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Bundesblatt 99. Jahrgang.

Bern, den 10. Juli 1947.

Band II.

Erscheint wöchentlich

Preis 88 Franken im Jahr, 15 Franken im Halbjahr, zuzüglich Nachnahme- ani, Postbestellungsgebühr.

Einrückungsgebühr: 50 Rappen die Petitzeile oder deren Raum. -- Inserate franko au Stämpfli £ de. in Bern.

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Zu 5484

Botschaft des

Bundesrates an die Bundesversammlung über die Ergänzung des Bundesgesetzes vom 13. Juni 1928 betreffend Massnahmen gegen die Tuberkulose.

(Vom 8. Juli 1947.)

Herr Präsident!

Hochgeehrte Herren!

Wir haben die Ehre, Ihnen mit dieser Botschaft den Entwurf zu einem Bundesgesetz über die Ergänzung des Bundesgesetzes vom 18. Juni 1928 betreffend Massnahmen gegen die Tuberkulose zu unterbreiten.

I. Einleitung.

Am 16. Dezember 1948 reichte Herr Nationalrat Bircher folgende Motion ein: «Um die Quellen der Tuberkulose zu verschütten, wird der Bundesrat ersucht, die gesetzlichen und finanziellen Grundlagen der Tuberkulosebekämpfung dahin zu erweitern, dass 1. die gesamte Schweizerbevölkerung durchleuchtet und ein Schirmbildkataster erstellt wird, 2. dass auch der Bekämpfung der Tiertuberkulose vermehrte Aufmerksamkeit geschenkt wird.» Die Motion wurde am 22. März 1944 vom Nationalrat erheblich erklärt, während der Ständerat am 22. Juni 1944 beschloss, einen Entscheid erst zu fassen, nachdem ein bundesrätlicher Bericht vorhegen würde.

Am 25. September 1944 wurde von Herrn Nationalrat Siegrist, Aarau, folgendes Postulat eingebracht: «Art, 8 des Bundesgesetzes vom 18. Juni 1928 betreffend Massnahmen gegen die Tuberkulose bestimmt: Bundesblatt.

99. Jahrg.

Bd. II:

34

466 , Der Bundesrat setzt die Massnahmeri fest, die im Gewerbe, in industriellen Betrieben, in Verkehrsanstalten und öffentlichen Gebäuden zum Schutze gegen die Tuberkulose zu treffen sind.'

Der Bundesrat wird eingeladen, zu prüfen, ob es nicht an der Zeit wäre, die zugehörige Vollziehungsverordnung zu erlassen, um die Möglichkeit zu schaffen, Erkrankungen an Tuberkulose möglichst früh zu erfassen und einer rechtzeitigen Heilung zuzuführen.» Das Postulat wurde am 21. März. 1945 zur Prüfung entgegengenommen.

Ferner reichte Herr Nationalrat Spühler am 28. September 1944 ein Postulat folgenden Wortlauts ein: «Durch die neuern. Verfahren zur Erfassung der Tuberkulosekranken wird die Zahl der bekannten Tuberkulosefälle erheblich zunehmen. Die Durchführung dieser Verfahren hat nur einen Sinn, sofern die ärztliche Behandlung der Kranken oder Gefährdeten und die materielle Sicherung ihrer Familien gewährleistet wird. Der Bundesrat wird deshalb ersucht, folgende Aufgaben zu prüfen und darüber Bericht zu erstatten: 1. Errichtung einer genügenden Zahl von Tuberkuloseheilstätten mit Unterstützung des Bundes.

2. Finanzierung der Tuberkuloseheilung durch Sicherung der ärztlichen Behandlung und des Heilstättenaufenthaltes.

8. Existenzsicherung der Familien der Tuberkulosekranken.

4. Wiedereingliederung der von der Tuberkulose Geheilten in den Arbeitsprozess (z. B. Unterstützung von Halbarbeitsfähigen, Bildung von Tuberkulosesiedlungen).» Das Postulat wurde ebenfalls am 21. März 1945 zur Prüfung entgegengenommen.

Die Motion und die beiden Postulate stehen in engem Zusammenhang.

Sie erstreben eine Verbesserung der Tuberkulosebekämpfung einerseits durch medizinische und anderseits durch sozialpolitische Maßnahmen und ergänzen sich auf diese Weise gegenseitig.

Im Hinblick auf die gestellten sozialen Begehren ist in diesem Zusammenhang auch die vom Nationalrat am 22, Juni 1945 und vom Ständerat am 20. Dezember 1945 angenommene Motion Seematter vom 27. September 1948 zu nennen, welche folgenden Wortlaut hat: ' «Der Bundesrat wird eingeladen, den eidgenössischen Eäten baldmöglicbst Bericht und Antrag über die Einführung eines Teilobhgatoriums der Krankenversicherung, vor allem für die Minderbemittelten, vorzulegen.» Mit dem vorliegenden Entwurf zu einem Bundesgesetz über die Ergänzung des Bundesgesetzes vom 13. Juni 1928 betreffend Massnahmen gegen die Tuberkulose suchen wir diese Forderungen zu erfüllen, soweit dies unter den gegenwärtigen Verhältnissen möglich ist.

467

u. Die bisherige Tuberkulosegesetzgebung des Bundes.

Die bisherige Mitwirkung dos Bundes bei der Bekämpfung der Tuberkulose beruht auf dem Bundosgesetz vom 13. Juni 1928 betreffend Massnahmen gegen die Tuberkulose*), das in erster Linie ein Subventionsgesetz ist. Es sieht einerseits Vorbeugungsmassnahmen und anderseits Heilungs- und. Fürsorgemassnahmen vor. Daneben fördert der Bund die Tuberkuloseversicherung durch Gewährung besonderer Beiträge an die anerkannten Krankenkassen.

1. Soweit der Bund den Kantonen bestimmte Massnahmen vorschreibt, handelt es sich um Vorbeugungsmassnahmen gegen die Weiterverbreitung der Tuberkuloseinfektion, die im Interesse der Allgemeinheit getroffen werden müssen und unter den Begriff der gmppenmedizinischen Aufgaben fallen.

Dios geht unter anderem deutlich aus der vorgeschriebenen Meldepflicht (Art. 2) hervor, nach der die Ärzte nur gehalten sind, diejenigen Tuberkulösen den zuständigen Behörden zu melden, die nach dem Stand der Krankheit und nach ihren persönlichen Verhältnissen eine Ansteckungsgefahr bilden. Ferner haben die Kantone nach Art. 8 Vorsorge zu treffen, dass die nötigen Massnahmen zur Verhütung der Weiterverbreitung der Tuberkulose durch Kranke, die gemäss Art. 2 gemeldet worden sind, durchgeführt werden. Sie haben nach Art. 4 und 5 dafür zu sorgen, dass die Ausscheidungen jeder an Tuberkulose erkrankten oder tuberkuloseverdächtigen Person bakteriologisch untersucht werden können und dass alle von Tuberkulösen, die im Sinne von Art. 2 als gefährlich erkannt worden sind, regelmässig benutzten Bäume desinfiziert und sorgfältig gereinigt werden, wenn der Kranke die Wohnung wechselt, wenn ef in ein Spital überführt wird oder wenn er stirbt.

Ferner haben die Kantone zur Bekämpfung der Tuberkulose Vorschriften über die Wohnungshygiene aufzustellen und für angemessene Belehrung über Wesen, Gefahren und Verhütung der- Tuberkulose zu sorgen (Art. 11 und 12).

Als weitere Aufgabe ist ihnen die Sorge für die ärztliche Beobachtung der Kinder und Zöglinge sowie des Lehr- und Pflegepersonals in Schulen und Anstalten überbunden ; Personen, die eine Ansteckungsgefahr bilden, sind aus Schulen oder Anstalten zu entfernen (Art. 6).

Nach Art. 14, Abs. l, gewährt der Bund für die Durchführung der im Vorstehenden aufgezählten Massnahmen den Kantonen Beiträge von 20--25
Prozent ihrer Ausgaben, an die Auslagen für die Unterstützungen des aus den Schulen und Anstalten entfernten Lehr- und Pflegepersonals solche von 50 Prozent.

2. Die Schaffung der für Heilung und F ü r s o r g e nötigen Einrichtungen ist in erster Lime dem Ermessen der Kantone anheimgestellt. So setzt Art. 10 fest, dass die Kantone nach Massgabe des Bedürfnisses und soweit sie es für nötig erachten für die zu diesen Zwecken erforderlichen Einrichtungen sorgen.

Die Kantone können einzelne amtliche Aufgaben und Befugnisse, die sich auf *) A. S. 44, 731.

468 die Durchführung des Gesetzes beziehen, privaten Fürsorgeorganisationen übertragen. Der Bund fördert auch diese Massnahmen durch Beiträge (Art. 14, Abs. 2), So gewährt er für die Erstellung, Erweiterung und den Erwerb von Anstalten und Heimen sowie deren Einrichtungen Beiträge von 20--25 Prozent der Ausgaben. Die Betriebskosten dieser Anstalten werden mit 10--12 Prozent der reinen Kosten des Pflegetages subventioniert. Ferner erhalten die Fürsorgestellen und Fürsorgedienste sowie die Vereinigungen zur Bekämpfung der Tuberkulose für ihre Fürsorgetätigkeit Beiträge von 25--SS Prozent ihrer reinen Ausgaben.

3. Art. 15 des Gesetzes bestimmt, dass der Bund den anerkannten Krankenkassen, die für die Behandlung und Pflege Tuberkulöser nach Umfang oder Dauer über die Pflichtleistungen des Krankenversicherungsgesetzes hinausgehende Aufwendungen vorsehen, besondere Beiträge gewähren kann. Das Nähere regelt die Verordnung I vom 19. Januar 1944 über Tuberkuloseversicherung. Als Tuberkulose im Sinne der Verordnung gelten alle Formen der Tuberkulose bei Erwachsenen und Kindern. Bei Kindern ist die Tuberkulosegefährdung und der Verdacht auf Tuberkulose der Erkrankung an dieser gleichgestellt.

In der Krankenpflegeversicherung haben die die Tuberkuloseversicherung betreibenden Kassen ihren Mitgliedern einen täglichen Kurbeitrag an die Kosten des Anstaltsaufenthaltes zu leisten, der für Kinder wenigstens Fr. 2 und für Erwachsene mindestens Fr. 3 betragen muss. In der Taggeldversicherung müssen sie ein Taggeld von wenigstens Fr. 2 ausrichten. Ist ein Mitglied bei der gleichen Kasse sowohl für Arzt und Arznei wie für Krankengeld versichert, so braucht dieses den Betrag von Fr. l nicht zu übersteigen. Die Versicherungsleistimgen sind vom ersten Tage des Aufenthaltes in einer Heilanstalt an für die Dauer von mindestens 540 Tagen im Laufe von fünf aufeinanderfolgenden Jahren zu gewähren. In der Krankenpflegeversicherung werden dem Mitglied auch Leistungen nach Verlassen der Heilanstalt ausgerichtet. Ordnet der Anstaltsarzt noch ärztliche Kontrolluntersuehungen oder eine Nachbehandlung an, so gehen die entstehenden Krankenpflegeleistungen im E ahmen der statutarischen Leistungsdauer zu Lasten der Tuberkuloseversicherung. Die Kosten hierfür richten sich nach den kantonalen Arzttarifen.

Sie werden dein Mitglied nach
einem bestimmten Schlüssel auf die Bezugsdauer angerechnet. Eine Auszahlung des versicherten Krankengeldes nach Verlassen der Heilanstalt findet nicht statt. Es gilt ferner der Grundsatz, dass Leistungen für die Heilanstaltsbehandlung nur ausgerichtet werden, wenn sich das Mitglied in einer vom Bund anerkannten Heilanstalt aufhält.

Wegen der Belastung darf die Tuberkuloseversicherung nur von solchen Kassen durchgeführt werden, die mindestens 40 000 Mitglieder zählen. Kleinere Kassen haben sich zu Tuberkuloserückversicherungsverbänden zusammenzuschliessen, welche ebenfalls mindestens 40 000 Mitglieder umfassen müssen.

469 Die Bundesbeiträge werden nur den Tuberkuloaeversicherungsträgern, nicht den einzelnen rückversicherten Kassen ausgerichtet. Sie betragen in der Krankenpflegoversicherung 50 Prozent des von der Kasse gewährten täglichen Kurbeitrages, höchstens jedoch Fr. 1.50 für Kinder und Fr. 2 für Erwachsene, in der Krankengeldversicherung 50 Prozent des ausbezahlten Taggeldes, höchstens jedoch Fr. 2 im Tag. Sie werden für Kinder vom 91. und für Erwachsene vom 151. Tag des - Aufenthaltes in einer Heilanstalt an gewährt, und zwar so lange, als der Versicherungsträger wenigstens die minimalen Kurbeiträge und Taggelder der Tuberkuloseversicherung ausrichtet. Infolge dieser Bestimmung und der vorbin erwähnten Abstufung der Bundesbeiträge haben die meisten Tuberkuloseversicherungsträger und rückversicherten Kassen in ihren Statuten die vorgesehene Leistungsdauer über die gesetzliche Mindestanforderung von 540 Tagen hinaus auf 720 Tage innerhalb von fünf Jahren verlängert und die täglichen Miniinalleistungen in der Pf lege ver Sicherung von Fr. 2 auf Fr. 8 für Kinder und von Fr. 8 auf Fr. 4 für Erwachsene erhöht.

Die Verordnung I ist durch eine Verordnung II vom 16. Juni 1947 über Tuberkuloseversicherung teilweise abgeändert und ergänzt worden. Da aber die Verordnung I zur Zeit noch in Kraft ist, haben wir in diesem Abschnitt über die gegenwärtige Tuborkulosegesetzgebung die geltende Eegelung dargestellt. Die neuen Bestimmungen der Verordnung II werden wir erst im nachstehenden Abschnitt VI über die Ergänzungen zu der bisherigen Eegelung unter Ziff. 2, lit. h, näher erläutern. Die Kassen können zwar bereits vom 1. Juli 1947 an die gegenüber der Verordnung I erhöhten Minimalleistungen der Tuberkuloseversicherung gewähren, sind jedoch erst vom 1. Januar 1948 an dazu verpflichtet. Die Auswirkungen der Verordnung II werden sich somit erst nach und nach geltend machen.

HI. Die Tuberkulosehäufigkeit in der Schweiz.

1. Die Sterblichkeit an Tuberkulose.

Über die Tuberkulosesterblichkeit in der Schweiz von 1891 bis 1945 orientiert die nachstehende Tabelle.

470

An T u b e r k u l o s e G e s t o r b e n e in der Schweiz (1891--1915) Übrige Tuberkulose

Lungentuberkulose

Jahr absolut

1891--1895 1896--] 900 1901--1905 1906 - 1910 1911--1915 1916--1920 1921--1925 1926--1930 1931--1935 1936 1937 1938 1939 1940 1941 1942 1943 1944 1945

auf 10000 Einwohner

absolut

Total

auf 10 000 Einwohner

absolut

auf 10000 Einwohner

1

6056

6131 6397 6144 5515 5481 4539 4080 3369 3052 2770 2616 2569 2455 2515 2652 2503 2709 2842

20,6 19,4 19,0 17,1 14,5 14,3 11,61 10,18 8,16 7,30 6,60 6,22 6,12 5,83 5,90 6,20

2050 2217 2631 2527 2210 2092 1532 |

839 857 '

834 802 848 857

882 801 834

5,8 6,2 6,45

1342 1019

'

778

7,4 7,4 8.]

7,2 6,0 5,0 3,91 3,34 2,60 2,20 2,10 1,97 1,91 2,01 2,00 2,03 1,8 1,9 1,77

8106

8348 9028 8671 7725 7573 6071 5430 4466 3941 3627 3450 3371 3303 3372 3534 3304 3543 3620

28,0 26,8

27,1 24,3 20,5 19,3 15,5 13,5 10,8

9,5 8,7 8,2 8,0 7,8 7,9 8,3 7,6 8,] 8,3

"Während in den Jahren 18911895 von 10000 Einwohnern im Jahresdurchschnitt etwa 28 Personen an Tuberkulose starben, waren es im Jahre 1943, das die niedrigste je erreichte Tuberkulosemortalität aufweist, noch 7,6 Personen auf 10 000 Einwohner. Zeigt sich daraus auch ein erfreulicher Fortschritt, so darf man sich doch nicht über die Zahl der Opfer täuschen, welche die Krankheit heute noch in unserem Lande fordert; es sind jährlich immer noch etwa 3500 Menschen, die ihr erliegen.

Vergleicht man die Sterblichkeit an Tuberkulose mit derjenigen an allen übrigen Todesursachen, so kann festgestellt werden, dass ihr Eückgang starker ist als derjenige der übrigen Sterblichkeit. So weisen zum Beispiel die Kinder unter einem Jahr 19401943 eine um über 90 Prozent geringere Tuberkulosesterblichkeit auf als zu Beginn des Jahrhunderts, während ihre Sterblichkeit an den übrigen Todesursachen im gleichen Zeitraum um knapp 70 Prozent abgenommen hat. Selbst in der höchsten Altersklasse, bei den über 70jährigen, beträgt der Bückgang der Tuberkulosesterblichkeit im gleichen Zeitraum noch 36,5 Prozent, gegenüber einer Verminderung der Sterblichkeit an den übrigen Todesursachen um 20 Prozent. Von den männlichen Säuglingen sterben in der letzten Zeit etwa siebenmal, von den weiblichen etwa neunmal weniger an tuberkulösen Erkrankungen der Lungen als zu Beginn des Jahrhunderts.

Auch die Lungentuberkulose der Kleinkinder im Alter von ein bis vier Jahren

471 fordert heute weit -weniger Opfer; hier ist die Verbesserung noch deutlicher als bei den Säuglingen: die Sterblichkeit ist bei den Knaben auf einen Neuntel, bei den Mädchen fast auf einen Zehntel des "Wertes von 1901/02 abgesunken.

Diese vorzüglichen Eesultate werden noch übertroffen von der Verbesserung, welche die Säuglingssterblichkeit bei extrapulmonalen Tuberkuloseformen aufweist, indem heute über zehnmal weniger Kinder im ersten Lebensjahr an Tuberkulose anderer Organe als der Lungen sterben als 1901/02.

Im Verhältnis der Tuberkulosesterblichkeit der einzelnen Altersklassen haben sich auffallende Wandlungen vollzogen. Bei den Männern wiesen von jeher die 60- bis 69jährigen die höchste Tuberkulosesterblichkeit auf, in der neuesten Zeit verschiebt sich das Maximum deutlich in die noch höhere Altersklasse der über 70jährigen. Bei den Frauen zeigt sich die gleiche Erscheinung, ausserdem ergibt sich bei ihnen aber noch eine wichtigere Veränderung: Bis etwa 1930 wurde die Sterblichkeit der alten Frauen an Lungentuberkulose von derjenigen der 20- bis 29jährigen übertroffen, heute liegt das Maximum eindeutig bei den über 70 Jahre alten Frauen.

2. Die Erkrankungshäufiglceit an Tuberkulose.

Bedeutend schwieriger ist es, sich über die Zahl der E r k r a n k u n g e n an Tuberkulose ein cinigermassen genaues Bild zu machen. Das Tuberkulosegesetz vom 18. Juni 1928 verpflichtet die Ärzte nur dann, einen Tuberkulosefall den zuständigen Behörden anzumelden, wenn «der Kranke nach dem Stand der Krankheit und seinen persönlichen Verhältnissen eine Ansteckungsgefahr bildet». Wir können daher die Zahl der Bazillen ausscheidenden, «bazillären» Tuberkulosen in unserem Lande nur ganz unvollständig. Das Bild wird um so ungenauer, als sehr oft auch Kranke, die keine Bazillen ausscheiden, also an «geschlossener Tuberkulose» leiden, von den Ärzten angezeigt werden. Die Zahl der amtlich gemeldeten Fälle von Tuberkulose betrug in den letzten zehn Jahren : Jalir

1936 1937 1938 1939 1940

Jahr

Angezeigte ITällo

. . .

. . . .

3726 3176 2857 2777 3127

1941 1942 1943 1944 1945

Angezeigte Fälle

3477

. . .

. .

3782 4374 4304 4827

Nach einem konstanten Eückgang, der von 1986 bis 1989 fast 1000 Fälle ausmachte, begann 1940 ein anhaltender Anstieg, und 1945 wurden über 2000 Fjrkrankungen mehr angezeigt als 1939. Diese anscheinende Zunahme inuss aber unter mehreren Vorbehalten betrachtet werden. Einmal wurden während des Krieges zahlreiche Kranke, die unter normalen Verhältnissen zu Hause gepflegt und nicht angezeigt worden wären, infolge Ernährungs-, Heizungs- und Pflegeschwierigkeiten hospitalisiert und dann gemeldet. Dann

472 setzten seit 1948 auch die Schirmbilduntersuchungen ein, und 1948/44 wurde die ganze Armee durchleuchtet. Zieht man in Betracht, dass allein die Armeedurchleuchtung 895 Offentuberkulöse entdeckte, dann ist ohne weiteres klar, dass von den 592 Fällen, die 1948 mehr gemeldet wurden als 1942, ein grosser Teil der besseren Erfassung und nicht einer erhöhten Erkrankungshäufigkeit zuzuschreiben ist.

Die aus der gesetzlichen Meldepflicht hervorgehenden Zahlen haben somit nur einen ganz beschränkten Vergleichswert. Sie mögen als absolute Zahlen einen Bogriff von der Bedeutung der Tuberkulose geben, können aber nicht zu exakten Vergleichen benutzt werden.

Auch die folgende Tabelle «Übersicht über die Besetzung der anerkannten antituberkulösen Anstalten» soll lediglich dazu dienen, dieses Bild zu ergänzen; sie lässt aber keinen Schluss auf die effektive Zahl der Tuberkulosekranken zu, weil sie die zu Hause oder in Anstalten, die auf Grund des Tuberkulosegesetze nicht subventionsberechtigt sind, gepflegten Patienten nicht erfasst, anderseits Patienten, die während des gleichen Jahres in mehreren Anstalten oder wiederholt in derselben Anstalt waren, mehrfach gezählt sind.

Übersicht über die Besetzung der anerkannten a n t i t u b e r k u l ö s e n Anstalten.

Jahr

Volksheilstätten für Erwachsene und Kinder

*)Z.

r.

B.

3481 7789 30 4268 10815 88 + 8 +787 -1-8026 *) Z = Zahl, B == Betten, P = verpflegte Patienten.

1985 1944

Jahr

Kinderheilstätten B.

1935 1944

P.

Präventorien und Arbeitsheilstätten für Erwachsene und Kinder, Erholungsheime

Tbc-Pavillons

Z.

B.

P.

Z.

4 3 --1

148 112 --31

808 801 .. 7

15 15

Präventorien und Erholungsheime für Kinder Z.

7 785 1941 38 9 37 849 2559 +2 +114 +618 --1 *) Z = Zahl, B = Betten, P = verpflegte Patienten

B.

p.

6649 2188 7980 1450 --738 +1281

B.

p.

711 3367 ca. 950 4389 ca. 239 + 1022

Nut Tags geöffnete Anstalten

Spitalabteilungen

Z.

p.

z.

p.

16 12

1741 1181 --560

88 86 2

6696 6847 +151

-4

473

Schliesslich besitzen wir auf Grund einer ausserordentlich gründlichen Arbeit, die 1945 im Kanton Zürich durchgeführt wurde, Angaben über die Tuberkulosehäufigkeit, die eich auf sehr genaue Erhebungen stützen und über die wirklichen Verhältnisse wenigstens eines Kantons ein möglichst vollständiges Bild geben. Dieser Kataster umfasst: a. allô an einem (theoretischen) Stichtag des Jahres 1945 wegen Tuberkulose hospitalisierten Kantonseinwohner, b. alle während des Jahres 1945 in den Fürsorgestellen kontrollierten Personen mit einer primären, sekundären oder extrathorakalen Tuberkulose, die während der letzten 5 Jahre Zeichen der Aktivität gezeigt, oder mit einer tertiären Tuberkulose, die während der letzten 10 Jahre Aktivitätszeichen aufgewiesen hatte.

Die Aufstellung ist insofern unvollständig, als sie die bei Privatärzten in Behandlung stehenden, den Fürsorgestellen nicht bekannten Tuberkulösen nicht erfasst. Ferner finden sich darin diejenigen Patienten nicht verzeichnet, die während der letzten 5 bis 10 Jahre wohl eine aktive Tuberkulose durchmachten, unterdessen aber geheilt wurden und aus der Kontrolle der Fürsorgestellen ausgetreten sind. Die Untersuchung hat ergeben, dass sich 1945 1474 Einwohner des Kantons Zürich in Anstaltsbehandlung und 5096 in Kontrolle der Fürsorgestellen befanden. Im ganzen wurden auf diese Art 6750 tuberkulöse Kantonseinwohner ermittelt, wovon 2/5 Männer, 2/6 Frauen und Vs Kinder bis zu 15 Jahren. Die am stärksten vertretene Altersklasse ist die jenige der 20- bis 80jährigen, die 22,8 Prozent der Kranken ausmacht. Die derart festgestellten Tuberkulösen machen 9,43 Promille der Gesamtbevölkerung aus. Es wird geschätzt, dass diese Zahl ungefähr die Hälfte aller tuberkulösen Kantonseinwohner umfasst und dass im ganzen Kanton mit etwa 12 000 Personen gerechnet werden muss, die zurzeit wegen Tuberkulose hospitalisiert sind oder wegen aktiver Tuberkulose in ärztlicher Kontrolle stehen.

Alle bisher genannten Angaben erstrecken sich lediglich auf diejenigen Tuberkulösen, deren Krankheit auf Grund ihrer Symptome erkannt wurde und die infolgedessen in ärztliche Behandlung gelangten. Die Beihenuntersuchungen, die in den letzten Jahren in der Schweiz durchgeführt wurden, erlauben uns, den Überblick zu ergänzen. Der Stand der Eöntgendiagnostik gestattet heute, ganze
Bevölkerungsgruppen zu untersuchen, um auch diejenigen Tuberkulosen aufzufinden, die bei symptomenarmem oder symptomlosem Verlauf dem Kranken selber unbekannt sind, also «den Kranken unter den Gesunden» zu suchen. Erst die Ergebnisse solcher Massenuntersuchungen, von denen später noch zu sprechen sein wird, ermöglichen, sich ein wirkliches Bild von der effektiven Tuberkulosehäufigkeit zu machen. Unter 3102 von Schinz untersuchten Angehörigen der Metallindustrie wurden 4 (0,12 Prozent) vorher unbekannte Offentuberkulöse und 17 (0,55 Prozent) Patienten mit unbekannter aktiv-geschlossener Tuberkulose gefunden. Schinz und Markoff fanden bei 1502 untersuchten Angehörigen der Verwaltung und Mittelschule eines Kantons

474

0,2 Prozent offene und 0,8 Prozent geschlossene aktive Tuberkulosen,. Ott stellte auf 11 000 Untersuchte verschiedener Industrien 0,27 Prozent nicht vorbekannte offene. 0,87 Prozent aktiv geschlossene und 0,55 Prozent latent aktive Tuberkulosen fest. Die grösste in der Schweiz je durchgeführte Eeihenuntersuchung, die A r m e e d u r c h l e u c h t u n g 1943/44, ergab bei 516 879 Durchleuchteten 395, das sind 0,76 Promille offene Tuberkulosen, 572 = 1,11 Promille aktiv geschlossene und 1641 = 8,17 Promille inaktive Tuberkulosen. Es muss dabei in Kechnung gesetzt werden, dass es sich bei den genannten Untersuchten um Arbeitsfähige, anscheinend gesunde Personen handelte, bei der Armee sogar um Leute, die nach mehreren Voruntersuchungen (Rekrutenuntersuchung, Eintrittsmusterungen, Beobachtung im Dienst) als tauglich für die Anforderungen des Militärdienstes galten. Die Untersuchten stellten somit schon eine gewisse Auslese dar. Nicht mehr Arbeitsfähige, alte Leute, Invalide, Anstaltsinsassen und ähnliche Bevölkerungsgruppen, unter denen erfahrungsgemäss die Tuberkulose besonders häufig auftritt, waren bei diesen Untersuchungen zum vornherein ausgeschaltet. Daher kommt Steiger, der über die Untersuchungen bei einer ganz gemischten Bevölkerung berichtet, die ausser Fabrikbelegscha.ften und. Schulen auch ein ganzes Quartier umfassten, auf höhere Prozentzahlen und rechnet bei der über 15 Jahre-alten Gesamtbevölkerung mit einem Tuberkulose-Durchseuchiingsgrad von 0,46 Prozent offenen und 0,62 Prozent aktiv geschlossenen Tuberkulosen.

Nach den unsichern Angaben der Morbiditätsstatistik ist die Frage, ob die Tuberkulose während des zweiten Weltkrieges in der Schweiz zugenommen hat, schwer zu beantworten. Vermehrte Hospitalisation und vor allem eine viel bessere Erfassung können eine scheinbare Zunahme vortäuschen. Rechnet man nur sämtliche seit 1948 durchgeführten Schirmbildaufnahmen bei Zivilbevölkerung und Armee und die Arrneedurchleuchtungen zusammen, so ergibt sich bis Oktober 1946 allein daraus eine Zahl von über 900 000 Eöntgcnuntersuchungen der Lungen, zu denen noch weitere Tausende, von Privatärzten, Fürsorgestellen und Schulärzten vorgenommene Untersuchungen zuzurechnen sind. Die Mortalitätsstatistik zeigt lediglich in den letzten zwei Kriegsjahren eine leichte Zunahme der Tuberkulosesterblichkeit,
anderseits weist da.s Kriegsjahr 1943 den tiefsten je erreichten Stand auf. Als Ganzes zeigt die Periode der Kriegsjahre-einen noch nie erreichten Tiefpunkt der Tuberkulosemortalität.

Mortalität und Morbidität brauchen aber keineswegs parallel zu gehen. Einem Anstieg der Erkrankungshäufigkeit kann nach einiger Zeit eine Zunahme der Sterblichkeit folgen, anderseits ist es auch möglich, dass die verbesserte Therapie und vor allem die Erfassung der Kranken in einem Stadium, wo die Tuberkulose noch gute Heilungsaussichten bietet, zu erreichen vermögen, dass trotz vermehrter Erkrankungen keine oder nur eine unbedeutende Mortalitätserhöhung auftritt.

.

.

> Schliesslich soll nicht vergessen werden, dass die durch den Krieg bedingte erhöhte Tuberkulosegefahrdung heute noch keineswegs überwunden ist. Wenn auch mehrere, die Tuberkulose begünstigende Einflüsse, wie die knappe Er-

475 nährung, die körperliche und nervöse Uberbelastung und die durch die Mobilisation veränderten Lebens- und Umgebungsbedingungen viel von ihrer Bedeutung verloren haben mögen, so besteht dafür die Gefahr vermehrter Einschleppung aus dem Auslande, die während des Krieges ausgeschaltet var.

Sie ist nach allen Berichten, die über eine besorgniserregende Zunahme der Tuberkulose in den vom Krieg heimgesuchten Landern vorliegen, nicht zu unterschätzen.

Zusammenfassend kann gesagt werden, da ss das Problem der Tuberkulosebekämpfung in der Tat auch heute noch von grosser Bedeutung für die Volksgesundheit ist. Dio Erfolge haben zwar die Berechtigung der bisherigen Massnahmen bewiesen, sie schaffen aber auch die Verpflichtung, die vorhandenen Möglichkeiten noch besser auszunützen. Technische Fortschritte der letzten Jahre haben nun Wege zur Früherkennung der Krankheit und zur Vermeidung von Neuinfektionen erschlossen, welche die Aussicht eröffnen, die Resultate der Tuberkulosebekämpfung noch weitgehend zu verbessern. Bevor wir auf diese Möglichkeiten näher eintreten, geben wir im folgenden Abschnitt zur Beleuchtung der volkswirtschaftlichen Bedeutimg der Tuberkulose einen Überblick über die finanziellen Auswirkungen der bisherigen M assnahmen.

IV. Die bisherigen finanziellen Aufwendungen.

1. Meldewesen, bakteriologische Untersuchungen, Desinfektionen, Wohnungskontrolle, S Auluntersuchungen, ärztliche Überwachung von Pflegekindern.

Aufwendungen Ausgaben der Kantone und Gemeinden Daran ausgerichtete Bundesbeiträge . .

1944 Fr.

Jahresdurchschnitt 1940/44 Fr

1 265 018 111 487

1 047 969

83843

2. Entschädigung an tuberkulöses Lehrpersonal.

Aufwendungen Ausgaben Daran ausgerichtete Bundesbeiträge . .

1914 Fr.

85628 23 935

J ahresdurchschnitt 1940/44 Fr.

68104 19484

3. Bau, Erwerb, Einrichtung von Anstalten.

Aufwendungen Ausgaben . . . . . .

, .

. .

Daran ausgerichtete Bundesbeiträge . .

1944 Fr.

ca. 4 000 000 517 412

Jahresdurchschnitt 1940/44 Fr.

1 755 000 251 694

476 4. Betriebskosten der Anstalten.

Aufwendungen

Daran ausgerichtete Bundesbeiträge . .

1014 Fr.

Jahresdurchschnitt 1940/44 Fr.

18 972 708 1 185 098

15 203 062 1 005 870

5. Tuberkuloseorganisationen.

Aufwendungen Ausgaben Daran ausgerichtete Bundesbeitrage . .

1044 Fr.

Jahresdurchschnitt 1940/44 Fr.

3 831 240 966 898

3 489 261 900 546

6. Weitere Bundesbeitrage.

Aufwendungen Schweizerische Vereinigung gegen die Tuberkulose Bundesbeitrag . , .

Schweizerisches Forschungsinstitut Davos. Bundesbeitrag

1944 Fr.

Jahresdurchschnitt 1940/44 Fr.

20000

16400

20000

14000

7. Leistungen der Tuberkuloseversicherung.

Am 81. Dezember 1945 bestanden 6 Tuberkuloserückversicherungsverbände, denen 426 Krankenkassen angeschlossen waren, und 9 als Tuberkuloseversicherungsträger anerkannte Krankenkassen. Sie umfassten zusammen l 870 951 Versicherte von insgesamt 2 524 599 Mitgliedern, die in 1150 Krankenkassen versichert waren. Daraus ergibt sich, dass zwar nur etwa ein Drittel der anerkannten Krankenkassen die Tuberkuloseversicherung eingeführt haben, dass aber rund drei Viertel der Kassenmitglieder gegen Tuberkulose versichert sind. Im Verhältnis zur Bevölkerung waren am 31. Dezember 1945 42,5 Prozent gegen Erkrankung an Tuberkulose versichert. Seither hat sowohl die Zahl der Kassen mit Tuberkuloseversicherung als auch der Tuberkuloseversicherten beträchtlich zugenommen.

Im Jahre 1945 sowie im Durchschnitt der Jahre 19401944 machten die Leistungen der Tuberkuloseversicherungsträger folgende Beträge aus: Aufwendungen Ausgaben der Krankenkassen für Tub erkuloseversicherung .

. *.

Daran ausgerichtete Bundesbeiträge . .

1945 Fr.

6 268 201 1 492 496

Jahresdurchschnitt 1940/44 Fr.

3 702 591 816 910

477 Nicht Inbegriffen sind in diesen Leistungen die Ausgaben der der Tuberkuloseversicherung nicht angeschlossenen Krankenkassen, die bei tuberkulöser Erkrankung eines ihrer Mitgüeder lediglich die gewöhnlichen, statutarischen Kassenleistungen gewähren, d. h. die Kosten für Arzt und Arznei sowie ein allfälliges Krankengeld. Diese Leistungen lassen sich nicht ermitteln, da sie von den Kassen in der Eegel nicht besonders ausgeschieden werden.

8. Die nachstehende Übersicht zeigt dio Gesamtausgaben der Kantone, Gemeinden, Fürsorgeorganisationen und Krankenkassen für -die Tuberkulose und die daran geleisteten Bundesbeiträge von 1935--1944 (in 1000 Franken) : Ausgaben der Kantone, Gemeinden und Organi* sationen

Jahr 1985 1936 1937 1988 1989 1940 1941 1942 1948 1944

. . .

. . . .

Krankenkassen

Bundesbeiträge

17 882

1356

2371

17 168 17285 17794 17 642 16160 18997 21 458 22805 27154

1718 1736 1692 2113 2637 2974 3510 4216 5173

2886 2837 2881 2385 2494 2621 2941 3875 4087

Innerhalb von zehn Jahren ergab sich eine Vermehrung der Ausgaben der Kantone, Gemeinden und Fürsorgeorganisationen um 9 772 000 und der Krankenkassen um 8816000 Franken; die daran ausgerichteten Bundesbeiträge stiegen um l 666 000 Franken. In Wirklichkeit sind die für die Tuberkulose aufgewendeten Mittel noch weit höher, weil in den angeführten Zahlen die nicht subventionsberechtigten Ausgaben der öffentlichen Wohlfahrt, z.B.

der Armenpflege an die bedürftigen Tuberkulösen und ihre Familien, nicht inbegriffen sind.

V. Die neuen Möglichkeiten aur Früherfassung der Lungentuberkulose.

1. Ursprünglich beschränkten sich die Anstrengungen zur Verhütung und Bekämpfung der Tuberkulose in erster Linie auf allgemeinhygienische Massnahmen. Durch verbesserte Umgebungshygiene und durch Hebung des körperlichen Allgemeinzustandes sollte die Anfälligkeit gegen die Tuberkulose herabgesetzt werden. Mit der Entwicklung der Eöntgentechnik ergab sich die Möglichkeit, tuberkulöse Frühstadien in einem Moment zu entdecken, wo sie mit, andern Untersuchungsmethoden nicht fassbar waren. Anderseits erlaubte das Eöntgenverfahren, erfolgreiche U m g e b u n g s u n t e r s u c h u n g e n durchzuführen, das heisst, überall da, wo ein Offontuberkulöser festgestellt wurde, seine Umgebung nach infizierten Personen abzusuchen, oder umgekehrt bei Entdeckung eines Tuberkulosekranken nach der Quelle zu forschen, die für seine

478 Infektion verantwortlich gemacht werden musste. Die Ergebnisse führten dazu, wieder.viel mehr Wert auf die Erkenntnis zu legen, dass die Tuberkulose eine I n f e k t i o n s k r a n k h e i t ist und als solche bekämpft werden muss. Ein weiterer, durch die Röntgemnethode ermöglichter Schritt bestand darin, nicht mehr nur da, wo eine entdeckte Tuberkulose Verdacht auf weitere Fälle in der Umgebung hervorrufen musste, nach versteckten Tuberkulosen zu suchen, sondern systematisch ganze Personengruppen zu durchleuchten, auch wenn kein besonderer Verdachtsgrand vorlag. Meist handelte es sich bei diesen Serien- oder R e i h e n d u r c h l e u c b t u n g e n una die Untersuchung besonders gefährdeter Altersstufen. Den Anfang bildeten Rekruten- und Studentendurchleuchtungen, denen später Schul- und Fabrikuntersuchungen folgten.

Schliesslich erstreckte sich in einzelnen Fällen die Untersuchung auf ganze Dörfer; die grösste Reihendurchleuchtuiig bildete die Armeeuntersuchung 1948/44.

Die Reihenuntersuchungen bestätigten immer wieder die Beobachtung, dass in allen Kreisen der Bevölkerung tuberkulöse Streuer vorhanden sind, d. h. Personen mit einer offenen, bazillenausscheidenden Lungentuberkulose, die in völliger Unkenntnis ihrer Krankheit und ihrer Gefährlichkeit für die Umgebung leben. Das sprechendste Besultat ergab die Armee mit gegen 400 Qffentuberkulösen. Den Beweis für die Gefahr, die diese Kranken darstellen, leistete nicht nur die Armee, wo eine ganze Anzahl von Infektionsketten, die von Streuern ausgingen, nachgewiesen werden konnte, sondern - auch in der Zivilbevölkerung liessen sich zahlreiche, diese Tatsache beweisende Untersuchungen durchführen. Diese Feststellungen zwangen zum Schluss, dass die besten Resultate in der Tuberkuloseverhütung dann zu erreichen sind, wenn nicht mehr bloss bestimmte Gruppen der Bevölkerung einer Untersuchung unterworfen werden, sondern die ganze Bevölkerung als durch unbekannte Streuer gefährdet angesehen und nach solchen abgesucht wird. Damit war der Schritt von der Serienuntersuchung bestimmter Gruppen zur Untersuchung der Gesamtbevölkerung vorgezeichnet.

2. Die technischen Voraussetzungen für die Untersuchung grosser Bevölkerungsgruppen sind heute erfüllt. Durch die Entwicklung der Schirnib i l d p h o t o g r a p h i e wurde in den letzten Jahren eine
Untersuchungsmethode ausgebaut, die erlaubt, im Vergleich zur Durchleuchtung nicht nur viel grossiere Zahlen von Personen in kurzer Zeit zu untersuchen, sondern die Untersuchungen auch finanziell tragbar macht. Die wichtigsten Unterschiede zwischen Durchleuchtung und Schirmbildphotographie sind folgende: Bei. der D u r c h l e u c h t u n g treffen die Röntgenstrahlen nach Passieren der zu untersuchenden Organe auf einen Schirm und bringen ihn zum Aufleuchten (Leuchtschirm). Der Durchleuchter kann sich vom festgestellten Befund Notizen oder eine Skizze anfertigen. Abgesehen von der dadurch entstehenden Mehrarbeit, die besonders bei Reihenuntersuchungen sehr ins Gewicht fällt, bilden diese Aufzeichnungen aber kein genaues Dokument und sind für den Vergleich mit spätem Befunden nur von beschränktem Wert. Nachteilig bei der Durchleuch-

479 tung ist ferner, dass sie im verdunkelten Raum vorgenommen werden muss, wobei das Auge nur über einen Bruchteil seiner Sehschärfe verfügt. Trotz sorgfältiger Schutzmassnahmen besteht besonders bei langdauernden Reihenuntersuchungen immer eine gewisse Gefahr der Strahlenschädigung für den Durchleuchter. Die Untersuchungen sind recht anstrengend, und das Untersuchungsresultat kann durch Ermüdung des Durchleuchters beeinträchtigt werden. Aus diesen Gründen bestand bei der Armee dio Vorschrift, dass ein Durchleuchter im halben Tag nicht mehr als 60 Durchleuchtungen durchführen durfte. Vorteilhaft ist bei der Durchleuchtung, dass sie erlaubt, die Untersuchung in mehreren Richtungen vorzunehmen und die Organe in der Bewegung zu beobachten.

Technische und vor allem finanzielle Gründe machten es bis zur Einführung der Schirmbildphotographie unmöglich, bei der Untersuchung grosser Personenzahlen von jedem Untersuchten ein Böntgenbild herzustellen, weil man bis dahin ausschliesslich auf die sogenannte Grossaufnahme angewiesen war.

Diese wird auch weiterhin für die Abklärung krankhafter oder verdächtiger Durchleuchtuiigs- oder Schirmbildbefunde reserviert bleiben.

Das Schirmbildverfahren ist im Prinzip eine Durchleuchtung, bei der aber das auf dem Leuchtschirm erscheinende Bild nicht von einem Durchleuchter beobachtet, sondern photographiert wird. Gleichzeitig mit dem Leuchtbild wird der Kopf einer Personalkarte photographiert, auf der die Personalien des Untersuchten verzeichnet sind, so dass Verwechslungen der einzelnen Aufnahmen verhütet werden. Die Leistungsfähigkeit des Verfahrens ist sehr gross; es können in der Stunde 150 bis 180, beim Militär dank straffer Organisation sogar über 200 Aufnahmen gemacht werden. Die Anwesenheit eines Arztes ist während der Aufnahmen nicht nötig. Fahrbare Schirmbildanlagen, von denen auch in der Schweiz bereits Gebrauch gemacht wird, erlauben, Fabrikbelegschaften im Fabrikareal mit ganz geringem Verlust an Arbeitszeit zu untersuchen und der Land- und Bergbevölkerung auch entlegener Gegenden nachzugehen.

Die entwickelten Filme werden ausgewertet, d.h. die einzelnen Bilder in der Vorgrössorung beurteilt. Hier ergeben sich nun deutliche Vorteile gegenüber der Durchleuchtung: Die Auswertung kann zu einem behebigen Zeitpunkt vorgenommen werden, die Gegenwart des
Untersuchten ist nicht nötig.

Es können sich mehrere Ärzte gleichzeitig an der Beurteilung beteiligen, das Bild kann im Gegensatz zur beschränkten Durchleuchtungszeit behebig lange und wiederholt betrachtet werden. Das Auge des Beobachters ist nicht auf Dämmersehen eingestellt, die starke Beeinträchtigung der Sehschärfe fällt weg. So ist es möglich, dass das Schirmbild mehr zeigt, als ein Durchleuchter sieht. Die Aufnahme bildet ein Dokument, das jederzeit wieder zur Verfügung steht, was nicht nur medizinisch, sondern auch versicherungsrechtlich von Bedeutung ist. Ausschlaggebend für den Wert des Schirmbildverfahrens ist, dass die Filme von geübten und in dieser Tätigkeit besonders ausgebildeten Ärzten ausgewertet werden.

480

Immer wieder zu betonen ist, dass die Auswertung meist nicht zu einer definitiven Diagnose führt, sondern dass ihre Aufgabe nur darin besteht, die Personen festzustellen, die krank oder verdächtig und daher einer genauen Abklärungsuntersuchung zuzuführen sind. Es handelt sich bei der Schirmbildphotographie also um ein ausgesprochenes S u c h v e r f a h r e n mit dem Zweck, aus einer Grosszahl von Gesunden die Kranken oder Verdächtigen herauszusioben. Je nach der Lage des Falles wird die Abklärung vom Hausarzt, vom Spezialisten, von einer Fürso.rgestelle oder in einem Spital vorgenommen.

Wichtig ist, dass dabei der Hausarzt wenn immer möglich beteiligt ist, weil er die persönliche Yorgeschichte des Patienten und seiner Familie kennt. Daher setzt eine erfolgreiche Durchführung der Schirinbilduntersuchungen die enge Zusammenarbeit verschiedenster Stellen voraus: Als Massensuchverfahren erfordert sie in erster Linie eine gründliche Organisation, die von den verschiedensten Stellen, Behörden, Arbeitgebern, Fürsorgestellen usw. getroffen werden muss. Für die Auswertung ist die Arbeit von spezialisierten Ärzten unerlässlicb.. Die Abklärungsuntersuchungen sind dagegen nicht mehr als Massenuntersuchungen, sondern ganz individuell durch den vom Patienten gewählten Arzt vorzunehmen. Die freie Arztwahl muss daher für sie als Grundsatz gelten. Ferner ist darauf zu achten, dass das ärztliche Geheimnis so weit wie möglich gewahrt wird. Die festgestellten Befunde sind von den Auswertestellen nur dem Untersuchten oder dem von ihm bezeichneten Arzt mitzuteilen.

8. Seit November 1943, wo der erste Schirmbildapparat in der Schweiz in Betrieb genommen wurde, bis Oktober 1946 wurden ca. 350 000 Aufnahmen bei der Zivilbevölkerung und cà. 60 000 bei Militärpersonen gemacht. Hauptsächlich wurden das Personal grosser Betriebe und Schulen untersucht. Bereits besitzen mehrere Kantone Schirmbildeinrichtungen. Je nach den örtlichen Bedingungen, der Organisation des Sanitätswesens und der Tuberkulosebekämpfung ist in den einzelnen Kantonen auch die Organisation der Untersuchungen verschieden.

In Genf ist die Schirmbildzentrale der medizinischen Universitätspoliklinik angegliedert und wird von deren Ärzten betreut. Die Auswertung besorgen Ärzteequipen, die sich aus praktizierenden Spezialisten zusammensetzen.

-Die Abklärung
der krankhaften Befunde geschieht ebenfalls in der Poliklinik.

Ist die Diagnose sichergestellt, so wird der Patient dem Arzt seiner Wahl oder der Tuberkulosefürsorgestelle überwiesen. Diese Zusammenarbeit hat sich bei einer Zahl von ca. 80 000 Untersuchungen bis jetzt sehr gut bewährt. Genf bietet das Beispiel einer weitgehend zentralisierten Organisation, die nur in einem Stautkanton mit verhältnismässig geringer, auf ein kleines Gebiet verteilter Landbevölkerung durchführbar ist.

Ein völlig verschiedenes Vorgehen musste im Kanton Wallis eingeschlagen werden, wo die örtlichen Verhältnisse keine Zentralisation erlauben.

Der Kanton besitzt eine transportable Schirmbildanlage, deren Bedienungspersonal vom Kanton angestellt ist und die Aufnahmen in den Dörfern durch-

481 führt. Apparat, und Bedienungspersonal sind in ständiger Zirkulation begriffen.

Die Filme werden von den Ärzten des kantonalen Sanatoriums ausgewertet, die Abklärungsuntersuchungen von "den praktizierenden Ärzten des Kantons durchgeführt. Die Zahl der Aufnahmen beträgt bis jetzt ca. 24 000.

Der Kanton Zürich mit seiner grossen, teils städtischen, teils ländlichen Bevölkerung führt die Untersuchungen mit zwei verschiedenen Organisationen durch. Für das Stadtgebiet besteht eine dem Stadtarzt unterstellte Schirmbildzentrale. Für das Land steht eine fahrbare Schirmbildanlage mit Auskleidewagen zur Verfügung. Die Zahl der bis Ende 1946 durchgeführten Aufnahmen beträgt ca. 54000; für das Jahr 1947 sind rund 85000 Aufnahmen geplant.

Schliesslich sei noch die Schirmbildorganisation des Kantons Luzern erwähnt, die ihre Tätigkeit nicht nur auf ihr eigenes Kantonsgebiet beschränkt, sondern auch Nachbarkantonen, für die eine besondere Apparatur nicht in Frage kommt, zur Verfügung steht und über 20000 Aufnahmen besitzt.

Diese Beispiele mögen genügen, um die verschiedenen Möglichkeiten zu zeigen, die Organisation den örtlichen Verhältnissen anzupassen. Weitere Schirmbildstellen bestehen im Kanton Aargau (55000 Untersuchungen), Basel-Stadt (80000), Freiburg (54000), N e u c h â t e l (82000), St. Gallen (9000), Solothurn (80000) und Waadt (14000). (Oktober 1946.)

Die Bevölkerung stellt sich bei guter Aufklärung zu den Untersuchungen meist sehr aufgeschlossen ein; es ist zweifellos unter anderem das Verdienst der Armeedurchleuchtung, in weiten Kreisen aufklärend gewirkt zu haben, so dass häufig Behörden und Private aus eigenem Antrieb die Untersuchungen verlangen.

Die Motion Bircher verlangt die Eöntgenuntorsuchung der gesamten Schweizerbevölkerung. Diese, nach den vorstehenden Ausführungen begründete und technisch heute durchführbare Forderung zu erfüllen, bedeutet für die Tuberkulosebekämpfung nicht nur einen ausserordentlichen Schritt in medizinischer Hinsicht, sondern es werden damit auch grundsätzliche Fragen der sozialen Seite aufgeworfen.

VI. Die Tuberkulosebekämpfung nach dem Entwurf zu einem Ergänzungsgesetz.

Die im vorliegenden Entwurf vorgesehenen Ergänzungen zu der bisherigen Regelung gliedern sich in medizinische und sozialpolitische Massnahmen.

1. Die medizinischen Massnahmen.

An der
Spitze der Vorlage stehen die Bestimmungen über die Anordnung und die Durchführung der periodischen Untersuchungen auf Tuberkulose (Art. l--8 des Entwurfes), Die bisherigen Untersuchungen der Zivilbevölkerung wurden mit Ausnahme der Schulen auf freiwilliger Basis durchgeführt. Seit der Einführung des Schirmbildverfahrens sind auf diese Weise erfreulich viele Personen untersucht worden. Man kann aber nicht damit rechnen, dass auch ßundesblatt. 99. Jahrg. Bd. U.

85

482 in Zukunft immer das gleiche Interesse für die Untersuchungen vorhanden ist -wie heute. Abgesehen davon, dass bei Freiwilligkeit immer eine gewisse Lückenhaftigkeit bestehen wird, haben die Kontrollen des Gesundheitszustandes nur dann einen Zweck, wenn sie periodisch wiederholt werden. Sie dürfen daher auf die Dauer nicht allein von dem momentan in der Bevölkerung jeweils bestehenden, wechselnden Interesse abhängig sein.

Dass der Bundesrat in erster Linie ermächtigt sein soll, den Umfang der zu untersuchenden Bevölkerungskreise zu bestimmen,, entspricht einer für die erfolgreiche Bekämpfung übertragbarer Krankheiten wichtigen Forderung.

Der Erfolg hängt zu einem grossen Teil davon ab, dass bestimmte Massnahmen gleichmässig auf dem Gesam.tgebiete.des Landes durchgeführt werden. Obwohl das Gesundheitswesen im allgemeinen durch die Kantone selber zu regeln ist, · gibt daher die Bundesverfassung das Eecht der Gesetzgebung bei übertragbaren Krankheiten dem Bund. In erster Linie wird es sich darum handeln, dass auf Grund' bundesrätlicher Verordnung vor allem die Untersuchung derjenigen Bevölkerungskreise an Hand genommen wird, die :der Gefahr, einer Infektion und Erkrankung am stärksten ausgesetzt sind. Zu diesen zählen vor allem die Jugendlichen, d. h. die Altersstufe zwischen Sohulaustritt und Abschluss des AVachstumsalters. Während der Schulzeit ist eine Überwachung auf Tuberkulose durch die in Art. 6 des Tuberkulosegesetzes vorgeschriebene schulärztliche Kontrollo gesichert. Die Erfahrung zeigt, dass heutzutage das Nachschulalter der kritischen Erstinfektion, die früher hauptsächlich im Kindeaalter erfolgte, viel mehr ausgesetzt ist als früher. Eine regelmässige Beobachtung ist daher in dieser Altersstufe heute ebensosehr am Platze wie im Schulalter. Nach Art. 8 des Tuberkulosegesetzes setzt der Bundesra.t die Massnahmen fest, die im Gewerbe, in industriellen Betrieben, in Verkehrsanstalton und öffentlichen Gebäuden zum Schutze gegen die Tuberkulose zu treffen sind. Das Postulat Siegrist regt den Erlass einer Vollziehungsverordnung zu Art. 8 an, um in diesen Betrieben Erkrankungen an Tuberkulose möglichst früh zu erfassen und einer rechtzeitigen Heilung zuzuführen. Das Personal der genannten Unternehmen ist in der Tat sehr oft einer erhöhten Infektionsgefahr ausgesetzt. Ständiges enges
Zusammenleben am Arbeitsplatz oder dauernder Verkehr mit einem grossen Publikum bedingen eine erhöhte Gefahr der Infektion durch unbekannte Bazillenstreuer, anderseits bedeuten offentuberkulöse Personen in diesen Betrieben eine Gefährdung für besonders grosse Zahlen von · Personen. Indem der Gesetzesentwurf die Möglichkeit gibt, die Untersuchung dieser besonders gefährdeten Bevölkerungskreise auf dem Gesamtgebiet des Landes anzuordnen, entspricht er der durch das Postulat Siegrist verfolgten. Absicht.

Die Untersuchung grosser Teile der Bevölkerung oder der Gesamtbevölkerang wird selbstverständlich nur schrittweise eingeführt werden können.

Dies ist nicht nur aus organisatorischen und technischen, sondern auch aus psychologischen Gründen notwendig. Die verschiedenen geographischen Bedingungen, die Unterschiede im Bevölkerungsaufbau und im verfügbaren

483

ärztlichen Personal machen eine "Anpassung an die örtlichen Verhältnisse notwendig, der im Gesetzesentwurf dadurch Eechnung getragen ist, dass der Bundesrat die Möglichkeit hat, seine Anordnungen auf bestimmte Bcvölkerungsgruppen zu beschränken. Daneben haben aber die Kantone die Befugnis, sofern sie dazu in der Lage sind, in ihren Anordnungen weiter zu gehen als der Buiidesrat.

Die Häufigkeit der Untersuchungen wird auf dem Verordnungswege festzusetzen sein und soll je nach der Gefährdung der einzelnen Berufsgruppen vorschieden sein. Im allgemeinen wird der Abstand zwischen don einzelnen Untersuchungen auf Grund medizinischer Beobachtungen und Überlegungen zu wählen sein. Dieso werden aber nicht allein den Ausschlag geben, weil Hindernisse praktischer, vor allem finanzieller Natur allzu häufigen Untersuchungen entgegenstehen. Dabei wird aber in Eechnung- gesetzt werden müssen, dass bei zu grossun Abständen die investierten Mittel schlecht angelegt sind. Heute wird damit gerechnet, dass ein zwei- bis dreijähriger Turnus angemessen und im Bereiche der praktischen Möglichkeit sein dürfte.

Der Entwurf nennt keine bestimmte Untersuchungsmethode. Beim heutigen Stande der Technik kommt für grosse Bevölkernngsgruppen nur die Schirmbildphotographie in Frage. Es liegt aber im Bereich der Möglichkeit, dass diese im Laufe der Zeit durch eine andere, noch vollkommenere Methode ersetzt wird. In diesem Falle würde eine Anpassimg an neue technische Fortschritte keine Gesetzesänderung bedingen. Die Kantone sorgen zwar für die Durchführung der Untersuchungen. Dadurch, dass dem Bundesrat aber die Ermächtigung gegeben wird, durch Verordnung die einheitliche Durchführung zu sichern, hat er die Möglichkeit, eine bestimmte Methode, wie die in dor Motion Bircher genannte Schirmbildphotographie, vorzuschreiben. Er wird ferner auf Grund dieser Bestimmung die nötigen Anordnungen für den in der Motion ebenfalls verlangten Kataster treffen können.

Im Zusammenhang mit den Bestimmungen über die, Untersuchungen erweist es sich als notwendig, einzelne Artikel des bisherigen Tuberkulosegesetzes zu ergänzen. Es soll damit erreicht werden, dass sich die ganze Untersuchungsaktion nicht einfach in dor Errichtung eines Katasters erschöpft, sondern dass dort, wo Infektionsquellen aufgedeckt werden, auch die Möglichkeit besteht,
die zum Schutze des Kranken und der Umgebung notwendigen.

Massnahmen zu treffen. Es handelt sich um die Ergänzurig der Vorschrift über die Pflicht zur Meldung ansteckungsgefährlichcr Tuberkulöser (Art. 2 des Tuberkulosegesetzes) und über die Anordnung bestimmter Schutzmassnahmen gegen die Wcitcrverbreitung der Krankheit (Art. 3 des Tuberkulosegesetzes).

Diese Bestimmungen finden sich in Art. 7 des Ergänzungsgesetzes und werden später bei der Besprechung der einzelnen Gesetzesartikel näher erläutert.

Mit den genannten Bestimmungen wird der erste Teil der Motion Bircher berücksichtigt. Im zweiten Teil ersucht der Motionär den Bundesrat, die gesetzlichen und finanziellen Grundlagen der Tuberkulosebekämpfung dahin zu

484 erweitern, daSS auch der zweiten für den Menschen gefährlichen Infektionsquelle, dem tuberkulösen Tier, vermehrte Aufmerksamkeit geschenkt wird.

Über die Bedeutung des Erregers der Bindertuberkulose, des sogenannten Typus bovinus, für die Tuberkulose des Menschen in der Schweiz liegen bis jetzt aber nur sehr wenige Untersuchungen vor. Es fehlen uns vor allem Untersuchungen über die Häufigkeit der bovinen Infektion des Menschen im Verhältnis zu sämtlichen tuberkulösen Infektionen und über die epidemiologischen Zusammenhänge, d. h. über die verschiedenen Ubertragungsarten vom Tier auf den Menschen und umgekehrt und über die Weiterverbreitung der bovinen Infektion von Mensch zu Mensch. Die Abklärung dieser Fragen bildet eine Grundbedingung für die Planung der Tuberkulosebekämpfung beim Menschen in dieser Sichtung. Seit längerer Zeit sind daher in einem umschriebenen Gebiete des Landes entsprechende Untersuchungen im Gange. Weil die notwendigen wissenschaftlichen Unterlagen vorläufig noch fehlen, ist es zurzeit nicht möglich, in dieser Hinsicht gesetzliche Bestimmungen aufzustellen. Wir behalten uns vor, sobald wie möglich auf die Frage der Bekämpfung der bovinen Infektion des Menschen zurückzukommen und Ihnen die entsprechenden Vorschläge zu unterbreiten.

2. Die sozialpolitischen Massnahmen.

a. Nach der bisherigen Regelung beruht dio wirtschaftliche Hilfe für die Tuberkulösen einerseits auf der Versicherung, anderseits auf der off entheben oder privaten Fürsorge. Abgesehen davon, dass durch die Versicherung nur ein Teil der Bevölkerung erfasst wird, da kein schweizerisches Obligatorium besteht, vermochten die bisherigen Leistungen nicht mehr einen genügenden wirtschaftlichen Schutz für den Versicherten und seine Familie zu gewähren.

Die Erkrankten, soweit sie bedürftig sind, sind deshalb zum Teil auf die private Fürsorge oder auf Unterstützung der öffentlichen Hand angewiesen. Die unter der Dachorganisation der «Schweizerischen Vereinigung gegen die Tuberkulose» ·zusammengefaasten Ligen betreuten im Jahre 1944 in 480 Fürsorgestellen 94 500 Personen. Die Ausgaben für diese Tätigkeit betrugen 7 605 900 Franken, an die von Krankenkassen, Angehörigen der Kranken, Behörden usw. Bückerstattungen im Betrage von 3 798 943 Pranken geleistet wurden. An die restlichen Ausgaben leistete der Bund einen
Beitrag von 966 898 Franken, so dass sich die von den Fürsorgeorganisationen selber aufgebrachten Mittel an die Ausgaben des Jahres 1944 auf 2 800 000 Franken beriefen. Die Beschaffung der Mittel für Kurfinanzierungen und für die Unterstützung der Familien der Kranken bildet heute eine Hauptaufgabe der Fürsorgestellen. Obwohl sich diese nach Kräften bemühen, zu verhindern, dass der Tuberkulöse infolge seiner Krankheit armengenössig wird, lässt sich dies sehr häufig, besonders bei langdauernden Fällen, nicht vermeiden. Es muss im Gegenteil festgestellt werden, dass die Kategorie der Selbstzahler je länger um so kleiner wird und ein immer grösserer Prozentsatz der Kranken auf die Gruppe der von der öffentlichen Hand Unterstützten entfällt. Die Finanzierungsaufgaben belasten

485 die Fürsorgestellen ausserordentlich stark und halten sie zu sehr von andern Aufgaben der Tuberkulosebekämpfung ab, die in erster Linie ihre Tätigkeit bilden sollten (Umgebungsuntersuchungen, Betreuung der Familien und der Kurentlassenen). Die bisher durchgeführten Eeihenuntersuchungen bürdeten den Fürsorgestellen erhebliche Mehrarbeit auf und belasteten sie auch finanziell.

Trotz Subventionen von Bund, Kantonen und Gemeinden und privaten Aufwendungen haben manche Fürsorgestellen mit finanziellen Schwierigkeiten zu kämpfen, so dass die durch die vermehrte Erfassung der Tuberkulösen entstehenden Mehrausgaben für viele auf der bisherigen Finanzierungsgruhdlage kaum tragbar sein werden.

Als besonders drückend werden die mit der Armenunterstützung verbundenen Eechtsfolgen empfunden. Die Patientenvereinigung «Das Band» stellt sich deshalb in ihrer Eingabe zur Eevision des Kranken- und Unfallversicherungsgesetzes auf den Standpunkt, dass spätestens im Zusammenhang mit dieser jeder Tuberkulöse einen Rechtsanspruch auf Übernahme der Behandlungskosten und auf den wirtschaftlichen Schutz der Familie durch die Versicherung haben sollte.

Es unterliegt keinem Zweifel, dass Massnahmen zur Früherfassung der Tuberkulose, wie sie der Entwurf vorsieht, nur Erfolg haben können, wenn damit wenigstens für die weräg bemittelten Bevölkerungskreise die Sicherstellung der Behandlung der Kranken und der w i r t s c h a f t l i c h e Schutz ihrer Familien verbunden wird.

6. Dieses Ziel lässt sich grundsätzlich auf zwei Arten erreichen, entweder durch die Einführung einer staatlichen Fürsorge, d. h. ohne Beitragsleistung der dadurch erfassten Personen, oder durch die Einführung der K r a n k e n versicherungspflicht, verbunden mit der Pflicht zur bosondern Versicherung gegen T u b e r k u l o s e , also durch Schaffung einer auf dem Prämiensystem beruhenden Einrichtung.

Wir sind der Auffassung, dass die Lösung der Frage grundsätzlich auf dem Wege der Versicherung und nicht auf demjenigen der Fürsorge gesucht werden muss. Es schiene uns nicht richtig zu sein, im Falle der Tuberkuloseerkrankung, im Gegensatz zum übrigen Schutz vor den wirtschaftlichen Folgen von Krankheit, an Stelle der (staatlich geförderten) Selbsthilfe die einseitige Hilfe durch die öffentliche Hand treten zu lassen. Es muss und soll auch für den
Fall der Erkrankung an Tuberkulose in erster Linie Sache der Beteiligten sein, im Rahmen ihrer finanziellen Leistungsfähigkeit die nötige Vorsorge zu treffen und die Hilfe dos Staates nur insoweit in Anspruch zu nehmen, als dio Schaffung einer ausreichenden Sicherung ihre eigenen Kräfte übersteigt. Dazu kommt, dass als Korrelat zu'der Prämienleistung den Versicherten und ihren Familien beim System der Versicherung ohne weiteres ein unbedingter Rechtsanspruch auf die Versicherungsleistungen zusteht, während eine staatliche Fürsorge sich nur auf den Kreis der Bedürftigen erstrecken und damit keinen unbedingten Eechtsanspruch auf Leistungen in sich schhessen könnte, da der

486

Einbezug weiterer Kreise und die Ausrichtung von Leistungen ohne Rücksicht auf den Bedarf aus finanziellen Gründen nicht möglich wäre. Gerade für den Fall der Erkrankung an Tuberkulose sollte aber nicht nur den Bedürftigen, d. h.'den im Krankheitsfall ohne weiteres auf eine Hilfe angewiesenen Personen, sondern auch den w e n i g b e m i t t e l t e n Kreisen ein wirtschaftlicher Schutz gewährt werden, also auch jenen Personen, die zwar im Krankheitsfall noch über einen gewissen finanziellen Bückhalt (z. B. in Form, von Einnahmen oder Ersparnissen) verfügen, für die aber trotzdem auf die Dauer die wirtschaftlichen Folgen einer Erkrankung und insbesondere der Erkrankung an Tuberkulose nicht tragbar sind. Endlich muss darauf hingewiesen werden, dass sowohl aus staatsrechtlichen wie auch aus praktischen Gründen Fürsorgemassnahmen, die ihrem "Wesen nach eine individuelle Hilfe bezwecken, nicht Sache des Bundes sein können, sondern dass derartige Aufgaben in erster Linie in den Tätigkeitsbereich der Gemeinden und allenfalls der Kantone fallen. Der Bund muss sich, wenn immer möglich, darauf beschränken, Sozialpolitik in der Form der Versicherung als einer nach allgemeinen Grundsätzen durchzuführenden und deshalb leichter einheitlich zu regelnden Einrichtung zu treiben. Nicht zuletzt fällt schliesslich ins Gewicht, dass wir bereits über eine gut ausgebaute Kranken- und Tuberkuloseversicherung verfügen, welche die neuen Aufgaben übernehmen kann.

Wir sehen darum im Entwurf vor, dass, soweit die periodische Reihenuntersuchung eingeführt wird, gleichzeitig auch die obligatorische Kranken- und T u b e r k u l o s e v e r s i c h e r u n g für die dadurch erfassten wenigb e m i t t e l t e n Kreise vorgeschrieben wird. Damit wird auch ein wesentlicher .Teil der von beiden Bäten angenommenen Motion Seeinatter erfüllt.

c. Gemass Art. 84bls der Bundesverfassung steht dem Bund die Kompetenz zu, die K r a n k e n v e r s i c h e r u n g einzurichten und sie allgemein oder für einzelne Bevölkerungskreise obligatorisch zu erklären. Nach der geltenden Regelung in Art. 2 des Bundesgesetzes vom 13. Juni 1911 über die Krankenund Unfallversicherung hat aber, der Bund von dieser Kompetenz selbst keinen Gebrauch gemacht, sondern sie auf die Kantone rückübertragen, die sie ihrerseits den Gemeinden überlassen können. Diese
Regelung hat zu einer ziemlich unterschiedlichen Entwicklung der Krankenversicherung, insbesondere auch der obligatorischen Versicherung, in den. einzelnen Landesgegenden geführt. Das gleiche gilt für die Entwicklung der Tuberkuloseversicherung im Sinne von Art. 15 des Bundesgesetzes vom 13. Juni 1928 betreffend Massnahmen zur Bekämpfung der Tuberkulose, da diese Leistungen nicht Pflichtleistungen der Krankenkassen sind. Ein Überblick über den gegenwärtigen Stand der Kranken- und der Tuberkuloseversicherung ergibt jedoch, dass sich die hinsichtlich des Versichertenkreises und der Versichemngsleistungen noch bestehenden Mängel verhältnismässig leicht beheben lassen, so dass die gegenwärtige Versicherung ohne grosse Schwierigkeiten im nötigen Umfang ausgebaut und erweitert werden kann..

487

Die Kantone Basel-Stadt, St. Gallen, Thurgau haben die Krankenversicherung von Kantons wegen für Bevölkerungsgruppen obligatorisch erklärt, deren Einkommen eine gewisse Grenze nicht übersteigt, St. Gallen zudem auch für Aufenthalter. Die letztern sind auch in Appenzell A.-Eh. der obligatorischen Krankenversicherung unterstellt. Daneben haben diese Kantone (mit Ausnahme des Stadtkantons Basel) ihren Gemeinden, das Eecht überlassen, für ihr Gebiet den Versicherungszwang über die kantonalen Obligatoriumsgrenzen hinaus auszudehnen. Die Kantone Frciburg, Solothurn, Waadt und Genf haben eine von Kantons wegen obligatorische Kinder- oder Schülerversichernng. Der Kanton Solothun hat zudem das Eecht, die Krankenversicherung allgemein oder für bestimmte Bevölkerungsgruppen obligatorisch zu erklären, an seine Gemeinden delegiert. Die Delegation der Befugnis zur Einführung des Krankenversicherungsobligatoriums an die Gemeinden besteht auch in den Kantonen Zürich, Luzern, Uri, Schwyz, Schaffhausen, Graubünden, Tessin, Bern und Wallis. Von diesen Kantonen besitzt der Kanton Graubünden in 197 von 221 Gemeinden ein allgemeines und in Chur, Arosa und Davos ein beschränktes Krankenversicherungsobligatorium. Im Kanton Tessin haben 214 von 257 Gemeinden ein allgemeines Obligatorium eingeführt, während Lugano ein beschränktes Obligatorium besitzt. Im Kanton Zürich haben 6 Gemeinden (darunter die Städte Zürich und Winterthur), in Luzern 4 (darunter die Stadt Luzern), in Uri und Schwyz je eine Gemeinde, in Solothurn 10 Gemeinden (darunter die Städte Ölten und Solothurn) und in Schaffhausen 3 Gemeinden vom Eecht zur Einführung der Versicherungspflicht (abgegrenzt nach dem Einkommen) Gebrauch gemacht. Im Kanton Bern, der seine Gemeinden ebenfalls zur Einführung des Obligatoriums für Kinder und Erwachsene ermächtigt hat, haben bis jetzt nur 7 Gemeinden durch Einführung von Kinder- oder Schülerobligatorien diese Kompetenzen zur Anwendung gebrächt. Im"Kanton Wallis sind die Gemeinden nur zur Einführung des Schülerobligatoriums ermächtigt, das bis heute durch 88 von 170 Gemeinden eingeführt ist. Die Kantone Appenzell I.-Eh. und Zug besitzen zwar Erlasse über ein kantonales Krankenversicherungsobligatoriuin, doch ist dieses bis heute noch nicht eingeführt worden.

Die Leistungen der obligatorischen Krankenversicherung bestehen
am häufigsten in der Pf le g e Versicherung. Gelegentlich ist es möglich, sie durch eine Taggeldversicherung zu ersetzen. In den Kantonen St. Gallen und Appenzell A.-Eh. sowie in einigen weiteren Gemeinden muss neben der PflegeVersicherung auch noch eine solche für ein gewisses Taggeld bestehen.

Die T u b e r k u l o s e v e r s i e h e r u n g ist von Gesetzes wegen als Pflichtleistung der Krankenkassen für die Versicherungspflichtigen vorgeschrieben im Kanton St. Gallen, in den meisten Kreisen und Gemeinden des Kantons Graubünden, welche die obligatorische Krankenversicherung eingeführt haben, sowie in der Stadt Zürich, in Winterthur, in Küsnacht und Horgen, An den übrigen Orten (z. B. in Basel) haben die obligatorisch Versicherten zum grossen

488

Teil ebenfalls Anspruch auf die verlängerte Leistungsdauer bei Tuberkulosebehandlung in einer anerkannten Heilanstalt, sofern sie ihre Versicherungspflicht in einer Kasse erfüllen, welche diese Mehrleistung in ihren Statuten vorsieht.

d. Im übrigen beruht die Krankenversicherung und die Tuberkuloseversicherung auf Freiwilligkeit. Immerhin ist auch in Gegenden ohne Obligatorium die Krankenversicherung ziemlich weit verbreitet. Dio freiwillig Versicherten gehören der Tuberkuloseversicherung jedoch nur dann an, wenn sie einer Krankenkasse angeschlossen sind, welche die Tuberkuloseversicherung eingeführt hat, e. Genussberechtigte Versicherte nach W o h n k a n t o n e n am 81. Dezember 1945.

Wohnsitz der Versicherten im Kanton Zürich Bern Ludern .

Uri . , Schwyz , . .

Obwalden . . .

Nidwaiden . . . .

Glarus . , .

Zua Fribourg . . . .

Solothurn . . . .

Basel- Stadt . .

Basel-Land. . . .

Schaffhausen . . .

Appenzell A. -Rh. .

Appenzell I.-Rh. .

S t . Gallen . . . .

Graublinden . . .

Aargau Thurgau .

Ticino . , Vaud Valais . .

Neuchâtel . . . .

Genève . . . .

Ausland .

Total 1

Genussberechtigte Versicherte Total Männer

Trauen

Kinder

222 899 139 754 88694 6612 11687 2666 3633 10 043 8081 15160 50864 67498 24408 19097 11372 1284 78824 48 551 61 933 40958 43660 34859 41 363 20894 28286 1475 1 028 555

233 100 114 542 41807 4888 11862 8147 3012 11011 9848 10658 45499 73885 27110 16 972 12228 1501 83262 45 260 58612 40008 47810 26863 84186 15988 22 294 1385 996 788

99764 33015 20582 2469 5179 1047 1904 5751 4766 22875 34076 26989 12603 9779 3191 414 28463 30863 27618 14798 20807 41158 29812 8067 17609 707 499306

Absolut

Auf 100 Einwohner 1)

555 263 287 811 101 083 13969 28728 6860 8549 26805 22695 48693 130 439 168 372 64121 45 848 26791 3199 190 049 119 674 148 163 95764 112 277 102 880 105 361 39949 68189 3567 2 524 599

79,3 38,1 47,1 48,3 41,6 32,7 46,5 75,7 59,1 31,0 8] ,5 96,2 66,4 83,8 60,6 24,2 65,4 91,0 53,1 67,8 68,4 29,1 68,3 32,7 36,8 57,8 2)

) Geschätzte mittlere Wohnbevölkerung.

) Versicherte mit Wohnsitz in der Schweiz auf 100 Einwohner (geschätzte mittlere Wohnbevölkerung).

2

489 Über die Versicherungsdichte, einschliesslich der obligatorischen Krankenversicherung, in den einzelnen Kantonen am 81. Dezember 1946 orientiert die vorstehende Tabelle. Versicherte, die bei zwei Kassen versichert sind, wurden allerdings doppelt gezählt ; ihre Zahl, die sich nicht genau ermitteln lässt, übersteigt jedoch auf keinen Fall 10 Prozent des Bestandes an Versicherten. Ferner konnten die Tuberkuloseversicherten nicht nach Kantonen ausgeschieden werden, weil hierüber entsprechende Angaben von den Kassen nicht verlangt wurden.

Die vorstehenden Ausführungen zeigen, dass die Versicherungsdichte in den einzelnen Kantonen zwar ungleich ist, dass die Krankenversicherung aber bereits jetzt schon soweit über das ganze Land verbreitet ist, dass sie ohne weiteres zur Grundlage für den wirtschaftlichen Schutz von Tuberkulosekranken gemacht werden kann. Auch geht aus der Tabelle hervor, dass für weite Bevölkerungskreise keine Änderung eintritt, da für sie die V e r s i c h e r u n g s p f l i c h t an die Stelle der freiwilligen Versicherung treten wird.

/. Aus der Tuberkulosebekämpfung nahestehenden Kreisen ist die Frage aufgeworfen worden, ob nicht die Tuberkuloseversicherung unabhängig von der Krankenversicherung durch ein allgemeines Volksobligatorium gerogelt werden sollte. Der Gedanke, dass in die Tuberkulosevorsicherung wenn möglich die ganze Bevölkerung einbezogen werden sollte, wurde uns auch von einem Kanton nahegelegt. Dabei spielt die an sich richtige Überlegung eine Eolle, dass die wirtschaftlichen Folgen der Tuberkulose im Gegensatz zu jenen vieler anderer Krankheiten so schwerwiegend sind, dass die Versicherung gegen dieses Bisiko für weitere Kreise notwendig ist als eine Versicherung gegen das allgemeine Krankheitsrisiko. Wir haben diese Frage einer selbständigen, für das ganze Volk obligatorischen Tuberkuloseversicherung einlässlich geprüft, sind jedoch zum Schluss gekommen, dass wenigstens von Bundes wegen auf eine solche Begelung verzichtet werden sollte. Gorade bei Tuberkulösen spielt eine genügende Vorsorge nicht nur für die, Erkrankung an Tuberkulose, sondern auch für interkurrente, d. h. nicht durch die Tuberkulose verursachte Krankheiten eine grosse Bolle, kann doch ihr Gesundheitszustand durch solche Krankheiten verschlimmert oder sogar ein Bückfall hervorgerufen werden. Für
die wenig bemittelten Bevölkerungskreise ist es deshalb eine unbedingte Notwendigkeit, dass der Schutz der Versicherung sich nicht nur auf die Folgen der eigentlichen Tuberkuloseerkrankung erstreckt, sondern auch interkurrente Krankheiten umfasst. Würde man dio Tuberkuloseversicherung für sich allein gestalten, so müsste diese deshalb für alle einmal an Tuberkulose Erkrankten auch Leistungen bei interkurrenten Krankheiten umfassen. Das würde aber zu nichts anderem als zu einer beschränkten, neuen Krankenversicherung für gewisse Personen und damit zu einer unerwünschten Doppelspurigkeit mit der Krankenversicherung führen. Denkbar wäre allerdings, neben der selbständigen Tuberkuloseversicherung eine davon getrennte allgemeine Krankenversicherung einhergehen zu lassen; allein dies

490 würde ohne Zweifel für den Versicherten zu unerfreulichen Auseinandersetzungen über die Leistungspflicht der einzelnen Versicherungsträger führen.

Vorbindet man jedoch die Tuberkuloseversicherung, wie dies bis anhin geschah, mit der allgemeinen Krankenversicherung in der Weise, dass bei Tuberkulose besondere Leistungen vorgesehen - werden, bei interkurrenten Krankheiten aber die ordentliche Krankenversicherung in die Lücke tritt, so wird der nötige Schutz und die zweckrniissige Einheit in der Durchführung der Versicherung ohne Schwierigkeiten erreicht. Es darf auch nicht ausser acht gelassen werden,., dass die Tuberkulosemorbidität in der Krankenversicherung immerhin nur 5 Promille beträgt. Wir befürchten, dass es gerade in weniger bemittelten Kreisen nicht verstanden würde, wenn an eine Versicherungseinrichtung für ein an sich geringes Eisiko besondere Prämien entrichtet werden müsston, die, wenn sie auch nicht sehr gross. sind, für den bescheidenen Haushalt doch ins Gewicht fallen. Bei der Verbindung der Tuberkuloseversicherimg mit der Krankenversicherung werden dagegen die für die beiden Vorsicherungen nötigen Prämien miteinander verbunden und damit ohne Zweifel die Beiträge zur Deckung des geringeren Tuberkuloserisikos bereitwilliger übernommen.

Immerhin glaubten wir, den Wünschen auf Schaffung einer selbständigen Tuberkuloseversicherung dadurch Eechnung tragen zu- sollen, dass wir die Einführung eines derartigen Obligatoriuins den K a n t o n e n überlassen. Diese sollen entscheiden, ob sie es nach ihren regionalen Verhältnissen als nötig erachten, über die obligatorische Kranken- und Tuberkuloseversicheruug für Wenigbemittelte hinaus noch ein selbständiges T u b e r k u l o s e v e r s i c h e r u n g s o b l i g a t o r i u m für weitere Kreise einzuführen. Der Bundesrat wird nach Annahme dieses Gesetzes in Ausführung von Art. 15 des Bundesgesetzos vom 13. Juni 1928 betreffend Massnahmen zur Bekämpfung der Tuberkulose die Voraussetzungen zu umschreiben haben, unter welchen die Bundesbeiträge der Tuberkuloseversicherung auch für diese Versicherten .gewährt werden können.

g. Obwohl das Schwergewicht auf der Versicherung liegt, werden noch weitere soziale Massnahmen ergriffen werden müssen. Es. sind "dies gewisse zusätzliche Fürsorgeleistungen f ü r B e d ü r f t i g e . Einmal muss
dafür gesorgt, werden, dass auch die nicht versicherungsfcähigen Personen sowie Versicherte, welche die Bezugsberechtigung in der Versicherung erschöpft haben, einen-wirtschaftlichen Schutz erhalten. Ferner muss für die den angeordneten Untersuchungen und damit der Versicherungspflicht nicht unterstellten Personen, die nicht oder nur ungenügend versichert sind, gosorgt werden. Es.würde nicht verstanden werden, wenn diese Personen, die nicht auf Grund von Eeihenuntersuchungen, sondern auf irgendeine andere Art als krank und insbesondere tuberkulosekrank ermittelt würden, keinen Schutz gemessen würden, obwohl sie sich zwar von sich aus, aber doch auch im allgemeinen Interesse untersuchen liessen. Für diese Personen muss deshalb ebenfalls eine ergänzende Fürsorge vorgesehen- werden.

491 Aus grundsätzlichen, rechtlichen und praktischen Erwägungen muss sich der Bund ·-- wie gesagt -- darauf beschränken, in erster Linie die Versicherung zu fördern, während die Fürsorge ihrem Wesen nach Sache der Kantone oder Gemeinden bleiben muss. Die Durchführung der Fürsorge obliegt deshalb den Kantonen. Immerhin ist vorgesehen, dass sich der Bund an den Fürsorgeleistungen der Kantone mit einem Beitrag beteiligt (Art. 5 und 6 des Entwurfes).

Die Kantone haben indessen die Möglichkeit, gestützt auf Art. 2 des Bundosgesetzes vom 13. Juni 1911 über die Kranken- und Unfallversicherung, für die Ausdehnung der obligatorischen Krankenversicherung über den Eahmen des vorliegenden Entwurfes hinaus zu sorgen und damit die Fürsorgeleistungen zu vermindern. Die Fürsorge soll und wird daher nur vorübergehenden Charakter haben.

h. Es wird Aufgabe der die Versicherungspflicht anordnenden eidgenössischen und kantonalen Behörden sein, die Versicherungsleistungen im Obligatorium -- ausgehend von den Mindestleistungen in der Kranken- und Tuberkuloseversicherung -- nach den regionalen Bedürfnissen festzusetzen.

Dies gilt vor allem für das Krankengeld (vgl. die Hinweise zu Art. 4 im Abschnitt VIII dieser Botschaft). Die Pf le geleistungen gemäss Krankenv e r s i c h e r u n g s g e s e t z können dagegen im allgemeinen als genügend betrachtet werden.

Die bisherigen Leistungen der T u b e r k u l o s e v e r s i c h e r u n g waren bis heute -- wie bereits bemerkt -- noch ziemlich bescheiden. Nun ist aber am 16. Juli 1947 die Verordnung II erlassen worden, welche die bisher geltende Verordnung I vom 19. Januar 1944 im Sinne einer Erhöhung der Minimalleistungen abändert und ergänzt. Durch diesen Ausbau der TuberkuloseVersicherung werden deren Mindestleistungen mit Wirkung vom 1. Januar 1948 an wie folgt verbessert: Erhöhung der täglichen Kurbeiträge für Kinder von 2 auf 8 Franken und für Erwachsene von 8 auf 4 Franken. Ausrichtung eines Beitrages an grössere operative Eingriffe bis zu 100 Franken je Eingriff, Auszahlung des Krankengeldes auch nach Beendigung der Sanatoriumskur für die Dauer von höchstens drei Monaten, wodurch die Wiedereingliederung in den Arbeitsprozess erleichtert werden soll, Erhöhung der Bundesbeiträge für Kurbeiträge von Fr. l. 50 auf Fr. 8 für Kinder und von Fr. 2 auf Fr. 4 für Erwachsene
sowie für die ausgerichteten Krankengelder von Fr. 2 auf Fr. 6 im Tag; friüieres Einsetzen der Bundesbeiträge und zwar für Kinder vom 61. statt 91. und für Erwachsene vom 121. statt 151. Anstaltstag an. Es können somit tägliche Kurbeiträge bis zu Fr. 6 für Kinder und Fr. 8 für Erwachsene sowie Taggelder bis zu Fr. 12 für Erwachsene durch die Versicherungsträger ausgerichtet werden, unter Anspruch auf eine Bundessubvention von 50 Prozent nach Ablauf der oben erwähnten Fristen. Ferner wird die Leistungsdauer von 540 auf 720 Tage und in besonderen Fällen sogar auf 1080 Tage innerhalb eines Zeitraums von fünf aufeinanderfolgenden Jahren ausgedehnt.

492

i. Mit der Einführung der Versicherungspflicht und der ergänzenden Fürsorge kann das Postulat Spühler in seinem 2. und 8. Punkt als erfüllt betrachtet werden.

Was die im Postulat Spühler verlangte Errichtung einer genügenden Zahl von Tuberkuloseheilanstalten betrifft, so sieht der Entwurf keine Änderung der bisherigen Regelung vor. Von 1944 bis Ende 1946 wurden für Ankauf, Neubau, Umbau und Erweiterung von Heilstätten Bundesbeiträge im Gesamtbetrag von Fr. l 925 221 an Ausgaben in einer Höhe voti Fr. 9 845 232 zugesichert. Die Bettenzahl in den vom Bunde als subventionsberechtigt anerkannten Anstalten zur Behandlung der Tuberkulose ist dadurch um 1212 angestiegen. In Behandlung stehen zur Zeit Subventionsgesuche, die eine weitere Vermehrung der Zahl der Krankenbetten um 571 vorsehen. Es zeigen sich daraus die grossen Anstrengungen, die von selten der Kantone gemacht werden, um dem Bettenmangel zu steuern. Ausserdem sind einzelne Kantone dazu übergegangen, durch eine bessere Organisation der Bettenbelegung, die sog. «Bettenplanung», die Hospitalisierungsmöglichkeiteii zu verbessern. Auf eine bei den Kantonen gemachte Umfrage ging seinerzeit hervor, dass es auch Kantone gibt, die jetzt schon der durch die Untersuchung der Bevölkerung zu erwartenden Vermehrung, der Hospitalisierungsfälle gewachsen zu sein glauben. Aus allem ergibt sich, dass der bisher verfolgte Weg, die Mitwirkung des Bundes bei der Bettenbeschaffung auf die Ausrichtung von Bundesbeiträgen zu beschränken, nicht verlassen werden sollte.

k. Zum wichtigen Teil der T u b e r k u l o s e - N a c h f ü r s o r g e , die das Postulat Spühler ebenfalls erwähnt und mit der sich früher nur die Fürsorgesteilen der Tuberkuloseligen befassten, ist zu sagen, dass diese zur Zeit in fortschreitendem Aufbau begriffen ist. Während die Ligen ihre Hauptaufgabe in der medizinischen Nachfürsorge sehen, setzen sich andere Vereinigungen, wie «Das Band», die soziale Nachfürsorgo zum Hauptziel. «Das Band» sucht dies auf zwei Wegen zu erreichen, einmal durch Errichtung bestimmter Arbeitsgelegenheiten wie Werkstätten, dann aber auch durch Beratung, Hilfeleistung und Stellenvermittlung für den einzelnen. Dabei wird je nach der Arbeitsfähigkeit des Patienten versucht, diesen entweder in seinem früheren Beruf zu beschäftigen oder durch Umschulung seiner reduzierten
Arbeitsfähigkeit eine Betätigungsmöglichkeit zu geben oder ihm die Möglichkeit zur Heimarbeit zu verschaffen. Wesentlich ist dabei, dass die Nachfürsorge schon im Sanatorium beginnt und dort versucht wird, die Kurzeit für spätere Bedürfnisse nutzbar zu machen und den Willen zur Behauptung aus eigener Kraft lebendig zu erhalten. Gleiche Ziele wie «Das Band» verfolgen in der welschen Schweiz das «Lien» und im Tessin die «Solidarietà». Es besteht kein Zweifel darüber, dass durch eine sinnvolle Zusammenarbeit zwischen den Organen der « Schweizerischen Vereinigung gegen die Tuberkulose» und den Vereinigungen wie «Das Band» für die Nachfürsorge in medizinischer und sozialer Hinsicht Wertvolles geleistet werden kann. Im Hinblick auf das Wesen der Nachfürsorge, die sich mit dem einzelnen Fall zu beschäftigen hat und sich deshalb besonders für

4Q3 die Tätigkeit privater Organisationen eignet, empfiehlt sich die Mitwirkung des Bundes in der Form der finanziellen Unterstützung solcher Institutionen.

Bereits wurde daher «Das Band» als subventionsberechtigte Organisation anerkannt.

Die Tuberkulosesiedehmgen, von denen im Postulat Spühler ebenfalls die Eede ist, sollen zur Aufnahme von chronisch ansteckenden, einem Heilverfahren nicht mehr zugänglichen Kranken bestimmt sein und diesen die Möglichkeit verschaffen, ihrem Leben trotz ihres Leidens durch Ausübung einer angepassten Tätigkeit einen Inhalt zu geben. Dio Tuberkulosetherapie bemüht sich mit ständig wachsendem Erfolg, die Zahl solcher Kranken immer mehr zu senken. Ihr Ziel ist, die Tuberkulosen soweit wie möglich wieder einem normalen Leben zurückzugeben. Die Früherkennung der Tuberkulose durch umfassende Untersuchungen, wie sie der Gesetzesentwurf vorsieht, wird zweifellos das ihrige dazu beitragen, dieses Ziel in Zukunft bei einer noch grössern Anzahl von Kranken zu erreichen. Die Siedelung ist daher das letzte Zufluchtsmittel; sie soll überdies dazu dienen, die Sanatoriumsbetten für diejenigen Kranken zu reservieren, die gute Heilungsoder Besserungsaussichten bieten. Nach Art. 10 des heutigen Tuberkulosegesetzes ist die Errichtung von Heimstätten Sache der Kantone; der Bund subventioniert ihre Einrichtung und den Betrieb. Es erscheint heute weniger als je angezeigt, von diesem Vorgehen abzuweichen.

VU. Die finanziellen Auswirkungen des Ergänzungsgesetzes.

1. Die medizinischen Massnahmen.

a. Die bisherige Subventionierung der Schirmbilduntersuchungen erfolgte in der Weise, dass die von den Kantonen errichteten Organisationen als «Fürsorgedienste zur Ermittlung der Tuberkulösen» im Sinne von Art. 10 des Tuberkulosegesetzes anerkannt wurden. An derartige Einrichtungen leistet der Bund nach Art. 14 des Tuberkulosegesetzes Beiträge in der Höhe von 25 bis 33 Prozent ihrer reinen Ausgaben. In Art. 6 des Entwurfes ist vorgesehen, die Kosten der Beihenuntersuchungen nicht mehr durch eine prozentuale Beitragsleistung an die reinen Ausgaben zu subventionieren, sondern den Kantonen für jede Untersuchung einen festen Beitrag, dessen Höhe vom Bundesrat auf dem Verordnungswege festzusetzen ist, auszurichten. Dabei kann der Beitrag für diejenigen Gegenden, in denen die Untersuchungen grössere
Kosten verursachen, zum Beispiel für die Gebirgskantone, höher angesetzt werden als für die übrigen Gebiete.

Diese Art der Subventionierung weist verschiedene Vorteile auf. Vom Standpunkte des Bundes erscheint es als Vorteil, dass seine voraussichtliche maximale Belastung bei Annahme eines bestimmten Beitrages an die einzelne Untersuchung annähernd genau berechnet werden kann, indem die ganze Bevölkerung, die für die Untersuchungen in Frage kommt, der Be-

494 rechnung zugrunde gelegt wird. Wie weit die effektiven Subventionsauslagen unter dem errechneten Maximum liegen werden, kann dagegen nur grob geschätzt werden.

Vom Standpunkt der Kantone aus ergibt sich aus der festen Beitragsleistung des Bundes pro untersuchte Person der Vorteil, dass sie, von diesem feststehenden Element ausgehend, die zur Deckung der restlichen Kosten nötigen Gebühren genauer berechnen können und auch für die Entscheidung der Frage, ob sie überhaupt Gebühren erheben wollen, eine gewisse Grundlage besitzen.

Im Interesse der Tuberkulosebekämpfung rauss danach getrachtet werden, dass -möglichst viele Personen bei möglichst- guter Ausnutzung der notwendigen personellen Organisation und der Apparaturen untersucht werden. Dies wird zweifellos eher dann der Fall sein, wenn ein Beitrag für jede Untersuchung gewährt wird, als wenn einfach die ungedeckten Auslagen subventioniert werden.

Heute kommt für die Bevölkerungsuntersuchungen nur das Schirmbildverfahren in Betracht. Sollte eine bessere technische Méthode im Laufe der Zeit sich der Schirmbildphotographie als überlegen erweisen, so könnten die notwendigen finanziellen Bestimmungen auf dem Verordnungswege der neuen Lage angepasst werden. Ebenso wäre bei der vorgeschlagenen Subveutionsart eine Anpassung dieser Bestimmungen eher möglich, wenn die Erfahrungen mit dem Schirmbild eine solche als notwendig erscheinen Hessen. Werden dagegen feste Subventionsansätze im Gesetz festgelegt, so wäre eine Anpassung viel weniger leicht möglich.

Aus allen diesen Gründen erscheint es zweckmässig, wenn der im Gesetzesentwurf vorgesehenen Subventionsart der Vorzug gegeben und bei der Beitragsleistung an die Reihenuntersuchungen von der in der Tuberkulosebekämpfung sonst allgemein geübten Art der prozentualen Subventionierung der ungedeckten Ausgaben abgegangen wird.

Die voraussichtliche Belastung des Bundes durch die Reihenuntersuchungen könnte in diesem Falle unter der Annahme errechnet werden, dass maximal 3 Millionen Personen in einem Zeitraum von 8 Jahren untersucht werden.

Boi einem Bündesbeitrag von 50 Rappen bis l Franken an jede Schirmbilduntersuchung würde sich die jährliche Ausgabe des Bundes dabei auf 500 000 Franken bis l Million Franken stellen.

b. Das Ergänzungsgesetz wird neben den direkten, durch die Bestimmungen über die
periodische Untersuchung der Bevölkerung bedingten Neuausgaben in nächster Zeit auf indirektem Wege auch weitere, bisherige Ausgaben der Tuberkulosebekämpfung erhöhen.

aa. Durch die bessere Erkennung der Kranken und auch durch die in der neuen Fassung von Art. 2 des Tuberkulosegesetzes (Art. 7 des Entwurfes) genauer umschriebene Meldepflicht werden den Kantonen vermehrte Auslagen für die E n t s c h ä d i g u n g der ärztlichen Meldungen entstehen.

495 An die bisherigen Ausgaben der Kantone für die ärztlichen Anzeigen richtete der Bund in den letzten Jahren im Mittel G800 Franken, an Subventionen aus. Auf Grund der neuen Bestimmungen dürfte dieser Betrag nur unwesentlich, schätzungsweise um 10. bis 20 Prozent, ansteigen.

bb. Bei den Kosten für bakteriologische U n t e r s u c h u n g e n (Art. 4 des Tuberkuloscgesetzes) muss ebenfalls mit einem Anstieg gerechnet werden, da diese in manchen Fällen einen Teil der im Anschluss an die erste Untersuchung durchzuführenden Abklärungsuntersuchungen bilden werden. Bei nicht reduzierten Subventionsansätzen hätte der Bundesbeitrag an die Auslagen der Kantone für bakteriologische Untersuchungen im- Jahre 1944 21 246 Franken betragen. Dieser Betrag dürfte sich, hoch geschätzt, in Zukunft um etwa die Hälfte erhöhen.

cc. Auch die nach Art. 5 des Tuberkulosegesetzes beitragsberechtigten K o s t e n für die D e s i n f e k t i o n werden einen, allerdings.geringen Anstieg erfahren. Die Reihenuntersuchungen sollten aber je länger je mehr die Tuberkulose im geschlossenen Stadium aufdecken, in welchem der Kranke noch nicht infektiös und die Baumdesinfektion daher nicht .nötig ist. Bei unabgebauten Subventionsansätzen 'hätte der Bundesbeitrag an die Kantone und Gemeinden für Desinfektionen 1944 11 785 Franken betragen. Mit einer schätzungsweisen Erhöhung dieses Betrages um 10 bis 20 Prozent dürfte den zu erwartenden Mehrleistungen reichlich Bechnung getragen sein.

da. Bei den unter Art. 10, lit. a, des Tuberkulosegesetzes genannten s u b v e n t i o n s b e r e c h t i g t e n Einrichtungen zur Verhütung der Tuberkulose und zur Kräftigung der tuberkulosegefährdeten Personen sowie bei den unter lit. c genannten Anstalten und Einrichtungen zur Aufnahme und Behandlung Tuberkulöser und ihrer Wiodergewöhnung an die Arbeit werden sich als Folge der bessern Erfassung vermehrte Belegungen, und damit erhöhte Betriebskosten ergeben. Wenn auf Grund bisheriger Untersuchungsergebnisse damit gerechnet werden kann, dass unter den im Schirmbildverfahren untersuchten Personen 4 bis 5 Promille kurbedürftig sind, so bedeutet das aber nicht, dass bei einer Million Untersuchtor pro Jahr 4000 bis 5000 Personen mehr als früher hospitalisiert werden müssen. Die Reihenuntersuchungen werden in einem grossen Teil der Fälle nur den
Zeitpunkt verschieben, an welchem die Aufdeckung erfolgt und die Behandlung einsetzt (Früherfassung). Es muss ferner beachtet werden, dass die Ausdehnung der Untersuchungen bis zu den erreichbaren Maximalzahlen schrittweise erfolgen wird, so dass eine sprunghafte Vermehrung der Hospitalisationen kaum zu erwarten ist, Schliesslich kommt dazu, dass bereits ein erheblicher Teil der Bevölkerung Boihonuntersuchungen durchlaufen hat; für die Jahre 1948 bis 1946 ergeben allein die Armeedurchleuchtungen und die Schirmbildaufnahmen eine Zahl von über 900000 Untersuchungen. Die Zunahme der subventionsberechtigten Pflegetage infolge der Beihenuntorsuchungen muss mit Hilfe von Elementen berechnet werden, die sich einerseits wohl auf die statistischen Ergebnisse der

496 bisherigen Tuberkulosebekämpfung, anderseits aber weitgehend nur auf Schätzungen stützen können. Die Zahl der subventionierten Pflegetage betrug 1944 2 852 348, die daran ausgerichteten Bundesbeiträge erreichten die Summe von l 170 000 Franken. Unter der Annahme, dass sich die Zahl der Pflegetage infolge der Keihenuntersuchungen um einen Drittel erhöhen wird, ergibt sich eine Vermehrung der Bundesbeiträge um ca. 390 000 Franken.

ee. Die erhöhte Belastung durch Bau, Erwerb oder E r w e i t e r u n g von A n s t a l t e n hängt in erster Linie von den Entschlüssen der Kantone, Gemeinden, Krankenkassen oder Fürsorgeorganisationen ab. Sie kann daher nicht im voraus berechnet werden.

ff. Bei den unter Art. 10, lit. &, genannten F ü r s o r g e e i n r i c h t u n g e n sind Auswirkungen des Ergänzungsgesetzes ebenfalls zu erwarten. Durch die Unterstellung fürsorgebedürftiger Bevölkerungskreise unter die obligatorische Versicherung werden sich die Ausgaben der Organisationen einerseits senken, anderseits ist mit einer Erhöhung dort zu rechnen, wo die Kantone die in Art. 5 vorgesehene Fürsorge den kantonalen Ligen übertragen werden. Eine genauere Berechnung lasst sich hier ebenfalls nicht durchführen.

2. Die sozialpolitischen Massnalimen.

a. Das vorliegende Gesetz wird sich zunächst auf die Bundesbeiträge für die ordentliche K r a n k e n v e r s i c h e r u n g auswirken. Die Einführung einer Versicherungspflicht wird zweifellos eine Erhöhung der Zahl der Versicherten zur Folge haben. Zieht man aber in Betracht, dass am 81. Dezember 1945 2 624 599 Personen der Krankenversicherung und davon l 870 951 Personen der Tuberkuloseversicherung angehörten, so dürfte die Erhöhung der Zahl der Versicherten nicht sehr gross sein. Dazu kommt, dass durch die insbesondere im Laufe des; Jahres 1946 abgeschlossenen Gesamtarbeitsvertrage, welche fast ausnahmslos die Versicherung der Arbeitnehmer gegen Krankheit vorsehen, sowie durch den zunehmenden freiwilligen Eintritt von Personen in die Versicherung sich auch aus diesem Grunde die Zahl der Versicherten ohnehin weiter erhöht hat.

Ferner ist -- wie bemerkt -- die Versicherungspflicht in einer Beihe von Kantonen und Gemeinden bereits eingeführt. Auch aus diesen Gründen wird die Ausdehnung der Versicherungspflicht auf Grund des vorliegenden Gesetzes, das sich ja
nur auf die wenig bemittelten Personen bezieht, keine bedeutenden Auswirkungen mehr haben. Es ist auch in Betracht zu ziehen, dass die Eeihenuntersuchungen und damit die Einführung der Versicherungspflicht nur schrittweise vor sich gehen werden.

Durch die Vergrösserung der Zahl der Versicherton und die bessere Erfassung der Tuberkulösen wird in der T u b e r k u l o s e v e r s i c h e r u n g eine Erhöhung der Zahl der Tuberkulosefälle, die bundesbeitragsberechtigt sind, eintreten. Die Kosten für den Bund werden demnach auch in dieser Hinsicht

497 ansteigen. Die Kosten für den Ausbau der Tuberkuloseversicherung fallen dagegen für die finanziellen Auswirkungen des Ergänzungsgesetzes nicht in Betracht, da die hiefür auszurichtenden Bundesbeiträge sich auf Art. 15 dea Tuberkulosegesetzes stützen.

Die Mehrbelastung für den Bund infolge der erwähnten Erhöhung der Zahl der Versicherten in der ordentlichen Krankenversicherung und der Erhöhung der Zahl der Versicherungsfälle in der Tuberkuloseversicherung dürfte bei abgeschlossener Entwicklung den Betrag von einer halben Million Franken jährlich nicht übersteigen. Dabei ist aber zu berücksichtigen, dass mit der Einführung einer Versicherungspflicht gemäss Ergänzungsgesetz ein Teil der in Aussicht genommenen Eevision der Krankenversicherung vorweggenommen wird, die von Bundes wegen eine Versieherungspflicht für wenig Bemittelte bringen soll. Die auf Grund dieser Vorlage durch Ausdehnung des Versichertenkreises entstehenden Mehrkosten werden deshalb bei der Eevision der Krankenversicherung nicht mehr in Rechnung gesetzt werden müssen.

*^ä

fr. Über die Zahl der b e d ü r f t i g e n Personen, welche für die Unterstützung nach Art. 5 in Betracht fallen, fehlen bestimmte Angaben. Sie wird eng mit der jeweiligen wirtschaftlichen Lage zusammenhängen und daher starken Schwankungen unterworfen sein. Von diesen Personen wird jedoch ein grosser Teil bereits heute schon von der Versicherung erfasst. Im Falle der Einführung der Versicherungspflicht gemäss Art, 4 des Ergänzungsgesetzes wird ein weiterer Prozentsatz der Bestzahl an bedürftigen Personen unter die Versicherung fallen. Die Gesamtkosten des Bundes für die Fürsorgeleistungen dürften den Betrag von 200 000 Franken nicht übersteigen, werden ziemlich sicher eher darunter bleiben.

3, Zusammenfassung.

Die höheren Aufwendungen durch die verstärkte Tuberkulosebekämpfung müssen immer unter dem Gesichtspunkt beurteilt werden, dass der gegenwärtige vermehrte Einsatz von Mitteln -- auf weite Sicht gesehen -- sich in einer Verminderung der Tuberkulose und damit der finanziellen Belastungen auswirken wird. Es handelt sich um Auslagen, die bei richtiger Verwendung imstande sein werden, heute noch sehr grosse Schäden an der Völksgesundheit und Volkswirtschaft bedeutend zu vermindern; Anhand der Ausführungen in den Ziffern l und 2 werden sich für den Bund voraussichtlich folgende durchschnittliche Belastungen pro Jahr ergeben: a. Kosten der Eeihenuntersuchungen (Art. l, Art. 6, Abs. l und 2) Fr. 750000 6, indirekte Mehrbelastungen » 400 000 c. Kranken- und Tuberkuloseversicherung » .500000 d. Fürsorge (Art. 5, Art. 6, Abs. 3) .

» 200 000 Kosten für den Bund total Bundesblatt. 99. Jahrg. Bd. U.

Fr. l 850 000 36

498 Vm. Bemerkungen zu den einzelnen Gesetzesbestimmungen.

Art. 1.

Im Abs. l wird bestimmt, dass der Bundesrat die periodische, obligatorische Untersuchung der Bevölkerung oder einzelner Bevölkerungsgruppen anordnen kann. Soweit der Bundesrat von seiner Befugnis keinen Gebrauch macht, steht aie den Kantonen zu (Abs. 3).

Art. 2.

Die Kantone sorgen zwar für die Durchführung der Untersuchungen (Art. l, Abs. 2). Der Bundesrat sichert jedoch durch Verordnung deren einheitliche Durchführung. Damit hat er die Möglichkeit, eine bestimmte Untersuchungsmethode, wie die in der Motion Bircher genannte Schirmbildphotographie, vorzuschreiben. Ferner wird er die nötigen Anordnungen für die Errichtung eines Katasters auf Grund dieser Bestimmung erlassen können. Bei aller Bücksicht auf die Verschiedenheit örtlicher Verhältnisse kann trotzdem auf einheitliche technische Grundsätze in der Durchführung nicht verzichtet werden. Zu diesem Zwecke wurden bereits im März 1946 durch das eidgenössische Departement des Innern den Kantonen «Kichtlinien über die Durchführung des Schirmbildverfahrens zur Tuberkulosebekämpfung» zugestellt.

Damit sollte bei den Untersuchungen, die heute schon im Gange sind, eine einheitliche Methode geschaffen werden, von der beim Erlass von gesetzlichen Verordnungen über die Durchführung ausgegangen werden kann. Die Richtlinien, die sich praktisch bewährt haben} erstrecken sich auf die Organisation der Untersuchungen, die Beschriftung und Klassierung der Personalkarten, die Eegistratur, die Organisation und Durchführung der Auswertung, die Bezeichnung der Befunde nach einheitlichem Schlüssel, die Durchführung der Abklärungsuntersuchungen, den Schutz des ärztlichen Geheimnisses, die Zusammenarbeit mit der Tuberkulosefürsorge und die gesetzliche Meldepflicht.

Art. 3.

Die Kantone sind ermächtigt, zur Deckung der Kosten der einfachen Eeihenuntersuchung Gebühren zu erheben. Unter einfacher Beihenuntersuchung wird dabei ,der Teil der Untersuchung verstanden, der als Massenverfahren durchgeführt werden muss, bei der Anwendung der Schirmbildphotographie also die Erstellung der photographisohen Aufnahmen und deren Auswertung. Die eingehende Abklärung der krankhaften und verdächtigen Befunde fällt dagegen nicht mehr unter den Begriff der einfachen Reihenuntersuchung.

Bei den bisher durchgeführten Schirmbilduntersuchungen wurde in einem Teil der Kantone eine Gebühr erhohen, die zwischen 50 Rappen und Fr. 1.5Q bei Kindern und Fr. l bis Fr. 3.50 bei Erwachsenen lag. Andere Kantone führten die Untersuchungen gebührenfrei durch. Bei Betriebsunter-

499

suchungen übernahmen bisher die Arbeitgeber meistens frei-willig den Beitrag für ihre Angestellten, bei Schuluntersuchungen wurde er grösstenteils von den Gemeinden getragen. Nach dem Gesetzesentwurf soll ebenfalls der Kanton entscheiden, ob er Gebühren erheben will. Es kann nicht damit gerechnet werden, dass auch in Zukunft die Betriebsinhaber die Untersuchungskosten immer freiwillig auf sich nehmen werden. In Zeiten der Krise wird ihre Neigung, Leistungen für die Gesundheitsfürsorge zu übernehmen, geringer sein als in Konjunkturperioden. Ferner wurden bis jetzt vor allem grosse, finanziell leistungsfähige Betriebe mit weitgehendem Verständnis für den Gesundheitsschutz untersucht, bei denen von vornherein mit einer positiven Einstellung der Betriebsleitungen und der Arbeitnehmer für die Durchführung der Untersuchungen gerechnet werden konnte. Bei kleinen, finanzschwachen Betrieben, besonders des Kleingewerbes, könnte es aber unter Umständen schwer halten, eine freiwillige Übernahme der Kosten zu erreichen.

Minderjährigen und Bedürftigen sollen die Gebühren erlassen werden.

Für die Schüler sind die Untersuchungen schon heute vielerorts unentgeltlich.

Diese Erleichterung rechtfertigt sich für die ganze Altersklasse der Minderjährigen, die besonders tuberkulosegefährdet sind und bei denen alles daran gesetzt werden muss, die Untersuchungen zu erleichtern. Es soll in der Kompetenz der Kantone liegen, die Kategorie der «Bedürftigen», für welche die Untersuchungen ebenfalls kostenlos sein sollen, festzulegen.

Die Höchstgrenzen der Gebühren werden durch den Bundesrat auf dem Verordnungswege festgesetzt werden. Sie werden sich jeweilen nach dem Untersuchungsverfahren und nach den Umtrieben, welche dieses je nach den örtlichen Verhältnissen verursacht, richten.

Art. 4.

Die Bestimmungen dieses Artikels verpflichten den Bundesrat oder die Kantone, gleichzeitig mit der Anordnung der periodischen Untersuchungen die Versicherungspflicht für die dadurch erfasste Bevölkerung -- soweit sie wenig bemittelt ist -- einzuführen. Dabei ist die Kegelung so getroffen, dass die Kantone auch dann, wenn der Bundesrat die Versicherungspflicht einführt, zur Umschreibung des Kreises der obligatorisch Versicherten herangezogen werden können. Dadurch wird erreicht, dass die Umschreibung der Versicherungspflicht in allen Fällen mit Bücksicht auf die regionalen Verhältnisse erfolgt. Der Bundesrat kann femer die Kantone mit der Durchführung der von ihm angeordneten Obligatorien beauftragen, wodurch auch in diesen Fällen die Berücksichtigung der regionalen Verhältnisse möglich ist.

Die Versicherungsleistungen sind vomj Bundesrat oderJMen Kantonen auf Grund von Absatz 2 festzusetzen. Dabei ist als Mindestleistung die Krankenpflegeversicherung vorgeschrieben, da die Tuberkuloseversichernng auf der Krankenversicherung beruht. Dazu kommen noch die minimalen Pflegeleistungen der Tuberkuloseversicherung> sowie ein tag-

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liches Krankengeld für Erwachsene. Um die Mitgliederbeiträge möglichst niedrig halten zu können, ·wird dabei die Ausrichtung eines Krankengeldes im Tuberkulosefall nicht an die Voraussetzung des Bestehens einer Krankengeldversicherung geknüpft. Die Kantone können diese aber auf Grund des Art. 2 des Krankenversicherungsgesetzes dennoch vorsehen. Die Festsetzung eines Obligatoriums für die ordentliche Krankengeldversicherung soll also den "Kantonen überlassen bleiben, weil deren Einführung nicht in allen Kantonen, namentlich nicht in den ländlichen, ein Bedürfnis zu sein scheint.

Mit Absicht werden im Absatz 2 nur die minimalen Leistungen der Krankenpflege- und Tuberkuloseversicherung vorgeschrieben, insbesondere wird die Höhe des Taggeldes nicht festgesetzt. Durch Ausführungsbestimmungen zu der obligatorischen Kranken- und Tuberkuloseversichorung sowie in den Gesamtarbeitsverträgen kann hinsichtlich des Taggeldes das Nötige vorgekehrt werden. Die einheitliche Festsetzung der Versicherungsleistungen für das ganze Land ist wegen der verschiedenartigen wirtschaftlichen Verhältnisse in den einzelnen Landesgegenden und unter den verschiedenen Berufsgruppen nicht möglich. Deshalb muss die Regelung so getroffen werden, dass bei der Anordnung der Versicherungspflicht die Leistungen von Fall zu Fall und nach den Bedürfnissen der betreffenden Bevölkerungskreise festgesetzt werden können.

In Absatz 3 des Artikels werden die Kantone ermächtigt, für die Bevölkerungskreise, die der Versicherungspflicht gemäss Absatz l nicht unterstehen, d. h. also für die besser situierten Kreise oder für solche, welche der Reihenuntersuchung nicht unterstellt sind, die Tuberkuloseversicherung unabhängig von der Krankenversicherung obligatorisch zu erklären. Die Be' fugnis zur Delegation dieser Kompetenz durch die Kantone an die Gemeinden scheint hier nicht angebracht im Hinblick auf den übertragbaren Charakter der Tuberkulose, welcher einen möglichst allgemeinen Versicherungsschutz erfordert. Gemäss Art; 2 des Krankenversicherungsgesetzes haben die Kantone die Kompetenz, die allgemeine Krankenversicherung für ihre Bevölkerung oder Teile derselben obligatorisch zu erklären. Da aus dieser Bestimmung das Recht der Kantone kaum abgeleitet werden kann, die Versicherung nur für einzelne Krankheiten, wie z.B. die Tuberkulose, an
Stelle einer Versicherung für alle Krankheiten obligatorisch zu erklaren, halten wir eine besondere Kompetenzbestimmung über die Möglichkeit eines kantonalen Tuberku loseversicherungso.bligatoriums für notwendig.

Der Art. 4 des Gesetzes modifiziert die gemäss dem Kranken- und Unfallyersicherungsgesetz bestehende Rechtslage nach zwei Richtungen. Zunächst nimmt der Bund die ihm nach Art. 84b*s der Bundesverfassung zustehende Kompetenz der Einführung der Versicherungspflicht für die gesamte Bevölkerung oder einzelne Bevölkerungskreise in Anspruch, allerdings unter der Voraussetzung, dass periodische Untersuchungen angeordnet werden. Sodann erhalten die Kantone die Ermächtigung, die Tuberkuloseversicherung selbständig obligatorisch zu erklären.

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Art. 5.

Die Fürsorgeleistungen werden auf die b e d ü r f t i g e n Schweizerbürger beschränkt. Als solche sind die Personen zu betrachten, die nur mit staatlicher Hilfe, also nicht selber oder von dritter Seite, insbesondere durch die Versicherung, Verwandte usw., die nötigen Mittel für die Behandlung und den Unterhalt ihrer Familien aufbringen können. Die Berücksichtigung der Ausländer ist, wie sich aus Art. 6, Abs. 4, ergibt, den Kantonen freigestellt.

Als nicht versicherungsfähig im Sinne von lit. a des Abs. l gelten insbesondere die Personen, die im Augenblick der Einführung des Obligatoriums bereits krank sind und nicht schon freiwillig einer Krankenkasse angehört haben. Der Einbezug dieser Personen in die Versicherung würde eine zu grosse Belastung der Versicherung und damit der beitragspflichtigen Mitglieder mit sich bringen. Immerhin steht es dem Bundesrat und den Kantonen frei, die Aufnahme in die obligatorische Versicherung ohne Eücksicht auf den Gesundheitszustand anzuordnen, sofern dies im gegebenen Fall tragbar erscheint. Dagegen halten wir eine diesbezügliche gesetzliche Vorschrift für zu weitgehend.

Der Eintritt in die obligatorische Versicherung -wird .in der Begel auch von einer oberen Altersgrenze abhängig gemacht. Da auch hier eine gewisse Freiheit gelassen werden soll, kann es vorkommen, dass Personen mit einem gewissen Alter nicht mehr in die obligatorische Versicherung aufgenommen werden können, so dass für sie im Tuberkulosefall anderweitig gesorgt werden muss.

Auch in der obligatorischen Versicherung wird gelegentlich der Anspruch auf Versicherungsleistungen vom Ablauf einer bestimmten Zeit seit der Erwerbung der Kassenmitgliedschaft abhängig gemacht (Karenzzeit). Ferner beginnt die Versicherungspfhcht in der Eegel nach einer gewissen Wohnsitzdauer. Deshalb niuss namentlich für die Fälle des Wohnsitzwecbsels und damit für den Übertritt von einem kantonalen Obligatorium in das andere die erforderliche Hilfe vorgesehen werden.

Schliesslich ist der Fall denkbar, dass eine Person, die gemäss ihrer wirtschaftlichen Lage dem Obligatorium für Wenigbemittelte nicht angehörte, in wirtschaftliche Not gerät und erkrankt, bevor sie in die obligatorische Versicherung aufgenommen wurde.

Die Versicherungsleistungen gemäss Art. 4 und die Fürsorgeleistungen gemäss Art. 5 werden den
behandlungsbedürftigen Tuberkulösen ausgerichtet.

Es ergibt sich dies einerseits aus dem Wesen der Versicherungsleistungen und anderseits aus dem Wortlaut von Art. 5, Abs. 1. Nun gibt es aber Tuberkulöse, die nicht behandlungsbedürftig sind, die aber wegen der Möglichkeit einer Ansteckung vom Arbeitsplatz entfernt werden müssen. In Analogie zu Art. 6, Abs. 3, des Tuberkulosegesetzes, der nur für die Lehrer und das Pflegepersonal in Schulen und Anstalten gilt, wurde in Art. 5, Abs. 2, des Entwurfes die Möglichkeit einer angemessenen Unterstützung durch den Wohnsitzkanton vorgesehen.

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',,' ^ Die Bestimmung in Abs. 3, wonach die Fürsorgeleistungen der Kantone nicht als Armenunterstützung betrachtet werden dürfen, entspricht dem Begehren aus Kreisen der Tuberkulosekranken. Sie ist gerechtfertigt, da es sich in diesen Fällen in der Regel um Personen handelt, die ohne eigenes Verschulden in Not geraten sind und bei denen deshalb der Eintritt von armenrechtlichen Folgen stossend wirkt.

Der Abs. 4 sieht vor, dass der Wohnsitzkanton des Kranken gegenüber dem Heimatkanton für ausgerichtete Unterstützungen Anspruch auf Bückvergütung hat, deren Höhe sich nach der Wohndauer des Kranken richtet.

Es wurde auch schon vorgeschlagen, diese Frage auf dem Konkordats wege durch die Kantone selber regeln zu lassen. Abgesehen davon, dass das Zustandekommen eines Konkordates lange Zeit in Anspruch nehmen würde, wäre ein solches eine brauchbare Lösung nur dann, wenn ihm wirklich alle Kantone beitreten würden.

Art. 6.

Die Begründung zu Abs. l wurde bereits gegeben. Da die Untersuchungen bis heute auf Grund des Art. 14 des Tuberkulosegesetzes subventioniert wurden, rnuss eine Doppelsubventionierung verhindert werden (Abs. 2).

Der fAbs. 8 enthält die Bestimmungen über die Bundesbeiträge an die ergänzenden Fürsorgeleistungen der Kantone. "Voraussetzung zur Ausrichtung der Beiträge ist die Festsetzung einer Versieherungspflicht im betreffenden Kanton im Sinne des Art. 4 des Gesetzes oder gemäss Art. 2 des Krankenversicherungsgesetzes sowie die Genehmigung der kantonalen Vorschriften über die Fürsorgeleistungen des Kantons durch den Bundesrat. Durch die Genehmigung soll dem Bundesrat die Möglichkeit gegeben werden, die Beteiligung des Bundes an denFürsorgeleistungen in einem angemessenen Rahmen zu halten und Versicherung und Fürsorge zu koordinieren.

Zu Abs. 4 ist zu bemerken, dass die staatsvertraglichen Regelungen vorbehalten bleiben.

Art. 7.

Durch diesen Artikel werden zwei Artikel des Tuberkulosegesetzes abgeändert.

Art. 2, Abs. l, des Tuberkulosegesetzes soll eine neue Fassung erhalten, nach welcher die Ärzte verpflichtet sind, alle ansteckungsgefährlichen Tuberkulosen, die zu ihrer Kenntnis gelangen, zu melden. Die bisherige Bestimmung, wonach die Tuberkulose nur dann gemeldet werden musste, wenn der Kranke «nach dem Stand der Krankheit und nach seinen persönlichen Verhältnissen» eine Ansteckungsgefahr bildete, war von jeher unbefriedigend. Da die Beurteilung der persönlichen. Verhältnisse ganz dem subjektiven Empfinden des Arztes überlassen war, bestand keine einheitliche Meldepraxis. Viele Ärzte gingen daher von sich aus »dazu über, jeden Fall von bazillärer Tuberkulose

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anzuzeigen. AuBserdem wurden sehr häufig auch geschlossene Tuberkulosen gemeldet in der richtigen Erkenntnis, dass eine geschlossene Form unter Umständen von einem Tag auf den andern in die bazilläre übergehen und damit für die Umgebung gefährlich werden kann. Die neue Fassung von Art. 2, Abs. l, vermeidet daher auch den Ausdruck «offen» oder «bazillär» und spricht nur von «ansteckungsgefährh'ohen» Tuberkulösen. Die «persönlichen Verhältnisse», die übrigens wechseln können, fallen als Kriterium für die Meldepflicht weg, und die Tuberkulose wird den übrigen übertragbaren Krankheiten gleichgestellt, die nach der heutigen Gesetzgebung ebenfalls unabhängig von den persönlichen Verhältnissen des Kranken gemeldet werden müssen.

Der bisherige Abs. 2 von Art. 2 unterstellt die Personen, welche Meldungen auf Grund von Abs. l entgegennehmen oder mit den erforderlichen Massnahmen betraut werden, der Schweigepflicht. Obwohl Art. 821 des Strafgesetzbuches neben den Ärzten auch deren Hilfspersonen die Pflicht zur Wahrung des Berufsgeheimnisses auferlegt und auch die bei den Beihenuntersuchungen tätigen technischen und administrativen Hilfen als ärztliche Hilfspersonen anzusehen sind, ist es doch angezeigt, die bisherige Bestimmung von Abs. 2 ausdrücklich auch auf alle Personen auszudehnen, die bei Reihenuntersuchungen tätig sind und infolgedessen unter Umständen in die Lage kommen können, Einblick in die ärztlichen Feststellungen zu erhalten.

Wenn die Reihenuntersuchungen ihren Zweck wirklich erfüllen, d. h. mit Erfolg dazu beitragen sollen, nach dem Wortlaut der Motion Bircher «die Quellen der Tuberkulose zu verschütten», dann müssen den zuständigen Behörden auch die gesetzlichen Handhaben gegeben werden, bestimmte Massnahmen durchzuführen, wo sich diese im Interesse der Allgemeinheit aufdrängen. Der bisherige Art. 8 verpflichtet die Kantone, die nötigen Massnahmen zur Verhütung der Weiteryerbreitung der Tuberkulose zu treffen, ohne sich über die Anordnungen, zu denen sie in Ausführung dieser Bestimmungen berechtigt sind, näher zu äussern. Abs. 2 der neuen Fassung des Art. 8 gibt den zuständigen kantonalen Behörden die Ermächtigung, Personen, die in Ausübung ihres Berufes für ihre Umgebung ansteckungsgefährlich sind, vom Arbeitsplatz zu entfernen. In den weitaus meisten Fällen wird die notwendige Behandlung
den Kranken zum vornherein veranlassen, seine Arbeit aufzugeben. Dass die Möglichkeit, zum Schutze der gesunden Umgebung einzugreifen, aber auch dann bestehen muss, wenn der Kranke die Notwendigkeit einer Behandlung nicht einsieht oder, was bei Fällen mit sehr chronischem Verlauf möglich ist, einer Behandlung nicht bedarf, liegt auf der Hand. Gerade die Reihendurchleuchtungen, besonders auch in der Armee, haben gezeigt, dass unbekannte Offentuberkulöse, die sich völlig gesund und arbeitsfähig fühlen und daher mit der Umwelt in normalem, engem Kontakt ohne besondere Vorsichtsmassnahmen leben, ganze Gruppen von Personen ihrer Umgebung infizieren können. Schon das bisherige Tuberkulosegesetz sieht für bestimmte Berufskategorien, nämlich das Lehr- und Pflegepersonal von Schulen

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und Anstalten, die Entfernung vom Arbeitsplatz vor, sobald eine Erkrankung an ansteckungsgefährlicher Tuberkulose feststeht.

Wiederholt erhob sich die Präge, ob asoziale Tuberkulöse, d. h. jene Offentuberkulösen, die durch ihr Benehmen und ihre Lebensweise, in einzelnen Fällen sogar absichtlich, eine besonders gefährliche Übertragungsquelle bilden, zum "Eintritt in eine geeignete Heilanstalt verpflichtet werden können.

Die Frage wurde verschieden beantwortet. Auf der einen Seite ging die Ansicht dahin, dass der bisherige Art. 3 die Zwangsversorgung zwar nicht in sich schhesse, das Tuberkulosegesetz die Frage der Tuberkulosebekämpfung aber nicht abschliessend regle und die Kantone daher, gestützt auf ihre allgemeine gesundheitspolizeiliche Gesetzgebungshoheit berechtigt seien, Vorschriften über die Versorgung asozialer Tuberkulöser zu erlassen. Die andere Auffassung machte geltend, dass Art. 3 des Tuberkulosegesetzes als Kahmenbestimmung auch die Zwangsversorgung umfasse und die Kantone deshalb in Vollziehung dieser Bundesvorschrift die Einweisung gewisser Tuberkulöser vorschreiben dürften.

Diese Auffassung machte in der Folge auch der Bundesrat zu seiner eigenen, indem er kantonalen Vorschriften mit entsprechenden Bestimmungen die Genehmigung erteilte. Die Kantone machen davon aber nur selten Gebrauch. Die Erfahrung zeigt, dass derartige Bestimmungen oft durch ihr blosses Vorhandensein eine nützliche Wirkung ausüben. Abs. 8 der neuen Fassung von Art. 3 nimmt also nur eine Bestimmung ins Gesetz auf, zu deren Erlass die Kantone schon jetzt in Ausführung des bisherigen Art. 3 berechtigt waren.

Die durch Art. S betroffenen Personen werden hinsichtlich der wirtschaftlichen Folgen ihrer Erkrankung bzw. ihrer Entfernung vom Arbeitsplatz oder ihrer Einweisung entweder durch Art. 4 (Versicherungspflicht) oder dann durch Art. 5 (Fürsorgeleistungen) des Ergänzungsgesetzes geschützt.

Art. 8.

Hinsichtlich des Beschwerderechtes empfiehlt es sich, die gleiche Eegelung wie im Tuberkulosegesetz zu treffen.

Art. 9.

Dieser Artikel enthält die Strafbestünmungen. Der Art. 17 des Tuberkulosegesetzes kann nicht ohne weiteres auf dieses Gesetz angewendet werden, da dessen Abs. l zu eng ist. Er enthält nämlich nur eine Strafandrohung für die Widerhandlung gegen allgemeine Normen. Im Art. 9 des Ergänzungsgesetzes wird deshalb eine Sanktion auch gegen Einzelverfügungen aufgenommen und damit gleichzeitig die Strafandrohung auch auf Widerhandlungen gegen die Vorschriften über den Versicherungszwang ausgedehnt.

505 Wir beehren uns, Ihnen zu beantragen: es sei auf die Beratung des nachfolgenden Gesetzesentwurfes einzutreten und dieser zum Beschluss zu erheben.

Genehmigen Sie, sehr geehrter Herr Präsident, hochgeehrte Herren, die Versicherung unserer vollkommenen Hochachtung.

Bern, den 8. Juli 1947.

Im Namen des Schweiz. Bundesrates, Der Bundespräsident: Etter.

Der Vizekanzler: Ch. Oser.

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(Entwurf.)

Bundesgesetz über

die Ergänzung des Bundesgesetzes vom 13. Juni 1928 betreffend Massnahmen gegen die.Tuberkulose.

Die Bundesversammlung der schweizerischen Eidgenossenschaft, gestützt auf die Art. 34bis und 69 der Bundesverfassung, nach Einsicht in eine Botschaft des Bundesrates vom 8. Juli 1947, beschliesst,

Art. 1.

Zur rechtzeitigen Erkennung und Betreuung tuberkulosekranker Personen kann der Bundesrat die periodische obligatorische Untersuchung der Bevölkerung oder einzelner Bevölkerungsgruppen anordnen.

2 Die Kantone sorgen für die Durchführung der Untersuchungen.

3 Soweit der Bundesrat von seiner Befugnis gemäße Abs. l keinen Gebrauch macht, steht sie den Kantonen zu.

1

Art. 2.

Der Bundesrat sichert durch Verordnung die einheitliche Durchführung der Untersuchung, Art. 8.

1 Die Kantone sind ermächtigt, zur Deckung der Kosten der einfachen Reihenuntersuchungen Gebühren zu erheben. Der Bundesrat setzt die zulässigen Höchstgebühren fest.

2 Bei unselbständig Erwerbenden können die Gebühren ganz oder teilweise dem Arbeitgeber Überbunden werden. Minderjährigen und Bedürftigen ist die Gebühr zu erlassen.

Art. 4.

1 Gleichzeitig mit der Anordnung der periodischen Untersuchungen gemäss Art. l ist die dadurch erfasste Bevölkerung, soweit sie wenig bemittelt

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ist, zu verpflichten, sich gegen die wirtschaftlichen Folgen von Krankheit und insbesondere der Erkrankung an Tuberkulose zu versichern.

2 Die Versicherung hat mindestens zu umfassen: a. ärztliche Behandlung und Arznei (Krankenpflege) im Sinne des Bundesgesetzes vom 13. Juni 1911 über die Kranken- und Unfallversicherung; b. die Pflegeleistungen sowie ein tägliches Krankengeld für Erwachsene gemäss der gestützt auf Art. 15 des Bundesgesetzes vom 13. Juni 1928 betreffend Massnahmen gegen die Tuberkulose erlassenen Ausführungsverordnung des Bundesrates über die Tuberkuloseversicherung.

3 Die Kantone sind ermächtigt, für die Bevölkerungskreise, die der Versicherungspflicht gemäss Abs. l nicht unterstehen, die Tuberkuloseversicherung Tinabhängig von der Krankenversicherung obligatorisch zu erklären.

4 Der Bundesrat kann die Kantone mit der Durchführung der von ihm gemäss Abs. l angeordneten Versicherung und insbesondere mit der Festsetzung des Kreises der wenig Bemittelten beauftragen.

6 Die Vorschriften der Kantone über die Versicherungspflicht bedürfen der Genehmigung des Bundesrates.

Art. 5.

Die Kantone sorgen auf dem Wege der Fürsorge für die Behandlung bedürftiger tuberkulosekranker Schweizerbürger und den wirtschaftlichen Schutz ihrer Familien, wenn sie a. der Versicherungspflicht gemäss Art. 4 unterstehen, nach den allgemeinen Versicherungsgrundsätzen aber nicht versicherungsfähig oder noch nicht bezugsberechtigt sind, eines über die bestehende Versicherung hinausgehenden wirtschaftlichen Schutzes bedürfen oder die Bezugsberechtigung für Versicherungsleistungen erschöpft haben; b, der Versicherungspflicht nicht unterstehen und nicht oder nur ungenügend versichert sind.

2 Geraten nicht behandlungsbedürftige tuberkulöse Schweizerbürger, die gemäss Art. 3, Abs. 2, des Bundesgesetzes vom 13. Juni 1928 betreffend Massnahmen gegen die Tuberkulose vom Arbeitsplatz entfernt werden, und ihre Familien ohne Verschulden in Not, so können ihnen die Kantone eine angemessene Unterstützung gewähren.

s Die Fürsorgeleistungen der Kantone dürfen nicht als Armenunterstützung betrachtet werden.

4 Der Wohnsitzkanton hat gegenüber dem Heimatkanton für die Fürsorgeleistungen an die in anderen Kantonen heimatberechtigten Einwohner bei einer Wohndauer des Unterstützten bis zu zwei Jahren Anspruch auf den vollen, vom dritten bis fünften Jahr auf den halben Betrag der Fürsorgeleistungen. Bei mehr als fünfjähriger Wohndauer liegt die Leistungspflicht ganz dem Wohnsitzkanton ob.

1

508

Art. 6.

An die einfachen Eeihenuntersuchungen im Sinne von Art. l leistet der Bund den Kantonen für jede Untersuchung einen Beitrag, dessen Höhe vom Bundesrat festgesetzt wird und der unter Berücksichtigung der Kosten der Untersuchungen in den einzelnen Landesgegenden abgestuft werden kann. Der Beitrag wird auch für freiwillige Untersuchungen gewährt.

2 An die Untersuchungskösten werden dagegen keine Bundesbeiträge gemäss Art. 14 des Bundesgesetzes vom 13. Juni 1928 betreffend Massnahmen gegen die Tuberkulose ausgerichtet.

3 An die Leistungen der Kantone gemäss Art. 5 dieses Gesetzes kann der Bund je nach der finanziellen Lage des Kantons einen Beitrag von höchstens einem Viertel gewähren, sofern der Kanton die Versicherungspflicht im Sinne von Art. 4 angeordnet hat und die kantonalen Vorschriften über die Fürsorgeleistungen durch den Bundesrat genehmigt wurden.

1

4

Soweit die Kantone die Ausländer in die Fürsorge gemäss Art. 5 einbeziehen, leistet der Bund die in Abs. S vorgesehenen Beiträge auch in diesen Fällen.

Art. 7.

Art. 2 und 8 des Bundesgesetzes vom 13. Juni 1928 betreffend Massnahmen gegen die Tuberkulose werden aufgehoben und durch folgende Bestimmungen ersetzt : Art, 2: 1 Die Ärzte sind verpflichtet, alle ansteckungsgefährlichen Tuberkulösen, die zu ihrer Kenntnis gelangen, zu melden.

2 Wer bei Reihenuntersuchungen tätig ist, wer Meldungen nach Abs. l entgegennimmt oder mit der Ausführung der erforderlichen Massnahmen betraut ist, unterhegt der Schweigepflicht.

Art. 3: 1 Die Kantone treffen geeignete Massnahmen gegen die Verbreitung der Tuberkulose durch ansteckungsgefährhche Kranke.

2 Wer in der Ausübung eines Berufes für seine Umgebung ansteckungsgefährlich ist, kann durch die zuständige kantonale Behörde vom Arbeitsplatz entfernt werden.

3 Kranke, die sich den behördlichen Anordnungen gemäss Abs. l und 2 widersetzen, können durch die zuständige kantonale Behörde in eine geeignete Heilanstalt eingewiesen werden,

Art. 8.

Die Bestimmungen des Art. 16 des Bundesgesetzes vom 13. Juni 1928 betreffend Massnahmen gegen die Tuberkulose finden auf dieses Gesetz Anwendung.

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Art. 9.

1

Wer vorsätzlich oder fahrlässig den Vorschriften dieses Gesetzes oder den eidgenössischen oder kantonalen Ausführurigsvorschriften und derr gestützt darauf erlassenen Verfügungen zuwiderhandelt, wird mit Busse his zu tausend Franken bestraft.

2

Wer durch unwahre Angaben oder durch Unterdrückung von Tatsachen für sich oder für einen anderen die Ausrichtung einer Unterstützung oder die Anordnung einer unentgeltlichen Fürsorgemassnahme erwirkt oder zu erwirken versucht, wird, sofern nicht eine schärfere Strafbestiminung Anwendung findet, mit Busse bis zu zweitausend Franken bestraft.

3 Die Strafverfolgung und Beurteilung hegt den Kantonen ob.

4

Die Bussen fallen den Kantonen zu.

Art. 10.

1

Der Bundesrat ist mit dem Vollzug dieses Gesetzes beauftragt. Er setzt den Zeitpunkt des Inkrafttretens des Gesetzes fest.

2 Eidgenössische und kantonale Bestimmungen, die mit diesem Gesetz im Widerspruch stehen, sind auf den gleichen Zeitpunkt aufgehoben.

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Schweizerisches Bundesarchiv, Digitale Amtsdruckschriften Archives fédérales suisses, Publications officielles numérisées Archivio federale svizzero, Pubblicazioni ufficiali digitali

Botschaft des Bundesrates an die Bundesversammlung über die Ergänzung des Bundesgesetzes vom 13. Juni 1928 betreffend Massnahmen gegen die Tuberkulose. (Vom 8.

Juli 1947.)

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1947

Année Anno Band

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27

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5484

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10.07.1947

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465-509

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