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Bundesblatt 99. Jahrgang.

Bern, den 2. Oktober 1947.

Band III.

Erscheint wöchentlich. Preis US Franken im Jahr, 15 Franken im Halbjahr zuzüglich Nachnahme- and Postbestellungsgebühr Einrückungsgebühr.· 60 Rappen die Petitzeile oder deren Baum. -- Inserate franko an Stämpfli & Cte. in Bern.

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Botschaft des

Bundesrates an die Bundesversammlung über ausserordentliche Massnahmen zur Milderung der Notlage in den Trockengebieten.

(Vom 26. September 1947.)

Herr Präsident!

Hochgeehrte Herren!

Wir beehren uns, Ihnen einen Bericht über die Trockenheit und ihre Auswirkungen auf die Landwirtschaft und die Sicherung unserer Landesversorgung mit landwirtschaftlichen Produkten zu erstatten und den Entwurf eines dringlichen Bundesbeschlusses über Massnahmen zur Milderung der Notlage in den Trockengebieten vorzulegen.

I. Einleitung.

1. Während der hinter uns liegenden Kriegsjahre begünstigten die Witterungsverhältnisse die landwirtschaftliche Produktion. Insbesondere das Jahr 1948 wird mit dem harmonischen Witterungsverlauf den Bauern noch lange in guter Erinnerung bleiben. Im folgenden Jahr erschwerten Herbstregen teilweise die Einbringung der Ernte, aber im allgemeinen darf auch das Jahr 1944 als durchaus gut bezeichnet werden. Eine zum Teil recht spürbare Trockenheit machte sich in einzelnen Gegenden der französischsprechenden Schweiz und im Kanton Tessin bereits während der Kriegsjahre 1989--1945 geltend.

Die daraus resultierenden Schäden, die 1945 am grössten waren, konnten durch die Auszahlung eines Trockenheitszuschlages auf der eingelieferten Milch mehr oder weniger ausgeglichen werden. Im vergangenen Jahre verursachten im schweizerischen Mittelland vor allem die Engerlinge grosse Ernteausfälle. Der schneearme Winter 1946/47, in Verbindung mit der anormalen Schneeschmelze auf stark gefrorenem Boden, in den das Schmelzwasser nicht eindringen konnte, trug dazu bei, dass im Frühjahr 1947 bereits ein Manko an Bodenfeuchtigkeit bestand.

Bundesblatt. 99. Jahrg. Bd. III.

14

190 Die Schweizerische Meteorologische Zentralanstalt in Zürich äussert sich in einem Bericht zur Beschreibung des bisherigen Witterungsverlanfes des denkwürdigen Jahres 1947 wie folgt: Witterungsablauf in der SchweÄz für die Monate Januar bis August 1947.

Normalwerte.

Um eine Vergleichsbasis für den ganz anormalen Witterungsablauf während des Frühjahrs und Sommers 1947 zu erhalten, geben wir in den ersten Zeilen der folgenden Tabelle für die Station Basel den mittleren Verlauf der drei wichtigsten Klimaelemente Temperatur, Sonnenscheindauer und Niederschlagsmenge. Die Station Basel gilt als sehr zuverlässige Station. Sie liegt ausserdem in einer der extrem trockenen Zonen. Auch in den anderen von der Dürre besonders heimgesuchten Gebieten zeigen die langjährigen Monatsmittel dieser Klimaelemente einen qualitativ ähnlichen Verlauf wie in Basel, so dass die Beobachtungsdaten dieser Station als typisches Beispiel gelten können. Die zweite Zeile gibt die im Jahre 1947 tatsächlich beobachteten Werte.

Tabelle.

Monat: TemperaturMittel in 1. Cela. » Temperatur 2. 1947

*

L

II.

III.

IV. V. VI. VII. VIII. IX. X.

XL XII.

-0,3

1,3

4,5

8,7 13,2 16,5 18,4 17,5 14,2

8,8

4,1

0,3

--

--

--

64 74

94 127 147 195 214 233 223 158 109 30 67 210 169 277 259 285 -- --

65 --

54 --

41 38

41 38

59 --

52 --

-2,4 -2,2

6,0 12,2 15,3 19,5 21,4 21,3

--

Sonnenschein-

dauer in 1. St. Mit.

2. 1947 Mittl. Begen-

1. summen mm 2. 1947

53 91

65 17

81 31

98 44

90 28

86 22

78 --

74 --

In der ganzen Schweiz herrschte in den zwei ersten Monaten des Jahres kaltes Wetter, es wurden zwar keine ganz extrem tiefen Temperaturen beobachtet; dagegen blieb das Thermometer während vieler Tage unter dem langjährigen Mittelwert. In den Niederungen waren die Niederschlagsmengen stellenweise etwas über, stellenweise etwas unter, den langjährigen Normalwerten. H e r v o r z u h e b e n sind dagegen die geringen Niederschlagsmengen im Hochgebirge, wo durchschnittlich nur 50--60 % der normalen Menge gemessen worden sind.

Der Monat März brachte dem ganzen Lande reichliche Niederschläge sowie eine ganz beachtenswerte Erwärmung. Die Mittelwerte für Temperatur und Niederschlag wurden fast überall ganz beträchtlich überschritten.

Seit Anfang April stellten sich dann Grosswetterlagen ein, die in erster Linie die extremen klimatischen Verhältnisse der verflossenen fünf Monate

191 verursacht haben. Wir werden später auf diese Grosswetterlagen kurz zurückkommen. Vorerst sollen für den in Frage stehenden Zeitraum die Beobachtungsdaten etwas eingehender besprochen werden. Die katastrophale Austrocknung gewisser Gegenden kam durch das Zusammenwirken mehrerer Faktoren zustande. Diese Faktoren sind allerdings selbst nicht unabhängig voneinander.

Temperatur und Strahlung.

In der ganzen Schweiz lagen die Mitteltemperaturen für die Monate April bis August um 2--S Grade über den entsprechenden langjährigen Mittelwerten.

Auf vielen Stationen wurden Maximaltemperaturen gemessen, die seit Bestehen des schweizerischen Beobachtungsnetzes, d. h. seit 1864, nie erreicht worden sind (Zürich 87,6, Basel 88,7, Bern 84,8 usw.), Ausserdem liegen fast für alle Stationen nordwärts der Alpen auch die Sonnenscheindauern beträchtlich über dem langjährigen Mittel. Beide Elemente, hohe Lufttemperatur und lange Bestrahlung, d. h. extreme Temperaturen an der Erdoberfläche und in der bodennahen Luftschicht, begünstigen die Austrocknung.

Nie der schlags Verhältnisse.

Die Hauptursache für die extreme Trockenheit liegt jedoch im giossen Niederschlagsdefizit. Die Niederschlagsverteilung ist wesentlich komplizierter.

Wir haben deshalb die Verhältnisse auf der beiliegenden Karte dargestellt.

Als Beobachtungsmaterial dienten die Eegenmessungen auf den rund 400 schweizerischen Eegemness-Stationen. In die Karte wurden die Eegensummen für die Monate April bis August in Prozenten der langjährigen Mittelwerte eingetragen.

Am stärksten von der Trockenheit betroffen wurden das Baselbiet, die Gegend von Hailau bis zum Unterlauf der Thur, das Gau und das benachbarte Hügelland von Huttwil bis Wohlen. In diesen Gebieten fielen etwas weniger als 40 % des normalen Niederschlages, was für eine fünfmonatige Periode einen aus serge wohnlichen Wassermangel bedeutet. Im Mittelland von Bern bis Frauenfeld sowie im Tafeljura beträgt die Niederschlagsmenge ausserhalb der erwähnten Trockengebiete rund die Hälfte der normalen. Etwas günstiger liegen die Verhältnisse in der Westschweiz, wo die Eegenmenge im Mittelland 60--70, im Jura 70--80 % des langjährigen Mittels ausmacht. Im Wallis schwankt die Eegenmenge zwischen 55-^80.% des ohnehin sehr kleinen Mittelwertes. Kelativ trocken war auch das südliche Tessin, dagegen
erreicht die Eegenmenge im Alpengebiet meist mehr als 70 % der normalen. In einzelnen Teilen von Graubünden sind sogar leichte Überschüsse zu verzeichnen.

Günstig gegen die Austrocknung im Gebiete der Alpen wirken ausserdem eine ganze Reihe weiterer Faktoren. Es ist jedoch sehr schwierig, die Wirkung dieser Einflüsse quantitativ abzuschätzen. Die wichtigsten Faktoren sind die geringeren Lufttemperaturen in grösserer Höhe, Schattenwirkung des Eeliefs, Feuchtereservoire der Firn- und Gletecherfelder usw.

192

Kg. 1

193 Zusammenfassend konstatieren wir, (läse während der Vegetationsperiode 1947 in verschiedenen Gebieten auf der Alpennordseite die Klimaverhältnisae wesentlich extremer waren als diese normalerweise z. B. im Mittelwallis, dem trockensten Gebiete der Schweiz, sind, wo für eine erfolgreiche landwirtschaftliche Bewirtschaftung bekanntlich künstliche Bewässerungsanlagen unterhalten werden müssen. Wir geben zum Vergleich die Normalwerte der Station Siders am Südabhang des Wildstrubels.

Normalwerte der Station Siders.

Monat: Temp.°C Sonnensoheindauer St.

Niederschlag mm

I.

-1,5

II. III. IV. V. VI. VII. Vili. IX. X. XI. XII.

1,5 5,2 10,4 14,2 17,4 19,3 18,0 15,1 9,3 3,8 -0,7

93 115 144 165 201 212 234 236 179 133 89 54 51 39 35 40 48 60 46 46

98 85

71 43

Das diesjährige Klima in den nordalpinen Trockengebieten lässt sich etwa vergleichen mit dem normalen Sommerklima in Mittelitalien, Balkan oder Südrussland.

Häufigkeit von extremen Lagen.

Obschon die genauen instrumenteilen klimatologischen Beobachtungsreihen höchstens 80--100 Jahre umfassen, so kann immerhin auf Grund von sorgfältigen mathematischen Analysen dieser Eeihen geschlossen werden, dass ganz extreme Abweichungen von den mittleren Verhältnissen durchaus möglich sind. Dabei möchten wir von den langsamen säkularen Änderungen, in deren Verlauf das Klima eines Ortes sich ganz ändern kann, absehen. Die Wahrscheinlichkeiten für die ganz extremen Lagen werden allerdings sehr klein, so dass man um diese mehr theoretischen Schlüsse prüfen zu können, viel längere Zeiträume von genauen Beobachtungen zur Verfügung haben sollte. Man ist darum gezwungen auf die Naturchroniken zurückzugreifen, aus denen allerdings die jeweiligen klimatischen Verhältnisse nur indirekt erschlossen werden können.

Durchgeht man die zeitgenössischen Aufzeichnungen, so findet man in jedem Jahrhundert ganz extreme klimatische Zustände bezüglich Trockenheit, Nässe, Hitze, Kälte usw. Wir erwähnen hier nur einige extrem trockene Sommer aus der Vergangenheit.

1473: Heisses Frühjahr, sehr trockener Sommer, vom 20. Juni 9--12 Wochen lang überhaupt kein Eegen. Kein Heu, kein Obst, viel Vieh starb vor Durst. An etlichen Orten verdorrten Trauben. (Aegidii Tschudi Chronicon Helveticum, herausgegeben von J. E. Iselin, Basel 1734. -- Äg. Tschudi lebte 1505 bis 1572.) (Christian Wurstisen. Basler Chronik bis zum Jahr 1580.

Bd. I. Basel 1765, Bd. II1772.) (Joh. Gross. Kurze Basler Chronik Basel 1624.)

1540: Dieser Sommer wird in allen Chroniken der «heisse Sommer» genannt.

Viele Mühlen standen still; Wasserstand der Liimnat so niedrig, dass man trockenen Fusses zum Wellenberg gehen konnte. Ende Mai reife Kirschen,

194 i

anfangs Juni Busse Trauben, wenig Heu und Emd. Im August war es so heiss, dass Eichbäume verdarben, alles Nusslaub und ebenso die Nüsse fielen ab.

Der Wein wurde im Zürichbiet der unkarstete Wein genannt, weil man die Beben der Trockne wegen nicbt hatte karsten können; stellenweise solche Spalte in der Erde, dass man beim Sitzen auf dem Boden die Fusse in dieselben hängen konnte, usw.

1623: Heisser Sommer, 12 Wochen fast regenlos. (Job. Gross, Kurze Basler Chronik. Basel 1624.)

1727: Zu Anfang Mai war es so ungemein kalt, dass es vor Kälte auch nicht schneien konnte. Der Sommer war von ungenieiner Hitze, dass man in der Kirchen den lieben Gott öfters um ein gut Eegen gebetten, welcher Er auch zur Zeit der Not anfangs September gesendet. Knaben baden bis im Oktober im Ehein (wörtlich zitiert aus Basler historische Chronik von Joh.

Heinr. Philibert, 1545--1743).

Seit regelmässige exakte klimatologische Beobachtungen durchgeführt werden, d. h. seit dem Jahre 1864, brachte das Jahr 1947 bezüglich Wärme und Trockenheit einen Eekord, Selbst die bekannten heissen Sommer 1911 und 1921 waren nicht so extrem. So war z. B. die Trockenperiode im Sommer 1911 sehr intensiv, aber viel kürzer: sie dauerte nur von Ende Juni bis Mitte September. In diesem Zeitraum fielen in Altstätten 26%

Zürich 81%

Basel 29%

Bern 21%

Lausanne 34%

Genf 40%

Lugano 101%

der normalen Niederschlagsmengen. Die Monate Mai und Juni brachten damals eher übernomiale Niederschläge, während 1947 seit April in den eigentlichen Trockenzonen alle Monate durchschnittlich weniger als 40 % der normalen Menge erhalten haben.

Ursachen der anormalen klimatologischen Verhältnisse.

Soweit die vorhandenen meteorologischen Übersichtskarten ein Urteil erlauben, muss die unmittelbare Ursache für die extremen Zustände der verflossenen fünf Monate in einer Verlagerung der für Mitteleuropa massgebenden meteorologischen Aktionszentren und der damit verbundenen Strömungsfelder gesucht werden. Die eigentliche Ursache für diese Verlagerung ist unbekannt, oder es existieren nur ganz vage Hypothesen. Besonders wichtig für das Wetter in West- und Zentraleuropa während des Sommerhalbjahres ist das sogenannte Azorenhoch. In normalen Zeiten erstreckt sich der Kern dieses gewaltigen Hochdruckgebildes von den amerikanischen Ostküsten quer durch den Atlantischen Ozean bis nach Spanien und Nordafrika (Fig. 2). Bei dieser normalen Lage liegen West- und Zentraleuropa vorwiegend in einer relativ feuchten Westr oder Nordwestströmung. Verlagert sich der Kern dieses Hochdnickgürtels bis nach Zentraleuropa, so wird die

195

Fig. 2

WeststrÖmuhg abgeschwächt oder ganz ausgelöscht. Diese Situation war charakteristisch für die Monate Mai, Juni, Juli. Bei dieser hochsommerlichen Lage entwickeln sich infolge der starken Einstrahlung kräftige Begional- und Lokalzirkulationen. In den Alpenländern besteht diese Eegionalzirkulation in einem Luftmassenaustausch zwischen Alpenvorland und Alpen.

In den Alpen und Voralpen selbst kommt es relativ häufig zur Ausbildung von lokalen Gewittern oder Schauern. Im Monat August dehnte sich dann der Hochdruckgürtel bis nach Nordeuropa aus (Fig. 3). Die Lage verschärfte sich bedeutend. Grosse Gebiete Europas wurden während längeren Zeiten von der westlichen Luftzufuhr ganz abgeschnitten. Dafür wurden diese Gebiete

196

Kg. 3 während Wochen von einer Nordostströmung überflutet (Fig. S). Diese brachte mit Ausnahme von kurzen Unterbrüchen trockene Luftmassen aus Bussland nach Zentraleuropa.

Aus diesem Tatbestand geht hervor, dass sich die grosse Trockenheit nicht allein auf unser Land beschränkt haben kann. Es handelt sich um grossräumige Vorgänge, die mehr oder weniger ganz Zentraleuropa, zum Teil auch Nord- und Westeuropa in Mitleidenschaft gezogen haben müssen. Natürlich trat die Trockenheit nicht überall mit der gleichen Schärfe auf. Eegionalund Lokaleinflüsse, wie z. B. im Gebiete der Alpen, wo ja gewöhnlich eher zu viel Niederschläge fallen, hatten eine günstige Wirkung auf die Kulturen.

197 Leider ist das klimatologische Beobachtungsmaterial aus dem benachbarten Ausland für die in Frage stehende Epoche erst lückenhaft eingegangen ; die wenigen exakten Messresultate aus dem benachbarten Prankreich und ferner aus Ungarn bestätigen aber die oben geäusserte Vermutung, dass auch grosse Zonen jener Länder beträchtliche Niederschlagsdefizite registriert haben müssen.» Die Auswirkungen der langandauernden Trockenperiode sind nicht nur für die Landwirtschaft ausserordentlich schmerzlich, sondern auch für die gesamte schweizerische Volkswirtschaft. Die Versorgungslage unseres Landes wird erneut ernstlich in Präge gestellt. Nur Massnahmen auf lange Sicht, verbunden mit dem Einsatz beträchtlicher finanzieller Mittel, werden es erlauben, die Not in den Trockengebieten zu mildern.

Naturgemäss kann die Hilfe nicht in Form einer einzigen Aktion durchgeführt werden, vielmehr sind eine Eeihe von Teilaufgaben zu lösen, die sich gegenseitig ergänzen müssen. Über das Ausmass der Schäden werden wir uns im nachstehenden Abschnitt äussern.

Die Hilfe ist dringend. Die Not äussert sich nicht nur in messbaren Schäden wie Ausfall an Futter, Abschlachten von Nutztieren, nutzlose Bestellungen von Feldern, weil die Saaten nicht aufgehen, und unabsehbaren Ernteausfällen, sondern ebensosehr in einer seelischen Not der unmittelbar betroffenen Landwirte und Bauernfamilien.

Die natürlichen Verhältnisse zwingen den Schweizerbauern zu einer mannigfaltigen Betriebsführung. Diese Tatsache erschwert eine Hilfsaktion sehr, da auf die individuellen Verhältnisse Eücksicht genommen werden muss.

Dessenungeachtet ist es Pflicht der Allgemeinheit, den von der Trockenheit heimgesuchten Landwirten nach Möglichkeit zu helfen. Diese Hilfe kann aber nur eine zusätzliche sein. In erster Linie ist es Sache der durch die Trockenheit geschädigten Landwirte, zu versuchen sich selbst zu helfen, soweit dies möglich ist. Die Selbsthilfe fordert vom Landwirt neben Initiative auch viel Geduld, gilt es doch für ihn, die Auswirkungen der Schäden des trockenen Sommers auch noch.in den kommenden Jahren zu tragen. Nur Landwirten, die sich um das Abwenden noch schwererer Polgen ernsthaft bemühen, wird die öffentliche Hilfe den gewünschten Nutzen bringen. Durch eine klug abgewogene Hilfsaktion kann ohne Zweifel die Selbsthilfe mächtig angespornt
werden.

Seit zuverlässige meteorologische Aufzeichnungen in der Schweiz bestehen, machte sich nie eine solche Trockenheit und Dürre bemerkbar. Nicht nur wird durch das Ausbleiben regehnässiger Niederschlage die Landwirtschaft hart getroffen, sondern die aus der Trockenheit resultierenden Schäden machen sich ebenfalls im Gewerbe, in der Industrie und im Handel bemerkbar. In den kommenden Jahren werden die Gemeinden und Kantone der Trockengebiete bedeutende Steuerausfälle in Kauf nehmen müssen. Demnach ist eine umfassende Hilfe am Platze, da erfahrungsgemäss eine rasche Hilfe eine doppelte Hilfe bedeutet.

198

II. Die Ertragsausîalle infolge Trockenheit.

1. Die Schäden beim Getreide- und Hackfruchtbau sowie beim Bauhfutter.

Entsprechend dem Verlauf der diesjährigen Trockenheitaperiode gestalten sich auch die Bückwirkungen auf den Ertrag der landwirtschaftlichen Produktion. Die Schäden traten zum Teil bereits im Verlaufe des 2. Quartals, zum grössten Teil aber erst während des 8, Quartals auf. Demgemäss haben die Kulturen um so weniger Schaden erlitten, je früher sie zur Eeife gelangt sind. So wird die Heuernte quantitativ im Mittel noch als befriedigend taxiert, während die Qualität als sehr gut bezeichnet werden kann. Der Ausfall an Rauhf utter macht sich im teilweisen oder in gewissen Gegenden im ganzen Verlust der Emdernte, d. h. des 2. und 3. Schnittes sowie im seitherigen fast völligen Versagen des Grünfatters geltend. Bei den Ackerkulturen machen sich ähnliche Abstufungen bemerkbar. Frühreifende Kulturen wie Winterraps, Wintergerste, Roggen, Frühkartoffeln haben bedeutend weniger gelitten als mittelfrühe und späte Getreidearten, mittelfrühe und späte Kartoffelsorten, Runkeln, Zuckerrüb»n und späte Gemüsearten.

Die Schätzung der bereits eingetretenen und noch eintretenden Verluste hat von den Erträgen des Pflanzenbaues auszugehen. Sie bestehen zur Hauptsache im Ausfall an betriebseigenem Futter und den zwangsläufigen Rückwirkungen auf die tierische Produktion sowie zum kleineren Teil im Ausfall von Erzeugnissen des Ackerbaues, welche für den direkten Verkauf bestimmt sind. Eine Schätzung dieser Verluste muss aber nicht nur die bisher eingetretenen erfassen, sondern auch diejenigen, die auf Grund der jetzigen klimatischen Verhältnisse im Verlaufe des Jahres noch zu erwarten sind. Sehliesslich sind die Folgen für die weitere Zukunft zu würdigen. Selbst bei möglichst vollständiger Erfassung aller Faktoren ist allerdings nur ein schätzungsweiser Überblick möglich. Nachfolgend sind die berechneten Verluste in der Reihenfolge ihrer Grosse aufgezählt, und ani Schluss sind einige Vergleichszahlen für eine Gesamtbeurteilung aufgeführt. Die Ausfälle in der Futterproduktion setzen sich zusammen aus den Verlusten an Grünfutter, am 2. und 3. Dürrfutterschnitt, an Ackerfutter verschiedenster Art, inklusive Silomais, an Futterkartoffeln und Futtergetreide, sodann an Runkeln und den Nebenprodukten des
Zuckerrübenbaues. Im fernem muss sich der Ausfall an Stroh für das Futterbudget insofern ungünstig auswirken, als schon in den letzten Jahren ein immer grösserer Teil" des Strohertrages verfüttert werden musste. Der Schweizerische :Bauernverband hat auf : Grund von Umfragen schon anfangs August den Ausfall an Dürrfutter auf zirka 350 000 t geschätzt.

In verschiedenen Gegenden musste bereits von Ende Juni an neues Heu verfüttert werden. Dort fehlt der Grünfutterertrag von beinahe drei Monaten.

Es gibt Bauernhöfe, die heute schon fast alles Heu verfüttert haben und für den Winter überhaupt über kein Fütter mehr verfügen. Bei den Spätkartoffeln werden die Erträge gegen zirka 200 q im Jahre 1945 kaum 130 q je ha erreichen. Ähnlich steht es mit den Eunkel- und Zuckerrüben. Die Zuckerfabrik

199 Aarberg schätzt die Anlieferungen statt der erwarteten 22 000 auf nur 15 bis 16 000 Wagen. Im Landesdurchschnitt wird der gesamte Ausfall in der Futterproduktion auf mindestens IS % eines Nonnalertrages geschätzt. Da sich die Trockenheitsschäden sehr ungleich auf die verschiedenen Landesgegenden verteilen, variiert auch dieser Prozentsatz sehr stark. Während in den begünstigten Regionen der Ertrag gut war, dürfte der Ausfall in den meistgeschädigten Gebieten auf über 40 % ansteigen. Der Ausfall an Futter wirkt sich zum weit überwiegenden Teil zu ungunsten der Bindviehhaltung, zum kleineren Teil natürlich auch zum Nachteil aller übrigen Tierkategorien aus. Wir gehen wohl nicht fehl, wenn wir annehmen, dass im kommenden Winterhalbjahr die Futtergrundlage fehlt für zirka V« des Eindviehbestandes, d. h. für 200 bis 250 000 Stück Grossvieh, wenn es nicht gelingt, durch entsprechende Importe teilweisen Ersatz zu schaffen. Das heisst natürlich nicht, dass in diesem gewaltigen Ausmass Tiere geschlachtet werden müssen. Der Viehbesitzer tut das möglichste, um durch frühzeitiges Ausmerzen von Tieren, durch namhafte Herabsetzung der Futterrationen und mit Hilfe von Ersatzfutter verschiedenster Art den restlichen Bestand tunlichst lange durchzuhalten. Die Tiere werden dabei abmagern, die Milchleistungen gehen stark zurück, aber man hat so im nächsten Frühjahr, wenn die Grün-Fütterung wieder beginnt, wenigstens noch eine minimale Zahl von Kühen, um den Betrieb weiterzuführen. In diesem Zusammenhang ist auch die Frage berechtigt, in welchem Ausmass die von der Trockenheit betroffenen Landwirte über Vorräte aus frühern Ernten verfügen. Um gelegentliche Missernten auszugleichen, hatten die Bauern normalerweise am Schluss der Winterfütterung immer noch überschüssiges Heu als Notvorrat. Die Verhältnisse während des Krieges und in den letzten Jahren haben aber die meisten Viehbesitzer gezwungen, von diesem Grundsatz abzugehen, weil mit der zunehmenden Ackerfläche die jährlichen Erträge an Dürrfutter immer kleiner wurden. Dazu kamen die Heuablieferungen an die Armee und für den Zivilbedarf, und die Zuteilungen an Kraftfutterrnitteln wurden immer spärlicher. Andererseits galt für den Landwirt die Verpflichtung, möglichst viel zu produzieren und insbesondere auch den Viehbestand nur so weit zu reduzieren, als es im
Rahmen der ihm zur Verfügung stehenden Futtermittel dringend notwendig war. Sodann wurden auch die Importe an Heu und Stroh von Jahr zu Jahr geringer, und sie haben seit Kriegsende den frühern Stand nie wieder erreicht. Irgendwie bemerkenswerte Notvorräte waren daher in den landwirtschaftlichen Betrieben nicht mehr vorhanden. Die Trockenheit trifft deshalb die Landwirtschaft in einem besonders ungünstigen Moment umso mehr als seit Kriegsende aiich noch eine natürliche Tendenz besteht, die Viehbestände nach und nach wiederum aufzubauen, soweit irgendwie Futter beschafft werden kann. Ausserdem ist zu erwähnen, dass sich die Landwirte während der Kriegsjahre mehr und mehr auf den Ackerfutterbau, sei es als Hauptkultur oder als Zwischenkultur, eingestellt haben, so dass der Ausfall an Naturwiesen etwas gemildert werden konnte. Diese an und für sich sehr rationelle Methode des Ausgleichs der Futterbilanz hat nun aber dieses Jahr

200 auch fehlgeschlagen, weil die Einsaaten in reifendes Getreide verdorrten und viele Zwischenfuttersaaten überhaupt nicht aufgingen. Die Auswirkungen werden sich nicht auf das Futterjahr 1947/48 beschränken, sondern während des ganzen Jahres 1948 und noch weiter hinaus sich erstrecken.

Für die Landesversorgung ebenso schmerzlich sind die Verluste an Brotgetreide von schätzungsweise 20 000 t, an Speisekartoffeln im Umfange von zirka 150 000 t und an Zuckerrüben von 60--70 000 t sowie schliesslich an Tausenden von Tonnen Gemüse und Obst. Es ist noch nicht abgeklärt, ob und inwieweit es bei diesen Produkten gelingt, durch vermehrte Importe Ersatz zu schaffen.

2. Die Entwicklung der Schlaclitviehannahmen und der Milcheinlieferungen.

Am deutlichsten kommen die Auswirkungen der Trockenheit in den Schlachtviehannahmen einzelner Kantone zum Ausdruck. Nachstehend lassen wir eine Aufstellung über die Anlieferungen von grossem Schlachtvieh in den von der Trockenheit am meisten heimgesuchten Kantonen folgen. Zum Vergleich führen wir die Zahlen des Jahres 1946 an.

Kantone

Zürich Bern Luzern Freiburg Solothurn Baselland Schaffbausen Aargau Total Schweiz

August 1946

938 1638 663 633 460 193 117 689 7631

August 1947

2488 5078 2920 1189 1741 1188 736 3158 22 225

.

Demnach wurden allein im August 14 594 Stück Grossvieh mehr an die Schlachtbank geüefert als im Vergleichsmonat des Vorjahres.

In einzelnen Bezirken sind die Verhältnisse noch drastischer. Wir zitieren beispielsweise folgende Bezirkszahlen: Andelfingen 104 351 Bülach 116 459 Dielsdorf 140 528 Diessenhofen 17 157 Aarwangen 63 437 Trachselwald 72 469 Diese Zahlen geben ein eindrückliches Bild über die wirklich schlimmen Verhältnisse in den Trockengebieten. Die Anlieferungen in den ersten drei Septemberwochen sind nicht etwa kleiner geworden, und es sind genug Anzeichen vorhanden, dass diese Notverkäufe sich bis in den Winter hinein

201 fortsetzen. EU findet damit ein Verlust an Viohkapital statt, der in seinem Umfang und den Konsequenzen noch gar nicht abgeschätzt werden kann.

Von der Land-Wirtschaft wird der Nutzen der staatlich geordneten Schlachtviehverwertung und der während des Krieges erstellten Kühleinrichtungen für die Fleischeinlagerung allgemein anerkannt. So ist es wenigstens möglich, einen Druck auf die Preise, wie etwa im Trockenjahr 1898, wo der Erlös für Kühe schliesslich nur noch 100 bis 800 Franken betrug, zu vermeiden und das überschüssige Fleisch für die Mangelperiode im kommenden Jahr einzugefrieren.

Etwas weniger drastisch waren bisher die Bückwirkungen auf die Milcheinlieferungen. Anfangs August schätzte das Schweizerische Bauemsekretariat in Erugg den Milchausfall auf 5 bis 6 % gegenüber dem Vorjahr. Im August betrug der Ausfall 4 %, wobei allerdings im Einzugsgebiet des nordwestschweizerischen Milchverbandes Rückgänge bis zu 30 % zu verzeichnen waren.

Seit einigen Wochen wird nun auch die Milchversorgung in zunehmendem Masse beeinträchtigt, so dass eine Eeduktion der Milchration von 11 auf 10 Liter nicht zu vermeiden war. Die Fachleute befürchten einen weitern Abbau auf 8 Liter während der Wintermonate. Gegenüber dem letzten Winter würde dies einem Ausfall von 20 % oder allein für das Winterhalbjahr von über l Million q im Werte von 35 Millionen Franken gleichkommen.

3, Die finanziellen Folgen der Trockenheit.

Ähnlich dem verschiedenen Charakter der mengenmässigen Einbussen bedürfen die finanziellen Verluste der Erörterung nach verschiedenen Richtungen hin. Bei der Prüfung der landwirtschaftlichen Preisbegehren musste unterschieden werden zwischen der Entwicklung der Produktionskosten bei einer Normalernte und den Einwirkungen auf die Produktenpreise infolge der Trockenheit. In bezug auf die Kostensteigerung ohne Einbezug der Dürreschäden kamen verschiedene Expertenberichte, ähnlich wie das Schweizerische Bauemsekretariat, zum Resultat, dass seit 1945 bis heute die Produktionskosten um ca. 11 % gestiegen sind. Noch schwerwiegender für die Kosten sind die Einwirkungen der Trockenschäden, die infolge dor starken regionalen Unterschiede allerdings kein einheitliches Bild ergeben. Eine erste Schätzung dieser Verluste kam» so gemacht werden, dass der gesamte Ausfall an Produkten mit normalen Produzentenpreisen bewertet wird. Man dürfte so auf einen Betrag von über 200 Millionen Franken kommen. Man kann diese Berechnungsart ala den volkswirtschaftlichen Schaden infolge Trockenheit bezeichnen. Vom Standpunkt der landwirtschaftlichen Betriebe aus gesehen sind einige weitere Feststellungen zu machen. Nicht der Gesamtbetrag der ausfallenden Güter ist für die Betriebe als Verlust zu bezeichnen. In einem gewissen Umfang sind durch die Einwirkungen der Trockenheit auch die absoluten Produktionskosten etwas reduziert worden. Da aber im Landwirtschaftsbetrieb der Anteil der sogenannten stabilen Kosten an den gesamten Kosten zwischen l/z und a /s schwankt, d. h. verhältnismässig hoch ist, sind die Einsparungen, zum Bei-

202 spiel infolge geringerer Erntearbeiten nicht gross. Sie werden übrigens zur Hauptsache durch die Mehrarbeit bei der umständlich gewordenen Fütterung aufgewogen. Der grössere Teil des obengenannten Betrages muss deshalb als Einbusse am landwirtschaftlichen Einkommen der betroffenen Landwirte bezeichnet werden. Damit sind aber die finanziellen Folgen nicht erschöpfend aufgezählt.

Bei der Reduktion der "Viehbestände muss eine grosse Anzahl von Tieren als Schlachtvieh zu einem Erlös verkauft werden, der nur die Hälfte oder höchstens bis a/s des Nutzwertes ausmacht. Wenn beispielsweise 50000 Tiere vorzeitig ausgemerzt werden, dürften Gesamtverluste entstehen von 30--45 Millionen Franken. Im nächsten Jahr werden sich die finanziellen Folgen der Trockenheit weiterhin fühlbar machen in relativ hohen Preisen für die Wiederbeschaffung von Nutzvieh und in zusätzlichen Kosten für die Bearbeitung der Felder.

Mehrere Tausend Hektaren Kleegraswiesen, die in diesem Jahr neu angelegt wurden, sind verdorrt und werden im nächsten Frühjahr nochmals angesät werden müssen. Auch mit "einer teilweisen Neubestellung von Naturwiesen im Dürregebiet ist zu rechnen. Es ist auch zu erwarten, dass in diesem Herbst die Äcker für Wintersaaten nicht im vorgesehenen Ausmass bestellt werden können. Dies ist jetzt schon der Fall für Winterraps und Futtermischangen für die Frühjahrsernte und dürfte auch für Wintergerste und -roggen in einem gewissen Umfang eintreten. Daraus sind Mindererträge auch für das nächste Jahr zu erwarten.

Aus diesen Angaben ist zu schliessen, dass für die betroffenen Landwirte die finanziellen Verluste infolge Trockenheit im gesamten-auf über 200 Millionen Franken geschätzt werden müssen. Ein wichtiger Verlustposten ist dabei nicht einmal in begriff en, nämlich die schlechtere Ausnützung der Produktionsmittel, insbesondere der vorhandenen Einrichtungen und Arbeitskräfte während des Winters. Man zieht daher da und dort bereits Massnahmen im Sinne der Beschaffung von zusätzlicher Arbeit für die angestammten landwirtschaftlichen Arbeitskräfte in Erwägung,

m. Die Möglichkeiten der Hilfe für die Trockengebiete.

1. Allgemeines.

Die Überlegungen, die den Bundesrat veranlassen, besondere Hilfsmassnahmen für die Trockengebiote vorzuschlagen, sind verschiedener Natur. Im . Vordergrund steht das Gebot der freundeidgenössischen Hilfeleistung an die in Not geratenen Bauern und ihre Familien, welche durch nicht abwendbare schwerwiegende Naturereignisse, wie sie seit Menschengedenken nicht mehr vorgekommen sind, in ihrer Existenz bedroht sind. Hier gilt es für den Staat, im Rahmen seiner Möglichkeiten, die Pflicht der gegenseitigen Unterstützung zu erfüllen. Sodann liegt dieser Hilfe ein grosses volkswirtschaftliches Interesse zugrunde. Unsere Versorgungslage erfordert nach wie vor den vollen Einsatz unserer Landwirtschaft, um das Maximum an Nahrungsmitteln zu erzeugen.

Die Konferenz berichte der Internationalen Ernährungs- und Landwirtschafts-

203 organisation der Vereinigten Nationen in Genf zeigen mit aller Deutlichkeit, wie kritisch die Situation für wichtige Nahrungsmittel geworden ist. Auch die Preisentwicklung auf dem internationalen Nahrungsmittelmarkt, die zum Teil noch nie erreichte Ansätze auf weist, gibt ein deutliches Bild von der gegenwärtigen Lage. Es gilt somit, den Trockengebieten unseres Landes diejenige Hilfe zukommen zu lassen, welche geeignet ist, den Produktionsrückfall im kommenden Winter und in den nächsten Jahren tunlichst zu begrenzen. Es soll den betroffenen Landwirten und ihren Familien in erster Linie ermöglicht werden, die Produktionskraft ihrer Betriebe zu erhalten und damit ihre Existenz zu wahren. Damit steht die Beschaffung von Futtermitteln eindeutig im Vordergrund.

2. Bisherige Vorkehren.

Bereits im Verlaufe des Monats August sind die kantonalen Zentralstellen für Ackerbau beauftragt worden, den sich in Futtemot befindenden Landwirten aus den bisherigen kantonalen Eeserven Kraftfutter zuzuteilen. Als weitere Hilfe wurden von Ende August an den Trockengebieten 28 000 Tonnen Kraftfutter, bestehend aus Mais, Kleie und Ölkuchen, zur Verfügung gestellt. Diese sofortige Hilfe wirkte zweifellos beruhigend. Gleichzeitig wurde auch eine Abgrenzung der durch die Trockenheit in besondere Mitleidenschaft gezogenen Gebiete vorgenommen. Um den verschiedenen Trockenheitsstufen mehr oder weniger gerecht zu werden, wurden die kantonalen Zentralstellen für Ackerbau ersucht, drei verschiedene Zonen auszuscheiden. In die Zone mit günstigen bis normalen Futterverhältnissen wurden Gebiete eingereiht, in denen sowohl die Heu- als auch die Emdernte bedriedigende Erträge abwarfen und so auch während des ganzen Sommers genügend Grünfutter vorhanden war.

Zu dieser Zone kann das ganze Voralpen- und das vorgelagerte Berggebiet, mit Ausnahme des untern Engadins und des Prättigaus, gezählt werden. Dazu gehören auch die Jurahöhen von den Freibergen Richtung Genf.

Gebiete mit offensichtlicher, aber nicht sehr schwerwiegender Trockenheit wurden in die zweite Zone eingereiht. In diesen Gegenden konnte bis anfangs August, oft allerdings nur unter erschwerten Verhältnissen, die Grünfütterung aufrechterhalten werden. Im allgemeinen konnte auch noch etwas Emd eingebracht werden, und erst im Verlaufe des Monats August hat sich die
eigentliche Trockenheit stärker ausgewirkt und die Landwirte zur Verfütterung von Heu oder Silage gezwungen. In diese Zwischenzone fallen grosse Gebiete der Westschweiz und das den Alpen unmittelbar vorgelagerte Mittelland.

Das eigentliche Dürregebiet ist gekennzeichnet durch die Tatsache, dass nach der Heuernte der Graswuchs sehr spärlich wurde und bereits gegen Ende Juni mit der Verfütterung von neuem Heu begonnen werden musate.

Nur vorübergehend war es im Monat Juli möglich, etwas Gras einzubringen.

Auch die nach den Frühkartoffeln und auf die abgeernteten Getreideäcker ausgesäten Zwischenfutterpflanzen vermochten infolge der Trockenheit nicht aufzugehen. Selbst der als trockenheitsresistent geltende Mais wurde stark

204 in Mitleidenschaft gezogen. Emd konnte keines eingebracht werden. Das eigentliche Dürregebiet ist weiter durch massivere Anfuhren auf die Schlachtviehannahmen und durch den raschen Rückgang der Milcheinlieferungen gekennzeichnet. Zu dieser Zone gehören die Kantone Basel-Stadt, Basel-Land, Solothurn, Aargaù, Schaffhausen und Teile der Kantone Graubünden, Zürich, Thurgau, Bern, Luzern, Neuenburg, Freiburg, Waadt und Wallis.

Einer Erhebung, die die Abteilung für Landwirtschaft anfangs September : durchführte, kann entnommen werden, dass von den insgesamt 821 895 Milchkühen (Zahlung April 1947) sich in den ausgesprochenen Dürregebieten rund 250 000 Milchkühe befinden und in den Trockengebieten ca. 800 000 Stück.

Es muss angenommen werden, dass ca. % des Tierbestandes unter Futtermangel leiden.

Die Abteilung für Landwirtschaft hat in einem Kreisschreiben vom 28. August 1947 die kantonalen Laridwirtschaftsbehörden ersucht, eine Eeihe von Massnahmen zur Milderung der Trockenheitsschäden durchzuführen. So war es möglich, aus mehreren Kantonen Vieh in Gebiete, die von der Trockenheit nicht heimgesucht wurden, zu verstellen. Durch eine Verfügung des eidgenössischen Volkswirtschaftsdepartements vom 22. August hat sich der Bund bereit erklärt, im Eahmen der Kredite an diese Aktion Frachtvorbilh'gungsbeiträge unter Beteiligung der Kantone auszurichten.

Die kantonalen Landwirtschaftsbehörden wurden eingeladen, in einem öffentlichen Aufruf die Alpbesitzer zu ersuchen, die üblichen Sömmerungszeiten soweit wie irgendwie möglich zu verlängern. Die andauernde warme Witterung erleichtert teilweise diese Massnahrne, während sie nicht selten wegen Versiegens der Alpbrunnen erschwert wird. Die Bergbauern wurden ferner ersucht, Sömmerungsvieh auch während der Herbst- und Wintermonate zu behalten.

Mit der Zuckerfabrik Aarberg ist vereinbart worden, dass sie auf Gesuch hin den sich in Futternot befindlichen Eübenpflanzern bei Ablieferung der vertragsrnässig angebauten Eüben weitgehend entgegenkommt.

Weiter wurde empfohlen, die Eeduktion der Viehbestände, die aus der Futternot zwangsmässig resultiert, mit einer gesundheitlichen Sanierung durch Ausmerzung vorab der tuberkulösen Tiere zu verbinden. Wünschenswert wäre es auch, wenn die Ausmerzung kranker und anderer minderwertiger Tiere ebenfalls in den von der Dürre
nicht heimgesuchten Landesgegenden durchgeführt würde. Diese Erneuerung des Viehbestandes würde die Produktionskraft der Landwirtschaft wesentlich heben, wenn die durch diese Aktion entstehenden Lücken durch Zukauf leistungsfähiger Tiere aus den Dürregebieten aufgefüllt werden könnten.

Diese Sanierung des schweizerischen Viehbestandes würde sich ohne Zweifel zum Vorteil der gesamten Volkswirtschaft auswirken.

Mit Verfügung vom 10. September 1947 der Abteilung für Landwirtschaft des eidgenössischen Volkswirtsohaftsdepartements wurden Abgabe und Bezug von inländischem Heu und Emd der Bewilligungspflicht unterstellt. Die für

205 den Verkauf verfügbaren Heu- und Emdvorräte sind von den Besitzern der Gemeindeackerbaustelle anzumelden. Die verkäuflichen Vorräte stehen vorab für die Befriedigung allfälliger Bedürfnisse in der Gemeinde zur Verfügung, während grössere Überschüsse einer vom Kanton zu bezeichnenden Amtsstelle zu melden sind. Durch den Kanton nicht benötigte Vorräte sind der Abteilung für Landwirtschaft für ausserkantonale Bedürfnisse zur Verfügung zu halten. Die kantonalen Regierungen wurden ermächtigt, Dürrfuttervorräte, soweit sie über den normalen und notwendigen Bedarf eines Betriebes hinaus^ gehen, ablieferungspflichtig zu erklären und Vorschriften betreffend die Übernahme der bezüglichen Mengen zu erlassen. Für Heu und Emd wurden Höchstpreise festgesetzt.

Diese Massnahmen waren sehr umstritten, und es wurde insbesondere bemerkt, man sei damit zu spät gekommen. Dabei darf man aber nicht vergessen, dass der kriegswirtschaftliche Apparat für die Heu- und Strohversorgung längstens liquidiert war, und man keine Mögüchkeit hatte, unvermittelt und ohne Vorbereitung in den Kantonen und Gemeinden tiefgreifende Vorschriften Die eidgenössische Alkoholverwaltung hat in Zusammenarbeit mit den beteiligten Organisationen die Verwendung von ca. 5000 Wagen Mostbirnen und ebenfalls grösseren Mengen von Obsttrestern für die Viehfütterung in den Trockengebieten an die Hand genommen und durch Übernahme von Frachtzuschüssen den Zukauf wesentlich erleichtert.

3. Das Hauptprogramm für die Hilfsaktionen.

D ü r r f u t t e r : Da der grösste Ausfall an Eauhfutter entstanden ist, musste das Hauptaugenmerk von Anfang an auf die Einfuhr von Heu, Emd und Futterstroh gerichtet werden. Nun stösst aber der traditionelle Import von Eauhfutter aus den europäischen Ländern dieses Jahr auf ausserordentliche, fast unüberwindliche Schwierigkeiten. Sie sind darauf zurückzuführen, dass in den betreffenden Ländern gleich wie bei uns eine grosse Trockenheit herrscht. Die Folge davon ist, dass entweder die Preise für Eauhfutter und Stroh eine prohibitive Höhe erreicht haben oder in den meisten Fällen überhaupt keine Ausfuhrbewilhgungen erhältlich sind. Nur in Ausnahmefällen können unbedeutende Mengen an Eauhfutter gekauft werden. Einige tausend Tonnen Hessen sich aus den letztjährigen Verträgen realisieren. Auch für Importe von Stroh sind die
Aussichten ungünstig. Seit längerer Zeit waren deshalb die Anstrengungen auf den Bezug von Eauhfutter aus überseeischen Ländern, nämlich Kanada und USA., gerichtet. Käufe von mehreren tausend Tonnen sind bereits getätigt worden, und wir hoffen, auf ein Quantum von 20--30000 Tonnen rechnen zu können, wobei aber die Transporte grosse Schwierigkeiten bieten.

Auf Grund der wieder eingeführten Vorschriften für die Bewirtschaftung von Heu und Emd ist eine Zuteilung des importierten Eauhfutters in erster Bundesblatt.

99. Jahrg. Bd. in.

15

206 Linie an die Trockengebiete vorgesehen. In Verbindung damit beabsichtigen wir eine Verbilligung des abgegebenen Rauhfutters auf einen für die Bezüger tragbaren Preis. Dieser dürfte franko Empfangsstation zwischen Fr. 20 und Fr. 25 je 100 kg zu stehen kommen. Je nach den Einstandspreisen rechnen wir dabei mit einer Verbilligung je 100 kg von ungefähr Fr. 16. Eine Verbilligung des Strohes ist vorderhand nicht beabsichtigt, wegen des geringen Futterwertes bzw. weil e s vorteilhafter ist, d i e Kredite f ü r hochwertigere Futtermittel K r a f t f u t t e r : Von mindestens ebenso grosser Bedeutung ist die Bes c h a f f u n g von K r a f t f u t t e r . Seit Monaten hat sich die schweizerische Genossenschaft für Getreide und Futtermittel (GGF) bemüht, die Zufuhren zu vergrössern, und es ist ihr dank der Anstrengungen tatsächlich auch gelungen, so viel Futter hereinzubringen, dass nicht nur die erwähnte Sonderzuteilung von 23 000 Tonnen, sondern auch die Boreitstellung von ca. 180 000 Tonnen auf den 1. Oktober nächsthin möglich war. Davon werden 80 000 Tonnen für die Milchkühe in den Dürregebieten und 50 000 t für die übliche Zuteilung an die übrigen Tierkategorien ausgeschieden. Die Vorbereitungen für die Verteilung des Kraftfutters sind soweit abgeschlossen, dass zu Beginn des Monats Oktober je Milchkuh in den eigentlichen Dürregebieten 2 q Kraftfutter und in den Trockengebieten l q Kraftfutter abgegeben werden können. Diese Menge Kraftfutter hat auszureichen für die Dauer von 8% Monaten. In Fortsetzung dieser Hilfsaktion ist den Landwirten von Mitte Januar 1948 bis zum Eintritt der Grünfütterung eine ungefähr gleich grosse Menge Kraftfutter zur Verfügung zu stellen. Die GGF hofft, bis dahin die nötigen Mengen hereinzubringen, so dass für die Kühe in den Trockengebieten im ganzen 160 000 Tonnen Kraftfutter zur Verfügung gestellt werden können. Je nach den Import. möglichkeiten wird dieses Kraftfutter voraussichtlich aus Mais, Hafer, Hirse und Ölkuchen bestehen. Nährstoffmässig entspricht dies einem Quantum von über 800 000 Tonnen Heu.

In Anbetracht der Notlage, in die zahlreiche Landwirte durch den Produktionsausfall geraten sind, ist es unerlässlich, das Kraftfutter stark zu verbilligen, da sie sonst den Schaden doppelt tragen müssten, einmal für das nichtgewachsene Rauhfutter und sodann durch
den Zukauf von teurem Kraftfutter.

Die Verbilligung muss sich auf die gesamten 160000 Tonnen erstrecken.

Die folgende Tabelle gibt einen Überblick über die Einstandspreise der Kraftfuttermittel und die sich aus der bisherigen Verbilligungsaktion ergebenden Abgabepreise an die Verbraucher.

Hafer Fr.

Mais Fr.

Einstandspreis der GGF 66.50 66.50 Übliche Verbilligung durch den Bund. . 27.-- 25.-- Abgabepreis an den Importeur 89.50 41.50 Handelsmarge.

3.50 3.50 Abgabepreis an Verbraucher . ; . . . . 48.-- 45.-

Hirse Leinkuchen Fr.

Fr.

56.-- 16.50 89.50 3.50 43.--

60.-- 14.-- 46.-- 8.50 49.50

207 Die vorgenannten Abgabepreise von ca. Fr. 45 sind für die Trockengebiete offensichtlich zu hoch. Wir betrachten eine weitere Verbilligung im Ausmasse von ca. Fr. 15 als unerlässlioh. Im eigenen Heu kostet die Stärkeeinheit ca. 43 Eappen, was einem Preis für Hafer von ca. Fr. 26, für Mais von ca. Fr. 88 entspricht. Mit Hilfe der zusätzlichen Verbilligung wird .sich z. B. für Mais ein Verbraucherpreis von Fr, 30 ergeben. Der Gesamtaufwand für die Kraftfutterverbilligung setzt sich wie folgt zusammen: Übliche Verbilligung: 60000 t zu Lasten des Budgetkredites 1947 100 000 t à Fr. 22 pro q 22 Millionen Franken Ausserordentliche Verbilligung:

160000 t à Fr. 15 pro q 24 » ».

Total 46 Millionen Franken

Wiederbeschaffung von N ü t z v i e h : Den früheren Darlegungen ist zu entnehmen, dass allein ini Monat August 1947 14 594 Stück Rindvieh mehr als im gleichen Monat des Vorjahres zur Schlachtbank geführt wurden. Es wird sich darum handeln, dieEeduktion des Viehbestandes im Frühjahr und Herbst 1948 durch den Ankauf von Bergvieh auszugleichen. Der im Mittelland bestehende Mangel an Vieh wird sich auf den Absatz der Tiere aus den Zuchtgebieten, in den Berggegenden günstig auswirken. Es ist aber zu befürchten, dass viele Landwirte im Flachland das nächste Jahr kaum die Mittel haben werden, um leistungsfähiges Vieh zu kaufen. Auch hier dürfte es Sache der Öffentlichkeit sein, zu helfen.

Bei dieser Hilfsaktion wird am zweckmässigsten auf die Vermögenslage der Landwirte abgestellt. In Anbetracht der grössen Verluste, die der einzelne Landwirt in Kauf nehmen muss,- darf der Kreis der in den Genuss der Verbilligungsaktion kommenden Landwirte nicht allzu eng gezogen werden, damit das Produktionspotential des schweizerischen Eindviehbestandes weitgehend gehalten werden kann. So dürfte es zweckmässig sein, nicht nur sämtliche der Wehrsteuerpflicht nicht unterworfenen Landwirte zu berücksichtigen, sondern auch Bauern in den Genuss der Verbilligungsaktion kommen zu lassen, die in einem bescheidenen Ausmasse wehrsteuerpflichtig sind.

Erfahrungsgemass können im Frühjahr hochträchtige Binder und junge Kühe nur zu steigenden Preisen erworben werden. Es ist damit zu rechnen, dass die Nachfrage durch das Angebot nicht gedeckt werden kann, da im allgemeinen den Bergbauem im Sommer genügend Alpungsgelegenheiten zur Verfügung stehen. Die Tiereigentümer wollen auch die günstigeren Produktionsbedingungen für Milch während der Sommermonate ausnützen. Im Herbst gelingt es eher, die Tiere bei weichenden Preisen zu erwerben. So wird es richtig sein, die Verbilligüngsaktion auch auf den Herbst 1948, eventuell Herbst 1949, auszudehnen.. Bei der Durchführung dieser Verbilligungsaktion muss aber darauf geachtet werden, dass die Beiträge nicht dem Handel zukommen> sondern tatsächlich/der Erwerber in den Genuss der öffentlichen Hilfe gelangt.

208 Da diese Hilfsaktion individuellen Charakter trägt, ist die Mitwirkung der Kantone unerlässlich.

Saatgut: Alljährlich müssen im Fruchtwechsel neue Kleegrasäoker im Ausmass von etwa 80--40 000 ha angesät werden. Wegen der Dürre sind viele der diesjährigen Ansaaten zerstört worden, und es ist in den am meisten geschädigten Gebieten damit zu rechnen, dass im nächsten Frühjahr über die normalen Ansaaten hinaus zusätzlich einige tausend Hektaren bestellt werden müssen. Es ist auch zu erwarten, dass geschädigte Wiesenanlagen umgebrochen und mit Ackerkulturen ohne Neueinsaat bebaut werden müssen. Es ist daher zu prüfen, ob an kapitalschwache Landwirte ein Beitrag an die Saatgutkosten gewährt werden soll.

Sanierung der Viehbestände: Wenn schon zahlreiche Tiere mangels Futters ausgemerzt werden müssen, ist es zweckmässig, wenn damit,zugleich eine gesundheitliche Säuberung verbunden wird. Es soll daher einer grösseren Zahl von Viehbesitzern Gelegenheit gegeben werden, ihre Bestände dem staatlichen Tuberkulosebekämpfungsverfahren anzuschliessen, wofür die Organisation in allen Kantonen schon vorhanden ist. Wenn bis jetzt eine umfassendere Aktion nicht möglich war, so ist dies auf die beschränkten Kredite bei Bund und Kantonen zurückzuführen. Die zusätzlichen Mittel sollen nicht nur den spezifischen Trockengebieten, sondern auch den bergbäuerlichen Züchtern zugute kommen, weil diese zufolge sehr ungenügenden Viehabsatzes nach dem Unterland auch in Bedrängnis kommen.

Weitere Entlastungen : Neben den Hilfen, die eine Förderung der Produktion bezwecken, sollen auch Entlastungen auf dem Gebiete der finanziellen Verpflichtungen der in Not geratenen Landwirte geprüft werden. Bereits ist den Landwirten in den Trockengebieten zugesichert worden, daes sie während einer befristeten Zeit von den Leistungen an die Lohn- und Verdienstersatzordnung befreit sind. Eine nachhaltige Entlastung würde durch eine Reduktion der kantonalen Steuein erreicht. Auch sollten die Hypothekargläubiger eingeladen werden, in Härtefällen ihren Schuldnern entgegenzukommen und insbesondere kapitalschwachen, durch die Dürre in finanzielle Not geratenen Landwirten, einen angemessenen Zinsnachlass zu bewilligen.

Viele Bergbauern wären in der Lage, eine grössere Viehzahl zu überwintern, wenn man ihnen einen Überbrückungskredit zur Erfüllung
der laufenden Verpflichtungen gewähren könnte. Es ist den Kantonen zu empfehlen, unter Mitwirkung der öffentlichen Kreditinstitute und eventuell der Bauernhilfskassen, dazu die entsprechenden Voraussetzungen zu schaffen, damit ein tunlichst grosser Viehbestand erhalten werden kann.

Pächter von landwirtschaftlichen Grundstücken können laut Art. 287 des Obhgationenrechtes einen verhältnismässigen Naohlass vom Pachtzins fordern, wenn der gewöhnliche Ertrag infolge von ausserordentlichen Unglüoksfällen oder Naturereignissen einen beträchtlichen Abbruch erlitten hat. Die kata-

209 strophale Dürre dieses Jahres gehört zweifellos zu den Naturereignissen, an die der Gesetzgeber gedacht hat.

4. Überblick über die Kosten des gesamten Hilfsprogrammes.

Die vorgesehenen Hilfsaktionen dürften einen Kostenaufwand von zirka 60 Millionen Franken erfordern, wovon allein, wie bereits bemerkt, etwa 46 Millionen Pranken auf die Verbilligung des Kraftfutters entfallen werden.

Der Bundesrat gibt sich darüber Rechenschaft, dass die vorgeschlagenen Massnahmen eine neue schwere Belastung für die Bundesfinanzen darstellen, wodurch der eben erst erreichte Rechnungsausgleich erneut in Frage gestellt und die Ausgangslage für die Bundesfmanzrefonn wiederum erschwert wird. Indessen handelt es sich hier um eine einmalige und ganz besondere Notlage unserer Landwirtschaft, die durch ihre gewaltige Anstrengung in den Kriegsjahren wesentlich dazu beigetragen hat, dem Lande das Durchhalten durch eine der schwersten Epochen unserer Geschichte zu ermöglichen. Der Bundesrat glaubt deshalb im Sinne des Schweizervolkes zu handeln, wenn er die finanzpolitischen Bedenken für einmal zurückstellt und von Deckungsmassnahmen absieht, um eine rasche umfassende Hilfe in die Wege zu leiten.

Anders hegen die Dinge, wenn der Bund neuerdings Mittel für die Verbilligung von Nahrungsmitteln bereitstellen muss. Angesichts der grossen Defizite und ausserordentlichen Massnahmen, die während der Kriegsjahre in Kauf genommen werden mussten, spielte damals die Deckungsfrage keine entscheidende Bolle. Heute, 2 % Jahre nach Kriegsende und unmittelbar vor der Inangriffnahme der Bundesfmanzrefonn, liegen die Dinge wesentlich anders. Wenn heute statt des erwarteten Abbaues eine abermalige Verbilligungsaktion notwendig werden sollte, um die Lohn/Preis-Spirale zu verlangsamen, so ist dafür unbedingt eine zusätzliche Deckung zu suchen. Diese Forderung drängt sich aus konjunkturpolitischen Überlegungen auf, da vermehrte Staatsausgaben, besonders wenn sie zu Defiziten führen, die Kaufkraft vermehren und so ein inflatorisches Moment enhalten, das die Wirkung der Verbilligungsaktion, wenigstens teilweise, nieder paralysieren müsste. Sollte zur teilweisen Abwendung der zurzeit aktuellen Preiserhöhungen nochmals eine Leistung des Bundes in Aussicht genommen werden müssen, so wird der Bundesrat deshalb nicht darum herumkommen, dem Parlament
entsprechende Deckungsmassnahmen vorzuschlagen.

Angesichts der prekären Finanzlage des Bundes und weil es nicht möglich war, für die notwendigen Kredite jetzt schon eine neue Finanzquelle zu schaffen, und es ebenso wenig feststeht, ob dies in weiterer Zukunft möglich sein wird, kann auf die tatkräftige Mithilfe der Kantone nicht verzichtet werden. Von den Gesamtleistungen sollen der Bund 2/3, die Kantone 1/3 auf bringen. Es wurde die Frage geprüft, ob den Kantonsregierungen vom Bund aus die Kompetenz gegeben werden sollte, die kantonalen Kreditanteile aus eigener Befugnis zu bewilligen. Dies würde aber einen starken Eingriff in die_ verfassungsmässige Ordnung bedeuten, die trotz der Dringlichkeit nicht zu verantworten ist.

210 Wir dürfen annehmen, dass sowohl die kantonalen Parlamente und im Falle von Abstimmungen auch eine Mehrheit des Volkes den Kreditbegehren zustimmen werden, nachdem weiteste Kreise in sehr anerkennenswerter Weise der besonderen Sympathie zu den durch die Dürre geschädigten Landwirten und der Bereitwilligkeit zu einer ausserordentlichen finanziellen Hilfe Ausdruck gegeben haben.

'· ·· : IV. Die einzelnen Bestimmungen des Bundesbeschlusses.

Mit der Vorlage über ausserordentliche Massnahmen zur Milderung der Notlage in den Trockengebieten soll den in Schwierigkeiten geratenen Landwirten nachhaltend geholfen werden. Dazu muss die Hilfe einen ausserordentlichen Umfang annehmen. Dies kann nur durch eine aktive Beteiligung des Bundes und, unter seiner Führung, in Zusammenarbeit mit den Kantonen erreicht werden.

: Wir gestatten uns> zu den einzelnen Bestimmungen des Entwurfes noch folgende Erläuterungen anzubringen: Art. 1: Dieser Artikel umschreibt die allgemeinen Voraussetzungen, unter denen der Bundesrat ermächtigt und beauftragt wird, Landwirten, die infolge der langanhaltenden Trockenheit in Not geraten sind, eine ausserordentliche Hilfe zu gewähren. Die Notlage muse aber auf die abnormalen Witterungsverhältnisse während des Jahres 1947 zurückzuführen sein.

Art. 2: In diesem Artikel sind die in Frage kommenden Hilfeleistungen aufgezählt. Zweck der Leistungen ist die Erhaltung einer möglichst grossen Produktionskraft der von der Trockenheit betroffenen Betriebe. In erster Linie kommt die Einfuhr grosser Mengen, von Futtermitteln und deren Abgabe zu stark verbilligten Preisen an die von der Futternot betroffenen Tierhalter in Frage. Finanziell weniger weittragend sind die Beiträge an die Frachtkosten für das Verstellen von Vieh. Die seit Jahren eingeführten Bekämpfungsmassnahmen der Kindertuberkulose sollen bei der Ausmerzung von Tieren in den Trockengebieten nachhaltig gefördert werden. Für die Wiederbeschaffung von Bindern und Kühen sind Beiträge an kapitalschwache Landwirte, die nicht wehrsteuerpflichtig sind oder der Wehrsteuer nur in bescheidenem Ausmasse unterworfen sind, vorgesehen. Allfällige weitere Hilfeleistungen kann der Bundesrat im Rahmen des verfügbaren Kredites von sich aus anordnen.

Bei allen diesen Massnahmen sind die Leistungen nach der Schwere der Notlage in den Trockengebieten
zu bemessen.

Art. 3: Nach dem aufgestellten; Voranschlag ergibt sich, dass für die Durchführung der vorgesehenen Leistungen ein Bundeskredit von 40 Millionen Franken notwendig sein wird. Dabei wird von der Voraussetzung ausgegangen, dass die Kantone darüber hinaus 20 Millionen aufbringen. Für die einzelnen Hilfsaktionen müssen ungefähr folgende Aufwendungen in Aussicht genommen werden: ' .

.

, .

211 Verbilligung von Kraftfutter 46 Millionen . Verbilligung von Heu 5 » Beiträge an Wiederzukäufe von Bindern und Kühen 5 » Andere Zuwendungen 4 » Die Durchführung des Beschlusses sollte Ende 1948 zur Hauptsache und 1949 vollständig abgeschlossen seih. In die zweite Serie der Nachtragskredite ist der im laufenden Jahr benötigte Betrag einzusetzen. Die übrigen Beträge werden in die Voranschläge der Jahre 1948 und 1949 aufgenommen. Die Frage der Beschaffung der finanziellen Mittel bildete Gegenstand eingehender Untersuchungen. Angesichts der dringlichen und ausserordentlichen Hilfe war es indessen noch nicht möglich, eine neue bedeutende Finanzquelle zu schaffen.

Der Bundesrat wird aber beauftragt, den eidgenössischen Räten Bericht zu erstatten über die Möglichkeiten zu einer späteren vollen oder teilweisen Deckung des Kreditbedarfes.

Art. 4: Die Leistungen des Bundes erfolgen nur unter der ausdrücklichen Voraussetzung, dass die Kantone für den gleichen Zweck Beiträge in der Hohe von mindestens der Hälfte der Bundesleistung ausrichten. Im Sinne einer Ausnahme werden Beiträge von Gemeinden, Korporationen sowie von landund milchwirtschaftlichen Organisationen als Kantonsleistungen angerechnet.

Gesamthaft entfallen auf die Kantone somit 20 Millionen. In einer Vollziehungsverordnung werden die Einzelheiten der Beteiligung der Kantone geordnet.

In Art. 5 wird die strafrechtliche Verfolgung der an der Durchführung dieses Beschlusses Beteiligten, die vorsätzlich durch unwahre oder unvollständige Angaben Leistungen erwirken oder zu erwirken suchen, geregelt.

Art. 6: Zu Unrecht bezogene Leistungen können zurückgefordert werden.

Art. 7: Die Ausführungsbestimmungen zu diesem Beschluss erlasst der Bundesrat. Er wird jährlich in seinem Geschäftsbericht über die Durchführung dieses Beschlusses Rechenschaft ablegen.

Art. 8: Der Beschluss ist allgemeinverbindlicher Natur und als dringlich zu erklären.

Wir beantragen Ihnen die Annahme des beihegenden Beschlussesentwurfes und bitten Sie, hochgeehrter Herr Präsident, sehr geehrte Herren, den Ausdruck unserer vorzüglichen Hochachtung zu genehmigen.

Bern, den 26. September 1947.

Im Namen des Schweiz. Bundesrates, Der V i z e p r ä s i d e n t : Cello.

Der Bundeskanzler: Leimgruber.

212 (Entwurf.)

Bundesbeschluss über

ausserordentliche Massnahmen zur Milderung der Notlage in den Trockengebieten.

Die Bundesversammlung der schweizerischen Eidgenossenschaft, gestützt auf Art. 31bis, 32 und 64bis der Bundesverfassung; nach Einsicht in eine Botschaft des Bundesrates vom 26. September 1947,

beschliesst: Art.1.

Der Bundesrat wird ermächtigt und beauftragt, zur Milderung der infolge der anhaltenden Trockenheit entstandenen Notlage den Landwirten in den Trockengebieten in den Jahren 1947, und 1948 im Eahmen der verfügbaren Kredite eine ausserordentliche Hilfe zu gewähren.

Die Zuwendungen sind grundsätzlich nach der Schwere der Notlage in den Trockengebieten zu bemessen.

Art. 2, Als Hilfeleistungen kommen insbesondere Massnahmen in Betracht, die zur Erhaltung der Produktionskraft der betroffenen Betriebe beitragen, wie: a. Einfuhr zusätzlicher Mengen von Futtermitteln und deren Zuteilung zu stark verbilligten Preisen an die in Futternot befindlichen Viehbesitzer; b. Ausrichtung von Beiträgen an die Frachtkosten für das Verstellen von Vieh aus den Trockengebieten in Gegenden mit besseren Futterverhältnissen; c. Für die Förderung der Ausmerzung tuberkulöser Tiere finden die Bundesratsbeschlüsse vom 27. Januar 1942 und 20. Dezember 1946 über die Bekämpfung der Bindertuberkulose Anwendung;

213

d. Ausrichtung von Beiträgen an Landwirte, die nicht über genügende Mittel verfügen und die einen Teil ihres Kindviehbestandes wegen Futtermangels vorzeitig abstossen mussten, für den Wiederzukauf von Bindern und Kühen.

Art. 8.

Zur Durchführung dieses Beschlusses wird dem Bundesrat ein Kredit von 40 Millionen Pranken eröffnet.

Die Hilfsmassnahmen sollen Ende 1948 im wesentlichen abgeschlossen sein. Der für das Jahr 1947 notwendige Betrag ist in die zweite Serie der Nachtragskredite und derjenige für das Jahr 1948, eventuell 1949, in die Voranschläge des Bundes aufzunehmen.

Der Bundesrat wird beauftragt, den eidgenössischen Bäten Bericht zu erstatten über die Möglichkeiten zu einer späteren vollen oder teilweisen Deckung des Kreditbedarfes.

Art. 4.

Die Leistungen des Bundes erfolgen in jedem einzelnen Fall sobald auch die Kantone für den gleichen Zweck Beiträge in der Höhe von mindestens der Hälfte der Bundesleistung ausrichten. Beiträge von Gemeinden, Korporationen sowie von land- und milchwirtschaftlichen Organisationen werden als Kantonsleistungen angerechnet.

Die weiteren Einzelheiten der Beteiligung der Kantone wird der Bundesrat im Einverständnis mit ihnen in den Vollzugsvorschriften zu diesem Beschlüsse regeln.

Art. 5.

Wer vorsätzlich durch unwahre oder unvollständige Angaben für sich oder einen andern Leistungen im Sinne dieses Beschlusses erwirkt oder zu erwirken sucht, wird mit Gefängnis bis zu 8 Monaten oder mit Busse bis zu Fr. 5000 bestraft. Verfolgung und Beurteilung liegen den Kantonen ob.

Art. 6.

Zu Unrecht bezogene Leistungen oder empfangene Vergünstigungen sind zurückzuerstatten. Ebenso sind Leistungen oder Vergünstigungen, die zu bestimmten Zwecken gewährt worden sind, ganz oder zum Teil zurückzuerstatten, wenn die Voraussetzungen, unter denen die Leistung oder Vergünstigung zugebilligt wurde, nachträglich dahingefallen sind und der Begünstigte zur Rückerstattung in der Lage ist. Massgebend ist der Geldwert der Leistungen und Vergünstigungen zur Zeit ihrer Gewährung.

214 Art. 7.

Der Bundesrat erlässt die Ausführungsvorschriften zu diesem Beschluss.

Er ist befugt, die Durchführung der Hilf Hilfsmassnahmen den Kantonen zu übertragen.

Der Bundesrat wird jeweils im Rahmen seines Geschäftsberichtes über die in Ausführung dieses Beschlusses getroffenen Massnahmen Bericht erstatten.

Art. 8.

- Dieser Beschluß» wird dringlich erklärt. Er tritt mit seiner. Veröffentlichung in Kraft.

544

Schweizerisches Bundesarchiv, Digitale Amtsdruckschriften Archives fédérales suisses, Publications officielles numérisées Archivio federale svizzero, Pubblicazioni ufficiali digitali

Botschaft des Bundesrates an die Bundesversammlung über ausserordentliche Massnahmen zur Milderung der Notlage in den Trockengebieten. (Vom 26. September 1947.)

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1947

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02.10.1947

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