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Bericht des

Bundesrates an die Bundesversammlung über die Standesinitiativen der Kantone Schwyz und Luzern betreffend Alters- und Hinterlassenenversicherung und Familienschutz.

(Vom 14. März 1947.)

Herr Präsident!

Hochgeehrte Herren!

Wir beehren uns, über die Standesinitiativen der Kantone Schwyz und Luzern betreffend Alters- und Hinterlassenenversicherung und Familienschutz Bericht zu erstatten. Nachdem das weitere Vorgehen sowohl in der Frage der Alters- und Hinterlassenenversicherung als des Familienschutzes abgeklärt ist und nachdem das Volk und die Stände sowie die eidgenössischen Eäte hinsichtlich beider Fragen grundlegend und definitiv Stellung bezogen haben, ist der Zeitpunkt gekommen, wo die beiden Standesinitiativen erledigt werden können.

I. Die Standesinitiative des Kantons Schwyz, eingereicht am 16. Februar 1944.

1. Am 16. Februar 1944 teilte der Kegierungsrat des Kantons Schwyz dem Bundesrat mit, dass der Kantonsrat des Kantons Schwyz am 26. Januar 1944 folgende Standesinitiative zuhanden der eidgenössischen Eäte einstimmig beschlossen habe: Der Kantonsrat des Kantons Schwyz, in Ausübung des ihm gemäss Art. 93 der Bundesverfassung zustehenden Initiativrechtes, beantragt don eidgenössischen Räten, für die hochbedeutsamen Fragen des Familienschutzes und der Alters- und Hinterlassenenversicherung, die für eine gedeihliche Entwicklung unserer Eidgenossenschaft als elementar- und unerlässlich zu betrachten sind, eine gemeinsame Losung zu suchen und bis spätestens 1. Januar 1946 eine entsprechende Regelung zu treffen.

2. In dem Zeitpunkt, als die Initiative des Kantons Schwyz eingereicht wurde, war das weitere Vorgehen, sowohl in der Frage der Alters- und Hinterlassenenversicherung als auch des Familienschutzes in keiner Weise abgeklärt.

Dies ist inzwischen anders geworden. Um die Standesinitiative würdigen zu können ist es deshalb notwendig, kurz den Fortgang in der Behandlung der Alters- und Hinterlassenenversicherung wie des Familienschutzes zu skizzieren.

1074 a. Auf dem Gebiete der Alters- und Hinterlassenenversicherung war am 25. Juli 1942 die Volksinitiative betreffend Umwandlung der Lohn- und Verdienstausfallkassen in Alters- und Hinterlassenenversicherungskassen eingereicht worden. Die Kantone Genf (27, August 1941), Neuenburg (14. November 1941), Bern (4. Juni 1943) und Aargau (24. September 1943) hatten Standesinitiativen in bezug auf die Lösung der Alters- und Hinterlassenenversicherung eingereicht. Nachdem die eidgenössischen Bäte anlässlich der Märzsession 1944 den beiden Standesinitiätiven der Kantone Bern und Aargau zugestimmt hatten, bestellte der Bundesrat am 11. Mai 1944 die eidgenössische Expertenkommission für die-Einführung der Alters- und Hinterlassenenversicherung.

Sie wurde beauftragt, die Frage zu prüfen, in welcher Weise die Alters- und Hinterlassenenversicherung verwirklicht werden könne. Der Bericht der Expertenkommission ist am 16. März 1945 erstattet worden. Gestützt auf diesen Bericht hat der Bundesrat beschlossen, das eidgenössische Volkswirtschaftsdepartement zu beauftragen, -einen Gesetzesentwurf auszuarbeiten. Am 24. Mai 1946 ist die Botschaft des Bundesrates an die Bundesversammlung zürn Entwurf eines" Bundesgesetzes über die Alters- und Hinterlassenenversicherung erschienen. Die eidgenössischen Bäte haben dem Entwurf mit Beschluss vom 20. Dezember 1946 .ihre.Zustimmung erteilt, und damit ist die Alters- und Hinterlassenenversicherung in einem besonderen Bundesgesetz geregelt worden.

b. Auf dem Gebiete des Familienschutzes war zur Zeit der Einreichung der Standesinitiative des Kantons Schwyz ein Volksbegehren, vom 18. Mai 1942, «Für die Familie» eingereicht worden. Am 10. Oktober 1944 hat der Bundesrat- der Bundesversammlung einlässlich über dieses Volksbegehren Bericht erstattet und der Bundesversammlung die Annahme eines Gegenvorschlages zum Initiativtext beantragt. Am 21. März 1945 hat die Bundesversammlung über das Volksbegehren im Sinne des Antrages des Bundesrates Beschluss gefasst, indem sie dem Initiativtext einen Gegenentwurf der Bundesversammlung gegenüberstellte. Am 25. November 1945 haben Volk und Stände dem neuen Verfassungsartikel 34
.

2. Die Standesinitiative des Kantons
Schwyz postuliert nun, es sei für die beiden Fragen der Alters- und Hinterlassenenversicherung und die Frage des Familienscbutzes' «eine gemeinsame Lösung zu suchen». Der Standesinitiative des. Kantons Schwyz liegt offenbar der Gedanke zugrunde, es wäre zweckmassig, beide Probleme ia einem Gesetz oder in einer einzigen Verfassungsbestimmung zu lösen. Nachdem Volk und Stände den Familienschutz in einem besonderen Verfassungsartikel verankert haben, und nachdem die eidgenössischen Bäte am 20. Dezember 1946 das Bundesgesetz über die Alters- und Hinterlassenenversicherung zum Beschluss erhoben haben, dürfte eine gemeinsame Lösung in dem Sinne, dass die Familienschutzfrage im gleichen Gesetz oder im Bahmen des gleichen Verfassungsartikels zu lösen wäre, nicht mehr in Betracht kommen.

Die seitherige Entwicklung der Frage der Altersversicherung sowohl als des

1075 Familienschutzes hat wohl mit aller Deutlichkeit gezeigt, dass es sich bei beiden Problemkreisen um umfassende Fragen handelt, die, so wie die Verhältnisse bei uns liegen, nicht in einem Zuge gelöst werden können. Dass ein gemeinsamer Verfassungsartikel nicht in Betracht kommen kann, bedarf wohl keiner weiteren Erörterungen. Aber es wäre auch unzweckmässig, alle Familienschutzfragen die der Artikel 34quinquies dem Bunde zur Lösung überwiesen hat, in einem einzigen Gesetz zu regeln. Es wird vielmehr auch vom Familienschutzstandpunkte aus zweckmässig sein, die verschiedenen aufgeworfenen Probleme nacheinander einer gesetzgeberischen Lösung entgegenzuführen. Es ist beabsichtigt, den eidgenössischen Bäten in bezug auf den Familienschutz so bald als möglich drei gesonderte Gesetzesvorlagen zugehen zu lassen: Ein Bundesgesetz über die Mutterschaftsversicherung, eine Vorlage zu einem Rahmengesetz über die Familienausgleichskassen sowie ein Bundesgesetz über die Förderung des Wohnungs- und Siedlungswesens. Jede dieser drei Hauptfragen ist so bedeutsam, dass unbedingt separate Gesetzesvorlagen in Aussicht genommen werdenmüssen.

Sollte die Standesinitiative des Kantons Schwyz die Anregung auf Schaffung einer «gemeinsamen Lösung» nicht so verstanden haben, dass ein einheitliche Bundesgesetz für die Frage des Familienschutzes und der Altersversiche-rung in Aussicht zu nehmen sei, sondern, dass vielmehr beide Fragen nebeneinander zu behandeln seien, so ist diesem Postulat bereitsRechnungg getragen.

: Die oben geschilderte Entwicklung der beiden Fragen und ihre Behandlung durch den Bundesrat zeigen wohl eindeutig, dass der Alters- und Hinterlassenenversicherung und dem Familienschutz in gleicher Weise Aufmerksamkeit geschenkt wurde, und dass ihre Förderung soweit als tunlich und möglich parallel erfolgt.

Wir kommen deshalb zum Schluss, es sei die Kantonsinitiative des Kantons Schwyz vom 16. Februar 1944, weil durch die Entwicklung überholt, als gegenstandslos abzuschreiben.

II, Die Standesinitiative des Kantons Luzern, eingereicht am 16. März 1944.

1. Am 16. März 1944 teilte der Begierungsrat des Kantons Luzern den eidgenössischen Bäten mit, dass der Grosse Bat des Kantons Luzern am 8. März 1944 die Einreichung einer «Standesinitiative des Kantons Luzern zur Frage Familienschutz/Altersversicherung
beschlossen habe. Der Beschluss lautet, f olgendermassen : 1. In Ausübung des in § 38 der Staatsverfassung des Kantons Luzern dem Grossen Rate eingeräumten Rechtes wird gemäss Art. 93, Abs. 2, der Bundesverfassung im Namen des Kantons Luzern den eidgenössischen Räten vorgeschlagen, die Volksbegehren für die Familie und. für die Alters- und Hinterbliebenenversicherung in Verbindung miteinander, in Angriff zu nehmen und raschmöglichst zu fördern.

2. Der Regierungsrat wird beauftragt, diesen Beschluss an die eidgenössischen Räte in Bern .weiterzuleiten.

3. Dieser Beschluss ist in das Staatsarchiv niederzulegen und den eidgenössischen Räten sowie dem: Regierungsrate mitzuteilen.

1076 2. Währenddem die Standesinitiative des Kantons Schwyz anregt, es sei für die Frage der Alters- und Hinterlassenenversicherung und des FamilienSchutzes eine «gemeinsame Lösung zu suchen», verlangt die Standesinitiative des Kantons Luzern, es seien «die Volksbegehren für die Familie und für die Alters- und Hinterlassenenversicherung in Verbindung miteinander in Angriff zu nehmen und raschmöglichst zu fördern».

Die Standesinitiative des Kantons Luzern bezieht sich offenbar auf die beiden Volksbegehren vom 13. Mai 1942 «Für die Familie» und das Volksbegehren vom 25. Juli 1942 betreffend die Umwandlung der Lohn- und Verdienstausfallkassen in Alters- und Hinterlassenenkassen.

a. Wir haben bereits im Abschnitt I dargetan, dass das Initiativbegehren «Für die Familie», vom 13. Mai 1942, durch die Volksabstimmung vom 25. November 1945 über den Familienschutz (Aufnahme eines Artikels 84quinquies in die Bundesverfassung) seine Erledigung gefunden hat.

b. Das Volksbegehren vom 25. Juli 1942 betreffend dio Umwandlung der Lohn- und Verdienstausfallkassen in Alters- und Hinterlassenenversicherungskassen ist zur Zeit noch hängig. Das Problem der Alters- und Hinterlassenenversicherung hat jedoch unterdessen eine gesetzgeberische Lösung gefunden in dem Bundesgesetz vom 20. Dezember 1946, das in seinem organisatorischen Aufbau die Grundgedanken der Volksinitiative übernommen hat. Die Frage der formellen Erledigung der Initiative wird zu entscheiden sein, wenn über das Schicksal des Bundesgesetzes vom 20. Dezember 1946 Klarheit besteht.

Hingegen besteht völlige Klarheit darüber, dass eine «Verbindung» dieses Volksbegehrens mit demjenigen «Für die Familie» auf keinen Fall mehr in Betracht kommt, da Volk und Stände dem neuen Art. 34 quinquiesbereits ihre Zustimmung erteilt haben.

Gestützt auf vorstehende Erwägungen kommen wir zum Schluss, dass auch das Standesbegehren des Kantons Luzern, weil durch die Entwicklung überholt, als gegenstandslos abzuschreiben sei, Antrag: Die Standesinitiativen der Kantone Schwyz (vom 16. Februar 1944) und Luzern (vom 16, März 1944) seien, weil durch die Entwicklung überholt, als gegenstandslos abzuschreiben.

Genehmigen Sie, Herr Präsident, hochgeehrte Herren, die Versicherung unserer vollkommenen Hochachtung.

Bern, den 14. März 1947.

Im Namen des Schweiz. Bundesrates, Der B u n d e s p r ä s i d e n t : Etter.

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Der Bundeskanzler: Leimgruber.

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Bericht des Bundesrates an die Bundesversammlung über die Standesinitiativen der Kantone Schwyz und Luzern betreffend Alters- und Hinterlassenenversicherung und Familienschutz. (Vom 14. März 1947.)

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1947

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20.03.1947

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