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Botschaft des

Bundesrates an die Bundesversammlung über die Gewährleistung der Verfassungsbestimmungen der Kantone BaselStadt und Basel-Landschaft zur Einleitung ihrer Wiedervereinigung.

(Vom 17. März 1947.)

Herr Präsident, Hochgeehrte Herren, Wir beehren uns hiermit, Ihnen Bericht zu erstatten über die Frage, ob den in Basel-Stadt und Basel-Landschaft angenommenen 'Verfassungsbestimmungen, welche die Grundlage für die künftige Wiedervereinigung der beiden Halbkantone zu einem einzigen, ungeteilten Kanton Basel bilden sollen, in Anwendung des Art, 6 der Bundesverfassung die Gewährleistung des Bundes zu erteilen sei.

L Am 2, Oktober 1988 fand sowohl in Baselstadt wie in Baselland die Volksabstimmung über die in die k a n t o n a l e V e r f a s s u n g aufgenommenen Bestimmungen zur Einleitung der Wiedervereinigung statt. In beiden Halbkantonen war die Verfassungsrevision durch eine Initiative in die Wege geleitet worden; in beiden wurden die hierauf ausgearbeiteten Verfassungsbestimmungen vom Volk a n g e n o m m e n und zwar in Baselstadt mit 14 689 gegen 4877 und in Baselland mit 11,080 gegen 10,278 Stimmen.

Mit Schreiben vom 8. Dezember 1988 stellte der Eegierungsrat des Kantons Baselstadt dem Bundesrat zuhanden der Bundesversammlung den Antrag auf Erteilung der eidgenössischen Gewährleistung.

Der Eegierungsrat des Kantons Baselland unterbreitete ebenfalls am 8. Dezember 1938 die Verfassungsrevision dem Bundesrat zuhanden der Bundesversammlung zur Prüfung und Entscheidung der Frage, ob diese Eevision nichts den Vorschriften der Bundesverfassung Zuwiderlaufendes enthalte (Art. 6 Abs. 2 ht. a BV). Eines bestimmten Antrages enthielt sich der Eegierungsrat ; er entwickelte indessen in längern Ausführungen seine AufBundesblatt. 99. Jahrg. Bd, I.

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1054 fassung über die Angelegenheit. Es handle sich -- so bemerkte er -- nicht um den üblichen Fall der Gewährleistung einer kantonalen Verfassung im Rahmen des Art. 6 BV, vielmehr gehe es um die Existenz des Kantons selbst und damit um eine Frage der Struktur des Bundesstaates. Der Bund müsste durch eine Eevision des Art. l der Bundesverfassung seine Zustimmung zur Wiedervereinigung geben. Das geltende Eecht versage in Hinsicht auf die Lösung des Problems, und die Prüfung der Vereinbarkeit mit der Bundesverfassung könne sich nicht auf die Feststellung beschränken, ob die kantonale Eevision einem positiven Satz der Bundesverfassung widerspreche oder nicht, sie habe die Frage vielmehr aus Sinn und Geist der Bundesverfassung zu beantworten, wobei der geschichtliche Aufbau und die Struktur des Bundes entscheidend ins Gewicht fallen müssen. Der territoriale Bestand der Kantone sei im Jahre 1848 bei der Gründung des Bundesstaates unbestritten gewesen, und weder dem Wortlaut noch der Entstehungsgeschichte der Verfassung sei zu entnehmen, dass das Problem der Verschmelzung oder Trennung einzelner Kantone für den Verfassungsgesetzgeber irgend eine Eolle spielte. Der rechthche Charakter der Halbkantone sei daher durch die Bundesverfassungen von 1848 und 1874 endgültig und eindeutig festgelegt worden.

Zudem habe der Tagsatzungsbeschluss vom 26. August 1833, der die Trennung des damaligen Kantons Basel herbeiführte, nicht die Bedeutung eines konstitutionellen Gesetzes, vielmehr eines aus der Notlage der Zeit entstandenen Entscheids, der unvermeidlich gewesen sei, um praktisch unhaltbar gewordene Zustände zu beseitigen. Solle es aber zur Wiedervereinigung kommen, so müsse die vom Bunde zu erlassende Verfassungsbestimmung in irgend einer Weise durch" Erhöhung des Stimmenmehrs die Abstimmung erschweren.

Schliesslich machte der Begierungsrat darauf aufmerksam, dass die Texte der in den beiden Halbkantonen angenommenen Verfassungsbestimmungen nicht identisch seien, was für die Frage der Gewährleistung beachtet werden müsse.

Diese Stellungnahme der basellandschaftlichen Eegierung veranlasste den Begierungsrat von Baselstadt, sich am 81. Dezember 1938 nochmals an-den Bundesrat zu wenden, da er in jenen Ausführungen dem Sinne nach einen Autrag auf Ablehnung der Gewährleistung erblickte. Der Begierungsrat bestritt,
dass die Wiedervereinigung der beiden Basel eine Änderung der Bundesverfassung erheische. Das wäre nur unter der Annahme zu bejahen, die in der Verfassung aufgezählten: Kantone seien eine Schöpfung des Bundes, sie verdanken ihre rechthche Grundlage der Bundesverfassung. Die Kantone seien aber vor dem Bunde dagewesen, und ihre staatliche Existenz beruhe nicht auf der Bundesverfassung. Der Bund garantiere allerdings nach Art. 5 der Verfassung die Integrität der Kantone, allein diese gelte dann nicht mehr, wenn ein Kanton sie selbst preisgeben wolle. Die Bundesversammlung könne daher den in beiden Halbkantonen beschlossenen Verfassungsänderungen die Gewährleistung nicht verweigern. Wenn einmal die Wiedervereinigung durch Annahme einer gemeinsamen Kantonsverfassung vollzogen werde, so

1055 werde auch diese der Gewährleistung unterliegen. Eine besondere Frage sei es, ob alsdann der die beiden Kantonsteile erwähnende Text der Bundesverfassung bereinigt werden müsse ; hierüber bestehen verschiedene Auffassungen, die aber einstweilen nicht weiter erörtert zu werden brauchen.

In der Folge gingen den Bundesbehörden von verschiedenen Verbänden Eingaben sowohl für wie gegen die Wiedervereinigung zu, die es geboten erscheinen liessen, den beiden Kantonsregierungen Gelegenheit zu nochmaliger Stellungnahme zu geben. Bevor infolgedessen der Bericht an die Bundesversammlung erstattet werden konnte, brach im Spätsommer 1989 der Krieg aus, der aus nahehegenden Gründen die Bundesbehörden nötigte, die weitere Behandlung der Angelegenheit vorläufig auszusetzen.

II.

Die V e r f a s s u n g s r e v i s i o n o n haben folgenden W o r t l a u t : In Baselstadt wurde durch den in der Volksabstimmung vom S.Oktober 1938 angenommenen Grossratsbeschluss vom 3. März 1938 der Kantonsverfassung vom 2. Dezember 1889 folgender § 58 beigefügt: «Gestützt auf den Tagsatzungsbeschluss vom 26. August 1833, lautend: Der Kanton. Basel wird in seinem Verhältnis /um Bunde wie bis anhin einen einzigen Staatskörper bilden, in bezug auf die öffentliche Verwaltung dagegen, jedoch unter Vorbehalt der freiwilligen Wiedervereinigung, in zwei besondere Gemeinwesen geteilt, wird im Bestreben, die Wiedervereinigung zu ermöglichen und in die Wege zu leiten, folgendes bestimmt: 1. Zur Ausarbeitung einer Verfassung für den Kanton Basel, samt den erforderlichen Einführungs- und Übergangsbestimmungen, wird, in Verbindung mit dem Kanton Basel-Landschaft ein Verfassungsrat von 150 Mitgliedern gewählt. Davon wählt der Kanton Basel-Stadt nach den Vorschriften für die Grossratswahlen 75 Mitglieder. Der Begierungsrat bestimmt auf Grund der letzten eidgenössischen Volkszählung die Zahl der in jedem Wahlquartier zu wählenden Mitglieder. Wählbar sind alle Stimmberechtigten. § 43 der Verfassung findet keine Anwendung. § 81, Abs. 3 der Verfassung findet Anwendung.

2. Die Wahl der 75 baselstädtischen Verfassungsräte ist binnen drei Monaten nach Erteilung der eidgenössischen Gewährleistung dieses Verfassungsartikels vorzunehmen.

3. Der Verfassungsrat ist binnen drei Monaten, nach der Wahl auf Grund einer Verständigung der beiden Kantonsregierungen über den Ort der ersten Sitzung einzuberufen.

4. Der Begierungsrat hat die Arbeiten des Verfassungsrates nach Möglichkeit zu fördern. Im Einvernehmen mit der Regierung des Kantons Basel-Landschaft hat er dem Verfassungsrat die erforderlichen Hilfs-

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-5.

6.

7.

8.

kräfte zur Verfügung zu stellen und den Anteil des "Kantons an den Kosten zu bestreiten, die durch die Arbeiten des Verfassungsrates oder deren Vorbereitungen entstehen.

An diese Kosten trägt der Kanton im Verhältnis zwischen der Zahl seiner Einwohner und der Zahl der Einwohner des Kantons BaselLandschaft bei.

· Der Verfassungsrat konstituiert sich selbst unter dem Vorsitz des ältesten der anwesenden Mitglieder. Er gibt sich sein eigenes Geschäftsreglement und bestimmt den Ort seiner weiteren Sitzungen.

Die vom gemeinsamen Verfassungsrat beschlossene Verfassung für den neuen Kanton Basel tritt erst in Kraft, nachdem sie durch die Mehrzahl der Stimmenden sowohl im Kanton Basel-Stadt als auch im Kanton Basel-Landschaft in gesonderter aber gleichzeitiger Abstimmung angenommen worden ist und die eidgenössische Gewährleistung erhalten hat.

Wird die beschlossene Verfassung in einem Kanton oder in beiden verworfen, so hat die Begierung in Verbindung mit der Begierung von Basel-Landschaft binnen sechs Monaten Neuwahlen für einen zweiten Verfassungsrat anzuordnen, der eine zweite Verfassung auszuarbeiten hat. Alle Bestimmungen über die erste Verfassungsvorlage finden im übrigen auf dio zweite entsprechende Anwendung.

Wird die zweite Verfassungsvorlage in einem Kanton oder in beiden verworfen, so fällt der vorliegende Verfassungsartikel dahin.

Die Verfassung des Kantons Basel soll folgende Bestimmungen enthalten: a. Die Autonomie der Gemeinden (Einwohner-, Bürger- und Kirchgemeinden) ist im Eahmen der Verfassung gewährleistet, im besonderen das Becht, sich mit. andern Gemeinden zu vereinigen.

b. Die Verwaltung der Einwohnergemeinde der Stadt Basel wird von der des Kantons getrennt.

c. Sitz der Begierung ist Basel; Sitz der oberen kantonalen Gerichtsbehörden ist Liestal.

d. Die Sozialgesetzgebung und die Fürsorgeeinrichtungen des Kantons Basel-Stadt sind nach Möglichkeit auf den ganzen Kanton auszudehnen.

e. Die Anstellungsverhältnisse der staatlichen Beamten, Angestellten und Arbeiter des Kantons Basel sind in angemessener Weise den Normen des Kantons Basel-Stadt anzupassen.»

Im Kanton B a s e l - L a n d s c h a f t , wo über Verfassungsinitiativen des Volkes dieses unmittelbar ohne Beschluss des Landrates entscheidet, wurde in der Abstimmung vom 2. Oktober 1938 der Staatsverfassung vom 4. April 1892 folgender § 51TM beigefügt:

1057 «Gestützt auf den Tagsatzungsbeschluss vom 26. August 1888, lautend: Art. 1. Der Kanton Basel wird in seinem Verhältnis zum Bunde wie bis anhin einen einzigen Staatskörper bilden, in bezug auf die öffentliche Verwaltung hingegen, jedoch unter Vorbehalt freiwilliger Wiedervereinigung, in zwei besondere Gemeinwesen geteilt im Bestreben, die Wiedervereinigung zu ermöglichen und in die Wege zu leiten, wird folgendes bestimmt : 1, Zur Ausarbeitung einer Verfassung für den Kanton Basel, samt den erforderlichen Einführungs- und Übergangsbestimmungen, welche die Hauptgrundzüge der künftigen Gesetzgebung zu enthalten haben, wird in Verbindung mit dem Kanton Basel-Stadt ein Verfassungsrat von 150 Mitgliedern gewählt. Davon wählt der Kanton Basel-Landschaft nach den Vorschriften für die Landratswahlen 75 Mitglieder.

Der Regierungsrat bestimmt auf Grund der letzten eidgenössischen Volkszählung die Zahl der in jedem Wahlkreis zu wählenden Mitglieder.

Wählbar sind alle Stimmberechtigen.

2. Die Wahl der 75 basellandschaftlichen Verfassungsräte ist binnen drei Monaten nach Erteilung der eidgenössischen Gewährleistung dieses Verfassungsartikels anzuordnen.

8. Der Verfassungsrat ist binnen drei Monaten nach der Wahl auf Grund einer Verständigung der beiden Kantonsregierungen über den Tag und den Ort der ersten Sitzung einzuberufen.

4. Die Regierung hat im Einvernehmen mit der Regierung des Kantons Basel-Stadt a. die Arbeiten des Verfassungsrates nach Möglichkeit zu fördern, wozu sie die erforderlichen Hilfskräfte beiziehen und die dadurch bedingten finanziellen Mittel verlangen kann, b, ihm die erforderlichen Mittel und Hilfskräfte zur Verfügung zu stellen, wobei alle die durch die Arbeiten des Verfassungsrates und deren Vorbereitung entstehenden Kosten vom Kanton Basel-Landschaft im Verhältnis seiner Bevölkerungszahl mitzubestreiten sind.

5. Der Verfassungsrat konstituiert sich selbst unter dem Vorsitz des ältesten der anwesenden Mitglieder. Er gibt sich sein eigenes Geschäftsreglement udd bestimmt den Ort seiner weitern Sitzungen.

6. Die vom gemeinsamen Verfassungsrat beschlossene Verfassung für den neuen Kanton Basel tritt erst in Kraft, nachdem sie durch die Mehrzahl der Stimmenden sowohl im Kanton Basel-Landschaft als im Kanton Basel-Stadt in gesonderter, aber gleichzeitiger Abstimmung angenommen
worden ist und die eidgenössische Gewährleistung erhalten hat.

7. Wird die beschlossene Verfassung in einem Kanton oder in beiden verworfen, so hat die Regierung in Verbindung mit der Regierung von

1058 Basel-Stadt binnen sechs Monaten Neuwahlen für einen zweiten Verfassungsrat anzuordnen, der eine zweite Verfassung auszuarbeiten hat.

Für die Wahl und die Arbeit dieses zweiten Verfassungsrates und für die Abstimmung über die zweite Verfassungsvorlage gelten alle einschlägigen Bestimmungen dieses vorliegenden Verfassungsartikels.

Wird die zweite Verfassungsvorlage in einem Kanton oder in beiden verworfen, so fällt der vorliegende Verfassungsartikel dahin.

8. Die Verfassung des Kantons Basel soll folgende Bestimmungen enthalten : a. Die Autonomie der Gemeinden (Einwohner-, Bürger- und Kirchgemeinden) ist im Rahmen der Verfassung gewährleistet; im besondern das Recht, sich mit andern Gemeinden zu vereinigen.

b. .Die Verwaltung der Einwohnergemeinde Basel wird von der des Kantons getrennt.

....

c. Sitz der Regierung ist Basel, Sitz der obern kantonalen Gerichts: stellen ist Liestal.

' d. Die Sozialgesetzgebung und die Fürsorgeeinrichtungen des Kantons Basel-Stadt sind nach Möglichkeit auf den ganzen Kanton auszudehnen.

e. Die AnstellungsVerhältnisse der staatlichen Beamten, Angestellten und Arbeiter des Kantons Basel sind in-angemessener Weise den Normen des Kantons Basel-Stadt anzupassen.»

III.

Die B u n d e s b e h ö r d e wurde mit der Wiedervereinigungsfrage zum ersten Male im Februar 1934 befasst, als der Eegierungsrat des Kantons Baselland dem Bundesrat seinen Beschluss über die Initiative bekannt gab, die am 2. März 1933 von 7483 Stimmberechtigten zur Einleitung der Wiedervereinigung eingereicht worden war. Die Kantonsregierung betrachtete die Bestimmungen über die Revision der Staatsverfassung als ungenügende Rechtsgrundlage für die Wiedervereinigung und hielt dafür, dass .nur die Aufnahme einer besondern Bestimmung in die Bundesverfassung der eigenartigen staatsrechtlichen Lage Rechnung tragen könne. Sie beschloss daher am 13>. Februar 1984, das Initiativbegehren der Volksabstimmung nicht zu unterbreiten.

Diesen Beschluss übermittelte sie, begleitet von zwei Gutachten. der Professoren W. Burckhardt und F. Fleiner, dem Bundesrat in der Meinung, der Bund sollte sich der Angelegenheit annehmen. Das eidgenössische Justiz- und Polizeidepartement antwortete, dass im damaligen Stadium der Angelegenheit kein Anlass zu einem Eintreten oder auch nur einer Stellungnahme des Bundesrates bestehe, was der Eegierungsrat bestätigte.

, : :· ·' Auf staatsrechtliche Beschwerde hin hob das Bundesgericht am 21. Juni 1935 den die Abhaltung einer Volksabstimmung ablehnenden Beschluss des Regierungsrates im Sinne der Erwägungen auf. In Baselstadt hatte der Grosse Bat die entsprechende Initiative erheblich erklärt. In beiden Halbkantonen

1059 faiid die Abstimmung über die Einleitung der Verfassungsrevision zugunsten der Wiedervereinigung am 23. Februar 1936 statt und fiel positiv aus.

Mit Schreiben vom S.März 1936 wandte sich der Eegierungsrat von Baselland neuerdings an den Bundesrat, indem er die Auffassung vertrat, Art. 6 lit. c der Bundesverfassung stelle keine Grundlage für die Aufhebung der staatlichen Existenz eines Kantons dar, wie sie durch die Wiedervereinigung tatsächlich herbeigeführt würde; der kantonale Gesetzgeber habe nicht, die Möglichkeit, eine Revisionsnorrn für die Aufhebung des eigenen Staats zu schaffen, das könne nur der Bundesgesetzgeber tun; für die Staatsaufhebung sollte eine qualifizierte Mehrheit gefordert und eventuell den auswärts wohnenden Kantonsbürgern die Mitwirkung bei der Abstimmung ermöglicht werden.

Nachdem am 2. Oktober 1938 in beiden Halbkantonen die Volksabstimmung über die Verfassungsrevision stattgefunden hatte, gingen dem Bundesrat mancherlei Kundgebungen in der Sache zu. So stellte einmal die «Volksbewegung für die E r h a l t u n g des selbständigen Baselbietis» in einer gedruckten Eingabe vom 6. Februar 1939 das Begehren, die eidgenössische Gewährleistung nicht zu erteilen. Sie begründete dies mit dem Hjnweis darauf, die Aufhebung des Kantons Baselland berühre den Bundesstaat selbst auf fundamentale Weise. Der dem Tagsatzungsbeschluss von 1838 über die Trennung beigefügte Wiedervereinigungsvorbehalt sei zum vorneherein aus der damaligen Lage zeitlich bedingt gewesen und im Jahre 1848 endgültig dahingefallen. Ferner wurde auf den als verhängnisvoll betrachteten Umstand hingewiesen, dass in der Abstimmung im Kanton Baselland trotz der annehmenden Stimmenmehrheit 19 annehmende Gemeinden 55 verwerfenden Gemeinden gegenüberstanden. Seit dem bundesgeriehtlichen Entscheid sei eine bedenkliche Spannung entstanden, und im Falle der Gewährleistung sei mit jahrelangen Auseinandersetzungen in dem vorgesehenen gemeinsamen Verfassungsrat zu rechnen. Für den Beschluss des Kantons über seine Existenz sei ein qualifiziertes Mehr mindestens in dem Sinne erforderlich, dass die Mehrheit der Einwohner und der Bürger zustimmen müsse. Schliesslich wurden für den Fall, dass das basellandschaftliche Staatswesen « in den Kanton Baselstadt eingegliedert» werden sollte, bestimmte Garantion im Sinne eines
Minderheitenschutzes gefordert.

Gegenteilige Auffassungen wurden vertreten in einer Eingabe des «Verbandes für die Wiedervereinigung der beiden Basel» vom 17. März 1989, der von einer Zurückweisung des Wunsches auf Wiedervereinigung katastrophale Folgen sowohl für die in ihrer Entwicklungsmöglichkeit eingeschränkte Stadt wie für die des natürlichen städtischen Mittelpunktes entbehrende Landschaft befürchtet. Diese Eingabe, die auch auf die historische Entwicklung eingehender zurückgriff, stützte sich auf Rechtsgutachten einerseits von Prof. Max Huber, der dem genannten Verband schon im Jahre 1934 ein Gutachten über die Verfassungsmässigköit der Wiedervereinigungs-initiative erstattet hatte und sich nun noch über die durch die Volksabstimmün-

1060 gen vom 2. Oktober 1988 geschaffene Lage.äusserte, und anderseits von Bundesrichter Fazy. Beide Gutachter kamen zum Schiusa, dass es sich um ein rechtliches Problem handle und dass, so betrachtet,die Partialrevisionen vom S.Oktober 1988 verfassungsmässig seien und die Bundesversammlung ihnen die Gewährleistung erteilen müsse; Prof. Huber wies insbesondere noch daran, hin, das Bundesgericht habe in seinem Entscheid vom 21. Juni 1985 alle Arguf mente gegen die eingeschlagenen Verfahren in zutreffender Weise abgelehntDie «Fraktion der W i e d e r v e r e i n i g u n g s f r e u n d e im basellandschaftlichen Verfassungsrat von 1936--38» wandte sich am S.April 1989 mit einer Eingabe an den Bundesrat, um gegen das «verfassungswidrige Verhalten» des Begierungsrates zu protestieren, da sie von der Auffassung ausging, der Begierungsrat habe bei Übermittlung des Abstimmungsergebnisses an die Bundesbehörde am 8. Dezember 1988 die Ablehnung der Gewährleistung empfohlen. Es wurde indessen schon oben darauf hingewiesen, dass die Begierung von Baselland im erwähnten Schreiben sich eines bestimmten Antrages enthielt.

Walter Meyer, Bücherexperte in Liestal, liess am 15, Mai 1989 das eidgenössische Justiz- und Polizeidepartement wissen, er sei mit Gesinnungsgenossen übereingekommen, dem Bundesrat zuhanden der Bundesversammlung eine Bittschrift im Baselbiet wohnhafter Kantonsbürger einzureichen und dafür Unterschriften zu sammeln. Die Petition wurde in der Tat eingereicht, jedoch nur von Meyer unterzeichnet. Sie ersucht die Bundesbehörde, die Gewährleistung zu versagen. Als Mindestforderung wird eine Zweidrittelsmehrheit sowohl der stimmberechtigten Einwohner als der im Kanton wohnhaften, stimmberechtigten Kantonsbürger verlangt, mit der Begründung, der Entscheid über die Aufgabe der eigenen Selbständigkeit sei in erster Linie eine Angelegenheit der Kantonsbürger; es wirke deshalb auch besonders stossend und als Einmischung aus einem andern Kanton, wenn die im Baselbiet wohnenden Baselstädter bei der Entscheidung der Frage mitwirken.

Auf Eulladung hin, zu den hievor erwähnten Eingaben und Gutachten Stellung zu nehmen, antwortete der Begierungsrat des Kantons Baselstadt am 28. April 1939, er habe darin keine wesentlichen rechtlichen Argumente gefunden, die nicht schon in seiner Eingabe vom 81. Dezember 1938
erörtert worden wären und könne deshalb auf eine erneute Vernehmlassung verzichten.

Der Regierungsrat von Baselland dagegen äusserte sich am 17. Mai 1989 wieder eingehend. Er betonte, seine Haltung nie von der politischen Frage abhängig gemacht zu haben, ob die Wiedervereinigung vom Standpunkt des Kantons Baselland erwünscht sei oder nicht; er wolle nichts anderes, als dass die ganze Angelegenheit peinlich genau nach Rechtsgrundsätzen geprüft und entschieden werde. Die für eine Wiedervereinigung zu findende Eechtsform müsse der adäquate Ausdruck des Selbstbestimmungsrechts des Volkes sein. Der Entscheid des Bundesgerichts vom 21. Juni 1935 dürfe weder in

1061 seinem Dispositiv noch in seinen Erwägungen ein Präjudiz bilden, da es sich nur mit dem kantonalen Initiativverfahren zu befassen gehabt habe. Die historischen Ausführungen des Verbandes für die Wiedervereinigung seien für die Beurteilung der Bechtsfrage unerheblich, und der Verband gehe an der Tatsache vorbei, dass bei Schaffung des Bundesstaates im Jahre 1848 der Wiedervereinigungsvorbehalt des Tagsatzungsbeschlusses stillschweigend fallen gelassen worden sei, da die neue Verfassung den Territorialbestand des Bundes und der Kantone endgültig umschreibe. Diese Eechtslage werde auch von den Gutachten Huber und Fazy verkannt, die übrigens als Parteigutachten zu werten seien. Entscheidend sei, dass die Kantone ihre Verfassungen nur im Eahmen der Bundesverfassung ändern können, während hier die kantonalen Verfassungsrevisionen in ihrem Endziel über das den Kantonen von der Bundesverfassung zugewiesene Gebiet hinausgehen.

Der Eegierungsrat wiederholte in seiner neuen Eingabe den Hinweis auf die Inkongruenz der beiden Verfassungstexte, mit dem Beifügen, es sei nicht abzusehen, wie die Verhandlungen im gemeinsamen Verfassungsrat vor sich gehen sollen, wenn sie auf verschiedenen Grundlagen beruhen.

Seiner Zuschrift legte der Begierungsrat eine Abhandlung von Dr. E. Erny in Liestal über den «Wiedervereinigungvorbehalt des Tagsatzungsbeschlusses vom 26. August 1883» bei (erschienen in der Zeitschrift für schweizerisches Becht, Bd. 58 8.1). Der Verfasser spricht darin den Kantonen die verfassungsmässigen Mittel ab, um eine Vereinigung durchzuführen. Er hält dafür, die Befugnis der Tagsatzung, den Kanton Basel zu trennen, habe sich nicht aus einer verfassungsmässigen oder gleichwertigen Grundlage ableiten lassen; wie dem Trennungsbeschluss selbst, so fehle notwendig auch dem Vorbehalt der Wiedervereinigung eine solche Grundlage. Die Notstandslösung des Jahres 1883 und das durch sie vom Standpunkt des Bundesrechts geschaffene Provisorium habe mit dem Jahre 1848 ihr Ende gefunden, IV.

Die Vergleichung der Verfassungstexte der beiden Halbkantone ergibt, dass sie im grossen und ganzen übereinstimmen. Es bestehen geringe Abweichungen, die zum Teil nur formeller Natur, zum Teil durch das kantonale Becht bedingt sind (so die beiden letzten Sätze in der Z. l des baselstädtischen Beschlusses).

Der Begierungsrat
von Baselland beanstandet und erblickt eine Gefahr darin, dass in der nämlichen Z. l der Zwischensatz, wonach die zu schaffende gemeinsame Verfassung die Hauptgrundzüge der künftigen Gesetzgebung enthalten solle, im Text von Baselstadt fehlt ; diese Differenz werde die Beratungen des gemeinsamen Verfassungsrates erheblich erschweren oder sogar aussichtslos machen. Es ist nun aber durchaus nicht ungewöhnlich, dass eine Verfassung schon die Grundlagen der Gesetzgebung mehr oder weniger festlegt. Jedenfalls besteht kein hinreichender Grund für die Annahme, dass bei

1062 Fortsetzung des vorgezeichneten Weges jene Textdifferenz geradezu das Zustandekommen einer einheitlichen Verfassung für den Kanton Basel verhindern werde. Die Gewährleistung des Bundes darf nicht von der Einschätzung der grössern oder geringern Wahrscheinlichkeit abhängig gemacht werden> dass die Schaffung einer einheitlichen Kantonsverfassung gelingen werde; darin liegt kein rechtliches Kriterium. Weder die von der baselländischen Regierung hervorgehobene noch die übrigen Abweichungen in den beiden Verfassungstexten bilden also ein Hindernis für die Erteilung der Gewährleistung.

V.

Handelt es sich nunmehr darum, das Verhältnis der beiden kantonalen V e r f a s s u n g s r e v i s i o n e n zum Bundesrecht zu prüfen, so kann auf eine auch nur summarische Darstellung der geschichtlichen Vorgänge, die in den Jahren 1829 bis 1833 zur Trennung des Kantons Basel führten, verzichtet werden.*) Der seit mehr als 100 Jahren bestehende Zustand der Trennung bildet die tatsächliche Grundlage, auf der die Bestrebungen nach Wiedervereinigung der beiden Kantonsteile erst entstehen konnten.

Immerhin ist als staatsrechtlicher Akt, der die Tatsache der Trennung im Eahmen des damaligen schweizerischen Staatenbundes und im Verhältnis zu den übrigen Bundesghedern konstatierte und sanktionierte, der Tagsatzungsbeschluss vom 26. August 1833 festzuhalten. Diesen Beschluss fasste die Tagsatzung unter Berufung auf Art. VIII des Bundesvertrages von 1815, der es ihr zur Pflicht machte, diejenigen allgemeinen Gefahren des Vaterlandes zu beseitigen, von welchen es durch eine längere Fortdauer der Wirren im Kanton Basel bedroht sei, und zu diesem Ende einen dauernden Zustand öffentlicher Ordnung daselbst zu begründen, zugleich aber in der Erwägung, dass eine Wiedervereinigung beider Landesteile in der nächsten Zeit unausführbar geworden sei. Der Beschluss besteht aus 12 Artikeln, von denen der erste lautet: «Der Kanton Basel wird in seinem Verhältnis zum Bunde wie bis anhin einen einzigen Staatskörper bilden, in Bezug auf die öffentliche Verwaltung hingegen, jedoch unter Vorbehalt freiwilliger Wiedervereinigung, in zwei besondere Gemeinwesen geteilt.» Der zweite Artikel bestimmt die geographische Abgrenzung beider Halbkantone; die weitern handeln von ihren Verfassungen, von ihrer Stellung in der Tagsatzung und von der
Vermögensteilung zwischen Stadt- und Landkanton.

Bei der Gründung des Bundesstaates im Jahre 1848 wurde der Bestand der die Eidgenossenschaft bildenden Kantone in dem Sinne aui'gefasst und in A r t . l der B u n d e s v e r f a s s u n g niedergelegt, dass dieser von «zwei und zwanzig» souveränen Kantonen spricht, also auch die geteilten Kantone je als einen Kanton zählt. Die Namen der Kantone sind gesperrt gedruckt.

*) .Eine ausführliche Darstellung enthält das Werk von Dr. K. Weber : Entstehung und Entwicklung des Kantons Basellandschaft 1792--1982 (Separatdruck aus «Geschichte der Landschaft Basel und des Kantons Basellandschaft»), S. 387ff.

1063 Bei den geteilten Kantonen sind in einer Klammer und in gewöhnlichem Druck die beiden Landesteile beigefügt durch folgende Zusätze: Bei Unterwaiden «ob und nid dem Wald», bei Basel «Stadt und Landschaft» und bei Appenzell «beider Bhoden». Dieser Text ging unverändert in die Verfassung von 1874 über.

Die Gründe der Trennung waren in diesen drei Kantonen verschieden.

Unterwaiden war schon seit 1150 in die Talschaften ob und nid dem Kernwald getrennt, und zwar aus topographischen Gründen (ygl. Schollenberger, Kommentar zur schweizerischen Bundesverfassung, S- 79; W. Baustein, Die schweizerischen Halbkantone, ihre Entstehung und ^Rechtsstellung, 8.. 17). Es ist aber bestritten, ob Ob- und Nidwaiden jemals eine Einheit gebildet haben; Tschudy, Bluntschli und Schollenberger nehmen es an, Oechsli, Blumer und Hilty bestreiten es (vgl. Baustein 8.12 und 13). Appenzell trennte sich aus konfessionellen Gründen in einen äussern und einen innern Bhoden, gemäss dem von der Tagsatzung ausgearbeiteten Teilungsvertrag vom 8. September 1597 (Eaustein 8. 30, 84, 143). Die Trennung Basels ist auf politische Gründe zurückzuführen, nachdem die Baselbieter sich in der Begenerationszeit der demokratischen Bewegung angeschlossen hatten.

Die Kardinalfrage im Gewährleistungsverfahren geht dahin, ob die Wiedervereinigung Basels mit der geltenden Bundesverfassung vereinbar und demgemäss bundesrechtlich ohne weiteres zulässig sei, oder:ob sie eine Eevision der Bundesverfassung voraussetze. Die Auffassungen darüber gehen sowohl in der Beantwortung der Frage selbst als in Begründung der Standpunkte auseinander.

Fleiner (Schweizerisches Bundesstaatsrecht, S. 50) schreibt, die Aufzählung der Kantone habe nicht bloss den Wert eines Kataloges. «Sie zeigt, dass für jede Änderung in dem Mitgliederbestand der Eidgenossenschaft eine Partiate vision der. Bundesverfassung notwendig ist. Das bedeutet.., dass die Aufnahme eines neuen Kantons in die Eidgenossenschaft oder die Verschmelzung von zwei Halbkantonen ebenfalls nur durch eine Partialrevision der Bundesverfassung möglich ist.» Fleiner weist in einer Anmerkung darauf hin, dass andere Autoren die Mitwirkung des Bundes nicht für erforderlich halten, so Büttimann (Nordamerikanisches Bundesstaatsrecht I S. 150, Anmerkung 2) und Emil Bichard (Wiedervereinigung mit Basel-Stadt,
S. 27).

Schollenberger (Kommentar zur Bundesverfassung, S. 79 ff-, 131) führt aus, die Bundesverfassung erkenne «der Zahl der den ßundesstaat bildenden Kantone nach» die Halbkantone nicht an; zwar seien beide Teile namentlich angegeben, aber diese Angabe habe nur tatsächliche, keine rechtliche Bedeutung, sei nur nebenbei angebracht. «Der Korporation nach» gelten die Halbkantone nicht, wohl aber «der Organstellung nach». Zur Garantie des Gebietes im Sinne von Art. 5 BV bemerkt Schollenberger, diese sei nur eine Garantie « durch den Bund und seine Organe, nicht durch die Bundesverfassung selbst, so dass eine Änderung in dieser Beziehung, also speziell die Halbierung

1064 eines Ganzkantons, auch nur der Zustimmung der zuständigen Bundesorgane .... und nicht der Änderung der Bundesverfassung bedürfte».

Vischer ist der Auffassung, dass die Verfassung des neuen Kantons Basel ohne Revision der Bundesverfassung gewährleistet werden könnte.

Darüber sei hier noch nicht zu befinden; aber umso eher müsse die Gewährleistung der beiden heute zur Diskussion stehenden kantonalen Verfassungsbestimmungen ohne vorgängige Eevision der Bundesverfassung zulässig sein (Max Vischer, Vom Verfahren zur Herbeiführung der Wiedervereinigung der beiden Halbkantone Basel-Stadt und Basel-Landschaft, Schweiz. Juristenzeitung Bd. 84 8.257).

Burokhardt (Kommentar der schweizerischen Bundesverfassung, S. 7) sagt zu Art. l, es liege darin nicht nur eine Peststellung, sondern auch eine Vorschrift: die 22 Kantone sollen fortbestehen bleiben; es solle ohne Verfassungsänderung kein neuer gebildet werden, kein Halbkanton mit dem andern sich vereinigen, kein ganzer sich trennen oder mit einem andern sich verschmelzen dürfen.

In seinem Gutachten vom 15. September 1933 an die Justizdirektion des Kantons Basel-Landschaft über die spezielle Frage der Wiedervereinigung beider Basel kommt Burckhardt jedoch zum Schlüsse, dass sie nicht unzulässig sei. Er führt dort aus: «Die Bundesverfassung braucht nicht in den Formen des III. Abschnittes der Bundesverfassung revidiert zu werden, damit die beiden Basel wieder vereinigt werden können. Der Wortlaut des Art. l könnte, falls die Wiedervereinigung stattfindet, mit der Tatsache in Einklang gebracht werden in der Form einer redaktionellen Berichtigung, nicht einer inhaltlichen Änderung.» Auch Max Huber erklärt, der Tagsatzungsbeschluss von 1838 sei jedenfalls in seiner Substanz in die gegenwärtige Bundesverfassung eingegangen (Erörterungen über die Bechtmässigkeit der Vereinigung der Halbkantone Basel-Stadt und Basel-Landschaft; vgl. Bericht der baselstädtischen Grossratskommission vom 8. Juli 1987, S. 21).

Wie ist nun die Bundesverfassung in Bezug auf die streitige Frage auszulegen ?

Bei der Gründung des Bundesstaates musste die Stelllung der geteilten Kantone in der Eidgenossenschaft geordnet werden. Die Verfassung tat es in der Weise, dass sie in Art. 80 den Halbkantonen für die Bestellung des Ständerates nur je einen Abgeordneten zubilligt und dass bei
der Ausmittlung der Mehrheit der Kantone bei Verfassungsrevisionen nach Art. 123 Abs. 2 die Stimme eines Halbkantons als halbe Stimme gezählt wird. Als Glieder des Bundes stehen demnach neben den 19 ungeteilten Kantonen nicht 6 Halbkantone in gleicher Stellung wie jene, sondern die 3 geteilten Kantone; es sind 22 (nicht 25) Kantone, die die Eidgenossenschaft bilden, und ebensoviel beträgt die Gesamtzahl der Standesstimmen. Dieser von ihm gewollten Ordnung musste der Verfassungsgesetzgeber auch in der textlichen

1065 Fassung des Art. l Rechnung tragen. Er musste unter den 22 Kantonen Unterwaiden, Basel und Appenzell (als ganze Kantone) aufzählen, aber auf ihre Teilung hinweisen, weil diese sonst in der Verfassung überhaupt nicht ersichtlich geworden wäre und der entsprechenden Bestimmung in den Art. 80 und 128 ihre Grundlage fehlen würde; er konnte sich aber, soweit es die geteilten Kantone betrifft, nicht mit der Aufzählung bloss der Halbkantone begnügen, weil die Stellung eines vollberechtigten Bundesgliedes ihnen nicht für sich allein, sondern nur mit dem andern Halbkanton zusammen zukommt. Daraus ergab sieh die Eedaktion des Art, 1. Es wäre nicht begründet, aus ihr allein schon den Schluss zu ziehen, dass die Wiedervereinigung eines geteilten Kantons auf Grund dieses Textes möglich sei. Letzterer hatte sich mit der Frage einer Verschmelzung geteilter Kantone nicht zu befassen, er drückte vielmehr einfach den bestehenden Zustand aus. Aber es bleibt die Tatsache, dass trotz der unvermeidlichen Anerkennung dieses Zustandes die Bundesverfassung ihm eine Wirkung in Hinsicht auf die Stellung der Kantone als Bundesglieder versagt, die Halbkantone also als zusammengehörend betrachtet und ihnen nur vereint je mit dem andern Kantonsteil die vollen Bechte eines Bundesgliedes gewährt.

Für Basel speziell ist aber auch der schon mehrfach erwähnte Tagsatzungsbeschluss vom 26. August 1838 in Betracht zu ziehen, der die Trennung des Kantons in zwei Teile zwar sanktionierte, jedoch unter dem ausdrücklichen Vorbehalt freiwilliger Wiedervereinigung. Dieser Vorbehalt ist nicht sichtbar in die Bundesverfassung eingegangen, wie denn die letztere sich bei den geteilten Kantonen weder mit den Gründen der Trennung noch mit der Frage einer Wiedervereinigung befasst; sie konnte das, wie aus dem soeben Gesagten hervorgeht, bei der Umschreibung der Zusammensetzung des neuen Bundesstaates nicht wohl tun. Wie Burckhardt in seinem Gutachten bemerkt, wollte die Verfassung «das Verhältnis der Halbkantone zum Bund und zu einander nicht ändern, sondern bestehen lassen, wie es 1848 war, und das Verhältnis der beiden Basel war damals bestimmt durch den Tagsatzungsbeschluss vom 26. August 1833 mit dem bekannten Vorbehalt der Wiedervereinigung. Wie man immer diesen Beschluss rechtlich konstruieren möge, er bildete das damalige Bundesrecht,
und auf dieser Grundlage wurde der neue Bund von 1848 gegründet. Die Wiedervereinigung blieb also auch im neuen Bund vorbehalten, sie ist noch heute nicht unzulässig».

Die nämliche Auffassung hat das Bundesgericht in seinem Entscheid vom 21. Juni 1985 (Erwägung 5) niedergelegt, indem es ausführte: «Nach Art. 6 der Übergangsbestimmungen zur Bundesverfassung von 1848 blieben die Beschlüsse der Tagsatzung bis zu ihrer Aufhebung oder Abänderung in Kraft, soweit sie nicht der Bundesverfassung widersprachen. Diese Bestimmung wurde auch nicht etwa dadurch aufgehoben, dass sie in der Verfassung von 1874 nicht wiederholt worden ist. Das beruht lediglich darauf, dass man eine solche Wiederholung als überflüssig ansah. Die Bestimmung blieb als selbstverständliche Rechtsnorm bestehen, soweit sie noch irgendwelche Bedeutung

1066 hatte. Der Vorbehalt bringt zum Ausdruck, dass die Trennung der beiden Basel, die historisch, geographisch, ·wirtschaftlich und kulturell zusammengehören, ein grosser politischer Fehler war und dass die (freiwillige) Wiedervereinigung zu erstreben ist, namentlich auch vom Standpunkt des Bundes aus, wie denn ja auch in Art. l BV der Kanton Basel, wenigstens der Idee (wenn auch nicht der staatsrechtlichen Wirklichkeit) nach, als fortbestehend gedacht ist. Die Wiedervereinigung der beiden Halbkaiitone kann daher von vorneherein nicht bundesrechtswidrig sein, da sie ja in einem gewissen Sinne sogar ein Postulat des Bundesrechts ist.» Nach unserem Dafürhalten hat das Bundesgericht damit die rechtliche Bedeutung der Trennung und des Wiedervereinigungsvorbehalts zutreffend dargestellt. Die Bundesversammlung ist freilich nicht an einen Entscheid des Bundesgerichts gebunden, noch an die Auffassung, die diesem Entscheid zugrunde liegt; vielmehr hat die Bundesversammlung frei zu prüfen, ob sie die Voraussetzungen für die Gewährleistung als erfüllt betrachten kann. Dennoch wird sie nicht achtlos an einer Entscheidung des Staatsgerichtshofes vorbeigehen, die, obwohl in einem andern Verfahren ergangen, sich doch auf die nämliche Rechtsfrage bezog.

Die Auslegung, die schon der Wortlaut des Art. l der Verfassung nahelegt, wird durch die historische Entwicklung erhärtet. Die Tagsatzung konnte im Jahre 1833 die vollzogene Trennung Basels in zwei Kantonsteile nicht ungeschehen machen, wollte sie aber auch nicht ohne weiteres rechtlich sanktionieren, jedenfalls nicht als einen unabänderlichen Zustand gelten lassen, und fügte deshalb ihrem Beschluss den Vorbehalt der freiwilligen Wiedervereinigung bei. Die nämliche Sachlage fand im Jahre 1848 der Verfassungsgesetzgeber des Bundes vor, und nichts deutet darauf hin, dass er sich nicht dieselbe Auffassung wie 15 Jahre früher die Tagsatzung zu eigen gemacht habe. Dieser Zustand blieb über die Verfassung von 1874 hinaus bis heute unverändert. Deshalb erweist sich die Annahme, die Wiedervereinigung der beiden Kantonsteile widerspreche der geltenden Bundesverfassung, als unbegründet; die Wiedervereinigung würde umgekehrt den Zustand herbeiführen, der im Sinne der Bundesverfassung als der normale betrachtet werden muss.

Wir gelangen also zum Schluss, dass die
Wiedervereinigung beider Basel keine Revision des A r t . l noch einer andern Bestimmung der B u n d e s v e r f a s s u n g v o r a u s s e t z t . Es wurde bereits dargelegt, wie die textliche Gestaltung des Art. l sich erklärt und dass hier der Gedanke einer irgend einmal möglichen Aufhebung der Trennung keinen Raum finden konnte. Dennoch ist er dem Sinn der Verfassung nicht fremd. Die letztere nennt Basel als einen der 22 Kantone, welche die Eidgenossenschaft bilden.

Der in der Klammer beigefügte Hinweis auf die Tatsache der Trennung in zwei Halbkantone richtet keine rechtliche Schranke gegen die Wiedervereinigung auf, er würde mit der letztern einfach hinfällig. Falls die Wiedervereinigung durch Annahme einer Verfassung des vereinigten Kantons Basel

IO«?

zustande kommt, wird A r t . l der B u n d e s v e r f a s s u n g durch Streichung der Klammer beim Kanton Basel textlich zu bereinigen sein, ohne dass es hiefür des formellen Weges einer Verfassungsrevieion bedarf.

VI.

In den Diskussionen für und gegen die Wiedervereinigung ist wiederholt die Frage aufgeworfen worden, ob, wenn sie überhaupt bundesrechtlich zulässig sei, nicht wenigtens ein besonderes Verfahren eingeschlagen werden müsse und ob nicht der Bund selbst die Vorschriften über das Verfahren zu erlassen habe.

Dass diese Frage aufgeworfen werden kann, erscheint verständlich angesichts der besondern Natur der Angelegenheit. Es handelt sich nicht schlechtweg um die Gewährleistung einer kantonalen Verfassungsrevision, die ausser dem Bund nur diesen Kanton berührt. Die der Bundesbehörde gleichzeitig zur Gewährleistung vorgelegten Verfassungsrevisionen zielen darauf ab, an die Stelle zweier Staatswesen, die sich, abgesehen von ihrem Verhältnis zur Eidgenossenschaft, wie zwei getrennte Kantone gegenüberstehen, wieder ein einziges Staatswesen zu setzen, in welchem die beiden heute bestehenden aufgehen sollen. Jedes derselben soll damit seine Selbständigkeit aufgeben und sich dem wieder neu zu schaffenden einheitlichen und ungeteilten Kanton einordnen. Dass dieser staatsrechtlich und politisch einmalige Vorgang auch für die innere Verwaltung die einschneidendsten Konsequenzen mit sich bringen müsste, leuchtet ein.

Allein, was die Verfahrensfrage im allgemeinen betrifft, könnten solche Erwägungen die Erteilung der eidgenössischen Gewährleistung nur dann hindern, wenn das für die Wiedervereinigung eingeschlagene Verfahren überhaupt untauglich wäre, um das Ziel zu erreichen, oder wenn es selbst mit dem Bundesrecht in Widerspruch stehen würde. Beides trifft nicht zu.

Durch die Abstimmungen vom 2. Oktober 1988 ist in den beiden kantonalen Verfassungen die fehlende Grundlage geschaffen und das Verfahren geordnet worden, um einen spätem Entscheid über die Wiedervereinigung herbeizuführen. Das Bundesgericht hat dieses Vorgehen als keineswegs unstatthaft bezeichnet (Erw. 6 des Urteils vom 21. Juni 1985). Es führte weiter aus, wenn später der Entscheid über die Wiedervereinigung falle, so geschehe das dann kraft der neuen kantonalen Verfassungsartikel. Diese lassen es zu, dass über einen Gegenstand
entschieden wird, der den Begriff der Verfassungsrevision im Sinne des § 53 der baselstädtischen und des § 48 der basellandschaftlichen Verfassung überschreiten mag. Eechtlich ist die so getroffene Ordnung nicht zu beanstanden. Die beiden Halbkantone bilden, um mit dem Bundesgericht (Erw. 7) zu sprechen, einen Zweckverband, und der vorgesehene Verfassungsrat ist lediglich eine gemeinschaftliche Behörde der beiden Halbkantone; er ist noch kein «Organ des wiedererrichteten Kantons Basel». Die Wiedervereinigung wird erst mit der Annahme der noch aus-

1068 zuarbeitenden Verfassungsvorlage beschlossen sein. Es ist nicht einzusehen, ·warum Verfahrensbestimmungen zur gemeinschaftlichen Lösung einer staatlichen Aufgabe zweier Kantone nicht in den beiden kantonalen Verfassungen stehen, sondern bundesrechtlich geordnet werden sollten, nachdem man erkannt hat, dass das erstrebte Ziel bundesrechtsmässig ist. Daran vermag der Umstand nichts zu ändern, dass die Wiedervereinigung gegebenenfalls dereinst einen Zustand schaffen wird, der vom Willen der heutigen Halbkantone nicht mehr abhängig sein wird, weil dann an ihre Stelle der neue, vereinigte Kanton tritt. Das Bundesgericht nennt den Entscheid über die Wiedervereinigung «eine staatliche Entscheidung besonderer Art» (Erw. 9) und erwähnt als weitere Beispiele solcher Entscheide, die einen definitiven, d. h. vom Willen des Staates nicht mehr abhängigen Zustand schaffen, die unkündbaren Staatsverträge und Grenzbereinigungen, Eine besondere Verfahrensfrage geht dahin, ob nicht für den Beschluss über die Wiedervereinigung, im Gegensatz zu gewöhnlichen Verfassungsrevisionen, wenigstens eine irgendwie besonders beschaffene Mehrheit verlangt werden müsse, da es um die Selbstaufgabe des eigenen Staates gehe.

Dieser Standpunkt wird von den Gegnern der Wiedervereinigung durchwegs in der einen oder andern Form verfochten (vgl. oben unter Z. III.). Die Erschwerung wird entweder im Erfordernis einer Zweidrittelsmehrheit oder in der Teilnahme der ausserhalb des Kantons wohnhaften stimmberechtigten Kantonsbürger an der Abstimmung oder in der Kombination beider Erfordernisse, gesucht. Die Eegierung von Baselland hat ihrerseits sowohl in ihrer Eingabe vom S.März 1936 als in dem das Gewährleistungsverfahren einleitenden Schreiben vom S.Dezember 1988 auf die Frage hingewiesen.

Nach den geltenden Kantonsverfassungen sind Abstimmungsvorlagen sowohl in Baselstadt wie in Baselland angenommen, wenn die einfache Mehrheit der Stimmenden sich dafür ausgesprochen hat. Nur nebenbei mag erwähnt werden, dass § 23 der baselstfidtischen Verfassung für die Verschmelzung einer Landgemeinde mit der Stadt die Mehrheit der Stimmberechtigten sowohl der Einwohner- als der Bürgergemeinde verlangt; diese Bestimmung findet hier nicht Anwendung.

Die Eevisionsbeschlüsse beider Kantonsteile vom 2. Oktober 1988 erklären in Z. 6 übereinstimmend,
dass die vom gemeinsamen Verfassungsrat beschlossene Verfassung für den neuen Kanton Basel erst nach ihrer Annahme durch die Mehrzahl der Stimmenden sowohl in Baselstadt als in Baselland und nach Erteilung der eidgenössischen Gewährleistung in Kraft treten solle. Bundesrechtlich ist diese Lösung nicht zu beanstanden. Sie entspricht der bisher für Verfassungsrevisionen in beiden Halbkantonen geltenden Norm, übrigens auch der Bundesverfassung (Art. 6 Abs. 2 lit. c), welch letztere lediglich die Möglichkeit offen lässt, dass die Kantone auf die Mehrheit nicht der Stimmenden, sondern der Stimmberechtigten abstellen. Eine dahingehende Abweichung von der Eegel hätte den beiden Halbkantonen freigestanden,

1069 sei es für die Annahme der einheitlichen Verfassung dea Kantons Basel, sei es schon für die Abstimmung über die Ingangsetzung des Wiedervereinigungsverfahrens. Im ersten Falle hätte die Z. 6 des Beschlusses vom 2. Oktober 1938 entsprechend gefasst werden müssen, im zweiten wäre schon diesem Beschluss vorausgehend eine Verfassungsrevision erforderlich gewesen, um für diese Abstimmung das Mehr der Stimmenden durch dasjenige der Stimmberechtigten zu ersetzen. Eine solche Erschwerung ist weder im einen noch im andern Sinn vorgesehen worden. Vielmehr wurde in beiden Halbkantonen bestätigt, dass die Mehrheit der an der Abstimmung sich beteiligenden Stimmberechtigten, die schon für die Beschlüsse vom 2. Oktober 1988 massgebend war, auch über Annahme oder Verwerfung der vom Verfassungsrat auszuarbeitenden neuen Kantonsverfassung entscheiden soll. Dieses Verfahren steht, wie erwähnt, mit dem Bundesrecbt im Einklang; und nachdem es in beiden Halbkantonen eingeschlagen worden ist, kann nicht die Eede davon sein, ihnen von Bundes wegen ein anderes Verfahren aufzuzwingen. Dies hat auch das Bundesgericht in seinem Urteil. (Erw. 10) festgestellt. Es erübrigen sich daher Untersuchungen über die Frage, wie die Erschwerung des Abstimmungsverfahrens gestaltet werden müsste, um der Eigenart und Wichtigkeit. der Entscheidung, die an sich nicht zu leugnen ist, möglichst Eechnung zu tragen, ob ein qualifiziertes Mehr der Stimmenden hiefür ausreichen würde, oder die einfache oder qualifizierte Mehrheit der Stimmberechtigten, oder ob auch den im Kanton heimatberechtigten, aber nicht daselbst wohnhaften Bürgern das Recht zur Teilnahme an der Abstimmung eingeräumt werden sollte.

VII.

Der Inhalt der beiden Verfassungsrevisionen vom 2. Oktober 1988 ist hier besprochen worden, soweit es im Hinblick auf die Frage der eidgenössischen Gewährleistung erforderlich schien. Ergänzend soll noch die Z. 8 erwähnt werden, die in beiden Beschlüssen materiell übereinstimmt und diejenigen Bestimmungen aufzählt, welche die Verfassung des Kantons Basel enthalten soll. Es sind das die Autonomie der Gemeinden, die Trennung der Verwaltung der Einwohnergemeinde Basel von der des Kantona, die Bestimmung der Stadt Basel als Sitz der Regierung und von Liestal als Sitz der obern kantonalen .Gerichtsbehörde, die möglichste Ausdehnung der Sozialgesetzgebung und der Fürsorgeeinrichtungen des Kantons Baselstadt auf den ganzen Kanton und die angemessene Anpassung der Anstellungsverhältnisse der staatlichen Beamten, Angestellten und Arbeiter an die Normen des Kantons Baselstadt.

: .

Der Begierungsrat .von Baselland nimmt..an diesen Bestimmungen AnBtoss, da sie seiner Meinung nach.zu nichts verpflichten und die Möglichkeit einer Täuschung in sich schliessen. Das Bundesgericht hat in seinem Entscheid vom 21. Juni 1985 (Erw. 7) die Auffassung bekundet, man habe es bei diesen Grundsätzen mit blossen, den Verfassungsrat nicht bindenden Direktiven Bundeablatt. 99. Jahrg. Bd. I.

70

1070 zu tun. Ob und allenfalls für wen sie zu einer Enttäuschung führen werden, lässt eich unmöglich voraussagen, ist aber wiederum für die Frage der Gewährleistung ohne Belang. Zum Teil sind diese Normen bestimmt, zum Teil etwas unbestimmt gefasst, und die letztern sind wohl in der Tat mehr als Wegleitung verstanden, über deren Durchführbarkeit man sich noch nicht genau ^Rechenschaft geben kann. Enttäuschungen im Sinne nicht eingehaltener Versprechen sind nicht ausgeschlossen, dies aber wohl nicht nur für die Bevölkerung der Landschaft, sondern auch der Stadt.

Es braucht aber hier nicht entschieden zu werden, ob und inwiefern den Normen der Z. 8 verpflichtender oder bloss wegleitender Charakter zukomme.

Sollte sich der Verfassungsrat nicht an diese Normen halten, so steht es jedem Stimmberechtigten in beiden Kantonsteilen frei, die neue Verfassung zu verwerfen, wobei die Stimme jedes Bürgers da und dort dieselbe Kraft hat. Wird die Verfassung in beiden Halbkantonen angenommen, wie es für ihr Zustandekommen erforderlich ist, so ergibt sich der Sehluss, dass'die allenfalls mangelhafte Ausführung der Z. 8 entweder die Entschliessung der Stimmberechtigten nicht wesentlich beeinflusste oder "dass, soweit dies doch der Fall gewesen sein sollte, die also Enttäuschten in Minderheit blieben. In diesen Möglichkeiten darf kein Argument gegen die Gewährleistung erblickt werden.

VIII.

Unsere Untersuchungen führen zum/Ergebnis, dass die von Baselstadt und Baselland gleichzeitig den Bundesbehörden unterbreiteten Verfassungsrevisionen nichts dem Bundesreoht Widersprechendes enthalten und ihnen demzufolge in Anwendung von Art. 6 der Bundesverfassung die Gewährleistung zu erteilen ist. Der Standpunkt, es musate, bevor dies geschehen könne, Art. l der Bundesverfassung selbst abgeändert werden, erweist sich als irrig. Ebenso ist die Forderung unbegründet, der Bund habe für die Wiedervereinigung der beiden Kantonsteile ein besonderes Verfahren festzusetzen. Das hiefür einzuschlagende Verfahren ist vielmehr in den von beiden Halbkantonen angenommenen Verfassungsbeschlüssen vorgezeichnet und geeignet, zum Ziel zu führen.

Indessen sei nochmals betont, dass diese Beschlüsse nicht die Wiedervereinigung schon bewirken, sondern erst die Grundlage schaffen, auf welcher eine Verfassung für den künftigen einheitlichen Kanton Basel errichtet werden kann. Diese muse, einmal ausgearbeitet, in beiden Halbkantonen der Volksabstimmung unterworfen werden, und erst diese Abstimmung -- allfällig, bei negativem Ausgang, die Abstimmung über eine zweite auszuarbeitende Verfassung -- wird über das Schicksal der Bestrebungen zur Wiedervereinigung endgültig entscheiden. Wird die einheitliche Verfassung angenommen, so unterliegt auch sie wieder der Gewährleistung des Bundes, und sie soll, nach ausdrücklicher Vorschrift der gegenwärtigen Bevision (Z. 6), erst nach : Erteilung der Gewährleistung in Kraft treten.

1071 Die Ausführungen dieser Botschaft lassen erkennen, dass der Bundesrat sich in der Beurteilung der Angelegenheit von rechtlichen Gesichtspunkten leiten lässt. Sie sind in der Tat entscheidend. Die Betrachtung nach andern, insbesondere politischen oder wirtschaftlichen Gesichtspunkten könnte die rechtlich begründete Gewährleistung nicht hindern, abgesehen davon, dass sie je nach dem individuellen Standpunkt ausserordentlich verschieden ausfällt. Ohne politische Spannungen, auf die vornehmlich aus dem Baselbiet hingewiesen wird, kann eine Bewegung von solcher Tragweite nicht verlaufen, welches auch ihr Ausgang sei. Dass die Minderheit sich fügen muss, ist demokratisches Prinzip, und es müsste erst recht zu bedenklichen Spannungen fuhren, verhindern zu wollen, dass ein rechtmässig eingeleitetes Verfahren zu Ende geführt werde, um feststellen zu lassen, ob dereinst eine einheitliche Verfassung und damit die Wiedervereinigung beider Basel dem Willen der Mehrheit entspricht.

Wir beantragen Ihnen, durch Annahme des beiliegenden Beschlussesentwurfes die nachgesuchte Gewährleistung zu erteilen.

Genehmigen Sie, Herr Präsident, hochgeehrte Herren, die Versicherung unserer vollkommenen Hochachtung.

Bern, den 17. März 1947.

Im Namen des Schweiz. Bundesrates, Der Bundespräsident : Etter.

Der Bundeskanzler: Leimgruber.

1072 (Entwurf.)

Bundesbeschluss über

die Gewährleistung der Verfassungsbestimmungen der Kantone Basel-Stadt und Basel-Landschaft zur Einleitung ihrer Wiedervereinigung.

Die Bundesversammlung der schweizerischen Eidgenossenschaft, nach Einsicht in eine Botschaft des Bundesrates vom 17. März 1947, in Erwägung, dass die kantonalen Verfassungsbestimmungen nichts den Vorschriften der Bundesverfassung Zuwiderlaufendes enthalten, in Anwendung von Art. 6 der Bundesverfassung, beschliesst :

Art. 1.

Den in den Volksabstimmungen vom 2. Oktober 1988 in den Kantonen Basel-Stadt und Basel-Landschaft angenommenen Verfassungsbestimmungen zur Einleitung der Wiedervereinigung von Stadt und Landschaft Basel wird die Gewährleistung des Bundes erteilt.

Art. 2.

Der Bundesrat wird mit der Vollziehung dieses Beschlusses beauftragt.

7149

Schweizerisches Bundesarchiv, Digitale Amtsdruckschriften Archives fédérales suisses, Publications officielles numérisées Archivio federale svizzero, Pubblicazioni ufficiali digitali

Botschaft des Bundesrates an die Bundesversammlung über die Gewährleistung der Verfassungsbestimmungen der Kantone Basel-Stadt und Basel-Landschaft zur Einleitung ihrer Wiedervereinigung. (Vom 17. März 1947.)

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1947

Année Anno Band

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Volume Volume Heft

11

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20.03.1947

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