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Botschaft des

Bundesrates an die Bundesversammlung, betreffend Anwendung des Bundesbeschlusses vom 14. Oktober 1897 auf die schweizerische Seethalbahn.

(Vom 12. Dezember 1898.)

Tit.

Durch Bundesbeschluß vom 14. Oktober 1897 (E. A. 8. XV, 23) wurden sämtliche seit dem Jahre 1886 erteilten Eisenbahnkonzessionen, deren Rückkaufsbestimmungen die Klausel nicht mehr enthalten, daß die Entschädigungssumme für den Rückkauf in keinem Falle weniger als die nachgewiesenen erstmaligen Anlagekosten der bestehenden Einrichtungen betragen dürfe, in der Weise ergänzt, daß der Rückkauf auf Grundlage der Konzession frühestens auf den Zeitpunkt erfolgen kann, in welchem die Bahn 30 Jahre im Betriebe sein wird.

Da die Anwendung dieses Beschlusses, auf die s c h w e i z e r i s c h e Seet h a l b a h n infolge ganz eigentümlicher Verhältnisse zu Meinungsverschiedenheiten Anlaß geben könne, die Klarstellung der Frage aber sowohl durch das Interesse der Gesellschaft, wie durch dasjenige des Bundes dringend geboten sei, so stellte die Direktion der genannten Bahngesellschaft mit Eingabe vom 23. März 1898 zu Händen der Bundesversammlung das G e s u c h um Bestimmung des R ü c k k a u f s ter m ins f ü r ihre Unternehmung.

Die besondern Verhältnisse, auf -welche sich die Gesuchstellerin beruft, sind folgende :

486 Die ursprünglich einem Seethalbahnkomitee von den Kantonen Aargau unterm 25. Mai 1871 (E. A. S. a. F. VII, 114 ff.) und Luzern unterm 7. Juni 1871 (E. A. S. a. F. VII, 127 ff.) erteilten Konzessionen für eine Linie Emmenbrücke-Lenzburg (in Bezug auf den Anschlußpunkt waren verschiedene Eventualitäten vorgesehen) wurden mit Ermächtigung der Bundesversammlung durch Bundesratsbeschluß vom 25. April 1882 (E. A. S. VII, 26 ff.) auf Herrn A. Halcomb in London zu Händen einer von demselben zu gründenden Aktiengesellschaft übertragen und gleichzeitig in zahlreichen Punkten abgeändert. Die englische Gesellschaft Lake Valley of Switz'erland railway Company limited, welche dann die Bahn baute und bis ins Jahr 1894 betrieb, erhielt ferner unterm 1. Juli 1886 (E. A. S. IX, 21 ff.) die Konzession für eine Anschlußbahn von Beinwyl nach Reinach-Menziken und unterm 26. September 1890 (erneuert den 23. Juni 1892) (E. A. S. XI, 120, XII, 79) die weitere Konzession für Fortsetzung ihrer Linie von Lenzburg nach Wildegg.

Durch Vertrag vom 16. Juni 1894 erwarb dann die zu diesem Zwecke gegründete ,,schweizerische Seethalbahn-Gesellschafta das Bahnunternehmen, worauf die erwähnten Konzessionen mit Ermächtigung der Bundesversammlung vom Bundesrate, durch Beschluß vorn 6. September 1894 (E. A. S. XIII, 140 ff.), auf die neue Gesellschaft übertragen wurden und gleichzeitig an deren Stelle ein einheitlicher neuer Konzessionsakt für die ganze Linie Emmenbrücke-Lenzburg, mit Abzweigung von Beinwyl nach ReinachMenziken und Fortsetzung von Lenzburg nach Wildegg gesetzt wurde. Die Rückkaufsbestimmungen desselben sind nach dem damals üblichen Wortlaut gefaßt und enthalten demgemäß die Klausel nicht mehr, welche als Mindestbetrag der Entschädigung die Anlagekosten garantiert.

Die Betriebseröffnung der einzelnen Strecken, beziehungsweise Linien der Seethalbahn fand statt: Ernmenbrücke-Beinwyl ani 3. September 1883, Beinwyl-Lenzburg am 15. Oktober 1883, Beinwyl-Reinach-Menziken am 23. Januar 1887 und endlich LenzburgWildegg am 1. Oktober 1895.

Die Direktion der Seethalbahn hält nun dafür, daß der Rückkaufstermin für ihre Unternehmung in der Weise festzusetzen sei, daß der Rückkauf auf Grundlage der Konzession vom 6. September 1894 frühestens auf den Zeitpunkt erfolgen könne, mit welchem die Linie Lenzburg-Wildegg 30 Jahre im Betriebe sein werde.

Sie macht dafür nachstehende Gründe geltend :

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1. Der Rückkaufstermin müsse ein e i n h e i t l i c h e r sein für die drei Linien der Seethalbahn.

Der Rückkauf müsse auf G r u n d l a g e der K o n z e s s i o n erfolgen ; für die sämtlichen Linien der Seethalbahn bestehe aber nur e i n e Konzession, diejenige vom 6. September 1894, alle frühern Konzessionen seien durch diese aufgehoben worden. Der Bundesbeschluß vom 6. September 1894 erkläre in dieser Hinsichtausdrücklich, daß die frühern Konzessionen für die einzelnen Linien in dem Sinne abgeändert werden, daß ,,an deren Stelle ein einheitlicher Konzessionsakt für die ganze Linie tretea. Es sei klar, daß die aufgehobenen frühern Konzessionen in keiner Beziehung mehr in Betracht fallen, speciell auch nicht für die Bestimmung des Rückkaufstermin es. Der Rückkauf könne vielmehr in allen Teilen nur auf Grund der Konzession vom 6. September 1894 stattfinden und auf Grund dieser Konzession, in welcher die drei Linien der Seethalbahn völlig gleich behandelt seien, könne auch bezüglich des Rückkaufstermines eine verschiedene Behandlung derselben nicht Platz greifen.

Übrigens sei dieser e i n h e i t l i c h e Rückkaufstermin in Art. 27 der genannten Konzession anerkannt, speciell sei dort gesagt, daß bei Ermittelung des Reinertrages ,,die durch diesen Akt konzedierte Eisenbahnunternehmung''' in Betracht und Berechnung falle. Die durch diesen Akt konzedierte Eisenbahnunternehmung sei aber die Seethalbahn mit i h r e n s ä m t l i c h e n L i n i e n ; werde für die sämtlichen Linien der Seethalbahn eine einheitliche Rückkaufsentschädigung festgesetzt, so sei klar, daß auch der Rückkaufstermin ein einheitlicher sein müsse.

2. Dieser einheitliche Rückkauf könne zufolge des Bundesbeschlusses vom 14. Oktober 1897 frühestens auf den Zeitpunkt erfolgen, mit welchem die jüngste (?) Linie der Seethalbahn, Lenzburg-Wildegg, 30 Jahre im Betrieb sein werde.

Die Konsequenz folge zunächst aus der E i n h e i t des Rückk a u f e s für sämtliche Linien der Seethalbahn; würde der Rückkauf auf einen frühern Termin angesetzt als er nach dem Bundesbeschlusse vom 14. Oktober 1897 für die Linie Lenzburg-Wildegg zulässig sei, so würde dieses G e s e t z v e r l e t z t , soweit die Linie Lenzburg-Wildegg in Betracht falle ; wollte man zur Umgehung dieser Schwierigkeit die einzelnen Linien successive zurückkaufen, so würde die K o n z e s s i o n vom 6. September 1894 v e r l e t z t , ·welche, wie oben ausgeführt, einen e i n h e i t l i c h e n Rückkauf festsetze.

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3. Wollte man übrigens, entgegen der Konzession vom 6. September 1894, die einzelnen Linien der Seethalbahn getrennt zurückkaufen, so würde man für die Stammlinie Emmenbrücke-Lenzburg und Beinwyl-Reinach-Menziken k e i n e n w e s e n t l i c h f r ü h er n R ü c k k a u f s ter m in e r z i e l e n .

Denn einmal sei gewiß, daß der Bundesbeschluß vom 14. Oktober 1897 auch für diese beiden Linien der Seethalbahn zur Anwendung kommen müßte. Denn die Konzession vom 6. September 1894 bedeute nicht etwa bloß eine formelle Zusammenlegung bereits bestehender Konzessionen, sondern sie sei eine n e u e Konzession, welche einer neugegründeten Gesellschaft übertragen wurde.

Diese Auffassung sei auch diejenige des Bundesrates, welcher sie z. B. in seinem Schreiben vom 16. November 1894 an die Seethalbahn dadurch zum Ausdruck brachte, daß er alle neuen Gesetze und Bundesbeschlüsse, welche gegenüber dem Zustande zur Zeit der ursprünglichen Konzession der Seethalbahn eine Mehrbelastung der Gesellschaft bedeuten, für die Konzession vom 6. September 1894 als anwendbar erklärte, mit der Begründung, daß es sich um eine neue Konzession handle. In dem bezüglichen Schreiben habe sich der Bundesrat u. a. ausgesprochen, wie folgt: ,,Es handelte sich nicht um eine Änderung der Konzessionen der alten Seethalbahngesellschaft, sondern um Festsetzung der Bedingungen, unter welchen diese Konzessionen an die neue Gesellschaft übertragen werden konnten, und dabei war der Bund, wie bei der Erteilung einer neuen Konzession, vollständig frei, die Bestimmungen so zu normieren, wie er sie als den öffentlichen Interessen angemessen erachtete.

,,Wenn eine neue Gesellschaft die Bedingungen der Übertragung einer bestehenden Konzession für unannehmbar ansieht, so steht ihr frei, auf die Konzessionsübertragung zu verzichten, wie ein Konzessionsbewerber nicht gezwungen ist, eine Konzession anzunehmen, die nach seiner Ansieht zu schwere Bedingungen enthält."

Sodann spreche auch der legislatorische Grund des Bundesbeschlusses vom 14. Oktober 1897 für dessen Anwendung auf die genannten Linien der Seethalbahn.

Man habe bekanntlieh den seit dem Jahre 1886 konzessionierten Eisenbahngesellschaften durch die Zusicherung einer gewissen Betriebsdauer ein Äquivalent dafür geben wollen, daß man in den Rückkaufsbestimmungen ihrer Konzessionen die Klausel weggelassen hatte, wonach die Entschädigungssumme für den ßück-

489 kauf in keinem Falle weniger als die nachgewiesenen erstmaligen Anlagekosten der bestehenden Einrichtungen betragen dürfe. Nun enthalten wohl die früheren, nicht mehr aber die Konzession vom 6. September 1894 diese Klausel.

Für die gegenwärtige Seethalbahngesellschaft bedeute der Kaufpreis, welchen sie im Jahre 1894 für die Erwerbung der Bahn auslegte, die ^erstmaligen Anlagekosten der bestehenden Einrichtungen'1 ; da man selbstverständlich keine Gewißheit habe, daß sich der Reinertrag der Seethalbahn für die nächsten Jahre auf einer gewissen Höhe halten werde, so hätte die Zusicherung, daß die Rückkaufssumme nicht meniger als der von der Gesellschaft ausgelegte Kaufpreis betragen dürfe, eine wertvolle Garantie bedeutet. Das Äquivalent für das Wegfallen dieser Garantie müsse der Seethalbahngesellschaft, gleich den ändern in gleichem Falle befindlichen Eisenbahngesellschaften, durch den Bundesbeschluß vom 14. Oktober 1897 zukommen.

Sei die Anwendbarkeit dieses Bundesbeschlusses auf sämtliche Linien der Seethalbahn einmal anerkannt, so sei klar, daß der ,,Zeitpunkt, mit welchem die Bahn 30 Jahre im Betriebe sein werde11, nicht anders verstanden werden könne, denn als Zeitpunkt, mit welchem die g e g e n w ä r t i g e Konzessionärin den B e t r i e b der B a h n ü b e r n o m m e n habe. Eine Interpretation, dahingehend, die 30jährige Frist beginne von dem Zeitpunkte an, seit welchem überhaupt, gleichviel von wem, die einzelnen Linien der S. T. B. betrieben worden seien, würde sich mit dem gesetzgeberischen Zweck des Bundesbeschlusses vom 14. Oktober 1897 nicht decken. Zudem sei klar, daß der Wortlaut dieses Bundesbeschlusses auf den gewöhnlichen Fall der Inbetriebsetzung der neuen Linien berechnet sei, wobei der Beginn des Betriebes selbstverständlich ein späterer Termin sei als die Konzessionserteilung ; das Gesetz sehe also den Fall, wo ein Betrieb schon vor der Konzessionserteilung stattgefunden habe, überhaupt nicht vor ; hieraus folge, daß aus dem Wortlaut des Bundesbeschlusses vom 14. Oktober 1897 nichts g e g e n die von der Seethalbahn vertretene Auffassung der vorliegenden Frage gefolgert werden könnte.

Zum Schlüsse spricht die Direktion der Seethalbahn die Erwartung aus, die hohe Bundesversammlung werde den Rückkaufstermin ihrer Unternehmung, dem Recht und der Billigkeit entsprechend, im Sinne ihrer Ausführungen, d. h. frühestens auf den Zeitpunkt festsetzen, mit welchem die Linie Lenzburg-Wildegg

490 30 Jahre im Betriebe sein werde, also frühestens auf den 1. Oktober 1925.

Wir gestatten uns zu dem Gesuche der Seethalbahn und dessen Begründung nachstehende Bemerkungen.

Zunächst kann es allerdings keinem Zweifel unterliegen, daß durch die Zusammenfassung der verschiedenen Konzessionen in einen einheitlichen Konzessionsakt für alle drei Linien e i n e i n heitlicher R ü c k k a u f , u n d z w a r f r ü h e s t e n s a u f l . M a i 1903, festgesetzt wurde. Ebenso ist richtig, daß durch' diese Konzession die früheren aufgehoben wurden und daher nicht weiter in Betracht fallen, auch nicht, was die Bestimmung des Rückkaufstermines anbelangt.

Dagegen muß anderseits konstatiert werden, daß durch die einheitliche Konzession an der Thatsache nichts geändert wurde, daß faktisch die einzelnen Linien, aus welchen sich die Seethalbahn zusammensetzt, zu verschiedenen, teilweise nicht unbedeutend auseinanderliegenden Zeiten dem Betriebe übergeben wurden, daher die Zeitpunkte, wo die einzelnen Linien 30 Jahre im Botriebe stehen werden, nicht zusammenfallen.

Ferner übersieht die Gesuchstellerin gänzlich, daß eben durch den spätem Bundesbeschluß vom 14. Oktober 1897 die Konzession vom 6. September 1894 e r g ä n z t , d. h. a b g e ä n d e r t wurde und daher heute nur insoweit Gültigkeit hat, als sie nicht durch den genannten Bundesbeschluß abgeändert wurde, und daß sie weichen muß, wenn und soweit es zur Vollziehung des sie modifizierenden Bundesbeschlusses vom 14. Oktober 1897 notwendig erscheint.

Aus diesem Grunde kann, wenn zur Durchführung des eben genannten Bundesbeschlusses die in der Konzession vorgesehene Einheitlichkeit des Rückkaufs aufgegeben werden muß, von einer V e r l e t z u n g der K o n z e s s i o n , wie sie die Gesuchstellerin behauptet, nicht mehr die Rede sein, und es steht die Konzession nicht im Wege, für die einzelnen Linien nach ihrer zeitlich auseinanderliegenden Betriebseröffnung einen verschiedenen Rückkaufstermin anzunehmen. Geht man in diesem letztern Sinne vor, so fällt ohne weiteres auch das Argument der Gesuchstellerin, wenn sie, auf den nach der Konzession notwendig einheitlichen Rückkauf abstellend, eine Verletzung des Bundesbeschlusses vom 14. Oktober 1897 mit Bezug auf die Linie Lenzburg-Wildegg dann annimmt, wenn ein einheitlicher Rückkauf auf einen frühern Termin als 30 Jahre nach Betriebseröffnung eben dieser Linie angesetzt würde.

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Vielmehr ist der successive Rückkauf je auf den Zeitpunkt, wo die einzelne Linie 30 Jahre im Betriebe stehen wird, hier, wie bei jedem ändern Bahnunternehmen, das sich aus mehreren, zu verschiedenen Zeiten dem Betriebe übergebencn Linien zusammensetzt und auf welches jener Bundesbeschluß Anwendung zu finden hat, die nächstliegende Lösung, welche dem Wortlaute und dem Sinne des Bundesbeschlusses entspricht. Zwar ließe sich auch der Standpunkt wohl vertreten, daß das Eröffnungsdatum der z u e r s t in Betrieb gesetzten oder der S t a m m l i n i e als das maßgebende für Berechnung des Rückkaufstermines für die Bahn als solche, d. h. für das ganze Unternehmen zu betrachten sei, wenigstens dann, wenn die später eröffneten Linien nur untergeordnete Bedeutung haben oder für sich nicht betriebsfähig wären. Wir wollen aber auf diesen Standpunkt, über dessen Berechtigung die Meinungen vielleicht auseinandergehen könnten, hier nicht entscheidend abstellen, indem wir mit um so mehr Nachdruck betonen, daß dafür der andere hiervor zuerst erwähnte auf keinen Fall mit Grund als unbillig angefochten werden kann.

Wenn die Seethalbahn allenfalls in der nachträglichen Änderung im vorstehenden Sinne ihrer Konzession vom 4. September 1894 durch den Bundesbeschluß vom 14. Oktober 1897 eine ihren Interessen nachteilige einseitige Maßnahme des Bundes erblicken sollte, so bleibt ihr selbstverständlich durchaus unbenommen, auf die Anwendung der Verfügung ihr gegenüber zu verzichten und auf strikter Einhaltung der Rückkaufsbestinrmungen der Konzession, d. h. des 1. Mai 1903 als ersten Rückkauftermins und der Einheitlichkeit des Rückkaufs, zu bestehen.

Ganz unzutreffend sind sodann die Ausführungen der Gesuchö stellerin, womit sehr umständlich dargethan werden soll, daß auch bei getrennter Durchführung des Rückkaufs der einzelnen Linien man für die Stammlinie Emmenbrücke-Lenzburg und BeinwilReinach-Menziken keinen wesentlich frühern Rückkaufstermin als denjenigen 30 Jahre nach Betriebseröffnung von Lenzburg-Wildegg erzielen würde.

Zwar ist ihr ohne anderes darin beizustimmen, daß jedenfalls der Bundesbeschluß vom 14. Oktober 1897 auch auf die Linien Emmenbrücke-Lenzburg und Beinwyl-Reinach-Menziken Anwendung zu finden hat, indem die Voraussetzungen hierfür unzweifelhaft vorliegen. Falsch hingegen ist es, wenn aus der
Thatsache der Zusammenfassung der alten in eine n e u e Konzession zu gunston e i n e r n e u e n G e s e l l s c h a f t und aus dem legislatorischen Grund des Bundesbeschlusses vom 14. Oktober 1897 ,,als ohne

492 weiteres klara gefolgert werden will, daß der Zeitpunkt, mit welchem die Bahn 30 Jahre im Betriebe sein werde, nicht anders verstanden werden könne, denn als Zeitpunkt, in welchem die g e g e n w ä r t i g e Konzessionärin, die schweizerische Seethalbahngesellschaft, den Betrieb 30 Jahre ausgeübt haben werde.

Die Direktion der Seethalbahn nimmt, allerdings ohne eine besondere Begründung ihrer Ansicht, an, daß eine Interpretation, welche die 30jährige Frist mit dem Zeitpunkte beginnen ließe, seit welchem überhaupt, gleichviel von wem, die einzelnen Linien der Seethalbahn betrieben worden seien, sich mit dem gesetzgeberischen Zwecke des Bundesbeschlusses vom 14. Oktober 1897 nicht decken würde. Das Gegenteil ist richtig. Gerade der gesetzgeberische Zweck muß mit logischer Notwendigkeit zu der bestrittenen Auslegung führen.

Die Interessenten hatten gewünscht, es möchte einfach die Klausel betreffend Garantie der Anlagekosten als Mindestrüekkaufspreis in die ohne dieselbe erteilten Konzessionen wieder eingeführt werden, auf welches Ansinnen aber der Bund nicht eintreten konnte. In unserer bezüglichen Botschaft vom 20. September 1897 führten wir den Fachweis, daß in dem Grundsatz, für die Preisbestimmung beim Rückkauf einzig den Ertragswert als maßgebend anzuerkennen, an und für sich weder eine Härte noch eine Unbilligkeit gegenüber den Bahngesellschaften liege. Jedoch wurde anerkannt, daß dieser Grundsatz wenigstens vom Standpunkt der Billigkeit aus unter dem Gesichtspunkte als nicht voll entsprechend sich bemängeln lasse, daß nach diesem Rückkaufsmodus bei Bahnunternehmen, welche anfangs mit Schwierigkeiten zu kämpfen haben und wenig oder keine Rendite abwerfen, auch deren Zukunftschanoen gänzlich unberücksichtigt bleiben, während für letztere eine gewisse Kompensation dann geboten werde, wenn der Bund wenigstens die Anlagekosten zu bezahlen habe. Insbesondere wurde bemerkt, daß es bei Unternehmungen, welche zur Zeit des Rückkaufes noch eine geringe oder keine Rendite aufweisen, aber in spätem Betriebsjahren bessere Erträgnisse mit mehr oder weniger Sicherheit erwarten lassen, für die Interessenten empfindlich sein und als eine Unbilligkeit sich darstellen würde, wenn der Bund, bevor das Unternehmen die ersten ungünstigen Betriebsjahre hinter sich und Zeit gefunden habe, den Verkehr an sieh zu
ziehen und zu entwickeln, von seinem Rückkaufsreehte Gebrauch machen und dabei die Aussicht auf bessere Ergebnisse späterer Jahre ganz außer Betracht lassen wollte. Von den Interessenten war als Frist, um den Bahnen eine normale Entwicklung ihres

493 Verkehrs und eine gewisse Konsolidierung zu ermöglichen, die durch die Konzessionen garantierte von 15--20 Jahren bis zum ersten Rückkaufstermin als ungenügend und eine solche von wenigstens 30 Jahren als erforderlich bezeichnet worden ; binnen einer solchen Frist könnten solche Unternehmungen auf einen normalen Stand gelangen und dann ohne allzu fühlbare Härte für die Gesellschaften die- Berechnung der Rückkaufsentschädigung nach dem Reinertrag erfolgen.

Diesen Erwägungen glaubte die Bundesversammlung aus Gründen der Billigkeit auch ihrerseits Rechnung tragen zu sollen und ergänzte daher durch den Bundesbeschluß vom 14. Oktober 1897 die Konzessionen, in welchen die Klausel betreffend Garantie der Anlagekosten weggelassen ist, in dem Sinne, daß der Rückkauf auf Grundlage der Konzessionsbestimmungen frühestens 30 Jahre nach Betriebseröffnung der Bahn erfolgen könne.

Der Zweck, welchen der Gesetzgeber mit diesem Erlasse verfolgte, war also unzweideutig der, solchen Bahnunternehmungen, welche ausschließlich nach dem Reinertrag zurückgekauft werden und denen als Minimum die Vergütung der Anlagekosten nicht garantiert ist, unter allen Umständen die nötige Zeit zu einer normalen Entwicklung ihres Verkehrs einzuräumen und sie vor einem frühzeitigen und daher für sie ungünstigen Rückkauf schon nach den ersten Jahren, in denen der Reinertrag noch verhältnismäßig gering war, sicherzustellen.

Dieser Zweck ist aber erreicht, d. h. den Gesellschaften wird die Erleichterung und der Vorteil, welche ihnen der Beschluß bieten wollte, zu teil, sobald nur der Rückkauf nicht früher stattfindet, als bis sie einen 30jährigen Betrieb hinter sich haben. Ob im Laufe dieser Zeit ein Besitzwechsel stattfindet, ist dagegen für die maßgebende Frage, ob einer Gesellschaft vor dem Rückkauf nach dem Reinertrag im Sinne des Beschlusses die Möglichkeit einer successiven Entwicklung und Hebung ihres Verkehrs geboten war, ganz unerheblich. Ob die Bahn auf den Namen dieser oder jener Gesellschaft betrieben wird, das ist für die Entwicklung des Verkehrs ohne Einfluß ; der Name oder die Firma des Besitzers thut nichts dazu, sondern die Zeit, welche ihr dafür zur Verfügung stand. Es kann daher für die Bestimmung des Ruckkaufstermines der Seethalbahn nach dem Bundesbeschluß vom 14. Oktober 1897 nicht in Betracht fallen,i ob der
Betrieb von Anfana:O an auf den Namen der jetzigen Gesellschaft geführt wurde, sondern einzig nur, wann die Bahn thatsächlich 30 Jahre im Betrieb sein wird.

Sobald dieses der Fall ist, kann der Rückkauf vom Bunde erBundesblatt. 50. Jahrg. Bd. V.

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klärt werden. Etwas anderes spricht der Bundesbeschluß vom 14. Oktober 1897 nicht aus, und die Gesuchstellerin schiebt ihm etwas unter, wofür nicht der mindeste Anhaltspunkt besteht.

Ganz unverständlich ist uns endlich das letzte Argument der Gesuchstellerin : es sei klar, daß der Wortlaut des Bundesbeschlusses auf den gewöhnlichen Fall der Inbetriebsetzung der neuen Linien berechnet sei, wobei der Beginn des Betriebes selbstverständlich ein späterer Termin sei, als die Konzessionserteilung ; das Gesetz sehe also den Fall, wo ein Betrieb schon vor der Konzessionserteilung stattgefunden habe, überhaupt nicht vor; hieraus folge, daß aus dem Wortlaut des Bundesbeschlusses vom 14. Oktober 1897 nichts g e g e n die von ihr vertretene Auffassung der vorliegenden Frage gefolgert werden könnte. Der Fall eines Bahnbetriebes vor dei' Konzessionserteilung ist -- rechtlich wenigstens -- überhaupt nicht denkbar, da jeder Eisenbahnbetrieb nur auf Grund einer staatlichen Konzession ausgeübt werden darf. Er liegt auch bei der Scethalbahn gar nicht vor ; diese wurde vor dem 6. September 1894 nicht konzessionslos betrieben, sondern auf Grund kantonaler uud einer Bundeskonzession, die dann auf genannten Zeitpunkt durch einen einheitlichen neuen Konzessionsakt ersetzt wurden. Der Wortlaut des Bundcsbeschlusses vom 14. Oktober 1897 ist übrigens mit Absicht so allgemein als möglich gefaßt worden, um dessen Anwendung auf alle Unternehmungen zu erlauben, bei denen die im Beschluß selbst genannten und in der Botschaft des nähern auseinandergesetzten Voraussetzungen dafür zutreffen würden. Er soll Anwendung finden, das wurde in der Botschaft und bei der Gesetzesberatung ausdrücklich betont, schlechthin auf alle Bahnuntcrnohmungen, für die eine Konzession gilt, welcher die Klausel betreffend Anlagekosten fehlt, ohne Unterscheidung zwischen Haupt- und Nebenbahnen, zwischen Verkehrs- oder Luxusbahnen, zwischen subventionierten oder nichtsubventionierten, aber auch ohne Unterschied, ob die Konzession die ursprünglich erteilte, oder eine in der Folge abgeänderte, oder eine1 an die Stelle einer frühem gesetzte sei, ob die Bahn am 14. Oktober 1897 schon in Botrieb stand oder nicht, und ohne für den eint und ändern Fall eine verschiedene Berechnung des neuen Rückkaufstermins zu statuieren. Vielmehr soll als solcher für alle diese
Unternehmungen der Zeitpunkt gelten, wo die Bahn 30 Jahre im Betrieb steht. Einen Unterschied, wie ihn die Gesuchstellerin andeutet, zu machen, hätte bei dem Zwecke, welchen der Bundesbeschluß verfolgte, gar keinen Sinn gehabt.

Denn es sollte einzig nur die für die Bahnen nachteilige Wirkung des Fehlens der Klausel, die in jenen einzelnen Fällen keine verschiedene gewesen wäre, gemildert werden.

495 Es darf übrigens auch noch darauf hingewiesen werden, daß «der Bund mit jenem Beschlüsse zu gunsten der Bahnen sein Recht, schon auf den ersten konzessionsmäßigen Termin nach dem Reinertrag zurückzukaufen, preisgab, also einen Verzicht aussprach, der nach allgemeiner Rechtsregel nicht ausdehnend interpretiert werden darf. Dies wäre aber ohne Zweifel der Fall, wenn dem Begehren der Seethalbahn entsprochen würde, welche verlangt, daß als Rückkaufstermin für ihre Unternehmung der Zeitpunkt bestimmt werde, in welchem ihre j ü n g s t e Linie Lenzburg-Wildegg 30 Jahre im Betrieb stehen werde.

Steht nach den obigen Ausführungen fest, daß der Seethalbahn ein R e c h t s a n s p r u c h auf eine Entscheidung der aufgeworfenen Frage im Sinne ihres Gesuches nicht zukommt und daß sie eine solche auch aus Billigkeitsgründen nicht beanspruchen kann, so gehen wir auf der ändern Seite mit der Gesuchstellerin darin einig, daß ein einheitlicher Rückkauf ihrer drei Linien nicht allein im Interesse der Gesellschaft, sondern auch vorn Standpunkt des Bundes als eventuellen Rückkäufers zur Vermeidung der mit einem successiven Rückkaufe der einzelnen Linien notwendig verknüpften Schwierigkeiten e r w ü n s c h t wäre und darauf Bedacht genommen werden sollte, die Einheitlichkeit des Rückkaufs, welche in der Konzession vom 6. September 1894 vorgesehen war, aber durch den Bundesbeschluß vom 14. Oktober 1897 thatsächlich, sofern es sich um einen Rückkauf bis zur 30jährigen Betriebsdauer der einzelnen Linien handelt, beseitigt wurde, zu wahren.

Nur besteht darauf kein Rechts- oder auch nur Billigkeitsanspruch der Gesellschaft, sondern es muß dieses Ziel auf dem Wege der Verständigung zu erreichen gesucht werden.

Als eine den vorliegenden besondern Verhältnissen angemessene Lösung erscheint z. B. die Festsetzung eines m i t t l e r e n Rückkaufstermins zwischen dem kürzesten der Linie Emmenbrücke-Lenzburg und dem längsten der Linie Lenzburg-Wildegg. Die Seethalbahn hat sich aber zu einem annehmbaren Vorschlag nicht veranlaßt gesehen, sondern mutet dem Bund ohne weiteres die ihm ungünstigste Lösung durch einen gesetzgeberischen Erlaß zu. Darauf kann sich derselbe aber unseres Erachtens ohne Preisgabe · seiner Interessen nicht einlassen.

Wir beantragen Ihnen daher, auf das Gesuch der Seethalbahn so wie es gestellt ist,
nicht einzutreten und zu gewärtigen, ob die Seethalbahn Anlaß nehmen wird, einen ändern Vorschlag zu machen, der als Grundlage für eine weitere Diskussion der auf-

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geworfenen Frage zum Zwecke einer Verständigung annehmbar erscheinen könnte.

Genehmigen Sie, Tit., auch bei diesem Anlasse die Versicherung unserer vollkommenen Hochachtung.

B e r n , den 12. Dezember 1898.

Im Namen des Schweiz. Bundesrates> Der Bundespräsident: Ruffy.

Der Kanzler der Eidgenossenschaft: Ringier.

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Botschaft des Bundesrates an die Bundesversammlung, betreffend Anwendung des Bundesbeschlusses vom 14. Oktober 1897 auf die schweizerische Seethalbahn. (Vom 12.

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