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Schweizerisches Bundeblatt.

X. Jahrgang. II.

Nr. 37.

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7. August 1858.

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Majorität der Kommission des Ständerathes,. betreffend den Rekurs des h. Standes Genf gegen bundesräthliche Beschlüsse über Fremdenausweisung.

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(Vom. 24. Juli 1858.)

T i t. l Jn Folge von Mittheiluugen und Klagen der. französischen Regierung zu Ende des vorigen und zu Anfang des laufenden Jahres über revolutionäre Umtriebe von ausländifchen Flüchtlingen in Genf, sah sich der Bundesrath bewogen , ernsthafte Untersuchungen über den Sachverhalt zu pflegen. Nach den ersten Erhebungen beschloß er (15. Februar 1858), unter Anführung gewichtiger Motive: ) "l) Alle italienischen und französischen Flüchtlinge, welche mit Grund bezeichnet werden , daß sie an politischen Verbindungen Theil nehmen, welche mit den von den Bundesbehörden bis anhin festgehaltenen . Prinzipien über das Asylrecht nieht vereinbar sind , sollen .-..- im Sinn der frühern Jnternirnngsbefchlüsse -- aus dem Kanton Genf entfernt werden."

2) Diese Maßregel ist, ganz abgesehen von obigem Requisit, auf alle diejenigen italienischen und französischen Flüchtlinge anzuwenden, welche ohne festen Beruf oder eine ordentliche Anstellung im Kanton sich aufhalten...

Die Vollziehung übertrug der Bundesrath zwei eidgenössischen Kommissären, unter Mitwirkung der Genferbehörden.

Die Entfernung der betreffenden französischen Flüchtlinge fand statt; jene der italienischen gab Anstände.

Der Staatsrath hielt dafür, daß eine

) S. Bundesblatt v. J. 1858, Bd. I, S. 10....

Bundesblatt. Jahrg. X. Bd. II.

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^0 J.ntexnirung derselben nicht gerechtfertiget sei, und daß ihr Aufenthalt ir^ der innexn Schweiz, hinsichtlich der Beziehungen nach Außen, dieselbe Bedeutung habe, wie der Aufenthalt in Genf. Doch kam endlich eine Verständigung zwischen den eidgenössischen Kommissären und der Genserpolizei über die Entfernung auch dieser Flüchtlinge in solcher Weise zu Stande, daß das eid-

genöfsische Kommissariat die daherige Schwierigkeit als beigelegt ansah.

Die Dinge nahmen indessen bald eine andere Wendung. Der Vollziehung^ traten ernste Hindernisse entgegen, indem die Betreffenden, unterstiizt^ von vielen Bürgern und Bewohnern von Genf, dann auch vom Staatsrathe , zuerst bei dem Bundesrathe selbst , dann bei der BundesVersammlung um Aufhebung des Wegweisuugsdekxetes einkamen.

Der Bundesrath aber bestätigte in zweimaligen Beschlüssen (24. April und ..^4. Mal) die Wegweisung, wie sie von den Kommissären vorangehend mit der Genferpolizei war verabredet, dann auch geboten und angeordnet worden, nahm den Rekurs der erwähnten Fremdlinge nicht an, empfieng .

spater einen solchen von der Negierung selbst, übermittelte diesen den beiden gesezgebenden Räthen , beharrte inzwischen auf seineu Verfügungen, unter..

ließ jedoch, um weitern Verwikelungen zu begegnen , mittlerweile exeku^ toxische Anordnungen.

Mittelst des Rekurses, der nun, aus speziellem Auftrage des Großem Rathes von Genf, zur Entscheidung vorliegt, ^verlangt der Stand Gens, es wolle die Bundesversammlung ..

.) erkennen, daß gegen die zwölf in der Rekursschrift mit Namen bezeichneten Jtaliener keine Thatsachen vorliegen , die geeignet wären, die innere oder äußere Sicherheit der Eidgenossenschaft zu gefährden,.

demnach der Art. 57 der Bundesverfassung gegen dieselben kein.^ ^ Anwendung. finden könne; 2) den Rekurs des Kantons Genf gegen die Beschlüsse des Bundesrathes, vom ^4. April und 24. Mai, aus ^em Grunde als zuläßia..

erkennen, weit dieselben die Kompetenz des Bundesrathes übersteigen..

denn diesem stehe, bei dem Abgang jedes Bundesgesezes über die Fremdenpolizei , im Fall des Widerspruches einer kantonalen Polizei, das Recht der Wegweisung nur in sofern zu , als er sich mit lezterex.^ ins Einverständniß seze; wo ein solches aber nicht zu Stande komme, habe der schließliche Entscheid entweder vom Bundesgericht , ode^ aber von der Bundesversammlung auszugehen.

Jn Kürze gesagt : der Stand Genf klagt über unbefugte Anwendung ^.es Art. .57 der Bundesverfassung in Materie und Form.

Die Kommission, welche über diese Beschwerde ihren Befund gebeu soll , faßt deshalb den Gegenstand in seinem Zusammenhang auf, indem die beiden Klagepunkte unter sich in engstem Zusammenhange stehen, einer ohne den andern nicht richtig aufgefaßt und erledigt werden kann. Behufs ihres Befundes hat die Kommission sowol die zahlreichen älte^n Akten, als insbesondere die Vernehmlafsung des Bundesrathes vom 17. Juli i^

Würdigung gezogen.

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351 Die Mitglieder der Kommission stnd einig dariibex, daß dem Rekurs keiue Folge zu geben fei, bringen aber die Anträge und deren Begründung in^ verschiedener Abfassung; die Mehrheit von vier Mitgliedern wird ihren Beschlusseseutwi.rf am Schlusse dieses Berichtes vorlegen, Herr Ständerath M o n i g h e t t i den seinigen gesondert vortragen.

Bevor die Kommission zur Begründung ihrer Ansicht übergeht , darf fie wohl, schon ...er Wichtigkeit der Sache wegen, einige allgemeine Betrachtungen voranschiken ; denn die beiden Räthe behandeln da einen Gegenstand , der mit den wichtigsten Jnteressen der Eidgenossenschaft zusamn.enhängt, mit der völkerrechtlichen Stellung der Schweiz, welche, wie ihre Rechte , so auch ihre Obliegenheiten gegen andere Staaten bedingt.

Ans dem Begriff der völkerrechtlichen Unabhängigkeit der Eidgenossenschast geht unzweifelhaft das Recht freier, momentaner oder längerer Aufnahme und Duldung ^von Bürgern oder Angehörigen anderer Staaten und Völker hervor, sei es, daß dieselben m^t freiem Willen oder in einem Nothfall ihr Vaterland verlassen haben, sei es, daß sie der Klasse sogenannter Flüchtlinge oder einer andern Kategorie von Auswanderern angehören. So unzweifelhaft dieses nationale Recht ist, so gewiß ist hinwieder, daß dasselbe nicht als Pflicht zu Gunsten von wem immer ausgebeutet werden kann und darf. Fremde, befonders solche, deren Existenz durch mißliche Verumständungen , zumal politifchen Belanges, eiue widerwärtige^ geworden, mögen daher eine allsällige Afvlgestattung auf schweizerischem Boden als einen Akt der Humanität, die das Unglük, und nur dieses, vor sich sieht , anerkennen , nicht aber steh zur irrigen Meinung verleiten

lassen, daß die Eidgenossenschaft die Duldung ihnen eigentlich schulde.

Diese lezte Andeutung ist nöihig, um schon von vornherein die Klage, iu wiesern sie durch die im heutigen Fall betroffenen Fremdlinge selbst veranlaßt worden, in ihre richtigen Schranken zurükzuweisen.

Nimmt d.e Eidgenossenschaft die bezeichnete Stellung gegen die einzelnen Fremden ein, so hat sie hinwieder gegenüber den auswärtigen Regierungen das Recht der freien Aufnahme und Duldung, wo und wann immer es ohne genügende Gründe angefochten werden will, ans Rüksieht auf ihre Ehre und Unabhängigkeit zu vertheidigen , altfällige Konflikte im Sinn dieses hohen Postulats auszutragen.

Die Kommission sieht als höchst bedauerlich an, daß, was auch der Stand Genf von seinem selbstständigen und rechtzeitigen Einschreiten behaupteu mag , die höchst unangenehme Untersuchung und Erörterung vont vorigen Winter ihren Ausgangspunkt von sehr ernst gehaltenen, selbst mit Drohungen begleiteten Klagen der französischen Regierung. genommen haben ; als noch bedauerlicher, daß diese Beschwerden aus Mittheilungen geschöpft worden, welche sich gegenüber dem wirklicheu Sachverhalt, nach näherer Untersuchung , in Bezug auf Tragweite und Bedeutung der ein-

geklagten Uebeistände sowohl, als hinsichtlich der Zahl der Beteiligten,

als mannigfache Uebertreibung herausgestellt haben. Was die Kommissarien

3.^ dießsa.ls in ihrem Schlußbericht au deu Bundesrath vom 30. Juni angeführt haben, fand die Kommission bei der Untersuchung der Akten selbst

bestätiget. Es liegt darin Stoff zu Mahnungen in verschiedenen Rük^

fichten :. Die erste wird der Bundesrath fich wohl schon selbst gemacht haben, uämlich die, daß Beschwerden erwähnter Art, von auswärtigen Staaten und ihren Stellvertretern angebracht , jeweilen nur mit großer Vorsieht und mit geziemendem Rükhalt entgegen zu nehmen seien, und daß bei der als etwaige Folge derselben eintretenden Bethätigung der Bundesbehörde die nationale Würde sorgfältig gewahrt werden müsse. Eine andere wichtige Mahnung, die fich aus dem ganzen Verlauf vorwüxfiger Angelegenheit ergibt, ist die, daß die beste Politik diejenige ist, welche durch Hand..

habung kluger Polizei stets ohne Beeinträchtigung des von uns obenange..

stellten Rechtes der freien Fremdenduldung , Klagen und Beschwerden der erwähnten Art vorzubeugen weiß und vorzubeugen wirklich die Absicht hat.

Wie alle Weisheit sich am Ende auf ganz einfache Sä'.e zurükführen läßt, so verhält es sich auch mit deu Ktngheitsmaßregeln in erwähnten Dingen.

Der Stand Genf beschwert sich ununterbrochen , jezt selbst auf dem Wege des Rekurses, über Beeinträchtigung seiner kantonalen oder Souveränetätsrechte seitens der Bundesbehörde. Jn Schreiben seiner Polizei an leztere fand die Kommission Klagen des Genfer'schen Polizeichefs darüber , daß Gens eigentlich mit fremden Agenten untergeordneter Sorte überschwemmt sei, deren nähexe Aufgabe in gegenwärtigem Referat unbesprochen bleiben mag.

Es kann dem Scharfsinn der Genferbehörde nicht entgehen , daß eine solche Einmischung ihrem Ursprung und Zwek und ihrer Form nach weit empfindlicher ausgenommen zu werden verdiente , als etwa die Da-

zwischenkunst eidgenössischer Bundesautoritäten, die lediglich im wohlver-

staudeneu Jnteresse aller Bundesglieder stattfindet. Es will der Kommisfiou bedünken, es habe jeder Kanton, Genf nicht weniger als andere, ein hohes Jnteresse, seine Fremdenpolizei in solcher Weise einzurichten, daß sie dem Agentenunwesen bezeichneter Sorte weder Veranlassung n^ch Blößen biete. Hieher gehört^ auch eine andere Wahrnehmung der Kommission aus den Akten:. Laut denselben wurde am 12. Februar laufenden Jahres auf dem Genfer Rathhaus von dortiger Polizei, durch den Polizeidepartementschef, Mitglied des Staatsrathes, und dem Polizeidirektor, mit einem italienischen Eisenbahnarbeiter Maneini ein Verhör ^aufgenommen, um ihn über gewisses Gerede wegen Mordattentaten auf hohe Häupter, so wie über den Zwek der italienischen Gesellschast zu einläßlichen Reflationen zu veranlaßeu. .

Bis hieher bietet der Vorgang nichts Außergewöhnliches dar; wenn man aber aus dem Rapport des französischen Konsuls in Genf an deu kaiserlichen Gesandten bei der Eidgenossenschaft erzählt findet, daß das Verhör in offizieller Anwesenheit des nämlichen Konsuls und des k. sardiuischeu Generalkonsuls stattgefunden hat, und wenn man aus diesem ^Aktenstüke serner entnimmt, daß die Hauptamtspersonen bei diesem Akt weniger die Magistraten und Staatsbeamten des souveränen Standes Genf als die ausländischen Handelsagenten gewesen find , so kann man fich der Frage

353 ^icht erwehren, woher so viele Defexenz gegen Agenten auswärtiger Staaten, ueben so ängstlicher Empfindlichkeit, so oft es sieh in diesen Polizeiangelegenheiten um eine Aktion eidgenössischer Beauftragter oder der exekutiven ^Bundesbehö.de selbst handelt.. Die Kommission vermag in der That einiges .Befremden darüber nicht zu unterdrüken. Daß ihr dabei noch ein Bedauern entlokt wird , die Konsuln zweier Mächte in einer Schweizerstadt, welche Mächte ihre ordentlichen diplomatischen Repräsentanten bei der Eidgenossenschaft halten, in so naher Beziehung zur Handhabung der Polizei ^iues wichtigen Gränzkantons der Eidgenossenschaft und überdieß iu einer solchen Polizeiaktivität zu sehen, welche, aktengemäß, auf direkten Ordern des Ministeriums iu Paris beruht : werden die beiden gefezgebenden Räthe der Eidgenossenschaft sehr erklärlich und vollkommen gerechtfertigt finden.

Der Stand Gens aber mag in der Aeußeruug solchen Bedauerns den hoheu Werth erkennen, welcher eidgenössischer Seits auf feine Unabhängigkeit gesezt wird, auch den Ruf, ernstlicher zu erwägen, als es bishex geschehen.

zu sein scheint, welches denn eigentlich die Kennzeichen wahrer Unabhängigkeit und welches die besten Mittel seien , fie für jezt und iu Zukunft zu be^ haupten.

Nach diesen einleitenden Betrachtungen geht die Kommission zur Beurtheilung des bundesrechtliehen Anstandes über, welcher dem Entscheid der beiden Räthe der Eidgenossenschaft unterstellt worden ist. Hieher gehört vor Allem die Lösung der Frage: Jst die Unterscheidung, welche der Stand Gens sowohl in seiner Rekursschrift, als in der vorangegangenen Korrespondenz ^mit dem Bundesrath zwischen ^wirklichen Flüchtlingen ans auswärtigen Staaten und solchen andern Fremden macht, welche aus Ursachen, die mit den politischen Bewegungen nicht in Verbindung stehen, ihre Hei^ math verlassen und in der Schweiz Aufenthalt oder bleibende Ansiedlung suchen, auf Wortlaut und Sinn der Bundesverfassung gegründet oder nicht ^ Wir müssen hier den Text des Artikels 57 der Bundesverfassung anführen : ,,Dem Bunde steht das Recht zu, Fremde , welche die innere odex ^äußere Sicherheit der Eidgenossenschaft gefährden, aus dem schweizerischen ,,Gebiete wegzuweisen. ^ Dem Bund ist dieses Recht durch die Bundesverfassung gewährt worden, weil es ihm Vorher bestritten wurde und weil er dessen
doch nicht entbehren konnte. Diese macht keinen Unterschied zwischen Flüchtlingen .aus politischen oder aus andern Beweggründen oder Veranlaßungen, keinen Unterschied zwischen urkundlich legitimirten oder aber unausgewiesene^ Fremden; F r e m d e s c h l e c h t w e g , sagt die Bundesverfassung.

Es ist dieß so bündig dnrch den Artikel ausgesprochen, daß, würde es sich ergeben, daß ein angesehener Fremder, anerkannter Angehöriger eines auswärtigen Staates, selbst durch Grundbesiz und langjährige Niederlassung begünstiget, zu diesem Behuf auch mit den besten Papieren versehen, durch Anzettelung.

.oder Begünstigung von Komploten die innere oder änßere Sicherheit der

354 Eidgenossenschaft gefährdete, derselbe durch die Bundesbehörden a u s d e m s c h w e i z e r i s c h e n G e b i e t e weggewiesen werden mag , ohne daß die Ein..

rede eines oder mehxexer Kantone gegen solche Verfügung bundesrechtlich statthast wäre. Der h. Stand Genf kommt mit seiner Distinktiou offenbar um zehn bis eilf Jahre zu spät, und es hätte dieselbe bei der Berathung der Bundesverfassung angebracht werden sollen, nicht erst jezt, wo es sich keineswegs de lege ferenda, sondern um den rechtskräftigen Buchstaben eines Bundesartikels handelt. Die Kommission hält eine ernsthafte Diskussion hierüber für unmöglich , und bricht daher mit dem Befund ab, daß die fragliche Einrede des Standes Genf keine Beachtung ansprechen könne.

Aber der Stand Genf erachtet im Fernern : Die durch die BundesAutorität aus s e i n e m G e b i e t weggewiefenen Fremdling^ italienischer Herkunft fallen überhaupt nicht unter die Verfügung .^s Art. .57 , weil keine Thatsachen vorliegen , aus denen sieh ergeben hätte , daß sie d i e i n n e r e o d e r ä u ß e r e Sicherheit d e r E i d g e n o s s e n s c h a f t g e f ä h r d e t haben. Zur Beurtheilung dieser andern Ein. ede muß offenbar der Zwek und die Tragweite des Art. 57 der Bundesverfassung ermittelt werden. Die Kommission faßt dießfalis nur die äußern Verhältnisse in.s Auge, um die es sich im gegebenen Falle allein handeln kann. Würde man den Wortlaut des Artikels mit grammatikalischer Servilität auslegen, so müßte man sich vielleicht die Antwort geben: er könne seine Anwendung uur finden, wenn Fremde in der Schweiz, durch provokatorische Hand,.

lungen der Eidgenossenschaft einen Offensivkrieg auswärtiger Mächte auf den Hals laden. Die Kommission ist aber weit entfernt, zuzugebe.., dafi die Kantonalbehörden, als sie fraglichen Artikel mit ihrer Sanktion aus.^ statteten, ihn in solcher oder ähnlicher enger Auffassung gegeben oder ver^ standen wissen wollten. Die äußere Sicherheit, wie solches . wenn auch mit andern Worten , der Bundesrath in seiner Antwort aus den Rekurs des Standes Genf richtig bemerkt, beruht im .Allgemeinen auf dem internationalen Wohlvernehmen .nit den auswärtigen Staaten, und dieses .^ohl..

vernehmen hinwieder beruht zum wesentlichen Theil ans der Meinung, welche sich die nämlichen Staaten aus der Haltung der Schweiz in Bezug

aus internationale Verhältnisse bilden. Schlägt diese Meinung, falls sie

als eine befriedigende vorausgesezt wird, in Beunruhigung und habituelle Besorgniß um, wofür die Veranlassung aus wirklichen oder doch muthrnaßlichen Vorkommenheiten in der Schweiz geschöpft^ wird, so tritt an die Stelle des Wohlvernehmens verderbliche Spannung und Gereiztheit ; aus diesen hinwieder erheben sich ^unnachbarliche, den Verkehr und die internationalen Verhältnisse überhaupt störende Sicherheitsmaßregeln oder selbst Repressalien, mit einem Wort ernste Mißhelligkeiten, welche oft nur mit se^weren finanziellen und andern Opfern beigelegt werden können , und, salls das Leztere ni.^t in rechter Weife und zu guter Zeit gelingt, unser Vaterland im Ganzen, wie die einzelneu Kantone, der höchsten Gefährdung ^usfezen. Solche Gefährdung soll vermieden werden; und darin besteht..

3^ ^ach dem Dafürhalten der Kommission, die richtige Auffassung, welche dem ^Ausdruk ^ ä u ß e r e S i c h e r h e i t der E i d g e n o s s e n s c h a f t ^ im Ar^el ^7 der Bundesverfassung zu geben ist.

Der bloße Ausenthalt von Fremden ist der Schweiz ist es nun nicht, der diese Sicherheit gefährdet, auch nicht der bloße Aufenthalt von Flüchtlingen, und wären fie selbst in größerer Zahl. Aber wenn diese Fremden, Flüchtlinge oder nicht, fich ^inem Verhalten hingeben, welches der Besorgniß der Nachbarstaaten, daß .es mit weitverzweigten und unlaugbar vorhandenen umwälzerisehen Planen in Verbindung stehe , und im Moment der Entscheidungskrise selbst als findendes Element sich kund geben würde, ununterbrochen frische Nahrung liefert, so tritt dann allerdings jene Gefährdung der völkerrechtlichen Stellung der Eidgenossenschaft ein, gegen welche sie sich durch jeuen Bun^esartikel hat ficher stellen wollen. Ganz gewiß kann und wird die Eidgenossenschaft fich nicht für Gedanken, Wünsche und Sympathien zur .Verantwortung hergeben; aber diese liegen hier nicht in Frage, sondern .wirkliche T h a t s a c h e n , welche die Eidgenossenschaft^^ für fie der Bundes-

rath nicht mit Gleichgültigkeit ansehen konnte.

Prüfen wir zu diesem Ende den wirklichen Sachverhalt.

Die Kommission hat den Akten entnommen , daß jahrelang in Genf ...ine Unterstüzungsgesellschaft bestand, welcher zeitweise selbst der sardinische Konsul als Ehrenpräsident vorstand. Jhre Rechnungen ^zeigen , daß fie ..ine Hülfsgesellschaft in großem Maßstabe war, beträchtliche Spenden und .Leistungen für Hülfszweke von ihr ausgingen, nach Art der schweizerischen ..Hülfsgesellfchaften in den Städten des Auslandes, welche von Zeit^zu Zeit auch Zuschüsse aus den Kantonen erhalten. Es ist aus den Akten keine Beimischung heterogener Zweke zu entnehmen.

Diese Gesellschaft gieng ein.

Jm Frühjahr 1856 bildete sich dieWenige Hülfsgesellschaft, um deren Zweke und Begangenschaften die diplomatifchen Beschwerden Frankreichs und die nachherigen bundespolizeilichen Untersuchungen und Erörterungen sich bewegen..

Die Kommission giebt gegenüber dem Rekurse des Standes Gens ohne Schwierigkeit zu, daß die .in Frage stehende ,,Società italiana di Inutuo socorso in Ginevra,... iu ^hrer theilweisen Thätigkeit eine Unterstüzungsgesellschast war.

Die vielen ^rotokollmäßigen Auszeichnungen, Briefe und Rechnungsnotizen über angesprochene und gespendete Unterstüzungen an Kranke, Arbeitslose, iu

Dürftigkeit anlangende oder in Dürftigkeit sich zur Abreise anschikende

Italiener -- die Kommission hat nicht ermangelt, die Origiualien dieser ^esellschaftspapiere ,^ bestehend in mehreren Protokoll^ und Rechnungsbänden, Bons und Quittungen und etwas Briefschaften durchzugehen und zu prüfen, -- .lassen es unzweifelhaft, daß insoweit jener Gesellschaft die Eigenschaft eines Hülssvereines nicht abgesprochen werden kann. . Aber wenn der Staatsrath von Genf, in seinem Schreiben vom 4. Februar 1858 an den Buu^esrath, der Ansicht, daß die bewußte Gesellschaft einen politischen Ehaxakter ^rage, ausdrüklich widerspricht und in ihr schlechterdings nur eine Hülfs^ Gesellschaft exblikt, so hat er damit ein Urtheil ausgesprochen, das vox

^6 einer geuaueru Prüfung nicht bestehen mag. Die Gesellschaft hatte de^ Eharakter nicht bloß einer geschlossenen, fondern einer ausschließliche^ Gesellschaft, die bestimmter Zweke wegen solche Unterschiede zwischen de^ Aufzunehmenden machte, welche namentlich für eine Hülfsgesellfchaft fich.

^aicht eignen.

So find ausgeschlossen die Männer über 50 Altersjah^.

obwohl auch Aeltere noch gax wohl in der Lage sein können , ihren ordentlichen Verdienst zu finden und durch Beiträge die Kasse zu alimentiren^ eine solche Ausschließung kommt gewöhnlich bei Gesellschaften der Art nicht vor, weil, je zahlreicher ein Hülfsverein ist, desto ergiebiger überhaupt die Hülfe für Alle sein kann; überdieß steht fie im Widerspruch zu dem allgemeinen Hülsszweke, der durch die Statuten feslgesezt ist. Die Koni.

mission enthält fich übrigens, erheblichere Folgerungen aus der erwähnte^.

Altersbestimmung zu ziehen, sieht es aber als erklärlich an, wenn mau aus derselben auf Rükgedank..n schließen zu können glaubte. Wichtiger i^ die aus den Protokollen geschöpfte Wahrnehmung, daß die Neulinge oder Novizen, besonders in politischer Beziehung, einer Art Prüfung unterstellt wurden, indem ihr dießfallfiges Verhalten in den Sizungen des Uebe..^ wachungskomite's umständlich besprochen und Einzelne, welche man der Unitarisiruug Jtaliens ungünstig ansah, dem allgemeinen Verwaltnngskomit^ als Jndividuen denuneirt wurden, welche nicht aufgenommen werden sollen.

Derlei Erörterungen haben nicht bloß in dem Ueberwachnngskomite stattgefunden, sondern ihre Resultate sind selbst umständlich in Briefen a^ erwähntes höheres Komite zur Kenntniß gebracht worden (ein Beispiel hievon gibt die Verhandlung über Eajetan Molinari, und zwar in solchem Weise, daß man annehmen muß, nicht bloß darf, daß wer für die beabsichtigte Emanzipation Jtaliens keinen Sinn habe, sondern gegentheil^ in ordinärer Weife seinem Brod nachgehe, in die Gesellschaft nicht aufgenommen werden könne). Hieher gehört auch wohl die statutarische Aus.schließung aller solcher Jtaliener, welche, wie es scheint, einer ,,Societ^ evangelica... angehörten. Zu beachten find ferner zu richtiger Oualifizirun^ der Gesellschaft das große Siegel derselben., mit dem ihre Bücher un^ Akten gestämpelt sind, welches Siegel Gesammtitalien in seinem weiteste....

Umfang so sorgfältig ^abbildet,
daß selbst die s c h w e i z e r i s c h e Landzunge^.

als welche unser Kanton .Tefsin in die Lombardie hinunterragt, sich rnit^ innert die nördliche Gränzlinie hineingezogen findet; der hochgehaltene To^ ^der im Abdruk vorliegenden Reden, der Protokolle und Briese, der überall die Jdee der Vereinigung aller italienischen Kräfte nicht bloß durchschimmere läßt, sondern förmlich zur Schau trägt.

Als bemerkenswerth in diesem Hinficht erscheint auch die ökonomische Aermlichkeit der Gesellschaft selbst,.

welche sie verhältnißmäßig doch nur Geringes für Hülfszweke leisten lie^ (so z. B. wurden im dritten Ouartal 1857 nur eingenommen Fr. .268..

während in gleicher Frist nur Fr. 128. 45 für Unterstüzungszweke verwendet wurden und der Rest in Kassa blieb), wogegen in der That do..^ sollte angenommen werden können, daß eine Gesellschaft, deren ausschlie^.

licher Zwek die Bxuderhiilfe unter Mitgliedern seiu soll, weit mehr Hulfs.^

3.^ Mittel zusammenbringe, als da vorlagen; im Fernern der Umstand, daß.

angesehene Männer, wie ein gewisser Eonte N. aus Venedig, bei der.

Gesellschaft sich zu betheiligen geradezu verweigerten (der Bezeichnete sührte^ als Grund dieser Verweigerung an , daß er keine Verpflichtungen gegen^ ^ie italienische Emigration habe); endlich. die oft wiederholte Thatsache, ^daß sich die Vereinsmänner stets mit dem Kollektivnamen ^....nngra^ion.....

.Italiana^ bezeichneten, was mit dem Einnehmen einer politischen Stellung.

als so zu fagen identisch erscheint.

Diese ^allgemeinen Merkmale, daß die bewußte Gesellschaft nicht blo^ ein Hülfsverein, sondern zugleich eine politische Gesellschaft wirklich war,.

oder von den eigentlichen Leitern als solche mißbraucht wurde, bestätigen fich auf höchst bedauerliche Weise durch eine in den Protokollen selbst kon-

statirte Thatsache. Unterm 9. Oktober 1856 ist im Komiteprotokoll wörtlich Folgendes notirt: ,,11 ^ ()ttol^re (l 85.^) il Comitato della Società ltaliana apre un^

sottoscrizione nationale per fornire dieci mila fucili alia prima provincia italiana che insorgerà contro il comune neInico. Questa li^ta è diretta ai francesi che compongono .'emigrazione in lsvizzera. Aitr.^ dne liste furono aperte dallo stesso Cogitato dirette alla emigrazione italiana stahilita in lsvi^era.

(Unterz.) l1 Segr... Cesare .^olfaneui..^ Es hat also dieses nämliche Komite die von Mazzini ausgegangen^ Aufnahme einer Subseription für den Ankauf von 10,000 Gewehren zu.^ .gemeinsamen Jnfurrektion Italiens mit in den Kreis seiner Thätigkeit ge^ zogen, und es stand leztere in Verbindung mit jener der französischen Flucht^ Iinge; zwei Listen wurden umgeboten unter der^ italienischen Emigration..

Die Bethätigung des Konnte's selbst für jene Unterzeichnung geht abe^ noch positiver aus dem Protokoll der Generalversammlung der Gesellschafts-

mitglieder hervor, welche drei Tage fpäter (am 12. Oktober 1856) tu.

Genf gehalten wurde ; die Gefellfchafter hatten oft Händel unter einander.

Graziosi, welcher Klage gesührt hatte über verschiedene Handlungen de^ Komitees, wurde in jener Sizung zum Vorbringen derselben interpellirt, worauf er das Komite, insbesondere feinen Präsidenten, in ^folgende.^ Weise anklagt: ,,per avere i1 Gojoraui ^r.^^to e bollato una 1ista per la sotto.scrizione dei 10 Inila fucili, poiché 1a nostra Società ha uno scop.^ i11antropico e nessuno politico o religioso.^ (Folgen andere Klagen unerheblicher Art.)

Bürger Gojorani antwortet dem Graziosi: ,,Se 1a nostra Società non ha altro scopo che 1a filantropia, i.^ credo di non av.^r errato in nessuno niodo, aprendo una sottoscrizione .patriotica che destina 10 Inila fuciii a1ia priIna provincia ita1iana, ch^ insorgerà contro i1 coniune nemico. Questa sottoscrizione è pure un'^ .opcra filantropica.^

^58 Es folgten ein langer Wortwechsel und Rufe, dem ärgerlichen Zwi^ .ein Ende zu macheu und zur Tagesordnung überzugehen. Der Präsident, um .der unvorgesehenen Diskussion ein Ende zu machen (wie das Protokoll sich ausdrükt) , bringt zur Abstimmung .

,,Se dedho o no porsi un velo sulle accuse del Gra^iosi..^ ,,L'AsseInblea voto in favore del Constato e decise di passar all' ordine del giorno su questa vertenza. ...

. Es liegt demnach (in gebundenen Gesellschastsprotokollen) konstatirt

.oor, daß sich das Komite bei der bewußten Subseription betheiliget, daß der Präsident des Komite's und der Gesellschaft dieses selbst ausdrüklich Zugegeben hat, und daß die Generalversammlung über die dießfallsige Anklage, ..s sei die bewußte Handlung den Gesellfchaftszweken sremd, zur TagesOrdnung geschritten ist.

Die Akten bezeugen , daß von obiger Thatfache^ bei dem Justiz- und ^Polizeidepartemente des Bundesrathes Notiz genommen wurde am 13. Febr.

lausenden Jahres, also zwei Tage vor Fassung seines Jnternirungsbeschlusses .und der Abfendung der zwei Herren Kommissarien zur Vollstrekung.

Von dem Ergebnisse der bewußten Subseription enthalten nun freilich .die Akten nichts; allein es ..st wenigstens der Beweis geleistet, daß sie begonnen wurde und daß die Gesellschaft sich den daherigen Akt aneignete.

^.Die erwähnten Auszüge aus dem Gesellfchastsprotokoll zeigen auch klar, ^welche Bewandtniß es habe mit dem Ausdruk. ,,italienische Emi. g r a t i o n , ^ ,, f r a n z ö s i s c h e E m i g r a t i o n . . ; die Theilnehmer beider .erseheinen als Verbundene zur Revolutionirung der Einzelstaaten, welche ^e im Auge hatten.

Die Gesellschaft erscheint damit auch als eine solche, welche sich nicht .nur mit politischen Zweken im Allgemeinen beschäftigte, sondern speziell zum bewaffneten Ausstand in den italienischen Staaten beitragen wollte, ein Ziel, das geeignet war, die Ruhe aller benachbarten Staaten und zugleich ^ie äußere Sicherheit der Eidgenossenschaft auf das Schwerste zu gefährden.

Zur Milderung dieses Urtheils kann höchstens die nicht geradezu verwerfliche Ansieht sühren , daß Gesellschaften , welche ihre Umtriebe mit Solcher Ostentation auszuführen bemüht sind und die Wesenheit derselben sogar sorgfältig und wiederholt in Protokolle niederschreiben, vielleicht .weniger gefährlich sein mögen , als einzelne Jndividuen , die unter .allen Gestalten in voller Verborgenheit und Schweigsamkeit agiren und ^arum fast unfaßbar werden. Angesichts der völkerrechtlichen Stellung der Schweiz glaubt indessen die Kommission nicht, daß Milderungsgründe er.wähnter Art ^bei Würdigung der Handlungsweise de^ Bundesrathes in ^Anschlag gebracht werden dürfen.

Nach dem nun Ausgehobenen dürfte es wohl kaum befremden , wenn ^er Bundesrath nicht bloß eine Jnternirung der Betroffenen, sondern selbst ^hre Wegweisung
aus dem Gebiete der Eidgenossenschaft verfügt hätte.

Wir gehen nun speziell zu den 12 Jndividnen über, welche die Re.^ursschrift des Standes Genf als solche bezeichnet, ausweiche der Art. 57

^

3^ überhaupt nicht anwendbar^ sei, da seitens derselben keiue Thatsachen vor.liegen, die zur Anwendung erwähnter Bundesvorschxift berechtigen könnte.

Die Kommission gibt dießfalls zu, was der Wahrheit gemäß zugegeben werden kann. Es liegen für die genannten Jndividuen manche und sehr gute Zeugnisse vor über ihr stilles Verhalten , über ruhige und emsige Ausübung ihres Berufes, über die Theilnahme, ^welche dieselben hei vielen, selbst angesehenen Bürgern oder andern Bewohnern von Genf ^gefunden und verdient haben , bei den Akten , ja selbst dafür , daß sie

sich nicht mit Politik^ befaßt hätten. Jeder Bürger übt einen Akt der

Humanität aus, wenn er solche Zeugnisse ausstellt; sie sind in der Regel der Ausdruk dessen, was der Zeugnißaussteller aus eigener Wahrnehmung ^oder nach Mittheilungen glaubwürdiger Personen zu wissen glaubt. Solche Aussteller wissen. dann aber von allem Uebrigen gewöhnlich nichts, was die niedere oder höhere Polizei, im gegebenen Falle die Genferpolizei, welche die Papiere der Gefellschaft in Beschlag genommen hat, der Bundesrath und die Ko.umissarieu, welche den Jnhalt genauer erwogen haben, aus näherer Untersuchung zu wissen bekommen. So erklärt fich der Widersprueh zwischen den Anschauungen der erwähnten Privaten und der .Ergebnisse des bundesräthlichen Einschreitens.

Die Kommission hegt übrigens die Anficht, daß bei solchen allgemeinen polizeilichen Maßregeln , die im Jnteresse einer tadelfreien internationalen Stellung der Eidgenossenschaft ergriffen werden, weniger das einzelne Jn^ividnum , als die Gefam.ntheit der ausgemittelten Untersuchungsergebnisse in's Auge zu fassen fei. Diese aber stellten nachgewiesener Maßen heraus, ^aß die bewußte Gesellschaft Fremder sich Handlungen zu Schulden kommen ließ, welche die Eidgenossenschaft seitens solcher Fremdlinge, die das Asr^l .auf ihrem Gebiete auf Ruhigverhalten hin genießen , nach längst ausgefprochenen Grundsäzen , so wie nach den östern, den auswärtigen Staaten .gegebenen Versicherungen, nicht ungeahndet dulden darf, und in Folge deren das fragliche Af^l, wenn nicht förmlich verwirkt ist, doch einer schüzenden Beschränkung unterliegen muß. Daß die mehrgenannte.. Jndi.oiduen aber insgesammt Mitglieder der Gesellschaft gewesen, ist durch die Kommissarien erhoben, und durch die Akten belegt; auch Namen von solchen, auf welche obige Hinweisung auf gute Privatzeugnisse Bezug hat, stehen als Zahler der monatlichen Gesellschaftsbeiträge in den Rechnungs.büchern der Gesellschaft.

Erachtet übrigens die Kommission , daß bei den eingeklagten Vex..

Fügungen des Bundesrathes eine minutiöse Abstufung je nach der JndiviQualität jedes Betheiligten nicht möglich gewesen, so hat fie anderseits auf ^den besondern Umstand aufmerksam zu machen , daß der Bundesrath die mildeste Verfügung hat eintreten lassen, welche unter Umständen möglich war, näm.ich die bloße Jnternixung in die rükwärts gelegenen Kautone.

Der Staatsrath von Genf behandelt auf Seite 89 und 90 seiner .(gedrukten) Rekursschrist auch umständlich die Frage, ob denn der Bundes-

.^0 rath berechtigt gewesen sei, fieh über die Legalität, beziehungsweise Jlle^alität der italienischen Hülfsgesellschaft auszusprecheu , oder ob dieß nicht vielmehr in die Attribute der Kantonalsouveränetät gehöre. Wir halteu dafür, daß jede Erörterung dieser Frage überflüssig geworden sei; denn der Staatsrath von Genf hat die Gesellschaft durch förmliches Dekret aufgehoben, welches wir hier wörtlich folgen lassen..

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de la Repnbhquo et C.^tnon d... ..^neve. du .^ Mars 18.^...

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ARR^ : Art. I^. La Société connue sous la dénomination de .^oci.^ i.^tienne de secours n.^.^els est de^l^r.^e dissoute.

Art. 2. Cet acte ^era coInniuniqué à qui de droit.

Art. 3 Le Departement de Justice et Police est chargé de veiller à l'exécution de cet arrété.

(Siegel und Unterschriften.)

Bezüglich der mit den Betheiligten bald nachher vorgenommenen Polizeivexhören, deren der Staatsrath erwähnt, hat die Kommission bloß auf ^den allgemeinen Staudpunkt hinzuweisen, den der Bundesrath in der An^ Gelegenheit einzunehmen hatte. Welche Bedeutung solche Verhöre übrigens haben mögen, geht aus einem einzigen Beispiel hervor, das hier seinen Plaz finden mag. Gojorani behauptet vor der Genfer.^Polizei im März.

1858. er habe die Gesellschaft schon vor achtzehn Monaten verlassen, während er laut dem Protokoll der Generalversammlung vom I 1 . Jänner 18^7 zum Mitgliede des Ueberwachungskomite's bestellt wurde, der gleiche Gojorani, welcher v i e r Monate vorher eine Subseription sür die 10,00^ Gewehre geleitet hatte.

Die Kommission glaubt nun genügend ausgeführt zu haben, daß hinreichende Gründe vorhanden gewesen , gegen die mehrerwähnte Gefellfchast von Bundeswegen nach Maßgabe von .Art. 57 einzuschreiten , und daß hinwieder keine solchen vorliegen , um die Verfügungen des Bundesrathes,.

insoweit sie die im Rekurse benannten Jndividuen betrifft, seitens der eidg.

Räthe aufzuheben.

Wir haben nun noch,. .im Zusammenhange mit dem Bisherigen , die^ f o r m e l l e bundesrechtliche Frage zu erörtern, ob der Bundesrath seine xekurxirten Beschlüsse vom 24. April und ^24. Mai inkompetent erlassen.

habe,. überhaupt im Fall des Widerspruches einer Kantonsbehörde verpflichtet sei. die^zur Vollziehung des Art. 57 der Bundesverfassung erfor.derlichen Maßnahmen entweder vor das .Bundesgericht oder vor die Bun^ ^esverfammlung zu bringen.

^

361

Zur Begründung dieses Begehrens beruft fich der Staatsxath vou ^enf auf Art. 74, Ziff. 13^ und Art. 1^4, Litt..c der Bundesversassung.

^ Es hat seine volle Richtigkeit, daß uach der angeführten Ziff. 13 des Art. 74 von Seite des Bundesrathes keiu F r e m d e n p o l i z e i g e f e z erlassen werden darf, weil die Kompetenz zu solcher Erlassung ausdriiklich ^er Bundesversammlung zugefehieden ist ; Daraus folgt aber mit nichten: a. daß ein Bundesgefez über Fremdenpolizei erlassen werden müsse, wenn die Bundesversammlung selbst. die Erlassung eines solchen Gesezes .nicht für nothwendig oder mizlich erachtet; e b e n s o w e n i g , b. daß die Eidgenossenschaft deßhalb diejenigen Verfügungen unterlassen.

. müsse, welche^ sie zu ihrer äußern oder innern Sicherheit nothwendig oder geeignet erachtet.. denn das ihr im Art. 57 zugeschiedene Recht ist ihr u n b e d i n g t verliehen, gleichviel, ob sie es in casu nach Ermessen, oder nach allgemeinen gesezlichen Normen ausüben wolle.

Aus den erwähnten Umständen, daß ein Bundesgesez über FremdenPolizei n icht erlassen wurde , kann im Fernern keineswegs gefolgext .werden : .... daß der Bundesrath nun die Hände in den Schoß zu legen pflichtig sei, und höchstens die Befugniß habe, vorkommende Fälle, falls Widerspruch seitens eines Kantons besteht , .oor^ das Bundesgericht oder vor die beiden Räthe zu bringen, denn 1) ist jede oberste Vollziehungsbehörde , nach Maßgabe allgemeiner Praxis, der natürliche und allseits anerkannte Repräsentant des betreffenden Staates in seinen Beziehungen nach ...lußen ., -- der Bundesrath ist also Repräsentant der Eidgenossenschaft als Buudesstaat ; ^) ist seine Aktion keineswegs auf die Fälle beschränkt , für welche ansdrükliche Bundesgeseze bestehen ; hiefür zitirt ^die Kommission

den Eingang ^des Art. 9..), also lautend :

,,Der Bundesrath hat i n n e r t den Schranken der

,,gegenwärtigen Verfassung vorzüglich folgende Befug,,nisse und Obliegenheiten u. s. ro.^;

3) legt ihm speziell Ziff. 8 dieses nämlichen Artikels eine^ wichtige Verpflichtung auf, indem es hier heißt.. ,,Er wahrt die Jnteresseu ,,der Eidgenossenschaft nach Außen, wie namentlich ihre völker,,rechtlichen Beziehungen und besorgt die auswärtigen Angelegen,,heiten überhaupt^ ; 4) gehören Maßnahmen zur allfälligen Entfernung oder Jnternirung von Fremden, welche die äußere Sicherheit der Eidgenossenschaft gefährden, ihrem Zweke nach unter diejenigen Obliegenheiten, welche erwähnte Ziff. 8 vom Axt. 90 dem Bundesrathe auferlegt;

5) Gleiches folgt aus Ziff. 9 des nämlichen Artikels der Bundesverfassung;

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3^ 6) lassen Maßnahmen der höhern Polizei (wi^ der Polizei überhaupt)^ die Weiterungen nicht zu, welche aus einer Ueberweisung derselben an die beiden Räthe in dem Sinne, daß erst ihre Verfügung abgewartet werden müsse, unausweislich hervorgehen ^würden, -- und es würde vielmehr durch solche Ueberweisung de^ Zwek, der durch Art. 57 der Bundesverfassung erreicht werden sollte und wollte, vereitelt.

Was endlich die Ueberweisung an das Bundesgericht betrifft , so kann diese, nach der Ansicht der Kommission, bloß zur Anwendung kommen, w e n n ü b e r V e r b r e c h e n und V e r g e h e n g e g e n d a s V ö l k e r recht a b g e u r t h e i l t w e r d e n soll. Wir glauben aber in der vorangegangenen Abtheilung dieses Berichtes genügend bewiesen zu haben, daß der Fall der Anwendung des Art. 57 vielfach eintreten kann , auch wenn dex Bundesrath keine Veranlassung gefunden hat, nach Art. 104, litt. c einzusehreiten. Es hieße die Natur der äußeru Beziehungen der Schweiz im europäischen Staatenverbande gänzlich mißkennen, wenn man behaupten wollte, daß bundespolizeiliche Maßnahmen gegen Fremde, deren Verhalten.

unser Wohlvernehmen zu den Nachbaxen stört, von bundesgerichtlicher Untersuchung und von Sentenzen abhängig wären, welche Art. 104, litt. ^ vorausfezt. Auch ist nicht zu übersehen, daß die Anwendung vom Art. 57 durch keinerlei Dispositive der Bundesverfassung in Verbindung mit Art. 104, Litt. c gestellt ist, so daß erstere eine ungehemmte sein mag, gleichviel,

ob auch gleichzeitig Veranlassung zu bundesgerichtlichex Einleitung vorliege

öder nicht.

Die mehrfachen Besorgnisse, welche der Staatsrath von Genf ausgesprochen hat, es möchte die Rükweifung seines Rekurses zu wesentlicher Gefährdung der Souveränitätsrechte der Kantone in Sachen der FremdenPolizei führen, hält die Kommission nicht für begründet. Kantone und Volk, wie ^ie in den beiden Rä.hen repräsentirt sind , haben insgesa.nmt ein Jnteresse daran, daß in erwähnter Beziehung die beidfeitige^n Kompetenzschranken gewahrt bleiben; überwiegend aber ist das Bedürfniß, daß der Bundesrath nicht gehindert werde , die für die äußere Sicherheit der Eidgenossenschaft nach Maßgabe von Art. 57 der Bundesverfassung erforVerliehen Verfügungen zu treffen. Wir wollen hoffen, daß der Fall zu seiner Anwendung nicht so bald wiederkehre.

Die Kommission bringt nun folgenden Beschlußantrag an die Geneh-

migung des Ständerathes :

Die Bundesversammlung der schweizerischen Eidgenossenschaft, Nach Prüfung der Rekursschrift des Standes Genf, vom 22. Juni

1858, gegen die Beschlüsse des Bundesrathes vom 24. April und 24. Mai l. J. , .betreffend die Jnternirung mehrerer in Genf sich aufhaltender Fremder, so wie der vom Bundesrath unterm 17. Juli l. J. aus Einladung des Ständerathes eingegebeneu Verantwortung und der übrigen Zahlreichen Akten .

^

36^ in Erwägung ,. daß die im Rekurse benannten Fremden einer Gesellschaft angehört haben, welche fich neben Anderm, erwiesenermaßen auch.^ ..nit ruhestörerischen Plänen gegen benachbarte Staaten besaßt hat; in Erwägung , daß sich in Folge dessen das Einschreiten des Bundes-

xathes gegen die Mitglieder erwähnter Gesellschaft gerechtfertigt findet;

in Erwägung ferner , daß der Bundesrath in seinen Maßnahmen sich .

von unnöthiger Strenge ferne hielt und gegentheils, mancherlei persönliche

Riiksichten gegen Einzelne walten ließ; in Erwägung, daß der Bundesrath kraft Art. 90 (Eingang, dann

Ziffer 8 und 9) der Bundesverfassung befugt und unter Umständen auch verpflichtet ist , die durch Art. 57 dem Bund eingeräumten Befugnisse in.

Bezug auf Ausweisung von Fremden von sich aus und ohne höheres Zuthun der gefezgebenden Räthe der Eidgenossenschaft auszuüben ; daß de^ Abgang eines Bundesgefezes über Fremdenpolizei jene Befngniß des Bundesrathes nicht nur nicht s^wächt, sondern vielmehr bekräftiget, und daß im Weitern die Befugniß zur Ausweisung aus dem Gebiet der Eidgenossenschast diejenige zur bloßen Jnternirung in sich schließt , immerhin die freie Zustimmung desjenigen Kantons vorausgesezt, in welchem die Juternirung.

stattfinden soll ;

in Erwägung endlich , daß die allsällige Ausweisung von Fremden.

nach Art. 57 ganz unabhängig verfügt werden mag von dem im Art. 104.

litt. c der Bundesverfassung vorgesehenen b^ndesgerichtlichen Einschreiten iiber Vergehen und Verbrechen gegen das Völkerrecht ,

beschließt: Dem Eingangs angeführten Rekurse des Stande^ Genf ist keine Folge^ ^u ^gebeu.

^

Die Kommission glaubt nun, den Gegenstand ihrer Aufgabe erschöpft zu haben und schließt, indem Sie Jhnen, Herr Präsident, Herren Ständeräthe, die Versicherung ihrer vollkommenen Hochachtung darbringt.

Bern, den ^. Juli 18.^8.

N a m e n s der M e h r h e i t der Kommission,^ ^Der Berichterstatter: Banmgartner.

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Mitglieder der kommission waren: Alt-^andammann . ^ a ü m g a x t n e x . von St. Gallen; .^egiexung^xath .^.^..nba.h, in ^iestal; ^andschxeibex Sch^werzmann, in ^ug;

., ..^nd^stat^a^x ^oth, in .^^fen (Appenzell A. Rh.); ,.

Gxoßxath .^onighetti. in ...^a.^.a (Hessin).

Schweizerisches Bundesarchiv, Digitale Amtsdruckschriften Archives fédérales suisses, Publications officielles numérisées Archivio federale svizzero, Pubblicazioni ufficiali digitali

Bericht der Majorität der Kommission des Ständerathes, betreffend den Rekurs des h.

Standes Genf gegen bundesräthliche Beschlüsse über Fremdenausweisung. (Vom. 24. Juli 1858.)

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Jahr

1858

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Volume Volume Heft

37

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Numéro d'affaire Numero dell'oggetto Datum

07.08.1858

Date Data Seite

349-363

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10 002 545

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