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Bundesblatt 99. Jahrgang.

Bern, den 16. Oktober 1947.

Band III.

Erscheint wöchentlich. Preis 28 franken im Jahr, 16 Franken im Halbjahr, zuzüglich Nachnahme- und Postbestellungsgebühr, Einrückungsgebühr: 60 Happen die Petitzeile oder deren Raum. -- Inserate franko an

Stämpfli * de. in Bern,

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Zu 5204

Bericht des

Bundesrates an die Kommission des Ständerates zur Frage der Wiedervereinigung beider Basel.

(Vom 14. Oktober 1947.) " Herr Präsident!

Herren Ständeräte !

In seiner Botschaft vom 17. März 1947 über die Gewährleistung der Verfassungsbestimmungen der Kantone Basel-Stadt und Basel-Landschaft zur Einleitung ihrer Wiedervereinigung ist der Bundesrat «um Schluss gelangt, dass die Wiedervereinigung keine Revision on des Art. l noch einer andern Bestimmung der Bundesverfassung voraussetze, dass die von beiden Halbkantonen den Bundesbehörden unterbreiteten Verfassungsrevisionen nichts dem Bundesrecht Widersprechendes enthalten und dass ihnen demzufolge in Anwendung des Art. 6 der Bundesverfassung die Gewährleistung zu erteilen sei. Kommt die Wiedervereinigung durch Annahme einer einheitlichen Verfassung des Kantons Basel zustande, so trifft freilich der Text des Art. deror Bundesverfassung nicht mehr zu, indem alsdann in der Aufzählung der Kantone die bei Basel beigefügte, auf die Teilung in zwei Halbkantone hinweisende Klammer «(Stadt und Landschaft)» wegfallen muss.. Als Konsequenz der in der Botschaft entwickelten rechtlichen Auffassung nahm aber der Bundesrat an, die Streichung dieser Klammer bedeute bloss eine redaktionelle Bereinigung, die nicht des formellen Verfahrens einer Verfassungsrevision bedürfe.

In dieser Hinsicht ist die Kommission des Ständerates dem Bundesrat nicht gefolgt; sie hält in ihrer Mehrheit die Wiedervereinigung nicht ohne entsprechende Änderung des Art. l dor Bundesverfassung auf dem für Verfassungsrevisionen vorgeschriebenen Wege, d. h. durch Abstimmung des Volkes und der Stände für möglich. Diese Rechtslage möchte die Kommission schon im gegenwärtig schwebenden Gewährleistungsverfahren über die vorbereitenden Verfassungsrevisionen der beiden Halbkantone verankert sehen. Sie setzte deshalb die weitern Beratungen aus und lud den Bundesrat ein, in einem zusätzlichen Bundesblatt.

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Bericht sich darüber zu äussern, in welcher Weise dieses Erfordernis, im Falle der Gewährleistung der auf die Wiedervereinigung hinzielenden Verfahrensbestiinrnungen, bereits in dem heute zur Diskussion stehenden Bundesbeschluss zum Ausdruck kommen soll.

Der Bundesrat beehrt sich hiermit, dem Auftrag der Kommission des Ständerates nachzukommen.

L

Die Wiedervereinigung Basels soll, nach dem in beiden Halbkantonen eingeschlagenen Verfahren, in zwei aufeinanderfolgenden kantonalen Verfassungsrevisionen vor sich gehen. Die erste ist dazu bestimmt, das Verfahren in Gang zu setzen durch Wahl eines gemeinsamen Verfaasungsrates, der die Verfassung des vereinigten Kantons Basel ausarbeiten soll; die zweite hat sich dann über Annahme oder Verwerfung dieser neuen Verfassung auszusprechen. Der erste dieser Schritte wurde in beiden Halbkantonen am 2. Oktober 1938 getan mit der Annahme der Verfassungsrevisionon, um deren Gewährleistung es sich heute handelt. Gesetzt, diese letztere werde erteilt, das Verfahren nehme seinen vorgesehenen Gang und münde aus in der Annahme einer einheitlichen Kantonsverfassung, so wird auch diese wieder der eidgenössischen Gewährleistung bedürfen. Obwohl wir uns in der ersten Phase befinden und die weitere Entwicklung imgewiss ist, lässt sie sich doch schon bei der Prüfung der heutigen Gewährleistungsfrage nicht einfach wogdenken. Das Urteil darüber, ob den heute vorhegenden vorbereitenden Verfassungsrevisioneii die Gewährleistung erteilt werden könne, wird mit boeiiiflusst durch die Beurteilung der Frage, welche bundesrechtlichen Konsequenzen gegebenenfalls die Annahme einer Verfassung des vereinigten Kantons Basel haben wird.

Von dieser Erwägung hat sich die Kommission des Ständerates leiten lassen, wenn sie verlangt, dass diese Konsequenzen schon im heutigen Stadium klargestellt werden sollen. Und zwar hält die Kommission in ihrer Mehrheit dafür, die Verschmelzung beider Halbkantone sei mit dem geltenden Text des Art. l der Bundesverfassung nicht vereinbar, bedinge also eine Verfassungsrevision auch des Bundes. Das soll schon in dem zunächst zu fassenden Gewährleistungsbeschluss zum Ausdruck kommen, obwohl er jene Frage noch nicht unmittelbar zum Gegenstand hat.

Gesetzt immer, die Gewährleistung werde überhaupt erteilt, und es komme in der Folge eine einheitliche Verfassung für den Kanton Basel zustande, so werden sich die Bundesbehörden unter zwei Gesichtspunkten mit ihr zu befassen haben: Sie bedarf einmal wieder der Gewährleistung des Bundes nach Art. 6 der Bundesverfassung, ferner aber muss Art. l der Bundesverfassung revidiert werden, der (nach Auffassung der Kommission) einer Wiedervereinigung entgegensteht. Hierin
liegt bundesrechtlich für jene zweite Phase der Kernpunkt. Die Verfassung des Kantons Basel könnte möglicherweise in anderer Weise gegen Bundesrecht verstossen; das wäre im Sinne von Art. 6 Abs. 2, lit. o, der Bundesverfassung zu prüfen. Der grundlegende Verstoss.

279 läge aber gegen Art. l der Bundesverfassung vor, und dieses Hindernis müsste beseitigt werden, wenn nicht die ganze Bewegung daran scheitern soll.

Da stellt sich die weitere Präge : Was soll vorausgehen, die Wiedervereinigung oder die Revision des Art. l der Bundesverfassung? Wird diese abgelehnt, so ist die Wiedervereinigung gescheitert und die ganze hierauf gerichtete, jahrelang dauernde und häufige politische Kämpfe mit sich bringende Anstrengung in den beiden Halbkantonen vergeblich gewesen. Unter diesem Gesichtspunkte bestünde ein wesentliches Interesse daran, zu wissen, ob das Schweizervolk und die Stände die Wiedervereinigung beider Basel überhaupt zulassen oder nicht, bevor das Verfahren den vorgesehenen weitem Gang nimmt, insbesondere ein Verfassungsrat gewählt wird und suine Arbeit aufnimmt. Allein man kann dennoch nicht so vorgehen. Es gibt keine bloss eventuelle Hevision der Bundesverfassung, deren AVirksamkeit noch von kantonalen Verfassungsänderungen abhängig wäre. Das Schweizervolk würde es nicht verstehen, dass es zum Entscheid über eine Änderung des Art. l der Bundesverfassung aufgerufen würde, die auch im Falle der Annahme vielleicht gar nicht effektiv würde, wenn nämlich hinterher die beiden Basel sich nicht auf eine gemeinsame Verfassung einigen könnten. Die Eevision des Art. l der Bundesverfassung muss gegebenenfalls einfach in der Streichung der Klammer nach dem Wort «Basel» bestehen. Man würde Gefahr laufen, in der Bundesverfassung von einem «Kanton Basel» schlechtweg zu sprechen, der möglicherweise gar nicht Wirklichkeit wird. Dazu kommt, dass für don Entschluss des Stimmbürgers, der über die Eevision des Art. l zu befinden hat, die Modalitäten der Wiedervereinigung selbst eine Eolle spielen können, z. B. die Frage des Minoritätenschutzes (als Damm gegen das Übergewicht der Stadt über die Landschaft). Die Verfassung des Einheitskantons Basel sollte also bekannt sein, bevor in der Eidgenossenschaft über die Eevision des Art. I. der Bundesverfassung abgestimmt wird.

Demnach muss die Wiedervereinigung vorausgehen, also die vom gemeinsamen Verfassungsrat ausgearbeitete Verfassung in beiden Halbkantonen angenommen worden sein. Dann steht fest, dass die beiden Halbkantone sich vereinigen wollen. Dieser Beschluss ist aber -- immer nach Auffassung Ihrer Kommissionsmehrheit --
noch an die entsprechende Eevision des Art. 1 der Bundesverfassung .gebunden und wird so lange nicht wirksam, als diese nicht ihrerseits zustandegekommen ist. Die Änderung des Art. l aber hat auf dem für Partialrevisioiien vorgesehenen Wege (Art. 121 der Bundesverfassung) vor sich zu gehen. Der Bundesrat wird also mit einer Botschaft den eidgenössischen Bäten einen entsprechenden Bundesbeschluss zu unterbreiten haben, der nach seiner Annahme in den Bäten der Abstimmung des Volkes und der Stände unterliegt. Erreicht er nach beiden Eichtungen die Mehrheit, dann erst ist die Wiedervereinigung beider Basel perfekt.

Um mm diese Rechtslage schon im gegenwärtig diskutierten Beschluss über die Gewährleistung der vorzubereitenden Verfassungsrevisionen zum Ausdruck zu bringen, schlägt der Bundesrat vor, dem Entwurf des Bundesbeschlusses einen Art. 2 beizufügen, der folgendermassen lauten könnte:

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. Art, 2.

«Führt das Wiedervereinigungsverfahren zur Annahme einer Verfassung -des vereinigten Kantons Basel, so ist für diese die Gewährleistung des .Bundes nachzusuchen.

Nach erfolgter Gewährleistung ist die durch die neue Ivantonsverfassung notwendig werdende Änderung von Art. l der Bundesverfassung der Abstimmung des Volkes und der Stände zu unterbreiten».

Art. 2 des Beschlussesentwurfes würde dann zu Art, 3.

II.

Die Ergänzung der Kantonsverfassung zur Einleitung der Wiedervereinigung ist in Basel-Stadt mit starkem Mehr (14.689 gegen 4377 Stimmen), in Basel-Land mit schwachem Mehr (11 080 gegen 10278) angenommen worden.

.Es wurde schon oft darauf hingewiesen (auch in der Kommission des Ständerates), dass die an das Gebiet der Stadt angrenzenden Gemeinden der Land·schaft im allgemeinen die Wiedervereinigung wünschen, die übrigen sie ablehnen. Diese Wahrnehmung legt den Gedanken nahe, ob nicht eine anders geartete Lösung möglich wäre, nämlich der freiwillige Anscbluss einzelner Gemeinden der Landschaft an die Stadt und ihre Abtrennung vom Gebiet der Landschaft. Es würde damit bei der Trennung der Halbkantone bleiben, aber das Gebiet von Basel-Stadt würde um bestimmte Gemeinden nach ihrem eigenen Wunsch vergrössert und dasjenige der Landschaft um ebensoviel verkleinert. Es mag sich empfohlen, noch kurz zu prüfen, ob vom Standpunkt 'des Bundesrechts eine solche Gebietsabtretung zulässig wäre und in welcher Torrn sie zu erfolgen hätte.

Nach Art. 5 der Bundesverfassung gewährleistet der Bund den Kantonen ihr Gebiet, und Art. 7 verbietet den Kantonen, politische Verträge unter sich .zu schliessen. Nach Burckhardt (Kommentar, 3. Auflage, S. 60) bezieht sich die Garantie des Gebiets nicht nur auf gewaltsame Angriffe, sondern auch auf freiwillige Veränderungen, und es können darnach die Kantone nicht beliebige Gebietsveränderungen durch Abtretung, Teilung oder Verschmelzung vornehmen. Die Abtretung einzelner Gemeinden an den andern Halbkanton und ihre Aufnahme durch diesen wäre durch einen Vertrag politischen Inhalts zu. ordnen.

Aus diesen Verfassungsbestimmungen scheint sich der Schluss zu ergeben, dass Gebietsabtretungen unter Kantonen überhaupt unzulässig seien. Burckhardt (Kommentar S. 78) behält immerhin Abtretungen vor, die jeglichen politischen Charakters entbehren. Werden aber ganze Gemeinden abgetreten, so ist dieser politische Charakter gegeben; das ist gerade im Falle von Basel besonders deutlich. Die Bundesverfassung will in der Tat das politische Gleichgewicht innerhalb der Eidgenossenschaft erhalten und Störungen in den Machtverhältnissen der Kantone verhindern. Man muss sich also ernsthaft fragen,

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ob die Abtretung von Gemeinden bundesrechtlich überhaupt möglich sei..

Burckhardt verneint dies im allgemeinen für Gebietsabtretungen, die das Mass.

blosser Grenzregulierungen überschreiten ; immerhin fügt er folgendes bei.

(S. 73): «Da indessen Verhältnisse eintreten können, die eine solche Gebietsveränderung wünschenswert erscheinen lassen, ist nicht anzunehmen, dasssie die Bundesverfassung schlechthin habe untersagen und auf alle Zeiten einen.

Gebietsbestand habe festlegen wollen, der zum Teil auf geschichtlichem Zufall beruht; dagegen sollen die Kantone nicht ohne die Mitwirkung des Bundes solche Verträge abschliessen.» Ein Vertrag zwischen Basel-Stadt und Basel-Land über die Abtretung bestimmter Gemeinden wäre also keinesfalls eine rein kantonale Angelegenheit, sondern er bedürfte der Zustimmung des Bundes. Das ergibt sich zudem schon aus der Überlegung, dass ein solcher Vertrag auf eine teilweise Wiedervereinigung hinauslaufen würde und dass durch wiederholte Abtretungen die Wiedervereinigung allmählich vollzogen werden könnte. Damit wäre, aber auch wieder Art. l der Bundesverfassung tangiert. Ist die Wiedervereinigung nicht ohne Revision des letztem möglich, so erscheint es folgerichtig, die Zustimmung von Volk und Ständen auch für die Genehmigimg eines Vertrages zwischen Basel-Stadt und Basel-Land über die Abtretung bestimmter Gemeinden zu verlangen.

Genehmigen Sie, Herr Präsident, Herren Ständeräte, die Versicherung unserer vollkommenen Hochachtung.

Bern, den 14. Oktober 1947.

Im Namen des Schweiz. Bundesrates, Der B u n d e s p r ä s i d e n t : Etter.

Der Vizekanzler: Gh. Oser.

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Bericht des Bundesrates an die Kommission des Ständerates zur Frage der Wiedervereinigung beider Basel. (Vom 14. Oktober 1947.)

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16.10.1947

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