23: Eechtserörterungen in der Klageschrift sind nicht vorgeschrieben, aber auch nicht verboten. Es steht daher dem Kläger frei, Eechtserörterungen in die Klageschrift aufzunehmen. Dasselbe gilt natürlich auch für die Antwortschrift des Beklagten.

Art. 24: Der Entwurf lässt die Streitgenossenschaft als Parteibegriff fallen und behandelt die Verbindung der mehreren Klagen als subjektive Klagenhäufung neben der objektiven. Diese Systematik hat auch den Vorzug, ausser jeden Zweifel zu stellen, dass mehrere als Beklagte Belangte nicht zu gemeinsamem Handeln im Prozesse verhalten sind. In der Tat lässt sich die Nötigung zu gemeinsamer Prozessführung nicht einmal in den Fällen rechtfertigen, in denen nach den Bestimmungen dés materiellen Eechts allen Klägern oder Beklagten gegenüber nur ein einheitliches Urteil ergehen kann (sog. notwendige Streitgenossenschaft), wie insbesondere bei gesamthafter Berechtigung am Streitobjekt. Leben doch z. B. Miterben oft nicht in jener Einigkeit, wie gemeinsame Prozessführung sie voraussetzt. Wünschen die mehreren Beklagten gemeinsame Prozessführung, so bleibt sie ihnen unbenommen; sie können einen gemeinsamen Bevollmächtigten bestellen. Auf der Klägerseite versteht sich gemeinsames Handeln von selbst; mehrere Kläger können überhaupt nur durch Einreichung gemeinsamer Klage verbunden auftreten.

Die Abweisung einer Klage um gemeinschaftlichen Streitgegenstand wegen mangelnder Aktivlegitimation, weil nicht alle Glieder der Gemeinschaft im Eecht stehen, ist fast immer unbefriedigend. Der alte B2P suchte dem dadurch abzuhelfen, dass er den nachträglichen Eintritt oder die nachträgliche Einbeziehung von Streitgenossen gestattete. Der · Entwurf sieht die wirksamere Beiladung des fehlenden Streitgenossen vor. Der Eichter,
in dessen Ermessen die Beiladung gestellt ist, wird von dieser Befugnis der Natur der Sache nach gegenüber dem ablehnenden Gemeinschafter auf der Klägerseite nur zurückhaltend Gebrauch machen; er wird es dann tun, weim das Beiseitestehen des widerspenstigen Gemeinschafters den wohlverstandenen Interessen der Gemeinschaft widerspricht. In diesen Fällen wird die Beiladung diese Interessen auf einfachem Wege zu wahren gestatten, statt dass der diligente Gemeihschafter vorerst zu weitläufigen zivilrechtlichen Umtrieben Zuflucht nehmen muse.

Bei der objektiven Klagenhäufung muss das Bundesgericht für jeden einzelnen Anspruch zuständig sein. Eine Ausnahme gilt für Nebenansprüche, worunter nicht bloss Zinsen, Kosten u. dgl. zu vorstehen sind, sondern auch

1009 untergeordnete Ansprüche in dem Eahmen, der dem Gerichtsstand des Sachzusammenhanges gezogen ist, z, B. Ersatzforderungen neben dem Hauptanspruch, wie Schadenersatz für die Vorenthaltung neben der Vindikation der Sache. Bei der subjektiven Klagenhäufung gemäss Abs. 2, lit. o, kann es im Falle des einheitlichen Klagegrundes -- nicht aber in demjenigen der Bechtsgemeinschaft -- vorkommen, dass eine einzelne Klage dem Streitwert nach die Zuständigkeitsgrenzen des Bundesgerichts nicht erreicht, z. B. wenn die mehreren klagenden Zessionare einer Forderung ungleich hohe Teilbeträge erworben haben. Gleichwohl ist die Zuständigkeit des Bundesgerichts für sie begründet, denn massgebend ist der Gesamtwert der aus dem einheitlichen Grunde entstandenen Forderungen. Im Falle der Verbindung lediglich gleichartiger Klagen gemäss lit. b von Abs. 2, wo also die mehreren Personen nicht schon vor dem Prozesse durch ein Bechtsverhältnis verb\mden sind, sondern sich erst zur Prozessführung zusammenfinden, ist dagegen erforderlich, dass die Zuständigkeit des Bundesgerichts für jeden einzelnen Anspruch gegeben sei.

Der Entwurf sieht die richterliche Trennung der verbundenen Klagen vor, falls sie zweckmässig erscheint. Dagegen sieht er von der Möglichkeit richterlicher Verbindung getrennt angebrachter Klagen ab, die vom Kläger hätten verbunden werden können. Laufen mehrere gleichartige Prozesse parallel, so hindert nichts den Bichter, zur Einsparung von Arbeit und Kosten durch Vermeidung identischer Prozesshandlungen (insbesondere Beweisaufnahmen) ihre Verhandlung oder auch ihre Beurteilung gemeinsam durchzuführen, die Prozesse also praktisch zu verbinden. Aber eine rechtliche Verbindung getrennt angebrachter Klagen zu einem Prozess ist abzulehnen.

Denn dem öffentlichen Interesse an Verminderung des Prozessaufwandes ist mit der faktischen Vereinigung genügt, ohne dass der Partei, die mehrere Prozesse führen will, ein einziger aufgezwungen wird.

Art. 25: Die Feststellungsklage kann nur auf Feststellung des Bestehens oder Nichtbestehens von Bechten gehen. Eine Klage auf Feststellung blosser Tatsachen ist unzulässig.

Art. 26: Für die Umschreibung der zulässigen Klageänderung stellt der Entwurf nicht auf den Klagegrund ab. Die im Art. 19, Abs. 2 vorgesehene Beschränkung der Zulässigkeit nachträglichen Vorbringens
macht die Verwendung des in der Doktrin sehr umstrittenen Begriffs des Klagegrundes entbehrlich. Ohne richterliche Bewilligung zulässiges nachträgliches Vorbringen fällt nämlich --· wie das Bundesgericht in seiner Vernehmlassung ausführt -- unter dem Gesichtspunkt der Klageänderung nicht in Betracht.

Denn ob der Kläger nicht in der Lage gewesen sei, solche Tatsachen und Beweismittel vorher vorzubringen, oder ob die Verspätung sonst entschuldbar sei, kann sich ausschliesslich auf den bisher geltend gemachten Anspruch beziehen, nicht dagegen auf einen völlig neuen Tatbestand. Daher ist eine Klageänderung, die unter Änderung des Tatbestandes geschieht, gem.äss Art. 19, Abs. 2, ohnehin nur mit richterlicher Bewilligung statthaft.

1010 Art. 26 gilt für eine Änderung der Bechtsbegehren der Klage oder der Widerklage, Hingegen haben die Antwortanträge (Ait. 29, lit. V) -- soweit sie nicht eine Anerkennung der Klage enthalten, die natürlich definitiv ist -- nicht selbständige Bedeutung, sondern sie dienen nur der Verdeutlichung und raschen Orientierung über die Stellungnahme des Beklagten, für die die Begründung der Antwort massgebend bleibt, und die, soweit tatsächlicher Natur, in den Schranken des Art. 19, Abs. 2 und, soweit rechtlicher Natur, frei geändert werden kann.

Über die Beschränkung des Bechtsbegehrens braucht nichts bestimmt zu werden. Denn das Fallenlassen eines von mehreren Eechtsbegehren oder zahlenmässige Beschränkung eines Eechtsbegehrens ist teilweiser Abstand und sachliche Beschränkung, wie Übergang vom Leistungs- zum Feststellungsbegehren oder von der Eigentums- zur Pfandklage, ist Klageänderung im Sinne der Stellung eines andern Eechtsbegehrens.

Art. 27; Abs. 2 bezweckt, die zwischen der Anhebung und der Eücknahme oder Bückweisung der Klage eintretende Verwirkung des Klagerechts aufzuhalten, so wie Art. 189 OE in solchem Falle die Verjährung des materiellen Eechts aufhält. Auf die Verwirkungsfristen des Bundeszivilrechts ist zwar nach der Eechtsprechung der Art. 189 OE ebenfalls anwendbar (BGE672,158), es bleiben aber zu berücksichtigen die Verwirkungsfristen von Bundesgesetzen nicht zivilrechtlicher Natur und die des kantonalen Eechts, die der Klage beim Bundesgericht gesetzt sein können.

Art: 28: Verlangt der Beklagte Sicherstellung der Prozesskosten, so wird der Lauf der Antwortfrist unterbrochen. Sobald entweder das Begehren abgewiesen oder -- falls ihm Folge gegeben wird -- die Sicherheit geleistet ist, setzt der Eichter dem Beklagten eine neue Antwortfrist an. Eine analoge Vorschrift für den Fall, dass der Beklagte ein Begehren um unentgeltliche Rechtspflege stellt (Art. 152 OG-), erscheint im direkten Zivilprozess vor Bundesgericht als entbehrlich, da in den Fällen des Art. 41 OG ein solches Begehren des Beklagten nicht in Frage kommt ; im Falle des Art. 42 OG ist ein derartiges Begehren des Beklagten dann möglich, wenn der Kanton gegen einen Privaten klagt, jedoch spielt diese Möglichkeit praktisch hur eine geringe Bolle.

Art, 29: Eine Widerklage ist in der Klageantwort zu erheben (lit. e).
Die Begründung der Widerklage kann mit der Klageantwort verbunden oder gesondert angeschlossen werden (lit. d}.

Art. 30: Der Instruktionsrichter kann den Beklagten ermächtigen, seine Antwort zunächst auf Einwendungen gegen die prozessuale Zulässigkeit der Klage zu beschränken. Er wird dies verfügen, wenn ihm ernsthafte Gründe gegen die Zulässigkeit der Klage zu sprechen scheinen und deren Prüfung ohne Erörterung der Sache selbst möglich ist. Wird diese Beschränkung der Antwort verfügt, so wird in der Folge auch die Vorbereitungsverhandlung, wenn ausnahmsweise eine solche für die Instruktion der Vorfrage nötig ist,

1011 gemäss Art. 34, Abs. 3, und die Hauptverhandlung gemäss Art. 66, Abs. 3 auf die Frage der Zulässigkeit der Klage zu beschränken sein. Bejaht dann das Gericht die Zulässigkeit, BÖ hat der Fall gemäss Art. 80, Abs. 2 zur Ergänzung des Schriftenwechsels an den Instruktionsrichter zurückzugehen; denn der Beklagte muss sich schriftlich auf die Klage einlassen können. Übrigens kann der Instruktionsrichter, wenn er nach Beschränkung der Antwort sich von der Zulässigkeit der Klage überzeugt, auf seine Verfügung zurückkommen und den Schriftenwechsel vervollständigen lassen, in welchem Falle das Gericht erst nach Durchführung der vollständigen Instruktion mit der Frage der Zulässigkeit der Klage befasst wird.

Art. 31: Die Widerklage ist der Sache nach Klage, sie ist daher ebenfalls nur für Ansprüche zulässig, die gemäss Art. 41 und 42 0 G durch das Bundesgericht zu beurteilen sind. Daher ist im Falle von Art. 41, lit. b OG eine Widerklage des Bundes nicht möglich (abgesehen von einer Prorogation nach lit. c des Art. 41 OG). Die Widerklage bleibt bestehen, auch wenn die Klage -- wegen eines Mangels in den Prozessvoraussetzungen oder infolge Abstandes oder Leistung -- dahinfällt. Denn sie ist nicht bloss Verteidigungsmittel, sondern gleich der Klage selbständiger Angriff.

Voraussetzung der Widerklage ist ferner, dass der Gegenanspruch mit dem Klageanspruch in rechtlichem Zusammenhange stehe oder dass die beiden Ansprüche verrechenbar seien. Eine Trennung von Klage und Widerklage durch den Eiohter sieht der Entwurf nicht vor. Bei rechtlichem Zusammenhang zwischen den beiden Ansprüchen wäre eine Trennung von vornherein ausgeschlossen. Denkbar wäre sie bei blosser Verrechenbarkeit der beiden Ansprüche, jedoch liegt kein Bedürfnis vor, für diesen Fall eine Trennungsbefugnis des Eichters vorzusehen.

Art. 32: Weil Beplik und Duplik nur dazu bestimmt sind, dass der Kläger auf Einreden der Klageantwort und der Beklagte auf Einreden der Beplik antworten könne, ist es am Platze, den Schriftenwechsel nach der Antwort oder nach der Beplik abzubrechen, wenn nach Lage der Dinge eine Fortsetzung des Schriftenwechsels voraussichtlich nicht mehr ergiebig wäre. Den Parteien bleibt es dann unbenommen, replikantisches oder duplikantisches Vorbringen in der Vorbereitungsverhandlung zu Protokoll nehmen zu lassen.

Art. 33:
Die Urkunden sollen in der Eechtsschrift bezeichnet und auch mit ihr vorgelegt werden. Das ist keine Zumutung über Gebühr und der Schriftenwechsel wird erst fruchtbar, wenn bei Abfassung von Antwort, Beplik und Duplik die gegnerischen Beweismittel bekannt sind und eingesehen werden können. Die Vorschrift gilt gemäss Art, 55, Abs. 5 auch für transportable Augenscheinsobjekte, z. B, Warenmuster.

6, Vorbereitungsverfahren (Art. 34 und 35).

Das Vorbereitungsverfahren soll zunächst abklären, was zwischen den Parteien streitig ist und unter der Einwirkung des Instruktionsrichters noch streitig bleibt. Hier vor allem ist Anlass, von der richterlichen Kompetenz

1012 gemäss Art. 8 Gebrauch zu machen und in freier mündlicher Erörterung des Streitfalles mit den Parteien daraufhin zu wirken, dass diese ihr Vorbringen, soweit nötig, verdeutlichen, berichtigen, vereinfachen oder ergänzen, damit es dem Gericht möglich werde, das dem wahren Sachverhalt entsprechende Urteil zu fällen. Sodann dient das Vorbereitungsverfahren der Beweiserhebung.

Ist weder solche Abklärung des Streitfalles noch ein Beweis nötig, stehen also nur bestimmte Rechtsfragen zur Entscheidung, so bedarf es keines vorbereitenden Verfahrens, sondern es wird auf den Schriftenwechsel hin Hauptyerhandlung angesetzt. Ist zwar Beweis zu erheben, aber nur durch Urkunden oder schriftliches Gutachten, so ist im Vorbereitungsverfahren keine mündliche Verhandlung nötig. Auch eine Verschiebung der Beweisaufnahme auf die Hauptverhandlung nach Abs. 2 des Art- 34 kann eine mündliche Vorbereitungsverhandlung entbehrlich machen. Ist gemäss Art. 30 die Antwort auf die Frage der Zulässigkeit der Klage beschränkt worden, so wird in der Eegel ein Vorbereitungsverfahren nicht nötig sein; ist aber ein solches nötig, so wird es ebenfalls auf diese Frage zu beschränken sein. Das Vorbereitungsverfahren darf übrigens auch auf materielle Einreden beschränkt werden, die den Rechtsstreit zum Abschluss bringen können, z. B. Fehlen der Sachlegitimation, Verjährung, Verwirkung der Klagefrist, aussergerichtlicher Vergleich. Dagegen darf es nicht auch auf einzelne prozessuale oder materiellrechtliche Fragen beschränkt, werden, deren Entscheidung das Endurteil nicht herbeiführen kann. Denn dies würde dem Gebot der Konzentration des Prozesses widersprechen. Darum sieht der Entwurf auch kein Teilurteil über einzelne entscheidungsreife Klageansprüche oder Teile des Klageanspruchs vor. In einer Teilanerkennung hegt ein teilweiser Abstand, der ohne weiteres zur Rechtsöffnung gemäss Art. 80, Abs. 2 SchKG, oder zur Bealvollstreckung berechtigt.

Findet eine mündliche Verhandlung im Vorbereitungsverfahren statt, so sind dazu die Parteien in der Regel persönlich vorzuladen. Es gibt aber auch Fälle, wo kern Bedürfnis nach persönlicher Anwesenheit der Parteien besteht.

7. Beweis (Art. 36--65).

a. Allgemeine Bestimmungen.

Art. 36: Beweis wird nur über erhebliche und -- soweit der Sachverhalt nicht von Amtes wegen zu erforschen ist und
unter Vorbehalt von Art. 12, Abs. 3 -- nur über bestrittene Tatsachen geführt (vgl. oben Ziff. I, 4). Es erscheint nicht als nötig, im Gesetz die Notorietät ausdrücklich zu erwähnen, da es ein allgemein anerkannter Grundsatz ist, dass allgemeinkundige oder gerichtsnotorische Tatsachen keines Beweises bedürfen.

Eigene Kenntnis des Richters von einer Tatsache macht den Beweis nicht unnötig. Eine Vorschrift, wonach Tatsachen, von denen der Richter eigene Kenntnis hat, keines Beweises bedürfen würden, wäre mit dem mittelbaren Verfahren nicht vereinbar. Abgesehen hievon läuft es -- wie das Bundesgericht in seiner Vernebmlassung mit Recht ausführt -- im praktischen Er-

1013 gebnis auf einen Verschluss des rechtlichen Gehörs hinaus, wenn dem Richter gestattet wird, auf eigenes Wissen abzustellen in Fragen, über die mangels solchen z. B. eine Expertise durchgeführt werden müsste. Wird ein Experte beigezogen, so haben die Parteien Gelegenheit, zu dessen Ausführungen Stellung zu nehmen, ihn auf allfällige Versehen aufmerksam zu machen usw.

Diese Möglichkeit entfällt, wenn der Eichter ausschliesslich auf seine eigene Fachkenntnis abstellt. Ebenso wird bei diesem Vorgehen dem Beweisgegner die Möglichkeit des Gegenbeweises abgeschnitten.

Die Verwertung eigener Kenntnis von Erfahrungssätzen ist dem Eichter nicht ver-wehrt. Sie ist zulässig, wo Schlussfolgerungen aus Erfahrungssätzen in Frage stehen, ohne dass es dazu besonderer Fachkenntnis bedürfte. Über den Begriff des Erfahruhgssatzes vgl. BGE 69 2, 204.

Art, 37: Der Eichter berücksichtigt nur die notwendigen Beweismittel.

Genügen die angebotenen Beweismittel nicht, so muss der Eichter die Möglichkeit haben, weitere Beweismittel beizuziehen.

Art. 38: Wo die Wahrung eines Gewerbe- oder Geschäftsgeheimnisses eines Dritten, z. B. eines Zeugen, es erfordert, muss beiden Parteien die Urkundeneinsicht verwehrt werden können.

Art. 40 stellt den Grundsatz der freien Beweiswürdigung auf. Freie Beweiswürdigung kann am Verhalten der Partei im Prozesse nicht vorbeigehen, namentlich fällt in Betracht Nichtbefolgen persönlicher Ladung, Verweigerung der Beantwortung richterlicher Fragen und Vorenthaltung angeforderter Beweismittel.

6. Beweismittel, Art. 42--49, Zeugen: Die Zeugnispflicht ausdrücklich zu statuieren erübrigt sich, da sie sich klar aus der Aufführung der Ausnahmen, dem Zeugnisverweigerungsrecht, ergibt. Dieses Eecht besteht für bestimmte Verwandte (Abs. l, lit. a, des Art. 42). Der Kreis der in Betracht fallenden Verwandten ist ähnlich gezogen wie im Bundesstrafprozess. Auch soll der Weigerungsgrund eng beschränkt sein. Wie im Art. 79 BStrP liegt er vor, wenn die Beantwortung der Frage den Zeugen selbst oder einen der nahen Verwandten der Gefahr strafrechtlicher Verfolgung oder einer schweren Benachteiligung der Ehre aussetzen kann. Es stellt sich die Frage, ob es dabei sein Bewenden haben soll oder ob überdies noch vermögensrechtliche Nachteile berücksichtigt werden sollen, die die Aussage zur Folge haben
könnte. Die Expertenkommission hat sich für Berücksichtigung auch solcher Nachteile ausgesprochen. Deshalb lässt der Entwurf die Verweigerimg der Antwort auch zu, wenn die Aussage dem Zeugen oder einem nahen Verwandten einen unmittelbaren vermögensrechtlichen Schaden verursachen würde.

Zur Verweigerung des Zeugnisses sind sodann Personen berechtigt, die gesetzlicher Schweigepflicht unterhegen und sich durch deren Verletzung gegen Art. 321 StGB vergehen würden (lit. b von Art. 42, Abs. 1). Das Geheimnis ist zu hüten, solange nicht der Berechtigte den Geheimnisträger von

1014 der Schweigepflicht entbunden hat. Eine behördliche Ermächtigung zur Aussage -- wie die im Strafgesetz vorgesehene, die aus öffentlichem Interesse geschieht -- fällt im BZP, wo es um private Interessen geht, nicht in Betracht.

Ausserhalb der persönlichen Geheimsphäre rechtfertigt sich der absolute Schutz gegen Offenbarung vor dem Siebter kaum. Der Entwurf überlässt dem Bichter, im Einzelfall zu entscheiden, ob eine Person, deren Schweigepflicht durch andere Gesetze auferlegt ist, zur Aussage angehalten werden soll (Abs. 2 des Art. 42). Dabei soll der Eichter im Einzelfall das Interesse an der Geheimhaltung und dasjenige des Beweisführers an der Preisgabe gegeneinander abwägen. Dies wird auch erlauben, die eigenen Geheimnisse des Zeugen zu schützen, sowie gewisse nach der Verkehrssitte zu beobachtende Geheimnisse, die manchmal ebenfalls schutzwürdig sind. Oft wird übrigens die Vorschrift des Art. 88 die Interessen des am Geheimnis Berechtigten in angemessener Weise zu schützen gestatten, ohne dass das Geheimnis gegenüber dem Gerichte gewahrt zu werden braucht.

Das Interesse des Bundes und der Kantone kann die Geheimhaltung von Verwaltungsakten im Prozess zwischen Dritten gebieten. Der Verwaltung steht die Entscheidung darüber zu, wann es der Fall ist. Daher behält der letzte Absatz des Art. 42 die einschränkenden Vorschriften des Verwaltungsrechts des Bundes und der Kantone vor.

Die Berufung auf das Hecht der Zeugnisverweigerung entbindet den Zeugen nicht von der Befolgung der Ladung, sofern diese nicht ausdrücklich widerrufen worden ist (Art. 44, Abs. 1) ; diese Bestimmung ist in der Vorladung zu erwähnen (Art, 43). Mit Eücksicht darauf, dass Art. 88 BStrP dem widerspenstigen Zeugen bloss Haft bis zu zehn Tagen oder Busse bis zu Fr. 800 androht, wird auch in Art. 44, Abs. 8, bloss diese Strafdrohung und nicht diejenige des Art. 292 StGB vorgesehen.

Jeder Zeuge ist in Abwesenheit der noch abzuhörenden einzuvernehmen (Art. 45, Abs. 1) ; es wird davon abgesehen, auch die schon abgehörten Zeugen auszuschliessen. Vor der Abhörung soll der Zeuge gegebenenfalls auf das Eecht der Zeugnisverweigerung aufmerksam gemacht werden (Art. 45, Abs. 2) ; durch das Wort «soll» kommt zum Ausdruck, dass es sich nicht um eine Gültigkeitsvorschrift, sondern um eine Ordnungsvorschrift handelt. Deshalb wird kehl
entsprechender Nichtigkeitsgrund vorgesehen, wenn das Urteil etwa ein Zeugnis verwenden würde, dem keine Belehrung vorausgegangen ist.

Zur Vermeidung unverhältnismässig hoher Kosten kann die Abhörung des Zeugen dem Eichter des Wohnortskantons übertragen werden. Auch bei dieser rogatorischen Einvernahme eines Zeugen bestimmen sich die Zeugnispflicht und das Zeugnisverweigerungsrecht nach Bundesrecht; nur für die Form der rogatorischen Einvernahme ist das kantonale Prozessrecht massgebend (Art. 47).

Art. SO--54, Urkunden: Als Urkunde gilt im Zivilprozess entweder die schriftliche Urkunde, d. h. die Mitteilung eines Gedankens durch Schrift, oder jeder Gegenstand, der einen Gedanken verkörpert, also auch die bild-

1015 liehe Darstellung, die eine Tatsache ausdrückt. Eine Definition ist ini BZP nicht nötig, weil der Entwurf die Urkundeneditionspflicht und die Pfücht zur Duldung eines Augenscheins übereinstimmend regelt. Auch ist es nicht Sache des Prozessgesetzes, die Beweiskraft der öffentlichen Urkunde zu bestimmen, da dies im materiellen Eecht geschehen ist (Art. 9 ZGB) ; dann ergibt eben die Auslegung des materiellen Bechts, ob z. B. amtliche Pläne öffentliche Urkunden im Sinne desselben seien und an deren verstärkter Beweiskraft teilnehmen, gleichviel ob das Prozessgesetz sie unter die Urkunden oder unter die Augenscheinobjekte einreiht.

Die Urkundeneditionspflicht Dritter ist gleich der Zeugnispflicht eine öffentlich-rechtliche Pflicht. Es besteht kein Grund, den Dritten inbezug auf die eine und andere verschieden zu behandeln. So wird denn auch die Editionsverweigerung des Dritten gleich behandelt wie die Zeugnisverweigerung (Art. 51, Abs. 8). Bei unbegründeter Editionsverweigerung können, sofern der Beweisführer ein Eecht auf Besitz der Urkunde hat, zur Ungehorsamsstrafe noch Schadenersatzfolgen kommen, die aber zivilrechtlicher Natur sind und der Erwähnung im Prozessgesetz nicht bedürfen.

Voraussetzung der Beweisanordnung über die Echtheit einer Urkunde ist, dass keine leere Bestreitung vorliege, sondern Zweifel daran begründet seien (Art. 54). Wie der Beweis der Urkundenechtheit zu gestalten sei, kann wohl dem Eichter anheimgegeben werden.

Art. 50/06, Augenschein: Auch die Duldung des Augenscheins ist öffentlichrechtliche Pflicht. Sie geht für den Dritten weniger weit als für die Partei, sie umfasst nicht den Augenschein an seiner Person, da im ausschliesslichen Interesse Dritter ein Einbruch in die höchstpersönliche Sphäre nicht soll geduldet werden müssen. Die Erhebung des Beweises durch Augenschein unterscheidet sich bei transportablen Gegenständen, z. B. Warenmustern, in nichts von derjenigen bei Urkunden. Solche Gegenstände sollen wie Urkunden vorgelegt werden. Ist die Vorlegung unpraktisch, so gilt die Ausnahme nach Art. 58.

Es versteht sich von selbst, dass der Eichter wenn nötig Eeproduktionen eines Augenscheinobjektes (wie Pläne, Photographien usw.) zu den Akten nehmen, die Vorführung von Filmen und Wiedergaben mit Hilfe mechanischer Instrumente und die Durchführung von Experimenten
anordnen kann.

Der Eichter kann, wenn seine eigene Wahrnehmung unnötig ist, anordnen, dass der Sachverständige den Augenschein ohne seine Anwesenheit vornehme.

Dies ordnet der Eichter auch dann an, wenn seine eigene Wahrnehmung unangemessen wäre; damit soll der Fall berücksichtigt werden, dass die Natur der Besichtigung dem Eichter diese Diskretion nahelegt.

Art. 57--61, Sachverständige: Das Bedürfnis nach technischer Beratung kann schon für die Fragestellung an die Parteien zwecks Ergänzung und Berichtigung der Suhstanzierung (Abklärung des Streitfalles nach Art. 8) bestehen. Der Instruktionsrichter kann den Sachverständigen schon zur Instruktion beiziehen. Der Entwurf überlässt es dem Eichter, die Zahl der beizuziehenden Experten je nach dem konkreten Falle festzusetzen. Die Parteien

1016 erhalten Gelegenheit, vor der Ernennung der Experten Einwendungen gegen die in Aussicht Genommenen vorzubringen. Eine Pflicht zur Übernahme der Begutachtung stellt der Entwurf nicht auf. Der Experte ist bei der Bestellung auf die Pflicht aufmerksam zu machen, den Auftrag nach bestem Wissen und Gewissen auszuführen und sich strengster Unparteilichkeit zu befleissen. Der Pächter kann, wenn er das Gutachten für ungenügend erachtet, eine neue Expertise anordnen (Art. 60, Abs. 2, zweiter Satz). Die Parteien erhalten Gelegenheit, Erlauterungs- und Ergänzungsfragen zu beantragen, ebenso können sie eine neue Expertise beantragen (Art. 60, Abs. l, letzter Satz).

Art. 62--65, Parteiverhör: Das Parteiverhör (Art. 62, vgl. oben Ziff. I, 4) -- das als Beweismittel von der Vernehmung der Partei zum Zwecke der Beschaffung des nötigen Prozeßstoffes (Art. 3) zu unterscheiden ist -- ist Zeugnis in eigener Sache. Selbstverständlich ist, sofern es nicht zu Geständnissen führt, sein Ergebnis mit besonderer Vorsicht zu würdigen ; aber dies ist dem Eichter klar. Das Parteiverhör ist nach dem Entwurf nicht ein subsidiäres Beweismittel, das erst beim Fehlen oder Nichtgenügen anderer herangezogen wird, sondern es kann nach Gutfinden des Instruktionsrichters mit andern Beweismitteln verbunden werden. Die Partei ist schon beim einfachen Parteiverhör (Art. 62) darauf aufmerksam zu machen, dass sie eventuell später auch noch zur Beweisaussage unter Straffolge (Art. 64) angehalten werden kann.

Ein Eecht der Partei, die Beantwortung von Fragen zu verweigern, sieht der Entwurf nicht vor. Nach Tatsachen, wie sie für ein solches Weigerungsrecht in Frage kämen, fragt der Eichter ja nur, wenn sie gerade den Gegenstand des Prozesses bilden; dann aber ist der Partei die Aussage darüber zuzumuten.

Art. 63 bestimmt, wer als Partei zu verhören ist, wenn die Partei nicht eine handlungsfähige physische Person ist.

Dass der Eichter die Beweise nach freier Überzeugung würdigt, steht schon im Art. 40. Für die Parteiaussage wird es im Art. 65, Abs. l, wiederholt, womit betont wird, dass die Beweisaiissage der Partei keine formelle Wahrheit schafft (im Gegensatz zum Parteieid des alten BZP), sondern wie andere Beweismittel zu würdigen ist.

8. Hauptverhandlung (Art. 66--71), Wenn auch die Beweiserhebung dem Instruktionsrichtor
im. Vorbereitungsverfahren übertragen ist, so steht doch dem Gericht die letzte Entscheidung über sie zu. Es muss auch frei sein, Beweise von neuem zu erheben, wenn ihm die unmittelbare Wahrnehmung geboten erscheint. Ebenso kann es die Beweiserhebung von Amtes wegen ergänzen. Den Parteien bleibt unbenommen, sich zum Beweisverfahren auszusprechen und weitere Beweismassnahmen zu beantragen. Aus praktischen Gründen sieht Art. 67, Abs. 2, vor, dass ein solcher Antrag innert zehn Tagen seit Abschluss des Vorbereitungsverfahrens gestellt werden soll. Es ist nämlich von Vorteil, wenn der Instruktionsrichter weiss, ob und nach welcher Eichtung das Instruktionsverfahren von den Parteien

1017 gerügt wird. Er kann dann, falls er die Büge als begründet erachtet, z.B.

Zeugen, deren Einvernahme nachträglich noch verlangt wird, zur Hauptverhandlung vorladen lassen. Die Antragsfrist in Art. 67, Abs. 2, macht es nötig, dass den Parteien der Abschluss des Yorbereitungsverfahrens als Beginn der Antragsfrist zur Kenntnis gebracht werde (Art. 66, Abs. 1).

Ordnet das Gericht weitere Beweisaufnahmen an, so werden diese womöglich in der Hauptverhandlung durchgeführt. Es steht aber dem Gericht auch frei, auf Antrag einer Partei oder von Amtes wegen den Fall zur Ergänzung der Instruktion an den Instruktionsrichter zurückzuweisen (Art. 67, Abs. 8).

Dass der Bichter das Becht von Amtes wegen anzuwenden hat, ist ein selbstverständlicher Satz des modernen Prozessrechts und braucht deshalb im Gesetz nicht ausgesprochen zu werden. Eine Vorschrift wäre nötig, wenn man diesen Satz auf einheimisches Becht einschränken wollte. Art. 3 des alten BZP steht noch auf dem Standpunkt, dass ausländische und sogar kantonale oder örtliche Bechtsgrundsätze von der Partei, die sich auf sie stützen will,- angeführt und im Falle Widerspruchs nachgewiesen werden sollen. An diesem Standpunkt kann im neuen Gesetz nicht festgehalten werden. Der Entwurf hat keine Bestimmung über die Anwendung ausländischen Bechts durch den Bichter aufgenommen. Daher wird es Sache des Bichters sein, nach pflichtinässigem Ermessen sich Kenntnis vom Inhalt des anzuwendenden fremden Bechts zu verschaffen; es bleibt ihm unbenommen, die Parteien aufzufordern, ihm bei der Ermittlung der ausländischen Bestimmungen behilflich zu sein. Das Gericht kann auch amtliche Bechtsauskunft einholen.

.Allerdings kann es auch vorkommen, dass es trotz der Bemühungen nicht gelingt, vom Inhalt des fremden Bechts sichere Kenntnis zu erlangen. Ein Antrag in der Expertenkommission wollte eine Bestimmung aufnehmen, das Gericht habe von Amtes wegen das einheimische wie auch das ausländische Becht anzuwenden, und im Anschluss daran vorschreiben : « Sofern weder durch die amtlichen Nachforschungen des Gerichts noch durch Mithilfe der Parteien der Inhalt einer ausländischen Bechtsordnung mit ausreichender Sicherheit ermittelt werden kann, ist das schweizerische Becht anzuwenden.» Die Expertenkommission lehnte den Antrag ab, namentlich weil die subsidiäre Anwendung des
schweizerischen Bechts im Falle, dass der Inhalt des fremden nicht ermittelt werden kann, unter Umständen zu stossenden und willkürlichen Ergebnissen führen könnte. Es erscheint als angezeigt, die Lösung der Frage der Praxis zu überlassen.

Art, 69, Abs. l, führt den Grundsatz ein, dass der Bichter von Amtes wegen über die Prozesskosten entscheidet; denn .die Kostenforderung der Partei ist selbstverständlich. Hinsichtlich der Kostenverteilung auf mehrere Personen enthält Art. 156, Abs. 7 OG eine summarische Vorschrift; Abs. 2 des Art. 69 deutet die verschiedenen in Betracht fallenden Lösungen an und gedenkt auch des Kostenanspruchs und der Kostenpflicht des Intervenienten.

1018 Der Schlußsatz von Art. 70, Abs. 3, ist von Bedeutung für den Beginn der Frist für ein Kevisionsgesuch. Diese läuft nämlich gemäss Art. 141 OG vom Eingang der schriftlichen Ausfertigung des Entscheides hinweg.

Art. 71, Abs. 2, beantwortet die Präge, ob die Entscheidung über die Verrechnungseinrede an der Rechtskraft des Urteils teilhat. Für die Gegenforderung tritt keine Eechtskraft ein, wenn die Klageforderung oder die Verrechenbarkeit der beiden Forderungen verneint, die Gegenforderung also gar nicht materiell geprüft wird. Wird dagegen die Klageforderung ganz oder teilweise bejaht, so tritt Bechtskraft ein für denjenigen Betrag der Gegenforderung, der zu ihrer Tilgung erforderlich ist (wenn die Gegenforderung ebenfalls bejaht wird) oder hiezu erforderlich wäre (wenn die Gegenforderung verneint wird).

Eine Ausdehnung der Eechtskraft auf den Eechtsnachfolger (Sondernachfolger) ist nicht vorgesehen. Sie wäre ohnehin durch die Vorschriften über den Besitzerwerb von Nichtberechtigten -- Art. 933--936 ZGB -- beeinträchtigt. Das Urteil verkündet aber unwiderlegbar das Eecht oder das fehlende Becht des Vorgängers, von dem der Sondernachfolger das seinige herleitet (vgl. oben die Ausführungen zum Art. 21).

9. Erledigung des Bechtsstreites ohne Urteil (Art, 72/73).

Gegenstandslos wird die Klage z. B. infolge nachträglicher Erfüllung oder sonstigen Erlöschens des Anspruchs oder infolge Untergangs des Streitobjektes, ohne dass ein Ersatzanspruch an die Stelle tritt und geltend gemacht wird.

Diesem Fall steht derjenige gleich, wo ein rechtliches Interesse an der Fortsetzung des Prozesses wegfällt. Im Gegensatz zu gerichtlichem Vergleich und Abstand beendet das Gegenstandsloswerden der Klage den Prozess nicht von selbst, sondern dieser wird erst dadurch abgeschlossen, dass das Gericht ihn als erledigt erklärt (Art. 72). Diese Erklärung hat durch das Gericht, nicht durch den Instruktionsrichter zu geschehen, weil sie unter Umständen gegen den Willen des Klägers ergehen muss und weil mit ihr die Entscheidung über die Prozesskosten verbunden ist. Die Anhörung der Parteien hat insbesondere für die Kostenentscheidung Bedeutung. Die summarische Begründung der Kostenentscheidung wird dadurch gerechtfertigt, dass es übertrieben wäre, der nebensächlichen Kostenfrage wegen auf die Hauptsache erschöpfend
einzugehen, wie wenn diese noch bestehen würde.

Gerichtlicher Vergleich und Abstand beenden von selbst den Prozess (Art. 73). Dass Vergleich und Abstand nur beachtlich sind, wenn die Parteien über den Anspruch frei verfügen können, braucht im B2P nicht gesagt zu werden, da auf dem Wege des direkten Zivilprozesses keine Streitigkeiten vor das Bundesgericht gebracht werden können, in denen diese Voraussetzung nicht vorliegen würde. Dass ein Vergleich oder Abstand auch ein bloss teilweiser sein kann, leuchtet ohne weiteres ein und braucht im Gesetz nicht ausgesprochen zu werden. Wohl aber ist es angezeigt, die Möglichkeit zu erwähnen, dass irn gerichtlichen Vergleich auch ausserhalb des Prozesses liegende

1019 Streitfragen zwischen den Parteien oder zwischen einer Partei und Dritten behandelt werden können, sofern es der Beilegung des Prozesses dient (Abs. 2 des Art. 73). Der Abstand ist definitiv. Dadurch unterscheidet er sich von der Rücknahme der Klage.

Einen Fall der Rücknahme der Klage betrifft der Abs. 3 des Art. 73.

Hat der Beklagte die Einrede erhoben, der eingeklagte Anspruch sei nicht fällig oder er sei von einer Bedingung abhängig, oder ist ein Prozessmangel gerügt worden, so kann der Kläger die Klage zurücknehmen unter dem Vorbehalt, sie nach Eintritt der Fälligkeit oder der Bedingung oder nach Behebung des Prozessmangels wieder einzureichen.

Durch Abs. 4 des Art. 73 wird dem gerichtlichen Vergleich und dem Abstand Vollstreckbarkeit zuerkannt. Damit wird die Frage, ob und inwieweit gerichtlicher Vergleich und Abstand materielle Rechtskraft haben, nicht präjudiziert. Dies wird der Rechtsprechung erlauben, dem gerichtlichen Vergleich und Abstand -- soweit sie Mängeln des Vertragsrechts ausgesetzt sind (BGE 60 i, 56) -- die materielle Rechtskraft zu versagen, sie zugleich als prozessuales und ziviles Rechtsgeschäft anzusehen, und in letzterer Eigenschaft der Anfechtung durch Klage oder Einrede zu unterstellen.

10. Vollstreckung (Art. 74--78).

Der alte BZP enthält in Art. 187--191 Vorschriften über die Vollziehung der im direkten Zivilprozess ergehenden Urteile des Bundesgerichts. Auch der Entwurf enthält solche Vorschriften. Denn bei diesen Urteilen erscheint es nicht als angezeigt, es bei der allgemeinen Regel des Art. 39 0 G bewenden zu lassen, wonach die Kantone die Urteile des Bundesgerichts in gleicher Weise zu vollziehen haben wie die rechtskräftigen Urteile ihrer eigenen Gerichte.

Mehrere Kantone kennen nämlich nicht die Realexekution bei Verurteilung zu einem Tun (abgesehen von der Herausgabe von Sachen) oder zu einem Unterlassen. Es wäre unbefriedigend, wenn in diesen Kantonen der Partei, die ein im direkten Prozess ergangenes bundesgerichtliches Urteil zu vollstrecken sucht, statt der ihr zuerkannten Naturalerfüllung nur der Anspruch auf das Interesse bliebe. Deshalb ordnet der Entwurf selbst die Vollstreckung dieser Urteile, Art. 74: Im allgemeinen kennen die schweizerischen Prozessgesetze die Verurteilung zur Leistung unter einer Bedingung oder gegen eine Gegenleistung
nicht. Daher ist die Rechtsprechung genötigt, die bedingt begründete Klage zur Zeit abzuweisen. Eine solche Erledigung führt in der Regel zu einem zweiten Prozess, nachdem die Bedingung eingetreten ist. Die Vermeidung des zweiten Prozesses ist aber ein Gebot der Prozessökonomie. Die Verurteilung zur Leistung unter einer Bedingung oder gegen Gegenleistung ruft einem Nachverfahren zur Feststellung, dass die Bedingung eingetreten oder die Gegenleistung erbracht ist. Dieses Nachverfahren kann sehr summarisch gestaltet werden, da seine Aufgabe in der Regel sehr einfach sein wird. Es wird praktisch dem Richter zugewiesen, der geurteilt hat.

1020 Art. 75: Für die Vollstreckung der Urteile, die zu Geldzahlung oder Sicherheitsleistung in Geld verpflichten, wird auf den Weg der Schuldbetreibung verwiesen.

Art. 76: Wer dem verurteilenden Erkenntnis des Zivilrichters nicht nachkommt, verletzt nicht nur die Privatinteressen des aus dem Urteile Berechtigten, sondern missachtet zugleich die staatliche Autorität. Lautet die Verurteilung auf eine Geldleistung, so ermöglicht die Zwangsvollstreckung die Wiedergutmachung in einer Weise, die den Gedanken an eine Strafsanktion nicht aufkommen lässt. Anders verhält es sich bei Verurteilung zu einem Tun oder Unterlassen. Hier bleibt die Erfüllung weitgehend vom guten Willen des Verurteilten abhängig, so dass eine Ahndung der Missachtung des Urteils Platz greifen muss, wenn gehörige Erfüllung des Urteils erzielt werden soll.

Es erscheint als gegeben, hier die Ahndung gemäss Art. 292 StGB vorzusehen, die der Missachtung eines amtlichen Befehls angemessen ist. Immerhin wird die Strafverfolgung vom Antrag der verletzten Partei abhängig gemacht, da deren Interesse an der Beachtung des richterlichen Befehls dasjenige der Allgemeinheit überwiegt; die verletzte Partei kann ja auch auf ihren urteilsmässig festgestellten Anspruch verzichten. Art. 76 betrifft die Verurteilung eines «Privaten» zu einem Tun oder Unterlassen; er bezieht sich nicht auf die Verurteilung eines Gemeinwesens (Bund, Kanton und Gemeinde) oder öffentlich-rechtlicher Korporationen.

Die Strafdrohung wird in der Grosszahl der Fälle die Vollstreckung bewirken helfen. Ist es einmal nicht der Fall, so muss -- neben der Straf Verfolgung oder ohne eine solche ·-- die effektive Vollstreckung offenstehen, soweit sie möglich ist (Art. 77). Der Berechtigte hat überdies die Möglichkeit, an ihrer Stelle Schadenersatz zu verlangen, ebenso wie bei erfolgloser Vollstreckung.

Im alten BZP wurde der Schadenersatzanspruch wegen Nichterfüllung urteilsmässiger Verpflichtungen als Anhängsel des Prozesses behandelt und seine Beurteilung in die Zuständigkeit des Bundesgerichts gelegt. Die bundesgerichtliche Eechtsprechung leitet jedoch die Schadenersatzforderung aus Art. 97 oder 98, Abs. 2 OE her. Deshalb braucht das Prozessgesetz sich mit diesem Anspruch nicht zu befassen. Der Schadenersatzanspruch gibt Anlass zu neuer Klage, für die hinsichtlich der Zuständigkeit
die gewöhnlichen Eegeln gelten. Durch den ausdrücklichen Vorbehalt in Art. 76, Abs. 3, ist -- für die Urteile des Bundesgerichts als einziger Instanz -- klargestellt, dass es möglich ist, Schadenersatz auch vor erfolgloser Vollstreckung zu verlangen. Es ginge nämlich zu weit, dem Verurteilten, der trotz Strafdrohung und gar ungeachtet der Strafverfolgung nicht erfüllt, noch ·-- wenn er auf Schadenersatz belangt ·wird -- die Einrede der nicht versuchten zwangsweisen Durchsetzung des Erfüllungsanspruches zuzugestehen.

Als Vollstreckungsbehörde bezeichnet Art. 77 den Bundesrat (abgesehen von der Vollstreckung auf dem Schuldbetreibungswege), was ja nicht ausschliesst, dass .der Bundesrat hiebei die Mitwirkung der kantonalen Behörden in Anspruch nehme. In Art. 77, Abs. 2, werden Vollstreckungsmassnahmen

1021 beispielsweise aufgezählt, womit der Vollstreckungsbehörde eine gewisse Anleitung gegeben wird. Als eine solche Massnahrae ist auch die Beseitigung des urteilswidrigen Zustandes behandelt; denn die Verpflichtung zu einem Unterlassen schliesst zugleich die Verpflichtung in sich, die gegen das Verbot vorgenommene Störung zu beseitigen. Was persönlich auszuführende Handlungen anbelangt, ist die Verurteilung zur Erfüllung unter Strafandrohung ebenfalls möglich; eine andere Sache ist, dass je nach ihrer Natur das materielle Hecht den Erfüllungsanspruch als untunlich versagt. Schlechtweg ausgeschlossen ist jedoch die zwangsweise Durchsetzung persönlich auszuführender Handlungen.

Die durch die Vollstreckungsmassnahmen entstehenden-Kosten sind nicht Schadenersatz, sondern Vollstreckungsauslagen, also Verfahrenskosten. Ihre Pestsetzung und Auflage ist mithin Sache der Vollstreckungsbehörde. Dass die Beurteilung von Einwendungen gegen die Vollstreckung (Einwendung des Erlasses, des Vergleichs, der Stundung oder Verjährung seit dem urteil) ebenfalls Sache der Vollstreckungsbehörde ist, bedarf kaum der Erwähnung im Gesetz.

Art. 78 verallgemeinert den Grundsatz, den der Bundesgesetzgeber schon in Art. 166 OE, 6S6, Abs. 2, und 968, Abs. 2 ZGB angewendet hat. Dieser Grundsatz legt dem Eichterspruch rechtsgestaltende Kraft bei.

11. Vorsorgliche Verfügung (Art. 79--85).

Die Streitigkeiten gemäss Art. 41, lit. a und 6 OG, die in die ausschliessliche Zuständigkeit des Bundesgerichts fallen, machen notwendig und diejenigen nach Art. 42 0G lassen es als angezeigt erscheinen, provisorische Verfügungen des Bundesgerichts auch vor Eintritt der Eechtshangigkeit vorzusehen.

Art. 79, lit. b, bringt deutlich zum Ausdruck, dass nicht bloss drohender Vermögensschaden die vorsorgliche Verfügung rechtfertigt.

Laut Art. 82, Abs. 2, kann sowohl die vorsorgliche Verfügung wie auch die «vorläufige Massnahme» (nämlich das Superprovisorium, Art. 81, Abs. 8, Schlußsatz) von einer Sicherheitsleistung abhängig gemacht werden, wenn dem Gesuchsgegner durch sie ein Schaden entstehen kann. Der Eichter wird die Sicherheitsleistung anordnen, wo. die Umstände es als gerechtfertigt erscheinen lassen.

Wie im Falle der Schadenersatzpflicht aus ungerechtfertigtem Arrest (Art. 273 SchKG) kann bei Unbegründetheit des eingeklagten Anspruchs
der Beklagte nach Art, 84, Abs. l, unter allen Umständen -- also unabhängig von einem Verschulden des Gesuchstellers -- Ersatz des Schadens verlangen, der ihm aus der vorsorglichen Verfügung entstanden ist. Die Zuständigkeit des Bundesgerichts für die Beurteilung der Schadenersatzklage rechtfertigt sich deshalb, weil die Vorfrage nach Bestand und ' Fälligkeit- des Hauptanspruchs an und für sich dem Bundesgericht zusteht. Zudem ist ja die SchadenersatzBundesblatt. 99. Jahrg. Bd. I.

67

1022 klage gewissermassen ein Anhängsel des vor Bundesgericht durchgeführten Verfahrene um vorsorgliche Verfügung.

12. Schluss- und Übergangsbestimmungen (Art. 86/87).

Art. 86: Vgl. die Bemerkungen zum Art. 1.

Art. 87: Die im Zeitpunkt des Inkrafttretens des neuen BZP hängigen Verfahren werden nach bisherigem Gesetz zu Ende geführt; jedoch finden die Vorschriften über die Richterpflicht, über nachträgliche Ergänzung der Tatsachen und Beweismittel und über die Klageänderung (Art. 8, 19 und 26) sinngemässe Anwendung.

Wir empfehlen Ihnen den beiliegenden Gesetzesentwurf zur Annahme.

Genehmigen Sie, Herr Präsident, hochgeehrte Herren, die Versicherung unserer vollkommenen Hochachtung.

Bern, den 14. März 1947.

Im Namen des Schweiz. Bundesrates, "Der Bundespräsident : Etter.

Der Bundeskanzler: Leimgruber.

1023 (Entwurf.)

Bundesgesetz über den

Bundeszivilprozess Die Bundesversammlung der schweizerischen Eidgenossenschaft,, gestutzt auf Art. 106 bis 114 der Bundesverfassung, nach Einsicht in eine Botschaft des Bundesrates vom 14. März 1947, beschliesst: Erster Titel.

Anwendungsbereich des Gesetzes und Zuständigkeit.

Art. 1.

1 Dieses Gesetz regelt das Verfahren in den vom Bundesgericht als einziger Instanz zu beurteilenden Zivilstreitsachen.

a Es wird ergänzt durch die Vorschriften des ersten, neunten und zehnten Titels des Bundesgesetzes vom 16. Dezember 1948 über die Organisation der Bundesrechtspflege, soweit die folgenden Bestimmungen nicht Abweichendes enthalten.

Art. 2.

Die Klage beim Bundesgericht ist zulässig in den in Art. 41 und 42 des Gesetzes über die Organisation der Bundesrechtspflege aufgeführten Streitsachen.

2 Sie setzt voraus, dass nach eidgenössischem oder kantonalem Eecht ein Gerichtsstand in der Schweiz begründet ist.

3 Die Vereinbarung eines Gerichtsstandes in der Schweiz bindet das Bundesgericht nicht, es kann die Klage von Amtes wegen zurückweisen. Hat jedoch der Kläger seinen Wohnsitz in der Schweiz oder ist er Schweizerbürger, so ist das Bundesgericht zur Annahme der Klage verpflichtet.

1

Anw endungsbereich.

Zuständigkeit.

1024 Zweiter Titel.

Allgemeine Grundsätze des Verfahrens.

Rieht erpflicht

Sprache der Verhandlungen.

Art. 8.

Der Eichter prüft von Amtes wegen die Zulässigkeit der Klage und aller weiteren Prozesshandlungen.

2 Der Richter darf über die Recbtsbegehren der Parteien nicht hinausgehen und sein Urteil nur auf Tatsachen gründen, die im Verfahren geltend gemacht worden sind. Er soll jedoch die Parteien auf unzulängliche Rechtsbegehren aufmerksam machen und darauf hinwirken, dass sie Tatsachen und Beweismittel, die für die Feststellung des wahren Tatbestandes notwendig erscheinen, vollständig angeben. Zu diesem Instruktionszwecke kann er jederzeit die Parteien persönlich einvernehmen.

Art. 4.

1 Der Eichter und die Parteien dürfen sich einer der drei Amtssprachen des Bundes (Art. 116, Abs. 2, der Bundesverfassung) bedienen.

* Nötigenfalls ordnet der Richter Übersetzung an.

1

Art. 5.

Instruktionsrichter.

Aussetzen und Unheil des Verfahrens.

1

Bin Instruktionsrichter leitet den Schriftenwechsel und bereitet den Rechtsstreit für die Hauptverhandlung vor.

3 Er bestimmt die von den Parteien für Gerichtskosten und Entschädigung zu leistenden Sicherungen und Vorschüsse (Art. 150 und 151 des Gesetzes über die Organisation der Bundesrechtspflege), entscheidet über die Gerichtskosten bei Streitbeendigung vor der Hauptverhandlung durch gerichtlichen Vergleich oder Abstand und bestimmt bei Abstand die Höhe der Parteientschädigung.

3 Zu Zeugeneinvernahmen, Augenschein und Parteiverhör ist ein zweiter Richter beizuziehen.

Art. 6.

Der Richter ist befugt, aus Gründen der Zweckmässigkeit, insbesondere wenn das Urteil von der Entscheidung in einem anderen Rechtsstreit beeinflusst werden kann, das Verfahren auszusetzen.

* Von Gesetzes wegen ruht das Verfahren in den besonders bestimmten Fällen und bei Tod einer Partei.

3 Im letzteren Falle ist die Fortsetzung zu verfügen, sobald die Erbschaft nicht mehr ausgeschlagen werden kann oder die amtliche Liquidation angeordnet ist. Vorbehalten bleibt die vorherige Fortsetzung dringlicher Prozesse durch Erbschaftsvertreter.

1

1025 4

Sind die für die Verfügung der Fortsetzung erforderlichen Angaben über die Rechtsnachfolge weder von der Erbschaft noch yon der Gegenseite erhältlich, so wird der Prozess abgeschrieben.

·',

Art. 7 .

. . .

1

Das Protokoll ist während der Verhandlungen niederzuschreiben.

Aufzunehmen sind die Anträge der Parteien und die. Verfügungen des Eichters sowie, dem wesentlichen Inhalte nach, in den Schriftsätzen der Parteien nicht enthaltenes Anbringen tatsächlicher Natur, die Ergebnisse des Augenscheins, die Aussagen der Zeugen und Sachverständigen und diejenigen im Parteiverhör.

2 Diese Aussägen sind den Aussagenden vom Protokollführer vorzulesen oder zu lesen zu geben und von ihnen zu unterzeichnen. Das übrige Protokoll liest er zwecks allfälliger Berichtigung den Parteien auf Verlangen am Ende der Verhandlung vor und merkt dies an.

' Stenographischen Protokollen sind vom Gerichtsschreiber beglaubigte Übertragungen beizufügen.

.

Art. 8.

Nach Beendigung.. des . Rechtsstreites sind die Beweisurkunden den Personen, die sie vorgelegt haben, gegen Empfangschein zurückzugeben.

Das gerichtliche Aktenheft mit den Schriftsätzen der Parteien, den Vollmachten ihrer Vertreter, den richterlichen Verfügungen und Mitteilungen, den Protokollen und der Urteilsausfertigung ist zu archivieren.

Protokoll.

Gerichtsaktenheft.

Dritter Titel Zeitbestimmungen, Säumnis und Wiederherstellung, .

Art. 9.

Der Eichter bestimmt die Fristen, soweit nicht das Gesetz sie festlegt, und erlässt die Ladungen,

Art. 10.

Gerichtliche Mitteilungen werden entweder an die Partei selbst oder an ihren bevollmächtigten Vertreter zugestellt.

a Wohnen beide im Auslande, so" ist in der Schweiz ein Zustellungsdomizil zu bezeichnen; wird es unterlassen, so kann die Zustellung unterbleiben oder gemäss Art. 11 erfolgen.

3 Verfügungen und Urteile werden, n der Regel durch die Post auf dem für die Übermittlung gerichtlicher Urkunden vorgesehenen Wege zugestellt; sie können in anderer Weise gegen Empfangsbescheinigung zugestellt werden.

.

1

Fristen und Ladungen,

Form der Zustellung.

1026 4

Im Ausland zu bewirkende Zustellungen sind nach den zwischenstaatlichen Vereinbarungen oder, wo solche fehlen, durch Vermittlung des eidgenössischen Justiz- und Polizeidepartements vorzunehmen.

Art. 11.

öffentliche Zustellung.

1 Ist die Adresse des Empfängers unbekannt, so erfolgt die Zustellung durch öffentliche Bekanntmachung. Diejenige der Klage setzt voraus, dass der Kläger die ihm zumutbaren Nachforschungen nach der Adresse des Beklagten gemacht hat.

2 Die öffentliche Bekanntmachung ist auch zulässig, wenn eine im Auslande notwendige Zustellung voraussichtlich unausführbar ist.

3 Die öffentliche Bekanntmachung geschieht durch Auskündung im Bundesblatt und, nach Ermessen des Eichters, in weitern Blättern.

Der Erscheinungstag des Bundesblattes gilt als Tag der Zustellung.

Säumnisfolgen

. 1 Sofern das Gesetz nichts anderes vorsieht, hat die Versäumung einer Prozesshandlung nur zur Folge, dass das Verfahren ohne sie weitergeht.

2 Bleibt eine Partei von einem Rechtstag aus, so wird dieser gleichwohl durchgeführt. Bisheriges Anbringen der ausgebliebenen Partei wird berücksichtigt, 3 Sind infolge Versäumung einer Prozeßschrift oder Ausbleibens einer Partei vom Eechtstage tatsächliche Behauptungen der Gegenpartei unbestritten gebheben, so ist darüber Beweis zu erheben, wenn Gründe vorliegen, an ihrer Richtigkeit zu zweifehl.

4 Der ausgebliebenen Partei wird eine Abschrift des Protokolls der Verhandlung zugestellt. Die Zustellung unterbleibt, wenn sie nach Art. 11 durch Öffentliche Bekanntmachung zu geschehen hätte.

6 Bleiben beide Parteien von einem Eechtstag aus, so fordert sie der Eichter zur Verantwortung auf. Erweist sich, dass das Ausbleiben nicht gerechtfertigt war, so kann er den Rechtsstreit abschreiben und den Parteien die Kosten zu gleichen Teilen auferlegen.

Art. 12.

Wiederholst ellung.

Art. 13.

: Gegen die Folgen der Versäumung einer Frist oder eines Rechtstages wird Wiederherstellung gewährt, wenn der Säumige oder sein Vertreter durch ein unverschuldetes Hindernis abgehalten war und er innert 10 Tagen nach Wegfall des Hindernisses die Wiederherstellung verlangt und, im Falle der Frist Versäumnis, die versäumte Prozesshandlung nachholt. .Das Hindernis ist glaubhaft zu machen.

1

1027 a

Die Wiederherstellung ist zu versagen, wenn sie für den Prozessausgang offenbar unerheblich wäre.

a Über das Gesuch entscheidet der Instruktionsrichter, wenn er die versäumte Prozesshandlung verfügt hat, sonst das Gericht.

Vierter Titel.

Parteien und am Rechtsstreite beteiligte Dritte.

Art. 14.

Die Partei kann insoweit selbständig Prozess führen als sie handlungsfähig ist.

Art. 15.

1 Wer ein eigenes rechtliches Interesse glaubhaft zu machen vermag, dass in einem zwischen andern Personen hängigen Rechtsstreite die eine Partei obsiege, kann ihr als Gehilfe beitreten. Über die Zulassung entscheidet der Instruktionsrichter, im Falle des Beitritts in der Hauptverhandlung das Gericht. Den Entscheid des Instruktionsrichters können die Beteiligten innert 10 Tagen an das Gericht weiterziehen.

* Der Intervenient ist berechtigt, entsprechend der Lage des Verfahrens bei seinem Beitritt Angriffs- und Verteidigungsmittel geltend zu machen und alle übrigen Prozesshandlungen vorzunehmen, soweit sie nicht im Widerspruch zu eigenen Prozesshandlungen der unterstützten Partei stehen.

a Wird jedoch das Urteil kraft materiellen Rechts unmittelbar auch für die Rechtsbeziehungen des Intervenieren zur gegnerischen Partei wirksam sein, so ist er in seinen Prozesshandlungen von der unterstützten Partei unabhängig.

4 Der Bichter soll von seinen Verfügungen dem Intervenienten ebenfalls Kenntnis geben; an den unabhängigen sind alle Zustellungen in gleicher Weise zu richten wie an die unterstützte Partei.

Art. 16.

Wenn eine Partei einem Dritten, gegen den sie im Falle des Unterliegens im Rechtsstreite einen Anspruch auf Gewährleistung oder Schadloshaltung zu haben oder dem sie für den Ausgang desselben haftbar zu sein glaubt, Anzeige vom Rechtsstreit macht, kann der Dritte, ohne sein Interesse begründen zu müssen, der anzeigenden Partei als Intervenient beitreten.

2 Das gleiche Eecht steht weitern Dritten zu, an die der Empfänger unter den gleichen Voraussetzungen seinerseits Anzeige macht.

3 Wird die Anzeige durch den Bichter zugestellt, so hat sie die Gründe der Benachrichtigung und dio Lage des Verfahrens anzugeben.

1

Prozessfähigkeit.

Intervention,

Streitv erkündung.

1028

Parteiwechsel.

. . . . .

Art. 1 7 .

Wechsel der Partei ist nur mit Zustimmung der Gegenpartei gestattet 2 Die ausscheidende Partei haftet für die bisher entstandenen Gerichtskosten solidarisch mit der eintretenden.

8 Vorbehalten bleibt die Rechtsnachfolge kraft Gesamtnachfolge sowie kraft besonderer gesetzlicher Bestimmungen.

1

Art. 18.

Unter Vorbehalt von Art. 29, Abs. 5, des Gesetzes über die Organisation der Bundesrechtspflege kann die Partei ihren Prozess selbst oder durch einen bevollmächtigten Vertreter führen.

a . Die Vorschriften des Obligationsrechts über Umfang und Erlöschen der Ermächtigung gelten auch für die Vollmacht dem Gerichte gegenüber.

8 Prozesshandlungen, die von einem nicht bevollmächtigten Vertreter vorgenommen wurden und vom Vertretenen nicht genehmigt werden, sind von Amtes wegen nichtig zu erklären. Die Kosten des Verfahrens sind dem Vertreter aufzuerlegen.

.

Vertretung der Parteien.

1

Fünfter Titel.

Schriftenwechsel.

Vorbringen der Angriffs- und Verteidigungsmittel.

Zahl der Rechtschriften.

Art. 19.

Die Parteien sollen sämtliche Angriffs- und Verteidigungsmittel auf einmal vorbringen. Vorbehalten bleibt Art. 80, Abs. 1.

a Nachträgliche Ergänzung der Tatsachen und Beweismittel ist nur zulässig, wenn sie vorher nicht vorgebracht werden konnten oder wenn die Verspätung sonst entschuldbar ist, sowie wenn der Eichter das Vor-.

bringen von Amtes wegen berücksichtigt. Im letztern Falle hat die Partei die durch die Verspätung entstehenden Mehrkosten des Verfahrens zu tragen.

Art. 20.

: 1

1

Die Rechtsschriften sind in je einer Ausfertigung für das Gericht und für jede Gegenpartei einzureichen. Haben mehrere Kläger oder mehrere Beklagte den gleichen Vertreter bestellt, so genügt eine Aus-.

fertigung für sie.

* Fehlen notwendige Ausfertigungen oder die schriftliche Vollmacht des Vertreters, so ist nach Art. SO, Abs. 2, des Gesetzes über die Organisation der Bundesrechtspflege,, und ist die Rechtsschrift formwidrig oder unschicklich, nach Abs. 8 der nämlichen Bestimmung zu verfahren.

1029 Art. 21.

Die Klage wird angehoben durch Einreichung der Klageschrift beim Bundesgericht.

· ' ' . - . . ; 2 Die Zuständigkeit des Gerichts wird durch nachherige Änderung der-sie begründenden Tatsachen nicht berührt. Die Veräusserung der im Streite liegenden Sache oder die Abtretung des streitigen Anspruchs während der Rechtshängigkeit bleibt ohne Einfluss auf die Legitimation zur Sache.

.

3 Im übrigen bewirkt die Beohtshängigkeit .nicht die Festlegung des Sachverhalts auf den Zeitpunkt der Klageeinreichung.

1

Rechtshängigkeit.

Art. 22.

Die Klage ist unzulässig, wenn der Anspruch bereits rechtshängig oder rechtskräftig beurteilt ist.

Unzulässigkeitsgrund.

Art. 23.

Die Klageschrift hat zu enthalten: a. Namen -, Wohnort und genaue Bezeichnung der Parteien; l. das Rechtsbegehren des Klägers; c. die Angaben, die für die Zuständigkeit des Bundesgerichts erheblich sind; d. eine kurz gefasste und übersichtliche Darstellung der Tatsachen, die das Rechtsbegehren begründen ; e. für jede Tatsache die genaue Angabe der Beweismittel, unter Beifügung der Verzeichnisnummern (lit. /) der Beilagen; /. numeriertes Verzeichnis der Beilagen; g. das Datum und die Unterschrift des Verfassers.

Klageschrift.

Art. 24.

* Mehrere Ansprüche des Klägers gegen denselben Beklagten können in derselben Klage geltend gemacht werden, wenn das Bundesgericht für jeden einzelnen Anspruch zuständig, ist. Dieses Erfordernis gilt nicht für Nebenansprüche.

2 Mehrere Personen können in derselben Klage als Kläger auftreten oder als Beklagte belangt werden, a. wenn sie in Ansehung. des Streitgegenstandes in Rechtsgemeinschaft, stehen oder aus demselben tatsächlichen und rechtlichen Grunde berechtigt oder verpflichtet sind. Der Richter kann einen Dritten, der in der Rechtsgemeinschaft steht, zum Streite beiladen. Die Beiladung macht ihn zur Partei;

Klagehäufung.

1. objektive; 2. subjektive (Streitgenossen).

1030 b. wenn gleichartige, auf einem im wesentlichen gleichartigen tatsächlichen und rechtlichen Grunde beruhende Ansprüche den Streitgegenstand bilden und die Zuständigkeit des Bundesgerichts für joden einzelnen Anspruch begründet ist.

3 Der Eichtor kann jederzeit verbundene Klagen trennen, wenn er es für zweckmässig hält, Feststellungsklage.

Klageänderung.

Rücknahme der Klage

Zustellung der Klage..

Klage.

beantwortung

Art. 25.

Auf Feststellung des Bestehens oder Nichtbestehens eines Rechtsverhältnisses kann geklagt werden, wenn der Kläger ein rechtliches Interesse an sofortiger Peststellung hat.

Art. 26.

Das Rechtsbegehren kann in der Weise geändert werden, dass ein anderer oder weiterer Anspruch erhoben wird, der mit dem bisher geltendgemachten im Zusammenhang steht.

3 Noues tatsächliches Vorbringen zur Begründung der geänderteil Klage unterliegt den Beschränkungen des Art. 19, Abs. 2.

1

Art. 27.

Der Klüger kann die Klage vor Zustellung an den Beklagten zurücknehmen. Der Instruktionsrichter macht ihn darauf aufmerksam, wenn sich die Klage infolge Prozessmangels als unzulässig erweist.

2 Wird sie innert 20 Tagen unter Hebung des Prozessmangels wieder eingereicht, so wird die Rechtshängigkeit auf die erste Einreichung zurückbezogen. Dasselbe gilt, wenn die Klage wegen eines Prozessmangels vom Gericht zurückgewiesen wird.

3 Nach der Zustellung bedarf die Rücknahme der Klage der Zustimmung des, Beklagten; ohne diese ist sie als Abstand auszulegen.

Vorbehalten bleibt Art. 73. Abs. 3.

1

Art. 28.

Die Klage wird dem Beklagten unter Ansetzung einer Frist zur Beantwortung zugestellt.

a Stellt der Beklagte das Begehren um Sicherstellung der Parteikosten (Art. 150, Abs. 2, des Gesetzes über die Organisation der Bundesrechtspflege), so wird der Lauf der Antwortfrist unterbrochen. Wird das Begehren abgewiesen oder die Sicherheit geleistet, so setzt der Bichter eine neue Antwortfrist an.

1

Art. 29.

Die Antwort hat zu enthalten: a. alle Einwendungen gegen die prozessuale Zulässigkeit der Klage mit Begründung;

1031 b. die Anträge in der Sache; c.. die Widerklage (Art. 31), wenn der Beklagte eine solche erheben will; d. die Antwort auf die Klageanbringen und die tatsächliche Begründung der Anträge in kurz gefasster und übersichtlicher Darstellung. Die Begründung der Widerklage kann mit der Antwort . verbunden oder gesondert angeschlossen werden; «. für jede Tatsache die genaue Angabe der Beweis- und Gegenbeweismittel und Beifügung der Verzeichnisnummern (lit. /) der Beilagen sowie die Einwendungen gegen die vom Kläger angerufenen Beweismittel; /. numeriertes Verzeichnis der Beilagen; (]. Datum-und Unterschrift des Verfassers.

. '.

Art. 30.

Der Instruktionsrichter kann verfügen, dass die Antwort sich auf Einwendungen gegen die prozessuale Zulässigkeit der Klage beschränke, wenn erhebliche Zweifel gegen diese bestehen oder der Beklagte ohne Verzug nach Zustellung der Klage ernsthafte Gründe dagegen vorbringt.

3 Erweist sich nachträglich die Voraussetzung der Beschränkung als unbegründet, so ist. der Schriftenwechsel zu vervollständigen.

1

Art. 31.

; Widerklage ißt zulässig für Ansprüche gemäss Art. 41 und 42 des Gesetzes über die Organisation der Bundesrechtspflege. Der Gegenanspruch muss mit dem Klageanspruch in rechtlichem Zusammenhang stehen oder beide Ansprüche müssen verrechenbar sein.

2 Die Widerklage bleibt bestehen, auch wenn die Klage dahinfällt.

1

Art. 32.

- Die Antwort wird dem Kläger zugestellt unter Ansetzung einer Frist zur Beantwortung der Widerklage, wenn eine solche erhoben worden ist. Art. 29, lit. a, b und d bis g, sind entsprechend anwendbar, Art. 28, Abs. 2 findet keine Anwendung.

- Hiervon abgesehen ist eine schriftliche Replik einzuholen, wenn sie zur Erklärung des Klägers über das Vorbringen der Antwort geboten erscheint. Unter entsprechender Voraussetzung kann dem Beklagten Frist zur Duplik angesetzt werden.

1

Art. 33.

Die Partei hat die Urkunden, auf die sie sich zum Beweise beruft, und bei Berufung auf öffentliche Eegister beglaubigte Auszüge daraus

Beschränkung der Antwort.

Widerklage

Weite rer Schriftenwechsel.

UrkundenBeilage, liezeichnung der Beweismittel.

1032 geheftet und numeriert der Rechtsschrift beizulegen. Vorbehalten bleibt Erlass der Vorlage gemäss Art. 53. In umfangreichen Beilagen sind dio angerufenen Stellen kenntlich zu machen. Befinden sich die Urkunden nicht in Händen der Partei, so sind die Inhaber mit Namen und Adresse zu bezeichnen. In gleicher "Weise sind die angerufenen Zeugen zu bezeichnen.

Sechster Titel.

Vorbereitungsverfahren.

Art. 34.

Anwendung.

1

Kann der Eechtsstreit nicht schon auf Grund des Schriftenwechsels entschieden werden, so führt der Instruktionsrichter das Vorbereitungsverfahren durch, in dem die Streitpunkte festgestellt und die Beweise erhoben werden.

2 Die Beweisführung wird auf die Hauptverhandlung verschoben, wenn die unmittelbare Wahrnehmung durch das Gericht aus besondern Gründen geboten ist. Sie kann auch sonst mit der Hauptverhandlung verbunden werden, sofern diese dadurch nicht zu stark belastet wird, 3 Das Vorbereitungsverfahren ist entsprechend zu beschränken, wenn eine Beschränkung der Antwort gemäss Art. 30 stattgefunden hat oder die Beschränkung nunmehr zweckmässig erscheint; ebenso kann es auf eine einzelne materielle Frage beschränkt werden, durch deren Beurteilung der Rechtsstreit voraussichtlich seinen Abschluss finden wird.

Art. 85.

Mündliche Verhandlung.

1

Eine mündliche Verhandlung findet im Vorbereitungsverfahren nur statt, wenn die Ausmitthing des streitigen Sachverhalts, die Sichtung des tatsächlichen Vorbringens oder die zu erhebenden Beweise sie erfordern.

2 Zu dieser Verhandlung sind die Parteien in der Regel persönlich vorzuladen.

Siebenter Titel.

Beweis.

1. Allgemeine Bestimmungen.

Beweisbedürftige Tatsachen ; Geständnis,

Art. 36.

Beweis wird nur über erhebliche und, soweit der Sachverhalt nicht von Amtes wegen zu erforschen ist, sowie unter Vorbehalt von Art. 12, Abs. 8, bei Säumnis einer Partei, nur über bestrittene Tatsachen geführt.

1

1033 a

Ob mangels eines ausdrücklichen Geständnisses eine Tatsache als bestritten anzusehen sei, hat der Richter unter Berücksichtigung des gesamten Inhalts des Vorbringens und des Verhaltens der Partei im Prozesse zu beurteilen.

3 Inwiefern das Geständnis durch beigefügte Zusätze und Einschränkungen oder durch Widerruf unwirksam wird, beurteilt der Eichter nach freiem Ermessen.

4 In gleicher Weise beurteilt er, inwiefern infolge eines aussergerichtlichen Geständnisses der Beweis unnötig wird.

Art. 87.

Der Richter ist an die von den Parteien angebotenen Beweismittel nicht gebunden; er berücksichtigt nur die notwendigen. Er kann auch von den Parteien nicht angebotene Beweismittel beiziehen.

Bestimmung der Beweismittel durch den Richter.

Art. 88.

Die Parteien sind berechtigt, der Beweiserhebung beizuwohnen und in die vorgelegten Urkunden Einsicht zu nehmen. Der Bichter ist jedoch befugt, zur Wahrung von Gewerbe- und Geschäftsgeheimnissen einer Partei oder eines Dritten von einem Beweismittel unter Ausschluss der Gegenpartei oder der Parteien Kenntnis zu nehmen,

.Beweiserhebung In Anwesenheit der Parteien und Urkundeneinsicht

Art. 39.

Im Ausland notwendige Beweisaufnahmen sind im Wege der Rechtshilfe herbeizuführen. Kann der Beweis durch einen schweizerischen diplomatischen oder konsularischen Vertreter aufgenommen werden, so ist das Ersuchen an diesen zu richten.

Beweismassnahmen im Ausland.

Art. 40.

Der Eichter würdigt die Beweise nach freier Überzeugung. Er wägt mit das Vorhalten der Parteien im Prozesse, wie Nichtbefolgen persönlicher Ladung, Verweigerung der Beantwortung richterlicher Fragen und Vorenthaltung -angeforderter Beweismittel.

Art. 41.

Zur Sicherung gefährdeter Beweise trifft der Instruktionsrichter die geeigneten Vorkehren. Beweissicherung vor Einreichung der Klage ist Sache der kantonalen Gerichtsbarkeit.

Freie Beweiswürdigung.

Beweissicherung.

1034 2. Beweismittel, a. Zeugen.

ZeugnisVerweigerungsrecht

Zeugenladung

Ausbl eiben desZeugen..

Art. 42.

Das Zeugnis kann \erweigert werden: a. über Fragon, deren Beantwortung dem Zeugen, seinem Ehegatten, Verwandten oder Verschwägerten in gerader Linie und im «weiten Grad der Seitenlinie, den Adoptiveltern oder dein Adoptivkind die Gefahr strafgerichtlicher Verfolgung oder einer schweren Benachteiligung der Ehre zuziehen kann oder einen unmittelbaren Vermögensrecht liehen Schaden verursachen würde; h. von den in Art. 321, Ziff. l, des Strafgesetzbuches genannten.

Personen über Tatsachen, die nach dioser Vorschrift unter das Berufsgeheimnis fallen, sofern der Berechtigte nicht in die Offenbarung des Geheimnisses eingewilligt hat.

2 Die Offenbarung anderer Berufsgeheimnisse sowie eines Gewerbeoder Geschäftsgeheimnisses kann der Bichter dem Zeugen erlassen, wenn dessen Interesse an der Geheimhaltung auch bei Berücksichtigung der Sicherungsmassnahmen gemäss Art. 38 das Interesse des Beweisführers an der Preisgabe überwiegt.

3 Pur dio Zeugnispflicht der Beamten des Bundes und der Kantone über Wahrnehmungen in Ausübung ihres Amtes sind die einschränkenden Vorschriften des Verwaltungsrechtes des Bundes und der Kantone massgebend.

1

Art. 48.

In der Zeugenladung ist der Gegenstand der Abhörung summarisch zu bezeichnen. Auf den Entschädigungsanspruch des Zeugen und die Folgen unentschuldigten Ausbleibens (Art. 44) ist hinzuweisen.

Art. 44.

Beruft sich der Zeuge auf das Recht der Zeugnisverweigerung, so hat er gleichwohl die Ladung zu befolgen, sofern diese nicht ausdrücklich widerrufen worden ist.

2 Der ohne Entschuldigung ausbleibende Zeuge ist zu den durch sein Ausbleiben entstehenden Kosten zu verurteilen. Er kann zwangsweise vorgeführt werden.

3 Bleibt der Zeuge wiederholt ohne genügende Entschuldigung aus oder verweigert er trotz Hinweises auf die Straffolgen unbefugt seine Aussage, so ist er mit Haft bis zu 10 Tagen oder mit Busse bis zu Fr. 800 zu bestrafen.

1

1035 4

Über das Eecht zur Verweigerung des Zeugnisses und die Ungehorsamsstrafe befindet der Instruktionsrichter, in der Hauptverhandlung das Gericht.

Art. 45.

1

Jeder Zeuge wird in Abwesenheit der später abzuhörenden einvernommen. Bei Widerspruch der Aussagen kann er andern Zeugen gegenübergestellt werden.

2 Der Zeuge soll gegebenenfalls auf das Eecht der Zeugnisverweigerung aufmerksam gemacht, zur wahrheitsgemässen Aussage ermahnt und auf die strafrechtlichen Folgen falschen Zeugnisses (Art. 807 des Strafgesetzbuches) hingewiesen werden.

Art. 46.

Der Zeuge wird durch den Richter ein vernommen. Die Parteien erhalten Gelegenheit, Erläuterungs- und Ergänzungsfragen zu beantrage! n, über deren Zulässigkeit der Richter entscheidet.

Abhörung.

i'ragerecht.

Ar 1.47.

Zur Vermeidung unverhältnismässig hoher Kosten kaiin die Abhörung des Zeugen dein Richter des Wohnortes übertragen werden.

Er führt die Einvernahme in den Formen des kantonalen Prozessrechts durch.

Art. 48.

Der Zeuge hat Anspruch auf Ersatz der notwendigen Reiseauslagen.

Erleidet er durch die Zeitversäumnis eine Einbusse an seinem Arbeitserwerb, so ist er auch hierfür zu entschädigen, und zwar vollständig, wenn er darauf angewiesen ist, sonst nach billigem Ermessen, dos Richters.

Rogatorische Abhörung.

Zeugeugeld.

Art. 49.

Der Richter kann von Amtsstellen und ausnahmsweise auch von Privatpersonen schriftliche Auskunft einziehen. Er befindet nach freiem Ermessen, ob sie zum Beweise tauglich ist oder der Bekräftigung durch gerichtliches Zeugnis bedarf.

Schriftliche Auskunft.

?), U r k u n d e n .

Art. 50.

Die Partei ist verpflichtet, die in ihren Händen befindlichen Urkunden dem Bichter vorzulegen. Bestreitet sie den Besitz einer Urkunde, so kann sie über ihren Vorbleib zur Aussage unter Straffolge (Art. 64) verhalten -werden.

1

Editionspflicht der Partei.

1036 !

Verweigert die Partei die Vorlegung der Urkunde oder die Auskunft über ihren Verbleib oder hat sie die Urkunde absichtlich beseitigt oder untauglich gemacht, so würdigt der Richter dieses Verhalten nach Art. 40.

Art. 51.

Editionspflicht Dritter.

Art und Welse der Vorlegung.

1

Dritte sind verpflichtet, die in ihren Händen befindlichen Urkunden dem Eichter vorzulegen, es sei denn, dass die Urkunden sich auf Tatsachen beziehen, über die sie als Zeugen gemäss Art. 42 die Aussage verweigern könnten. Ist die Verweigerung nur in bezug auf einzelne Teile einer Urkunde begründet, die durch Versiegelung oder auf andere Weise der Einsicht entzogen werden können, so besteht die Verpflichtung zur Vorlegung unter dieser Sicherung.

a Bestreitet der Dritte den Besitz der Urkunde, so kann er über ihren Verbleib als Zeuge abgehört werden.

3 Bei Nichtbefolgen der Aufforderung zur Vorlegung und bei Verweigerung der Vorlegung finden Art. 44, Abs. 3 und 4, entsprechende Anwendung.

4 Für die Vorlegung der Urkunden öffentlicher Verwaltungen des Bundes und der Kantone. bleiben deren besondere Vorschriften vorbehalten.

- Art. 52.

Die Urkunde ist im Original oder in beglaubigter Abschrift oder in Photokopie vorzulegen. Der Eichter kann das Original verlangen.

2 Die Teile, die nicht dem Beweise dienen., können mit Ermächtigung des Eichter s durch Versiegelung oder in anderer zweckdienlicher Weise der Einsicht des Richters und der Parteien entzogen werden.

1

Art. 53.

Besichtigung an Ort und Stelle.

Bestreitung der Echtheit.

In Urkunden, deren Vorlegung bei Gericht infolge ihrer Beschaffenheit nicht tunlich .ist oder deren Herausgabe berechtigte Interessen verletzen würde, kann an Ort und Stelle Einsicht genommen werden.

Art. 54.

Ist die Echtheit einer Urkunde bestritten und sind Zweifel daran begründet, so ist darüber Beweis anzuordnen.

2 Ist die Fälschung einer Urkunde Gegenstand eines Strafverfahrens, so kann der Eichter bis zu dessen Erledigung den Rechtsstreit einstellen.

1

1037 c, Augenschein.

Art. 55.

Die Partei ist verpflichtet, an ihrer Person und an den in ihrem Gewahrsam stehenden Sachen den Augenschein zu dulden.

a Ihre Weigerung würdigt der Eichter nach Art. 40.

8 Dritte sind verpflichtet, an den in ihrem Gewahrsam stehenden Sachen den Augenschein zu dulden, soweit sie nicht in sinngemässer Anwendung von Art. 42 zur Weigerung berechtigt sind.

4 Unbefugte Weigerung zieht Bestrafung gemäss Art. 44, Abs. 3 und 4, nach sich. Der Einlass in Liegenschaften zur Besichtigung kann überdies polizeilich erzwungen werden.

5 Kann die zu besichtigende Sache vor Gericht gebracht werden, so ist sie wie eine Urkunde vorzulegen.

1

Art. 56.

Der Richter zieht nach Bedürfnis die Zeugen und Sachverständigen zum Augenschein bei.

2 Ist die eigene Wahrnehmung desBichters unnötig oder unangemessen, so ordnet er an, dass der Sachverständige den Augenschein ohne seine Anwesenheit vornehme. Die Parteien sind von ihm beizuziehen, wenn nach Ermessen des Eichters ihre Erläuterungen nützlich sein können und nicht die Geheimniswahrung gemäss Art. 88, Satz 2, oder die Natur der Besichtigung sie ausschliesst.

1

Verpflichtung zur Duldung.

Durchführung.

d. Sachverständige.

Art. 57.

Sind zur Aufklärung des Sachverhaltes Fachkenntnisse erforderlich, so zieht der Eichter einen oder mehrere Sachverständige als Gehilfen bei. Sie beteiligen sich nach seiner Anordnung an der Instruktion des Prozesses und begutachten die ihnen vom Eichter vorgelegten Fragen.

Art. 58.

1 Für Sachverständige gelten die gleichen Ausstandsgründe wie für Eichter (Art. 22 und 28 des Gesetzes über die Organisation der Bundesrechtspflege).

.

a Die Parteien erhalten Gelegenheit, vor der Ernennung von Sachverständigen Einwendungen gegen die in Aussicht Genommenen vorzubringen.

Bundeeblatt. 99. Jahrg. Bd. L

68

Aufgabe.

Bestellung

1038 Art. 59.

Pflichten.

1

Der Sachverständige hat nach bestem Wissen und Gewissen zu amten und sich der strengsten Unparteilichkeit zu befleissen. Auf diese Pflicht ist er bei der Bestellung aufmerksam zu machen.

2 Ungehörige Erfüllung dea angenommenen Auftrages zieht Ordnungsbusse nach sich (Art. 31, Abs. l, des Gesetzes über die Organisation der Bundesrechtspflege).

Art. 60.

Gutachten,

1

Der Sachverständige erstattet sein Gutachten mit Begründung entweder schriftlich innert zu bestimmender Frist oder in mündlicher Verhandlung zu Protokoll. Mehrere Sachverständige verfassen das schriftliche Gutachten gemeinsam, wenn ihre Ansichten übereinstimmen, sonst gesondert. Entspricht es den Anforderungen, so ist den Parteien eine Abschrift zuzustellen. Sie erhalten Gelegenheit, Erläuterung und Ergänzung oder eine neue Begutachtung zu beantragen.

a Der Bichter stellt die ihm notwendig erscheinenden Erläuterungsund Ergänzungsfragen in mündlicher Verhandlung oder zu schriftlicher Beantwortung. Er kann andere Sachverständige beiziehen, wenn er das Gutachten für ungenügend hält. Art. 58 ist anwendbar.

Art. 61.

Honorar.

Der Sachverständige hat Anspruch auf Vergütung seiner Auslagen sowie auf Entschädigung nach freiem Ermessen des Eichters.

e. Parteiverhör.

Durchführung.

PartelsteUung Im Verhör.

Art. 62.

Die Partei kann zum Beweise einer Tatsache dem Verhör unterzogen werden. Kommt eine Wahrnehmung beider Parteien in Betracht, so sollen beide verhört werden.

2 Die Parteien sind vor dem Verhör zur Wahrheit zu ermahnen und darauf aufmerksam zu machen, dass sie zur Beweisaussage unter Straffolge angehalten werden können.

1

Art. 63.

Führt die Partei den Prozess durch ihren gesetzlichen Vertreter, so ist sie selbst zu verhören, wenn sie urteilsfähig ist und eigene Wahrnehmungen gemacht hat, sonst der Vertreter.

2 Ist die Partei eine juristische Person, so bestimmt der Richter, welches von den Mitgliedern mit Organeigenschaft, und ist sie eine Kollektiv- oder Kommanditgesellschaft, welcher von den Gesellschaftern zu verhören ist.

1

1039 3

Im Prozess der Konkursmasse kann sowohl der Konkursverwalter als auch der Gemeinschuldner als Partei verhört werden.

Art. 64.

Der Eichter kann eine Partei zur Beweisaussage unter Straffolge über bestimmte Tatsachen verhalten, wenn er es nach dem Ergebnis des einfachen Parteiverhörs für geboten erachtet.

2 Vor dem nochmaligen Verhör ist die Partei neuerdings zur Wahrheit zu ermähnen. Die Straffolgen der falschen Aussage gemäss Art. 806 des Strafgesetzbuches sind ihr bekanntzugeben.

1

Art. 65.

Der Eichter würdigt den .Beweiswert der Parteiaussage nach freiem Ermessen.

2 Bleibt eine Partei ohne genügende Entschuldigung aus, obschon sie persönlich geladen war, oder verweigert sie die Antwort, so würdigt der Eichter dieses Verhalten nach Art. 40.

1

Bmveiaaussdge,

Würdigung.

Achter Titel.

Hauptverhandlung.

Art. 66.

Der Abschluss des Vorbereitungsverfahrens wird den Parteien mitgeteilt.

2 Der Abteilungspräsident erlässt die Ladungen zur Hauptverhandlung vor dem Gericht.

3 Art. 84, Abs. 3, ist entsprechend anwendbar.

1

Art. .67.

Das Gericht erhebt gemäss Art. 84, Abs. 2, auf die Hauptverhandlung verschobene Beweise.

a Beweiserhebungen des Instruktionsrichters kann es auf Antrag, der innert 10 Tagen seit dem Abschluss des Vorbereitungsverfahrens zu stellen ist, oder von Amtes wegen bis zum Schluss der Hauptverhandlung ergänzen. Es kann auch vom Instruktionsrichter erhobene Beweise wiederholen, wenn besondere Gründe hierfür sprechen, insbesondere wenn ihm die unmittelbare Wahrnehmung geboten erscheint.

3 Das Gericht kann auf Antrag oder von Amtes wegen die Sache zur Ergänzung der Instruktion an den Instruktionsrichter zurückweisen.

1

Ansetzung.

Beweis» maaenahinen.

1040 Parteivorträge, Urteilsfällung.

Art. 68.

Hält das Gericht die Beweiserhebungen für vollständig, so erhalten die Parteien das Wort zur Begründung ihrer Anträge, zu Replik und Duplik.

a Werden nachträglich noch Beweise aufgenommen, so kann das Gericht einen weiteren Vortrag gestatten.

3 Soweit tunlich, finden Beratung und Abstimmung anschliessend an die mündliche Verhandlung statt.

1

Art. 69.

Prozesskosten

Urteilseröffnung.

Rechtskraft des Urteils.

.

1

Über die Prozesskosten entscheidet das Gericht von Amtes wegen nach Massgabe der Art. 158, 156 und 159 des Gesetzes über die Organisation der Bundesrechtspflege.

2 Es bestimmt nach seinem Ermessen, ob mehrere Kläger oder Beklagte solidarisch und in welchem Verhältnis unter sich oder ob sie nach Kopfteilen oder entsprechend ihrer Beteiligung am Eechtsstreit kostenpflichtig oder ersatzberechtigt sind. Ebenso bestimmt es, inwieweit der Intervenient an die Gerichtskosten und die Entschädigung des Gegners der unterstützten Partei beitragspflichtig oder diesem gegenüber ersatzberechtigt ist.

3 Die Parteien sollen vor dem Urteil ein spezifiziertes Verzeichnis ihrer Kostenforderung einreichen.

Art. 70.

Das Urteil wird sogleich mündlich eröffnet. Mit Einwilligung der Parteien kann es schriftlich eröffnet werden.

a Jeder Partei wird eine Ausfertigung mit den vollständigen Entscheidungsgründen zugestellt.

3 Der abwesenden Partei ist das Dispositiv des Urteils sogleich schriftlich mitzuteilen. Die Zustellung der vollständigen Urteilsausfertigung an sie unterbleibt, wenn sie nach Art. 11 durch öffentliche Bekanntmachung zu geschehen hätte. An ihre Stelle tritt die Aufnahme in das gerichtliche Aktenheft, deren Datum anzumerken ist.

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Art. 71.

Das Urteil wird mit der Ausfällung rechtskräftig.

2 Die Eechtskraft erstreckt sich auf die Entscheidung über das Bestehen oder Nichtbestehen der einredeweise geltend gemachten Gegenforderung bis zur Hohe des Betrages, mit dem verrechnet werden soll.

1

1041 Neunter Titel.

Erledigung des Rechtsstreites ohne Urteil.

Art. 72.

Wird ein Rechtsstreit gegenstandslos oder fällt er mangels rechtlichen Interesses dahin, so erklärt ihn das Gericht nach Vernehmlassung der Parteien ohne weitere Parteiverhandlung als erledigt und entscheidet mit summarischer Begründung über die Prozesskosten auf Grund der Sachlage vor Eintritt des Erledigungsgrundes.

Art. 78.

Der vor dem Eichter erklärte oder dem Eichter zur Verurkundung im Protokoll eingereichte Vergleich der Parteien .und der Abstand einer Partei beenden den Eechtsstreit.

2 In den gerichtlichen Vergleich können ausserhalb des Prozesses liegende Streitfragen zwischen den Parteien und einer Partei mit Dritten einbezogen werden, sofern es der Beilegung des Prozesses dient.

3 Ist die Einrede erhoben worden, der Anspruch sei nicht fällig oder er sei von einer Bedingung abhängig, oder ist ein Prozessmangel gerügt worden, so kann der Kläger die Klage unter dem Vorbehalt zurücknehmen, sie nach Eintritt der Fälligkeit oder der Bedingung oder nach Behebung dea Prozessmangels wieder einzureichen.

4 Gerichtlicher Vergleich und Abstand sind wie das Urteil vollstreckbar.

Zehnter Titel.

1

Vollstreckung.

Art. 74.

1 Das Urteil ist sofort vollstreckbar.

2 Macht das Urteil die dem Beklagten auferlegte Leistung von einer Bedingung oder Gegenleistung abhängig, so ist es vollstreckbar, sobald das Bundesgericht festgestellt hat, dass die Bedingung eingetreten oder die Gegenleistung erbracht ist. Die Feststellung erfolgt auf Antrag des Klägers nach Anhörung des Beklagten und amtlicher Erhebung des Sachverhalts ohne Parteiverhandlung.

Gegenstandslos gewordener Rechtsstreit.

Gerichtlicher Vergleich und Abstand.

Vollstreckbarkeit.

Art. 75.

Urteile, die zur Zahlung einer Geldsumme oder zur Sicherheitsleistung in Geld verpflichten, werden nach dem Bundesgesetz über Schuldbetreibung und Konkurs vollstreckt.

Urteile auf Geldzahlung.

1042 Art. 76.

Urteile auf Tun und Unterlassen.

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In Urteilen, die Private zur Vornahme einer Handlung verpflichten, sind für den Fall der Nichtvornahme innert zu bestimmender Frist und in Urteilen, die sie zum Unterlassen einer Handlung verpflichten, für jede Widerhandlung die Ungehorsamsstrafen des Art. 292 des Strafgesetzbuches von Amtes wegen anzudrohen.

2 Die Strafverfolgung findet auf Antrag der berechtigten Partei statt (Art. 28--31 des Strafgesetzbuches). Sie schliesst den Anspruch auf Vollstreckung des Urteils nicht aus.

3 Der berechtigten Partei bleibt vorbehalten, statt der zwangsweisen Durchführung oder Fortführung der Vollstreckung oder nach erfolgloser Vollstreckung Schadenersatz wegen Nichterfüllung zu verlangen.

Art. 77.

Realvollstreckung.

1

Die Vollstreckung des Urteils liegt dem Bundesrat ob.

Auf Gesuch der berechtigten Partei trifft er durch Vermittlung der kantonalen Behörde oder unmittelbar alle hierzu erforderlichen Massnahmen, -wie polizeiliche Wegnahme der herauszugebenden Sache, Vornahme anderer, nicht notwendig persönlich auszuführender Handlungen und Beseitigung des der Unterlassungspflicht widersprechenden Zustandes durch einen Dritten, nötigenfalls unter polizeilichem Schutz, sowie Beiordnung solchen Schutzes gegen den zur Duldung Verpflichteten.

3 Die berechtigte Partei hat die Kosten dieser Massnahmen vorzuschiessen; nach deren Durchführung ist der Pflichtige durch den Bundesrat zum Ersatz dieser Kosten zu verurteilen.

a

Art. 78.

Abgabe einer Willenserklärung.

J

Ist der Beklagte zur Abgabe einer Willenserklärung verurteilt, so wird die Erklärung durch das Urteil ersetzt. Ist sie von einer Bedingung oder Gegenleistung abhängig, so tritt diese Wirkung mit der Feststellung gemäss Art. 74, Abs. 2, ein.

2 Betrifft die Willenserklärung ein im Grundbuch einzutragendes Eecht, so erteilt der Bichter im Urteil die Ermächtigung zur Eintragung im Sinne von Art, 18 und 19 der Grundbuchverordnung vom 22. Februar 1910.

1043 Elfter Titel.

Vorsorgliche Verfügung.

Art. 79.

1 Vorsorgliche Verfügungen können getroffen werden: a. zum Schutze des Besitzes gegen verbotene Bigenmaoht und widerrechtliche Vorenthaltung; b. zur Abwehr eines drohenden, nicht leicht wieder gutzumachenden Nachteils, insbesondere durch Veränderung des bestehenden Zustandes vor oder während der Beehtshängigkeit des Anspruchs.

2 Ausgeschlossen ist die vorsorgliche Verfügung zur Sicherung von Forderungen, die dem Bundesgesetz über Schuldbetreibung und Konkurs unterliegen.

Art. 80.

Zuständig zur vorsorglichen Verfügung vor rechtshängiger Klage ist der Ab'teilungspräsident, nachher der Instruktionsrichter, in der Hauptverhandlung das Gericht.

Art. 81.

Das Gesuch um vorsorgliche Verfügung ist schriftlich einzureichen.

In der Vorbereitungs- und in der Hauptverhandlung kann es mündlich gestellt werden.

2 Die begründenden Tatsachen sind glaubhaft zu machen.

8 Der Gesuchsgegner erhält Gelegenheit zur Vernehmlassung. In Fällen dringender Gefahr können vorläufige Massnahmen schon auf Einreichung des Gesuches hin getroffen werden.

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Art. 82.

Wird die vorsorgliche Verfügung vor rechtshängiger Klage getroffen, so kann dem Gesuchsteller Frist zur Einreichung der Klage gesetzt werden^ 8 Die vorsorgliche Verfügung wie die vorläufigen Massnahmen können von Sicherheitsleistung abhängig gemacht werden, wenn dem Gesuchsgegner durch sie Schaden entstehen kann.

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Art. 83.

Vorsorgliche Verfügungen und vorläufige Massnahmen werden wie Urteile vollstreckt.

s Der Eichter kann von sich aus oder auf Antrag der Parteien auf seinen Entscheid zurückkommen, wenn die Umstände sich geändert haben.

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Fülle.

Zuständigkeit.

Gesuch.

Klagefrtet und Sicherheitsleistung,

Vollstreckung, Abänderung, Aufhebung.

1044 3

Er hebt die vorsorgliche Verfügung auf, wenn sie sich nachträglich als ungerechtfertigt erweist oder wenn die zur Einreichung der Klage gesetzte Frist unbenutzt verstrichen ist.

Art. 84.

Schadenersatz.

1

Der durch vorsorgliche Verfügung oder durch vorläufige Massnahmen entstandene Schaden ist zu ersetzen, wenn der Anspruch, für den sie bewilligt wurden, nicht zu Eecht bestand oder nicht fällig war.

a Zuständig für die Schadenersatzklage ist das Bundesgericht.

3 Eine bestellte Sicherheit ist erst freizugeben, wenn feststeht, dass eine Schadenersatzklage nicht erhoben wird. Bei Ungewissheit kann der Richter Frist zur Klage setzen.

Art. 85.

Vorbehalt besonderer Vorschriften.

Die besondern Vorschriften anderer Bundesgesetze über vorsorgliche Verfügungen bleiben vorbehalten.

Zwölfter Titel.

Schluss- und Übergangsbestimmungen.

Art. 86.

Revision,

Inkrafttreten,

Art. 189 des Bundesgesetzes vom 16. Dezember 1943 über die Organisation der Bundesrechtspflege ist aufgehoben, soweit er die Revision von Zivilurteilen des Bundesgerichts als einziger Instanz betrifft.

Art. 87.

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Das Gesetz tritt am in Kraft, Mit seinem Inkrafttreten ist das Bundesgesetz vom 22. November 1850 über das Verfahren bei dem Bundesgerichte in bürgerlichen Bechtsstreitigkeiten aufgehoben.

3 Hängige Verfahren werden nach dem bisherigen Gesetze zu Ende geführt. Die Art. 8, 19 und 26 des neuen Gesetzes finden jedoch sinngemässe Anwendung.

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Schweizerisches Bundesarchiv, Digitale Amtsdruckschriften Archives fédérales suisses, Publications officielles numérisées Archivio federale svizzero, Pubblicazioni ufficiali digitali

Botschaft des Bundesrates an die Bundesversammlung zum Entwurf eines neuen Gesetzes über den Bundeszivilprozess. (Vom 14. März 1947.)

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Bundesblatt

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Foglio federale

Jahr

1947

Année Anno Band

1

Volume Volume Heft

11

Cahier Numero Geschäftsnummer

5202

Numéro d'affaire Numero dell'oggetto Datum

20.03.1947

Date Data Seite

989-1044

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