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Kreisschreiben des

Bundesrates an die Kantonsregierungen über die Beaufsichtigung von Personalfürsorgestiftungen.

(Tom 10. Oktober 1947.)

Getreue, liebe Eidgenossen!

Die schweizerischen Unternehmungen der Privatwirtschaft haben während der Kriegajahre bedeutende Teile der erzielten Gewinne dem Ausbau der Personalfürsorge gewidmet. Die Zahl der PersonaLfürsorgeeinrichtungen -- meist handelt es sich um Stiftungen ·-- ist seit 1989 auf das Dreifache angestiegen. Diese erfreuliche Entwicklung wurde bekanntlich stark gefördert durch die steuerliche Begünstigung der Einrichtungen und Zuwendungen für die Personalfürsorge.

Die Summen, die steuerfrei an Personalfürsorgeeinrichtungen abgeführt worden sind, gehen in die Hunderte von Millionen Franken. In der überwiegenden Zahl der Fälle ist das Unternehmertum bestrebt, dafür zu sorgen, dass diese Gelder ausschliesslich für die Personalfürsorge eingesetzt werden. Die Erfahrung zeigt aber, dass dies nicht immer der Fall ist und dass bei ungenügender rechtlicher Bindung die Gefahr missbräuchlicher Verwendung der Fürsorgefonds besteht. Deshalb muss darüber gewacht werden, dass die Fürsorgekapitalieri der Personalwohlfahrt auch wirklich und dauernd dienstbar gemacht und diesem Zwecke nicht nachträglich entfremdet werden. Da bei zweckwidriger Verwendung der Mittel die Voraussetzung steuerlicher Begünstigung wegfällt, sind Bund, Kantone und Gemeinden gleicherinassen an einer wirkungsvollen Ausgestaltung der Stiftungsaufsicht interessiert.

Der Bundesrat ist durch eine von beiden Bäten erheblich erklärte Motion Giterraann, die ausser den steuerlichen Belangen auch die Interessen der begünstigten Arbeitnehmer im Auge hat, eingeladen worden, über die zur Verhinderung von Missbräuchen mit Stiftungsgeldern zu treffenden Massnahmen Bericht und Antrag zu stellen. Die Vorbereitung entsprechender

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gesetzgeberischer Massnahmen ist im Gange. Es schien uns aber geboten, die kantonalen Regierungen schon jetzt aufzurufen, im Bereiche ihrer Zuständigkeit an der Sicherung einer sorgfältigen Verwaltung und bestimmungsgomässen Verwendung des zum Wohle der Arbeitnehmer der Privatwirtschaft aufgespeicherten Stückes Volksvermögen mitzuwirken.

Vielfach wird die Meinung vertreten, die Sicherstellung gegen eine spätere zweckwidrige Verwendung von Personalfürsorgefonds sei schon dann gegeben, wenn diese Ponds die Rechtsform einer der gesetzlichen Aufsicht unterstehenden Stiftung haben. Dies trifft indessen nicht zu; denn die Stiftung kann sehr wohl eigennützigen Bestrebungen des Stifters dienstbar gemacht werden und Zwecke verfolgen, die mit Personalfürsorge nichts gemein haben, ohne dass von Zivilrechts wegen dagegen eingeschritten werden könnte. Die gesetzliche Aufsicht beschränkt sich nach Art. 84 ZG-B-auf die Prüfung, ob das Stiftungsvermögen seinem Zwecke, d. h. dem in den Stiftungssatzungen verkörperten Stifterwillen gemäss verwendet wird. Soll aber darüber hinaus Gewähr dafür bestehen, dass die der Stiftung zugeflossenen Gelder ausschliesslich und unwiderruflich der Personalfürsorge dienen, so müssen zunächst die Stiftungssatzungen entsprechend abgefasst sein. Bevor den an eine Stiftung überwiesen en Quoten des Unternehmergewinnes Steuerfreiheit zuerkannt wird, ist deshalb eine sorgfältige Prüfung der Stiftungssatzungen (Stiftungsurkunde, Statuten, Eeglemente) geboten. Bieten diese nicht genügende Sicherheit dafür, dass die zugewendeten Mittel nur zu Zwecken der Personalfürsorge verwendet werden dürfen, so machen die eidgenössischen Steuerbehörden die Befreiung von einer Abänderung oder Ergänzung abhängig, Es sind hauptsächlich drei Bedingungen, die erfüllt sein müssen, damit eine Personalfürsorgestiftung und die ihr zugeflossenen Unternehmerbeiträge steuerlich begünstigt werden können: Einmal dürfen die Satzungen nur die Ausrichtung von Leistungen zulassen, die sich als eigentliche Fürsorgeleistungen qualifizieren. Sodann sollen als Destinatäre einzig die Angestellten und Arbeiter des die Stiftung dotierenden Unternehmens einschliesslich ihrer Familien anerkannt werden. Endlich muss die getroffene Eegelung genügende Sicherheit dafür bieten, dass die Stiftungsniittel auch in Zukunft dem Zwecke der
Personalfürsorge nicht entfremdet werden können und dass die Verwirklichung dieses Zweckes nicht unnötig durch die Verwendung der Mittel erschwerende Klauseln mehr oder minder in Frage gestellt werde.

Die steueramtliche Kontrolle allein führt aber nicht zum Ziel, wenn sie nicht durch eine ernsthafte, zeitlich unbegrenzte Kontrolle der Aufsichtsbehörde ergänzt wird. Deren Sache ist es, darüber zu wachen, dass sich die Tätigkeit der Stiftung im Rahmen ihrer Satzungen abspielt. Hierzu ist der Bund in der Eegel nicht zuständig.

Wir verkennen, die Schwierigkeiten nicht, denen eine gewissenhafte Stiftungsaufsicht begegnet. Diese hängen teils mit der wachsenden Zahl der Stiftungen zusammen, teils sind die in der Unsicherheit über die Interpretation

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einzelner, vielleicht gerade auf Begehren der Steuerbehörden in die Stiftungssatzungen aufgenommener Klauseln begründet. Wir übermitteln Ihnen zuhanden der kantonalen und kommunalen Aufsichtsbehörden eine Zusammenfassung der Grundsätze, von denen sich die Bundessteuerbehörden bei der Überprüfung der Stiftungssatzurigeii leiten lassen (Beilage). Wir hoffen, dass diese Eichtlinien die Aufgabe der kantonalen und kommunalen Behörden erleichtern und es diesen erlauben werden, eine im wesentlichen übereinstimmende Praxis zu beobachten. Wir denken dabei nicht so sehr an die Pensions-, Arbeitslosen- und Krankenkassen, die ihren Destinatären eigentliche Rechtsansprüche auf die Kassenleistungen verleihen, als vor allem an die sogenannten Unterstützungsfonds, die es dem Ermessen des vielfach mit der Unternehmerschaft identischen Stiftungsrates anheimstellen, ob und in welchem Umfange Unterstützungsleistungen ausgerichtet werden sollen.

Wir glauben, mit der verständnisvollen Mitarbeit der Kantone um so eher rechnen zu dürfen, als unser Anliegen, die Sicherung der während der letzten Jahre in Personalfürsorgestiftungen investierten Kapitalien gegen zweckwidrige Verwendung, auch abgesehen von den fiskalischen Erwägungen, von hoher sozialer Aktualität ist.

Wir benützen diesen Anlass, Sie, getreue, liebe Eidgenossen, samt uns in Gottes Machtschutz zu empfehlen.

Bern, den 10. Oktober 1947.

Im Namen des Schweiz. Bundesrates, Der Bundespräsident: Etter.

Der Bundeskanzler: Leimgruber.

Beilage: Richtlinien der Bundessteuerbehörden für die Überprüfung der Satzungen von Personalfürsorgestiftungen, die Anspruch auf steuerliche Begünstigung erheben.

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Richtlinien der Bundessteuerbehörden für die Überprüfung der Satzungen von Personalfürsorgestiftungen, die Anspruch auf steuerliche Begünstigung erheben.

(Bcilage zum Kreisschreiben des Bundesrates an die Kantonsregierungen vom 10. Oktober 1947.)

1. Der Begriff

der Fürsorgestiftung.

Fürsorgeleistungen werden dadurch gekennzeichnet, dass sie zur Behebung einer bestehenden oder zur Verhütung einer möglichen zukünftigen Notlage erbracht werden. Als Zweck einer steuerlich begünstigten Personalfürsorgestiftung ist deshalb anzuerkennen die Ausrichtung von Leistungen an Angestellte und Arbeiter des stiftenden Unternehmens zur Linderung der wirtschaftlichen Folgen des Erwerbsausfalles, verursacht durch Alter, Tod, Krankheit, Invalidität und Arbeitslosigkeit oder zur Milderung oder Beseitigung einer andern besondern Notlage.

Keine Wohlfahrtsaufwendungen sind dagegen Leistungen, die eine zusätzliche oder nachträgliche Entlöhnung für geleistete Dienste darstellen (Beispiele: Teuerungszulagen, Familienzulagen, Gratifikationen, Dienstaltersgeschenke, Aufwendungen für das Durchhalten des Personals in Krisenzeiten, Abfindungen an ausscheidende Arbeitnehmer, sofern das Ausscheiden nicht wegen Alters, Invalidität, Krankheit oder Mangels an Arbeit erfolgt).

Ebensowenig gelten als Wohlfahrts- oder Personalfürsorgeleistungen Aufwendungen, die zu erbringen das Unternehmen gesetzlich oder vertraglich verpflichtet ist (Beispiele: Arbeitgeberbeiträge an die Lohnausgleichskasse, obligatorische Arbeitgeberbeiträge an die SUVA oder an kantonale Altersund Hinterbliebenen Versicherungen)1). Als steuerlich begünstigte Fürsorgeaufwendungen können nur freiwillige Leistungen anerkannt werden.

2. Der Begriff

der Angestellten und Arbeiter.

Steuerlich begünstigt werden nach den Bundesvorschriften die Fürsorgeaufwendungen zugunsten der eigenen Angestellten und Arbeiter (Personal) sowie ihrer Angehörigen.

Die Bundessteuerbehörden haben sich von jeher auf den Standpunkt gestellt, dass nicht schlechthin alle Personen, die im Unternehmen tätig sind und zu diesem in einem Dienstvertragsverhältnis stehen, als Angestellte oder Arbeiter zu betrachten sind. Als solche gelten vielmehr nur diejenigen vom Unternehmer beschäftigten Personen, die zu diesem in einem Unterordnungsverhältnis stehen. Demgemäss dürfen Personen, die zufolge ihrer massgeblichen Beteiligung am Unternehmen tatsächlich die Macht haben, über das Unternehmen zu verfügen, nicht als Destinatäre einer Personalfürsorgestiftung anerkannt werden2).

*) Schönenberger, Abänderung von Stiftungssatzungen nach schweizerischem Zivilrecht * Zeitschrift für schweizerisches Recht, Bd. 66 (1947), S. 72; Gutachten Nr. 39 der eidg. KriegsgewinnsteuerKommissjon vom ao. Januar 1946 i. s, B./AG. (nicht pubi.)

2) Das Bundesgericht hat am 31. September 1945 entschieden, dass der Hauptaktionär, der im Rahmen der Betriebsorganisation die Stellung des Unternehmers einnimmt, rechtlich und wirtschaftlich nicht dem Personal zugerechnet werden könne (vgl. Archiv für schweizerisches Abgaberecht, Bd. 14, S.344).

288 Dass der Betriebsinhaber (Einzelkaufmann, Kollektivgesellschafter, unbeschränkt haftender Teilhaber der Kommanditgesellschaft) durch eine Personalfürsorgestiftung nicht bedacht werden soll, bedarf keiner weitern Begründung.

3. Sicherung der zweckmässigen Verwendung der Stiftungsmittel.

Auf Grund der Stiftungssatzungen muss auch jede spätere Zweckentfremdung von Stiftungsmitteln ausgeschlossen sein. Deshalb richten die Bundessteuerbehörden ihr Augenmerk ferner auf folgende Punkte : a. Weder der Stifter noch der Stiftungsrat sollen die Möglichkeit haben, den Zweck der Stiftung nachträglich in einer Weise abzuändern, die den Rahmen der Personalfürsorge sprengen würde. Ebensowenig darf ihnen ein generelles Aufhebungs-, Widerrufs- oder Auflösungsrecht eingeräumt werden1).

Möglich ist eine Beendigung auf Grund des Stifterwillens nur dann, wenn dieser Endigungsgrund in der Eigenart und dem Zweck der Stiftung eine sachliche Rechtfertigung findet (z. B. Auflösung der Stiftung bei Liquidation des Unternehmens, dem sie angeschlossen ist).

6. Das Stiftungsvermögen muss auch bei einer allfälligen Liquidation für die Bedürfnisse der Personalfürsorge reserviert bleiben. Erst wenn keine Destinatäre mehr vorhanden öder wenn alle Destinatäre hinlänglich abgefunden worden sind, der Stiftuiigszweck mithin erfüllt ist, kann ein allfälhges Restvermögen andern, gemeinnützigen oder wohltätigen Zwecken zugeführt werden.

c. Besteht das Stiftungsvermögen in einer Forderung an das Unternehmen, dem die Stiftung angeschlossen ist, so ist diese Forderung angemessen zu verzinsen. Andernfalls dient die Stiftung nicht ausschliesslich der Personalfürsorge, sondern auch dem Unternehmer, dem sie billigen und praktisch unkündbaren Kredit verschafft2).

d. Bei Unterstützungsfonds (die den Destinatären keine Rechtsansprüche verleihen) kann zur Sicherung der zweckgemässen Verwendung der Stifturjgsmittel erforderlich sein, dass nicht nur die Erträgnisse, sondern nötigenfalls auch das Kapital der Stiftung für die Personalfürsorge eingesetzt wird. Dies wird namentlich dann der Fall sein, wenn die Bildung eines mit dem Umfang der Fürsorgetätigkeit der Stiftung in einem angemessenen Verhältnis stehenden und von Anfang an eine kontinuierliche Erfüllung des Stiftungszweckes gewährleistenden unangreifbaren Stammkapitals nicht möglich war.
7551 1) Egger, Komm. ZGB Nr. i.i zu Art. Si; Schönenbcrger, a. a. O., S. 52.

2) Urteil des Bundesgerichts vom 15. Oktober 1946, publiziert im Archiv für schweizerisches Abgaberecht, Bd. 15, S. i«8. (BGE 71 I 30; ff.)

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Kreisschreiben des Bundesrates an die Kantonsregierungen über die Beaufsichtigung von Personalfürsorgestiftungen. (Vom 10. Oktober 1947.)

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16.10.1947

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