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Bundesblatt 99. Jahrgang.

Bern, den 5. Juni 1947.

Band II.

Erscheint wöchentlich. Preis 38 Franken im Jahr, 15 Franken im Halbjahr, zuzüglich Nachnahme- and Postbestellungsgebühr Einrückungsgebühr 50 Happen die Petitzeile oder deren Baum. -- Inserate franko an : Stämpfli & de. in Bern.

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Botschaft dee

Bundesrates an die Bundesversammlung betreffend die Schaffung neuer Gesandtschaften in Indien und Siam.

(Vom 2. Juni 1947.)

Herr Präsident!

Hochgeehrte Herren!

In seiner Botschaft vom 7. September 1945 hat Ihnen der Bundesrat die Gründe allgemeiner Natur, die den Ausbau der diplomatischen Vertretungen der Schweiz im Ausland notwendig machen, ausführlieh dargelegt. Sie haben, gestützt auf jenen Antrag, den Bundesrat ermächtigt, Gesandtschaften in Mexiko, Peru, Australien, Kanada, Südafrika und China zu errichten. In der Zwischenzeit haben wir die entsprechenden Massnahmen getroffen; einzig für Australien und die Südafrikanische Union sind die erforderlichen Vorbereitungen noch nicht völlig zu Ende geführt, doch kann mit dem Abschluss in allernächster Zukunft gerechnet werden.

Wir haben schon in unserer eingangs erwähnten Botschaft nachdrücklich darauf hingewiesen, dass mit der Errichtung der damals geplanten Gesandtschaften die Entwicklung noch nicht abgeschlossen sei. Wir betonten, dass unser Land in der durch das Kriegsergebnis geschaffenen internationalen Situation alles Interesse daran habe, freundschaftliche und auf gegenseitiges Vertrauen gegründete Beziehungen zu möglichst zahlreichen Staaten zu unterhalten. Wir sind auch heute noch dieser Auffassung. Andererseits sind wir uns aber durchaus der uns durch die gegenwärtige Finanzlage des Bundes diktierten Verpflichtung bewusst, die Aufwendungen der Bundesverwaltung auf dag dringlich Notwendige zu beschränken. Wir bemühen uns deshalb, in wohlBundesblatt 99. Jahrg. Bd. II.

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382 überlegtem und etappenweisem Vorgehen die wichtigsten noch bestehenden Lücken in unseren diplomatischen Beziehungen allmählich zu schliessen.

Wir beehren uns, Ihnen im folgenden die Gründe auseinanderzusetzen, die uns die Errichtung einer Gesandtschaft im indischen Baum als besonders dringlich erscheinen lassen. Gleichzeitig möchten wir Ihnen vorschlagen, unseren künftigen Gesandten in Indien, ebenfalls bei der Begierung des Königreichs Siarn zu beglaubigen, eine Lösung, die es uns erlauben würde, auch unsere Beziehungen zu diesem Land in einfacher und nur geringfügige Mehrauslagen verursachender Weise zu regeln.

L Indien.

Dieser grosse Subkontinent gelangte anlässhch der Auflösung der Ostindischen Compagnie im Jahre 1858 unter die Souveränität, beziehungsweise -- soweit es sich um die indischen Fürstentümer handelte -- unter die Suzeränität («paramountcy») der britischen Krone. Bestrebungen nach wachsender Autonomie und nach vollem Auftreten Indiens auf dem Plan der internationalen Beziehungen reichen weit zurück, und die britische Begierung hat ihnen in immer stärkerem Masse Bechnung getragen. Die beiden Weltkriege haben diese Entwicklung wohl beschleunigt. In den Friedensverträgen, die dem ersten Weltkrieg ein Ende setzten, war Indien Signatärstaat, und das indische Kaiserreich als mit der britischen Krone verbundene Macht war eines der ursprünglichen Mitglieder des Völkerbundes. Indische Delegationen erschienen seither nicht nur an den Völkerbundsversammlungen, sondern nahmen in aktiver Weise an allen wichtigen internationalen Tagungen teil, so auch zuletzt an der Pariser Friedenskonferenz von 1946.

GroBsbritannien hat seiner Bereitschaft, das Selbstbestimmungsrecht Indiens anzuerkennen und zu fördern, schon während des letzten Krieges und erneut nach Ende der Feindseligkeiten mehrfach klaren Ausdruck gegeben.

Ohne auf die Einzelheiten wiederholter und langandauernder Verhandlungen einzutreten, sei daran erinnert, dass letztes Jahr in Neu-Delhi ein vom Vizekönig präsidierter, im übrigen ausschliesslich aus Indern bestehender Exekutivausschuss eingesetzt wurde, der Begierungsfunktionen in den als «Britischindien» bekannten Gebieten ausübt. Auf den 1. Dezember 1946 wurde eine verfassunggebende Versammlung einberufen, wobei auch die Mitwirkung der indischen Staaten innerhalb «Britisch-Indien»
(der unter der Lehnherrschaft der britischen Krone stehenden Fürstentümer) vorgesehen ist.

Am 20. Februar 1947 gab der englische Premierminister Attlee vor dem englischen Unterhaus eine förmliche Erklärung ab, in der er die Absicht seiner Begierung bekanntgab, bis spätestens am 30. Juni 1948 die volle Souveränität den aus dem Lande herausgewachsenen Organen zu übertragen.

Der indische Exekutivausschuss ist bestrebt, der veränderten Stellung dieses Landes gemäss mit zahlreichen Staaten diplomatische Beziehungen

283 anzuknüpfen, und hat in verschiedenen Hauptstädten, worunter auch Bern, Schritte unternommen. Die Vereinigten Staaten von Amerika, China und Frankreich haben dem indischen Wunsche nach Austausch diplomatischer Vertreter bereits Kechnung getragen, und verschiedene andere Staaten, so z. B. Holland und die Sowjetunion, werden in nächster Zeit folgen.

Unter diesen Umständen ist auch für uns der Zeitpunkt gekommen, engere, aber auch umfassendere Beziehungen mit diesem grossen Eeich anzustreben, das, auf eine alte und ehrwürdige Kultur zurückblickend, heute an der Schwelle einer neuen politischen Entwicklung steht. Der Bundesrat ersucht Sie deshalb um die Ermächtigung, zu gegebener Zeit in Indien eine diplomatische Vertretung zu errichten, die befugt und in der Lage wäre, die freundschaftlichen Bande zwischen den beiden Ländern zu verstärken und die schweizerischen Interessen in geeigneter Weise bei den künftigen Begierungsorganen im indischen Baum zu vortreten.

Materiell liegt die Notwendigkeit der Vertretung der Schweiz in dem einmal selbständig gewordenen Land auf der Hand. Sie ergibt sich zunächst aus dem Bedürfnis, den allgemeinen und kulturellen Austausch zu fördern. Femer sprechen für sie auch Gründe wirtschaftlicher Natur, und in dieser Beziehung sollen hier einige wenige Zahlen angeführt werden.

Indien umfasst 4 Millionen km2 mit über 400 Millionen Einwohnern. Der schweizerische Aussenhandel mit Indien hat sich in den letzten Jahren wie folgt entwickelt: Einfuhr von Indien in Schwcizorfranken

1988 1939 1944......

1945 1946

23083886 26813398 847 983 5390825 19983231

Ausfuhr nach Indien in Sohweizerfranken

23321327 26244501 25 492 772 47787104 44780688

Unsere Einfuhr besteht hauptsächlich aus Erdnüssen, Leinsaat, Leder und Häuten, Tee und Baumwolle, während wir vor allem Textilien, Maschinen, Farbstoffe und Pharmazeutika ausführen. Da die beiden Länder sich wirtschaftlich ausgezeichnet ergänzen, darf angenommen werden, dass sich der gegenseitige Güteraustausch bei geeigneter Unterstützung weiterhin erfreulich entwickeln wird.

Unsere Landsleute nehmen in Indien meist sehr interessante Stellungen ein; es sei in diesem Zusammenhang nur an die bedeutende Position erinnert, die eine schweizerische Grosshandelsfirma in Indien inno hat. Es erscheint angezeigt, ihnen in den kommenden Jahren, die umwälzende Änderung bringen können, Unterstützung und, soweit nötig, Schutz zu gewähren, ganz abgesehen von den Entwicklungsmöglichkeiten der Zukunft.

284 Das Generalkonsulat in Bombay und das Konsulat in Calcutta, denen bisher unsere Interessen anvertraut waren, werden ihre Tätigkeit fortsetzen.

u. Siam.

Für die Staaten Ostasiens hat seit Ende der Feindseligkeiten eine Periode neuer Entwicklung eingesetzt. Wohl haben sie heute noch einen harten Kampf mit den riesigen Schwierigkeiten zu bestehen, die ihnen ein langer und mit grosaer Erbitterung geführter Krieg hinterlassen hat; aber derselbe Krieg hat auch neue Kräfte geweckt und neuen politischen Freiheiten den Weg geebnet.

Die Wehen der Nachkriegszeit werden in absehbarer Zeit überwunden sein, und es Steht ausser Zweifel, dass alsdann in den alten Kulturgebieten des Fernen Ostens mit einem neuen Aufschwung in politischer und wirtschaftlicher Beziehung gerechnet werden kann. Dieser Entwicklung eingedenk richten die westlichen Mächte mehr und mehr ihr Interesse auf die Länder Asiens, die ihrerseits bereit sind, sich dem Westen in mancher Hinsicht in zunehmendem Masse zu erschhessen.

Die Schweiz hat dieser Entwicklung Eechnung getragen, indem sie im letzten Jahr eine Gesandtschaft in China errichtete und damit ihre diplomatischen Beziehungen zu diesem bedeutendsten Lande Ostasiens auf eine normale Grundlage stellte. Damit sollte es aber nicht sein Bewenden haben; auch in andern Ländern des Fernen Ostens haben wir Interessen, die eine Erweiterung und Vertiefung unserer Beziehungen rechtfertigen.

Unter diesen Staaten des asiatischen Kontinents hat Siam von jeher unserem Lande eine besondere Freundschaft entgegengebracht. Der gegenwärtige König von Siam hat, wie auch sein Vorgänger, in der Schwel/ seinen Sttidien obgelegen. Verschiedene unserer Landsleute nehmen in Siam angesehene Stellungen ein, und bedeutende schweizerische Firmen spielen im Wirtschaftsleben des Landes eine beträchtliche Eolle.

Die Schweiz unterhält seit Jahren diplomatische Beziehungen mit Siam, die indessen einseitig sind: In Bern besteht eine siamesische Gesandtschaft, während wir in diesem Land nur durch ein Konsulat vertreten sind. Die Zeit ist gekommen, diesem unbefriedigenden Zustand ein Ende zu bereiten.

Unsere wirtschaftlichen und politischen Beziehungen zu Siam werden sich voraussichtlich in den nächsten Jahren erheblich verstärken und ausbauen lassen. Dazu ist es notwendig, dass unsere Vertreter den Zugang auch
zu den höchsten Behörden des Empfangsstaates haben, was aber nur möglich ist, wenn sie diplomatischen Charakter besitzen.

Der Umfang der zu behandelnden Geschäfte rechtfertigt zur Zeit noch nicht die Errichtung einer selbständigen Gesandtschaft. Wir sehen deshalb vor, zunächst unseren künftigen Gesandten in Indien auch in Siam. zu akkreditieren.

Möglicherweise wird er auch beauftragt werden, später unsere Interessen in andern benachbarten Staaten zu vertreten.

285 Im Sinne der obigen Erwägungen beehrt sich der Bundesrat, den Bäten den nachstehenden Entwurf zu einem Eundesbeschluss zur Annahme zu empfehlen.

Wir versichern Sie, Herr Präsident, hochgeehrte Herren, unserer vollkommenen Hochachtung.

Bern, den 2. Juni 1947.

Im Namen des Schweiz. Bundesrates, Der Bundespräsident: Etter.

Der Bundeskanzler: Leimgruber.

286

(Entwurf.)

Bundesbeschluss über

die Schaffung neuer schweizerischer Gesandtschaften in Indien und Siam.

Die Bundesversammlung der schweizerischen Eidgenossenschaft, nach Einsicht in eine Botschaft des Bundesrates vom 2. Juni 1947 beschliesst:

Art. 1.

Der Bundesrat wird ermächtigt: a. in Indien eine Gesandtschaft zu errichten und deren Leitung einem Gesandten zu übertragen; b. den Gesandten in Indien gegebenenfalls auch bei der Regierung des Königreichs Siam zu beglaubigen.

Art. 2.

Der Bundesrat wird beauftragt, diesen Bundesbeschluss auf Grund des Bundesgesetzes vom 17. Juni 1874 betreffend Volksabstimmung über Bundesgesetze und Bundesbeschlüsse zu veröffentlichen und den Zeitpunkt seines Inkrafttretens festzusetzen.

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Botschaft des Bundesrates an die Bundesversammlung betreffend die Schaffung neuer Gesandtschaften in Indien und Siam. (Vom 2. Juni 1947.)

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05.06.1947

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281-286

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