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Bericht des

Bundesrates an die Bundesversammlung über das Initiativbegehren des Kantons Genf auf Schaffung der verfassungsrechtlichen und gesetzlichen Voraussetzungen für die Subventionierung des Wohnungsbaues.

(Vom 27. November 1947.)

Herr Präsident!

Hochgeehrte Herren!

Gestutzt auf das gemäss Art. 93, Abs. '2, der Bundes verfassung den Kantonen zustehende Vorschlagsrecht (Initiative) hat der Grosse Bat des Kantons Genf am 28. Juni 1947 einen Gesetzesbeschluss gefasst, durch den der Bundesrat ersucht wird, die verfassungsrechtlichen und gesetzlichen Voraussetzungen für die Subventionierung des Baues von gesunden und billigen Wohnungen zu schaffen. Der Staatsrat hat dieses Initiativbegehren mit t Zuschrift vom 20. August 1947 den eidgenössischen Behörden übermittelt Der Nationalrat nahm am 22. September 1947 und der Ständerat am 2G. September 1947 von diesem Vorschlag Kenntnis mit der Einladung an den Bundesrat, in der Sache selbst Bericht und Antrag einzureichen.

Wir beehren uns, Ihnen nachstehend über das vorhegende Initiativbegehren Bericht zu erstatten und Antrag AM stellen.

I.

Die Initiative wurde vom Grossen Bat des Kantons Genf in einem Zeitpunkt beschlossen, ah die gestützt auf den Vollmachtenbeschluss vom 80. August ] 989 vom Bundesrat getroffenen Maßnahmen zur Milderung der Wohnungsnot durch "Förderung der Wohnbautätigkeit teils ihren Abschluss gefunden ßundesratsbeschluss vom 30. Juni 1942), teils vor ihrem baldigen Abschluss standen (Verfügung Xi. 3 des eidgenossischen Militärdepartements vorn 5. Oktober 1945). Da eine Neuregelung auf Grund der ausserordentlichen Vollmachten nicht mehr in Frage kam, drohte damals in der Bekämpfung der noch keineswegs überwundenen Wohnungsnot ein Stillstand einzutreten, den niemand wünschenonnte..

711 Nun haben aber die Initianten offenbar ausser acht gelassen, dlass bereits das Schweizer Volk selber, in Übereinstimmung mit den gleichlautenden Beschlüssen der beiden Räte, durch Annahme eines Verf Verfassungsartikels 34 quinquies deutlich zum Ausdruck gebracht hat, in welchem verfassungsrechtlicher» Rahmen der Bund auf dem Gebiete des Wohnungs- und Siedlungswesens nötigenfalls zu legiferieren und BUT Unterstützung der einschlägigen Aktionen der Kantone und Gemeinden befugt sein soll.

Im weitem lag in jenem Zeitpunkt auch schon der Entwurf zu einem Bundesbeschlüsse über Massnahmen zur Förderung der Wohnbautätigkeit vor den eidgenössischen Bäten, den ihnen der Bundesrat, gestützt auf den eil.

Art. 84 quinquies mit Botschaft vorn 29. April 1947 unterbreitet hatte.

Unter diesen Umständen wird die Initiative wohl mehr nur als Impuls zu verstehen sein, durch den die parlamentarische Behandlung der Wohnbauvorlage des Bundesrat es im positiven Sinn gefördert werden sollte, II.

1. Tatsächlich ist die Initiative, so wie die Verhältnisse heute liegen, in ihren Absichten überholt. Der von den eidgenössischen Bäten in der Herbstsession verabschiedete Bundesbeschluss aber Massnahmen zur Förderung der Wohnbautätigkeit (8. Oktober 1947) steht ganz im Dienst der finanziellen Erleichterung des Wohnungsbaues, wobei die Beschaffung gesunder und billiger Wohnungen in den Vordergrund gestellt ist. Eine Ablehnung des Bundesbeschlusses durch das Volk m dem unwahrscheinlichen Fall, dass doch noch das Referendum dagegen ergriffen werden sollte, würde übrigens ohne weiteres auch der Initiative des Standes Genf zum vorneherein den Boden entziehen.

2. Dem zu gewaärtigenden Einwand, der Bundesbeschluss habe nicht dauernden Charakter, sondern soi vom Parlament auf zwei Jahre befristet worden, ist entgegenzuhalten, dass diese Beschrankung ihren guten Grund hatte: Die gespannte Wohnungsmarktlage hat stark konjunkturelle Ursachen und ist als eine weitgehend durch die ausserordentlichenn internationalen Verhältnisse bedingte Zeiterscheinung anzusehen. Dio Wohnungsnot ist demnach den gleichen Wandlungen unterworfen, wie ihre wirtschaftlichen und politischen Ursachen und es ist nicht damitzzu rechnen, dass dauernd die gleichen Gründe für die heutige umfassende Unterstützung ausundesmittelnn zugunsten einer Massnahme geltend
gemacht worden können, die, wiedie Wohn-bauförderung, vorwiegend zu den Obliegenheiten der Gemeinden und Kantone gehört.

S. Ob Ende 1949 noch die Voraussetzungen für die Fortsetzung einer den eigentlichen Familienschutzzartikel fast sprengende Wohnbauf orderung durch den Bund und damit für die Verlängerung der Gültigkeitsdauer des Bundesbeschlusses vom 8. Oktober 1947 über den 31. Dezember 1949 hinaus erfüllt sind, und wie weit hiefür erneut Bundesmittel eingesetzt werden sollen, werden die eidgenössischen Bäte später, wenn die Verhältnisse besser als heute überblickt werden können, m heurt dien und zu entscheiden haben.

712 4, Allein schon die angespannte Finanzlage des Bundes, sowie diejenige mancher Kantone und Gemeinden wird einer ihren Sinn verlierenden allgemeinen Wohnbauförderung aus öffentlichen Mitteln natürliche Grenzen setzen. In bezug auf die Förderung des Wohnungs- und Siedlungswesens wird man sich so rasch als möglich auf die eigentlichen Aufgaben des Familienschutzes im Sinne des Art. 34 quinquies beschränken müssen.

5. Bis die Frage der Wohnbauförderung durch den Bund erneut spruchreif ist, werden die gesetzgeberischen Vorbereitungen für die Förderung des Wohnungs- undSiedlungswesens,, soweit das Interesse des Bundes gestützt auf die ihm durch Art. 84quinquie,Abs,, 3, der Bundesverfassung übertragenen Befugnisse reicht, zu einem gewissen Abschluss gelangt sein. Bereits liegt ein Expertenentwurf für ein einschlägiges Bundesgesetz vor, das als Grundlage für das weitere Vorgehen auf diesem Gebiete und für die allfällige Vorlage eines endgültigen Gesetzesentwurfes an die Bundesversammlung dienen wird.

III.

Unter Berücksichtigung der dargelegten Verhältnisse gelangt der Bundesrat dazu, der Bundesversammlung zu

beantragen : Im Hinblick auf den bereits bestehenden Art. 34 quinquies der Bundesverfassung und den gestützt auf Absatz 3 des genannten Artikels erlassenen Bundesbeschluss vom 8. Oktober 1947 sei nicht einzutreten auf das Initiativbegehren des Grossen .Rates des Kantons Genf vom 28. Juni 1947, womit verlangt wird, dass die verfassungsrechtlichen und gesetzlichen Voraussetzungen für die Subventionierung gesunder und billiger Wohnungen geschaffen werden.

Bern, 27. November 1947.

«29

Im Namen des Schweiz. Bundesrates, Der B u n d e s p r ä s i d e n t : Etter.

Der Bundeskanzler: Leimgruber.

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Bericht des Bundesrates an die Bundesversammlung über das Initiativbegehren des Kantons Genf auf Schaffung der verfassungsrechtlichen und gesetzlichen Voraussetzungen für die Subventionierung des Wohnungsbaues. (Vom 27. November 1947.)

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1947

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48

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5296

Numéro d'affaire Numero dell'oggetto Datum

04.12.1947

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710-712

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