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Schweizerische Bundesversammlung,

Die gesetzgebenden Räte der Eidgenossenschaft sind ani 24. Oktober 1898 zur Fortsetzung der ordentlichen Sommersession zusammengetreten.

Neugewähltes Mitglied : Nationalrat.

Herr H o f m a n n , Emil, Dr. phil., von Kreuzungen und Weiningen, in Stettfurt.

Im N a t i o n a l r a t eröffnete Herr Präsident A. Thélin die Session mit folgenden Worten: ,,Durch ein feiges Attentat ist seit unserm letzten Beisammensein unser Land in Bestürzung versetzt worden. Ein von fremder Hand geführter Dolchstich hat in roher Weise das Leben der edeln Fürstin durchschnitten, welche uns die Ehre erwies, unser Land zu ihrem Aufenthaltsort zu wählen, wo einzig ihre große Herzensgüte und ihre unerschöpfliche Wohlthätigkeit von ihrer Anwesenheit Kunde gaben.

Regierung und Volk der Schweiz haben bereits gezeigt, welchen Abscheu jenes schändliche Attentat ihnen eingeflößt hat, und welchen Anteil sie an dem unermeßlichen Schmerze des so grausam geprüften Monarchen und an der Trauer einer befreundeten Macht nehmen.

Bei Eröffnung unserer Session können wir diesen Kundgebungen nur noch den Ausdruck unserer tiefen und achtungsvollen Sympathie beifügen, den ich Sie durch Erheben von Ihren Sitzen zu bezeugen bitte.

Am 18. Juli hat uns der Tod einen unserer Kollegen, Herrn Paul Aeby, entrissen.

Geboren 1841, machte Herr Paul Aeby seine ersten Schuljahre im Gymnasium von Dole, später in Freiburg durch. Nachdem er in Freiburg und Bonn dem Studium der Rechte obgelegen hatte, trat er zum Erlernen der Praxis in das Bureau des Herrn Advo-

587 katen und Nationalrat Wuilleret ein, dessen Schwiegersohn er später wurde.

Nachdem er einige Jahre als Advokat praktiziert hatte, verließ er diesen Beruf und gründete das Bankhaus Weck & Aeby, eines der hervorragendsten Finanzinstitute Freiburgs.

Im Alter vou 25 Jahren trat er in den Großen Kat des Kantons Freiburg, dem er bis zu seinem Tode angehörte.

Im Jahre 1883 wurde er Nachfolger des Herrn Weck-Reynold im Nationalrate. Seine Kenntnisse und Erfahrungen in Finanzsachen fanden hier hohe Würdigung.

Während mehreren Jahren war er als Gemeindepräsident zur Leitung der Verwaltung der Stadt Freiburg berufen.

Herr Aeby ist den Seinigen nach langer Krankheit entrissen worden. Er gehörte der Gruppe der katholischen Rechten an.

Seiner politischen Überzeugung stets treu bleibend, verstand er es doch, mit allen Kollegen die freundlichsten persönlichen Beziehungen zu unterhalten. Wir alle werden seine Zuvorkommenheit und seine wohlwollende Gesinnung in gutem Andenken bewahren.

Ich lade Sie ein, meine Herren, sich zur Ehrung des Verstorbenen von Ihren Sitzen zu erheben.

Im S t ä n d e r a t hielt bei der Sessionseröffnung Herr Präsident Hildebrand folgende Ansprache : Hochgeehrte Herren Ständeräte !

Seit Schluß der Junisession der eidgenössischen Räte ist unser liebes Vaterland von einem schweren Unglück heimgesucht worden.

Denn als ein für uns schwerer Unglücksfall darf es bezeichnet werden, daß einer der schönsten Flecke des freien Schweizerbodens durch einen unmenschlichen Fürstenmord entweiht worden ist.

Als am Samstag den 10. September nachmittags sich von Genf aus mit Blitzesschnelle die traurige Kunde verbreitete, es sei Ihre Majestät die Kaiserin von Österreich-Ungarn von ruchloser Mörderhand tödlich getroffen worden, wurde die Richtigkeit dieser Mitteilung vielfach bezweifelt. Denn in weiten Kreisen war es ja bekannt, daß Ihre Majestät die Kaiserin Elisabeth stets bestrebt .war, das menschliche Elend und die Not der Armen zu lindern und überall in ihrer Umgebung Gutes zu wirken, so daß sie Bundesblatt. 50. Jahrg. Bd. IV.

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keine persönlichen Feinde haben konnte. Daher erschien es auch begreiflich, daß diese erhabene Kaiserin bei ihrem Aufenthalte an den schönen Gestaden des Genfersees es ablehnte, daß zu ihrem Schütze besondere polizeiliche Anordnungen getroffen wurden. Es war ja noch nie vorgekommen, daß gegen einen der mächtigen Herrscher europäischer oder fremder Staaten, wenn sie dem schönen Schweizerlande einen Besuch abstatteten, oder gegen irgend welchen Fürsten hier ein Attentat versucht wurde. Wie hätte man also ahnen können, daß hier das Leben der Kaiserin von Österreich, einer kranken Frau, welche bereits die grausamsten Prüfungen durch Unglücksfälle aller Art durchgemacht hatte und, abgeschlossen von der Welt, ihrem Schmerze lebte, gefährdet sei und daß ein feiger Meuchelmörder ihr auf laure?

Niemand anders als einem mit Gott und sich selbst zerfallenen Geschöpf, welches jedwedes religiöse und menschliche Gefühl von sich abgestreift hat, welches in unsinniger Wut durch Fürstenmord die bestehende Gesellschaftsordnung glaubt umstoßen zu können, konnte es einfallen, den Mordstahl zu zucken gegen die edelste und unglücklichste der Frauen, welche je einen Thron geziert haben.

Ein Schrei des Absehens ertönte im ganzen Schweizerlande über die unmenschliche That des Lucheni, ein Schrei des Unwillens auch gegen alle jene Individuen, welche infolge ihrer Glaubenslosigkeit und tiefer Unzufriedenheit über alles Bestehende auf verbrecherischem Wege die bestehende staatliche Ordnung umstürzen wollen und sich gegenseitig zum Fürstenmord aufreizen. Vielseitig wurde auch das Verlangen gestellt, es sollen strengere Maßregeln ergriffen werden, um die Umtriebe dieser staatsgefährlichen anarchistischen Verbindungen zu unterdrücken, und es sollen zu diesem Zwecke die civilisierten Staaten sich zu einheitlichem Vorgehen vereinigen. Denn die vielen anarchistischen Attentate der verflossenen Jahrzehnte haben bewiesen, daß die einzelnen Staaten auch bei sorgsamster Beaufsichtigung verdächtiger Individuen und bei den umfassendsten Schutzmaßregeln nicht verhüten konnten, daß anarchistische Angriffe auf gekrönte Häupter oder oberste Leiter einzelner Staatswesen gemacht wurden. Selbst bei einheitlichem Zusammenwirken aller Staaten werden die geheimen Umtriebe derer, welche sich zum Sturz der bestehenden socialen Ordnung verbinden,
nicht vollständig verhindert werden können.

Nur solche, welche von leidenschaftlicher Voreingenommenheit gegen unser Vaterland befangen sind oder welche keinen Begriff davon haben, wie schwierig es ist, die verbrecherischen Absichten

589 fanatisierter, meist südländischer Anarchisten rechtzeitig kennen zu lernen und zu durchkreuzen, konnten dazu gelangen, den schweizerischen Behörden ein Verschulden an dem traurigen Vorfall vom 10. September beizumessen. Diesen vereinzelten Angriffen gegenüber wurde in den benachbarten Staaten allgemein anerkannt, daß selbst, wenn, den Wünschen der unglücklichen Kaiserin zuwider, umfassende Schutzmaßregeln getroffen worden wären, die Begehung der verbrecherischen That kaum hätte verhindert werden können.

Durch' den ruchlosen Mord, dessen Opfer Ihre Majestät die Kaiserin Elisabeth geworden ist, wurde das kaiserliche Haus von Österreich in tiefste Trauer versetzt und mit ihm die gesamte Bevölkerung dieses Kaiserreiches, welches mit der Schweiz seit Jahrzehnten in freundnachbarlichen Beziehungen steht und gegenwärtig in Verbindung mit derselben das großartige Werk der Rheinregulierung zur Ausführung bringt.

An dieser Trauer nimmt nicht nur die Bevölkerung von Genf, sondern das gesamte Schweizervolk innigen Anteil, und es hat diese Trauer durch vielfache Kundgebungen bewiesen.

Ich bin überzeugt, in Übereinstimmung mit Ihnen, den Vertretern der schweizerischen Kantone, zu sein, wenn ich in Ihrem Namen die herzlichste Teilnahme ausspreche für den schmerzlichen Verlust, den Ihre Majestät der Kaiser von Österreich und das gesamte Volk des Kaiserreiches erlitten hat, und wenn ich zugleich die Hoffnung ausspreche, daß die bisherigen guten Beziehungen dieses vom Unglück betroffenen Staates mit unserm Vaterland ungetrübt erhalten bleiben.

Meine Herren Kollegen ! Ich lade Sie ein, diesen tiefempfundenen Gefühlen der Teilnahme an der Trauer der österreichischen Nation dadurch Ausdruck zu geben, daß Sie sich von Ihren Sitzen erheben.

Meine Herren Ständeräte!

Bevor wir auf die Abwicklung der auf heutige Tagesordnung gesetzten Traktanden eintreten, haben wir noch eines Verlustes zu gedenken, welchen der Nationalrat seit der Junisession erlitten hat.

Am 19. Juli verschied plötzlich der weit über die Grenzen seines Heimatkantones hinaus bekannte Herr Nationalrat Paul Aeby von Freiburg, dessen Gesundheit allerdings schon seit einiger Zeit schwer angegriffen war. Derselbe war geboren 1841 als Sohn des Major Aeby, Offizier in neapolitanischen Diensten.

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Nach guten juristischen Studien in Freiburg und Bonn widmete er sich zuerst mit Erfolg der Advokatur ; später beteiligte er sich an einem Bankgeschäfte, welches durch seine vorzügliche Leitung zu hohem Ansehen gelangte.

Einen großen Teil seiner rastlosen Thätigkeit widmete er seinem Heimatlande. Seit 1866 war er Mitglied des Großen Rates, von 1886 bis 1895 Syndic der Stadt Freiburg und seit 1880 war er ununterbrochen Mitglied des Nationalrates. In allen diesen Stellungen war er ein Muster eifriger, getreuer Pflichterfüllung.

Er hatte speciell bei Fragen finanzieller Natur ein maßgebendes Urteil. Stets war es sein Bestreben, das Wohl seines Vaterlandes zu fördern. Durch seinen offenen Charakter und sein leutseliges Wesen hat er sich viele Freunde erworben. Er ruhe in Frieden.

Zur Anerkennung seiner Leistungen und zum Zeichen der Anteilnahme an der Trauer seiner Angehörigen ersuche ich Sie, sich von den Sitzen zu erheben.

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26.10.1898

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