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Botschaft des

Bundesrates an die Bundesversammlung über den Beitritt der Schweiz zum Statut des Internationalen Gerichtshofes.

(Vom 8. Juli 1947.)

Herr Präsident!

Hochgeehrte Herren!

Der Internationale 'Gerichtshof wurde durch die Satzung der Vereinigten Nationen nach dem Vorbild des Ständigen Internationalen Gerichtshofes geschaffen, der auf Grund von Artikel 14 des Völkerbundspaktes ins Leben gerufen worden war. Der neue Gerichtshof gleicht dem alten sehr stark, unterscheidet sich jedoch von ihm in einem wichtigen Punkt: Das am 13. Dezember 1920 von der ersten Völkerbundsversammlung angenommene Statut des Ständigen Gerichtshofes war ein vom Pakt formell unabhängiges Instrument. Das hatte zur Folge, dass ein Staat Mitglied des Völkerbundes werden konnte, ohne dem Statut beizutreten; in gewissen Fällen konnte er sogar dem Statut beitreten, ohne Mitglied des Völkerbundes zu sein. Das Statut des neuen Gerichtshofes bildet dagegen einen integrierenden Bestandteil der Satzung, und jedes Mitglied der Vereinigten Nationen ist daher ohne weiteres auch Teilnehmer am Statut des Gerichtshofes. Das Umgekehrte trifft, allerdings nicht zu, denn die Generalversammlung der Vereinigten Nationen kann ein Nichtmitglied dieser Organisation zur Teilnahme am Statut ermächtigen.

Die Schweiz unterzeichnete 1920 als einer der ersten Staaten das Unterzeichnungsprotokoll zum Statut des Ständigen Gerichtshofes, und 1921 wurde ein Schweizerbürger, Professor Max Huber, als Bichter an den Gerichtshof gewählt, wo er von 1922 bis 1980 amtete und von 1925 bis 1927 die Stellung des Präsidenten innehatte. Unser Land war Partei in zwei Prozessen vor dem Gerichtshof, nämlich im Streitfall mit Frankreich über die Freizonen von Hochsavoyen und des Pays de Gex und im Streitfall mit Jugoslawien in Sachen Losinger & Cie.

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In Anbetracht der Auflösung des Völkerbundes und der Schaffung eines neuen mit den Vereinigten Nationen verbundenen Gerichtshofes beschloss die letzte Völkerbundsversammlung, der Ständige Internationale Gerichtshof sei vom 19. April 1946 an als aufgelöst zu betrachten.

I.

Im Monat November 1945 haben wir eine beratende Kommission von ungefähr fünfzig Mitgliedern einberufen, die sich über die Haltung, die die Schweiz gegenüber den Vereinigten Nationen annehmen sollte, auszusprechen hatte. Diese Kommission drückte die Ansicht aus, unser Land solle den Beitritt zur Organisation der Vereinigten Nationen unter Wahrung seines traditionellen Neutralitätsstatuts anstreben; da aber ein solches Vorgehen unvermeidlich Verzögerungen mit sich bringe, sei es für die Schweiz vorteilhaft, so bald wie möglich mit den verschiedenen von den Vereinigten Nationen gegründeten technischen Organisationen zusammenzuarbeiten und insbesondere dem Internationalen Gerichtshof beizutreten. Unsere Politik im Jahre 1946 ist der in der beratenden Kommission vorherrschenden Meinung gefolgt, und der Vorsteher des Politischen Departements hatte zu verschiedenen Malen die Möglichkeit, Ihnen die sich stellenden Probleme und die Art und Weiße, auf die wir sie zu lösen gedachten, auseinanderzusetzen. Sie haben uns darauf ermächtigt, den Beitritt der Schweiz zur Ernährungs- und Landwirtschaftsorganisation der Vereinigten Nationen und zur Weltgesundheitsorganisation zu erklären, und wir werden Ihnen in einiger Zeit auch den Beitritt zur Organisation der Vereinigten Nationen für Erziehung, Wissenschaft und Kultur vorschlagen, wenn diese unser im November 1946 gestelltes Aufnahmegesuch günstig aufnimmt.

Die Lage in bezug auf den Beitritt der Schweiz zum Statut des Internationalen Gerichtshofes stellte sich wie folgt dar: gemäss Artikel 98, Paragraph 2, der Satzung kann ein Nichtmitglied der Vereinigten Nationen unter den von der.Generalversammlung der Vereinigten Nationen auf Empfehlung des Sicherheitsrates in jedem einzelnen Falle festgelegten Bedingungen am Statut teilnehmen.

Um das Eisiko eines Misserfolges auszuschalten, haben wir am 10. Dezember 1945 das Politische Departement beauftragt, bei den Mitgliedern der Vereinigten Nationen Sondierungen vorzunehmen, und zwar vor allem bei den ständigen Mitgliedern des Sicherheitsrates und den Staaten, die später zu nichtständigen Mitgliedern dieses Bates gewählt wurden. Diese Sondierungen wurden zum grössten Teil im Laufe der ersten Monate des Jahres 1946 ausgeführt; für die Union der Sozialistischen Sowjetrepubliken musste jedoch die Ankunft unseres Gesandten
in Moskau abgewartet werden.

Da keine der erhaltenen Antworten ablehnend war, konnten wir am 18. Oktober 1946 das Politische Departement beauftragen, dem Generalsekretär der Vereinigten Nationen, Herrn Trygve Lie, unsera Wunsch bekanntzugeben,

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die Bedingungen kennenzulernen, unter denen die Schweiz dem Statut des Gerichtshofes beitreten tonnte.

Unsere Anfrage wurde am 80. Oktober vom Sicherheitsrat behandelt und von diesem an einen Sachverständigenausschuss verwiesen. Der Bericht dieses Ausschusses zählt die Bedingungen auf, die nach seiner Meinung der Schweiz für den Beitritt zum Statut des Gerichtshofes gestellt werden sollten.

In seiner Sitzung vom 15. November beschloss der Sicherheitsrat einstimmig, der Generalversammlung die Annahme dieser Bedingungen zu empfehlen.

Nach einer Prüfung dieser Frage durch die Kommission VI beschloss die Generalversammlung am 11. Dezember einstimmig, den Bericht des Saehverständigenausschusses und die Empfehlung des Sicherheitsrates anzunehmen.

Sie legte damit die Bedingungen fest, unter denen die Schweiz am Statut des Internationalen Gerichtshofes teilnehmen kann (Beilagen l und 2).

II.

Bevor wir die Art und die Tragweite dieser Bedingungen prüfen, möchten wir kurz die hauptsächlichsten Gründe aufzählen, die uns dazu führten, Schritte im Hinblick auf den Beitritt der Schweiz zum Gerichtshof zu unternehmen.

Diese Gründe liegen zum Teil in der traditionellen Politik der Schweiz, die mit den ihr zur Verfügung stehenden Mitteln auf die Weiterbildung der Methoden der friedlichen Erledigung von internationalen Streitigkeiten hinzielt; zum Teil stehen sie im Zusammenhang mit den Veränderungen, die seit dem Ende der Feindseligkeiten in der Welt vor sich gehen. · Die Achtung vor dem Eeoht war von jeher die Hoffnung und der Schutz der Schwachen. In den zwischenstaatlichen Beziehungen hat sich im Laufe der letzten Jahrhunderte langsam ein Eecht herausgebildet, das aber noch unvollständig ist, da keine den Staaten übergeordnete Organe bestehen, die dazu befugt wären, dieses Eecht unter allen Umständen verbindlich auszulegen und ihm Nachachtung zu verschaffen. Die Einführung von internationalen Untersuchungs-, Vergleichs-, Schieds- und Gerichtsverfahren stellt daher einen wesentlichen Fortschritt zur Bildung einer wirklich organisierten Staatengesellschaft dar, in der jeder auch noch so kleine Staat einen gewissen Schutz gegen den Missbrauch der Macht gemessen würde.

In der ganzen Geschichte der schweizerischen Eidgenossenschaft spielte das Schiedsverfahren zwischen Kantonen, eine wichtige Eolle, und in der neueren Zeit hat die Schweiz rasch begriffen, dass sie ein lebenswichtiges Interesse an der Unterstützung aller Anstrengungen hat, die die Weiterbildung des Gerichtsverfahrens zwischen Staaten und die Schaffung eines ständigen internationalen Gerichts mit universellem Charakter zum Ziele haben. Daher ist die Schweiz den Haager Abkommen von 1899 und 1907 über die friedliehe Begelung internationaler Streitigkeiten beigetreten, ferner dem Statut des Ständigen Internationalen Gerichtshofes und der Generalakte zur friedlichen Beilegung völkerrechtlicher Streitigkeiten, die 1928 unter dem Völkerbund

513 abgeschlossen wurde. Die Schweiz war einer der ersten Staaten, die die obligatorische Gerichtsbarkeit des Ständigen Internationalen Gerichtshofes gemäss Artikel 86 seines Statuts anerkannten, und sie hat eine grosse Anzahl von zweiseitigen Verträgen zur Erledigung von Streitigkeiten im Vergleichs-, Schieds- und Gerichtsverfahren abgeschlossen.

Diese Politik steht mit den ständigen Interessen unseres Landes so sehr im Einklang, dass nicht daran gedacht werden kann, sie aufzugeben oder auch nur mit weniger Energie als bis jetzt zu verfolgen.

Zu diesen Gründen allgemeiner Natur kommen noch andere hinzu. Im Bestreben, einen wenn auch bescheidenen Beitrag zur Förderung der internationalen Zusammenarbeit zu leisten, gehörte die Schweiz von Anfang an dem Völkerbund an. Zweifellos hätte sie auch um Aufnahme in die Organisation der Vereinigten Nationen nachgesucht, wären nicht die Schwierigkeiten zutage getreten, eine Ermächtigung zu erhalten, der Satzung beizutreten unter gewissen Vorbehalten in bezug auf ihr Statut eines immerwährend neutralen Staates. Dies ist ein Problem, zu dessen Lösung es Zeit brauchen wird. Wir haben daher gerne festgestellt, dass Artikel 98, Paragraph 2, der Satzung die Möglichkeit vorsieht, dass ein Staat am Statut des Internationalen Gerichtshofes teilnehmen kann, ohne gleichzeitig der Satzung beizutreten, Es ist noch hervorzuheben, dass verschiedene unserer Vergleichs-, Gerichtsund Schiedsverträge die Intervention des jetzt aufgelösten Ständigen Internationalen Gerichtshofes vorsehen und daher teilweise nicht mehr anwendbar sind. Wenn es sich nun um Verträge handelt, die zwischen Mitgliedstaaten des neuen Gerichtshofes abgeschlossen sind, wird gemäss Artikel 37 des Statuts der alte Gerichtshof automatisch durch den neuen ersetzt. Der Beitritt der Schweiz zu dessen Statut hätte also zur Folge, dass die zwischen unserem Land und den Mitgliedstaaten der Vereinigten Nationen abgeschlossenen Verträge wieder in vollem Umfang anwendbar würden. Dieses Ergebnis ist um so wichtiger, als es für die Schweiz sehr schwierig und oft sogar unmöglich wäre, eine Streitigkeit einem andern internationalen Gericht zu unterbreiten.

III.

Durch die in Beilage l wiedergegebene Eesolution beschloss die Generalversammlung der Vereinigten Nationen, dass die Schweiz dem Statut des Internationalen Gerichtshofes unter folgenden Bedingungen beitreten könne: a. Annahme der Bestimmungen des Statuts des Internationalen Gerichtshofes; b. Annahme aller Verpflichtungen, die einem Mitglied der Vereinigten Nationen aus Artikel 94 der Satzung erwachsen; o. Verpflichtung zur Zahlung eines Beitrages an die Ausgaben des Gerichtshofes, dessen Höhe die Generalversammlung von Zeit zu Zeit nach Konsultation der schweizerischen Eegierung der Billigkeit entsprechend festsetzt.

Unterziehen wir den Inhalt dieser Bedingungen einer näheren Prüfung.

Bundesblatt. 99. Jahrg. Bd. II.

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A. Die Annahme der Bestimmungen dee Statuts.

Diese Verpflichtung ist selbstverständlich. Der Internationale Gerichtshof gründet sich auf die Artikel 92 bis 96 der Satzung der Vereinigten Nationen (Beilage 8) und auf das Statut, das der Satzung beigefügt ist und einen integrierenden Bestandteil davon bildet (Beilage 4). Artikel l des Statuts stellt noch einmal fest, der Gerichtshof sei das richterliche Hauptorgan der Vereinigten Nationen, und bezieht sich BÖ stillschweigend auf die Artikel 92 bis 96 der Satzung. Die Generalversammlung der Vereinigten Nationen hat sich bei der Abfassung der zweiten Bedingung, die wir später prüfen werden, auf die Erwähnung der aus Artikel 94 hervorgehenden Verpflichtungen beschränkt. Dies geschah deshalb, weil Artikel 92, 98, 95 und 96 keine eigentlichen Verpflichtungen zu Lasten der Mitglieder der Vereinigten Nationen aufstellen.

Die Schweiz kann jedoch diese Artikel, die einige wesentliche Bestimmungen enthalten, nicht ausser acht lassen.

Das Statut behandelt die Organisation des Gerichtshofes (Artikel 2 bis 88), seine Zuständigkeit (Artikel 34 bis 38), sein Verfahren (Artikel 89 bis 64), die Rechtsgutachten, die von ihm eingeholt werden können (Artikel 65 bis 68) und die Änderungen des Statuts (Artikel 69 und 70).

Es enthält keinerlei Bestimmungen, die einem Staat den Rücktritt gestatten oder verbieten würden. Dasselbe gilt für die Satzung, deren integrierenden Bestandteil das Statut bildet ; die Konferenz von San Francisco hat jedoch die Auffassung ausgedrückt, die Vereinigten Nationen könnten sich dem Austritt eines Mitgliedes nicht widersetzen. Wir ziehen daraus den Schiusa, dass auch die Schweiz vom Statut zurücktreten könnte, falls aussergewöhnliche Umstände sie zu einem solchen Schritt veranlassen sollten.

Es muss von Anfang an hervorgehoben werden, dass die Gerichtsbarkeit des Gerichtshofes fakultativ ist, denn ein Staat ist ihr nur unterworfen, wenn er sie zum voraus durch einen von seinem Beitritt zum Statut unabhängigen Akt angenommen hat. Ein solcher Akt kann im Abschluss eines bilateralen Abkommens bestehen, das die Gerichtsbarkeit des Gerichtshofes vorsieht, oder im Beitritt zu einer multilateralen Konvention gleicher Art. Auch die Abgabe der in Artikel 36, Paragraph 2, des Statuts vorgesehenen einseitigen Erklärung, der wir das Kapitel IV der
vorliegenden Botschaft widmen, stellt einen solchen Akt dar.

Die Staaten, die an einem Prozess vor dem Gerichtshof beteiligt sind, müssen sich natürlich den Bestimmungen über seine Zuständigkeit und sein Verfahren unterwerfen. Abgesehen davon schafft das Statut keine Verpflichtungen zu Lasten der Mitglieder der Gerichtsgemeinschaft, gibt ihnen aber gewisse Eechte, besonders in bezug auf die Wahl der Richter, die Bezeichnung eines nationalen Richters in einem Prozess, die Intervention in einen Prozess zwischen Drittstaaten und die Beteiligung am Verfahren der Statutsänderung.

515 a. Für die Wahl der Richter werden zuerst die Vorsehläge für die Kandidaten aufgestellt. Dies erfolgt durch die Mitglieder des Ständigen Schiedshofes, von denen jeder an der Haager Konvention von 1907 über die friedliche Regelung internationaler Streitigkeiten beteiligte Staat höchstens vier ernennen kann, und die auf einer Liste eingetragen sind, aus der die an einem Streit beteiligten Staaten die Schiedsrichter auswählen können. Zur Aufstellung der Kandidatenlisten für den Internationalen Gerichtshof werden die Mitglieder des Ständigen Schiedshofes nach den Staaten, durch-die sie ernannt wurden, in Gruppen eingeteilt. Jede dieser nationalen Gruppen ist berechtigt, höchstens vier Kandidaten vorzuschlagen, unter denen sich nicht mehr als zwei der eigenen Staatsangehörigkeit befinden dürfen. Wenn die Schweiz dem Statut des Internationalen Gerichtshofes beitritt, können also die vier schweizerischen Mitglieder des Ständigen Schiedshofes an der Aufstellung der Kandidaten teilnehmen.

Die eigentliche Wahl fällt in die Kompetenz des Sicherheitsrates und der Generalversammlung, der Vereinigten Nationen, die jedoch grundsätzlich nur Personen aus dem Kreis der vorgeschlagenen Kandidaten wählen können.

Die Generalversammlung und der Sicherheitsrat schreiten unabhängig voneinander zur Wahl. Um gewählt zu werden, muss ein Kandidat in beiden Organen die absolute Mehrheit der Stimmen auf sich vereinigen.

Laut Artikel 4, Ziffer 3, des Statuts können Niohtmitglieder der Vereinigten Nationen, die am Statut teilnehmen, sich an der Wahl der Eichter unter Bedingungen beteiligen, die von der Generalversammlung auf Empfehlung des Sicherheitsrates festgelegt werden. Der vom Sicherheitsrat mit der Prüfung der Bedingungen des Beitritts der Schweiz zum Statut des Gerichtshofes beauftragte Sachverständigenausschuss war der Auffassung, die Generalversammlung besitze kraft dieses Artikels die Möglichkeit, allgemeine, für alle dem Statut beitretenden Nichtmitglieder der Vereinigten Nationen gültige Bedingungen aufzustellen. Es sei deshalb mit der Festsetzung dieser Bedingungen zuzuwarten, bis mindestens ein Nichtmitglied der Vereinigten Nationen dem Statut beigetreten sei (Beilage 2, Ziffer 7). Der Grundsatz der Beteiligung der Schweiz an der Wahl der Bichter wurde also nicht bestritten; nur die Einzelheiten dieser
Beteiligung müssen noch bestimmt werden.

b. Der nationale Bichter: Wenn ein Staat Partei in einem Prozess vor dem Gerichtshof ist, ist er berechtigt, einen seiner Staatsangehörigen unter den Richtern zu haben. Dies kann entweder ein Mitglied des Gerichtshofes seiner Staatsangehörigkeit oder ein gemäss Artikel 81 des Statuts ad hoc bezeichneter Richter sein.

e. Intervention: Das Statut unterscheidet zwei Kategorien von Interventionen. Wenn ein Prozess vor dem Gerichtshof die Auslegung eines Vertrages zum Gegenstand hat, an dem andere Staaten als die im Streite liegenden teilgenommen haben, so gibt der Gerichtsschreiber ihnen unverzüglich Kenntnis von der Angelegenheit. Jeder dieser Staaten ist befugt, am Prozess teilzunehmen.

516 Wenn einer von diesem Becht Gebrauch macht, so gilt die im Urteil enthaltene Auslegung als für denselben ebenfalls verbindlich (Artikel 63 des Statuts).

Wenn ein Drittstaat in andern Fällen glaubt, ein rechtliches Interesse in einer vor dem Gerichtshof hängigen Streitigkeit zu besitzen, kann er eine Ermächtigung zur Intervention verlangen, die ihm jedoch vom Gerichtshof verweigert werden kann (Artikel 62 des Statuts).

d. Änderungen des Statuts : Das Statut kann nach dem gleichen Verfahren wie die Satzung abgeändert werden, das heisst, eine Änderung tritt in Kraft, wenn sie von der Generalversammlung der Vereinigten Nationen mit Zweidrittelmehrheit angenommen und von zwei Drittem der Mitgliedstaaten mit Einschluss der fünf ständigen Mitglieder des Sicherheitsrates ratifiziert worden ist (Artikel 108 der Satzung).

Artikel 69 des Statuts fügt hinzu, dass die Generalversammlung auf Empfehlung des Sicherheitsrates die Beteiligung von Nichtmitgliedern der Vereinigten Nationen, die Teilnehmer am Statut sind, am Änderungsverfahren regeln kann. Auch hier war der Sachverstandigenausschuss der Meinung, es solle zugewartet werden, bis mindestens ein Nichtmitglied der Vereinigten Nationen dem Statut beigetreten sei (Beilage 2, Ziffer 7).

B. Artikel 94 der Satzung.

Dieser Artikel, dessen Text in der Beilage 8 wiedergegeben ist, betrifft die Vollstreckung der vom Gerichtshof gefällten Urteile. Er legt im Paragraph l den Grundsatz nieder, dass jedes Mitglied der Vereinigten Nationen die Verpflichtung übernimmt, sich den Entscheiden des Gerichtshofes in Streitfällen, an denen es Partei ist, zu unterwerfen. Es ist kein Schieds- oder Gerichtsverfahren denkbar, ohne dass die beteiligten Staaten eine solche Verpflichtung auf sich nehmen. Sonst wäre das Gericht nicht ein wirkliches Gericht, sondern eine Vergleichskommission, und seine Verhandlungen würden nicht z\i einem ürteilsspruch führen, sondern zu einem Vorschlag zur Beilegung des Streites.

Die Schweiz kann daher nicht zögern, die Verpflichtung zu übernehmen, sich dem Urteil des Gerichtshofes in jedem Prozess, an dem sie beteiligt ist, zu fügen.

Paragraph 2 des Artikels 94 betrifft den Fall, dass ein Staat entgegen seinen in Paragraph l übernommenen Verpflichtungen sich dem Urteilsspruch des Gerichtshofes nicht unterzieht. Die andere Partei besitzt
unter diesen Umständen die Möglichkeit, diese Unterlassung dem Sicherheitsrat mitzuteilen, und dieser kann, wenn er es als notwendig erachtet, Empfehlungen erlassen oder Massnahmen beschh'essen, um den Vollzug des Urteils sicherzustellen.

Der Sicherheitsrat ist nicht befugt, ex officio einzuschreiten, da er nur auf Antrag des Staates handeln kann, dem die Vollstreckung eines zu seinen Gunsten lautenden Urteils des Gerichtshofes nicht zuteil wird. Ferner ist er nicht verpflichtet, einem solchen Antrag Folge zu leisten. Die Bestimmung des Artikels 94, Paragraph 2, hat daher einen doppelt fakultativen Charakter und bezieht sich auch nicht auf die von andern zwischenstaatlichen Gerichten

517 gefällten Urteile. Sie ist ebenfalls nicht anwendbar auf Entscheidungen des Gerichtshofes, die keine endgültigen Urteile im Sinne des Artikels 60 des Statuts, sondern vorläufige Anordnungen darstellen, -wie zum Beispiel die Verfügungen, durch die vorsorgliche Massnahmen beschlossen werden. Wenn daher diese Bestimmung nur einen bescheidenen Fortschritt in der Eichtung einer vollständigen Lösung des Problems der Zwangsvollstreckung zwischenstaatlicher Urteile bildet, so bietet sie immerhin eine gewisse Sicherheit für die Staaten, die dem Gerichtshof einen Streitfall unterbreiten. Schon die blosse Tatsache, dass sich die andere Partei an den Sicherheitsrat wenden kann, wird die Staaten dazu anhalten, sich auch den für sie ungünstig lautenden Urteilssprüchen des Gerichtshofes zu unterwerfen.

Nicht nur die Mitglieder der Vereinigten Nationen können auf Grund von Artikel 94, Paragraph 2, an den Sicherheitsrat gelangen. Dieses Eecht besitzt jeder durch einen Entscheid des Gerichtshofes gebundene Staat und folglich auch die Nichtmitglieder der Vereinigten Nationen, soweit sie zur Teilnahme an einem Prozess vor dem Gerichtshof berechtigt sind. Wenn der Sicherheitsrat einen als Folge des Nichtvollzuges eines Urteils an ihn gerichteten Antrag prüft, ist er laut Artikel 32 der Satzung verpflichtet, alle Streitparteien zur Teilnahme ohne Stimmrecht an den Diskussionen über diesen Antrag einzuladen.

Wenn Artikel 94, Paragraph 2, Eechte zubilligt, so schafft er keinerlei Verpflichtungen, weder für die Mitglieder der Vereinigten Nationen noch für andere Staaten, die in einem Prozess vor dem Gerichtshof Streitparteien sind, ja nicht einmal für den Sicherheitsrat, da dieser im Fall des Nichtvollzugs eines Urteils nicht zum Handeln verpflichtet ist. Wenn jedoch der Sicherheitsrat ein Einschreiten für nötig hält, kann er Empfehlungen aussprechen, die nicht obligatorischen Charakter besitzen, oder «Massnahmen beschliessen, um den Vollzug des Urteils sicherzustellen». Artikel 94, Paragraph 2, sagt nicht, für wen ein solcher «Beschluss» verbindlich wäre. Der Sachverständigenausschuss erachtete es daher als notwendig, Artikel 25 der Satzung anzurufen, gemäss dem «die Mitglieder der Vereinigten Nationen ihre Pflicht anerkennen, sich gemäss der vorliegenden Satzung den Beschlüssen des Sicherheitsrates zu unterwerfen
und sie durchzuführen». Aus der Verbindung von Artikel 94, Paragraph 2, und Artikel 25 ergibt sich, dass die Mitglieder der Vereinigten Nationen verpflichtet sind, die Beschlüsse, die der Sicherheitsrat zur Vollstreckung eines Urteils des Gerichtshofes fasst, anzunehmen und durchzuführen.

Wenn die Schweiz nur den Artikel 94 annähme, würde ihr eine solche Verpflichtung nicht auferlegt, und sie befände sich so den Mitgliedern der Vereinigten Nationen gegenüber in einer bevorzugten Stellung. Aus diesem Grunde wird die Annahme «aller Verpflichtungen, die einem Mitglied der Vereinigten Nationen aus Artikel 94 der Satzung erwachsen», und nicht nur der Verpflichtungen, die ausdrücklich im Text dieses Artikels vorgesehen sind, von ihr gefordert.

Die verwendete Formulierung ist zweifellos etwas unbestimmt und allgemein, aber der Bericht des Sachverständigenausschusses erlaubt eine Präzi-

518 sierung des Sinnes, den ihr die zuständigen Organe der Vereinigten Nationen geben (Beilage 2, Ziffer 4). Nach der Auffassung des Ausschusses, die vom Sicherheitsrat und von der Generalversammlung genehmigt wurde, «schliessen die Verpflichtungen der Mitglieder der Vereinigten Nationen unter Artikel 94 die zusätzlichen Verpflichtungen der Bestimmungen der Artikel 25 und 103 mit ein, sofern sich diese Bestimmungen auf Artikel 94 beziehen können».

Wenn daher die Schweiz alle Verpflichtungen annimmt, die einem Mitglied der Vereinigten Nationen aus Artikel 94 erwachsen, ist sie durch Artikel 25 und 108 gebunden, aber nur soweit, als sich diese auf die Bestimmungen des Artikels 94 beziehen können.

Wh- haben schon erläutert, welche Bedeutung Artikel 25 in Verbindung mit Artikel 94 zukommt. Was Artikel 103 anbetrifft, so lautet er wie folgt: «Bei einem Widerspruch zwischen den Verpflichtungen der Mitglieder der Vereinigten Nationen auf Grund der vorliegenden Satzung und den Verpflichtungen aus irgendwelchen andern internationalen Übereinkünften gehen die Verpflichtungen aus der Satzung vor.» Aus Artikel 94 und seiner Verbindung mit Artikel 25 ergeben sich für ein Mitglied der Vereinigten Nationen zwei Verpflichtungen, nämlich einerseits die Unterwerfung unter das Urteil des Gerichtshofes in jedem Streit, an dem es Partei ist, und anderseits die Annahme und Durchführung der Beschlüsse, die der Sicherheitsrat zur Vollstreckung der Urteile des Gerichtshofes fassen kann.

Wenn die Schweiz Artikel 108, soweit er sich auf Artikel 94 beziehen kann, als für sie verbindlich annimmt, anerkennt sie damit den Vorrang der beiden aufgezählten Verpflichtungen vor den Pflichten, die ihr irgendein anderer internationaler Vertrag auferlegt. Auf diese Weise würde in diesen zwei Fällen das Problem sich widersprechender Verpflichtungen gelöst, das im Völkerrecht nicht auf gänzlich zufriedenstellende Weise geregelt ist.

In ihren Beziehungen mit Mitgliedern der Vereinigten Nationen oder andern Staaten, die ebenfalls durch Artikel 94 und 103 der Satzung gebunden sind, werden sich daraus für die Schweiz keinerlei Schwierigkeiten ergeben, da diese Staaten wie sie den Vorrang der aus Artikel 94 fliessenden Pflichten anerkannt haben. Dagegen könnten sich in den Beziehungen mit Staaten, die vollständig ausserhalb der Vereinigten
Nationen geblieben sind, gewisse Probleme stellen.

Es ist in der Tat möglich, dass ein Urteil des Gerichtshofes der Schweiz Verpflichtungen auferlegt, die mit denjenigen unvereinbar sind, die sie gegenüber einem durch Artikel 94 und 108 nicht gebundenen Staat eingegangen ist.

Dies ist jedoch ein Risiko, das jeder Staat auf sich nimmt, der sich an ein zwischenstaatliches Gericht wendet. Der. Sicherheitsrat könnte auch im Eahmen seiner Beschlüsse zur Vollstreckung eines Urteils des Gerichtshofes von der Schweiz Massnahmen verlangen, durch die sie ihre Verpflichtungen gegenüber Drittstaaten verletzen würde. Dieses Bisiko ist immerhin sehr gering, weil die Nichtmitgliedstaaten der Vereinigten Nationen wenig zahlreich sind, und weil verschiedene unter ihnen zweifellos mit der Zeit entweder dieser Organi-

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sation beitreten oder zum mindesten wie die Schweiz die Verpflichtungen des Artikels 94 auf sich nehmen.

Dies führt uns zur Frage des materiellen Inhalts der Verpflichtungen, die der Sicherheitsrat durch die Beschlüsse, die er im Hinblick auf die Vollstreckung eines Urteils des Gerichtshofes zu fassen berechtigt ist, der Schweiz auferlegen könnte. Artikel 94, Paragraph 2, schweigt sich über diesen Punkt aus, und weder in den Protokollen der Konferenz von San Francisco noch im Bericht des SachverständigenausBchusses finden sich Anhaltspunkte für eine Auslegung.

Diese Unsicherheit schafft eine etwas unangenehme Lage. Man kann das Problem immerhin auf eine Weise umschreiben, durch die ersichtlich wird, dass durch die Annahme der Verpflichtungen, die einem Mitglied der Vereinigten Nationen aus Artikel 94, Paragraph 2, erwachsen, die Schweiz keineswegs von ihrer traditionellen auf die Neutralität gestützten Politik abweicht.

Wir haben schon festgestellt, dass der Sicherheitsrat im Falle des Nichtvollzuges eines Urteils des Gerichtshofes nur auf Antrag einer der Streitparteien einschreiten kann und dass er in diesem Fall nicht einmal zum Handeln verpflichtet ist. Das Veto einer Grossmaoht könnte ihn ebenfalls daran hindern.

Anderseits sind seine Befugnisse auf Empfehlungen und Massnahmen beschränkt, die auf die Vollstreckung des Urteils hinzielen. Er ist keine für die Kassation oder die Eevision des Urteils zuständige Behörde, wenn der widerspenstige Staat, wie es zu erwarten ist, eine Kompetenzüberschreitung des Gerichtshofes oder einen Verfahrensfehler geltend macht. In einem solchen Fall wird sich der Sicherheitsrat ohne Zweifel darauf beschränken müssen, die Parteien einzuladen, ihren neuen Streit durch friedliche Mittel ihrer eigenen Wahl beizulegen.

Fügen wir noch hinzu, dass nur in ganz seltenen Fällen ein Staat aus irgendeinem Grund die Vollstreckung eines internationalen Urteils verweigert; eine solche Weigerung wurde keinem einzigen Entscheid des Ständigen Internationalen Gerichtshofes entgegengesetzt.

Es besteht daher Grund zur Annahme, der Sicherheitsrat komme nie in die Lage, von den ihm durch Artikel 94, Paragraph 2, übertragenen Befugnissen Gebrauch zu machen. Da aber dieser Artikel in die Satzung aufgenommen wurde, müssen wir trotzdem mit der Möglichkeit seiner Anwendung rechnen.
Der Sicherheitsrat kann kraft dieses Artikels Empfehlungen ohne bindenden Charakter machen oder Beschlüsse fassen, die nur das eine oder andere Organ der Vereinigten Nationen verpflichten. Er kann aber auch den Mitgliedstaaten Verpflichtungen auferlegen. Wir müssen daher zu umschreiben suchen, um welche Staaten und um was für Verpflichtungen es sich handeln könnte.

Auf Grund des allgemeinen Völkerrechts ist die Vollstreckung eines von einem internationalen Gericht gefällten Urteils eine Angelegenheit, die ausschliesslich die Prozessparteien berührt. Diese können ausdrücklich oder stillschweigend übereinkommen, das Urteil entweder gar nicht oder nach gewissen vom Gericht nicht vorgesehenen Modalitäten zu vollziehen. Der gewinnende Staat kann auch einseitige Massnahmen ergreifen mit dem Ziel, den verlierenden

520 Staat zur Vollstreckung des Urteils zu bringen. Soweit sie nicht durch andere Bestimmungen der Satzung eingeschränkt wird, findet sich diese Freiheit der Prozessparteien in Artikel 94, Paragraph 2, wieder, denn der gewinnende Staat ist nicht verpflichtet, an den Sicherheitsrat, zu gelangen, wenn ein zu seinen Gunsten lautendes Urteil des Gerichtshofes nicht ausgeführt wird. Der Sicherheitsrat hat folglich keinen allgemeinen Auftrag, den Vollzug der Urteile des Gerichtshofes sicherzustellen; er ist nur zum Handeln ermächtigt, wenn der gewinnende Staat es von ihm verlangt. Dann hat er selbstverständlich die Möglichkeit, die beiden beteiligten Staaten einzuladen, zur Vollstreckung des Urteils gewisse Massnahmen zu ergreifen ; kraft Artikel 25 der Satzung kann er ihnen ferner die Verpflichtung auferlegen, diese Massnahmen auszuführen.

Ist er aber auch befugt, Mitglieder der Vereinigten Nationen, die nicht am Streitfall beteiligt sind, zum Eingreifen zu verpflichten ? Wir sind nicht dieser Auffassung, und zwar aus folgenden Gründen: Wie jeder völkerrechtliche Vertrag muss die Satzung einschränkend ausgelegt werden, und zwar in dem Sinn, dass eine Verpflichtung zu Lasten der Mitgliedstaaten nur aus einer ausdrücklichen Bestimmung erwachsen kann. So zählt die Satzung im Kapitel VII über die Zwangsmassnahmen bei Bedrohung oder Bruch des Friedens und bei Angriffshandlungen genau die Fälle auf, in denen die Mitgliedstaaten, selbst wenn sie am Konflikt nicht beteiligt sind, zur Teilnahme an einer vom - Sicherheitsrat beschlossenen Massnahme verpflichtet sind. In den beiden Paragraphen des Artikels 94 ist jedoch nur von den Parteien an einem Streitfall die Eede.

Zudem stellt die Satzung keinerlei Verbindung zwischen Artikel 94 und Kapitel VII her. In Artikel 24 wird sogar ausdrücklich betont, die dem Sicherheitsrat für die Erhaltung des Friedens übertragenen Befugnisse seien in den Kapiteln VI, VII, Vili und XII umschrieben, woraus man schliessen kann, dass die Befugnisse des Sicherheitsrates auf Grund von Artikel 94 des Kapitels XIV mit der Aufrechterhaltung des Friedens nichts zu tun haben und dass nach dem Geist der Satzung der Nichtvollzug eines Urteils des Gerichtshofes nicht einer Friedensbedrohung gleichgestellt werden kann. Die im Kapitel VII vorgesehenen kollektiven Zwangsmassnahmen kommen also
für die Anwendung des Artikels 94 nicht in Frage.

Wenn daher die Schweiz alle Verpflichtungen annimmt, die einem Mitgliedstaat aus Artikel 94, Paragraph 2, erwachsen, verpflichtet sie sich nicht, dein Sicherheitsrat bei den zur Vollstreckung eines zwischen Drittstaaten gefällten Urteils ergriffenen Massnahmen Unterstützung zu gewähren. Sie hat nur mit denjenigen Fällen zu rechnen, bei denen sie Partei an einem Prozess vor dem Gerichtshof ist und sie selbst oder die andere Streitpartei das Urteil nicht ausführt. Unter beiden Voraussetzungen kann sie ein Eingreifen des Sicherheitsrates vermeiden, sei es, indem sie das Urteil gemäss der übernommenen Verpflichtung vollzieht, sei es, indem sie darauf verzichtet, an den Sicherheitsrat zu gelangen, wenn der andere Staat dem Urteil nicht nachkommt.

521 Man könnte allerdings die Auffassung vertreten, Artikel 94, Paragraph 2, könne gerade wegen seiner Unbestimmtheit dahingehend ausgelegt werden, dass der Sicherheitsrat befugt ist, auch die nicht am Prozess beteiligten Mitglieder der Vereinigten Nationen zum Einschreiten zu verpflichten. Eine solche extensive Auslegung kann sich weder auf das allgemeine Völkerrecht noch auf andere Bestimmungen der Satzung stützen. Man kann höchstens sagen, dass sie auf den ersten Blick mit der sehr unbestimmten Formulierung des Artikels 94, Paragraph 2, nicht unvereinbar wäre.

Es wäre natürlich vorteilhaft, eine authentische Auslegung dieser Bestimmung zu besitzen, aber die Satzung ermächtigt kein Organ der Vereinigten Nationen, eine solche zu geben, und aller Wahrscheinlichkeit nach wären weder die Generalversammlung noch der Sicherheitsrat geneigt, diesen Weg zu beschreiten. Der Gerichtshof selbst könnte sich nur aussprechen, wenn die Generalversammlung oder der Sicherheitsrat ein Bechtsgutachten darüber einholten (Artikel 96 der Satzung). Ein schweizerischer Schritt mit dem Ziel, eine authentische Auslegung des Artikels 94, Paragraph 2, zu erhalten, hätte daher kaum Aussicht auf Erfolg und wäre überdies vom politischen Standpunkt aus sehr unangebracht.

Im Grunde genommen macht sich die Notwendigkeit einer solchen Auslegung gar nicht fühlbar. Wir wiesen schon darauf hin, dass eine normale Auslegung des Artikels 94, Paragraph 2, nicht zur Annahme führt, es bestehe eine Verpflichtung zur Teilnahme an den Massnahmen, die der Sicherheitsrat zur Vollstreckung eines zwischen Drittstaaten gefällten Urteils beschliesst.

Aber selbst wenn durch eine extensive Auslegung der Schweiz eine solche Verpflichtung auferlegt werden sollte, bedeutete dies nicht, dass dadurch ihre Neutralität in Frage gestellt würde.

In der Tat sind die einzigen kollektiven Zwangsmassnahmen, die mit der Neutralitätspolitik unvereinbar wären, diejenigen des Kapitels VII der Satzung : vor allem die in Artikel 42 vorgesehenen militärischen Massnahmen, aber auch je nach den Umständen der Abbruch der diplomatischen Beziehungen und die Unterbrechung der wirtschaftlichen Beziehungen im Sinne des Artikels 41. Eine Teilnahme der Schweiz an militärischen Massnahmen ist von vornherein ausgeschlossen, da sie den Abschluss eines Spezialabkommens gemäss
Artikel 43 zur Voraussetzung haben müsste. Anderseits können alle in Kapitel VII aufgezählten kollektiven Massnahmen vom Sicherheitsrat nur zur Aufrechterhaltung des Friedens angewendet werden. Wir haben aber schon gesehen, dass nach dem Geist der Satzung die Friedensbedrohung und der Nichtvollzug eines Urteils des Gerichtshofes verschiedene Begriffe sind, zwischen denen keinerlei Verbindung besteht.

Wenn daher auf Grund einer extensiven Auslegung des Artikels 94, Paragraph 2, der Sicherheitsrat sich für zuständig hielte, von der Schweiz eine Beteiligung an der Zwangsvollstreckung eines zwischen Drittstaaten gefällten Urteils zu fordern, könnte er von ihr nicht die Teilnahme an ähnlichen wie in

522 Kapitel VII vorgesehenen Massnahmen verlangen, sondern niüsste sich auf weniger schwerwiegende und daher mit einer Neutralitätspolitik nicht im Widerspruch stehende Massnahmen beschränken.

C. Die Verpflichtung zur Zahlung eines Beitrags.

Die letzte für den Beitritt der Schweiz zum Statut gestellte Bedingung ist die Verpflichtung zur Zahlung eines Beitrags an die Ausgaben des Gerichtshofes, dessen Höhe die Generalversammlung von Zeit zu Zeit, und nachdem sie uns konsultiert hat, der Billigkeit entsprechend festsetzt.

Gegen die Leistung eines solchen Beitrags können keine Einwände erhoben werden; wenn uns aber die vorgeschlagene Summe zu hoch erscheint, besitzen wir die Möglichkeit, unsern Standpunkt geltend zu machen.

Als Anhaltspunkt sei beigefügt, dass sich der Voranschlag des Gerichtshofes für 1947 auf ungefähr 640 000 $ belauft.

D. Scblussfolgenmgen.

Die Prüfung, der wir diese Probleme unterzogen haben und deren Ergebnisse die vorliegende Botschaft in den grossen Zügen darlegt, führt uns zum Schiusa, die Schweiz sei es sich ihrer Tradition getreu schuldig, dem Statut des Internationalen Gerichtshofes beizutreten, und sie könne dies unter den von der Generalversammlung der Vereinigten Nationen aufgestellten Bedingungen auch ohne Nachteil tun.

Wir beantragen Ihnen daher, uns zu ermächtigen, beim Generalsekretär der Vereinigten Nationen eine Beitrittsurkunde zum Internationalen Gerichtshof zu hinterlegen, die enthält: a. Annahme der Bestimmungen des Statuts des Internationalen Gerichtshofes ; b. Annahme aller Verpflichtungen, die einem Mitglied der Vereinigten Nationen aus Artikel 94 der Satzung erwachsen; o. Verpflichtung zur Zahlung eines Beitrages an die Ausgaben des Gerichtshofes, dessen Höhe die Generalversammlung von Zeit zu Zeit nach Konsultation der schweizerischen Eegierung der Billigkeit entsprechend festsetzt.

IV.

Wie bereits betont wurde, schliesst der Beitritt zum Statut noch nicht die Verpflichtung mit ein, die Gerichtsbarkeit des Gerichtshofes anzunehmen.

Immerhin hat er gemäss Artikel 37 zur Folge, dass diejenigen Bestimmungen früherer Verträge, durch die die obligatorische Gerichtsbarkeit des Ständigen Internationalen Gerichtshofes anerkannt wird, von neuem anwendbar werden, da der neue Gerichtshof in dieser Beziehung den alten ersetzt. Im weitern können die Mitglieder der Gerichtsgemeinschaft laut Artikel 86, Ziffer 2, jederzeit erklären, dass sie von Eechts wegen und ohne besonderes Abkommen

523 gegenüber jedem in gleicher Weise sich verpflichtenden Staat die Gerichtsbarkeit des Gerichtshofes in allen nachfolgenden Arten von Streitigkeiten rechtlicher Natur als obligatorisch anerkennen: a. die Auslegung eines Staatsvertrags; Z>. irgendwelche Fragen des internationalen Rechts; c. die Existenz einer Tatsache, die, wenn sie bewiesen wäre, der Verletzung einer internationalen Verpflichtung gleichkommen würde; d, die Art oder der Umfang einer wegen Verletzung einer internationalen Verpflichtung geschuldeten Wiedergutmachung.

Durch eine derartige Erklärung würde die Schweiz die obligatorische Gerichtsbarkeit des Gerichtshofes für alle Streitigkeiten rechtlicher Natur anerkennen, die zwischen ihr und einein Staat, der eine gleiche Erklärung abgegeben hat oder abgeben wird, ausbrechen können. Eine Streitigkeit rechtlicher Natur zwischen zwei Staaten, die die obligatorische Gerichtsbarkeit des Gerichtshofes auf Grund von Art. 86, Ziff. 2, angenommen haben, kann von jedem dieser Staaten durch einseitige Klageerhebung gemäss Art. 40 beim Gerichtshof anhängig gemacht werden. Der vorherige Abschluss eines besonderen Abkommens (des sogenannten Kompromisses), durch das die Parteien übereinkommen, die Streitigkeit dem Gerichtshof zu unterbreiten, ist in diesem Falle nicht notwendig.

Eine derartige Erklärung, die ebenfalls in Artikel 86 des Statuts des alten Gerichtshofes vorgesehen war, machte die Schweiz schon gleichzeitig mit dem Beitritt zu diesem Statut. Anfänglich verpflichtete sie dies nur gegenüber wenigen Staaten, die eine gleiche Erklärung abgegeben hatten; in der Folge jedoch wurde die obligatorische Gerichtsbarkeit des Ständigen Internationalen Gerichtshofes durch mehr als vierzig Staaten, darunter mehrere Grossmächte, anerkannt.

Die Schweiz leistete auf diese Weise Pionierarbeit zu einer Zeit, da sie die Zusammensetzung des Gerichtshofes noch nicht kannte und nicht wissen konnte, in welchem Geiste dieser seine Aufgaben erfüllen werde. Heute kennen wir die Richter des neuen Gerichtshofes, und wir haben allen Grund, zu glauben, dass sie sich auf die hervorragende Rechtsprechung stützen werden, die der alte Gerichtshof während über fünfzehn Jahren einer ebenso fruchtbaren wie vielseitigen Tätigkeit begründet hat. Wir wissen ebenfalls, dass die obligatorische Gerichtsbarkeit des neuen
Gerichtshofes schon von einer grossen Zahl von Staaten, wenn auch zum Teil mit gewissen Vorbehalten, anerkannt wurde.

Es sind dies: a. etwa fünfzehn Staaten, die kraft Artikel 86, Paragraph 5, des Statuts des neuen Gerichtshofes durch die Erklärung gebunden bleiben, die sie unter dem alten Gerichtshof für eine noch nicht abgelaufene Frist abgegeben haben;

524

b. diejenigen Staaten, die kürzlich auf Grund von Artikel 86, Ziffer 2, eine Erklärung abgegeben haben, nämlich Grossbritannien, Niederlande, Vereinigte Staaten, China, Norwegen, Dänemark, Guatemala und Frankreich.

Die Schweiz schuldet es sich daher, wie bisher zur Ausweitung des Zuständigkeitsbereiches des Gerichtshofes beizutragen, und wir beantragen Ihnen aus diesem Grunde, uns zu ermächtigen, dem Generalsekretär der Vereinigten Nationen eine Erklärung abzugeben, durch die die Schweiz die obligatorische Gerichtsbarkeit des "Gerichtshofes gemäss Artikel 36, Ziffer 2, des Statuts anerkennt.

Wenn Sie die am Ende der Kapitel IH und IV gestellten Anträge genehmigen, steht Ihnen die Annahme eines Bundesbeschlusses zu, der den Wortlaut des beigefügten Entwurfes haben könnte.

Genehmigen Sie, Herr Präsident und hochgeehrte Herren, die Versicherung unserer vollkommenen Hochachtung.

Bern, den 8. Juli 1947.

Im Namen des Schweiz. Bundesrates, Der B u n d e s p r ä s i d e n t : Etter Der Vizekanzler: Ch. Oser.

525 (Entwurf.)

Bimdesbeschluss über

den Beitritt der Schweiz zum Statut des Internationalen Gerichtshofes und die Anerkennung der obligatorischen Gerichtsbarkeit dieses Gerichtshofes gemäss Artikel 36 des Statuts.

Die Bundesversammlung der schweizerischen Eidgenossenschaft, nach Einsicht in eine Botschaft dos Bundesrates vom 8. Juli 1947, beschliesst: Artikel 1.

Der Bundesrat ist ermächtigt, beim Generalsekretär der Vereinigten Nationen eine Beitrittsurkunde zum Statut des Internationalen Gerichtshofes zu hinterlegen, die enthält: a. Annahme der Bestimmungen des Statuts des Internationalen Gerichtshofes ; 6. Annahme aller Verpflichtungen, die einem Mitglied der Vereinigten Nationen aus Artikel 94 der Satzung erwachsen: c. Verpflichtung zur Zahlung eines Beitrages an die Ausgaben des Gerichtshofes, dessen Höhe die Generalversammlung von Zeit zu Zeit nach Konsultation der schweizerischen Regierung der Billigkeit entsprechend festsetzt.

Artikel 2.

Der Bundesrat ist ermächtigt, dem Generalsekretär der Vereinigten Nationen eine Erklärung abzugeben, laut der die Schweiz von Rechts wogen und ohne besonderes Abkommen gegenüber jedem in gleicher Weise sich verpflichtenden Staat die Gerichtsbarkeit des Gerichtshofes in allen nachfolgenden Arten von Streitigkeiten rechtlicher Natur als obligatorisch anerkennt:

526

a, die Auslegung eines Staatsvertrages; b. irgendwelche Fragen des internationalen Hechts; c, die Existenz einer Tatsache, die, wenn sie bewiesen wäre, der Verletzung einer internationalen Verpflichtung gleichkommen würde; d. die Art oder der Umfang einer wegen Verletzung einer internationalen Verpflichtung geschuldeten Wiedergutmachung.

Diese Erklärung ist für die Schweiz verbindlich bis zu ihrer Aufhebung mittels einer Kündigungsfrist von einem Jahr.

Artikel 8.

Dieser Bundesbeschluss untersteht den Bestimmungen von Artikel 89, Absatz 4, der Bundesverfassung betreffend die Unterstellung der Staatsverträge unter das Eeferendum.

7813

527

Übersetzung.

Beilage 1.

Resolution

angenommen von der Generalversammlung der Vereinigten Nationen am 11. Dezember 1946.

Am 26. Oktober 1946 übermittelte der schweizerische Generalkonsul in New York dem Generalsekretär der Vereinigten Nationen einen Brief, in dem der Vorsteher des eidgenössischen Politischen Departements den Wunsch des schweizerischen Bundesrates zum Ausdruck brachte, die Bedingungen kennenzulernen, unter denen die Schweiz gemäss Artikel 93, Paragraph 2, der Satzung am Statut des Internationalen Gerichtshofes teilnehmen könnte.

Artikel 98, Paragraph 2, der Satzung bestimmt, dass ein Staat, der nicht Mitglied der Vereinigten Nationen ist, unter den von der Generalversammlung auf Empfehlung des Sicherheitsrates in jedem einzelnen Fall festgelegten Bedingungen am Statut des Internationalen Gerichtshofes teilnehmen kann.

Der Sicherheitsrat hat am 15. November 1946 in seiner 80. Sitzung einen Bericht und eine Empfehlung, die von seinem Sachverständigenausschuss ausgearbeitet wurden, geprüft und angenommen (Beilage).

Die Generalversammlung hat den Bericht und die Empfehlung des Sicherheitsrates geprüft und auf Empfehlung ihrer sechsten Kommission angenommen.

Demgemäss legt die Generalversammlung entsprechend Artikel 98, Paragraph 2, der Satzung und auf Empfehlung des Sicherheitsrates die Bedingungen, unter denen die Schweiz Teilnehmer am Statut des Internationalen Gerichtshofes werden kann, wie folgt fest: Die Schweiz wird Teilnehmer, am Statut des Internationalen Gerichtshofes in jenem Zeitpunkt, in dem beim Generalsekretär der Vereinigten Nationen eine Urkunde hinterlegt wird, die im Namen der schweizerischen Regierung unterzeichnet und gegebenenfalls entsprechend der schweizerischen Verfassung genehmigt ist. Diese Urkunde muss enthalten: a. Annahme der Bestimmungen des Statuts des Internationalen Gerichtshofes; b. Annahme aller Verpflichtungen, die einem Mitglied der Vereinigten Nationen aus Artikel 94 der Satzung erwachsen; c. Verpflichtung zur Zahlung eines Beitrags an die Ausgaben des Gerichtshofes, dessen Höhe die Generalversammlung von Zeit zu Zeit nach Konsultation der schweizerischen Eegierung der Billigkeit entsprechend festsetzt.

528

Übersetzung.

Beilage 2.

Bericht des vom Sicherheitsrat ernannten Sachverständigenausschusses.

1. Der Ausschuss hat den Brief des Vorstehers des eidgenössischen Politischen Departements geprüft, den der schweizerische Generalkonsul in New York am 26. Oktober 1946 dem Generalsekretär übermittelte (Dokument 8./l 85). Dieser Brief drückte den Wunsch des schweizerischen Bundesrates aus, die Bedingungen, unter denen die Schweiz am Statut des Internationalen Gerichtshofes teilnehmen könnte, kennenzulernen. Gemäss Artikel 93, Paragraph 2, der Satzung müssen diese Bedingungen von der Generalversammlung auf Empfehlung des Sicherheitsrates festgelegt werden.

2. Der Ausschuss fordert den Sicherheitsrat auf, der Generalversammlung folgende Empfehlung zu unterbreiten: «Der Sicherheitsrat empfiehlt der Generalversammlung, die Bedingungen, unter denen die Schweiz am Statut des Internationalen Gerichtshofes teilnehmen kann, gemäss Artikel 93, Paragraph 2, der Satzung, wie folgt festzulegen : Die Schweiz wird Teilnehmer am Statut des Internationalen Gerichtshofes in jenem Zeitpunkt, in dem beim Generalsekretär der Vereinigten Nationen eine Urkunde hinterlegt wird, die im Namen der schweizerischen Regierung unterzeichnet und gegebenenfalls entsprechend der schweizerischen Verfassung genehmigt ist. -Diese Urkunde muss enthalten: a. Annahme der Bestimmungen des Statuts des Internationalen Gerichtshofes ; o. Annahme aller Verpflichtungen, die einem Mitglied der Vereinigten Nationen aus Artikel 94 der Satzung erwachsen; c. Verpflichtung zui Zahlung eines Beitrags an die Ausgaben des Gerichtshofes, dessen Höhe die Generalversammlung von Zeit zu Zeit nach Konsultation der schweizerischen Regierung der Billigkeit entsprechend festsetzt.» 8. Der Ausschuss beschliesst, es sei nicht nötig, für die erste vorgeschlagene Bedingung vom Wortlaut des Unterzeichnungsprotokolls des Statuts des Ständigen Internationalen Gerichtshofes (16. Dezember 1920, Serie D, Nr. l, vierte A.uflage, Seite 7) Gebrauch zu machen, durch das die Unterzeichner erklären, «die Gerichtsbarkeit des Gerichtshofes den Bestimmungen des Statuts gemäss und unter den darin vorgesehenen Bedingungen» anzunehmen. Nach der Ansicht des Ausschusses schliesst die Annahme der Bestimmungen des

529 Statuts die Annahme aller Bestimmungen ein, die innerhalb des Statuts die Zuständigkeit des Gerichtshofes vorsehen *).

4. Der Ausschuss stellt fest, dass er die zweite vorgeschlagene Bedingung aus der gleichen Absicht heraus einfügte, die ihn dazu geführt hatte, den gleichen Wortlaut zu empfehlen für Paragraph l der Eesolution, die der Sicherheitsrat am 15. Oktober 1946 fasste und die die Bedingungen festlegt, unter denen der Gerichtshof denjenigen Staaten offensteht, die nicht Teilnehmer am Statut sind. Die Verpflichtungen, die Artikel 94 den Mitgliedern der Vereinigten Nationen auferlegt, sollten nach der Auffassung des Ausschusses gleichermassen angewendet werden auf die Nichtmitglieder der Vereinigten Nationen, die Teilnehmer am Statut sind, und auf die Staaten, denen der Gerichtshof offensteht, ohne dass sie am Statut teilnehmen. Nach der Auffassung des Ausschusses schliessen die Verpflichtungen der Mitglieder der Vereinigten Nationen unter Artikel 94 die zusätzlichen Verpflichtungen der Bestimmungen der Artikel 25 und 108 mit ein, sofern sich diese Bestimmungen auf Artikel 94 beziehen können, und die Nichtmitglieder der Vereinigten Nationen, die am Statut teilnehmen (sowie die Staaten, denen der Gerichtshof offensteht, ohne dass sie Teilnehmer am Statut sind), sind durch die zusätzlichen Verpflichtungen der Artikel 25 und 103 gebunden, soweit sie sich auf die Bestimmungen des Artikels 94 beziehen (aber nicht anderweitig), wenn sie «alle Verpflichtungen, die einem Mitglied der Vereinigten Nationen aus Artikel 94 erwachsen», annehmen.

Der französische Text dieses letzten Satzteiles unterscheidet sich in der im vorliegenden Bericht enthaltenen Empfehlung vom französischen Text der Eesolution des Sicherheitsrates vom 15. Oktober 1946 über den Zutritt zum Gerichtshof. Der Ausschuss glaubt, dass der jetzige Text den Sinn dieser Eesolution genauer wiedergibt.

5. Was die dritte vorgeschlagene Bedingung betrifft, den Beitrag an die Ausgaben des Gerichtshofes, hat der Ausschuss festgestellt, dass der letzte Satz des Artikels 85, Ziffer 8, des Statuts einen allgemeinen (nicht in jedem einzelnen Fall festgesetzten) Beitrag an die Ausgaben des Gerichtshofes durch die am Statut teilnehmenden Nichtmitglieder der Vereinigten Nationen vorsieht. Obschon die Budgetfragen in die Zuständigkeit der
Generalversammlung gehören, muss die Verpflichtung zur Zahlung eines Beitrags an die Ausgaben des Gerichtshofes als eine unter Artikel 98, Paragraph 2, fallende Bedingung durch die Generalversammlung auf Empfehlung des Sicherheitsrates auferlegt werden. Deshalb hat der Ausschuss beschlossen, diese Bedingung zu empfehlen.

*) Der englische Originaltext lautet: "In thé opinion of thè Conunittee, acceptance of thé provisions of thè Statute includes acceptance of any incidental jurisdiction exercisable by thè Court under thé provisions of thè Statute." In der offiziellen französischen Übersetzung heisst es: «De l'avis du Comité, l'acceptation des dispositions du Statut entraîne l'acceptation de ,toute compétence d'attribution' dévolue à la Cour aux termes du Statut».

Bundesblatt. 99. Jahrg. Bd. II.

38

530 6. Der Ausschuss wünscht die Aufmerksamkeit auf die Tatsache zu lenken, dass entsprechend Artikel 93, Paragraph 2, der Satzung die Bedingungen, unter denen ein Staat, der nicht Mitglied der Vereinigten Nationen ist, am Statut teilnehmen kann, in j e d e m einzelnen Fall durch die Generalversammlung auf Empfehlung des Sicherheitsrates festgelegt werden. Es folgt daraus, dass die oben als für den Fall der Schweiz angemessen empfohlenen Bedingungen kein Präzedens bilden, das in einem spätem Fall, der unter Artikel 98, Paragraph 2, gehört, vom Sicherheitsrat oder von der Generalversammlung befolgt werden soll.

7. Der Ausschuss hebt hervor, dass die Schweiz, wenn sie durch Annahme der von der Generalversammlung entsprechend Artikel 98, Paragraph 2, der Satzung aufgestellten Bedingungen Teilnehmer am Statut geworden ist, gemäss Artikel 4 und 69 des Statuts sich an der Wahl der Mitglieder des Gerichtshofes und am Verfahren der Statutsänderung beteiligen kann, und zwar unter den Bedingungen, die die Generalversammlung auf Empfehlung des Sicherheitsrates festlegen kann.

In dieser Beziehung ist festzuhalten, dass, während Artikel 98, Paragraph 2, der Satzung die Festlegung der Beitrittsbedingungen in jedem einzelnen Fall verlangt, die Artikel 4 und 69 des Statuts der Generalversammlung gestatten, auf Empfehlung des Sicherheitsrates allgemein anwendbare Bedingungen festzulegen, unter denen sich die Nichtmitgliedstaaten, die am Statut teilnehmen, an der Wahl der Mitglieder des Gerichtshofes und am Verfahren der Statutsänderung beteiligen können. Der Ausschuss drückt die Ansicht aus, es sei nicht nötig, für den Fall der Schweiz in dieser Hinsicht besondere Bedingungen aufzustellen.

Er ist ebenfalls der Auffassung, der Kat solle der Generalversammlung die allgemein anwendbaren Bedingungen gemäss Artikel 4 und 69 des Statuts nicht jetzt empfehlen, sondern erst, wenn die Schweiz oder irgendein anderer Nichtmitgliedstaat dem Statut tatsächlich beigetreten ist. In diesem Augenblick wird der Eat vielleicht wünschen, im Zusammenhang mit der in Ziffer 2 hievor vorgeschlagenen dritten Beitrittsbedingung in diese allgemein anwendbaren Bedingungen ähnliche Bestimmungen wie diejenigen des Artikels 19 der Satzung aufzunehmen, wenn die Generalversammlung diese Bedingung vorschreibt und die Schweiz sie annimmt.

531

Übersetzung.

Beilage 3.

Kapitel XIV der Satzung der Vereinigten Nationen.

Der Internationale Gerichtshof.

Artikel 92.

Der Internationale Gerichtshof ist das richterliche Hauptorgan der Vereinigten Nationen. Er übt seine Tätigkeiten gemäss dem beigefügten Statut aus, das auf dein Statut des Ständigen Internationalen Gerichtshofes beruht und einen integrierenden Bestandteil der vorliegenden Satzung bildet.

Artikel 98.

1. Alle Mitglieder der Vereinigten Nationen sind ohne weiteres auch Teilnehmer am Statut des Internationalen Gerichtshofes.

2. Ein Staat, der nicht Mitglied der Vereinigten Nationen ist, kann unter den von der Generalversammlung auf Empfehlung des Sicherheitsrates in jedem einzelnen Fall festgesetzten Bedingungen am Statut des Internationalen Gerichtshofes teilnehmen.

Artikel 94.

1. Jedes Mitglied der Vereinigten Nationen verpflichtet sich, in jedem Streit, in dem es Partei ist, sich der Entscheidung des Internationalen Gerichtshofes zu unterwerfen.

2. Wenn eine Streitpartei den Verpflichtungen nicht nachkommt, die ihr gemäss einem vom Internationalen Gerichtshof gefällten Urteil obliegen, so kann die andere Partei an den Sicherheitsrat gelangen und dieser kann, wenn er es als nötwendig erachtet, Empfehlungen erlassen oder Massnahmen beschliessen, um den Vollzug des Urteils sicherzustellen.

Artikel 95.

Keine Bestimmung der vorliegenden Satzung hindert die Mitglieder der Vereinigten Nationen, die Erledigung ihrer Streitigkeiten auf Grund schon bestehender oder in Zukunft noch zu treffender Übereinkommen andern Gerichten anzuvertrauen.

Artikel 96.

1. Die Generalversammlung oder der Sicherheitsrat kann beim Internationalen Gerichtshof über irgendwelche Eechtsfragen Gutachten einholen.

2. Die andern Organe der Vereinigten Nationen und die Spezialorganisationen, die dazu jederzeit von der Generalversammlung ermächtigt werden können, haben ebenfalls das Eecht, beim Internationalen Gerichtshof Gutachten einzuholen über Eechtsfragen, die sich im Eahmen ihrer Tätigkeit stellen.

532

Übersetzung.

Beilage 4.

Statut des Internationalen Gerichtshofs.

Artikel 1.

Der durch die Satzung der Vereinigten Nationen als richterliches Hauptorgan der Organisation geschaffene Internationale Gerichtshof soll nach den Bestimmungen des vorhegenden Statuts errichtet werden und seine Tätigkeit ausüben.

K a p i t e l I.

Organisation des Gerichtshofs.

Artikel 2.

Der Gerichtshof setzt sich zusammen aus unabhängigen Richtern, die ohne Rücksicht auf ihre Staatsangehörigkeit aus den die höchste sittliche Achtung geniessenden Personen gewählt werden, welche die nötigen Voraussetzungen zur Ausübung der höchsten richterlichen Ämter in ihrem Lände erfüllen oder Rechtsgelehrte von anerkannter Bedeutung auf dem Gebiete des internationalen Rechts sind.

Artikel 8.

1. Der Gerichtshof besteht aus fünfzehn Mitgliedern. Er darf nicht mehr als einen Angehörigen des gleichen Staates zählen.

: 2. Eine Person, die als Angehörige von mehr als einem Staat betrachtet werden kann, gilt im Hinblick hierauf als Angehörige desjenigen Staates, in dein sie gewöhnlich ihre bürgerlichen und politischen Eeohte ausübt.

Artikel 4.

1. Die Mitglieder des Gerichtshofs worden, den nachstehenden Bestimmungen gemäss, durch die Generalversammlung und durch den Sicherheitsrat aus einer von den nationalen Gruppen des Ständigen Schiedshofs aufgestellten Liste gewählt.

2. Was die im Ständigen Schiedshof nicht vertretenen Mitglieder der Vereinigten Nationen anbelangt, so werden die Kandidaten durch die von ihren Regierungen bezeichneten nationalen Gruppen aufgestellt. Diese Gruppen werden unter den gleichen Bedingungen, wie sie in Artikel 44 des Haager Abkommens von 1907 zur friedlichen Erledigung internationaler Streitfälle für die Mitglieder des Ständigen Schiedshofs vorgesehen sind, bestellt.

8. Fehlt eine besondere Vereinbarung, so wird die Generalversammlung auf Empfehlung des Sicherheitsrats die Bedingungen festsetzen, unter denen

533

ein Staat, der Teilnehmer am Statut des Gerichtshofs ist, ohne Mitglied der Vereinigten Nationen zu sein, an der Wahl der Mitglieder des Gerichtshofs teilnehmen kann.

Artikel 5.

1. Mindestens drei Monate vor der Wahl ladet der Generalsekretär der Vereinigten Nationen die Mitglieder des Ständigen Schiedshofs, die den Staaten angehören, die Teilnehmer am vorliegenden Statut sind, sowie die gemäss Artikel 4, Ziffer 2, bezeichneten Mitglieder der nationalen Gruppen ein, innerhalb einer gegebenen Frist durch die nationalen Gruppen Personen in Vorschlag zu bringen, die in der Lage sind, das Amt eines Mitglieds des Gerichtshofs zu versehen.

2. Eine Gruppe darf nicht mehr als vier Personen vorschlagen, worunter höchstens zwei ihrer Staatsangehörigkeit sein dürfen. Die Zahl der vorgeschlagenen Kandidaten darf unter keinen Umständen grösser als die doppelte Zahl der zu besetzenden Sitze sein.

Artikel 6.

Es wird jeder nationalen Gruppe empfohlen, vor Bezeichnung ihrer Kandidaten den obersten Gerichtshof des Landes sowie die juristischen Fakultäten und Schulen und die sich mit dem Bechtsstudium befassenden nationalen Akademien und Sektionen internationaler Akademien zu Bäte zu ziehen.

Artikel 7.

1. Der Generalsekretär stellt, in alphabetischer Eeihenfolge, ein Verzeichnis aller auf diese Weise vorgeschlagenen Personen auf; diese Personen allein sind wählbar, unter Vorbehalt des in Artikel 12, Ziffer 2, vorgesehenen Falles.

2. Der Generalsekretär unterbreitet dieses Verzeichnis der Generalversammlung und dem Sicherheitsrat.

Artikel 8.

Die Generalversammlung und der Sicherheitsrat schreiten getrennt zur Wahl der Mitglieder des Gerichtshofs.

Artikel 9.

Bei jeder Wahl werden die Wähler darauf achten, dass die Mitglieder des Gerichtshofs die gestellten Bedingungen erfüllen und in ihrer Gesamtheit die Vertretung der hauptsächlichsten Formen der Zivilisation und der hauptsächlichsten Eechtssysteme der Welt sicherstellen.

534

Artikel 10.

1. Gewählt sind diejenigen, die das absolute Mehr der Generalversammlung und des Sicherheitsrats auf sich vereinigt haben.

2. Bei der Abstimmung im Sicherheitsrat wird weder bei der Wahl der Richter noch hei der Ernennung der Mitglieder der in Artikel 12 vorgesehenen Kommission ein Unterschied zwischen ständigen und nichtständigen Mitgliedern des Sicherheitsrats gemacht.

3. Sollte die doppelte Wahl der Generalversammlung und des Sicherheitsrats auf mehr als einen Angehörigen eines und desselben Staates fallen, so gilt nur der ältere von ihnen als gewählt.

Artikel 11.

Bleiben nach der ersten Wahlversammlung noch Sitze frei, so wird auf die gleiche Art und Weise zu einer zweiten und, wenn nötig, zu einer dritten geschritten.

Artikel 12.

1. Bleiben nach der dritten Wahlversammlung noch Sitze frei, so kann jederzeit, auf das Ansuchen entweder der Generalversammlung oder des Sicherheitsrats, eine Vermittlungskommission von sechs Mitgliedern bestellt werden, von denen drei von der Generalversammlung und drei vom Sicherheitsrat zu ernennen sind, mit dem Auftrag, mit absolutem Mehr für jeden freien Sitz der Generalversammlung und dem Sicherheitsrat einen Kandidaten vorzuschlagen, über dessen Ernennung Generalversammlung und Sicherheitsrat getrennt entscheiden.

2. Die Vermittlungskommission kann durch einstimmigen Beschluss auf ihre Liste alle diejenigen Personen aufnehmen, welche die gestellten Bedingungen erfüllen, selbst wenn sie nicht auf der in Artikel 7 vorgesehenen Liste der Vorgeschlagenen eingetragen sind.

3. Stellt die Vermittlungskommission fest, dass es ihr nicht gelingt, die Wahl sicherzustellen, so werden die schon gewählten Mitglieder des Gerichtshofs innerhalb einer vom Sicherheitsrat festzusetzenden Frist. die vakanten Sitze besetzen, indem sie die Wahl unter denjenigen Personen treffen, die entweder in der Generalversammlung oder im Sicherheitsrat Stimmen erhalten haben.

, 4. Im Falle von Stimmengleichheit unter den Eichtern entscheidet die Stimme des ältesten von ihnen.

Artikel 13.

1. Die Mitglieder des Gerichtshofs sind für einen Zeitraum von neun Jahren gewählt und sind wiederwählbar. Was jedoch die bei der ersten Wahl

535

des Gerichtshofs ernannten Richter betrifft, so endet die Amtsdauer von fünf Richtern nach drei Jahren und die von weitern fünf Richtern nach sechs Jahren.

2. Die Richter, deren Amtsdauer nach Ablauf der oben erwähnten Anfangszeit von drei und sechs Jahren endet, werden vom Generalsekretär unmittelbar nach der ersteh Wahl durch das Los bestimmt.

8. Die Mitglieder des Gerichtshofes bleiben im Amt, bis sie ersetzt sind.

Einmal ersetzt, erledigen sie noch die Fälle, die ihnen vorher übertragen worden sind.

4. Beim Rücktritt eines Mitgliedes des Gerichtshofs ist das Rücktrittsschreiben an den Präsidenten des Gerichtshofs zur Waiterleitung an den Generalsekretär zu richten. Mit dieser letzteren Anzeige gilt der Sitz als erledigt.

Artikel 14.

Die Wiederbesetzung erledigter Sitze findet unter Vorbehalt folgender Bestimmung nach dem für die erste Wahl befolgten Verfahren statt : Im Laufe des auf die Erledigung folgenden Monats hat der Generalsekretär die im Artikel 5 vorgeschriebene Einladung zu erlassen, und der Zeitpunkt der Wahl wird vom Sicherheitsrat festgesetzt.

Artikel 15.

Das an Stelle eines Mitgliedes, dessen Mandat noch nicht abgelaufen ist, gewählte Mitglied des Gerichtshofs beendigt die Amtsperiode seines Vorgängers.

Artikel 16.

1. Die Mitglieder des Gerichtshofs dürfen weder ein politisches noch ein administratives Amt bekleiden, noch sich irgendeiner anderen Tätigkeit beruflicher Art widmen.

2. Bestehen Zweifel, so entscheidet der Gerichtshof.

Artikel 17.

1. Die Mitglieder des Gerichtshofs dürfen weder die Funktionen eines Agenten, noch eines Rechtsbeistandes oder eines Anwaltes in irgendeiner Angelegenheit ausüben, 2. Sie dürfen an der Behandlung keiner Angelegenheit teilnehmen, mit der sie sich früher als Agenten, Rechtsbeistände oder Anwälte einer der Parteien, als Mitglieder eines nationalen oder internationalen Gerichtshofs, einer Untersuchungskommission oder in irgendeiner andern Eigenschaft befasst haben.

8. Bestehen Zweifel, so entscheidet der Gerichtshof.

636

Artikel 18.

1. Ein Mitglied des Gerichtshofs kann nur dann seines Amts enthoben werden, wenn es nach der einstimmigen Meinung der übrigen Mitglieder aufgehört hat, die gestellten Bedingungen zu erfüllen.

2. Von dieser Tatsache wird dem Generalsekretär vom Gerichtsschreiber amtlich Mitteilung gemacht.

3. Mit dieser Mitteilung gilt der Sitz als erledigt.

Artikel 19.

Die Mitglieder de» Gerichtshofs gemessen bei der Ausübung ihres Amts die diplomatischen Vorrechte und Immunitäten.

Artikel 20.

Vor Antritt seines Amts musa jedes Mitglied des Gerichtshofs in Öffentlicher Sitzung die feierliche Erklärung abgeben, dass es seine Befugnisse unparteiisch und gewissenhaft ausüben werde.

Artikel 21.

1. Der Gerichtshof wählt, für die Dauer von drei Jahren, seinen Präsidenten und Vizepräsidenten; diese sind wiederwählbar.

2. Er ernennt seinen Gerichtsschreiber und kann für die Ernennung anderer erforderlicher Beamten sorgen.

Artikel 22.

1. Der Gerichtshof hat seinen Sitz im Haag. Er kann jedoch, wenn er es als wünschenswert erachtet, auch an andern Orten tagen und seine Tätigkeit ausüben.

2. Der Präsident und der Gerichtsschreiber wohnen am Sitz des Gerichtshofs.

Artikel 23.

1. Der Gerichtshof tagt ständig, ausser in den Gerichtsferien, deren Zeitpunkt und Dauer vom Gerichtshof festgesetzt werden.

2. Die Mitglieder des Gerichtshofs haben Anspruch auf periodischen Urlaub, dessen Zeitpunkt und Dauer vom Gerichtshof unter Berücksichtigung der Entfernung vom Haag zum Wohnsitz der Richter bestimmt werden.

8, Die Mitglieder des Gerichtshofs sind verpflichtet, sich ausser bei Urlaub, bei Verhinderung wegen Krankheit oder wegen einer anderen schwerwiegenden Veranlassung, die dem Präsidenten ausreichend zu begründen ist, jederzeit dem Gerichtshof zur Verfügung zu halten.

537 Artikel 24.

1. Glaubt ein Mitglied des Gerichtshofs aus besondern Gründen an der Beurteilung eines Streitfalls nicht teilnehmen zu sollen, so gibt es dem Präsidenten davon Kenntnis.

2. Ist der Präsident der Meinung, dass eines der Mitglieder des Gerichtshofs aus besondern Gründen bei der Behandlung einer Angelegenheit nicht mitwirken sollte, so macht er ihm davon Mitteilung.

S. Bestehen in einem derartigen Falle Meinungsverschiedenheiten zwischen dem Mitglied des Gerichtshofs und dem Präsidenten, so entscheidet der Gerichtshof.

Artikel 25.

*

1. Die im vorliegenden Statut ausdrücklich vorgesehenen Fälle ausgenommen, übt der Gerichtshof seine Befugnisse in Plenarsitzungen aus.

2. Unter der Bedingung, dass .die Zahl der Eichter, die zur Bildung des Gerichtshofs zur Verfügung stehen, nicht unter elf herabgesetzt werde, kann daa Beglement des Gerichtshofs vorsehen, dass je nach den Umständen und der Reihenfolge nach einer oder mehrere Richter von der Teilnahme befreit werden können, 8. Neun Bichter genügen zur Bildung des Gerichtshofs.

Artikel 26.

1, Der Gerichtshof kann zu jeder Zeit eine oder mehrere, je nach seiner Entscheidung aus drei oder mehr Richtern zusammengesetzte Kammern einsetzen, um bestimmte Arten von Angelegenheiten zu entscheiden, zum Beispiel solche, die sich auf die Arbeit, den Transit und Verkehr beziehen.

2. Der Gerichtshof kann jederzeit eine Kammer zur Entscheidung einer bestimmten Angelegenheit einsetzen. Die Zahl der Bichter dieser Kammer wird vom Gerichtshof mit Zustimmung der Parteien festgesetzt.

S, Die in diesem Artikel vorgesehenen Kammern entscheiden eine Angelegenheit, wenn es die Parteien beantragen.

Artikel 27.

Jedes von einer der in den Artikeln 26 und 29 vorgesehenen Kammern ausgesprochene Urteil gilt als Urteil des Gerichtshofs.

Artikel 28.

Die in den Artikeln 26 und 29 vorgesehenen Kammern können, mit Zustimmung der Parteien, anderswo als im Haag tagen und ihre Tätigkeit ausüben.

538

Artikel 29.

Zum Zwecke der raschen Erledigung der Angelegenheiten bestellt der Gerichtshof jährlich eine Kammer von fünf Eichtern, die berufen sind, auf Ansuchen der Parteien in abgekürztem Verfahren zu entscheiden. Überdies werden zwei Eichter bezeichnet, die einen an der Teilnahme an einer Sitzung verhinderten Eichter zu ersetzen hätten.

Artikel 30.

1. Der Gerichtshof setzt durch.ein Eeglement fest, in welcher Weise er seine Befugnisse ausübt. Er regelt namentlich sein Verfahren.

2. Das Eeglement 4es Gerichtshofs kann Beisitzer vorsehen, die an den Sitzungen des Gerichtshofs oder seiner Kammern ohne Stimmrecht teilnehmen.

Artikel 31.

1. Eichter, welche die Staatsangehörigkeit einer der Parteien besitzen, behalten Sitz und Stimme bei Behandlung der dem Geirchtshof vorgelegten Angelegenheit.

2. Hat eine der Parteien einen ihrer Staatsangehörigen im Gerichtshof, so kann jede andere Partei nach ihrer Wahl eine Person bezeichnen, die in der Eigenschaft eines Eichters mitwirkt und die vorzugsweise aus dem Kreise derjenigen Personen zu nehmen ist, die gemäss den Bestimmungen der Artikel 4 und 5 in Vorschlag gekommen sind.

3. Hat keine der Parteien einen ihrer Staatsangehörigen im Gerichtshof, so kann jede Partei die Bezeichnung eines Eichters auf die im vorhergehenden Absatz bezeichnete Art und Weise vornehmen.

4. Dieser Artikel findet auch auf die in den Artikeln 26 und 29 vorgesehenen Fälle Anwendung. In solchen Fällen wird der Präsident eines oder gegebenenfalls zwei der die Kammer bildenden Mitglieder des Gerichtshofs ersuchen, ihren Platz den Mitgliedern des Gerichtshofs, die Staatsangehörige der beteiligten Parteien sind, und in Ermangelung solcher oder bei Verhinderung, den von den Parteien besonders bezeichneten Eichtern abzutreten.

5. Bilden verschiedene Parteion eine Streitgemeinschaft, so gelten sie, soweit die Anwendung der vorstehenden Bestimmungen in Frage kommt, nur als eine. Besteht ein Zweifel, so entscheidet der Gerichtshof.

6. Die gemäss Ziffer 2, 3 und 4 dieses Artikels bezeichneten Eichter müssen die in den Artikeln 2,17, Ziffer 2, 20 und 24 dieses Statuts aufgestellten Bedingungen erfüllen. Sie wirken beim Entscheid mit ihren Kollegen als völlig gleichberechtigt mit.

Artikel 32.

1. Die Mitglieder des Gerichtshofs erhalten eine Jahresbesoldung.

539 2. Der Präsident erhält eine besondere jährliche Zulage.

8. Der Vizepräsident erhält eine besondere Zulage für jeden Tag, wo er das Amt des Präsidenten ausübt.

4. Die in Anwendung von Artikel 81 bezeichneten Eichter, die nicht Mitglieder des Gerichtshofs sind, erhalten eine Entschädigung für jeden Tag, wo sie ihr Amt ausüben.

5. Diese Besoldungen, Zulagen und Entschädigungen werden von der Generalversammlung festgesetzt. Sie können während der Amtsdauer nicht herabgesetzt werden.

6. Die Besoldung des Gerichtsschreibers wird von der Generalversammlung auf Antrag des Gerichtshofs festgesetzt.

7. Ein Eeglement, das der Genehmigung der Generalversammlung bedarf, setzt die Bedingungen fest, unter denen den Mitgliedern des Gerichtshofs und dem Gerichtsschreiber Buhegehälter ausgerichtet werden, sowie die Bedingungen, unter denen den Mitgliedern des Gerichtshofs und dem Gerichtsschreiber die Eeisekosten vergütet werden.

8. Die Besoldungen, Zulagen und Entschädigungen sind von jeder Steuer befreit.

Artikel 33.

Die Kosten des Gerichtshofs werden von den Vereinigten Nationen in einer durch die Generalversammlung zu bestimmenden Weise getragen.

K a p i t e l II.

Zuständigkeit des Gerichtshofs; Artikel 34.

1. Die Staaten allein sind berechtigt, an den Gerichtshof zu gelangen.

2. Der Gerichtshof kann, unter den in seinem Eeglement vorgesehenen Bedingungen, von den öffentlich-rechtlichen internationalen Organisationen Auskünfte über die vor ihn gebrachten Angelegenheiten verlangen und nimmt solche Auskünfte auch" entgegen, wenn sie ihm von diesen Organisationen aus eigener Initiative erteilt werden.

8. Wenn die Auslegung des konstituierenden Aktes einer öffentlich-rechtlichen internationalen Organisation oder eines auf Grund dieses Aktes abgeschlos senen internationalen Vertrages in einer dem Gerichtshof unterbreiteten Angelegenheit in Frage steht, so benachrichtigt der Gerichtsschreiber die betreffende Organisation blevon und übermittelt ihr die Protokolle des gesamten schriftlichen Verfahrens.

540 Artikel 85.

1. Der Gerichtshof steht den Staaten, die Teilnehmer an diesem Statut sind, offen, 2. Die Bedingungen, unter denen er den übrigen Staaten offen steht, werden, unter Vorbehalt der besondern Bestimmungen der bestehenden Verträge, vom Sicherheitsrat festgesetzt, und zwar so, dass unter keinen Umständen für die Parteien Ungleichheiten daraus entstehen dürfen.

8. Tritt in einer Angelegenheit ein Staat als Partei auf, der nicht Mitglied der Vereinigten Nationen ist, so setzt der Gerichtshof den von dieser Partei an die Kosten des Gerichtshofs zu entrichtenden Beitrag fest. Diese Bestimmung findet indessen nicht Anwendung, wenn jener Staat die Ausgaben des Gerichtshofes bestreiten hilft.

Artikel 86.

1. Die Zuständigkeit des Gerichtshofs erstreckt sich auf alle Angelegenheiten, die die Parteien ihm unterbreiten, sowie auf alle Fälle, die in der Satzung der Vereinigten Nationen oder in den bestehenden Verträgen und Übereinkommen besonders vorgesehen sind.

2. Die Teilnehmer am vorliegenden Statut können jederzeit erklären, dass sie von Eechts wegen und ohne besonderes Abkommen gegenüber jedem in gleicher Weise sich verpflichtenden Staat die Gerichtsbarkeit des Gerichtshofs in allen nachfolgenden Arten von Stieitigkeiten rechtlicher Natur als obligatorisch anerkennen: a. die Auslegung eines Staatsvertrags; b. irgendwelche Fragen des internationalen Eechts; o. die Existenz einer Tatsache, die, wenn sie bewiesen wäre, der Verletzung einer internationalen Verpflichtung gleichkommen würde; d. die Art oder der Umfang einer wegen Verletzung einer internationalen Verpflichtung geschuldeten Wiedergutmachung, 8. Die vorgenannten Erklärungen können unbeschränkt oder unter Vorbehalt einer entsprechenden Verpflichtung mehrerer oder gewisser Staaten oder auch für eine bestimmte Frist abgegeben werden.

4. Diese Erklärungen werden dem Generalsekretär der Vereinigten Nationen übergeben, der den Teilnehmern am vorliegenden Statut und dem Gerichtsschreiber eine Kopie zustellt.

5. Die in Anwendung.von Artikel 86 des Statuts* des Ständigen Internationalen Gerichtshofs für eine Frist, die noch nicht abgelaufen ist, abgegebenen Erklärungen gelten in den Beziehungen der Teilnehmer am vorliegenden Statut als Annahme der obligatorischen Gerichtsbarkeit des Internationalen Gerichtshofs für die Dauer der noch nicht abgelaufenen Frist und im Eahmen ihrer Bedingungen.

6. Ist die Zuständigkeit des Gerichtshofs bestritten, so entscheidet der Gerichtshof über diese Frage.

541 Artikel 87.

Ist in einem bestehenden Vertrag oder in einer bestehenden Übereinkunft die Überweisung an ein vom Völkerbund zu errichtendes Gericht oder an den Ständigen Internationalen Gerichtshof vorgesehen, so bildet zwischen den Teilnehmern am vorliegenden Statut der Internationale Gerichtshof dieses Gericht.

Artikel 88.

1, Der Gerichtshof, dessen Aufgabe es ist, die ihm unterbreiteten Streitigkeiten nach Völkerrecht zu entscheiden, wendet an: a. die internationalen Übereinkünfte, allgemeiner oder besonderer Natur, in denen von den streitenden Parteien ausdrücklich anerkannte Normen aufgestellt worden sind; b. das internationale Gewohnheitsrecht als Ausdruck einer allgemeinen, als Eeeht anerkannten Übung; c. die allgemeinen, von den Kulturstaaten anerkannten Kechtsgrundsätze; d. unter Vorbehalt der Bestimmung des Artikels 59, die gerichtlichen Entscheide und die Lehren.der anerkanntesten Autoren der verschiedenen Nationen als Hilfsmittel zur Feststellung der Eechtsnormen.

2. Durch diese Bestimmung wird die Befugnis des Gerichtshofs, mit Zustimmung der Parteien ex aequo et bono zu entscheiden, nicht beeinträchtigt.

K a p i t e l III.

Verfahren.

Artikel 39.

1. Die amtlichen Sprachen des Gerichtshofs sind das Französische und das Englische. Sind die Parteien damit einverstanden, dass das ganze Verfahren in französischer Sprache durchgeführt werde, so wird das Urteil in dieser Sprache gefällt. Stimmen die Parteien darin überein, dass das ganze Verfahren in englischer Sprache durchgeführt werden soll, so wird das Urteil in dieser Sprache gefällt.

2. In Ermangelung einer Vereinbarung über die anzuwendende Sprache können die Parteien für die Parteivorträge von den beiden Sprachen diejenige gebrauchen, der sie den Vorzug geben; der Gerichtshof wird dann seinen Entscheid in französischer und englischer Sprache treffen. In diesem Fall bestimmt der Gerichtshof gleichzeitig, welcher von den beiden Texten massgebend ist.

8. Auf Ansuchen irgendeiner Partei gestattet der Gerichtshof den Gebrauch einer andern Sprache als der französischen oder englischen durch die betreffende Partei.

542

Artikel 40, 1. Je nach dem im Einzelfall massgebenden Eecht werden die Streitigkeiten beim Gerichtshof entweder durch Notifikation der Schiedsordnung oder durch eine Klageerhebung anhängig gemacht, die beide dem Gerichtsschreiber einzureichen sind; in beiden Fällen müssen der Streitgegenstand und die streitenden Parteien bezeichnet werden.

2. Der Gerichtsschreiber teilt die Eingabe sofort allen Beteiligten mit.

8. Er .gibt auch den Mitgliedern der Vereinigten Nationen durch Vermittlung des Generalsekretärs davon Kenntnis, desgleichen den andern zum Gerichtshof zugelassenen Staaten.

Artikel 41.

1. Der Gerichtshof ist befugt, sofern es seines Erachtens die Umstände erfordern, diejenigen vorsorglichen Massnahmen zu bezeichnen, die zum Schutze der Eechte jeder Partei getroffen werden müssen, 2. Vorbehaltlich des endgültigen Entscheids wird den Parteien und dem Sicherheitsrat von den vorgesehenen Massnahmen sofort Kenntnis gegeben.

Artikel 42.

1. Die Parteien werden durch Agenten vertreten.

2. Sie können vor dem Gerichtshof Eechtsbeistände oder Anwälte beiziehen.

3. Die Agenten, Eechtsbeistände und Anwälte der Parteien vor dem Gerichtshof gemessen die Vorrechte und Immunitäten, die zur unabhängigen Ausübung ihrer Tätigkeit nötig sind.

Artikel 43.

1. Das Verfahren zerfällt in zwei Abschnitte: das schriftliche und das mündliche.

2. Das schriftliche Verfahren umfasst die Mitteilung der Schriftsätze, der Gegenberichte und, gegebenenfalls, der Eephken sowie der zur Bekräftigung vorgelegten Schriftstücke und Urkunden an die Eichter und die Parteien.

3. Die Mitteilung erfolgt durch Vermittlung des Gerichtsschreibers in der vom Gerichtshof bestimmten Eeihenfolge und innerhalb der von ihm festgesetzten Fristen.

4. Jedes von einer der Parteien vorgelegte Schriftstück ist der andern Partei in beglaubigter Abschrift zuzustellen.

5. Das mündliche Verfahren besteht in der Anhörung der Zeugen, Sachverständigen, Agenten, Eechtsbeistände und Anwälte durch den Gerichtshof.

543

Artikel 44.

1. Für alle Zustellungen an andere Personen als die Agenten, Rechtsbeistände und Anwälte wendet sich der Gerichtshof unmittelbar an die Regierung des Staates, auf dessen Gebiet die Zustellung erfolgen soll.

2. Das gleiche gilt, wenn es sich um Beweisaufnahmen an Ort und Stelle handelt.

Artikel 45.

Die Verhandlungen werden vom Präsidenten und, wenn dieser dazu nicht in der Lage ist, durch den Vizepräsidenten geleitet; im. Falle der Verhinderung beider übernimmt der älteste anwesende Richter den Vorsitz.

Artikel 46.

Die Sitzung ist öffentlich, wenn nicht der Gerichtshof anders beschliesst oder beide Parteien verlangen, dass das Publikum nicht zugelassen werden soll.

Artikel 47.

1. Über jede Sitzung wird ein vom Gerichtsschreiber und dem Präsidenten unterzeichnetes Protokoll aufgenommen.

2. Dieses Protokoll allein hat amtlichen Charakter.

Artikel 48.

Der Gerichtshof erlässt Verfügungen betreffend die Leitung des Prozesses und die Festsetzung der Formen und der Fristen, innerhalb welcher jede Partei ihre Schlussanträge zu stellen hat; er trifft alle auf die Beweisaufnahme bezüglichen Massnahinen.

Artikel 49.

Der Gerichtshof kann, sogar vor jeder Verhandlung, von den Agenten die Vorlegung jeder Art von Dokumenten und irgendwelche Auskunft verlangen. Im Falle der Verweigerung wird davon Vormerk genommen.

Artikel 50.

Der Gerichtshof kann jederzeit irgendeine Person, eine Körperschaft, ein Bureau, eine Kommission oder ein anderes Organ, deren Wahl ihm freisteht, mit der Vornahme einer Untersuchung oder einer Expertise beauftragen.

Artikel 51.

Während der Verhandlungen werden den Zeugen und den Sachverständigen alle angebracht scheinenden Fragen unter den Bedingungen vorgelegt, die der Gerichtshof in dem in Artikel 80 vorgesehenen Reglement festsetzt.

544

Artikel 52.

Nachdem der Gerichtshof innerhalb der von ihm festgesetzten Fristen die Beweismittel und Zeugenaussagen erhalten hat, kann er alle neuen Aussagen oder Urkunden zurückweisen, die ihm eine der Parteien ohne die Zustimmung der andern vorlegen möchte.

Artikel 58.

1. Erscheint eine der Parteien nicht oder verzichtet sie darauf, ihre Rechtsmittel geltend zu machen, so kann die andere Partei vom Gerichtshof verlangen, dass er im Sinne ihrer Schlussanträge entscheide.

2. Bevor er diesem Begehren entspricht, muss sich der Gerichtshof nicht nur vergewissern, dass er gemäss Artikel 86 und 87 zuständig sei, sondern auch, dass die Schlussanträge in tatsächlicher und in rechtlicher Beziehung begründet sind.

Artikel 54.

1. Nachdem die Agenten, Eechtsbeistände und Anwälte unter der Kontrolle des Gerichtshofs alle ihnen nützlich erscheinenden Eoohtsmittel geltend gemacht haben, erklärt der Präsident den Schluss der Verhandlungen.

2. Der Gerichtshof zieht sich zur Beratung zurück.

8. Die Beratungen des Gerichtshofs sind und bleiben geheim.

Artikel 55.

1. Die Beschlüsse des Gerichtshofs werden mit Stimmenmehrheit der anwesenden Eichter gefasst.

2. Bei Stimmengleichheit entscheidet die Stimme des Präsidenten oder desjenigen, der ihn ersetzt.

Artikel 56.

1. Der Entscheid ist zu begründen.

2. Er erwähnt die Namen der Eichter, die daran teilgenommen haben.

Artikel 57.

Ist der Entscheid in seiner Gesamtheit oder zum Teil nicht der Ausdruck der einstimmigen Meinung der Eichter, so ist jeder Eichter berechtigt, dem Entscheid die Darlegung seiner persönlichen Meinung beizufügen, Artikel 58.

Der Entscheid wird vom Präsidenten und vom Gerichtsschreiber unterzeichnet. Er wird, nach in gehöriger Form erfolgter Anzeige an die Agenten, in öffentlicher Sitzung eröffnet.

545

Artikel 59.

Der Entscheid des Gerichtshofs ist nur für die streitenden Parteien verbindlich, und zwar nur für den Fall, über den entschieden worden ist.

Artikel 60.

Der Entscheid ist endgültig; Berufung ist ausgeschlossen. Bei Meinungsverschiedenheiten über den Sinn oder die Tragweite des Entscheides steht dem Gerichtshof auf Ansuchen irgendeiner Partei das Recht zu, ihn auszulegen.

Artikel 61.

1. Ein Gesuch um Revision des Entscheids kann beim Gerichtshof nur auf Grund der Entdeckung einer Tatsache gestellt werden, die geeignet wäre, einen entscheidenden Einfluss auszuüben, und die vor dem Erlass des Entscheids sowohl dem Gerichtshof als der Partei, welche die Revision verlangt, ohne dass der letzteren in dieser Hinsicht ein Verschulden zur Last gelegt werden kann, unbekannt war.

2. Das Revisionsverfahren wird durch einen Entscheid des Gerichtshofs eröffnet, der das Vorhandensein der neuen Tatsache ausdrücklich feststellt, ihr die zur Eröffnung des Revisionsverfahrens Anlass gebenden Merkmale zuerkennt und dementsprechend das Begehren ab zulässig erklärt.

8. Der Gerichtshof kann die Eröffnung des Revisionsverfahrens von der vorangehenden Vollziehung des Entscheids abhängig machen.

4. Das Revisionsbegehren muss spätestens innerhalb einer Frist von sechs Monaten nach der Entdeckung der neuen Tatsache gestellt werden.

5. Nach Ablauf einer Frist von zehn Jahren, vom Tage des Entscheids an gerechnet, kann kein Revisionsbegehren mehr gestellt werden.

Artikel 62.

1. Ist ein Staat der Meinung, dass in einer Streitigkeit ein Interesse rechtlicher Natur für ihn in Frage kommt, so kann er das Gesuch an den Gerichtshof stellen, zur Intervention ermächtigt zu werden.

2. Der Gerichtshof trifft den Entscheid.

Artikel 68.

1. Handelt es sich um die Auslegung eines Vertrags, an dem andere Staaten als die im Streite liegenden teilgenommen haben, so gibt der Gerichtsschreiber ihnen unverzüglich Kenntnis von der Angelegenheit.

2. Jeder dieser Staaten ist befugt, am Prozess teilzunehmen. Wenn einer von diesem Recht Gebrauch macht, so gilt die im Urteil enthaltene Auslegung als für denselben ebenfalls verbindlich.

Artikel 64.

Wenn der Gerichtshof nicht anders beschliesst, trägt jede Partei ihre Prozesskosten.

Bundeablatt. 99. Jahrg. Bd. II.

39

546 K a p i t e l IV.

Gutachten.

Artikel 65.

1. Der Gerichtshof kann über jede Rechtsfrage ein Gutachten abgeben, und zwar auf Antrag jedes Organs oder jeder Organisation, die durch die Satzung der Vereinigten Nationen oder gemäss deren Bestimmungen ermächtigt wird, ein solches Gutachten einzuholen.

2. Die Prägen, über die vom Gerichtshof ein Gutachten eingeholt wird, werden ihm in einem schriftlichen Begehren dargelegt, das die Frage, über die das Gutachten des Gerichtshofes eingeholt wird, klar und deutlich zum Ausdruck bringt und dem alle Schriftstücke beigefügt sind, die der Abklärung der Frage dienlich sein können.

Artikel 66.

1. Der Gerichtsschreiber gibt vom Begehren, mit dem das Gtuachten eingeholt wird, unverzüglich allen zum Gerichtshof zugelassenen Staaten Kenntnis.

2, Alle zum Gerichtshof zugelassenen Staaten und jede internationale Organisation, die nach der Ansicht des Gerichtshofs oder, wenn er nicht tagt, nach der seines Präsidenten über die Frage Aufschluss geben können, werden ausserdem vom Gerichtsschreiber durch besondere und direkte Mitteilung davon in Kenntnis gesetzt, dass der Gerichtshof bereit ist, ihre Exposés entgegenzunehmen, entweder schriftlich -binnen einer vom Präsidenten festgesetzten Frist oder mündlich in einer zu diesem Zwecke anberaumten öffentlichen Sitzung.

8. Falls einer dieser Staaten, der die besondere, in Ziffer 2 dieses Artikels vorgesehene Mitteilung nicht erhalten hat, den Wunsch äussert, ein schriftliches Exposé einzureichen oder gehört zu werden, so entscheidet der Gerichtshof.

4. Die Staaten oder Organisationen, die schriftliche oder mündliche Exposés vorgebracht haben, sind berechtigt, zu den Exposés der andern Staaten und Organisationen in der Form, im Umfang und binnen der Fristen Stellung zu nehmen, die der Gerichtshof oder, wenn er nicht tagt, sein Präsident in jedem einzelnen Fall festsetzt. Zu diesem Zwecke teilt der Gerichtsschreiber die schriftlichen Exposés zu gegebener Zeit den Staaten oder Organisationen mit, die selber solche eingereicht haben.

Artikel 67.

Der Gerichtshof gibt seine Gutachten in öffentlicher Sitzung ab, nachdem der Generalsekretär und die Vertreter der Mitglieder der Vereinigton Nationen sowie der andern Staaten und internationalen Organisationen, die es unmittelbar angeht, vorher benachrichtigt worden sind.

547 Artikel 68.

In der Ausübung seiner gutachtlichen Tätigkeit wird sich der Gerichtshof ausserdem an die Bestimmungen des vorliegenden Statuts halten, die auf das Streitverfahren Anwendung finden, soweit er sie für anwendbar erachtet.

K a p i t e l V.

Änderungen des Statuts.

Artikel. 69.

.

Änderungen des vorliegenden Statuts erfolgen nach dem gleichen Verfahren, das für die Änderungen der Satzung der Vereinigten Nationen vorgesehen ist, jedoch unter Vorbehalt der Bestimmungen, die die Generalversammlung auf Empfehlung des Sicherheitsrates annehmen könnte, um die Beteiligung derjenigen Staaten an diesem Verfahren zu regeln, die Teilnehmer am vorliegenden Statut, aber nicht Mitglieder der Vereinigten Nationen sind.

Artikel 70.

Der Gerichtshof kann die Änderungen des vorliegenden Statuts, die er als notwendig erachtet, auf dem Wege einer schriftlichen Mitteilung an den Generalsekretär vorschlagen, damit sie nach den Bestimmungen von Artikel 69 geprüft werden.

Schweizerisches Bundesarchiv, Digitale Amtsdruckschriften Archives fédérales suisses, Publications officielles numérisées Archivio federale svizzero, Pubblicazioni ufficiali digitali

Botschaft des Bundesrates an die Bundesversammlung über den Beitritt der Schweiz zum Statut des Internationalen Gerichtshofes. (Vom 8. Juli 1947.)

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1947

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2

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27

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10.07.1947

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