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Botschaft des

Bundesrates an die Bundesversammlung, betreffend die Genehmigung eines Zusatzprotokolls vom 15. März 1898 zum internationalen Münzübereinkommen vom 15. November 1893.

(Vom 6. April 1898.)

Tit.

Im November 1893 haben sich die Staaten der lateinischen Münzunion über eine Zusatzkonvention zum Münzvertrage von 1885 verständigt, durch welche es Italien ermöglicht wurde, seine in die übrigen Staaten der Münzunion eingedrungenen Silberscheidemünzen wieder zurückzuziehen und einer weitern durch die Entwertung der italienischen Valuta begünstigten Auswanderung derselben vorzubeugen.

Kraft dieser Zusatzkonvention hatte Italien seine Silberscheidemünzen innerhalb bestimmter Frist gegen Gold auszulösen, nach deren Ablauf Italien nicht mehr gehalten war, seine von den Kassen der ändern Länder ihm zugesandten Silberscheidemünzen auszuwechseln, wozu es nach Artikel 7 der Hauptkonvention verpflichtet gewesen wäre, die übrigen Staaten aber der vertraglichen Verpflichtung enthoben wurden, italienische Silberscheidemünzen an ihren Kassen anzunehmen ; alle übrigen Bestimmungen der Münzunion blieben durch diese Nachkonvention unberührt.

Wir hatten wiederholt Gelegenheit, .in unsern Geschäftsberichten hervorzuheben, daß dieser Abschub der italienischen Siberscheidemünzen aus der Schweiz ein vollständiger war und daß nur zur größten Seltenheit noch vereinzelte Stücke auftauchen.

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In Italien wurden die zurückgezogenen Scheidemünzen nicht wieder in Umlauf gesetzt, weil man bei den andauernd ungünstigen Valutaverhältnissen und trotz den durch die Zusatzkonvention in Aussicht genommenen Ausfuhr- und Einfuhrverboten eine nochmalige Auswanderung befürchtete. Diese Münzen blieben vielmehr in den Gewölben des Schatzamtes als Garantie für die in Umlauf gesetzten Kassenscheine von l und 2 Lire eingeschlossen, und zwar soll deren Gesamtbetrag gegenwärtig 150 Millionen Franken übersteigen. Infolge dieser Einsperrung unterblieb vorderhand das italienische Ausfuhrverbot, und auch der Bundesrat kam nicht in den Fall, von der ihm durch Bundesbeschluß vom 29. Juni 1894 erteilten Vollmacht zum Erlasse eines Einfuhrverbotes Gebrauch zu machen.

Mit der allmählich eingetretenen Besserung der italienischen Valuta regte sich indessen in italienischen Regierungskreisen der begreifliche Wunsch, die nationalen Silberscheidemünzen unter gleichzeitigem Rückzug der Kassenscheine wieder in Cirkulation zu setzen, eine Maßregel, die natürlich nur dann in Vollzug gesetzt werden wollte, wenn man sich sicher glaubte, daß diese freigegebenen Münzen auch im Lande verbleiben. Und da fühlte sich Italien durch eine Bestimmung der Zusatzkonvention von 1893 ernstlich beunruhigt. Während nämlich Italien, wie bereits gesagt, durch diese Zusatzkonvention für die ganze Dauer der Münzunion davor sicher gestellt ist, daß ihm seine Scheidemünzen von den Kassen der übrigen Vertragsstaaten nicht mehr zur Auswechslung präsentiert werden dürfen, statuiert der Artikel 18 der Zusatzkonvention, daß für den Fall der Kündigung der Münzunion die gemäß Artikel 7 des Hauptvertrages jedem Staate auferlegte Verpflichtung, seine Silberscheidemünzen während eines Jahres zurückzunehmen, wieder in Kraft trete.

Italien glaubt 'nun zwar, daß bei einer strengen und konsequenten Durchführung der Ein- und Ausfuhrverbote keine nennenswerten Quantitäten von Silberscheidemünzen in die ändern Unionsstaaten infiltrieren können ; aber es befürchtet, gerade der Fortbestand dieses Artikels und die Aussicht, daß schließlich anläßlich der Kündigung der Münzunion sich doch noch einmal Gelegenheit bieten werde, dieser italienischen Silberscheidemünzen ·wieder loszuwerden, könnten zur Folge haben, daß gewissenlose Spekulanten neuerdings diese Münzen in
gewinnsüchtiger Absicht in die ändern Staaten importieren, daß sich die Privaten weniger weigern werden, dieselben anzunehmen, und daß somit Italien in die fatale Situation versetzt werden könnte, einen großen Teil seiner Silberscheidemünzen zum zweitenmale mit Gold einzulösen.

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Italien hat deshalb schon letztes Jahr anläßlich der Novelle /.um Münzvertrag betreffend Vermehrung der Kontingente der Silberscheidemünzen versucht, diesen ihm unbequemen Artikel 18 des Übereinkommens vom 15. November 1893 zu modifizieren und diese italienische Anregung gleichzeitig mit dem von der Schweiz ausgegangenen Begehren um Erhöhung der Kontingente den Parlamenten der Münzunionsstaaten vorzulegen. Frankreich, Belgien und Griechenland waren schon damals geneigt, diesem italienischen Begehren zu entsprechen, während man schweizerische rseits von der Vermengung der beiden Anregungen und der gleichzeitigen Behandlung in den Parlamenten teils eine Verzögerung, teils eine Gefährdung des dringlicheren Postulates der Vermehrung der Kontingente erblickte und die Priorität des schweizerischen Begehrens durchsetzte. Immerhin haben wir uns schon damals bereit erklärt, nach Erledigung unseres Begehrens auch der italienischen Anregung näher zu treten, beziehungsweise die Unterhandlungen%ach dieser Richtung fortzusetzen.

Nachdem nun mit dem 1. Januar 1898 die Dekrete betreffend Vermehrung der Silberscheidemünzen in Kraft getreten sind, beeilte sich Italien, auf die Behandlung des von ihm gestellten Postulates zu dringen. Zu diesem Zwecke wurde in Paris zu Händen der Übrigen Unionsstaaten der Entwurf eines Zusatzprotokolles zum Übereinkommen von 1893 eingereicht. Italien entsandte ferner einen Specialdelegierten nach Bern zur weitern Förderung der Angelegenheit, zur Beseitigung der anfänglich schweizerischerseits vorhandenen Bedenken und zur Besprechung der von Italien zu bietenden Garantien.

Diese konferenziellen Besprechungen führten denn auch, nachdem inzwischen die offizielle Mitteilung eingetroffen war, daß die.

übrigen Staaten das Zusatzprotokoll bedingungslos acceptiert hätten, zu einer Einigung zwischen der Schweiz und Italien, wobei wir nicht unterlassen haben, unsere Interessen nachdrücklichst zu wahren für den Fall, als sich in der Folge wider Erwarten aus dem neuen Abkommen erhebliche Inkonvenienzen für die Schweiz ergeben sollten.

Die getroffenen Vereinbarungen sind folgende : Italien wird von der ihm in Artikel 7 der Münzkonventiou vom 6. November 1885 auferlegten Verpflichtung, wonach es während der Dauer eines Jahres nach Auflösung der Münzunion seine dannzumäl in den ändern Unionsstaaten cirkulierenden Silberscheidemünzen zurücknehmen soll, entbunden.

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Dagegen hat die italienische Regierung beschlossen, während des Fortbestandes der Münzunion die Ausfuhr ihrer Silberscheidernünzen aus dem Königreiche zu verbieten und während fünf Jahren nach Auflösung der Union an dem internen Münzregime Italiens keine Änderungen vorzunehmen, welche dem Rückflusse der italienischen Silberscheidemünzen in ihr Ursprungsland auf dem Handelswege Schwierigkeiten bereiten könnten.

Sollte Italien diese Beschlüsse nicht ausführen oder verlangen und bewilligt erhalten (Art. 17 des Übereinkommens von 1893), daß seine Silberscheidemünzen neuerdings denjenigen der ändern Unionsstaaten gleichgestellt werden, so wird es wiederum verpflichtet sein, seine Silberscheidemünzen von den öffentlichen Kassen seiner Münzalliierten anzunehmen.

Gemäß dem die Basis des Münzvertrages bildenden Grundsätze der Gegenseitigkeit soll die Italien gewährte Vergünstigungunter den nämlichen Bedingungen auch jedem ändern Unionsstaate zu teil werden, der nach Artikel 16, Alinea 2, des Münzübereinkommens vom 15. November 1893 seine Silberscheidemünzen aus Italien zurückziehen wird.

Im Protokoll ist endlich die Genehmigung durch die gesetzgebenden Behörden der verschiedenen Staaten vorbehalten.

Wir fügen noch bei, daß wir uns mit dem Ausfuhrverbot der italienischen Regierung nicht begnügen werden, sondern daß wir auch unsererseits auf den Zeitpunkt des Inkrafttretens der neuen Vereinbarungen die Einfuhr der italienischen Silberscheidemünzen in die Schweiz nach Maßgabe der uns durch den bereits erwähnten Bundesbeschluß vom 29. Juni 1894 (A. S. n. F., XIV, 283) erteilten Befugnis verbieten werden, wobei allerdings die nötigen Weisungen zu erteilen sein werden, daß die Durchführung dieses Verbotes nicht in eine chikanöse Behandlung von Reisenden ausarte.

Gestützt auf das Vorgebrachte und nochmals betonend, daß es nicht in der Stellung der übrigen Münzunionsstaaten liegen kann, dem berechtigten Wunsche Italiens, an Stelle der papierenen Kassenscheine wieder gemünztes Geld im eigenen Lande in Umlauf zu setzen, entgegenzutreten, gestatten wir uns, der Bundesversammlung die Ratifikation des in Paris unterm 15. März abhin von den Vertretern der Schweiz, Belgiens, Frankreichs, Griechenlands und Italiens unterzeichneten Zusatzprotokolls zum Münzübereinkommen vom 15. November 1893, das wir unserer Botschaft als Beilage beifügen, zu empfehlen.

649 Genehmigen Sie, Tit., die erneuerte Versicherung unserer ausgezeichneten Hochachtung.

B e r n , den 6. April 1898.

Im Namen des Schweiz. Bundesrates, Der Bundespräsident: Ruffy.

Der Kanzler der Eidgenossenschaft: Bingier.

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(Entwurf.)

Bundesbeschluss betreifend

die Genehmigung des Zusatzprotokolls vom 15. März 1898 zum internationalen Münzübereinkommen vom 15. November 1893.

Die B u n d e s v e r s a m m l u n g der schweizerischen Eidgenossenschaft, nach Einsicht einer Botschaft des Bundesrates vom 6. April 1898; in Anwendung des Art. 85, Ziffer 5, der Bundesverfassung, beschließt: Art. 1. Dem am 15. März 1898 in Paris unterzeichneten Zusatzprotokoll zum internationalen Münzübereinkommen vom 15. November 1893 wird hiermit die vorbehaltene Genehmigung erteilt.

Art. 2. Der Bundesrat ist mit der Vollziehung dieses Beschlusses beauftragt.

Beilage als Anhang.

651 Beilage.

Zusatzprotokoll zu dem

am 15. November 1893 zwischen den Regierungen der Schweiz, Belgiens, Frankreichs, Griechenlands und Italiens abgeschlossenen Münzübereinkommen.

(Übersetzung nach dem französischen Originaltext.)

Die italienische Regierung, von der ihr in Artikel 15 des Münzübereinkommens vom 15. November 1893 eingeräumten Befugnis Gebrauch machend, hat beschlossen, die Ausfuhr der italienischen Silberscheidemünzen aus dem Königreiche während der Dauer der zwischen Italien, der Schweiz, Belgien, Frankreich und Griechenland bestehenden Münzunion zu verbieten und ferner in den fünf Jahren nach Auflösung dieser Münzunion an dem internen Münzregirne Italiens keine Änderungen vorzunehmen, welche dem Rückflusse der italienischen Silberscheidemünzen in ihr Ursprungsland auf dem Handelswege Schwierigkeiten bereiten könnten.

Infolgedessen haben die Regierungen der Schweiz, Belgiens, Frankreichs und Griechenlands mit der italienischen Regierung vereinbart, daß Italien von der ihm in Artikel 7 der Münzkonvention vom 6. November 1885 auferlegten Verpflichtung, während eines Jahres nach Ablauf der genannten Münzkonvention seine dannzumal in den ändern Unionsstaaten im Umlauf sich befindenden Silberscheidemünzen zurückzunehmen, entbunden sei und daß diese Verpflichtung nur dann wieder aufleben solle, wenn Italien

652 seine oben erwähnten Beschlüsse nicht ausführen würde oder wenn es nach Maßgabe von Artikel 17 des Münzübereinkommens vom 15. November 1893 inzwischen von seinen Münzalliierten verlangt und bewilligt erhalten hätte, daß seine Silberscheidemünzen neuerdings denjenigen der ändern Unionsstaaten gleichgestellt werden.

Man hat sich im weitern dahin verständigt, daß hinwiederum die ändern Münzuuionsstaaten, welche in Gemäßheit von Artikel 16, Alinea 2, des Münzübereinkommens vom 15. November 1893 ihre Silberscheidemünzen aus Italien zurückziehen würden, ebenfalls von der Verpflichtung entbunden sein sollen, während eines Jahres nach Ablaut der Münzunion ihre dannzumal in Italien cirkulierenden Silberscheidemünzen zurückzunehmen, sofern sie im Momente des Rückzugs ihrer Silberscheidemünzen die Ausfuhr derselben nach Italien verboten haben und ebenfalls in den fünf Jahren nach Auflösung der Münzunion an ihrem internen Münzregime keine Änderungen anbringen, welche dem Rückflüsse ihrer Süberscheidemünzen auf dem Handelswege Schwierigkeiten bereiten könnten.

Zur Urkunde dessen haben die Unterzeichneten, von ihren Regierungen mit der nötigen Vollmacht versehen, dieses Protokoll aufgestellt unter dem Vorbehalt der Genehmigung durch die betreffenden zuständigen Behörden.

Unterzeichnet in P a r i s in fünf Exemplaren, am 15 März 1898.

(L. S.) sig. Lardy.

(L. S.)

sig.

Baron d'Anethan.

(L. S.) sig. G. Hanotaux.

(L. S.) sig. N. S. Delyanni.

(L. S.) sig. G. Tornielli.

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November 1893. (Vom 6. April 1898.)

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06.04.1898

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